Verstehen und Nicht-‐Verstehen im Gespräch - Leseforum.ch

Verstehen und Nicht-‐Verstehen im Gespräch - Leseforum.ch Verstehen und Nicht-‐Verstehen im Gespräch - Leseforum.ch

29.10.2013 Aufrufe

Verstehen und Nicht-­‐Verstehen im Gespräch Das Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs 1 Marcus Steinbrenner und Maja Wiprächtiger-­‐Geppert Abstract Online-­‐Plattform für Literalität Eine nach wie vor häufig praktizierte Methode im Literaturunterricht aller Schularten ist das Unterrichtsge-­‐ spräch. Es ist aber umstritten, ob es sich dabei um wirkliche Gespräche handelt und ob Schülerinnen und Schüler mit dieser Form etwas lernen können. Ausgehend von diesen Fragestellungen entwickelten die Mitglieder eines Forschungsprojekts an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg theoretisch fundierte und in unterschiedlichen Lehr-­‐Lern-­‐Settings erprobte Konzepte zur Planung, Leitung und Auswertung von Gesprächen im Literaturunterricht. In zahlreichen Projektveranstaltungen an Hochschule und Schule ent-­‐ stand dabei das „Heidelberger Modell“, ein Ansatz zur Leitung literarischer Unterrichtsgespräche, der in diesem Aufsatz vorgestellt wird. Dabei werden zunächst die wesentlichen theoretischen Bezugspunkte des Modells verdeutlicht, die aus der Literaturtheorie (Hermeneutik), der Spracherwerbstheorie (Lernen im Format nach Bruner) und der Ge-­‐ sprächstheorie (Gesprächsmodell, basierend u. a. auf der Themenzentrierten Interaktion) stammen. Im zweiten Teil geht der Aufsatz der Frage nach, was in literarischen Unterrichtsgesprächen gelernt werden kann und charakterisiert dabei die Zielsetzungen des Ansatzes in Form von neun sprachlichen und literari-­‐ schen Kompetenzen. Der dritte Teil thematisiert schließlich die praktische Realisierung des Modells. Dabei werden Vorschläge für die allgemeine Rahmung des Gesprächs im Unterricht gemacht und ein möglicher Ablauf in sechs Phasen vorgestellt. Die Autoren betonen, dass das „Heidelberger Modell“ weniger eine spezifische Technik ist, sondern viel-­‐ mehr für eine bestimmte Haltung gegenüber den Schülern, dem Text und dem Gespräch steht, die sich in den einzelnen methodischen Formen ausdrücken kann. Hierzu bedarf es persönlicher und professioneller Handlungs-­‐, Leitungs-­‐ und Textkompetenzen, die nicht vorausgesetzt werden können, sondern in der Aus-­‐ und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern vermittelt werden müssen. Schlüsselwörter Literaturunterricht, literarisches Unterrichtsgespräch, Lernen im Format, sprachliches und literarisches Lernen, literarisches Verstehen als dialogischer Prozess ⇒ Titre, chapeau et mots-­‐clés en français à la fin de l’article AutorInnen Marcus Steinbrenner Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, Hochschule Luzern, Museggstrasse 37, 6005 Luzern marcus.steinbrenner@phz.ch Maja Wiprächtiger-­‐Geppert Pädagogische Hochschule FHNW, Institut Primarstufe, Kasernenstr. 31, 4410 Liestal maja.wipraechtiger@fhnw.ch 1 Wir danken Prof. Dr. G. Härle sehr herzlich für seine produktiven Anregungen bei der Erstellung dieses Aufsatzes. Er ist zum ersten Mal 2006 in der Zeitschrift Literatur im Unterricht erschienen (7 (3), 227-­‐241). Wir bedanken uns beim Wissenschaftli-­‐ chen Verlag Trier für die Möglichkeit einer Zweitveröffentlichung. Für das leseforum.ch wurde der Beitrag geringfügig bear-­‐ beitet und bzgl. einiger Literaturverweise aktualisiert. www.leseforum.ch | www.forumlecture.ch – 3/2010 1

<strong>Verstehen</strong> <strong>und</strong> <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

Das Heidelberger Modell des Literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s 1<br />

Marcus Steinbrenner <strong>und</strong> Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert<br />

Abstract<br />

Online-­‐Plattform für Literalität<br />

Eine na<strong>ch</strong> wie vor häufig praktizierte Methode <strong>im</strong> Literaturunterri<strong>ch</strong>t aller S<strong>ch</strong>ularten ist das Unterri<strong>ch</strong>tsge-­‐<br />

sprä<strong>ch</strong>. Es ist aber umstritten, ob es si<strong>ch</strong> dabei um wirkli<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e handelt <strong>und</strong> ob S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong><br />

S<strong>ch</strong>üler mit dieser Form etwas lernen können. Ausgehend von diesen Fragestellungen entwickelten die<br />

Mitglieder eines Fors<strong>ch</strong>ungsprojekts an der Pädagogis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Heidelberg theoretis<strong>ch</strong> f<strong>und</strong>ierte<br />

<strong>und</strong> in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Lehr-­‐Lern-­‐Settings erprobte Konzepte zur Planung, Leitung <strong>und</strong> Auswertung von<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en <strong>im</strong> Literaturunterri<strong>ch</strong>t. In zahlrei<strong>ch</strong>en Projektveranstaltungen an Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ule ent-­‐<br />

stand dabei das „Heidelberger Modell“, ein Ansatz zur Leitung literaris<strong>ch</strong>er Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>e, der in<br />

diesem Aufsatz vorgestellt wird.<br />

Dabei werden zunä<strong>ch</strong>st die wesentli<strong>ch</strong>en theoretis<strong>ch</strong>en Bezugspunkte des Modells verdeutli<strong>ch</strong>t, die aus der<br />

Literaturtheorie (Hermeneutik), der Spra<strong>ch</strong>erwerbstheorie (Lernen <strong>im</strong> Format na<strong>ch</strong> Bruner) <strong>und</strong> der Ge-­‐<br />

sprä<strong>ch</strong>stheorie (<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>smodell, basierend u. a. auf der Themenzentrierten Interaktion) stammen. Im<br />

zweiten Teil geht der Aufsatz der Frage na<strong>ch</strong>, was in literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>en gelernt werden<br />

kann <strong>und</strong> <strong>ch</strong>arakterisiert dabei die Zielsetzungen des Ansatzes in Form von neun spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> literari-­‐<br />

s<strong>ch</strong>en Kompetenzen. Der dritte Teil thematisiert s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> die praktis<strong>ch</strong>e Realisierung des Modells. Dabei<br />

werden Vors<strong>ch</strong>läge für die allgemeine Rahmung des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t gema<strong>ch</strong>t <strong>und</strong> ein mögli<strong>ch</strong>er<br />

Ablauf in se<strong>ch</strong>s Phasen vorgestellt.<br />

Die Autoren betonen, dass das „Heidelberger Modell“ weniger eine spezifis<strong>ch</strong>e Te<strong>ch</strong>nik ist, sondern viel-­‐<br />

mehr für eine best<strong>im</strong>mte Haltung gegenüber den S<strong>ch</strong>ülern, dem Text <strong>und</strong> dem <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> steht, die si<strong>ch</strong> in<br />

den einzelnen methodis<strong>ch</strong>en Formen ausdrücken kann. Hierzu bedarf es persönli<strong>ch</strong>er <strong>und</strong> professioneller<br />

Handlungs-­‐, Leitungs-­‐ <strong>und</strong> Textkompetenzen, die ni<strong>ch</strong>t vorausgesetzt werden können, sondern in der Aus-­‐<br />

<strong>und</strong> Weiterbildung von Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrern vermittelt werden müssen.<br />

S<strong>ch</strong>lüsselwörter<br />

Literaturunterri<strong>ch</strong>t, literaris<strong>ch</strong>es Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>, Lernen <strong>im</strong> Format, spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es <strong>und</strong> literaris<strong>ch</strong>es<br />

Lernen, literaris<strong>ch</strong>es <strong>Verstehen</strong> als dialogis<strong>ch</strong>er Prozess<br />

⇒ Titre, <strong>ch</strong>apeau et mots-­‐clés en français à la fin de l’article<br />

AutorInnen<br />

Marcus Steinbrenner<br />

Pädagogis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Zentrals<strong>ch</strong>weiz, Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Luzern, Museggstrasse 37, 6005 Luzern<br />

marcus.steinbrenner@phz.<strong>ch</strong><br />

Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert<br />

Pädagogis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule FHNW, Institut Pr<strong>im</strong>arstufe, Kasernenstr. 31, 4410 Liestal<br />

maja.wiprae<strong>ch</strong>tiger@fhnw.<strong>ch</strong><br />

1 Wir danken Prof. Dr. G. Härle sehr herzli<strong>ch</strong> für seine produktiven Anregungen bei der Erstellung dieses Aufsatzes. Er ist zum<br />

ersten Mal 2006 in der Zeits<strong>ch</strong>rift Literatur <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t ers<strong>ch</strong>ienen (7 (3), 227-­‐241). Wir bedanken uns be<strong>im</strong> Wissens<strong>ch</strong>aftli-­‐<br />

<strong>ch</strong>en Verlag Trier für die Mögli<strong>ch</strong>keit einer Zweitveröffentli<strong>ch</strong>ung. Für das leseforum.<strong>ch</strong> wurde der Beitrag geringfügig bear-­‐<br />

beitet <strong>und</strong> bzgl. einiger Literaturverweise aktualisiert.<br />

www.leseforum.<strong>ch</strong> | www.forumlecture.<strong>ch</strong> – 3/2010 1


<strong>Verstehen</strong> <strong>und</strong> <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong> <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

Das Heidelberger Modell des Literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s<br />

Im Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t aller S<strong>ch</strong>ularten wird sehr viel über Literatur gespro<strong>ch</strong>en. Es ist aber umstritten, ob es<br />

si<strong>ch</strong> um wirkli<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e handelt <strong>und</strong> ob S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler dabei etwas lernen können. Ausge-­‐<br />

hend von diesen Fragestellungen entwickelten die Mitglieder eines Fors<strong>ch</strong>ungsprojekts an der Pädagogi-­‐<br />

s<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Heidelberg theoretis<strong>ch</strong> f<strong>und</strong>ierte <strong>und</strong> in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Lehr-­‐Lern-­‐Settings erprobte<br />

Konzepte zur Planung, Leitung <strong>und</strong> Auswertung von <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en <strong>im</strong> Literaturunterri<strong>ch</strong>t. In zahlrei<strong>ch</strong>en Pro-­‐<br />

jektveranstaltungen an Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ule entstand dabei das „Heidelberger Modell“, ein Ansatz zur<br />

Leitung literaris<strong>ch</strong>er Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>e, der in diesem Aufsatz vorgestellt wird (ausführli<strong>ch</strong> hierzu: Härle<br />

& Steinbrenner, 2004).<br />

Dabei sollen zunä<strong>ch</strong>st die wesentli<strong>ch</strong>en theoretis<strong>ch</strong>en Bezugspunkte unseres Modells deutli<strong>ch</strong> werden, die<br />

aus der Literaturtheorie, der Spra<strong>ch</strong>erwerbstheorie <strong>und</strong> der <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>stheorie stammen. Im zweiten Teil<br />

gehen wir der Frage na<strong>ch</strong>, was in literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>en gelernt werden kann <strong>und</strong> <strong>ch</strong>arakteri-­‐<br />

sieren dabei die Zielsetzungen des Ansatzes. Der dritte Teil thematisiert s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> die praktis<strong>ch</strong>e Realisie-­‐<br />

rung des Modells, wobei wir sowohl auf den allgemeinen Rahmen als au<strong>ch</strong> auf einzelne Phasen eines litera-­‐<br />

ris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s eingehen.<br />

1 Theoretis<strong>ch</strong>er Rahmen<br />

1.1 Literaturtheorie<br />

Bei der Bes<strong>ch</strong>äftigung mit literaris<strong>ch</strong>en Texten n<strong>im</strong>mt das Problem des <strong>Verstehen</strong>s einen zentralen Platz<br />

ein. Unter Berufung auf die Hermeneutik Friedri<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>leierma<strong>ch</strong>ers <strong>und</strong> ihre Verknüpfung mit aktuellen<br />

dekonstruktivistis<strong>ch</strong>en Positionen dur<strong>ch</strong> Manfred Frank (2000) lässt si<strong>ch</strong> der unmittelbare Zusammenhang<br />

von literaris<strong>ch</strong>em <strong>Verstehen</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> aufzeigen. <strong>Verstehen</strong> wird als dynamis<strong>ch</strong>er, gesprä<strong>ch</strong>sförmiger<br />

Prozess geda<strong>ch</strong>t: als inneres Selbstgesprä<strong>ch</strong>, als <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> mit einem Text <strong>und</strong> als <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> mit einem rea-­‐<br />

len Gegenüber. Dieser Prozess ist prinzipiell spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>, individuell <strong>und</strong> letztli<strong>ch</strong> unabs<strong>ch</strong>ließbar: er kennt<br />

„kein endgültiges Wort“.<br />

Die Dialogizität <strong>und</strong> der Prozess<strong>ch</strong>arakter eines <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s können unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Auslegungsarten <strong>und</strong><br />

ein dynamis<strong>ch</strong>es We<strong>ch</strong>selspiel zwis<strong>ch</strong>en Text <strong>und</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>steilnehmern ermögli<strong>ch</strong>en. Das reale <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

lebt dabei besonders von der unmittelbaren, affektiv besetzten personalen Begegnung. Es kann dur<strong>ch</strong> die<br />

spezifis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e der literaris<strong>ch</strong>en Texte berei<strong>ch</strong>ert <strong>und</strong> angetrieben werden. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

wurde <strong>im</strong> Rahmen des Fors<strong>ch</strong>ungsprojekts eine <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sform konzipiert <strong>und</strong> praktis<strong>ch</strong> erprobt, die ni<strong>ch</strong>t<br />

auf ges<strong>ch</strong>lossene Interpretationen abzielt, sondern die Entfaltung von Textsinn <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sprozess er-­‐<br />

mögli<strong>ch</strong>t. 2<br />

1.2 Spra<strong>ch</strong>erwerbstheorie<br />

Ein weiterer Ansatz zur Begründung literaris<strong>ch</strong>er <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e ergibt si<strong>ch</strong> aus der Annahme der prinzipiellen<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sförmigkeit der frühkindli<strong>ch</strong>en literaris<strong>ch</strong>en Sozialisation (Härle, 2004b; Wieler, 1997) <strong>und</strong> der<br />

Spra<strong>ch</strong>erwerbstheorie Bruners (2002). Wir beziehen uns für die didaktis<strong>ch</strong>e Konzeptualisierung damit auf<br />

jene Formen, die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> in der erfolgrei<strong>ch</strong>en familiären Lesesozialisation wirksam sind: Vorlesegesprä-­‐<br />

<strong>ch</strong>e (zu diesem Terminus au<strong>ch</strong> Spinner, 2004), die die Verbindung zwis<strong>ch</strong>en den sinnverbürgenden Erwa<strong>ch</strong>-­‐<br />

senen, dem über seine <strong>Verstehen</strong>sgrenzen hinausgeführten Kind <strong>und</strong> dem literaris<strong>ch</strong>en Text herstellen <strong>und</strong><br />

mit Leben, Nähe <strong>und</strong> Affekt füllen. Familiäre Erzähl-­‐ <strong>und</strong> Vorlesegesprä<strong>ch</strong>e können <strong>im</strong> Ans<strong>ch</strong>luss an Bruner<br />

als Formate bes<strong>ch</strong>rieben werden, die wesentli<strong>ch</strong>e literaris<strong>ch</strong>e Erfahrungen ermögli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> die Basis litera-­‐<br />

ris<strong>ch</strong>er Kompetenz bilden.<br />

2 Die literaturtheoretis<strong>ch</strong>en Gr<strong>und</strong>lagen werden ausführli<strong>ch</strong> in Härle & Steinbrenner (2003) dargestellt. Mit diesem Aufsatz<br />

s<strong>ch</strong>ließen wir daran an. Theoretis<strong>ch</strong>er Hintergr<strong>und</strong> unseres Ansatzes ist keine Hermeneutik des objektiven Textsinns, sondern<br />

eine Hermeneutik, die davon ausgeht, dass Textsinn in einem individuellen <strong>und</strong> dialogis<strong>ch</strong>en Prozess <strong>im</strong>mer wieder neu ent-­‐<br />

steht (zum <strong>Verstehen</strong>sbegriff in der Literaturdidaktik au<strong>ch</strong> Steinbrenner, 2006; Abraham, 2010).<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 2


Na<strong>ch</strong> Bruner sind Formate eingespielte, standardisierte Ablaufmuster von Handlungs-­‐ <strong>und</strong> Redeaktivitäten<br />

zwis<strong>ch</strong>en Kind <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senem (Bruner, 2002, S. 131). Sie haben für den Spra<strong>ch</strong>-­‐ <strong>und</strong> damit au<strong>ch</strong> Litera-­‐<br />

turerwerb eine zentrale Bedeutung. Formate als verabredete Ereignisse, die spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>affen <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong>mer wieder herbeigeführt werden können, stiften Orientierung <strong>und</strong> Si<strong>ch</strong>erheit <strong>und</strong> ermögli<strong>ch</strong>en dadur<strong>ch</strong><br />

die Auseinandersetzung mit neuen Lerngegenständen. Lernen <strong>im</strong> Format in diesem Sinn weist folgende<br />

Kennzei<strong>ch</strong>en auf:<br />

− Es beruht auf Regeln <strong>und</strong> Routinen, z.B. in Form von wiederkehrenden kanonis<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>handlun-­‐<br />

gen oder eingespielten Ablaufmustern. Dur<strong>ch</strong> Regeln <strong>und</strong> Routinen werden Freiheitsgrade einge-­‐<br />

grenzt, damit ein Max<strong>im</strong>um an Verarbeitungskapazität zur Erfassung <strong>und</strong> Benennung neuer <strong>und</strong> of-­‐<br />

fener Bedeutungselemente frei bleibt. Mit der Zeit werden dabei die Grenzen erweitert <strong>und</strong> die Er-­‐<br />

wartungen an die Selbständigkeit der Lernenden angehoben.<br />

− Es bedarf einer stabilen Beziehung, einer „warme[n] <strong>und</strong> unterstützende[n] Atmosphäre“ (Bruner,<br />

2002, S. 69), in der der Novize si<strong>ch</strong> verstanden <strong>und</strong> als Person akzeptiert fühlen kann.<br />

− Es herrs<strong>ch</strong>t eine Asymmetrie hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> des Wissens der Partner. Der Erwa<strong>ch</strong>sene dient als kompe-­‐<br />

tenter Anderer, als Modell, Vorbild <strong>und</strong> Gerüst. Er ist die konstante Person, an der si<strong>ch</strong> die Lernenden<br />

orientieren können. Er unterstellt den Lernenden, <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>spartner <strong>im</strong> vollwertigen Sinn zu sein <strong>und</strong><br />

s<strong>ch</strong>afft auf diese Weise einen kommunikativ-­‐affektiven Sog – eine Zone der nä<strong>ch</strong>sten Entwicklung.<br />

− Formate betten Äußerungen <strong>im</strong>mer au<strong>ch</strong> in eine kulturelle Matrix ein, die dur<strong>ch</strong> sie zuglei<strong>ch</strong> (vor-­‐<br />

aus)gesetzt <strong>und</strong> ges<strong>ch</strong>affen wird. Die Lernenden werden dabei ni<strong>ch</strong>t auf Spra<strong>ch</strong>kenntnisse hin trai-­‐<br />

niert, sie lernen vielmehr Spra<strong>ch</strong>e als Mitglied einer kulturellen Gemeins<strong>ch</strong>aft mit ihren spezifis<strong>ch</strong>en<br />

Regeln, Normen <strong>und</strong> Themen zu gebrau<strong>ch</strong>en.<br />

Es ist erstrebenswert <strong>und</strong> mögli<strong>ch</strong>, an diese Strukturen anzuknüpfen <strong>und</strong> sie für s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>e Lehr-­‐Lern-­‐<br />

Prozesse fru<strong>ch</strong>tbar zu ma<strong>ch</strong>en (Gölitzer, 2008, S. 46ff.). In s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en eröffnen Formate die<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit, <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>snormen <strong>und</strong> -­‐formen transparent zu gestalten <strong>und</strong> ggf. gemeinsam zu reflektieren<br />

<strong>und</strong> zu modifizieren. Insbesondere bei „freien“ <strong>und</strong> „offenen“ <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sformen s<strong>ch</strong>lagen institutionelle<br />

Normen <strong>und</strong> Konventionen <strong>im</strong>mer wieder dur<strong>ch</strong> <strong>und</strong> entfalten ihre Wirkung, ohne dass es den Partizipie-­‐<br />

renden bewusst würde. Gerade sol<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sformen bedürfen deshalb eines gemeinsam gestalteten<br />

Formats – einer Orientierung <strong>und</strong> Si<strong>ch</strong>erheit gebenden transparenten Struktur, die <strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong> Vor-­‐<br />

griff praktiziert <strong>und</strong> dann von Zeit zu Zeit gemeinsam eingeholt, reflektiert <strong>und</strong> zum Gegenstand der Auf-­‐<br />

merksamkeit gema<strong>ch</strong>t wird.<br />

1.3 <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>stheorie<br />

Das systemis<strong>ch</strong> ausgeri<strong>ch</strong>tete Modell der Themenzentrierten Interaktion (TZI) bietet eine bewährte Mög-­‐<br />

li<strong>ch</strong>keit zur Organisation von literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en (Härle, 2004a). Mit dieser Form der Gruppen-­‐ <strong>und</strong><br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sleitung lassen si<strong>ch</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sprozesse initiieren, die einen ausgewogenen Bezug auf die Sa<strong>ch</strong>e<br />

(Text) <strong>und</strong> die beteiligten Subjekte (S<strong>ch</strong>üler, Lehrer) sowie ihre Interaktion (Gruppe) ermögli<strong>ch</strong>en. Ein Ge-­‐<br />

sprä<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Konzept der TZI strebt für alle Beteiligten ein mögli<strong>ch</strong>st hohes Maß an Authentizität <strong>und</strong><br />

Ents<strong>ch</strong>eidungsfreiheit an <strong>und</strong> bezieht die institutionellen Bedingungen realitätsgere<strong>ch</strong>t ein. Das Ziel einer<br />

dynamis<strong>ch</strong>en Balance der vier Faktoren Einzelner, Gruppe, Sa<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> Rahmenbedingungen ist ein Gr<strong>und</strong>ele-­‐<br />

ment des TZI-­‐Modells, das dafür unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Methoden, Regeln <strong>und</strong> standardisierte Ablaufmuster<br />

bereitstellt (Matzdorf & Cohn, 1992; S<strong>ch</strong>neider-­‐Landolf, Spielmann <strong>und</strong> Zitterbarth, 2009), die für die Praxis<br />

des literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s nutzbar gema<strong>ch</strong>t werden.<br />

Für die problematis<strong>ch</strong>e Rolle der Lehrperson als <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sleitung bietet die TZI mit dem Begriff der partizi-­‐<br />

pierenden Leitung ein differenziertes Leitungsmodell an. Partizipierende Leitung heißt, dass si<strong>ch</strong> die Lehr-­‐<br />

person ni<strong>ch</strong>t nur in seiner Funktion als <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sleitung, sondern au<strong>ch</strong> als Teilnehmende in das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

einbringt. In einem gelingenden literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> beteiligt si<strong>ch</strong> die Lehrperson au<strong>ch</strong> mit e<strong>ch</strong>ten – das<br />

heißt, ihre eigenen Einstellungen, Wahrnehmungen <strong>und</strong> Fragen artikulierenden – Beiträgen. Auf diese Wei-­‐<br />

se wird sie personal präsent <strong>und</strong> erfüllt ihre Funktion als kompetenter Anderer, als Modell, Vorbild <strong>und</strong> Ge-­‐<br />

rüst <strong>im</strong> bes<strong>ch</strong>riebenen Sinn. Gerade ein mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> greifbares Gegenüber kann zu einer affektiv besetzten<br />

<strong>und</strong> damit Lern-­‐ <strong>und</strong> Erwerbsprozesse fördernden Kommunikation beitragen.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 3


Partizipierende Leitung bedeutet die Generierung des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sprozesses <strong>im</strong> Sinne der dynamis<strong>ch</strong>en Ba-­‐<br />

lance als gemeinsame Aufgabe der ganzen Gruppe zu verstehen <strong>und</strong> das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> dur<strong>ch</strong> geeignete Struk-­‐<br />

turen zu unterstützen, die <strong>im</strong> dritten Teil dieses Aufsatzes vorgestellt werden. 3<br />

2 Zielsetzungen: Spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es <strong>und</strong> literaris<strong>ch</strong>es Lernen <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

In literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en erwerben S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler neben einzelnen Fähigkeiten (literaris<strong>ch</strong>e<br />

Kompetenz <strong>im</strong> engeren Sinne) zuglei<strong>ch</strong> gr<strong>und</strong>legende gegenstandsbezogene Einstellungen in Bezug auf<br />

literaris<strong>ch</strong>e Texte <strong>und</strong> sie erfahren ein Modell für einen angemessenen Umgang mit Literatur. Dies stellt<br />

eine wesentli<strong>ch</strong>e Voraussetzung für das fa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e (auf einzelne Strukturen, Merkmale, Erkenntnisse geri<strong>ch</strong>-­‐<br />

tete) literaris<strong>ch</strong>e Lernen <strong>im</strong> Literaturunterri<strong>ch</strong>t dar <strong>und</strong> ist von Anbeginn an, also s<strong>ch</strong>on in der Pr<strong>im</strong>arstufe,<br />

„als das f<strong>und</strong>amentalste Ziel anzusehen“. Hier werden „die gr<strong>und</strong>legenden Einstellungen zum Lesen, zur<br />

ästhetis<strong>ch</strong>en Literatur sowie Gr<strong>und</strong>züge des Deutungsmusters 'S<strong>ch</strong>ullektüre' erworben, die – wenn über-­‐<br />

haupt – später nur mit Mühe no<strong>ch</strong> verändert werden können" (Büker, 2002, S. 120f.).<br />

Abhängig von der Textauswahl, den Impulsen <strong>und</strong> dem Verlauf des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s lassen si<strong>ch</strong> prinzipiell Lern-­‐<br />

prozesse in fast allen Berei<strong>ch</strong>en spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> literaris<strong>ch</strong>en Lernens anstoßen. Im Folgenden sollen ex-­‐<br />

emplaris<strong>ch</strong> Kompetenzen angeführt werden, die spezifis<strong>ch</strong> <strong>und</strong> teilweise auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> in literaris<strong>ch</strong>en Ge-­‐<br />

sprä<strong>ch</strong>en erworben werden können.<br />

2.1 Si<strong>ch</strong> in einem We<strong>ch</strong>selspiel auf den Text <strong>und</strong> auf persönli<strong>ch</strong>e Erfahrungen beziehen<br />

Literaris<strong>ch</strong>e Texte lösen dur<strong>ch</strong> ihre Spra<strong>ch</strong>e häufig starke subjektive <strong>und</strong> individuelle Assoziationen be<strong>im</strong><br />

Leser aus, haben aber zuglei<strong>ch</strong> eine eigene Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>und</strong> Materialität. Gemeint ist damit, dass Texte<br />

dur<strong>ch</strong> ihr komplexes inner-­‐ <strong>und</strong> intertextuelles Zusammenspiel autopoietis<strong>ch</strong> bzw. selbstreflexiv ein Poten-­‐<br />

tial von Sinn erzeugen, das be<strong>im</strong> Dur<strong>ch</strong>laufen eines <strong>Verstehen</strong>sprozesses – auf dem Parcours des Textsinns –<br />

entdeckt werden kann (mit besonderem Bezug auf Lyrik: Homann, 1999).<br />

Gerade das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> kann ein prozesshaftes We<strong>ch</strong>selspiel ermögli<strong>ch</strong>en zwis<strong>ch</strong>en eher assozia-­‐<br />

tiven <strong>und</strong> häufig auf individuelle Erfahrungen bezogenen Beiträgen <strong>und</strong> sol<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> eher auf den Text<br />

<strong>und</strong> seine einzelnen Elemente <strong>und</strong> Strukturen beziehen: ein für literaris<strong>ch</strong>es <strong>Verstehen</strong> <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>es<br />

We<strong>ch</strong>selspiel zwis<strong>ch</strong>en subjektiver Involviertheit <strong>und</strong> genauer Wahrnehmung des Textes in der Weise, dass<br />

si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> beides steigert. Dies stellt eine besondere Form von spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>-­‐ästhetis<strong>ch</strong>er Erfahrung dar. In<br />

diesem Sinn postuliert au<strong>ch</strong> Hurrelmann (1987) für den gesprä<strong>ch</strong>sförmigen Literaturunterri<strong>ch</strong>t: „Allgemein-­‐<br />

heit der Texterkenntnis <strong>und</strong> Individualität des Sinnverstehens sind konfligierende, aber glei<strong>ch</strong>wertige Mo-­‐<br />

mente“ (S. 77).<br />

Das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> mö<strong>ch</strong>te dabei eine spezifis<strong>ch</strong>e Resonanz zwis<strong>ch</strong>en Text <strong>und</strong> Rezipient ermögli-­‐<br />

<strong>ch</strong>en, wobei <strong>im</strong> Wort Resonanz mitklingt, dass der literaris<strong>ch</strong>e Text <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> als gespro<strong>ch</strong>ener, d.h. als<br />

vorgelesener, gehörter <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer wieder in einzelnen Formulierungen aufgegriffener Text präsent ist.<br />

2.2 Leseerfahrungen <strong>und</strong> <strong>Verstehen</strong>sansätze in der eigenen Spra<strong>ch</strong>e formulieren<br />

Das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> ermögli<strong>ch</strong>t es den Rezipienten, ihre Leseerfahrungen <strong>und</strong> <strong>Verstehen</strong>sansätze in der eigenen<br />

Spra<strong>ch</strong>e zu formulieren. Dies wird vor allem dann mögli<strong>ch</strong>, wenn ni<strong>ch</strong>t ein einseitig analytis<strong>ch</strong>es, definitori-­‐<br />

s<strong>ch</strong>es Spre<strong>ch</strong>en in einer vorgefassten, auf eindeutige Erklärung <strong>und</strong> ges<strong>ch</strong>lossene Interpretation abzielen-­‐<br />

den Terminologie dominiert, sondern au<strong>ch</strong> ein subjektiver Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> mit einem tastenden, si<strong>ch</strong> ver-­‐<br />

su<strong>ch</strong>enden Charakter in der Form von Fragen <strong>und</strong> Hypothesen mögli<strong>ch</strong> ist. Dies bildet eine wi<strong>ch</strong>tige Ergän-­‐<br />

zung zu den <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t häufig vorherrs<strong>ch</strong>enden eher objektiven, einordnenden, analytis<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> di-­‐<br />

stanzierten Spre<strong>ch</strong>weisen über Texte. 4<br />

3 Vgl. zu den Begriffen Partizipierende Leitung <strong>und</strong> Dynamis<strong>ch</strong>e Balance au<strong>ch</strong> die entspre<strong>ch</strong>enden Artikel <strong>im</strong> Handbu<strong>ch</strong> Themen-­‐<br />

zentrierte Interaktion (TZI) (S<strong>ch</strong>neider-­‐Landolf et al. 2009).<br />

4 Dies dürfte wohl vor allem für die Sek<strong>und</strong>arstufe II gelten. Abraham (1996) bes<strong>ch</strong>reibt diese Dominanz in seiner Arbeit Stil-­‐<br />

Gestalten: „Der S<strong>ch</strong>üler als ‚Behandler’ eines Textes wird dazu erzogen, als neutraler Beoba<strong>ch</strong>ter von Aussageabsi<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong><br />

Stilwirkungen ‚subjektive’ (<strong>und</strong> damit verwerfli<strong>ch</strong>e) Identifikations<strong>im</strong>pulse, Regungen der Sympathie oder Antipathie mit<br />

Figuren, aber au<strong>ch</strong> sein Affiziertsein vom Ton des Textes in der analytis<strong>ch</strong>en Rede von seiner Spra<strong>ch</strong>bemitteltheit zu ersticken“<br />

(S. 224).<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 4


2.3 Den literaris<strong>ch</strong>en Text <strong>und</strong> seine Spra<strong>ch</strong>e m<strong>im</strong>etis<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>vollziehen<br />

Für Lernende ist es ein wi<strong>ch</strong>tiger erster S<strong>ch</strong>ritt <strong>im</strong> Textverstehensprozess <strong>und</strong> ein gr<strong>und</strong>legendes Element<br />

literaris<strong>ch</strong>er Bildung, einen Text ausgehend von der eigenen Spra<strong>ch</strong>e m<strong>im</strong>etis<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>zuvollziehen (Stein-­‐<br />

brenner 2010). Literaris<strong>ch</strong>e Bildung muss wie jede Form spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Bildung be<strong>im</strong> subjektiven Spra<strong>ch</strong>ge-­‐<br />

brau<strong>ch</strong> der Lernenden ansetzen <strong>und</strong> ausgehend von diesem zum objektiven Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong>, der si<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> eine fest geregelte Terminologie auszei<strong>ch</strong>net, hin-­‐ <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer wieder zurückführen; beide müssen in<br />

einer lebendigen We<strong>ch</strong>selwirkung stehen (Humboldt, Gesammelte S<strong>ch</strong>riften, Bd. 4, S. 29ff.; Bd. 6, S. 217ff.).<br />

Der s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Text muss zudem be<strong>im</strong> Lesen, be<strong>im</strong> Vorlesen <strong>und</strong> be<strong>im</strong> Wiederaufgreifen <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> be-­‐<br />

ständig re-­‐artikuliert <strong>und</strong> damit <strong>im</strong>mer au<strong>ch</strong> neu artikuliert werden. S<strong>ch</strong>on allein dies ist eine Form des Ge-­‐<br />

sprä<strong>ch</strong>s mit dem Text <strong>und</strong> es stellt, gerade für Novizen, eine eigenständige <strong>und</strong> bedeutende spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Aufgabe mit bildendem Potenzial dar – ist das Lesen eines fremden Textes do<strong>ch</strong> <strong>im</strong>mer au<strong>ch</strong> das Spre<strong>ch</strong>en<br />

<strong>und</strong> Hören einer fremden St<strong>im</strong>me in der eigenen.<br />

2.4 Die eigene Spra<strong>ch</strong>e an der Spra<strong>ch</strong>e des literaris<strong>ch</strong>en Textes erweitern <strong>und</strong> bilden<br />

Im Ringen darum, ihre Leseerfahrungen <strong>und</strong> <strong>Verstehen</strong>sansätze angemessen zu verspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en, greifen<br />

die <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>steilnehmer häufig einzelne Wendungen des Textes oder Spra<strong>ch</strong>bilder auf, wiederholen sie<br />

oder versu<strong>ch</strong>en sie zu ums<strong>ch</strong>reiben. Dabei verwenden sie unkonventionelle Wendungen <strong>und</strong> s<strong>ch</strong>affen neue<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bilder. So können Elemente der Spra<strong>ch</strong>e des literaris<strong>ch</strong>en Textes in ihre eigene Spra<strong>ch</strong>e einflie-­‐<br />

ßen <strong>und</strong> diese erweitern. Das Spre<strong>ch</strong>en über einen literaris<strong>ch</strong>en Text wird zum literaris<strong>ch</strong>en Spre<strong>ch</strong>en.<br />

Literatur, genauer Poesie, stellt für Spra<strong>ch</strong>theorien in der Tradition Humboldts dabei ni<strong>ch</strong>t nur einen ande-­‐<br />

ren oder fremden, sondern einen der am hö<strong>ch</strong>sten entwickelten Formen des Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong>s unserer<br />

Kultur dar <strong>und</strong> hat aus diesem Gr<strong>und</strong> eine wesentli<strong>ch</strong>e Bedeutung für den Erwerb spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Bildung<br />

(Humboldt, Gesammelte S<strong>ch</strong>riften, Bd. 7.1, S. 193-­‐209). Im literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> können die Spra<strong>ch</strong>e des<br />

literaris<strong>ch</strong>en Textes <strong>und</strong> die Spra<strong>ch</strong>e der Hörenden, Lesenden <strong>und</strong> Spre<strong>ch</strong>enden einander dur<strong>ch</strong>dringen.<br />

Auf diese Weise kann das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> Spra<strong>ch</strong>e erweitern, berei<strong>ch</strong>ern <strong>und</strong> bilden.<br />

2.5 Spra<strong>ch</strong>e <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> über einen literaris<strong>ch</strong>en Text thematisieren <strong>und</strong> reflektieren<br />

Im <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> über einen literaris<strong>ch</strong>en Text trifft die Mündli<strong>ch</strong>keit des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s mit der S<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>keit des<br />

literaris<strong>ch</strong>en Textes zusammen <strong>und</strong> letztere ermögli<strong>ch</strong>t ein „ganz anderes Na<strong>ch</strong>denken“ über Spra<strong>ch</strong>e <strong>im</strong><br />

Medium des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s, denn „die allgemeinste Wirkung“ der si<strong>ch</strong>tbaren, fixierenden <strong>und</strong> haltbar ma<strong>ch</strong>en-­‐<br />

den S<strong>ch</strong>rift ist, „dass sie die Spra<strong>ch</strong>e fest heftet, <strong>und</strong> dadur<strong>ch</strong> ein ganz anderes Na<strong>ch</strong>denken über dieselbe<br />

mögli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t, als wenn das verhallende Wort bloss <strong>im</strong> Gedä<strong>ch</strong>tnis eine bleibende Stätte findet“ (Hum-­‐<br />

boldt, Gesammelte S<strong>ch</strong>riften, Bd. 5, S. 109). Dur<strong>ch</strong> mehrfa<strong>ch</strong>es Lesen des Textes <strong>und</strong> einzelner Textstellen<br />

oder dur<strong>ch</strong> wiederholte Bezugnahme auf eine Textstelle ermögli<strong>ch</strong>t das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> eine intensive<br />

Form der Spra<strong>ch</strong>thematisierung <strong>und</strong> Spra<strong>ch</strong>reflexion. Besonders die drei letztgenannten Kompetenzberei-­‐<br />

<strong>ch</strong>e, die si<strong>ch</strong> stark auf die spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Seite des literaris<strong>ch</strong>en Lernens beziehen, erfordern au<strong>ch</strong> spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

herausfordernde literaris<strong>ch</strong>e Texte.<br />

2.6 Si<strong>ch</strong> über unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Lesarten verständigen<br />

Die Fähigkeit andere Lesarten zu verstehen, diese zu tolerieren <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> über unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Lesarten zu<br />

verständigen, kann si<strong>ch</strong> ebenfalls vor allem in literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en entwickeln. In einem dialogis<strong>ch</strong>en<br />

Prozess bilden die Teilnehmenden Hypothesen <strong>und</strong> überprüfen, ergänzen <strong>und</strong> modifizieren diese bestän-­‐<br />

dig. Dabei erwerben sie die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereits<strong>ch</strong>aft, si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> vom Anderen anstoßen zu lassen,<br />

um Lesarten <strong>im</strong>mer wieder auszudifferenzieren <strong>und</strong> zu revidieren.<br />

2.7 Irritation <strong>und</strong> <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong> artikulieren <strong>und</strong> aushalten<br />

Im Verlauf eines sol<strong>ch</strong>en Prozesses ma<strong>ch</strong>en die <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>steilnehmer au<strong>ch</strong> Erfahrungen des <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<br />

<strong>Verstehen</strong>s, der Irritation <strong>und</strong> Fremdheit bei si<strong>ch</strong> selbst <strong>und</strong> bei Anderen. Diese zu artikulieren, auszuhalten<br />

<strong>und</strong> als einen Teil des <strong>Verstehen</strong>sprozesses zu betra<strong>ch</strong>ten, sind ebenfalls Fähigkeiten <strong>und</strong> Einstellungen, die<br />

<strong>im</strong> literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> erworben werden können. Mit dieser Förderung von Ambiguitätstoleranz trägt<br />

das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> dazu bei, einen Sinn für die Unendli<strong>ch</strong>keit des literaris<strong>ch</strong>en <strong>Verstehen</strong>sprozesses<br />

zu entwickeln. Die Lernenden können dabei Distanz gewinnen zu einem naiven Spra<strong>ch</strong>realismus, in dem<br />

spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Strukturen <strong>und</strong> Phänomene als s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t Gegebenes <strong>und</strong> Eindeutiges betra<strong>ch</strong>tet werden. An<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 5


literaris<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e kann so paradigmatis<strong>ch</strong> erfahren werden, was für Spra<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> <strong>Verstehen</strong> überhaupt<br />

gilt (Ladenthin, 1991).<br />

2.8 <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>skompetenzen entwickeln 5<br />

Nothdurft (2000, S. 263) bes<strong>ch</strong>reibt als zentrale <strong>und</strong> in didaktis<strong>ch</strong>en Modellierungen wenig berücksi<strong>ch</strong>tigte<br />

Teilkompetenzen von <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sfähigkeit:<br />

− Bedeutungsvielfalt <strong>und</strong> –nuancen analysieren<br />

− Bedeutungssi<strong>ch</strong>erheit reflektieren <strong>und</strong> relativieren<br />

− Ambivalenzen ertragen, mit Missverständnissen umgehen.<br />

Literaris<strong>ch</strong>e Texte in ihrer spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Bedeutungsvielfalt <strong>und</strong> Vielst<strong>im</strong>migkeit fordern <strong>und</strong> fördern die von<br />

Nothdurft bes<strong>ch</strong>riebenen Teilkompetenzen in besonderer Weise. In literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en können „bei-­‐<br />

läufig“ entspre<strong>ch</strong>ende <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sfähigkeiten erworben werden, wie es Abraham & Launer (2002) au<strong>ch</strong> für<br />

das Weltwissen postulieren.<br />

2.9 An kultureller Praxis teilhaben<br />

S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> ist das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> eine Einübung in die kulturell tradierte Form der Annäherung an<br />

literaris<strong>ch</strong>e Texte. Im Gegensatz zu vielen s<strong>ch</strong>ulis<strong>ch</strong>en Sonderformen ist das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> vers<strong>ch</strong>iedener Rezi-­‐<br />

pienten über eine gemeinsam geteilte Rezeptionserfahrung eine kulturelle (Alltags)Praxis. Eine sol<strong>ch</strong>e Ein-­‐<br />

übung von Ans<strong>ch</strong>lusskommunikation in der S<strong>ch</strong>ule fördert die Fähigkeit, au<strong>ch</strong> außerhalb der S<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> <strong>im</strong><br />

eigenen sozialen Kontext, z.B. in der Peer-­‐Group (Philipp, 2008), über Leseerfahrungen <strong>und</strong> Themen litera-­‐<br />

ris<strong>ch</strong>er Texte zu spre<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> befähigt so zur kulturellen Teilhabe.<br />

Literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e in dem in diesem Kapitel skizzierten Sinn werden zu einem „Modell spra<strong>ch</strong>verstän-­‐<br />

diger Intersubjektivität“ (Ivo, 1994), wobei sowohl das <strong>Verstehen</strong> (<strong>und</strong> <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong>!) <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> als<br />

au<strong>ch</strong> die literaris<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e selbst Modell<strong>ch</strong>arakter gewinnen.<br />

3 Praktis<strong>ch</strong>e Realisierung 6<br />

3.1 Mehr Haltung als Te<strong>ch</strong>nik<br />

Das Heidelberger Modell des literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s ist weniger eine spezifis<strong>ch</strong>e Te<strong>ch</strong>nik, die zu<br />

erlernen erfolgrei<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e garantiert, sondern steht vielmehr für eine best<strong>im</strong>mte Haltung gegenüber<br />

den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern, dem Text <strong>und</strong> dem <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>, die si<strong>ch</strong> in den einzelnen methodis<strong>ch</strong>en For-­‐<br />

men ausdrücken kann. Ohne diese Haltung bleiben die folgenden Vors<strong>ch</strong>läge zur Vorgehensweise leblose<br />

Hülsen, deren beliebige Verwendung zu <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sformen führen kann, die den Intentionen des Ansatzes<br />

widerspre<strong>ch</strong>en. Die mit den methodis<strong>ch</strong>en Vors<strong>ch</strong>lägen verknüpfte Haltung lässt si<strong>ch</strong> folgendermaßen be-­‐<br />

s<strong>ch</strong>reiben:<br />

− Es besteht seitens der Lehrperson ein ernsthaftes Interesse, mit den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern zu<br />

dem gewählten Text ins <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> zu kommen. Die Lehrperson interessiert si<strong>ch</strong> für die Rezeptions-­‐<br />

eindrücke <strong>und</strong> Lesarten der S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler <strong>und</strong> ist bereit, au<strong>ch</strong> eigene Eindrücke in geeig-­‐<br />

neter Form einzubringen. 7<br />

5 Dazu au<strong>ch</strong> Abraham (2008); zu Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>en über Literatur mit dem Ziel ästhetis<strong>ch</strong>er Erfahrung insbesondere das<br />

Kapitel 5.3.<br />

6 Transkriptauss<strong>ch</strong>nitte sol<strong>ch</strong>er <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e finden si<strong>ch</strong> u. a. in Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert (2009) <strong>und</strong> Steinbrenner (2010); fokus-­‐<br />

siert auf das Leitungsverhalten in Härle (2004a) <strong>und</strong> Garbe, Philipp <strong>und</strong> Ohlsen (2009, S. 184-­‐193).<br />

7 Ähnli<strong>ch</strong> betont Kämper-­‐van den Boogaart (2000, S. 20): „Um aktiv ins Spiel ernsthafter literaris<strong>ch</strong>er Kommunikation einzu-­‐<br />

treten, müssen die S<strong>ch</strong>üler zumindest die Bereits<strong>ch</strong>aft für den Glauben aufbringen, dass die <strong>im</strong> Umgang mit literaris<strong>ch</strong> codier-­‐<br />

ten Texte zustande kommenden Erfahrungen, Leistungen <strong>und</strong> Produkte wi<strong>ch</strong>tig – <strong>und</strong> auf keinen Fall ’beliebig’ sind. Dies<br />

wird wohl nur erfahren, wenn sie die Wi<strong>ch</strong>tigkeit an anderen, die in sol<strong>ch</strong>en Erfahrungszusammenhängen stecken, d.h. das<br />

Spiel engagiert spielen, ablesen können. Und wenn sie <strong>im</strong> Spiel bleiben sollen, erfordert dies eine Kommunikation, die von<br />

ihren Teilnehmern als für si<strong>ch</strong> <strong>und</strong> für andere bedeutsam erfahren wird. [...] Das Postulat lautete: Literaris<strong>ch</strong>e Kommunikation<br />

in der Unterri<strong>ch</strong>tsgruppe darf nie beliebig oder unernsthaft wirken.“<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 6


− Die Lehrperson spri<strong>ch</strong>t den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern <strong>im</strong> Sinne einer Präsupposition die Fähigkeit<br />

zu, dass sie (prinzipiell) in der Lage sind, an dem <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> teilzunehmen <strong>und</strong> den Text zu verstehen.<br />

Sie vertraut darauf, dass si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> <strong>Verstehen</strong> ereignen kann.<br />

− Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en der Lehrperson <strong>und</strong> den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern ist geprägt von gegen-­‐<br />

seitigem Respekt <strong>und</strong> Vertrauen, so dass es allen mögli<strong>ch</strong> ist, si<strong>ch</strong> in einer vertrauensvollen Atmo-­‐<br />

sphäre mit ihren persönli<strong>ch</strong>en Rezeptionseindrücken <strong>und</strong> Lesarten einzubringen.<br />

3.2 Die Textauswahl<br />

Der Text kann aus unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Berei<strong>ch</strong>en der Literatur kommen. Es soll ein Text sein, mit dem si<strong>ch</strong> zu<br />

bes<strong>ch</strong>äftigen lohnt. Bewährt haben si<strong>ch</strong> Gedi<strong>ch</strong>te <strong>und</strong> kurze Prosa-­‐Texte. Wi<strong>ch</strong>tig ist bei der Textauswahl,<br />

dass einerseits die leitende Person si<strong>ch</strong> selbst von dem Text angespro<strong>ch</strong>en fühlt, dass er sie reizt <strong>und</strong> sie<br />

interessiert <strong>und</strong> sie si<strong>ch</strong> andererseits vorstellen kann, dass die Themen <strong>und</strong> die Spra<strong>ch</strong>e des Textes die S<strong>ch</strong>ü-­‐<br />

lerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler zum <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> anregen. Geeignet sind Texte, die ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> eine Bots<strong>ch</strong>aft trans-­‐<br />

portieren, sondern dur<strong>ch</strong> ihre Mehrdeutigkeit, Rätselhaftigkeit <strong>und</strong> ihre ungewöhnli<strong>ch</strong>e spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gestal-­‐<br />

tung einen Anreiz für ein <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> bieten. Das ist wi<strong>ch</strong>tig, damit das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> um den Text selbst<br />

<strong>und</strong> dessen Spra<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t nur um die von ihm angespro<strong>ch</strong>enen Themen drehen kann.<br />

3.3 Der <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>srahmen<br />

Das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> findet in der Regel in einem Sitzkreis statt, in dem jeder jeden sehen kann. Die <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sat-­‐<br />

mosphäre ist geprägt von der Werts<strong>ch</strong>ätzung für alle Beteiligten <strong>und</strong> den Text. Die <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sdauer ist<br />

stark abhängig vom individuellen <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlauf <strong>und</strong> den Erfahrungen der Klasse <strong>im</strong> Umgang mit dieser<br />

Form. Zu Beginn sollte man etwa 30 Minuten für das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> einplanen, so dass ein <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> mit den<br />

organisatoris<strong>ch</strong>en Maßnahmen eine S<strong>ch</strong>ulst<strong>und</strong>e ausfüllt.<br />

3.4 Die Leitung<br />

Der Leiter ist für die Moderation <strong>und</strong> Organisation des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>verlaufs zuständig <strong>und</strong> bringt au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong><br />

selbst mit authentis<strong>ch</strong>en Beiträgen zum Text ein. Er versu<strong>ch</strong>t<br />

− eine <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>ssituation zu gestalten, in der der Text <strong>und</strong> die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler in ein produk-­‐<br />

tives Spannungsverhältnis treten <strong>und</strong> beide zur Spra<strong>ch</strong>e kommen können,<br />

− <strong>im</strong> Sinne eines „didaktis<strong>ch</strong>en Spre<strong>ch</strong>ens“ (Haueis, o. J.) zwis<strong>ch</strong>en der Spra<strong>ch</strong>e des Textes <strong>und</strong> der<br />

Spra<strong>ch</strong>e der S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler zu vermitteln, 8<br />

− aufmerksam auf die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler zu reagieren <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> für ihre Deutungsansätze zu in-­‐<br />

teressieren, au<strong>ch</strong> wenn sie (zunä<strong>ch</strong>st) abwegig ers<strong>ch</strong>einen,<br />

− den <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlauf zu gestalten dur<strong>ch</strong> gesprä<strong>ch</strong>sfördernde <strong>und</strong> gesprä<strong>ch</strong>sorganisierende Impulse<br />

(vgl. Abs<strong>ch</strong>nitt D).<br />

Er ermuntert s<strong>ch</strong>weigsame S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler zur Teilnahme am <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>, ohne sie dabei unter<br />

Druck zu setzen. Au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weigen ist in einem literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong> erlaubt.<br />

3.5 Der <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlauf (vgl. Abb. 1)<br />

1 Einstieg<br />

Die Lehrperson organisiert zu Beginn ein klares Setting <strong>und</strong> ma<strong>ch</strong>t dies au<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern<br />

bewusst <strong>und</strong> transparent. Sie ma<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>e Regeln für alle am <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> Teilnehmenden gelten<br />

<strong>und</strong> was die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler erwartet. Dabei versu<strong>ch</strong>t sie, eine Atmosphäre der Ruhe <strong>und</strong> Kon-­‐<br />

zentration zu s<strong>ch</strong>affen. Es empfiehlt si<strong>ch</strong>, den Rahmen <strong>und</strong> die Regeln des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s auf einer Metaebene<br />

zu thematisieren. Die Lehrperson sollte versu<strong>ch</strong>en, mit den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern zu bespre<strong>ch</strong>en, war-­‐<br />

8 Ents<strong>ch</strong>eidend dabei ist, dass die Lehrperson moduliert auf die Spra<strong>ch</strong>e der S<strong>ch</strong>üler eingeht. Es ist „erforderli<strong>ch</strong>, die Sa<strong>ch</strong>ver-­‐<br />

halte, die als Lerngegenstände in den Unterri<strong>ch</strong>t eingeführt werden sollen, so zu modellieren, dass au<strong>ch</strong> Laien darüber <strong>im</strong><br />

freien Ausdruck des subjektiven Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong>s reden können“ (Haueis, o. J., S. 4). Damit rückt das spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Handeln<br />

des Lehrers <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t in das Zentrum der Aufmerksamkeit – eine au<strong>ch</strong> für die Unterri<strong>ch</strong>tsfors<strong>ch</strong>ung wi<strong>ch</strong>tige Perspektive.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 7


um alle gemeinsam hier <strong>im</strong> Kreis sitzen <strong>und</strong> wel<strong>ch</strong>es Verhalten sie für angemessen hält. Dies ist unerlässli<strong>ch</strong>,<br />

um den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern die geltenden Regeln <strong>und</strong> ihre Anwendung transparent zu ma<strong>ch</strong>en.<br />

2 Textbegegnung<br />

An die <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>seröffnung s<strong>ch</strong>ließt si<strong>ch</strong> das ein-­‐ oder mehrmalige gut vorbereitete <strong>und</strong> gestaltete Vorlesen<br />

des Textes an -­‐ praktis<strong>ch</strong>e Hinweise zum guten Vorlesen findet man z. B. bei Claussen (2006). Dann wird in<br />

der Regel der Text ausgeteilt <strong>und</strong> die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler erhalten Gelegenheit, ihn still für si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong><br />

einmal zu lesen. Geübteren Leserinnen <strong>und</strong> Lesern kann man – insbesondere bei Gedi<strong>ch</strong>ten – anbieten, den<br />

Text selbst vorzulesen, um ihnen so eine Annäherung in der eigenen St<strong>im</strong>me an den Text zu ermögli<strong>ch</strong>en.<br />

Ziel dieser Phase ist es, den Text mögli<strong>ch</strong>st präsent zu ma<strong>ch</strong>en.<br />

3 Erste R<strong>und</strong>e<br />

Mit einem anregenden Impuls versu<strong>ch</strong>t die Leitung, allen Teilnehmenden – also au<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> selbst – zu Beginn<br />

einen kurzen Beitrag zu ermögli<strong>ch</strong>en. Ein guter Impuls s<strong>ch</strong>afft <strong>im</strong> Idealfall eine Verbindung zwis<strong>ch</strong>en dem<br />

Text <strong>und</strong> den einzelnen <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>steilnehmern <strong>und</strong> berücksi<strong>ch</strong>tigt dabei die Situation der Klasse. Er wirkt<br />

gesprä<strong>ch</strong>sfördernd, wenn er eine dialektis<strong>ch</strong>e Struktur aufweist, also <strong>im</strong>mer au<strong>ch</strong> gegensätzli<strong>ch</strong>e Erlebnis-­‐<br />

berei<strong>ch</strong>e zulässt. Be<strong>im</strong> Formulieren sollte man zudem darauf a<strong>ch</strong>ten, die Ihr-­‐Struktur von Fragen <strong>und</strong> Im-­‐<br />

pulsen zugunsten des „Wir“ oder „I<strong>ch</strong>“ zu verändern (Härle 2004a). Damit signalisiert man den Beteiligten,<br />

dass es um ein gemeinsames Anliegen geht <strong>und</strong> man hat selbst die Mögli<strong>ch</strong>keit, si<strong>ch</strong> authentis<strong>ch</strong> zu beteili-­‐<br />

gen. Bewährt hat si<strong>ch</strong> zum Beispiel der folgende, einfa<strong>ch</strong>e Anfangs<strong>im</strong>puls:<br />

„Wel<strong>ch</strong>e Stelle aus dem Gedi<strong>ch</strong>t hat mi<strong>ch</strong> besonders angespro<strong>ch</strong>en oder au<strong>ch</strong> irritiert“<br />

An diese Stelle können die Lehrperson <strong>und</strong> die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler <strong>im</strong> weiteren <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlauf<br />

anknüpfen. Wi<strong>ch</strong>tig ist, jedem S<strong>ch</strong>üler, jeder S<strong>ch</strong>ülerin die Formulierung einer persönli<strong>ch</strong>en Bezugnahme<br />

auf den Text zu ermögli<strong>ch</strong>en. Die Lehrperson bes<strong>ch</strong>ließt die R<strong>und</strong>e mit ihrem eigenen Beitrag <strong>und</strong> zeigt<br />

damit au<strong>ch</strong> das Ende der R<strong>und</strong>e <strong>und</strong> den Übergang in die nä<strong>ch</strong>ste Phase an.<br />

4 Offenes <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong><br />

Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage eröffnet die Leitung das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> <strong>im</strong> engeren Sinn, an dem si<strong>ch</strong> jeder beteiligen darf<br />

<strong>und</strong> das Raum lässt für Deutungen <strong>und</strong> Ideen der S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler, aber au<strong>ch</strong> für ihre Irritationen<br />

<strong>und</strong> ihr <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong>. Ziel ist ein mögli<strong>ch</strong>st freier Dialog aller Beteiligten – mit Bezugnahmen auf den<br />

Text <strong>und</strong> auf eigene Erfahrungen. Ein guter <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlauf ist gekennzei<strong>ch</strong>net dur<strong>ch</strong> Bewegung <strong>und</strong><br />

Balance von<br />

− freier Entfaltung <strong>und</strong> zielorientierter Bündelung/Strukturierung der Beiträge,<br />

− Irritation <strong>und</strong> Bestätigung der S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler,<br />

− Leser/S<strong>ch</strong>üler-­‐ <strong>und</strong> Textorientiertheit.<br />

„Bewegung“ bedeutet, dass ein lebendiges <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> <strong>im</strong>mer wieder in die eine oder andere Ri<strong>ch</strong>tung „aus-­‐<br />

s<strong>ch</strong>lägt“. Es ist eine Aufgabe der Leitung dies wahrzunehmen <strong>und</strong> über das gesamte <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> hinweg zu<br />

versu<strong>ch</strong>en, dur<strong>ch</strong> Interventionen <strong>und</strong> Impulse eine Balance der bes<strong>ch</strong>riebenen Faktoren zu wahren.<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sfördernde Impulse sollen das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> in seinen Inhalten <strong>und</strong> Themen weiterführen. Wenn das<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> si<strong>ch</strong> auf einen Punkt fixiert, <strong>im</strong> Kreis dreht oder stagniert, kann die Lehrperson mit einem Impuls<br />

versu<strong>ch</strong>en, das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> anzuregen. Ein sol<strong>ch</strong>er Impuls kann authentis<strong>ch</strong> das eigene Interesse oder die<br />

Fragen der Lehrperson aufgreifen.<br />

Das literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> will ein We<strong>ch</strong>selspiel ermögli<strong>ch</strong>en zwis<strong>ch</strong>en assoziativen <strong>und</strong> häufig auf persönli-­‐<br />

<strong>ch</strong>e Erfahrungen bezogenen Beiträgen <strong>und</strong> sol<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> eher auf den Text <strong>und</strong> dessen einzelne Ele-­‐<br />

mente <strong>und</strong> Strukturen beziehen. Wenn das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> hier einseitig wird, ist es Aufgabe der Lehrperson, die<br />

jeweils andere Seite einzubringen. Es empfiehlt si<strong>ch</strong> daher, Impulse vorzubereiten, die eher auf den Text<br />

<strong>und</strong> seine genauere Wahrnehmung zielen, <strong>und</strong> sol<strong>ch</strong>e, die stärker versu<strong>ch</strong>en, die Erfahrungen der Teilneh-­‐<br />

menden einzubeziehen (vgl. Abb. 2). Sol<strong>ch</strong>e Impulse können z.B. in der Artikulation eines eigenen Leseein-­‐<br />

drucks oder <strong>im</strong> Aufgreifen eines anderen Teilnehmer-­‐Beitrags bestehen. Um bei Impulsen zur Meinungsäu-­‐<br />

ßerung oder zur persönli<strong>ch</strong>en Eins<strong>ch</strong>ätzung ein Angebot zum Selbsts<strong>ch</strong>utz miteinzuplanen, bietet es si<strong>ch</strong><br />

an, relativierende Formulierungen wie „eher“ oder „man<strong>ch</strong>mal“ zu verwenden.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 8


Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass die Lehrperson das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> strukturiert, indem sie vers<strong>ch</strong>iedene Aussagen spiegelt,<br />

bündelt oder Aussagen der einzelnen S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler miteinander verknüpft, solange die S<strong>ch</strong>üle-­‐<br />

rinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler dies no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t selbst können. Man<strong>ch</strong>mal kann es der Gruppe helfen, wenn die Lehrper-­‐<br />

son wi<strong>ch</strong>tige Kontextinformationen einbringt, etwa zum Autor, zur Epo<strong>ch</strong>e oder zu Sa<strong>ch</strong>verhalten, die <strong>im</strong><br />

Text angespro<strong>ch</strong>en werden. Au<strong>ch</strong> Worterklärungen können sinnvoll sein, wenn die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ü-­‐<br />

ler dana<strong>ch</strong> fragen. Allerdings ist es ni<strong>ch</strong>t notwendig <strong>und</strong> oft sogar s<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong>, mit den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong><br />

S<strong>ch</strong>ülern vorab alle vermeintli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierigen Wortbedeutungen abzuklären.<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sorganisierende Impulse sollen auf den <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sprozess, das Verhalten einzelner <strong>und</strong> die Grup-­‐<br />

pendynamik insgesamt einwirken. Neben den organisierenden Hinweisen zu Beginn <strong>und</strong> am S<strong>ch</strong>luss ist es<br />

au<strong>ch</strong> während des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong>mer wieder nötig, auf den Verlauf zu a<strong>ch</strong>ten <strong>und</strong> ihn bei Bedarf zum Thema<br />

zu ma<strong>ch</strong>en. Das heißt, dass die Lehrperson flexibel auf die Einhaltung der gesetzten oder vereinbarten Re-­‐<br />

geln a<strong>ch</strong>tet <strong>und</strong> die Reihenfolge bei glei<strong>ch</strong>zeitiger Beanspru<strong>ch</strong>ung des Redere<strong>ch</strong>ts bespri<strong>ch</strong>t. Sie a<strong>ch</strong>tet<br />

besonders au<strong>ch</strong> auf nonverbale Signale oder Seitengesprä<strong>ch</strong>e <strong>und</strong> versu<strong>ch</strong>t diese einzubinden.<br />

5 <strong>und</strong> 6 S<strong>ch</strong>lussr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Abs<strong>ch</strong>luss des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s<br />

Der Leiter sorgt für einen gestalteten <strong>und</strong> ni<strong>ch</strong>t zu abrupten Abs<strong>ch</strong>luss des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s. Bewährt hat si<strong>ch</strong>,<br />

das bevorstehende <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sende re<strong>ch</strong>tzeitig anzukündigen. Eine S<strong>ch</strong>lussr<strong>und</strong>e, in der jeder no<strong>ch</strong> einmal<br />

zu Wort kommt, kann dazu dienen, wi<strong>ch</strong>tig gewordene <strong>Verstehen</strong>saspekte oder <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>serfahrungen zu<br />

artikulieren <strong>und</strong> zu reflektieren. Sie ist der „Spiegel“ der ersten R<strong>und</strong>e. Die beiden R<strong>und</strong>en bilden einen<br />

Rahmen um das offene <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>. Der Impuls zielt nun ni<strong>ch</strong>t mehr auf eine erste Begegnung zwis<strong>ch</strong>en Text<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer, sondern auf ein Resümee, auf ein Fazit des Einzelnen, in das au<strong>ch</strong> offene Fragen u. ä. ein-­‐<br />

fließen können.<br />

Bei fortges<strong>ch</strong>rittenen Klassen kann man versu<strong>ch</strong>en, zum S<strong>ch</strong>luss das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> <strong>im</strong> Rückblick zu strukturie-­‐<br />

ren <strong>und</strong> dabei wi<strong>ch</strong>tige Themenstränge zu sammeln oder zusammenzufassen. Leitende Fragestellungen<br />

könnten dabei sein:<br />

− Worüber haben wir gespro<strong>ch</strong>en?<br />

− Was habe(n) i<strong>ch</strong> (wir) ganz gut verstanden?<br />

− Was habe(n) i<strong>ch</strong> (wir) no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t so ri<strong>ch</strong>tig verstanden?<br />

− Worüber würde i<strong>ch</strong> jetzt gerne no<strong>ch</strong> weiter spre<strong>ch</strong>en oder na<strong>ch</strong>denken?<br />

An dieser Stelle kann au<strong>ch</strong> eine Reflexion des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverlaufs erfolgen. Die Lehrperson kann den S<strong>ch</strong>üle-­‐<br />

rinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern eine Rückmeldung zu ihrem <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sverhalten geben oder gemeinsam mit ihnen<br />

überlegen:<br />

− Was ist uns heute besonders gut gelungen?<br />

− Was müssen wir no<strong>ch</strong> üben?<br />

− Was könnten wir das nä<strong>ch</strong>ste Mal besser ma<strong>ch</strong>en?<br />

Ziel des literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s ist ni<strong>ch</strong>t eine stringente Interpretation, sondern das gemeinsa-­‐<br />

me Su<strong>ch</strong>en na<strong>ch</strong> Sinnmögli<strong>ch</strong>keiten. Au<strong>ch</strong> zum S<strong>ch</strong>luss muss kein fertiges Produkt entstehen – ents<strong>ch</strong>ei-­‐<br />

dend ist vielmehr, dass <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> selbst unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Bedeutungsmögli<strong>ch</strong>keiten <strong>und</strong> das gemeinsa-­‐<br />

me Bemühen um den Text erfahrbar werden <strong>und</strong> die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler <strong>und</strong> der Text zur Spra<strong>ch</strong>e<br />

kommen. Das <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> kann für si<strong>ch</strong> selbst stehen, es kann si<strong>ch</strong> daran aber au<strong>ch</strong> ein weiterführender Un-­‐<br />

terri<strong>ch</strong>t ans<strong>ch</strong>ließen, bei dem <strong>im</strong> Idealfall Fragen <strong>und</strong> Themen, die <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> aufgekommen sind, gemein-­‐<br />

sam <strong>und</strong> in unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>en Arbeitsformen weiterverfolgt werden.<br />

4 Zusammenfassung<br />

Das Heidelberger Modell des literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s dient der Anbahnung <strong>und</strong> Vertiefung lite-­‐<br />

raris<strong>ch</strong>en <strong>Verstehen</strong>s auf der den Lernenden angemessenen Stufe <strong>und</strong> entwirft dabei eine Option auf die<br />

Zone der nä<strong>ch</strong>sten Entwicklung. Es bietet allen Beteiligten den Denk-­‐ <strong>und</strong> Erfahrungsrahmen, si<strong>ch</strong> selbst als<br />

Lernende <strong>und</strong> Geleitete sowie als Lehrende <strong>und</strong> Leitende zu erproben <strong>und</strong> zu reflektieren <strong>und</strong> si<strong>ch</strong> dabei<br />

mit zentralen Fragen der Literaturvermittlung auseinander zusetzen: mit der Textauswahl, mit dem Balan-­‐<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 9


ceakt des Leitens von <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en, mit der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> Authentizität <strong>und</strong> Selektivität eigener Beiträge, mit<br />

den institutionellen Bedingungen <strong>und</strong> mit dem Anspru<strong>ch</strong> an Freiheit <strong>und</strong> Offenheit des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong> s<strong>ch</strong>uli-­‐<br />

s<strong>ch</strong>en Kontext. Hierzu bedarf es persönli<strong>ch</strong>er <strong>und</strong> professioneller Handlungs-­‐, Leitungs-­‐ <strong>und</strong> Textkompe-­‐<br />

tenzen, die ni<strong>ch</strong>t vorausgesetzt werden können, sondern in der Aus-­‐ <strong>und</strong> Weiterbildung von Lehrerinnen<br />

<strong>und</strong> Lehrern vermittelt werden müssen <strong>und</strong> zwar sowohl <strong>im</strong> Berei<strong>ch</strong> der literaris<strong>ch</strong>en Erfahrung als au<strong>ch</strong> <strong>im</strong><br />

Berei<strong>ch</strong> der Leitungserfahrung.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 10


Abb. 1<br />

© Marcus Steinbrenner, PHZ Luzern; Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert, PH FHNW<br />

STRUKTUR EINES LITERARISCHEN UNTERRICHTSGESPRÄCHS<br />

AUFGABEN DER LEHRERIN, DES LEHRERS<br />

1 Einstieg:<br />

<strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>satmosphäre herstellen<br />

Rahmen <strong>und</strong> Regeln deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en<br />

2 Textbegegnung:<br />

Text einmal oder mehrmals vorlesen<br />

3 Erste R<strong>und</strong>e:<br />

allen (S<strong>ch</strong>ülerinnen, S<strong>ch</strong>ülern <strong>und</strong> mir) Gelegenheit geben,<br />

si<strong>ch</strong> zu äußern<br />

4 Offenes <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>:<br />

• den S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>ülern (<strong>und</strong> mir selbst) den Raum geben,<br />

si<strong>ch</strong> mit eigenen Themen zum Text zu äußern<br />

• Zeit lassen zum Na<strong>ch</strong>denken<br />

• Impulse für die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler oder Hilfen zur <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sführung einbrin-­‐<br />

gen, wenn dies erforderli<strong>ch</strong> ist<br />

5 S<strong>ch</strong>lussr<strong>und</strong>e:<br />

allen (S<strong>ch</strong>ülerinnen, S<strong>ch</strong>ülern <strong>und</strong> mir) Gelegenheit geben,<br />

si<strong>ch</strong> zu äußern<br />

6 Abs<strong>ch</strong>luss:<br />

in Ruhe beenden, Rahmen deutli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>lusspunkt setzen<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 11


© Marcus Steinbrenner, PHZ Luzern; Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert, PH FHNW<br />

Abb. 2: Vorbereitungsblatt für Literaris<strong>ch</strong>e Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>e<br />

Autor:<br />

Text:<br />

Quelle:<br />

Darum habe i<strong>ch</strong> diesen Text ausgewählt (sa<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e / persönli<strong>ch</strong>e Gründe):<br />

Punkte, über die die S<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>üler ins <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong> kommen könnten:<br />

Impuls für die erste R<strong>und</strong>e:<br />

Impulse, die eher zum Text hinführen:<br />

Impulse, die eher zu eigenen Erfahrungen hinführen:<br />

Impuls für die S<strong>ch</strong>lussr<strong>und</strong>e:<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 12


5 Literaturverzei<strong>ch</strong>nis<br />

Abraham, U. (1996). StilGestalten. Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te <strong>und</strong> Systematik der Rede vom Stil in der Deuts<strong>ch</strong>didaktik. Tübingen: Niemeyer.<br />

Abraham, U. (2008). Spre<strong>ch</strong>en als reflexive Praxis. Mündli<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> in einem kompetenzorientierten Deuts<strong>ch</strong>un-­‐<br />

terri<strong>ch</strong>t. Freiburg i.Br.: Filliba<strong>ch</strong>.<br />

Abraham, U. (2010). P/poetis<strong>ch</strong>es V/verstehen. Zur Eingemeindung einer anthropologis<strong>ch</strong>en Erfahrung in den kompetenzori-­‐<br />

entierten Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t. In I. Winkler, N. Masanek & U. Abraham (Hrsg.), Poetis<strong>ch</strong>es <strong>Verstehen</strong>. Literaturdidaktis<strong>ch</strong>e<br />

Positionen – empiris<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung – Projekte aus dem Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t (S. 9-­‐22). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Abraham, U. & Launer, Ch. (2002). Weltwissen erlesen. Literaris<strong>ch</strong>es Lernen <strong>im</strong> fä<strong>ch</strong>erverbindenden Unterri<strong>ch</strong>t. Baltmanns-­‐<br />

weiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Bruner, J. (2002). Wie das Kind spre<strong>ch</strong>en lernt (2. erg. Aufl.). Bern: Huber.<br />

Büker, P. (2002). Literaris<strong>ch</strong>es Lernen in der Pr<strong>im</strong>ar-­‐ <strong>und</strong> Orientierungsstufe. In K.-­‐M. Bogdal & H. Korte (Hrsg.), Gr<strong>und</strong>züge<br />

der Literaturdidaktik (S. 120-­‐133). Mün<strong>ch</strong>en: dtv.<br />

Claussen, C. (2006). Tipps fürs Vorlesen. Praxis Deuts<strong>ch</strong>, 199, 14.<br />

Frank, M. (2000). Das Sagbare <strong>und</strong> das Unsagbare. Studien zur deuts<strong>ch</strong>-­‐französis<strong>ch</strong>en Hermeneutik <strong>und</strong> Texttheorie (Erw.<br />

Neuausg., 4. Aufl.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.<br />

Garbe, Ch., Philipp, M. & Ohlsen, N. (2009). Lesesozialisation. Ein Arbeitsbu<strong>ch</strong> für Lehramtsstudierende. Paderborn: S<strong>ch</strong>ö-­‐<br />

ningh.<br />

Gölitzer, S. (2008). Wozu Literatur lesen? Der Beitrag des Literaturunterri<strong>ch</strong>ts zur literaris<strong>ch</strong>en Sozialisation von Haupts<strong>ch</strong>üle-­‐<br />

rinnen <strong>und</strong> Haupts<strong>ch</strong>ülern. Zugriff am 15.06.2010 unter http://opus.bsz-­‐bw.de/phhd/volltexte/2009/7504/pdf/Goelitzer_<br />

Habil_2008.pdf<br />

Härle, G. (2004a). Lenken – Steuern – Leiten. Theorie <strong>und</strong> Praxis der Leitung literaris<strong>ch</strong>er <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e in Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule <strong>und</strong> S<strong>ch</strong>u-­‐<br />

le. In G. Härle & M. Steinbrenner (Hrsg.), Kein endgültiges Wort. Die Wiederentdeckung des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong> Literaturunter-­‐<br />

ri<strong>ch</strong>t (S. 107-­‐139). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Härle, G. (2004b). Literaris<strong>ch</strong>e <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>e <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t. Versu<strong>ch</strong> einer Positionsbest<strong>im</strong>mung. In G. Härle & B. Rank (Hrsg.),<br />

Wege zum Lesen <strong>und</strong> zur Literatur (S. 137-­‐168). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Härle, G. & Steinbrenner M. (2003). „Alles <strong>Verstehen</strong> ist ... <strong>im</strong>mer zuglei<strong>ch</strong> ein <strong>Ni<strong>ch</strong>t</strong>-­‐<strong>Verstehen</strong>.“ Gr<strong>und</strong>züge einer verstehens-­‐<br />

orientierten Didaktik des literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>s. Literatur <strong>im</strong> Unterri<strong>ch</strong>t, 4 (2), 139-­‐162.<br />

Härle, G. & Steinbrenner, M. (Hrsg.). (2004). Kein endgültiges Wort. Die Wiederentdeckung des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong> Literaturunter-­‐<br />

ri<strong>ch</strong>t. Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Haueis, E. (o. J.). Dialogis<strong>ch</strong>es Lehren jenseits des "kate<strong>ch</strong>etis<strong>ch</strong>en" Spre<strong>ch</strong>ens. [unveröff. Manuskript].<br />

Homann, R. (1999). Theorie der Lyrik. Heautonome Autopoiesis als Paradigma der Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.<br />

Humboldt, W. von (1968). Gesammelte S<strong>ch</strong>riften. Hrsg. von der Königli<strong>ch</strong> Preußis<strong>ch</strong>en Akademie der Wissens<strong>ch</strong>aften. 17<br />

Bände. Berlin: Behr, 1903-­‐1936. Reprint: Berlin: De Gruyter.<br />

Hurrelmann, B. (1987). Textverstehen <strong>im</strong> <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sprozeß – zur Empirie <strong>und</strong> Hermeneutik von <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en über die Ge-­‐<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tertaus<strong>ch</strong>erzählungen. In B. Hurrelmann (Hrsg.), Man müßte ein Mann sein ...? Interpretationen <strong>und</strong> Kontroversen<br />

zu Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tertaus<strong>ch</strong>-­‐Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in der Frauenliteratur (S. 57-­‐82). Düsseldorf: S<strong>ch</strong>wann.<br />

Ivo, H. (1994). Reden über poetis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>werke. Ein Modell spra<strong>ch</strong>verständiger Intersubjektivität. In H. Ivo (Hrsg.), Mutter-­‐<br />

spra<strong>ch</strong>e, Identität, Nation (S. 222-­‐271). Opladen: Westdeuts<strong>ch</strong>er.<br />

Kämper-­‐van den Boogaart, M. (2000). Leseförderung oder Literaturunterri<strong>ch</strong>t: zwei Kulturen in der Deuts<strong>ch</strong>didaktik? Anmer-­‐<br />

kungen zu einem didaktis<strong>ch</strong>en Zielkonflikt. Didaktik Deuts<strong>ch</strong>, 9, 4-­‐22.<br />

Ladenthin, V. (1991). Moderne Literatur <strong>und</strong> Bildung. Zur Best<strong>im</strong>mung des spezifis<strong>ch</strong>en Bildungsbeitrags moderner Literatur.<br />

Hildeshe<strong>im</strong>: Olms.<br />

Matzdorf, P. & Cohn, R. C. (1992). Das Konzept der Themenzentrierten Interaktion. In C. Löhmer & R. Standhardt (Hrsg.), TZI.<br />

Pädagogis<strong>ch</strong>-­‐therapeutis<strong>ch</strong>e Gruppenarbeit na<strong>ch</strong> Ruth C. Cohn (S. 39-­‐92). Stuttgart: Klett-­‐Cotta.<br />

Nothdurft, W. (2000). Ausbildung zur <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>sfähigkeit – kritis<strong>ch</strong>e Betra<strong>ch</strong>tungen <strong>und</strong> konstruktive Vors<strong>ch</strong>läge. In H. Witte,<br />

Ch. Garbe, K. Holle, J. Stückrath <strong>und</strong> H. Willenberg (Hrsg.), Deuts<strong>ch</strong>unterri<strong>ch</strong>t zwis<strong>ch</strong>en Kompetenzerwerb <strong>und</strong> Persönli<strong>ch</strong>-­‐<br />

keitsbildung (S. 251-­‐269). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Philipp, M. (2008). Lesen, wenn anderes <strong>und</strong> andere wi<strong>ch</strong>tiger werden. Empiris<strong>ch</strong>e Erk<strong>und</strong>ungen zur Leseorientierung in der<br />

peer group bei Kindern aus fünften Klassen. Münster: Lit.<br />

S<strong>ch</strong>neider-­‐Landolf, M., Spielmann, J. <strong>und</strong> Zitterbarth, W. (Hrsg.). (2010). Handbu<strong>ch</strong> Themenzentrierte Interaktion (TZI). Göt-­‐<br />

tingen: Vandenhoeck & Rupre<strong>ch</strong>t.<br />

Spinner, K. H. (2004). <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>seinlagen be<strong>im</strong> Vorlesen. In G. Härle& M. Steinbrenner (Hrsg.), Kein endgültiges Wort. Die<br />

Wiederentdeckung des <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>s <strong>im</strong> Literaturunterri<strong>ch</strong>t (S. 291-­‐307). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Steinbrenner, M. (2006). <strong>Verstehen</strong>. In H.-­‐J. Kliewer & I. Pohl (Hrsg.), Lexikon Deuts<strong>ch</strong>didaktik (S. 787-­‐793). Baltmannsweiler:<br />

S<strong>ch</strong>neider.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 13


Steinbrenner, M. (2010). M<strong>im</strong>esis in Literaris<strong>ch</strong>en <strong>Gesprä<strong>ch</strong></strong>en <strong>und</strong> poetis<strong>ch</strong>es <strong>Verstehen</strong>. In I. Winkler, N. Masanek & U. Abra-­‐<br />

ham (Hrsg.), Poetis<strong>ch</strong>es <strong>Verstehen</strong>. Literaturdidaktis<strong>ch</strong>e Positionen – empiris<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung – Projekte aus dem Deuts<strong>ch</strong>-­‐<br />

unterri<strong>ch</strong>t (S. 37-­‐54). Baltmannsweiler: S<strong>ch</strong>neider.<br />

Wieler, P. (1997). Vorlesen in der Familie. Fallstudien zur literaris<strong>ch</strong>-­‐kulturellen Sozialisation von Vierjährigen. Weinhe<strong>im</strong>: Ju-­‐<br />

venta.<br />

Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert, M. (2009). Literaris<strong>ch</strong>es Lernen in der Förders<strong>ch</strong>ule. Eine qualitativ-­‐empiris<strong>ch</strong>e Studie zur literaris<strong>ch</strong>en<br />

Rezeptionskompetenz von Förders<strong>ch</strong>ülerinnen <strong>und</strong> -­‐s<strong>ch</strong>ülern in Literaris<strong>ch</strong>en Unterri<strong>ch</strong>tsgesprä<strong>ch</strong>en. Baltmannsweiler:<br />

S<strong>ch</strong>neider.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 14


Autor / Autorin:<br />

Marcus Steinbrenner. M. A., ist Dozent für Deuts<strong>ch</strong>didaktik an der Pädagogis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule Zentral-­‐<br />

s<strong>ch</strong>weiz in Luzern. Seine Arbeitss<strong>ch</strong>werpunkte sind die Literatur-­‐ <strong>und</strong> Lesedidaktik für die Pr<strong>im</strong>ar-­‐ <strong>und</strong> die<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe.<br />

Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert, Dr. phil., ist Leiterin der Professur Deuts<strong>ch</strong>didaktik <strong>und</strong> ihre Disziplinen am<br />

Institut Pr<strong>im</strong>arstufe der Pädagogis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule der FHNW.<br />

La compréhension et la non-­‐compréhension dans le dialogue<br />

Le modèle heidelbergien du dialogue littéraire en classe<br />

Marcus Steinbrenner <strong>und</strong> Maja Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert<br />

Introduction<br />

Ces derniers temps le dialogue en classe représente un sujet de plus en plus controversé dans la discussion<br />

sur la didactique en littérature. Cet article présente le modèle heidelbergien du dialogue littéraire en classe.<br />

Les auteurs présentent la base théorique et les objectifs liés au dialogue littéraire en classe et nous don-­‐<br />

nent des conseils pratiques pour la mise en oeuvre de tels dialogues.<br />

Mots clés<br />

enseignement de la littérature, l’apprentissage en format d’après Bruner, apprentissage linguistique et<br />

littéraire, compréhension littéraire comme processus en dialogue<br />

Résumé<br />

Le dialogue en classe reste une méthode souvent pratiquée dans l’enseignement de la littérature dans les<br />

classes de tous les niveaux. L’on peut se demander s’il s’agit de vrais dialogues et s’ils sont aptes à mener<br />

les apprenants vers de nouvelles connaissances. En partant de ces questions, les membres d’une équipe de<br />

re<strong>ch</strong>er<strong>ch</strong>e de la HEP de Heidelberg ont développé le modèle heidelbergien pour la planification, la mise en<br />

oeuvre et l’exploitation de tels dialogues dans l’enseignement de la littérature. Ces concepts ont une base<br />

théorique solidement fondée et ont été évalué dans plusieurs situations d’apprentissage et<br />

d’enseignement. Ce modèle sera présenté dans cet article.<br />

Les repères théoriques <strong>im</strong>portants de ce modèle seront présentés. Ils proviennent de la théorie littéraire<br />

(herméneutique), de la théorie de l’apprentissage des langues (l’apprentissage en format d’après Bruner)<br />

et la théorie du dialogue (modèle de dialogue, basé entre autres sur l’Interaction Centrée sur le Thème ICT<br />

d’après Ruth Cohn). Dans la deuxième partie les auteurs se posent la question de savoir ce qui peut être<br />

appris dans les dialogues. Ils caractérisent les objectifs de ce nouveau modèle sous forme de neuf compé-­‐<br />

tences linguistiques et littéraires. Dans la troisième partie il est question de la réalisation concrète de ce<br />

modèle. Les auteurs font des propositions pour l’encadrement général du dialogue dans l’enseignement et<br />

ils proposent un déroulement possible en six phases.<br />

Les auteurs insistent sur le fait que le modèle heidelbergien représente moins une te<strong>ch</strong>nique spécifique<br />

qu’une attitude vis-­‐à-­‐vis des apprenants, du texte et du dialogue qui se manifeste sous plusieurs formes<br />

méthodologiques. Il faut pour cela avoir des compétences personnelles et professionnelles de conduite<br />

d’actions en même temps que de compétences d’analyse de texte.<br />

Ces compétences sont à transmettre aux enseignants dans le cadre de la formation initiale et continue.<br />

Dieser Beitrag wurde in der Nummer 3/2010 von leseforum.<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>t.<br />

Steinbrenner, Wiprä<strong>ch</strong>tiger-­‐Geppert 15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!