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Lernprozesse in einem handlungsorientierten beruflichen Unterricht ...

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Technische Universität München<br />

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften<br />

Lehrstuhl für Pädagogik<br />

<strong>Lernprozesse</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>beruflichen</strong> <strong>Unterricht</strong> aus Sicht der Schüler<br />

Susanne Schollweck<br />

Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der<br />

Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades e<strong>in</strong>es<br />

genehmigten Dissertation.<br />

Doktors der Philosophie<br />

Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Ra<strong>in</strong>er Tr<strong>in</strong>czek<br />

Prüfer der Dissertation: 1. Univ.-Prof. Dr. Andreas Schelten<br />

2. Univ.-Prof. Dr. Karl-He<strong>in</strong>z Leist, em.<br />

Die Dissertation wurde am 08.03.2006 bei der Technischen Universität München<br />

e<strong>in</strong>gereicht und durch die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften am 12.07.2006<br />

angenommen.


Vorwort V<br />

VORWORT<br />

Für die umfassende Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit möchte ich mich sehr<br />

herzlich bei verschiedenen Personen und Institutionen bedanken. Diese seien nachfolgend<br />

genannt:<br />

Me<strong>in</strong> besonderer Dank gilt me<strong>in</strong>em Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Andreas<br />

Schelten, der mir stets mit Rat und Tat verständnisvoll zur Seite stand und mir die Gelegenheit<br />

gab, diese Arbeit auch im Rahmen me<strong>in</strong>er jetzigen <strong>beruflichen</strong> Tätigkeit abzuschließen.<br />

Bedanken möchte ich mich <strong>in</strong>sbesondere auch bei Herrn PD Dr. Alfred Riedl, der das<br />

<strong>Unterricht</strong>sprojekt leitete und mich bereits während der Durchführung des Forschungsvorhabens<br />

an der Berufsschule Weilheim stets <strong>in</strong> allen Belangen unterstützte. Auch während der<br />

Erstellung dieser Arbeit stand er mir fortwährend als Ansprechpartner mit wertvollen<br />

H<strong>in</strong>weisen und fachlichem Rat zur Seite.<br />

Dank gilt auch me<strong>in</strong>en Kollegen am Lehrstuhl für Pädagogik der Technischen Universität<br />

München. Insbesondere s<strong>in</strong>d dies (<strong>in</strong> alphabetischer Reihenfolge genannt): Herr Dr. Michael<br />

Adler, Herr Hans-Peter Dang, Herr Dr. Robert Geiger, Herr Markus Müller, Herr Univ.-Prof.<br />

Dr. phil. habil. Ralf Tenberg und Herr Dr. Michael Vögele.<br />

Des Weiteren möchte ich mich bedanken bei den Studierenden am Lehrstuhl für Pädagogik<br />

der Technischen Universität München, die an dieser wissenschaftlichen Arbeit mitwirkten.<br />

Hier seien (<strong>in</strong> alphabetischer Reihenfolge) genannt: Herr Holger Hendlmeier, Frau Ruth<br />

K<strong>in</strong>dler und Frau Mel<strong>in</strong>da S<strong>in</strong>atsch.<br />

Großer Dank gilt auch dem ‚Bund der Freunde der Technischen Universität München e. V.’,<br />

der mir mit e<strong>in</strong>em großzügigen Stipendium den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Promotionsphase ermöglichte.<br />

Hier sei auch Herr Dr. Johannes Eberle genannt, der mir bei der Beantragung des Stipendiums<br />

hilfreich zur Seite stand.<br />

Für die Unterstützung bei der Durchführung des Forschungsvorhabens möchte ich mich ferner<br />

bei der Staatlichen Berufsschule Weilheim bedanken, <strong>in</strong> deren <strong>Unterricht</strong>sräumen die<br />

Untersuchung durchgeführt werden konnte.<br />

Schließlich gilt me<strong>in</strong> besonderer Dank auch me<strong>in</strong>er Familie, die mich gerade <strong>in</strong> schwierigen<br />

Phasen bei Erstellung dieser Arbeit unterstützte.<br />

München, im November 2006 Susanne Schollweck


Inhaltsübersicht VII<br />

INHALTSÜBERSICHT<br />

1 E<strong>in</strong>leitung<br />

2 Aktueller Forschungsstand<br />

2.1 Empirische Forschungslage zu <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzepten<br />

2.2 Zusammenfassung<br />

3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung<br />

4 Theoretische Grundlagen<br />

4.1 Zielperspektive e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung<br />

4.2 Normatives vs. <strong>in</strong>terpretatives Paradigma?<br />

4.3 Das Zusammenspiel von normativem und <strong>in</strong>terpretativem Paradigma<br />

4.4 Handlungsorientierung – E<strong>in</strong> Aspekt des Konstruktivismus als Zugang zur Praxis<br />

4.5 Zusammenfassung<br />

5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

5.1 Organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Untersuchung<br />

5.2 Das Lerngebiet ‚Steuerungstechnik – Pneumatik, Elektropneumatik’<br />

5.3 Konzeption des <strong>handlungsorientierten</strong> Steuerungstechnikunterrichts<br />

5.4 Die Leittexte<br />

5.5 Beurteilung der Bestandsaufnahme<br />

5.6 Zusammenfassung<br />

6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

6.1 Methodologischer H<strong>in</strong>tergrund:<br />

Die qualitative Sozialforschung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Fallstudie<br />

6.2 Durchführung der Untersuchung<br />

6.3 Gütekriterien der Untersuchung<br />

6.4 Zusammenfassung<br />

7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.1 Datenerhebung<br />

7.2 Datentransformation und Datenaufbereitung<br />

7.3 Datenauswertung<br />

7.4 Methodenreflexion<br />

7.5 Zusammenfassung<br />

8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.1 Dokumente der Falldarstellungen<br />

8.2 Ergebnisse der Falldarstellungen<br />

8.3 Zusammenfassung<br />

9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

9.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

9.2 Individual-Bewertung und Empfehlung<br />

9.3 Zusammenfassung<br />

10 Übergreifende Beurteilung<br />

10.1 Übergreifende Beurteilung im H<strong>in</strong>blick auf die thematisierten Bestimmungsgrößen<br />

und Folgerungen für e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong><br />

10.2 Resümee<br />

10.3 Zusammenfassung<br />

11 Zusammenfassung<br />

Literaturverzeichnis<br />

Anhang


Inhaltsverzeichnis IX<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />

2 Aktueller Forschungsstand 3<br />

2.1 Empirische Forschungslage zu <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzepten 4<br />

2.1.1 Das gewerblich-technische Berufsfeld 4<br />

2.1.1.1 Grundlage der hier dargestellten Untersuchung 4<br />

2.1.1.2 Weitere richtungweisende Ansätze 8<br />

2.1.1.3 E<strong>in</strong> umfassender Abriss 11<br />

2.1.2 Das Berufsfeld ‚Wirtschaft und Verwaltung’ 12<br />

2.2 Zusammenfassung 16<br />

3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung 17<br />

4 Theoretische Grundlagen 22<br />

4.1 Zielperspektive e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung 22<br />

4.2 Normatives vs. <strong>in</strong>terpretatives Paradigma? 24<br />

4.2.1 Kognitivismus 25<br />

4.2.1.1 H<strong>in</strong>tergrund 25<br />

4.2.1.2 Problembereiche 26<br />

4.2.2 Konstruktivismus 26<br />

4.2.2.1 H<strong>in</strong>tergrund 26<br />

4.2.2.2 Die radikale Position 29<br />

4.2.2.3 Die gemäßigte Position 29<br />

4.2.2.4 Problembereiche 32<br />

4.3 Das Zusammenspiel von normativem und <strong>in</strong>terpretativem Paradigma 33<br />

4.4 Handlungsorientierung – E<strong>in</strong> Aspekt des Konstruktivismus als Zugang zur Praxis 34<br />

4.4.1 Theoretische Umschreibung 34<br />

4.4.2 Praktische Umsetzung 36<br />

4.4.3 Ausprägungen handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte 40<br />

4.4 4 Begründungsansätze für e<strong>in</strong> handlungsorientiertes Lernen 41<br />

4.4.5 Methodischer Zugang – Die Leittextmethode 43<br />

4.4.6 Problembereiche 44<br />

4.5 Zusammenfassung 45


X Inhaltsverzeichnis<br />

5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 46<br />

5.1 Organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Untersuchung 46<br />

5.2 Das Lerngebiet ‚Steuerungstechnik – Pneumatik, Elektropneumatik’ 47<br />

5.3 Konzeption des <strong>handlungsorientierten</strong> Steuerungstechnikunterrichts 50<br />

5.3.1 Bestimmungsgröße: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet 50<br />

5.3.2 Bestimmungsgröße: Selbststeuerung und Freiheitsgrade 53<br />

5.3.3 Bestimmungsgröße: Innere Differenzierung 54<br />

5.3.4 Bestimmungsgröße: Integrative, offene Leistungsfeststellung 55<br />

5.3.5 Bestimmungsgröße: Kooperatives und kommunikatives Lernen 58<br />

5.3.6 Bestimmungsgröße: Beratende Lehrerrolle 59<br />

5.3.7 Bestimmungsgröße: Handlungssystematisches Vorgehen 59<br />

5.3.8 Bestimmungsgröße: Integrierter Fachunterrichtsraum 63<br />

5.4 Die Leittexte 65<br />

5.5 Beurteilung der Bestandsaufnahme 73<br />

5.6 Zusammenfassung 74<br />

6 Forschungsmethodischer Ansatz 76<br />

6.1 Methodologischer H<strong>in</strong>tergrund:<br />

Die qualitative Sozialforschung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Fallstudie 76<br />

6.2 Durchführung der Untersuchung 80<br />

6.2.1 Datenerhebung 80<br />

6.2.1.1 Die Befragung 81<br />

6.2.1.2 Die Beobachtung 86<br />

6.2.1.3 Ergänzende Materialien 88<br />

6.2.2 Datentransformation und Datenaufbereitung 88<br />

6.2.3 Datenauswertung:<br />

Die Qualitative Inhaltsanalyse im Kontext klassischer Verfahren 89<br />

6.3 Gütekriterien der Untersuchung 96<br />

6.3.1 Validität 97<br />

6.3.2 Reliabilität 98<br />

6.3.3 Objektivität 99<br />

6.3.4 Repräsentativität und Generalisierbarkeit 99<br />

6.3.5 Spiegelung vorausgehender Gütediskussion anhand e<strong>in</strong>es<br />

weiteren Ansatzes 100<br />

6.4 Zusammenfassung 101


Inhaltsverzeichnis XI<br />

7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 103<br />

7.1 Datenerhebung 105<br />

7.1.1 Rahmendaten der Untersuchung 105<br />

7.1.2 Kollektive Befragung während des <strong>Unterricht</strong>s 107<br />

7.1.3 E<strong>in</strong>zelbefragung nach Durchlaufen der gesamten <strong>Unterricht</strong>sstrecke 116<br />

7.1.4 Teilnehmende Beobachtung 119<br />

7.1.5 Arbeits- und Prüfungsunterlagen der Schüler 121<br />

7.2 Datentransformation und Datenaufbereitung 122<br />

7.3 Datenauswertung 123<br />

7.3.1 Inhaltliche Darstellung der Kollektivbefragung 124<br />

7.3.1.1 Das Übertragen des Rohmaterial 126<br />

7.3.1.2 Das Elim<strong>in</strong>ieren 128<br />

7.3.1.3 Das Kennzeichnen 131<br />

7.3.1.4 Das Paraphrasieren 131<br />

7.3.1.5 Die Vervollkommnung der e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigen Zuordnung 137<br />

7.3.1.6 Die Kategorienbildung und Kodierung 138<br />

7.3.2 Inhaltliche Darstellung der E<strong>in</strong>zelbefragung 142<br />

7.3.2.1 Das Übertragen des Rohmaterial und das Elim<strong>in</strong>ieren 143<br />

7.3.2.2 Das Paraphrasieren, die Vervollkommnung der e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigen<br />

Zuordnung und die Kategorienbildung 144<br />

7.3.3 Die Zusammenführung der Datenschienen 145<br />

7.3.4 Darstellung der Ergebnisse 150<br />

7.4 Methodenreflexion 151<br />

7.4.1 Methodenreflexion anhand der Überprüfung qualitativer Gütekriterien 151<br />

7.4.1.1 Validität 152<br />

7.4.1.2 Reliabilität 153<br />

7.4.1.3 Objektivität 154<br />

7.4.1.4 Repräsentativität und Generalisierbarkeit 155<br />

7.4.2 Methodenreflexion anhand der Überprüfung aufgetretener<br />

Probleme des Forschungsprozesses 155<br />

7.4.2.1 Datenerhebung 156<br />

7.4.2.2 Datentransformation und Datenaufbereitung 157<br />

7.4.2.3 Datenauswertung, Ergebnisdarstellung und –beurteilung 157<br />

7.5 Zusammenfassung 158


XII Inhaltsverzeichnis<br />

8 Darstellung der Ergebnisse 160<br />

8.1 Dokumente der Falldarstellungen 160<br />

8.1.1 Die Dokumente der quantitativen Erhebung 160<br />

8.1.2 Die Dokumente der qualitativen Erhebung – Zwischenergebnisse 162<br />

8.2 Ergebnisse der Falldarstellungen 174<br />

8.2.1 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1A/I 175<br />

8.2.1.1 Außenperspektive 175<br />

8.2.1.2 Innenperspektive 176<br />

8.2.2 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1B/I 178<br />

8.2.2.1 Außenperspektive 178<br />

8.2.2.2 Innenperspektive 179<br />

8.2.3 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2A/I 182<br />

8.2.3.1 Außenperspektive 182<br />

8.2.3.2 Innenperspektive 183<br />

8.2.4 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2B/I 186<br />

8.2.4.1 Außenperspektive 186<br />

8.2.4.2 Innenperspektive 187<br />

8.2.5 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3A/I 190<br />

8.2.5.1 Außenperspektive 190<br />

8.2.5.2 Innenperspektive 190<br />

8.2.6 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3B/I 193<br />

8.2.6.1 Außenperspektive 193<br />

8.2.6.2 Innenperspektive 194<br />

8.2.7 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3C/I 196<br />

8.2.7.1 Außenperspektive 196<br />

8.2.7.2 Innenperspektive 197<br />

8.2.8 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4A/I 199<br />

8.2.8.1 Außenperspektive 199<br />

8.2.8.2 Innenperspektive 199<br />

8.2.9 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4B/I 202<br />

8.2.9.1 Außenperspektive 202<br />

8.2.9.2 Innenperspektive 203<br />

8.2.10 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5A/I 204<br />

8.2.10.1 Außenperspektive 204


Inhaltsverzeichnis XIII<br />

8.2.10.2 Innenperspektive 205<br />

8.2.11 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5B/I 208<br />

8.2.11.1 Außenperspektive 208<br />

8.2.11.2 Innenperspektive 208<br />

8.2.12 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 6A/I 211<br />

8.2.12.1 Außenperspektive 211<br />

8.2.12.2 Innenperspektive 211<br />

8.2.13 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 6B/I 214<br />

8.2.13.1 Außenperspektive 214<br />

8.2.13.2 Innenperspektive 214<br />

8.2.14 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1A/II 217<br />

8.2.14.1 Außenperspektive 217<br />

8.2.14.2 Innenperspektive 218<br />

8.2.15 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1B/II 220<br />

8.2.15.1 Außenperspektive 220<br />

8.2.15.2 Innenperspektive 221<br />

8.2.16 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2A/II 223<br />

8.2.16.1 Außenperspektive 223<br />

8.2.16.2 Innenperspektive 224<br />

8.2.17 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2B/II 226<br />

8.2.17.1 Außenperspektive 226<br />

8.2.17.2 Innenperspektive 227<br />

8.2.18 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3A/II 229<br />

8.2.18.1 Außenperspektive 229<br />

8.2.18.2 Innenperspektive 229<br />

8.2.19 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3B/II 232<br />

8.2.19.1 Außenperspektive 232<br />

8.2.19.2 Innenperspektive 232<br />

8.2.20 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3C/II 235<br />

8.2.20.1 Außenperspektive 235<br />

8.2.20.2 Innenperspektive 236<br />

8.2.21 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4A/II 238<br />

8.2.21.1 Außenperspektive 238<br />

8.2.21.2 Innenperspektive 239


XIV Inhaltsverzeichnis<br />

8.2.22 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4B/II 242<br />

8.2.22.1 Außenperspektive 242<br />

8.2.22.2 Innenperspektive 243<br />

8.2.23 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5A/II 244<br />

8.2.23.1 Außenperspektive 244<br />

8.2.23.2 Innenperspektive 245<br />

8.2.24 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5B/II 247<br />

8.2.24.1 Außenperspektive 247<br />

8.2.24.2 Innenperspektive 248<br />

8.3 Zusammenfassung 253<br />

9 Beurteilung der Ergebnisse 254<br />

9.1 Allgeme<strong>in</strong>es 254<br />

9.2 Individual-Bewertung und Empfehlung 255<br />

9.2.1 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1A/I 255<br />

9.2.2 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1B/I 256<br />

9.2.3 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2A/I 256<br />

9.2.4 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2B/I 256<br />

9.2.5 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3A/I 257<br />

9.2.6 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3B/I 257<br />

9.2.7 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3C/I 258<br />

9.2.8 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4A/I 258<br />

9.2.9 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4B/I 259<br />

9.2.10 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5A/I 259<br />

9.2.11 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5B/I 260<br />

9.2.12 Bewertung und Empfehlung für Schüler 6A/I 260<br />

9.2.13 Bewertung und Empfehlung für Schüler 6B/I 260<br />

9.2.14 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1A/II 261<br />

9.2.15 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1B/II 261<br />

9.2.16 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2A/II 262<br />

9.2.17 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2B/II 262<br />

9.2.18 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3A/II 263<br />

9.2.19 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3B/II 263<br />

9.2.20 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3C/II 264


Inhaltsverzeichnis XV<br />

9.2.21 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4A/II 264<br />

9.2.22 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4B/II 264<br />

9.2.23 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5A/II 264<br />

9.2.24 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5B/II 265<br />

9.3 Zusammenfassung 265<br />

10 Übergreifende Beurteilung 267<br />

10.1 Übergreifende Beurteilung im H<strong>in</strong>blick auf die thematisierten Bestimmungs-<br />

größen und Folgerungen für e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> 268<br />

10.1.1 Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> 268<br />

10.1.2 Selbststeuerung und Freiheitsgrade 270<br />

10.1.3 Beratende Lehrerrolle 273<br />

10.1.4 Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet 275<br />

10.1.5 Kooperatives und kommunikatives Lernen 277<br />

10.1.6 Integrative, offene Leistungsfeststellung 279<br />

10.1.7 Integrierter Fachunterrichtsraum 279<br />

10.2 Resümee 280<br />

10.3 Zusammenfassung 283<br />

11 Zusammenfassung 284<br />

Literaturverzeichnis 289<br />

Anhang 295


1 E<strong>in</strong>leitung 1<br />

1 EINLEITUNG<br />

E<strong>in</strong> veränderter Qualifikationsbedarf der Arbeitsstätten sowie veränderte Anforderungen, die<br />

Auszubildende an die Berufsbildung richten, zw<strong>in</strong>gen zu e<strong>in</strong>em Umdenken <strong>in</strong> der <strong>beruflichen</strong><br />

Bildung. Fragwürdig geworden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang sowohl die traditionelle<br />

betriebliche, als auch die herkömmliche berufsschulische Ausbildung. Die klare Aufteilung<br />

und Zuordnung der Bildungsaufgaben und Bildungs<strong>in</strong>halte zu e<strong>in</strong>em Lernort s<strong>in</strong>d erschwert.<br />

Für die Berufsschule als Partner im Dualen Bildungssystem zeichnen sich komplexer<br />

gewordene Lerngegenstände und zunehmend anspruchsvollere theoretische Bezüge beruflicher<br />

Lern<strong>in</strong>halte ab. Diese drängen zu e<strong>in</strong>er stärkeren Veranschaulichung und erfordern oft<br />

e<strong>in</strong> an konkreten Handlungen ausgerichtetes Lernen, um vermittelbar zu bleiben. Moderne<br />

Ausbildungskonzepte orientieren sich an e<strong>in</strong>er ‚Handlungsorientierung’, die im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

konstruktivistischen Wissenserwerbs e<strong>in</strong> selbstorganisiertes, aktiv-entdeckendes, eigenverantwortliches<br />

und kooperatives Lernen ermöglicht und zur flexiblen Bewältigung veränderter<br />

beruflicher Anforderungen befähigen soll.<br />

Für die Anbahnung beruflicher Handlungskompetenz liegt nach Schelten (1997, S. 608 ff.<br />

und 2000, S. 19 ff.) die Aufgabe der Berufsschule gegenüber betrieblichen Lernorten dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie Begründungswissen als deklarativen Wissensanteil im Verbund mit anderen<br />

Wissensarten zu vermitteln. Die berufliche Ausbildung zielt darauf ab, anfänglich e<strong>in</strong>e solide<br />

Grundbildung anzubieten, bei der verstärkt auf allgeme<strong>in</strong>e berufsfeldspezifische Grundlagen<br />

und Gesetzmäßigkeiten mit dem Blick auf berufliche Handlungssituationen abzustellen ist.<br />

Basierend auf dieser Grundlagenausbildung können dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Fachbildung<br />

berufsbezogene Handlungssituationen mit situationsspezifischen Lern<strong>in</strong>halten <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt der Ausbildung rücken. Inhalte der Grundbildung werden <strong>in</strong> diesem Teil der<br />

Ausbildung im Kontext komplexer und multipler Anwendungsperspektiven erneut aufgegriffen.<br />

Um diese unterschiedlichen Zielstellungen zu verfolgen, werden darauf abgestimmte<br />

Lehr-Lern-Umgebungen benötigt, die den Weg von e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Grundbildung zu e<strong>in</strong>er<br />

Fachqualifizierung ermöglichen.<br />

In dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> sollen Lernende für den Ausbildungsberuf Industriemechaniker<br />

<strong>in</strong> die Lage versetzt werden, steuerungstechnische Anlagen zu bedienen, zu warten,<br />

zu überwachen und e<strong>in</strong>fache Störungen zu beheben. Derart komplexe Lern<strong>in</strong>halte werden <strong>in</strong><br />

der Regel über e<strong>in</strong> Bearbeiten komplexer beruflicher Aufgabenstellungen vermittelt. Das zu<br />

erwerbende Professionswissen kann aus didaktischer Perspektive verschiedenen deklarativen<br />

und prozeduralen Wissensbereichen zugeordnet werden: Fakten-/Begriffswissen (deklaratives<br />

Wissen), Verständnis-/Begründungswissen (deklaratives Wissen) und Verfahrens-<br />

/Strategiewissen (prozedurales Wissen). Die Berufsschule fördert <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> anzustrebendes<br />

Professionswissen durch die Betonung wissenstheoretischer Ausbildungs<strong>in</strong>halte, die<br />

auf berufspraktische Tätigkeitsfelder Bezug nehmen und sie theoriegesteuert reflektieren (vgl.<br />

hierzu auch Schelten 2000, S. 85 ff. und 2004, S. 186 ff.).<br />

E<strong>in</strong>e erkenntnisorientierte empirische Grundlagenforschung für e<strong>in</strong>e moderne technische<br />

Berufsbildung trifft daher <strong>in</strong> konstruktivistischen Lerne<strong>in</strong>heiten auf e<strong>in</strong> situiertes Lernen, das<br />

Masch<strong>in</strong>en und technische Geräte e<strong>in</strong>bezieht und im <strong>Unterricht</strong> vollständige Handlungen <strong>in</strong><br />

Realsituationen zulässt. Hierbei stehen Beispiele aus der Praxis im Vordergrund. Der<br />

Schülerselbststeuerung wird e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung zugemessen. Daneben f<strong>in</strong>den sich<br />

systematikorientierte, sich an der korrespondierenden Fachwissenschaft ausrichtende


2<br />

1 E<strong>in</strong>leitung<br />

Lernsequenzen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wechselwirkung mit situierten Lernsequenzen stehen und sie<br />

ergänzen und bereichern.<br />

Die vorliegende explorative Forschungsarbeit will <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er domänenspezifischen Betrachtung<br />

klären, welche allgeme<strong>in</strong>en Gestaltungsmerkmale und Bed<strong>in</strong>gen zu e<strong>in</strong>er lernförderlichen<br />

Balance zwischen eigentätiger Wissenskonstruktion der Lernenden und lehrergestützter<br />

Instruktion <strong>in</strong> der Steuerungstechnik führen. Dabei werden die Schüler als Experten berufsschulischen<br />

Lernens <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. Mit Hilfe der Aussagen<br />

der Schüler h<strong>in</strong>sichtlich wesentlicher Aspekte e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung<br />

sollen H<strong>in</strong>weise gewonnen werden, wie künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

möglichst effizienten Lehr-Lern-Arrangements zu gestalten s<strong>in</strong>d.<br />

Bisherige Forschungsarbeiten haben es sich zur Aufgabe gemacht, handlungsorientierte<br />

Lernumgebungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verlaufsuntersuchung darzustellen, wobei der <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Gesamtheit beobachtet und <strong>in</strong>teressierende Details, beispielsweise das Lösungsvorgehen von<br />

Schülern bei e<strong>in</strong>er Handlungsaufgabe (vgl. Riedl 1998), verstärkt beleuchtet wurden. Damit<br />

lässt sich e<strong>in</strong>e ‚Außenperspektive’ des <strong>Unterricht</strong>s darstellen, wie sie sich durch die Beobachtung<br />

des Forschungsfeldes ergibt. Die Beobachtung e<strong>in</strong>es <strong>Unterricht</strong>s im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

Verlaufsuntersuchung ermöglicht e<strong>in</strong>en tief greifenden E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das <strong>Unterricht</strong>sgeschehen,<br />

so dass daraus auf die weitere Ausgestaltung e<strong>in</strong>es hier angesprochenen Lehr-Lern-<br />

Arrangements geschlossen werden kann.<br />

Den Gegenpol zu dieser Betrachtung der Außenperspektive stellt nun der E<strong>in</strong>bezug e<strong>in</strong>er<br />

‚Innenperspektive’ dar, die weitere H<strong>in</strong>weise für die Ausgestaltung von Lehr-Lern-<br />

Arrangements liefern soll. Wie bereits oben erwähnt, wird der Schüler des untersuchten<br />

Forschungsfeldes hier als Experte der Lernumgebung angesehen. Die von ihm vertretenen<br />

Standpunkte h<strong>in</strong>sichtlich dieser Lernumgebung, die er selbst mitbestimmt, sollen <strong>in</strong> der hier<br />

vorliegenden Untersuchung aufgenommen und e<strong>in</strong>er Auswertung zugänglich gemacht<br />

werden. Die Aufnahme und Auswertung e<strong>in</strong>er Innensicht, also letztendlich die Beurteilung<br />

der Lernumgebung aus Sicht der Schüler, erfolgt über e<strong>in</strong>en qualitativen Forschungsansatz,<br />

um e<strong>in</strong> möglichst authentisches Bild des <strong>Unterricht</strong>s zu erhalten.<br />

Die Berücksichtigung der Expertise der Lernenden ist <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong> noch ungewohntes<br />

Forschungsvorgehen, als vorab nicht e<strong>in</strong>geschätzt werden kann, <strong>in</strong>wieweit die Aussagen der<br />

Schüler e<strong>in</strong>en maßgeblichen Beitrag zur Gestaltung künftiger Lernumgebungen leisten<br />

können. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Aussagen der Schüler umso<br />

authentischer s<strong>in</strong>d, je mehr die Befragungssituation e<strong>in</strong>er wirklichen Lebenssituation (also<br />

e<strong>in</strong>er echten Lernumgebung) entspricht.<br />

Insofern ist es e<strong>in</strong> großes Anliegen der hier beschriebenen Untersuchung, e<strong>in</strong> Forschungsfeld<br />

zu schaffen, das der realen Lebenswelt von Schülern entspricht und <strong>in</strong> das etwaige von der<br />

Alltagswelt abweichende Faktoren (z. B. die Befragung durch e<strong>in</strong>e fremde Person) als<br />

natürliche Ereignisse e<strong>in</strong>gebunden werden können. Es wird vermutet, dass es auf diese Weise<br />

möglich ist, die Expertise der Probanden <strong>in</strong> hohem Maße für die Gew<strong>in</strong>nung neuer Erkenntnisse<br />

auf dem Gebiet e<strong>in</strong>er handlungsorientiert ausgerichteten Lernumgebung nutzen und e<strong>in</strong>e<br />

hohe Qualität der Ergebnisse erzielen zu können.


2 Aktueller Forschungsstand 3<br />

2 AKTUELLER FORSCHUNGSSTAND<br />

Kapitel 2 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über den aktuellen Forschungsstand von empirischen<br />

Untersuchungen zu konstruktivistisch ausgelegtem <strong>Unterricht</strong>. Weitere relevante ältere<br />

Untersuchungen bis zum Jahr 1998, <strong>in</strong>sbesondere die entsprechenden Modellversuche, stellt<br />

Riedl (1998) ausführlich dar, so dass diese hier nicht mehr explizit berücksichtigt werden. Es<br />

sei aber darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass ke<strong>in</strong>e der beschriebenen Forschungsarbeiten mit der hier<br />

vorliegenden Untersuchung wirklich vergleichbar ist, da die Untersuchung hier e<strong>in</strong>e völlig<br />

andere Zielstellung verfolgt. Wie im nachfolgenden Kapitel ausführlich beschrieben, zeigt der<br />

aktuelle Forschungsstand vornehmlich e<strong>in</strong>e Außenperspektive diverser <strong>Unterricht</strong>sprojekte, d.<br />

h. <strong>Unterricht</strong> wird von Dritten e<strong>in</strong>er Begutachtung unterzogen. Es ist jedoch e<strong>in</strong> Anliegen<br />

dieser Arbeit, den Auszubildenden selbst <strong>in</strong> den Mittelpunkt e<strong>in</strong>er weiteren Untersuchung zu<br />

stellen und so e<strong>in</strong>e Innenperspektive e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s aufzuzeigen. Die<br />

daraus abzuleitenden Ergebnisse lassen sich dann möglicherweise gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Weiterentwicklung handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Da die vorliegende<br />

Forschungsarbeit jedoch aufgrund der vielfältigen theoretischen Bezugspunkte der Befragungen<br />

verschiedene Aspekte e<strong>in</strong>es Lehr-Lern-Arrangements betrachten muss, wird sich diese<br />

Vielschichtigkeit trotzdem <strong>in</strong> der dargestellten Forschungslage widerspiegeln. Von Interesse<br />

s<strong>in</strong>d daher sowohl Untersuchungen im Bereich des Wissenserwerbs als auch Arbeiten bzgl.<br />

motivationaler oder emotionaler Kriterien.<br />

Es ist anzumerken, dass im Bereich der <strong>beruflichen</strong> Bildung erhebliche Forschungsdefizite<br />

h<strong>in</strong>sichtlich konstruktivistischer Lernumgebungen bestehen. Davon ist – im Vergleich zum<br />

Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung – gerade das gewerblich-technische Berufsfeld<br />

betroffen (vgl. Nickolaus 2001, S. 241). Jedoch können empirisch durch die TU München<br />

begleitete Modellversuche (Adler 2004, Vögele 2003, Riedl 1998, Tenberg 1997, Glöggler<br />

1997), ergänzt durch zwei e<strong>in</strong>zelne, von der DFG geförderte Forschungsarbeiten (Schelten,<br />

Riedl, Geiger 2003, Geiger, Riedl 2004, Nickolaus, He<strong>in</strong>zmann, Knöll 2005) e<strong>in</strong> erstes<br />

Ergebnisspektrum liefern.<br />

Grundsätzlich wird <strong>in</strong> der Denkschrift der Deutschen Forschungsgeme<strong>in</strong>schaft (DFG) zur<br />

Berufsbildungsforschung an den Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland e<strong>in</strong>e<br />

Lernprozessforschung als Grundlagenforschung gefordert (Denkschrift 1990, S. 62). Das<br />

DFG-Schwerpunktprogramm „Lehr-Lern-Prozesse <strong>in</strong> der kaufmännischen Erstausbildung“<br />

(Fördernr. 191, Förderung 1993 - 1999) zeigt hier bereits richtungweisende Untersuchungen<br />

auf (vgl. <strong>in</strong>sbesondere Beck 2000). Der Tenor der dort gemachten Erfahrungen ist die<br />

Notwendigkeit, Untersuchungen h<strong>in</strong>sichtlich ihrer bereichsspezifischen Besonderheiten zu<br />

betrachten, da erworbenes Wissen <strong>in</strong> hohem Maße domänenspezifisch ist. Im Bereich der<br />

technischen Berufsbildung zeigen sich, wie bereits oben erwähnt, bezüglich obiger Überlegungen<br />

noch große Defizite.<br />

Auf das Erfordernis e<strong>in</strong>er domänenspezifischen Betrachtung weisen auch teilweise konträre<br />

Forschungsergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich kaufmännischer und technischer Berufsfelder h<strong>in</strong>. So<br />

kommen Forschergruppen um Sembill und Nickolaus <strong>in</strong> Bezug auf Untersuchungen zu<br />

differentiellen Effekten methodischer Grundentscheidungen <strong>in</strong> der kaufmännischen und<br />

technischen Berufsausbildung zu unterschiedlichen Ergebnissen, die sich kaum mite<strong>in</strong>ander<br />

vere<strong>in</strong>baren lassen. Erklären lässt sich dies beispielsweise dadurch, dass verschiedenste<br />

Variablen zu diesen Divergenzen führen. E<strong>in</strong>e abgesicherte E<strong>in</strong>schätzung bezüglich konstruk-


4 2 Aktueller Forschungsstand<br />

tivistischer Lehr-Lern-Umgebungen ist deshalb nur über e<strong>in</strong>e breitere domänenspezifischere<br />

Betrachtung möglich.<br />

E<strong>in</strong>ig ist man sich jedoch darüber, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konstruktivistisch ausgelegten Lernumgebung<br />

beispielsweise <strong>in</strong>struktionsorientierte Phasen zw<strong>in</strong>gend erforderlich s<strong>in</strong>d, wie diese aber<br />

konkret aussehen können, bleibt offen. Auch wird z. B. der E<strong>in</strong>satz von Leittexten als<br />

geeignete Methode verstanden, <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> durchzusetzen. Aber<br />

bisherige Anleitungen zu deren Gestaltung verbleiben auf e<strong>in</strong>er Ebene, die ausschließlich die<br />

betriebliche Ausbildung betreffen.<br />

Achtenhagen und Grubb verweisen, <strong>in</strong> dem sie den konstruktivistischen Ansatz herausstellen,<br />

für den e<strong>in</strong> Forschungsbedarf besteht, auf Folgendes: „The competencies required by changes<br />

<strong>in</strong> work often require <strong>in</strong>struction that <strong>in</strong>tegrates both academic and vocational competencies,<br />

work-based learn<strong>in</strong>g, and more constructivistic and systems-oriented teach<strong>in</strong>g <strong>in</strong> the place of<br />

the didactic, sequential, skills-centered methods that have dom<strong>in</strong>ated <strong>in</strong> the past“ (2001, S.<br />

631). Nach Gruber, Mandl, Renkl (1999, S. 20) sollte zw<strong>in</strong>gend geklärt werden, „unter<br />

welchen Bed<strong>in</strong>gungen welche Form der <strong>in</strong>struktionalen Unterstützung notwendig ist, um<br />

erfolgreiches konstruktives Lernen <strong>in</strong> komplexen Lernumgebungen ermöglichen zu können“.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund muss das „bisher ungeklärte Verhältnis fach- und handlungssystematischer<br />

Vorgehensweise als organisatorische Strukturierung des <strong>Unterricht</strong>s ... <strong>in</strong> jedem Fall<br />

vorab geklärt werden“ (Schäfer, Bader 2000, S. 148).<br />

Kapitel 2.1 zeigt <strong>in</strong>sbesondere diesbezüglich die aktuelle, für die Untersuchung besonders<br />

relevante Forschungslage überwiegend für den deutschsprachigen Raum auf. Kapitel 2.2 fasst<br />

abschließend die genannten Aspekte zusammen.<br />

2.1 Empirische Forschungslage zu <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzepten<br />

Die Darstellung der aktuellen Forschungslage wird sich <strong>in</strong>nerhalb Kapitel 2 vorwiegend auf<br />

den deutschsprachigen Raum beziehen, weil sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationaler Vergleich aufgrund der<br />

unterschiedlichen Ausbildungskonzepte kaum anbietet. Die hier besprochenen Untersuchungen<br />

decken im Wesentlichen die berufliche Erstausbildung ab. Dabei wird <strong>in</strong> Kapitel 2.1.1 der<br />

gewerblich-technische Bereich betrachtet, aber auch Untersuchungen im kaufmännischen<br />

Bereich (Kapitel 2.1.2) sollen die Darstellung der aktuellen Forschungslage abrunden.<br />

2.1.1 Das gewerblich-technische Berufsfeld<br />

2.1.1.1 Grundlage der hier dargestellten Untersuchung<br />

Nachfolgend werden die von Riedl (1998) vorgestellten und <strong>in</strong>terpretierten Ergebnisse se<strong>in</strong>er<br />

Forschungsarbeit ‚Verlaufsuntersuchung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> Elektropneumatikunterrichts<br />

und Analyse e<strong>in</strong>er Handlungsaufgabe’ ausführlich nachgezeichnet, weil die vorliegende<br />

Arbeit an die Untersuchung von Riedl anknüpft und ihr Forschungsgegenstand große<br />

Parallelen zu dem von Riedl untersuchten <strong>Unterricht</strong> aufweist.


2 Aktueller Forschungsstand 5<br />

Die bei Riedl dargestellte Außensicht e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s (aus der Sicht<br />

des Forschers) auf e<strong>in</strong>er früheren Entwicklungsstufe wird mit der hier beschrieben Untersuchung<br />

dah<strong>in</strong> gehend erweitert, dass nun e<strong>in</strong>e Innensicht (nämlich die Darstellung e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s aus der Sicht der Lernenden) zur näheren Spezifizierung<br />

eben dieses <strong>Unterricht</strong>s erfolgt. Daher ist es notwendig, dass beide Untersuchungen zum<strong>in</strong>dest<br />

ähnliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen aufweisen: Es werden sowohl die gleiche <strong>Unterricht</strong>sthematik<br />

als auch e<strong>in</strong> ähnliches <strong>Unterricht</strong>skonzept <strong>in</strong> ähnlichen Räumlichkeiten derselben Berufsschule<br />

untersucht.<br />

Riedl führt zur Darstellung der Außensicht e<strong>in</strong>e Verlaufsuntersuchung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s und e<strong>in</strong>e Untersuchung zum Lösungsvorgehen von Schülern bei e<strong>in</strong>er<br />

Handlungsaufgabe durch. Für die Verlaufsdarstellung beobachtet Riedl e<strong>in</strong>e Gruppe<br />

durchgängig per Video an ihrem Arbeitsplatz. Die detaillierte Beobachtung von <strong>in</strong>sgesamt<br />

zwölf Schülergruppen beim Lösen der Handlungsaufgabe schließt an den beobachteten<br />

<strong>Unterricht</strong> an. Die Beurteilung des <strong>Unterricht</strong>s erfolgt anhand von Bestimmungsgrößen, die<br />

den <strong>Unterricht</strong> kennzeichnen können. Anhand der von den Schülern e<strong>in</strong>gebrachten Lernarbeit<br />

erfolgt e<strong>in</strong>e Verknüpfung mit dem zuvor beobachteten <strong>Unterricht</strong>, so dass sich hier e<strong>in</strong><br />

präzises Gesamtbild e<strong>in</strong>er handlungsorientiert gestalteten Lernumgebung ergibt.<br />

Die Ergebnisse der Verlaufuntersuchung lassen sich im Wesentlichen anhand der von Riedl<br />

favorisierten Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzepts darstellen<br />

(vgl. hierzu Kapitel 4.4.2, Übersicht 4-4):<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Riedl weist dem von ihm untersuchten <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>en hohen Umsetzungsgrad h<strong>in</strong>sichtlich<br />

e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung zu. So stellt er fest, dass der Komplexitätsgrad der<br />

Aufgabenstellungen im Vergleich zu e<strong>in</strong>er realen Aufgabe zwar deutlich niedriger ist, dieser<br />

sich aber h<strong>in</strong>sichtlich der Leistungsstärke der Schüler und im H<strong>in</strong>blick auf das Ziel der<br />

Vermittlung von Theorie<strong>in</strong>halten als angemessen zeigt. Die Aufgaben s<strong>in</strong>d so ausgelegt, dass<br />

die Schüler nur über e<strong>in</strong>en gewissen Planungsaufwand und über e<strong>in</strong> aktives Handeln zu e<strong>in</strong>er<br />

Lösung gelangen. Die Lernumgebung fördert e<strong>in</strong>en konstruktiven Wissenserwerb anhand<br />

berufsnaher Lerngegenstände, allerd<strong>in</strong>gs verwirklicht sie nicht die Betrachtung des Lerngegenstandes<br />

über multiple Perspektiven. Insofern sieht Riedl hier die Problematik der<br />

unzureichenden Dekontextualisierung des erworbenen Wissens, schreibt der Lernumgebung<br />

allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> hohes <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisches Motivationspotential zu, weil die Art der Aufgabenstellung<br />

im besonderen Maße Erfolgserlebnisse fördert. Positiv zeigt sich die zeitlich langfristige<br />

Bearbeitung der Steuerungstechnik, der allerd<strong>in</strong>gs die über Wochen verteilten, relativ kurzen<br />

<strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten von 90 M<strong>in</strong>uten pro Woche entgegenstehen.<br />

Handlungssystematisches Vorgehen<br />

Auch e<strong>in</strong> handlungssystematisches Vorgehen wird lt. Riedl durch den <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> hohem<br />

Maße verwirklicht, weil alle wesentlichen Lernziele entlang der Aufgaben zur Steuerungstechnik<br />

<strong>in</strong> den Arbeitsablauf e<strong>in</strong>bezogen s<strong>in</strong>d. Die Lösung der Arbeitsaufträge erfordert <strong>in</strong><br />

aller Regel primär den Erwerb theoretischer Inhalte, um den praktischen Anteil erfassen zu<br />

können.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der von Riedl beobachtete <strong>Unterricht</strong> und der der hier beschriebenen Arbeit zugrunde<br />

liegende <strong>Unterricht</strong> wurden an der Berufsschule Weilheim, <strong>in</strong> ähnlichen <strong>Unterricht</strong>sräumen<br />

durchgeführt. Insofern sei an dieser Stelle auf Kapitel 5.3.8 ‚Bestimmungsgröße: Integrierter<br />

Fachunterrichtsraum’ verwiesen, weil sich die Ausführungen Riedls mit den hier beobachte-


6 2 Aktueller Forschungsstand<br />

ten Gegebenheiten im Wesentlichen decken. Ergänzend sei erwähnt, dass die Räume im<br />

Zeitraum zwischen den beiden Untersuchungen weiter zu Gunsten e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lernumgebung ausgestaltet wurden. Riedl stellt fest, dass gerade diese Ausgestaltung e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Unterricht</strong>sraums optimale Voraussetzungen bieten, so dass e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> störungsarmer<br />

Theorieunterricht, andererseits aber auch e<strong>in</strong>e realitätsnahe Praxisarbeit möglich ist. Dies ist<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch die Anpassung der Lernumgebung an e<strong>in</strong>e reale Arbeitssituation gegeben.<br />

So stehen den Lernenden neben e<strong>in</strong>er umfassenden Medienausstattung praxisnahe Arbeitsgeräte<br />

zur Verfügung, wie z. B. pneumatische und elektropneumatische Bauteile.<br />

Innere Differenzierung<br />

Die <strong>in</strong>nere Differenzierung gestaltet sich <strong>in</strong> dem von Riedl beobachteten <strong>Unterricht</strong> dadurch,<br />

dass <strong>in</strong> der Regel leistungshomogene Gruppen ihr eigenes Lerntempo bestimmen. Diese Art<br />

der Differenzierung ermöglicht lt. Riedl auch für Leistungsschwächere die Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit e<strong>in</strong>er sonst für diese vielleicht kaum zugänglichen Thematik, <strong>in</strong>sbesondere auch<br />

deshalb, weil <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>e besondere Betreuung Leistungsschwächerer<br />

ermöglicht wird. E<strong>in</strong>erseits kann sich die Lehrkraft verstärkt mit diesen befassen, andererseits<br />

s<strong>in</strong>d die Lerne<strong>in</strong>heiten so ausgelegt, dass Leistungsschwächere über im Wesentlichen<br />

fachsystematisch aufgebaute Wiederholungssequenzen langsam an die eigentliche Aufgabe<br />

herangeführt werden. Riedl beobachtet, dass aufgrund dieser Konstellation auch schwache<br />

Schüler <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, zum<strong>in</strong>dest bei e<strong>in</strong>facheren Aufgabenstellung e<strong>in</strong>e<br />

Lösung zu erarbeiten.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen wird durch Gruppenarbeit gefördert, wobei die<br />

Gruppenf<strong>in</strong>dung auf freiwilliger Basis erfolgt. Etwaige spätere Änderungen <strong>in</strong> der Zusammensetzung<br />

werden durch die Lehrkraft bei Aussicht auf Erfolg akzeptiert, weil sich oftmals<br />

erst nach geraumer Zeit e<strong>in</strong> besser funktionierendes Kollektiv herauskristallisiert. Es zeigt<br />

sich bei Riedl, dass leistungshomogene Gruppen e<strong>in</strong>e relative gleichmäßige Arbeitsverteilung<br />

organisieren und kaum e<strong>in</strong> Außenseitertum zulassen. Alle Schüler e<strong>in</strong>er Gruppe beteiligen<br />

sich gleichermaßen an der Erarbeitung der Aufgaben. Riedl beobachtet <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

Vierergruppe die Aufteilung <strong>in</strong> zwei Zweiergruppen und demgemäß auch e<strong>in</strong>e Verteilung der<br />

Arbeit. Daher ist nach Riedl nicht gewährleistet, dass hier die zur vollständigen Lösung e<strong>in</strong>er<br />

Aufgabe notwendigen Schritte von allen Beteiligten durchlaufen werden. Riedl schlägt daher<br />

vor, Gruppen mit nur zweit Schülern zu präferieren. Die zur Zielerreichung notwendige<br />

Kommunikation fördert nach der Erkenntnis Riedls besonders die sozialen Kompetenzen, so<br />

dass hier das Selbstwertgefühl des E<strong>in</strong>zelnen gesteigert wird.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Die <strong>in</strong> dem beobachteten <strong>Unterricht</strong> verwendeten Leittexte führen den Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Abschnitten sehr eng, <strong>in</strong>sbesondere zur Erfassung theoretischer Inhalte h<strong>in</strong>. Diese H<strong>in</strong>führung<br />

erfolgt zu großen Teilen fachsystematisch und erlaubt kaum <strong>in</strong>dividuelle Lernarbeit. Die dem<br />

jeweiligen Leittext zugrunde liegende Steuerungsaufgabe entlässt den Schüler dann <strong>in</strong> die<br />

Eigenverantwortung, um hier e<strong>in</strong>e Selbststeuerung und Selbstkontrolle der <strong>Lernprozesse</strong> zu<br />

fördern. Dabei lässt sich gemäß Riedl feststellen, dass die Schüler die ihnen zur Verfügung<br />

stehenden Handlungsspielräume tatsächlich nutzen und oftmals kreative Abänderungen oder<br />

Erweiterungen an den aufzubauenden Schaltungen vornehmen. So fördert der beobachtete<br />

<strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>e Selbstreflexion, die hilft, eigene Kompetenzen e<strong>in</strong>zuordnen. „Der <strong>Unterricht</strong><br />

unterstützt dadurch die Entwicklung von Selbststeuerungsfähigkeit und bahnt Kontrollstrategien<br />

an. Metakognitives Wissen und se<strong>in</strong> kontrollierender Zugriff auf z. B. vorhandenes<br />

Faktenwissen oder vorhandene Strategien werden gefördert“ (ebd., S. 231).


2 Aktueller Forschungsstand 7<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

E<strong>in</strong>en zentralen Aspekt für e<strong>in</strong>e beratende Lehrerrolle sieht Riedl <strong>in</strong> dem Bewältigen nicht<br />

vorhersehbarer, nicht planbarer Situationen und des deshalb <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Unterricht</strong>s<br />

auftretenden Planungsbedarfs. Der Pädagoge muss spontane Entscheidungen angepasst an das<br />

aktuelle <strong>Unterricht</strong>sgeschehen treffen und das weitere Vorgehen daran ausrichten.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Riedl stuft die Leistungsfeststellung als äußerst stressfrei für die Schüler e<strong>in</strong>, da sich die<br />

Tests, die <strong>in</strong> der Regel sowohl theoretische als auch praktische Anteile enthalten, zeitlich<br />

<strong>in</strong>dividuell am Bearbeitungsstand der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen ausrichten. Wesentlich ist die mit<br />

jedem E<strong>in</strong>zelnen besprochene Bewertung der Tests, die dem Schüler offen dargelegt wird.<br />

Für das Lösungsvorgehen von Schülern bei e<strong>in</strong>er Handlungsaufgabe zeichnen sich folgende<br />

Ergebnisse ab:<br />

Die Gestaltung der Lernumgebung zeigt ihre Auswirkungen auf das Lösungsvorgehen von<br />

Schülern bei e<strong>in</strong>er Handlungsaufgabe (zur Aufgabenstellung s. Riedl 1998, Kapitel 8.1.3.3).<br />

Dabei unterscheidet Riedl bei der Beurteilung der Ergebnisse zwischen dem Arbeitserfolg und<br />

dem Bearbeitungsvorgehen der Probanden.<br />

Vorab stellt Riedl fest, dass e<strong>in</strong>ige Schüler bereits Vorkenntnisse auf dem Gebiet der<br />

Steuerungstechnik aufweisen. Nähere Informationen über Art und Inhalt liegen jedoch nicht<br />

vor. Generell zeigt sich bei Riedls Untersuchungen jedoch, dass sich zwischen den Schülern<br />

mit Vorkenntnissen aus betrieblichen und/oder überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen<br />

und jenen ohne Erfahrung ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede zeigen. Riedl geht daher davon<br />

aus, dass das zur Bearbeitung der Handlungsaufgabe benötigte Wissen wohl aus dem zuvor<br />

durchlaufenen <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> entstammt.<br />

Bearbeitungserfolg<br />

Fast alle Gruppen lösen trotz des hohen Anspruchs die gestellte Aufgabe. E<strong>in</strong>e Gruppe<br />

zeichnet sich durch e<strong>in</strong> äußerst zielstrebiges Vorgehen aus, bei dem ke<strong>in</strong>e Fehlversuche zu<br />

verzeichnen s<strong>in</strong>d. Die meisten Gruppen müssen allerd<strong>in</strong>gs erste Lösungsversuche überarbeiten<br />

und f<strong>in</strong>den erst nach längerer Zeit den richtigen Ansatz. Dabei stellt Riedl fest, dass<br />

wesentliches Faktenwissen zwar vorhanden, dieses aber nicht unmittelbar auf die neue<br />

Situation übertragen werden kann. Riedl führt dies auf e<strong>in</strong>e unzureichende Wissensgrundlage<br />

oder auch auf Defizite bei der Wissensanwendung zurück. Schaltungstechnische Grundlagen<br />

bereiten den Schülern ke<strong>in</strong>erlei Schwierigkeiten; dies wird unmittelbar <strong>in</strong> die Aufgabenlösung<br />

e<strong>in</strong>gearbeitet. E<strong>in</strong>e Gruppe ist nach den Ausführungen Riedls nicht annähernd <strong>in</strong> der Lage,<br />

e<strong>in</strong>e Lösung zu erarbeiten. Insgesamt schätzt Riedl den Bearbeitungserfolg aber als sehr hoch<br />

e<strong>in</strong>. Hier sieht Riedl die Möglichkeit, durch vermehrte Fachgespräche zwischen Schülern und<br />

Lehrer den „Nachweis für e<strong>in</strong> grundlegendes Verständnis der Schaltungslogik und der<br />

Wirkpr<strong>in</strong>zipien der verwendeten Bauteile“ (ebd., S. 238) e<strong>in</strong>zufordern, da die oftmals<br />

geforderten Funktionsbeschreibungen von Schaltungen hierüber nicht ausreichend Auskunft<br />

geben.<br />

Bearbeitungsvorgehen<br />

Riedl stellt heraus, dass lediglich e<strong>in</strong>e Gruppe e<strong>in</strong>e vollständige schriftliche Planung des<br />

beabsichtigten Lösungsvorgehens vornimmt. Zwei Gruppen planen zum<strong>in</strong>dest wesentliche<br />

Lösungsschritte, während alle anderen unmittelbar bei der praktischen Umsetzung ansetzen.<br />

Es zeigt sich bei e<strong>in</strong>igen Gruppen, dass jegliches Fehlen der schriftlichen Planung zu<br />

Problemen bei der praktischen Umsetzung führt. „E<strong>in</strong> vorwiegend f<strong>in</strong>ales Arbeitsvorgehen<br />

bahnt bei ... [den Schülern, d. Verf.] oft nur e<strong>in</strong> Verfahrenswissen an. Grundlagenwissen als


8 2 Aktueller Forschungsstand<br />

Begründungsh<strong>in</strong>tergrund, das die Übertragbarkeit der Wissens<strong>in</strong>halte auch auf neue,<br />

andersartige Problemlagen erleichtern würde, ist nicht genug ausgeprägt“ (ebd., S. 240). Da<br />

die Aufgabenstellung e<strong>in</strong>e schriftliche Dokumentation verlangt, holen viele Gruppen dies<br />

nach der praktischen Bearbeitung eher unmotiviert nach und stellen zudem kaum e<strong>in</strong>en Bezug<br />

zur praktischen Tätigkeit her. Das heißt konkret, dass die Schüler den Anlagenaufbau erneut<br />

auf theoretischer Ebene erarbeiten. Diejenigen Probanden, die e<strong>in</strong>e schriftliche Planung vor<br />

dem eigentlichen Aufbau vorgesehen haben, begründen diese Vorgehensweise mit bereits<br />

während des <strong>Unterricht</strong>s aufgetretenen Problemen während der praktischen Tätigkeit, bei<br />

fehlender schriftlicher Bearbeitung. Riedl plädiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang für die<br />

Durchsetzung der schriftlichen Planung vor der praktischen Tätigkeit durch die Lehrkraft.<br />

Bei acht Gruppen zeigen sich lt. Riedl Defizite <strong>in</strong> der Verarbeitung schriftlicher Informationen.<br />

Begründet wird dies durch e<strong>in</strong>e unzureichende Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Arbeitsanweisungen<br />

und deren zum Teil falscher Interpretation.<br />

Feststellbar ist zudem, dass die Schüler kaum auf das zur Verfügung stehende Informationsmaterial<br />

zurückgreifen, bzw. kaum <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, die dort vorgefundenen Informationen zu<br />

nutzen. Riedl vermutet hier e<strong>in</strong>erseits generelle Defizite im Umgang mit der Informationsbeschaffung,<br />

andererseits aber auch den für Schüler anmutenden hohen Zeitaufwand, den e<strong>in</strong>e<br />

eigenverantwortliche Informationsbeschaffung mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

Problematisch stellt sich die Zusammenarbeit bei Gruppen mit mehr als zwei Mitgliedern dar.<br />

Bei Dreiergruppen neigt <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> Schüler dazu, sich nicht oder zum<strong>in</strong>dest nur<br />

marg<strong>in</strong>al an der Aufgabenbearbeitung zu beteiligen. Vierergruppen tendieren dazu, sich <strong>in</strong><br />

Zweiergruppen aufzuteilen und die Aufgabe zu großen Teilen doppelt zu bearbeiten.<br />

Zusammenfassend stellt Riedl für beide Untersuchungsschwerpunkte fest, dass e<strong>in</strong>e Unterstützung<br />

der Lernenden zw<strong>in</strong>gend erforderlich ist, wobei diese <strong>in</strong>sbesondere durch das<br />

Gespräch zwischen Schülern und Lehrer ausgestaltet werden kann. Das defizitäre Transferverhalten<br />

kann nur durch die Betrachtung von Lern<strong>in</strong>halten unter multiplen Perspektiven<br />

gefördert werden. „E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzwissen würde dadurch stärker aktiviert, e<strong>in</strong> Verstehen von<br />

Pr<strong>in</strong>zipien verbessert, das situativ oft s<strong>in</strong>gulär erworbene Wissen stärker dekontextualisiert<br />

und e<strong>in</strong>er breiteren Anwendbarkeit zugeführt“ (ebd., S. 240). Hier würde es sich gemäß Riedl<br />

anbieten, zusätzliche Schaltungsrealisierungen aus dem Gesamtzusammenhang e<strong>in</strong>er<br />

Steuerungsaufgabe zu extrahieren und an diesen schwierige Sachverhalte greifbar zu machen.<br />

2.1.1.2 Weitere richtungweisende Ansätze<br />

Tenberg (1997) zeigt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Untersuchung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s zur<br />

Kraftübertragungstechnik, dass Schüler e<strong>in</strong> Lehrere<strong>in</strong>wirken dann als unangenehm empf<strong>in</strong>den,<br />

wenn der Pädagoge zu e<strong>in</strong>er starken Überwachung tendiert. Steht die Lehrkraft bei<br />

fachlichen Problemen h<strong>in</strong>gegen nicht zur Verfügung, so wird dies ebenfalls von den<br />

Auszubildenden bemängelt. Tenberg schließt daraus, dass die Vorgehensweise der Lehrkraft<br />

auf die jeweilige Situation abzustimmen ist. Dabei s<strong>in</strong>d die zu vermittelnden Wissenskomponenten,<br />

das dem Schüler immanente Fachwissen und der Neuigkeitsgrad der Lern<strong>in</strong>halte zu<br />

berücksichtigen. Werden primär Grundlagen vermittelt, ist der Vorwissensstand der<br />

Lernenden als ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>zustufen oder aber ist der Neuigkeitsgrad der Lern<strong>in</strong>halte sehr hoch,<br />

dann schätzt Tenberg e<strong>in</strong>e direkte Vermittlung durch den Pädagogen als vorteilhaft e<strong>in</strong>.<br />

Tenberg zweifelt e<strong>in</strong> konsequent verfolgtes handlungsorientiertes <strong>Unterricht</strong>skonzept bei der<br />

Vermittlung von Grundlagenwissen an und spricht sich diesbezüglich für das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von


2 Aktueller Forschungsstand 9<br />

fachsystematischen <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten aus. Er präferiert auch dann e<strong>in</strong>e handlungsorientierte<br />

Lernumgebung, wenn hohe Anteile von Zugriffs- und Anwendungswissen zu vermitteln<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die von Schelten, Riedl, Geiger (2003) bzw. Geiger, Riedl (2004) durchgeführte Untersuchung<br />

‚Lehr-Lern-Prozesse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konstruktivistischen Lernumgebung für Steuerungstechnikunterricht’<br />

soll klären, wie sich unterschiedliche Gestaltungsvarianten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung, <strong>in</strong>sbesondere deren Zusammenwirken, auf den zu<br />

professioneller beruflicher Handlungsfähigkeit führenden Wissenserwerb bei Mechatronikern<br />

auswirkt. „In dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> wurden jeweils das zur Verfügung stehende<br />

Selbstlernmaterial sowie das Instruktionsverhalten der Lehrkraft zweifach variiert und<br />

mite<strong>in</strong>ander komb<strong>in</strong>iert. Die beiden Varianten des Selbstlernmaterials sowie des Instruktionsverhaltens<br />

waren <strong>in</strong> ihrer Ausrichtung jeweils e<strong>in</strong>mal systematikorientiert und <strong>in</strong> der zweiten<br />

Variante beispielorientiert“ (Schelten, Riedl, Geiger 2003, S. 3 und Geiger 2005, z. B. S. 24<br />

f.). Demgemäß ergeben sich hieraus vier Treatments: Sowohl das Selbstlernmaterial als auch<br />

das Instruktionsverhalten der Lehrkraft s<strong>in</strong>d systematikorientiert ausgerichtet (SS), das<br />

Selbstlernmaterial ist systematikorientiert, das Instruktionsverhalten ist dagegen beispielorientiert<br />

ausgerichtet (SB), <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiteren Gestaltungsvariante ist das Selbstlernmaterial<br />

beispielorientiert, das Instruktionsverhalten aber systematikorientiert gestaltet (BS) und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er letzten Variation zielen sowohl das Selbstlernmaterial als auch das Instruktionsverhalten<br />

auf Beispielorientierung ab (BB). Die Untersuchung soll Aussagen bezüglich e<strong>in</strong>er Balance<br />

zwischen der Instruktion der Lehrkraft und e<strong>in</strong>er schülerselbstgesteuerten Wissenskonstruktion<br />

ermöglichen.<br />

Der untersuchte <strong>Unterricht</strong> wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Woche mit acht <strong>Unterricht</strong>sstunden durchgeführt,<br />

wobei für die vier oben beschriebenen Treatments vier Gruppen mit jeweils zehn, elf bzw.<br />

zwölf Schülern zur Verfügung stehen.<br />

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass fast alle Schüler mit Durchlaufen der Lernstrecke<br />

e<strong>in</strong>en hohen Lernerfolg verbuchen können. Nach dem <strong>Unterricht</strong> s<strong>in</strong>d die meisten Schüler <strong>in</strong><br />

der Lage, e<strong>in</strong>e komplexe Transferaufgabe zu lösen. Es zeigt sich, dass die Gestaltungsvarianten<br />

mit dem beispielorientiert ausgerichteten Lernmaterial, bessere Ergebnisse erzielen lassen,<br />

als dies bei den beiden anderen Gruppen der Fall ist. Insofern geben Schelten et al. an, dass<br />

sich ausgearbeitete Lösungsbeispiele <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es leittextgestützten <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s als effektiv bei der „Vermittlung von Lern<strong>in</strong>halten der Wissensdomäne Automatisierungstechnik“<br />

(Schelten, Riedl, Geiger 2003, S. 10) darstellen. Dabei ist aber auf e<strong>in</strong>e<br />

Unterstützung durch die Lehrkraft abzustellen. Vermuten lässt sich e<strong>in</strong>e günstige E<strong>in</strong>flussnahme<br />

auf <strong>Lernprozesse</strong> durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sbesondere bei der Vermittlung von Systemzusammenhängen<br />

e<strong>in</strong>gesetzte Lehrerunterstützung, komb<strong>in</strong>iert mit e<strong>in</strong>em situationsflexiblen Vorgehen<br />

<strong>in</strong> Fällen, die den Lehrere<strong>in</strong>satz ungeplant erfordern.<br />

Nickolaus, He<strong>in</strong>zmann, Knöll (2005) suchen <strong>in</strong> ihrer Forschungsarbeit ‚Differenzielle Effekte<br />

von <strong>Unterricht</strong>skonzeptionsformen <strong>in</strong> der gewerblichen Erstausbildung’ bei Elektro<strong>in</strong>stallateuren<br />

nach Unterschieden zwischen systematischem Instruktionsunterricht und e<strong>in</strong>er<br />

selbstgesteuerten Erarbeitungsform. Für die Untersuchung spielen e<strong>in</strong>erseits deklaratives und<br />

prozedurales Wissen, Problemlösefähigkeit und Motivation als abhängige Variablen und<br />

andererseits die Unterscheidung zwischen e<strong>in</strong>er eher direktiven und e<strong>in</strong>er eher <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Variante als unabhängige Variablen e<strong>in</strong>e zentrale Rolle. Dabei zeigt sich, dass die<br />

eher direktiv unterrichteten Schüler ke<strong>in</strong> ausgeprägteres deklaratives Wissen aufbauen, als das<br />

bei e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> durchlaufenden Lernenden der Fall wäre.<br />

Nickolaus et al. stellen allerd<strong>in</strong>gs fest, dass die direktiv unterrichteten Klassen im weiteren


10 2 Aktueller Forschungsstand<br />

Verlauf besser h<strong>in</strong>sichtlich des prozeduralen Wissenserwerbs abschneiden, sich gegen Ende<br />

der <strong>Unterricht</strong>sstrecke aber ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede bei beiden Wissensarten<br />

abzeichnen. Im Bereich des deklarativen Wissens lässt sich bei beiden Konzeptionsformen e<strong>in</strong><br />

stetiger Zuwachs feststellen, während die Zunahme des prozeduralen Wissenserwerbs eher<br />

schwach ausfällt. Auch bei Untersuchungen zur Problemlösefähigkeit zeigen sich kaum<br />

Unterschiede zwischen den verschiedenen <strong>Unterricht</strong>skonzeptionsformen, die eher direktiv<br />

unterrichteten Schüler übernehmen allerd<strong>in</strong>gs während der <strong>Unterricht</strong>sphase auch hier die<br />

Vorreiterrolle, während die handlungsorientiert unterrichteten Schüler nach und nach<br />

aufholen. Im Rahmen der Motivationsentwicklung zeigt sich, dass die handlungsorientiert<br />

unterrichteten Klassen ke<strong>in</strong>e verbesserte Lernmotivation aufweisen. Auch ist ke<strong>in</strong> signifikanter<br />

Unterschied h<strong>in</strong>sichtlich der <strong>in</strong>trojizierten Motivation zu erkennen. Nickolaus et al.<br />

schlagen daher vor, berufsschulischen <strong>Unterricht</strong> h<strong>in</strong>sichtlich der derzeit präferierten<br />

Methoden zu überdenken und e<strong>in</strong>e Beurteilung angewandter Konzepte <strong>in</strong>sbesondere unter<br />

Berücksichtigung des Vorwissens der Schüler, e<strong>in</strong>er etwaige Überforderung und der<br />

Schülerzahl anzustreben. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich im Übrigen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von Nickolaus<br />

und Bickmann (2002) bereits früher, ebenfalls bei Elektro<strong>in</strong>stallateuren durchgeführten<br />

Studie, bei der direktive <strong>Unterricht</strong>sformen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiven Licht dargestellt werden.<br />

E<strong>in</strong>e weitere, daran anknüpfende Forschungsarbeit von Nickolaus, He<strong>in</strong>zmann, Knöll (2005)<br />

sucht nach Unterschieden bei deklarativem und prozeduralem Wissen, Problemlösefähigkeit<br />

und Motivation als Folge e<strong>in</strong>es direktiven systematischen Instruktionsunterrichts und e<strong>in</strong>er<br />

selbstgesteuerten und <strong>handlungsorientierten</strong> Erarbeitungsform. Ergebnisse zeigen, dass die<br />

eher direktiv unterrichteten Schüler nicht wie erwartet e<strong>in</strong> ausgeprägteres deklaratives Wissen<br />

aufbauen als die Schüler der eher <strong>handlungsorientierten</strong> Konzeptionsform. Die direktiv<br />

unterrichteten Klassen schneiden im weiteren Verlauf h<strong>in</strong>sichtlich des prozeduralen Wissenserwerbs<br />

besser ab, es zeichnen sich aber ke<strong>in</strong>e signifikanten Unterschiede bei beiden<br />

Wissensarten ab. Auch die Untersuchungen zur Problemlösefähigkeit zeigen kaum Unterschiede<br />

zwischen den verschiedenen <strong>Unterricht</strong>skonzeptionsformen.<br />

Wülker (2003) untersucht <strong>in</strong> der Fachstufe I bei Zimmerern die Entwicklung des deklarativen<br />

und prozeduralen Wissens <strong>in</strong> Abhängigkeit von der <strong>Unterricht</strong>sform. Beim deklarativen<br />

Wissen zeigen sich signifikante Vorteile für die längerfristig direktiv unterrichteten Klassen.<br />

Für das prozedurale Wissen ergeben sich für die direktiv unterrichteten Auszubildende<br />

gegenüber den handlungsorientiert unterrichteten ger<strong>in</strong>gfügig schlechtere Werte, wenngleich<br />

der Unterschied zwischen den <strong>Unterricht</strong>sformen nicht signifikant ist. Die schwächeren<br />

Schüler der handlungsorientiert unterrichteten Klassen erreichen jedoch deutlich schlechtere<br />

Ergebnisse als die schwachen direktiv <strong>Unterricht</strong>eten. Die starken Schüler <strong>in</strong> <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Varianten erreichen die mit Abstand besten, die Schwachen jedoch auch die mit<br />

Abstand schlechtesten Ergebnisse (ebd., S. 124). Auf der Grundlage dieser Ergebnisse<br />

schlagen die Forscher vor, das derzeitige Präferieren handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzeptionen<br />

im berufschulischen <strong>Unterricht</strong> der gewerblich-technischen Erstausbildung zu<br />

überdenken. Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach erfüllten sich die hohen Erwartungen an die methodische<br />

Ausgestaltung des <strong>Unterricht</strong>s nicht. Sie weisen abschließend darauf h<strong>in</strong>, dass die zugeschriebene<br />

Relevanz des E<strong>in</strong>flusses unterrichtsmethodischer Arrangements relativiert werden<br />

müsse. Andere Faktoren wie das Vorwissen der Schüler, die wahrgenommene Überforderung<br />

der Schüler sowie die Klassenstärke seien stärker mit e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Im Rahmen des Modellversuchs ‚Multimedia und Telekommunikation für berufliche Schulen’<br />

(Euler, Schelten, Zöller 2001) <strong>in</strong> Bayern untersucht Vögele (2003) e<strong>in</strong>en computerunterstützten<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> bei Auszubildenden der Informations- und Telekommu-


2 Aktueller Forschungsstand 11<br />

nikationstechnik. Vögele will aufzeigen, wie die Probanden bei der Bearbeitung e<strong>in</strong>er<br />

Lernstrecke mit Hilfe e<strong>in</strong>es Computers vorgehen. Dabei zeigt sich e<strong>in</strong>e sehr hohe Motivation<br />

der Lernenden, da diese darauf bedacht s<strong>in</strong>d, Aufgaben zur Simulation elektronischer<br />

Schaltungen mit der Lernsoftware möglichst selbstständig zu lösen. E<strong>in</strong> unterschiedliches<br />

Vorgehen der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen bei der Bearbeitung dieser Aufgaben (systematisch oder<br />

durch Ausprobieren) führt zu verschiedenen Ergebnissen bei e<strong>in</strong>er Lernzielkontrolle. So<br />

zeigen die durch Ausprobieren zum Ziel gelangten Lernenden Defizite h<strong>in</strong>sichtlich des<br />

Verständnisses der Schaltungsfunktion. Vögele gibt an, dass Ergebnisse von den Schülern<br />

oftmals kopiert werden. Bezüglich der Lernsoftware erfassen die Schüler nicht alle sich<br />

bietenden Möglichkeiten, Aufbau und Gliederung werden nur zum Teil erfasst. Insbesondere<br />

<strong>in</strong> diesem Zusammenhang schlägt Vögele vor, konstruktionsorientierte Phasen mit <strong>in</strong>struktionsorientierten<br />

zu komb<strong>in</strong>ieren.<br />

Aus dem Feedback der Schüler lässt sich entnehmen, dass diese <strong>in</strong>sbesondere die Gruppenarbeit<br />

und e<strong>in</strong>e Selbstbestimmung bezüglich Lernweg und Lerntempo positiv bewerten.<br />

Problematisch schätzen die Schüler ihren jeweiligen Lernerfolg e<strong>in</strong> und messen diesen an<br />

dem aufgenommenen Fachwissen. Ferner bemängeln die Auszubildenden die Form der<br />

Arbeitsaufträge und die zurückhaltende Rolle des Lehrers.<br />

Tenberg (2004) stellt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz ‚Lehrer-Schüler-Interaktion <strong>in</strong> handlungsorientiertem<br />

<strong>Unterricht</strong> – E<strong>in</strong>e Explorationsstudie’ aktuelle Ergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich des Lehrer-Schüler-<br />

Gesprächs <strong>in</strong> konstruktivistischen Lernumgebungen vor. Da nur 13 Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer<br />

zu dieser Thematik befragt werden können, ist der gebildete Querschnitt gemäß Tenberg nur<br />

wenig repräsentativ. Trotzdem seien nachfolgend die wesentlichen Ergebnisse wiedergegeben:<br />

Es zeigt sich, dass die Pädagogen gezielte Lehrer-Schüler-Gespräche vornehmlich zum<br />

Zwecke der Vor- bzw. Nachbereitung des <strong>Unterricht</strong>s oder auch zu Kontrollzwecken<br />

durchführen. Außerplanmäßige Gespräche f<strong>in</strong>den dann statt, wenn dies aufgrund auftretender<br />

Probleme erforderlich sche<strong>in</strong>t. Die Häufigkeit der Gespräche lässt Aussagen über die Art der<br />

Durchsetzung e<strong>in</strong>es konstruktivistischen Lernkonzepts zu. Desto größer der Anteil geplanter<br />

Gespräche ist, desto eher lässt sich der handlungsorientierte <strong>Unterricht</strong> als eng geführt<br />

beschreiben, während wenig geplante Gespräche den Handlungsspielraum der Lernenden<br />

erweitern. Tenberg stellt fest, dass geplante und situative Gespräche <strong>in</strong> engen Zusammenhang<br />

zue<strong>in</strong>ander stehen und <strong>in</strong> das aktuelle <strong>Unterricht</strong>sgeschehen e<strong>in</strong>gepasst werden. Daher ist e<strong>in</strong>e<br />

klare Abgrenzung zwischen beiden Formen nicht möglich.<br />

2.1.1.3 E<strong>in</strong> umfassender Abriss<br />

Mit ihrem Aufsatz ‚Ergebnisse und Desiderata zur Lehr-Lernforschung <strong>in</strong> der gewerblichtechnischen<br />

Berufsausbildung leisten Nickolaus, Riedl und Schelten (2005) e<strong>in</strong>en entscheidenden<br />

Beitrag, den Forschungsstand im gewerblich-technischen Sektor erfassen und<br />

e<strong>in</strong>ordnen zu können. So stellen Sie u. a. wichtige Forschungsarbeiten auf diesem Sektor vor<br />

und fassen die Ergebnisse derart zusammen, dass sich Defizite und Desiderata deutlich<br />

herauskristallisieren. In der Abhandlung werden ausgewählte Befunde aus bisherigen<br />

Forschungsarbeiten subsumiert und diskutiert, wobei sich folgende Aussagen und Überlegungen<br />

ergeben:<br />

Arbeiten des Lehrstuhles für Pädagogik der Technischen Universität München (Glöggler<br />

1997, Tenberg 1997, Riedl 1998 und Vögele 2003 zeigen auf, dass e<strong>in</strong> handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong> die berufliche Handlungskompetenz zu fördern vermag. Kritisch zeigt sich jedoch


12 2 Aktueller Forschungsstand<br />

die Entwicklung e<strong>in</strong>er Methoden-, Personal- und Sozialkompetenz, neben e<strong>in</strong>er Fachkompetenz.<br />

Die Ausbildung dieser Kompetenzkomponenten wird wohl deshalb gebremst, weil die<br />

Lernenden <strong>Unterricht</strong>serfolg im Wesentlichen am vermittelten Fachwissen messen (Vögele<br />

2003, S. 240).<br />

Problematisch wird auch die Gefahr der Vernachlässigung von Grundlagenwissen und<br />

Begründungszusammenhängen durch die Lernenden beschrieben. Es wird diskutiert,<br />

<strong>in</strong>wieweit Fachgespräche e<strong>in</strong>en Beitrag leisten können, dieser Problematik zu begegnen.<br />

Dabei wird explizit auf Fachgespräche mit der Lehrkraft verwiesen, die <strong>in</strong>nerhalb der hier<br />

angestrebten Kommunikation die h<strong>in</strong>ter der praktischen Tätigkeit stehende Theorie zur<br />

Entwicklung von Begründungswissen verorten soll. Nur so lässt sich laut Nickolaus, Riedl,<br />

Schelten überhaupt erst e<strong>in</strong> Lernen <strong>in</strong> multiplen Perspektiven anbahnen.<br />

Grundsätzlich ist hier nach Nickolaus, Riedl, Schelten die Frage des Grades an Lehrerunterstützung<br />

zu beleuchten. Gerade im Rahmen von Fachgesprächen lassen sich unterstützende<br />

Maßnahmen gezielt steuern. Dabei ist zu klären, wie Fachgespräche zeitlich und <strong>in</strong>haltlich<br />

auszulegen s<strong>in</strong>d, um die Entwicklung von Begründungswissen zuzulassen. Auch müssen<br />

domänenspezifische Aspekte bei der Planung und Durchführung von Fachgesprächen<br />

berücksichtigt werden.<br />

Nickolaus, Riedl, Schelten weisen bei der Betrachtung bisheriger Forschungsarbeiten ferner<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass weitere Untersuchungen <strong>in</strong> Bezug auf Gestaltungsempfehlungen von<br />

Selbstlernmaterialien durchzuführen s<strong>in</strong>d. Es stellt sich letztendlich die Frage, welche Art von<br />

Unterlagen mit welchem Instruktionsverhalten der Lehrkraft korrelieren sollte. Grundsätzlich<br />

gilt es zu klären. ob unterschiedlich aufgebaute Unterlagen (z. B. beispielorientiert, systematikorientiert)<br />

das Lernvorgehen und den Lernerfolg unterschiedlich bee<strong>in</strong>flussen können.<br />

2.1.2 Das Berufsfeld ‚Wirtschaft und Verwaltung’<br />

Das folgende Kapitel fasst wesentliche Forschungsarbeiten im Berufsfeld ‚Wirtschaft und<br />

Verwaltung’ zusammen, <strong>in</strong>sbesondere im Rahmen des Schwerpunktprogramms der DFG<br />

„Lehr-Lern-Prozesse <strong>in</strong> der kaufmännischen Erstausbildung“ (1993 – 1999). Dabei werden<br />

diese Arbeiten zitiert, die e<strong>in</strong>en engen Zusammenhang zu der hier vorliegenden Untersuchung<br />

erkennen lassen. Allen Arbeiten ist der empirische Forschungszugang geme<strong>in</strong>.<br />

Sloane et al. (2000, S. 128 ff.) präsentieren <strong>in</strong> ihrer Untersuchung ‚Fächer- und Lernortübergreifender<br />

<strong>Unterricht</strong> – Maßnahmen zur Förderung beruflicher Handlungskompetenz’<br />

Ergebnisse auf die Fragen, wie sich Lehr-Lern-Arrangements mit e<strong>in</strong>er fächer- und lernortübergreifenden<br />

Ausrichtung überhaupt entwickeln und <strong>in</strong> die kaufmännische Ausbildung<br />

implementieren lassen. Bei e<strong>in</strong>er Durchsetzung dieser Lehr-Lern-Arrangements werden dann<br />

die Lernerfolge bei veränderten Wissensstrukturen und ggf. die Anwendung der erworbenen<br />

Kompetenzen aufgezeigt. Dabei ist festzuhalten, dass sowohl die Entwicklung als auch die<br />

Implementation komplexer Lehr-Lern-Arrangements auf die vorgefundenen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

anzupassen s<strong>in</strong>d. Es zeigt sich bei e<strong>in</strong>er Durchsetzung e<strong>in</strong>es hier beschriebenen Lehr-Lern-<br />

Arrangements, dass sich das Wissen der Lernenden stark verändert und dass die Anwendung<br />

des erworbenen Wissens vermutet werden kann, weil die Lernenden fächer- und lernortübergreifende<br />

Lehr-Lern-Arrangements befürworten.<br />

Inwieweit e<strong>in</strong> selbstorganisiertes Lernen e<strong>in</strong>e Verbesserung der komplexen Problemlösefähigkeit<br />

<strong>in</strong>duziert, untersuchen Sembill et al. (2000, S. 118 ff.) <strong>in</strong> ihrer Arbeit ‚Prozessanalysen


2 Aktueller Forschungsstand 13<br />

selbstorganisierten Lernens – E<strong>in</strong> komplexes Lehr-Lern-Arrangement zur Verbesserung der<br />

Problemlösefähigkeit’ bei Industrie- und Bürokaufleuten. Dabei zeigt sich, dass die komplexe<br />

Problemlösefähigkeit <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er adäquaten, also auf konstruktivistisches Lernen<br />

ausgerichteten, Lernumgebung deutlich zunimmt, auch bei Schülern mit ungünstigen<br />

Voraussetzungen. Im Vergleich von selbstorganisiertem Lernen (SoLe) und Traditionellem<br />

Lernen (TraLe) lässt sich e<strong>in</strong>e wesentlich höhere Präsenz der Schüler bei Ersterem aufzeigen.<br />

Konkret heißt dies, dass die Lernenden aufgrund der Häufigkeit und <strong>in</strong>haltlich höheren<br />

Wertigkeit ihrer Äußerungen und Fragestellungen e<strong>in</strong>e stärkere Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der<br />

Thematik beweisen. Die von den Lernenden „wahrgenommenen Mitgestaltungsmöglichkeiten<br />

und das Ernstgenommenfühlen“ (ebd., S. 120) setzen Sembill et al. <strong>in</strong> engen Zusammenhang<br />

mit Interesse und <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sischen Motivationsfaktoren. Emotionale Faktoren hängen <strong>in</strong>sbesondere<br />

von der Kommunikation und Kooperation <strong>in</strong>nerhalb des Gruppenverbandes ab. Abschließend<br />

stellen Sembill et al. fest, dass traditioneller <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>e massive Unterforderung für<br />

den E<strong>in</strong>zelnen darstellt. Insofern weisen Sembill et al. auf folgende zentrale Aspekte zur<br />

Gestaltung e<strong>in</strong>er lernförderlichen Lehr-Lern-Umgebung h<strong>in</strong>:<br />

„- Lernende als Individuen ernst nehmen und ihnen Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten<br />

eröffnen;<br />

- S<strong>in</strong>nfragen bezüglich von Lern<strong>in</strong>halten zulassen und konstruktiv aufnehmen;<br />

- Lernende ihre <strong>Lernprozesse</strong> selbst mitgestalten lassen;<br />

- Lernen mit anderen und für andere als selbstverständliches Element <strong>in</strong> die <strong>Unterricht</strong>sorganisation<br />

<strong>in</strong>tegrieren;<br />

- Schülerfragen und Schülerfehler als zentrales didaktisches Element aufnehmen;<br />

- Lernende selbst Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess übernehmen lassen;<br />

- Lernende <strong>in</strong> Zielbildungs- und Evaluationsprozesse e<strong>in</strong>beziehen;<br />

- Öffentliche Dokumentationen von <strong>Lernprozesse</strong>n durch die Lernenden (z. B.<br />

durch Präsentationen, Portfolios und Projektberichten) fordern und fördern.“<br />

(ebd., S. 120)<br />

Das Problem des trägen Wissens versuchen Mandl, Gruber, Renkl et al. (2000, S. 89 ff.) mit<br />

ihrer Arbeit zur ‚Förderung des Erwerbs anwendbaren Wissens – Studien zur Optimierung<br />

beispielbasierten Lernens’ zu erfassen. Dabei soll die Problematik <strong>in</strong> verschiedenen Bereichen<br />

des Rechnungswesens durch e<strong>in</strong> Zusammenwirken von Lösungsbeispielen und unterstützende<br />

Maßnahmen e<strong>in</strong>erseits aufgezeigt, andererseits aber auch H<strong>in</strong>weise zur Überw<strong>in</strong>dung<br />

mangelnder Transferfähigkeit gegeben werden. Mandl, Gruber, Renkl et al. zeigen mit ihrer<br />

Feldstudie, dass sich beispielorientiertes Lernen <strong>in</strong> allen Fällen bewährt. „Selbst Schüler(<strong>in</strong>nen),<br />

die wenig Vorwissen mitbrachten, lernten <strong>in</strong> kurzer Zeit, zentrale Konzepte und<br />

Pr<strong>in</strong>zipien der jeweiligen Inhaltsgebiete erfolgreich auf Aufgaben anzuwenden, an die sie sich<br />

vorher kaum ‚herangetraut’ hätten“ (ebd., S. 90). Dabei ersche<strong>in</strong>t es erforderlich und<br />

vorteilhaft, die Lernenden zu unterstützen, <strong>in</strong>sbesondere durch Schulen im Umgang mit<br />

Lösungsbeispielen. Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g erweist sich als besonders lernfördernd, wenn e<strong>in</strong>e explizit<br />

auf das Lösungsbeispiel abgestimmte Aufgabe zu bearbeiten ist. Vorteilhaft erweist es sich<br />

auch, den Lernenden unvollständige Lösungsbeispiele vorzulegen, die diese zu ergänzen<br />

haben. Für komplexere Lerngebiete empfehlen Mandl, Gruber, Renkl et al. „Lösungsbeispiele<br />

so zu gestalten, dass die Lernenden unterschiedliche Sichtweisen der zu bewältigenden


14 2 Aktueller Forschungsstand<br />

Aufgabe e<strong>in</strong>nehmen müssen“ (ebd.). Neben der hohen Akzeptanz der Lernmethode bei den<br />

Auszubildenden bewährte sich diese auch unter realen Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

Die von van Buer, Matthäus et al. (2000, S. 40 ff.) vorgestellte Untersuchung ‚Entwicklung<br />

der kommunikativen Kompetenz und des kommunikativen Verhaltens Jugendlicher <strong>in</strong> der<br />

kaufmännischen Erstausbildung – Befragungen und Beobachtungen <strong>in</strong> den Lernorten Schule<br />

und Betrieb’ zeigt als zentralen Punkt der Ergebnisdarstellung die hohe Bedeutung des<br />

kommunikativ-<strong>in</strong>teraktionellen Angebots der Lehrkraft im <strong>Unterricht</strong>. Die kommunikative<br />

Fe<strong>in</strong>struktur im <strong>Unterricht</strong> sollte nach van Buer, Matthäus et al. mehr Beachtung f<strong>in</strong>den, weil<br />

diese ausbaufähiges Potential birgt, um die kommunikative Kompetenz der Lernenden weiter<br />

zu prägen.<br />

Auch Euler et al. (2000, S. 54 ff.) befassen sich mit der ‚Förderung sozial-kommunikativer<br />

Handlungskompetenz durch spezifische Ausprägungen des dialogorientierten Lehrgesprächs’.<br />

Das Lehrgespräch hat für Euler et al. deshalb zentrale Bedeutung, weil es <strong>in</strong> traditionellen<br />

<strong>Unterricht</strong>sformen heute überwiegend noch Anwendung f<strong>in</strong>det und weil auch handlungsorientierte<br />

Konzepte ohne Lehrgespräch nicht auskommen. Daher drängt sich die Frage auf,<br />

<strong>in</strong>wieweit das dialogorientierte Lehrgespräch E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklung ausgewählter<br />

Sozialkompetenzen nimmt. Euler et al. weisen aber auf die Vielschichtigkeit e<strong>in</strong>es Lehrgespräches<br />

h<strong>in</strong>. „So ergibt sich etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lehrgespräch, welches das Ziel verfolgt,<br />

Standpunkte im Rahmen von Diskussionen klären zu lassen, für die Lernenden e<strong>in</strong> vergleichsweise<br />

großer Freiraum, sich auf verschiedenen Ebenen zu artikulieren, währen <strong>in</strong><br />

Lehrgesprächen, <strong>in</strong> denen Vorkenntnisse aktualisiert oder Lernergebnisse wiederholt werden,<br />

diese Spielräume eher ger<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d“ (ebd., S. 56). Verhalten sich die Lernenden während des<br />

Lehrgesprächs grundsätzlich zurückhaltend, ist von Defiziten im sozial-kommunikativen<br />

Handeln auszugehen, zum<strong>in</strong>dest im Zusammenhang mit Lehrgesprächen. Hier versuchen<br />

Euler et al. anzusetzen und über Impulse, z. B. des direkten Ansprechens, seitens der<br />

Lehrkraft auf die Lernenden e<strong>in</strong>zuwirken. Vorteilhaft erweist sich die Aufteilung <strong>in</strong> Gruppen<br />

von Lernenden, die ähnliche Defizite aufweisen, beispielsweise ‚Angst vor anderen zu<br />

sprechen’ oder ‚fehlendes Wissen’. Die Auszubildenden können dann gezielter im sozialkommunikativen<br />

Handeln geschult werden.<br />

Mit der Untersuchung ‚Bed<strong>in</strong>gungen und Auswirkungen berufsspezifischer Lernmotivation <strong>in</strong><br />

der kaufmännischen Erstausbildung’ versuchen Krapp, Wild et al. (2000, S. 81 ff.) die Frage<br />

zu klären, wie sich motivationsausbildende Strukturen im Laufe der Ausbildung bei Versicherungskaufleuten<br />

verändern. Dabei zeigte sich, dass sich die ‚Entwicklung berufsbezogener<br />

Interessen’ im ersten Ausbildungsjahr zunächst negativ entwickelt, sich nach e<strong>in</strong>er Stabilisierungsphase<br />

aber auf verhältnismäßig hohem Niveau e<strong>in</strong>pendelt. „In den (qualitativen)<br />

Analysen zur Veränderung berufsbezogener <strong>in</strong>dividueller Interessenstrukturen konnte,<br />

entgegen diesen zum Teil negativen globalen Entwicklungstrends, bei allen Probanden die<br />

Entstehung neuer (themenspezifischer) Interessen nachgewiesen werden“ (ebd., S. 82 f.). Die<br />

‚Qualität des Erlebens’ stellt sich lernortspezifisch dar. Das Erleben von Selbstbestimmung,<br />

von Kompetenz und sozialer E<strong>in</strong>gebundenheit stellt sich zu Beg<strong>in</strong>n der Ausbildung für die<br />

Lernenden am Lernort Betrieb im Vergleich zum Lernort Berufsschule deutlich positiver dar,<br />

um sich letztendlich im weiteren Verlauf der Ausbildung zu nivellieren. Auf welchem Niveau<br />

sich das emotionale Erleben e<strong>in</strong>pendelt, hängt von der didaktischen Auslegung der Lernsituation<br />

ab. H<strong>in</strong>sichtlich der ‚Auswirkungen der Erlebensqualität auf die Motivation’ stellen<br />

Krapp, Wild et al. fest, „dass die Art der emotionalen Erfahrungen e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Entstehung und Aufrechterhaltung <strong>in</strong>teressenrelevanter motivationaler Orientierung und die<br />

Ausprägung berufsbezogener Interessen hat ...“ (ebd., S. 83). Die ‚Bedeutung des Ausbil-


2 Aktueller Forschungsstand 15<br />

dungs<strong>in</strong>teresses für den Lernerfolg’ zeigte sich im Wesentlichen erst im zweiten Ausbildungsjahr,<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch die Abschlussnoten.<br />

Motiviertes Lernen betrachten auch Prenzel et al. (2000, S. 111 ff.) <strong>in</strong> ihrer Studie bei<br />

verschiedenen kaufmännischen Berufen ‚Selbstbestimmung, motiviertes und <strong>in</strong>teressiertes<br />

Lernen <strong>in</strong> der kaufmännischen Erstausbildung – E<strong>in</strong> Forschungsprojekt <strong>in</strong> vier Strängen’.<br />

Dabei zeigt sich, dass Lernen e<strong>in</strong>erseits durch entsprechendes Interesse angeregt wird, dass<br />

sich andererseits aber Lernen <strong>in</strong>sbesondere aufgrund e<strong>in</strong>es Pflichtgefühls oder aufgrund der<br />

vermuteten Wichtigkeit der Inhalte e<strong>in</strong>stellt. Bemerkenswert stellen sich die Motivationsunterschiede<br />

zwischen Berufsschule und Betrieb dar. Die Wahlmöglichkeiten, die Rückmeldungen<br />

und das kollegiale Lernklima sprechen aus Sicht der Lernenden für den Betrieb, während<br />

die Berufsschule mitunter auf e<strong>in</strong>e gute Strukturierung ihres <strong>Unterricht</strong>s verweisen kann.<br />

Trotzdem sche<strong>in</strong>t die ‚Echtheit’ betrieblicher Ausbildungssituationen motivationsförderlicher<br />

für die Lernenden zu se<strong>in</strong>. Um diese Differenz auszugleichen, sollte „e<strong>in</strong>e stärkere Ermunterung<br />

zum selbständigen Herangehen, das Anbieten von Wahlmöglichkeiten, häufigere<br />

<strong>in</strong>formierende Rückmeldungen und e<strong>in</strong> kollegialer Umgang“ (ebd., S. 113) <strong>in</strong> den berufsschulischen<br />

<strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>gebracht werden. Entscheidend ist nach Prenzel et al. – unabhängig vom<br />

Lernort – der Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung der Lernumgebung und den<br />

Ausbildungs- und Entwicklungschancen. Abschließend geben Prenzel et al. an, dass e<strong>in</strong>e<br />

Fortentwicklung der Lernmotivation vermutlich auf e<strong>in</strong> zwischen Lehrern und Schülern<br />

verbessertes Rückmeldeverfahren zurückzuführen ist.<br />

Bloech, Hartung, Orth (1998) untersuchen <strong>in</strong> zwei Studien den E<strong>in</strong>satz von Unternehmensplanspielen<br />

zur Förderung beruflicher Handlungskompetenz. Die Erhebungen stellen e<strong>in</strong>er<br />

komplexitätsgesteigerten Planspielversion e<strong>in</strong>e herkömmliche Planspieldurchführung mit<br />

konstanter Komplexität gegenüber. Hierbei zeigt sich, dass e<strong>in</strong>e an <strong>in</strong>dividuelle Lernfortschritte<br />

angepasste Komplexitätserhöhung grundsätzlich geeignet ersche<strong>in</strong>t, unternehmerische<br />

Handlungskompetenz zu fördern. Bei der Planspiel-Durchführung mit schrittweise gesteigerter<br />

Komplexität traten tendenziell bessere Lernerfolge auf, als bei e<strong>in</strong>em Planspiel mit<br />

konstanter (hoher) Komplexität.<br />

Niegemann, Gronki-Jost, Neff (1999) überprüfen arbeitsanaloge Lernaufgaben als e<strong>in</strong><br />

Instruktionsdesign zur Förderung des selbstständigen Erwerbs von theoretischem Wissen <strong>in</strong><br />

der kaufmännischen Berufsausbildung. Unterschieden werden e<strong>in</strong> theoretisch-konzeptuelles<br />

Wissen und e<strong>in</strong> operativ-kalkulatorisches Wissen. Festgestellt werden soll, wodurch sich e<strong>in</strong><br />

Wissenserwerb verbessern lässt und wie dazu e<strong>in</strong> weitgehend selbständiges Lernen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

computerunterstützten Lernumgebung beitragen kann. Drei Gruppen von Lernenden erhalten<br />

<strong>in</strong>struktionale Hilfen unterschiedlicher Ausprägung. Hierbei zeigt sich: „Die beiden Gruppen<br />

mit Theorie<strong>in</strong>struktion s<strong>in</strong>d der Gruppe ohne Instruktion nicht generell überlegen. Es kommt<br />

vielmehr auf die Art der Theorie<strong>in</strong>struktion an“ (ebd., S. 26).<br />

In ihrer Studie ‚Instruktionale Effekte e<strong>in</strong>er komb<strong>in</strong>ierten Lernmethode’ versuchen Stark,<br />

Gruber, Renkl, Mandl (2000) bei angehenden Bankkaufleuten zu klären, wie anwendbares<br />

Wissen mit Hilfe von Lösungsbeispielen gefördert werden kann. E<strong>in</strong>erseits stellen diese<br />

bequeme Handlungsanweisungen dar, andererseits verleiten sie dazu, die präsentierte<br />

Information passiv und oberflächlich zu verarbeiten. Um diesem Nebeneffekt entgegenzuwirken,<br />

komb<strong>in</strong>ieren Stark et al. <strong>in</strong> ihrer Studie Lösungsbeispiele mit Problemlöseaufgaben. Im<br />

Fachgebiet des kaufmännischen Rechnens wird e<strong>in</strong>e Gruppe mit der Komb<strong>in</strong>ation Lösungsbeispiele<br />

und Problemlöseaufgaben beschult, während die Vergleichsgruppe lediglich auf die<br />

Lösungsbeispiele zurückgreifen kann. Es lässt sich feststellen, dass durch die Komb<strong>in</strong>ation


16 2 Aktueller Forschungsstand<br />

sowohl die Menge als auch die Qualität der Elaborationen gesteigert werden können und die<br />

Probanden signifikant und substantiell höhere Transferleistungen erzielen.<br />

2.2 Zusammenfassung<br />

Die <strong>in</strong> diesem Kapitel aufgezeigten unterschiedlichen Forschungsansätze verdeutlichen die<br />

Notwendigkeit e<strong>in</strong>es ausgewiesenen domänenspezifischen Forschungsbedarfs. Daher s<strong>in</strong>d die<br />

Ergebnisse zu Teilen auch une<strong>in</strong>heitlich. Grundsätzlich stellt sich e<strong>in</strong>e handlungsorientierte<br />

Lernumgebung positiv sowohl von Schüler- als auch von Lehrerseite aus dar. Es zeigt sich,<br />

dass die Beteiligten und <strong>in</strong>sbesondere die Auszubildenden handlungsorientiertes Lernen dann<br />

befürworten, wenn e<strong>in</strong>e entsprechende Unterstützung durch die Lehrkraft gegeben ist, wobei<br />

die unterstützenden Maßnahmen auf die Auszubildenden abgestimmt vorzunehmen s<strong>in</strong>d.<br />

Ferner lässt sich die Notwendigkeit fachsystematisch aufgebauter <strong>Unterricht</strong>ssequenzen<br />

ausmachen, und zwar dann, wenn die Lernvoraussetzungen der Schüler oder die Thematik<br />

dies erfordern. E<strong>in</strong> unflexibles Verbleiben auf e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> <strong>handlungsorientierten</strong> Ebene würde<br />

sich hier als problematisch darstellen. Die scharfe Trennung von Selbststeuerung und<br />

Instruktion ist demnach nicht möglich und auch nicht umsetzbar. Vielmehr ist auf das<br />

Zusammenspiel beider Komponenten <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>in</strong>dividueller Voraussetzungen<br />

abzuzielen, um die ideale Lernumgebung zwischen den Extremen e<strong>in</strong>er traditionellen<br />

<strong>Unterricht</strong>skonzeption und e<strong>in</strong>er konstruktivistisch ausgerichteten Lernumgebung anzusiedeln.<br />

Defizite und Probleme des E<strong>in</strong>zelnen werden deutlich und damit auch vom Pädagogen<br />

eher zur Kenntnis genommen, als dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> der Fall wäre.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich dieses H<strong>in</strong>tergrundes lassen sich gute Erfolge bezüglich Wissenserwerb und<br />

Transferfähigkeit <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung feststellen.


3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung 17<br />

3 FORSCHUNGSINTERESSE, FRAGESTELLUNGEN<br />

UND ABLAUF DER UNTERSUCHUNG<br />

Forschungsgegenstand dieser Untersuchung ist e<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong>sprojekt, das an der Staatlichen<br />

Berufsschule Weilheim durchgeführt wird. Dabei werden Schüler während des Durchlaufens<br />

und nach Abschluss e<strong>in</strong>er <strong>Unterricht</strong>sstrecke h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Erfahrungen und Auffassungen<br />

zu dem praktizierten <strong>Unterricht</strong>skonzept und zum <strong>Unterricht</strong>sgeschehen allgeme<strong>in</strong> befragt.<br />

Gleichzeitig unterliegen die Schüler e<strong>in</strong>er Beobachtung durch die Lehrkraft und <strong>in</strong>sbesondere<br />

durch die den <strong>Unterricht</strong> begleitende Autor<strong>in</strong> dieser Arbeit. Erfasst werden 24 Auszubildende<br />

bei Durchlaufen des Lerngebiets Steuerungstechnik – Elektropneumatik des Berufsfeldes<br />

Metalltechnik für den Ausbildungsberuf des Industriemechanikers. Der <strong>Unterricht</strong> wird im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er konstruktivistischen Lernumgebung mittels Handlungsorientierung als <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

durchgeführt.<br />

Ziel der Untersuchung ist es, H<strong>in</strong>weise für die weitere Ausgestaltung künftiger, auf Handlungsorientierung<br />

basierender <strong>Unterricht</strong>svorhaben zu erhalten. Es soll also e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong><br />

Auszug aus e<strong>in</strong>er sozialen Realität aufgenommen und andererseits daraus ableitbare<br />

Ergebnisse auf andere Fälle übertragen werden, d. h. e<strong>in</strong> gewisser Grad an Generalisierbarkeit<br />

etwaiger Ergebnisse ist angestrebt.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich des aktuellen Forschungsstandes, der vornehmlich e<strong>in</strong>e Außenperspektive<br />

diverser <strong>Unterricht</strong>sprojekte betrachtet, sche<strong>in</strong>t es empfehlenswert, den Auszubildenden selbst<br />

<strong>in</strong> den Mittelpunkt e<strong>in</strong>er weiteren Untersuchung zu stellen und so e<strong>in</strong>e Innenperspektive e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s aufzuzeigen. Die daraus abzuleitenden Ergebnisse lassen<br />

sich dann möglicherweise gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong>skonzepte <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Die vorliegende Arbeit baut auf den bereits abgeschlossenen Modellversuch „Fächerübergreifender<br />

<strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> der Berufsschule“ (FügrU) auf, bei dem im Rahmen mehrerer Forschungsarbeiten<br />

mittels qualitativer Forschungsansätze <strong>Unterricht</strong>svorhaben beobachtet und<br />

ähnlich e<strong>in</strong>er Fallstudie jeweils e<strong>in</strong>er detaillierten Verlaufsuntersuchung unterzogen wurden.<br />

So hat Riedl (1998) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit <strong>in</strong>nerhalb des Modellversuchs e<strong>in</strong>e ähnliche Lernumgebung<br />

erfasst, wie sie auch der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, dabei aber vornehmlich auf<br />

e<strong>in</strong>e Außenperspektive derselben abgestellt. Tenberg (1997) hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er qualitativempirischen<br />

Arbeit unter anderem subjektive Bef<strong>in</strong>dlichkeiten von Schülern zu dem von ihm<br />

untersuchen <strong>Unterricht</strong> aufgegriffen. Dieser Ansatz soll <strong>in</strong> vorliegender Arbeit weit mehr<br />

ausgebaut werden, um tief greifende Erkenntnisse aus der Erfahrungswelt der Lernenden zu<br />

erfassen. Weitere E<strong>in</strong>zelheiten zu dem Modellversuch s<strong>in</strong>d im Übrigen Heimerer, Schelten,<br />

Schießl (1996) zu entnehmen.<br />

Das Augenmerk der Untersuchungen des Modellversuchs liegt also auf e<strong>in</strong>er differenzierten<br />

Beobachtung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s, während die vorliegende Untersuchung<br />

<strong>in</strong>sbesondere auf die Expertise der Auszubildenden abzielt. „Expertise“ me<strong>in</strong>t hier, dass<br />

Aussagen von Schülern zu der erlebten <strong>Unterricht</strong>sstrecke erfasst und e<strong>in</strong>er Auswertung<br />

zugänglich gemacht werden sollen. Das heißt, die Sichtweise der Auszubildenden tritt <strong>in</strong> den<br />

Vordergrund und bildet den zentralen Aspekt vorliegender Arbeit.<br />

Die Verwertung von Schülerurteilen, d. h. von Me<strong>in</strong>ungen und Ansichten der Lernenden zu<br />

e<strong>in</strong>er durchlaufenen Lernstrecke setzt auch e<strong>in</strong>e Bewertung, also e<strong>in</strong>e Beurteilung dieser<br />

Aussagen voraus, um die getroffenen Aussagen künftigen <strong>Unterricht</strong>svorhaben zugrunde zu


18 3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung<br />

legen. Daher muss die <strong>Unterricht</strong>sstrecke – wie bereits oben erwähnt – e<strong>in</strong>er Beobachtung<br />

durch Teilnehmende unterzogen werden, die nicht dem Kreis der Auszubildenden angehören.<br />

In vorliegender Untersuchung bietet es sich an, dass sowohl die den <strong>Unterricht</strong> gestaltende<br />

Lehrkraft, als auch die die Untersuchung Durchführende im Rahmen e<strong>in</strong>er teilnehmenden<br />

Beobachtung am <strong>Unterricht</strong>sgeschehen beteiligt s<strong>in</strong>d. Zur konkreten Ausgestaltung der<br />

teilnehmenden Beobachtung sei auf Kapitel 7.1.4 verwiesen.<br />

Wie <strong>in</strong> nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben, werden die Lernenden während des<br />

Durchlaufens e<strong>in</strong>er <strong>Unterricht</strong>sstrecke von mehreren Wochen während des <strong>Unterricht</strong>s<br />

wiederholt befragt. Da der <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> Gruppen durchgeführt wird, erfolgt die Befragung<br />

meist im Kollektiv, ausnahmsweise auch im E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview. Nach durchlaufener Lernstrecke<br />

wird gezielt auf das E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview abgestellt, wobei die im Kollektiv erfassten Aussagen<br />

noch e<strong>in</strong>mal beleuchtet werden. Hierzu siehe <strong>in</strong>sbesondere Kapitel 7.1.2 und 7.1.3.<br />

Das Wesentliche dieser Untersuchung ist gemäß obiger Ausführungen die Betrachtung von<br />

E<strong>in</strong>zelfällen, wobei sich die Frage stellt, was als E<strong>in</strong>zelfall gelten soll. Die gesamte Untersuchung<br />

strebt das Erfassen e<strong>in</strong>er authentischen Lernumgebung an, die durch den weitgehenden<br />

Verzicht auf e<strong>in</strong>en ‚In-vitro-Versuchsaufbau’ gekennzeichnet ist. Die Vermeidung künstlicher<br />

Erfassungsumgebungen wird gerade <strong>in</strong> der qualitativen Sozialforschung favorisiert. Diese<br />

strebt die Anpassung des Untersuchungsdesigns an e<strong>in</strong>en Untersuchungsgegenstand an, um<br />

die soziale Wirklichkeit möglichst <strong>in</strong> ihrem Urzustand zu belassen.<br />

Daraus begründet sich, dass als Fall der e<strong>in</strong>zelne Schüler zu betrachten ist, wie er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

wirklichen Lernumgebung agiert. Trotzdem für die Untersuchung vorgesehen ist, die<br />

Lernumgebung so real wie möglich zu gestalten, lässt es sich nicht vermeiden, dass diverse, <strong>in</strong><br />

die Lernumgebung e<strong>in</strong>gebrachte und für die Untersuchung erforderliche Faktoren die<br />

Lernumgebung zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> gewissem Maße bee<strong>in</strong>trächtigen. Angesprochen s<strong>in</strong>d hier<br />

beispielsweise die den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Befragungen durch e<strong>in</strong>e dritte Person. Es zeigt<br />

sich jedoch, dass die Probanden ursprünglich befremdlich ersche<strong>in</strong>ende Umstände sehr<br />

schnell <strong>in</strong> ihren Alltag e<strong>in</strong>beziehen, so lange die Faktoren nicht zu stark von e<strong>in</strong>er alltäglichen<br />

Situation abweichen. Für E<strong>in</strong>zelheiten sei auch hier auf Kapitel 7 verwiesen.<br />

Charakteristisch für e<strong>in</strong>e Fallstudie ist die Beschreibung von typischen E<strong>in</strong>zelfällen. Der<br />

Begriff ‚typisch’ bezieht sich hier auf den ‚vorgefundenen’ Schüler als solchen und nicht auf<br />

bewusst ausgewählte Individuen, die e<strong>in</strong> verme<strong>in</strong>tliches Untersuchungsergebnis vermuten<br />

lassen. Das ‚Typische’ ist hier also als das ‚Alltägliche’ zu verstehen, so dass es Ziel der<br />

Untersuchung ist, e<strong>in</strong>e alltägliche Lernumgebung als Fallstudie zu betrachten. Damit ist der<br />

Schüler als Proband und als E<strong>in</strong>zelfall def<strong>in</strong>iert.<br />

Da es e<strong>in</strong> Hauptanliegen der Untersuchung ist, mögliche H<strong>in</strong>weise für e<strong>in</strong>e Fortentwicklung<br />

e<strong>in</strong>es handlungsorientieren <strong>Unterricht</strong>skonzepts zu erhalten, s<strong>in</strong>d die Probanden vorzugsweise<br />

h<strong>in</strong>sichtlich jener Gesichtspunkte zu befragen, die e<strong>in</strong>e handlungsorientierte Lernumgebung<br />

zu bestimmen vermögen. Riedl (1998, S. 54 ff., vgl. auch Schelten 2004, S. 182 ff.) beschreibt<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Arbeit mögliche Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s,<br />

über die Handlungsorientierung näher def<strong>in</strong>iert werden könnte.<br />

1. Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet;<br />

2. Selbststeuerung und Freiheitsgrade;<br />

3. Beratende Lehrerrolle;<br />

4. Kooperatives und kommunikatives Lernen;


3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung 19<br />

5. Integrative, offene Leistungsfeststellung;<br />

6. Integrierter Fachunterrichtsraum;<br />

7. Innere Differenzierung;<br />

8. Handlungssystematisches Vorgehen.<br />

In Kapitel 5.3 werden die von Riedl favorisierten Bestimmungsgrößen näher beschrieben und<br />

def<strong>in</strong>iert.<br />

Wie den nachfolgenden Kapiteln zu entnehmen ist, konzentriert sich die gesamt Arbeit auf die<br />

Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>s bis sechs. Sowohl die ‚Innere Differenzierung’, als auch das<br />

‚Handlungssystematische Vorgehen’ sche<strong>in</strong>en zu abstrakt, um die Probanden damit zu<br />

konfrontieren. Zudem betreffen diese Bestimmungsgrößen maßgeblich die Ausgestaltung und<br />

Vorbereitung des <strong>Unterricht</strong>s auf Lehrerseite. Die Bestimmungsgrößen sieben und acht<br />

werden deshalb <strong>in</strong> die Untersuchung nicht weiter e<strong>in</strong>bezogen. Vielmehr stützt sich die<br />

Untersuchung auf die Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>s bis sechs, so dass auch die Befragung der<br />

Probanden auf Grundlage dieser Bestimmungsgrößen durchgeführt werden soll. Im H<strong>in</strong>blick<br />

auf diese Kriterien und auf die vorangegangene Diskussion stellen sich für die angestrebte<br />

Untersuchung folgende zentrale Forschungsfragen:<br />

1. Wie beurteilen Schüler die Anforderungen <strong>in</strong> der <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lehr-Lern-Umgebung …<br />

1.1 … im H<strong>in</strong>blick auf die Komplexität der Aufgabenstellung und das Lerngebiet?<br />

1.2 … im H<strong>in</strong>blick auf Selbststeuerung und Freiheitsgrade?<br />

1.3 … im H<strong>in</strong>blick auf die beratende Lehrerrolle?<br />

1.4 … im H<strong>in</strong>blick auf das kooperative und kommunikative Lernen?<br />

1.5 … im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong>tegrative und offene Leistungsfeststellung?<br />

1.6 … im H<strong>in</strong>blick auf den <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraum?<br />

2. Wie s<strong>in</strong>d die Beurteilungen der Schüler im Rahmen e<strong>in</strong>er teilnehmenden Beobachtung<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen, d. h. wie s<strong>in</strong>d die Beurteilungen des E<strong>in</strong>zelnen zu<br />

werten und was lässt sich daraus ableiten?<br />

3. Welche Folgerungen erschließen sich aus der bewerteten Beurteilung für<br />

künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben?<br />

Die nachfolgende Darstellung zum Aufbau der Arbeit soll zeigen, auf welchem Wege<br />

versucht wird, die soeben aufgeführten Fragestellungen zu bearbeiten und zu beantworten.<br />

Kapitel 1 nimmt zum Ausgangspunkt der Untersuchung Stellung und klärt die Bedeutung der<br />

Handlungsorientierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt.<br />

Kapitel 2 zeigt die aktuelle empirische Forschungslage im Bereich des <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s auf. Dabei wird ausschließlich auf die berufliche Bildung, genauer auf die<br />

Berufsschulen abgestellt. Besondere Bedeutung bei dieser Abhandlung kommt den For-


20 3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung<br />

schungsarbeiten zu, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen und die am Lehrstuhl für<br />

Pädagogik der Technischen Universität München durchgeführt wurden.<br />

Aus der Betrachtung der Forschungslage ergibt sich der Fragebereich für vorliegende<br />

Untersuchung. Mit H<strong>in</strong>blick auf das Ziel der Studie, weitere H<strong>in</strong>weise für die Ausgestaltung<br />

künftiger handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>svorhaben zu gew<strong>in</strong>nen, s<strong>in</strong>d somit <strong>in</strong> Kapitel 3<br />

dezidierte Forschungsanliegen und der Weg zur Beantwortung der daraus ableitbaren<br />

Forschungsfragen beschrieben.<br />

Kapitel 4 umreißt die der Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Aspekte. So werden<br />

ausgehend von e<strong>in</strong>er Zielperspektive e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung wesentliche Grundlagen e<strong>in</strong>es<br />

normativen und e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terpretativen Paradigmas gegenübergestellt. Daran anknüpfend lässt<br />

sich dann die Handlungsorientierung als e<strong>in</strong> möglicher Zugang zur Praxis auf theoretischer<br />

Ebene darstellen.<br />

Organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Untersuchung, das Lerngebiet ‚Steuerungstechnik<br />

– Pneumatik, Elektropneumatik’, die Konzeption des <strong>handlungsorientierten</strong> Steuerungstechnikunterrichts<br />

und die Leittextmethode werden <strong>in</strong> Kapitel 5 vorgestellt. Des Weiteren ist es<br />

e<strong>in</strong> zentrales Anliegen dieses Kapitels, die Beurteilung der untersuchten Lernumgebung<br />

vorzustellen, d. h. aufzuzeigen, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong> handlungsorientiertes <strong>Unterricht</strong>skonzept bei<br />

dem durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> tatsächlich umgesetzt wurde.<br />

In Kapitel 6 ist der forschungsmethodische Ansatz der vorliegenden Untersuchung beschrieben.<br />

Dabei werden <strong>in</strong>sbesondere die Fallstudie im Kontext von Handlungs- und Feldforschung<br />

betrachtet und Grundlegendes zur qualitativen Sozialforschung wiedergegeben. Kurze<br />

theoretische Überlegungen zu den Fragestellungen der Fallstudie und zur Def<strong>in</strong>ition des<br />

E<strong>in</strong>zelfalles leiten über zum eigentlichen Anliegen dieses Kapitels. Es wird die gesamte<br />

Untersuchung, von der Datenerhebung bis zur E<strong>in</strong>ordnung des E<strong>in</strong>zelfalls und e<strong>in</strong>er etwaigen<br />

Generalisierbarkeit auf theoretischer Ebene beleuchtet. Für e<strong>in</strong>e spätere Beurteilung des<br />

Untersuchungsplans s<strong>in</strong>d abschließend die Gütekriterien beschrieben, die für e<strong>in</strong>e Bewertung<br />

des Auswertungs- und Beurteilungsvorgehens der erhobenen Daten maßgeblich <strong>in</strong> Betracht<br />

kommen.<br />

Kapitel 7 stellt das Untersuchungsverfahren zur Darstellung der Schüleraussagen vor. Es<br />

werden detailliert die Schritte der Datenerhebung, der Datentransformation und Datenaufbereitung<br />

und der Datenauswertung aufgezeigt. Die Theoretisierung der Gütekriterien gemäß<br />

Kapitel 6 spiegeln sich hier abschließend, auf die Wirklichkeit übertragen, wider.<br />

Mit den Kapiteln 8, 9 und 10 werden letztendlich die <strong>in</strong> Kapitel 3 aufgeworfenen Foschungsfragen<br />

beantwortet.<br />

Die Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung, also der Kern der Schüleraussagen zu dem<br />

durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> ist Kapitel 8 zu entnehmen. Jeder Schüler wird sowohl über e<strong>in</strong>e<br />

Adressatenanalyse als ‚hartes’ Datenmaterial, als auch über e<strong>in</strong>en Aussagenspiegel repräsentiert,<br />

wobei der Spiegel durch wesentliche Aussagen des Schülers <strong>in</strong> lesbarer und damit<br />

erfassbarer Form gekennzeichnet ist. Dieses Stadium der Aussagendarstellung verzichtet<br />

weitestgehend auf das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen subjektiver Komponenten des die Daten Auswertenden<br />

(hier die Autor<strong>in</strong> vorliegender Arbeit), so dass <strong>in</strong> hohem Maße die wahren Aussagen der<br />

Schüler wiedergegeben werden können. Mit Kapitel 8 lässt sich demgemäß aufzeigen, wie die<br />

Probanden die Anforderungen des durchlaufenen <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s beurteilen.


3 Forschungs<strong>in</strong>teresse, Fragestellungen und Ablauf der Untersuchung 21<br />

Der nächste Schritt, die Bewertung der <strong>in</strong> Kapitel 8 dargestellten Ergebnisse, erfordert das<br />

E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen der Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung durch die Lehrkraft und die den<br />

<strong>Unterricht</strong> begleitende Untersuchungsdurchführende (ebenfalls die Autor<strong>in</strong> vorliegender<br />

Arbeit). In Kapitel 9 werden demgemäß die e<strong>in</strong>zelnen Schüler aus der Sicht der Autor<strong>in</strong> unter<br />

Berücksichtigung zentraler Aspekte der Schüleraussagen dargestellt, um nachfolgend auf den<br />

Umgang mit dem jeweiligen Probanden zu schließen.<br />

Kapitel 10 löst schließlich e<strong>in</strong>e geforderte Generalisierung der gewonnen Ergebnisse e<strong>in</strong>.<br />

Basierend auf die Falldarstellungen aus Kapitel 9 sollen daraus entwickelte Verallgeme<strong>in</strong>erungen<br />

H<strong>in</strong>weise für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben im Bereich der Handlungsorientierung<br />

geben. Dabei wird wieder auf die möglichen, <strong>in</strong> dieser Arbeit favorisierten Bestimmungsgrößen<br />

e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s zurückgegriffen, so dass die Generalisierung der<br />

gewonnenen Ergebnisse entlang dieser Kriterien erfolgt.<br />

Die Kapitel 9 und 10 ermöglichen gemäß obiger Ausführungen die Bewertung der Schülerurteile<br />

zu dem erfahrenen <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> durch den Forscher. Aus den<br />

bewerteten Urteilen lassen sich für jeden e<strong>in</strong>zelnen Probanden (Kapitel 9) und <strong>in</strong> umfassenderer<br />

Betrachtungsweise (Kapitel 10) H<strong>in</strong>weise für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben ableiten.<br />

Kapitel 10 schlägt ferner die Brücke zu dem <strong>in</strong> Kapitel 2 aufgeführten Forschungsstand. Die<br />

<strong>in</strong> den Kapiteln 8 und 9 dargestellten Ergebnisse sollen mit den <strong>in</strong> Kapitel 2 genannten, bisher<br />

ermittelten Forschungsergebnissen und den aufgeworfenen Forschungsdesiderata <strong>in</strong> Bezug<br />

gesetzt werden, sofern hier entsprechende Ansatzpunkte vorhanden s<strong>in</strong>d.<br />

Abschließend fasst Kapitel 11 wesentliche Schritte und Erkenntnisse dieser Forschungsarbeit<br />

zusammen.


4 Theoretische Grundlagen 21


22 4 Theoretische Grundlagen<br />

4 THEORETISCHE GRUNDLAGEN<br />

Das folgende Kapitel zeigt den theoretischen H<strong>in</strong>tergrund der vorliegenden Arbeit auf. Dieses<br />

Kapitel kann jedoch, ebenso wie Kapitel 2, ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Vollständigkeit bzgl. der hier<br />

skizzierten Themen stellen. Vielmehr ist der hier vorgenommene Abriss auf die Untersuchung<br />

h<strong>in</strong> ausgelegt. Dabei dienen die Erläuterung der Term<strong>in</strong>ologie und die zusammenfassende<br />

Darstellung der angesprochenen Aspekte der Beurteilung der Untersuchung, <strong>in</strong>sbesondere<br />

ihrer Ergebnisse. So wird <strong>in</strong> Kapitel 4.1 e<strong>in</strong>leitend die Zielperspektive e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong><br />

Bildung aufgespannt. Kapitel 4.2 diskutiert die Diskrepanzen zwischen normativem und<br />

<strong>in</strong>terpretativem Paradigma, während Kapitel 4.3 e<strong>in</strong> mögliches Zusammenwirken beider<br />

Paradigmen bespricht. Der Zugang zur Praxis wird <strong>in</strong> Kapitel 4.4 durch e<strong>in</strong>e konkrete<br />

Darstellung der Handlungsorientierung <strong>in</strong> der <strong>beruflichen</strong> Bildung beschrieben. Abschließend<br />

gibt Kapitel 4.5 e<strong>in</strong>en zusammenfassenden Überblick.<br />

4.1 Zielperspektive e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung<br />

Die Lernorte Berufsschule und Ausbildungsbetrieb verfolgen e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Ziel, nämlich<br />

die Ausbildung von Berufskompetenz, die sich über die Fach- und Methodenkompetenz, die<br />

Personalkompetenz und die Sozialkompetenz def<strong>in</strong>ieren lässt. „Die Bildung von Berufskompetenz<br />

ist zur Ausfüllung e<strong>in</strong>es arbeitsorientierten Gestaltungskonzeptes erforderlich. Dies<br />

heißt, die Entwicklung und der E<strong>in</strong>satz von Technik, Qualifikation und Arbeitsorganisation<br />

erfolgen unter aktiver und selbstverantworteter Teilnahme des Mitarbeiters“ (Schelten 2000,<br />

S. 17). Aufgrund dieser geme<strong>in</strong>samen Zielverfolgung liegt es nahe, die Unterschiede<br />

zwischen den Lernorten herauszuarbeiten. Die traditionellen Aufgaben der Berufsschule<br />

(hierzu siehe Schelten 2000, S. 21 ff. und 2004, S. 155), <strong>in</strong>sbesondere die Vermittlung e<strong>in</strong>er<br />

zweckfreien Bildung durch den Beruf ersche<strong>in</strong>t aus heutiger Sicht überholt. Konnte sich die<br />

Berufsschule früher über diese Schiene von der betrieblichen Ausbildung unterscheiden,<br />

<strong>in</strong>dem sie es sich zur Aufgabe machte, kognitive Qualifikationen zu vermitteln und zudem das<br />

im Betrieb Erlernte <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Verständnis zu br<strong>in</strong>gen, so verliert sich dieser Anspruch<br />

aufgrund der <strong>in</strong> allen Bereichen der Ausbildung geforderten Vermittlung erhöhter theoretischer<br />

Anforderungen immer mehr. Umgekehrt ist e<strong>in</strong>e handlungsmäßige Umsetzung<br />

komplexer Theorie heute nicht mehr die alle<strong>in</strong>ige Domäne des Lernortes Betrieb. Die<br />

Berufsschule ist ebenfalls darauf angewiesen, Theorie über das Lernen an Handlungen zu<br />

verorten. Hier zeigt sich e<strong>in</strong>e „Konvergenz der Bildungs<strong>in</strong>halte und Bildungsformen zwischen<br />

Berufsschule und Betrieb“, … „berufspraktische Ausbildung im Betrieb und berufstheoretische<br />

<strong>in</strong> der Berufsschule überlappen sich. Je größer der Überlappungsbereich ist, desto<br />

dr<strong>in</strong>gender stellt sich die Frage nach dem besonderen Bildungsauftrag von Betrieb und<br />

Berufsschule“ (ebd., S. 24). Die Ausformung e<strong>in</strong>er Theorie der <strong>beruflichen</strong> Bildung, über die<br />

sich die Rolle der Berufsschule def<strong>in</strong>ieren lässt, sollte nach Schelten gerade auf e<strong>in</strong>e Differenz<br />

zwischen beiden Lernorten setzen.<br />

Trotz des geme<strong>in</strong>samen Zieles der beiden Lernorte, Berufskompetenz zu vermitteln, lassen<br />

sich sowohl der Berufsschule als auch dem Betrieb eigene Schwerpunkte zuordnen. E<strong>in</strong>en<br />

Ansatz bietet hier der Begriff des ‚Handlungswissens’ (Schelten 2000, S. 85 ff. und 2004, S.<br />

186 ff.). Handlungswissen bezieht sich auf e<strong>in</strong> Faktenwissen (deklarativ-faktisch), e<strong>in</strong><br />

Begründungswissen (deklarativ-kausal) und e<strong>in</strong> Verfahrenswissen (prozedural). Diese drei


4 Theoretische Grundlagen 23<br />

Wissensarten lassen sich über e<strong>in</strong>e Metaebene, dem E<strong>in</strong>satzwissen (konditional), koord<strong>in</strong>ieren.<br />

Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den das Handlungswissen<br />

ausbildenden Wissensarten:<br />

Faktenwissen<br />

Verfahrenswissen<br />

E<strong>in</strong>satzwissen<br />

Begründungswissen<br />

Übersicht 4-1: Die Komponenten des Handlungswissens (Schelten 2000, S. 85)<br />

Während nun die Berufsschule auf die Vermittlung des Begründungswissens im Verbund mit<br />

Fakten- und Verfahrenswissen abzielt, stellt die betriebliche Ausbildung primär auf die<br />

Vermittlung von Verfahrenswissen und Faktenwissen ab. In letzter Konsequenz ist davon<br />

auszugehen, dass Berufsschule und Betrieb (e<strong>in</strong>schließlich etwaiger überbetrieblicher<br />

Ausbildungsmaßnahmen) Gleiches vermitteln, dies aber unterschiedlich akzentuiert darbieten.<br />

Vergleicht man die Lernorte bezüglich ihrer Lernumgebungen, so sche<strong>in</strong>t diese Aufteilung<br />

nahe liegend. Die Berufsschule bildet im H<strong>in</strong>blick auf das Ziel, theoretische Inhalte zu<br />

vermitteln, Handlungsmöglichkeiten des Betriebes auf e<strong>in</strong>er höheren Abstraktionsebene nach.<br />

Umgekehrt stellt die betriebliche Ausbildung darauf ab, mit Hilfe der realen Arbeitsumgebung<br />

auch theoretische Zusammenhänge zu verorten. Die Notwendigkeit des Nachbildens,<br />

des ‚Simulierens’ auf beiden Seiten, ist ambivalent zu betrachten. E<strong>in</strong>erseits zeigen sich<br />

sowohl <strong>in</strong> der Berufsschule als auch im Betrieb die Grenzen e<strong>in</strong>er ganzheitlichen, allumfassenden<br />

Wissensvermittlung auf, so dass nur das Zusammenwirken beider Lernorte e<strong>in</strong>e<br />

umfassende Ausbildung gewährleistet. Andererseits konzentrieren sich beide Institutionen auf<br />

ihre Stärken und lassen nachzubildende Ausbildungsbestandteile nur so weit e<strong>in</strong>fließen, wie<br />

es das eigentliche Ziel, nämlich die vornehmliche Vermittlung von Begründungswissen (im<br />

Verbund mit Fakten- und Verfahrenswissen) <strong>in</strong> der Berufsschule bzw. die Vermittlung von<br />

Fakten- und Verfahrenswissen im Betrieb, erfordert. Beispielsweise bildet e<strong>in</strong> handlungsorientierter<br />

Steuerungstechnikunterricht die reale Arbeitswelt nur so weit nach, wie es die


24 4 Theoretische Grundlagen<br />

Vermittlung der theoretischen Inhalte erfordert. Es wird auf gezielte praktische Handlungen<br />

abgestellt, um daran die Theorie zu verorten. Für weitere Ausführungen hierzu, siehe Schelten<br />

2000, S. 19 ff., S. 36 ff., S. 85 ff., ebenso 2004, S. 154 ff., S. 171 ff., S. 186 ff.<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Vermittlung von Berufskompetenz e<strong>in</strong><br />

Mite<strong>in</strong>ander der Lernorte Berufsschule und Betrieb fordert, weil jede Institution e<strong>in</strong>en<br />

wesentlichen Bestandteil zu e<strong>in</strong>er allumfassenden Ausbildung beiträgt, aber auch auf die<br />

Stärken der jeweils anderen zurückgreifen muss. Nur so lassen sich Fach- und Methodenkompetenz,<br />

Personalkompetenz und Sozialkompetenz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Gefüge ausformen.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen sollen nun e<strong>in</strong>en ‚<strong>Unterricht</strong>’ def<strong>in</strong>ieren helfen, der <strong>in</strong><br />

hohem Maße geeignet ist, Berufskompetenz <strong>in</strong> der Berufsschule zu vermitteln und dabei der<br />

oben beschriebenen Differenzierungsidee zwischen berufsschulischer und betrieblicher<br />

Ausbildung Rechnung trägt.<br />

4.2 Normatives vs. <strong>in</strong>terpretatives Paradigma?<br />

Der <strong>in</strong> Kapitel 2 aufgezeigte Forschungsstand weist immer wieder darauf h<strong>in</strong>, dass die<br />

Umsetzung von <strong>Unterricht</strong> vor dem H<strong>in</strong>tergrund verschiedener Lehr-Lern-Paradigmen<br />

erfolgen kann. Guter <strong>Unterricht</strong> zeichnet sich dadurch aus, das aus den Erfahrungen Gewonnene<br />

mit neuen Strukturen zu verknüpfen, so dass <strong>Unterricht</strong> über diese Erfahrungen<br />

def<strong>in</strong>ierbar ist. Die Berücksichtigung vieler Aspekte verbietet daher auch den e<strong>in</strong>seitigen<br />

Ansatz über beispielsweise nur e<strong>in</strong> Paradigma. Je nach Umgebungsbed<strong>in</strong>gungen kann e<strong>in</strong>e<br />

gesteuerte Wissensvermittlung ebenso zu e<strong>in</strong>em guten <strong>Unterricht</strong> beitragen, wie man es sich<br />

von e<strong>in</strong>em selbstgesteuerten Lernen erhofft. Insofern bietet es sich an, sowohl das normative<br />

als auch das <strong>in</strong>terpretative Lehr-Lern-Paradigma zu betrachten und e<strong>in</strong> mögliches Zusammenwirken<br />

zu untersuchen.<br />

Dubs (1993, S. 449 ff.) beschreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Editorial ‚Stehen wir vor e<strong>in</strong>em Paradigmawechsel<br />

beim Lehren und Lernen?’ die wesentlichen Ziele e<strong>in</strong>es <strong>Unterricht</strong>s, nämlich das Behalten,<br />

das Verstehen und das aktive Anwenden von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Nun ist<br />

e<strong>in</strong>e Annäherung an diese Ziele aus konträren Grundpositionen möglich. Die traditionelle<br />

Pädagogik stellt darauf ab, dass sich Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten objektiv bestimmen<br />

und entsprechend strukturiert und didaktisch reduziert vermitteln lassen. Dieser<br />

objektivistischen Sichtweise begegnen die Verfechter des Konstruktivismus, <strong>in</strong>dem sie die<br />

objektive Festlegung der zu vermittelnden Inhalte anzweifeln und zudem die Vermittelbarkeit<br />

von Wissen sowieso <strong>in</strong> Frage stellen.<br />

Untermauern lassen sich diese Überlegungen beispielsweise mit e<strong>in</strong>em von Siebert (1999, S.<br />

1 f.) thematisierten ‚alltäglichen Surrealismus’: „Wir unterliegen optischen Täuschungen, wir<br />

registrieren selektive Wahrnehmungen und bl<strong>in</strong>de Flecke. Unsere Aufmerksamkeit wird<br />

durch unser Wissen gesteuert ... E<strong>in</strong>e Fata morgana, Halluz<strong>in</strong>ationen, übers<strong>in</strong>nliche Phänomene,<br />

Hypnose, Telepathie, Phantomschmerzen – all dies zeigt, dass unsere Innenwelt nicht<br />

lediglich e<strong>in</strong>e objektive Außenwelt widerspiegelt.“<br />

Die Betrachtung des Lernens im Rahmen biologischer H<strong>in</strong>tergründe (Scheunpflug 2001) hebt<br />

sich entgegen dem pädagogischen Verständnis <strong>in</strong>sbesondere durch das ‚Lernen als e<strong>in</strong>em<br />

Anpassungsvorgang’ ab. Der E<strong>in</strong>zelne, aber auch die Gesellschaft passen sich permanent an<br />

die vorgefundene Umwelt an, um so e<strong>in</strong> Überleben zu sichern. Lernen dient damit der<br />

Situationsverbesserung und ist sowohl für den E<strong>in</strong>zelnen als auch bei Betrachtung e<strong>in</strong>er


4 Theoretische Grundlagen 25<br />

ganzen Gesellschaft <strong>in</strong>dividuell und situationsabhängig ausgelegt. Scheunpflug spricht hier<br />

die Konkurrenz <strong>in</strong>dividueller <strong>Lernprozesse</strong> mit arrangierten <strong>Lernprozesse</strong>n an. „Die Differenz<br />

zwischen Lernbedürfnissen (bzw. Anpassungserfordernissen) und Lehrabsichten ist gerade <strong>in</strong><br />

der Schule, deren Besuch nicht auf Freiwilligkeit beruht, wahrsche<strong>in</strong>lich. <strong>Unterricht</strong> muss<br />

dieses Problem durch das Lehr-Arrangement überw<strong>in</strong>den“ (ebd., S. 60). Der Unterschied lässt<br />

sich gemäß Scheunpflug <strong>in</strong>sbesondere durch neue Lernformen ausgleichen, beispielsweise<br />

durch das Herstellen von Bezügen zwischen <strong>Unterricht</strong>sgegenstand und Alltagswelt.<br />

Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl (2001, S. 601 ff.) stellen <strong>in</strong> ihrem Beitrag ‚<strong>Unterricht</strong>en und<br />

Lernumgebungen gestalten’ ebenfalls zwei konträre Auffassungen zum Lehren und Lernen<br />

gegenüber, nämlich Kognitivismus und Konstruktivismus. Dabei verorten sie diese extremen<br />

Grundpositionen an der Gestaltung von Lernumgebungen. Lernumgebungen lassen sich nach<br />

Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl durch e<strong>in</strong> Arrangement von <strong>Unterricht</strong>smethoden, <strong>Unterricht</strong>stechniken,<br />

Lernmaterialien und Medien beschreiben. Dabei s<strong>in</strong>d zeitliche, räumliche und<br />

soziale Faktoren <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem jeweiligen kulturellen Kontext zu berücksichtigen.<br />

Nur so lassen sich alltagsadäquate Lernumgebungen ausgestalten.<br />

Nachfolgend sollen die wesentlichen Aspekte der konträren Auffassungen dargestellt werden,<br />

um diese anschließend e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung nutzbar zu machen.<br />

Kapitel 4.2.1 stellt den Kognitivismus als lerntheoretischen Standpunkt e<strong>in</strong>es normativen<br />

(objektivistischen) Paradigmas mit se<strong>in</strong>en wesentlichen Aspekten kurz dar, Kapitel 4.2.2<br />

spiegelt den, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terpretatives Paradigma beschreibenden Konstruktivismus wider (vgl. dazu<br />

auch Riedl 2004, S. 41 ff. und Schelten 2004, S. 176 ff.). Grundsätzlich sollte zur Vervollständigung<br />

der Beschreibung des normativen Paradigmas auch der von J. B. Watson 1913<br />

begründete Behaviorismus erläutert werden. Dieser befasst sich mit e<strong>in</strong>er Psychologie, die nur<br />

das objektiv beobachtbare und messbare Verhalten von Lebewesen bei sich wechselnden<br />

Umweltbed<strong>in</strong>gungen zulässt. E<strong>in</strong> Denken, Fühlen oder Wollen wird dabei nicht berücksichtigt.<br />

Dieser Ansatz liegt jedoch nach Auffassung der Verfasser<strong>in</strong> der vorliegenden Arbeit<br />

derart fern von der hier betroffenen Thematik, dass e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf diese Forschungsrichtung<br />

genügen soll.<br />

Da der Kognitivismus zwar von e<strong>in</strong>em externen, objektiv existierenden Wissen ausgeht, den<br />

Lernenden jedoch als Individuum begreift, kann e<strong>in</strong>e kognitivistische Theorie durchaus<br />

Ansatzpunkte <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>terpretativen Paradigmas liefern. Insofern soll der Kognitivismus<br />

hier näher erläutert werden.<br />

4.2.1 Kognitivismus<br />

4.2.1.1 H<strong>in</strong>tergrund<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er kognitivistischen Auffassung präsentiert sich <strong>Unterricht</strong> als <strong>in</strong>struktionsorientiertes<br />

Paradigma. Historisch gefestigt zeigt sich der Lernende <strong>in</strong> allen Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

als passiv Aufnehmender, während der Lehrende die aktive Rolle übernimmt. Die im<br />

Lehrplan angestrebten Inhalte werden zielgerichtet und organisiert nach e<strong>in</strong>er festen<br />

Systematik vermittelt. Ausgehend von e<strong>in</strong>er objektivistischen Position ist e<strong>in</strong> Wissenserwerb<br />

bei e<strong>in</strong>em im Wesentlichen passiven Lernenden planbar und damit von außen steuerbar.<br />

Daher übernimmt der Lehrende das Planen und Organisieren e<strong>in</strong>es <strong>Lernprozesse</strong>s und damit<br />

die aktive Rolle. Der Prozess des Wissenserwerbs wird demgemäß vorbereitet, um ihn dann


26 4 Theoretische Grundlagen<br />

auf den Lernenden e<strong>in</strong>wirken zu lassen, wobei das E<strong>in</strong>wirken pädagogisch geleitet ist. Im<br />

Gegensatz zum Behaviorismus stellt sich die passive Rolle des Lernenden jedoch ‚gelockert’<br />

dar, der Lernenden wird im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es entdeckenden Lernens durchaus als Indiviuum<br />

verstanden, der sich Grundlegendes durchaus selbstständig aneignen kann.<br />

4.2.1.2 Problembereiche<br />

Trotz der historisch tiefen Verwurzelung e<strong>in</strong>er kognitivistisch-objektivistischen Auffassung<br />

s<strong>in</strong>d Problembereiche dieser Position nicht von der Hand zu weisen. Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier,<br />

Mandl (2001, S. 612 f.) halten u. a. das asymmetrische Verhältnis zwischen Lehrer und<br />

Schüler für äußerst problematisch, weil dies nach Deci, Ryan (ebd., nach Deci, Ryan 1993)<br />

die Eigen<strong>in</strong>itiative und die Selbstverantwortung der Schüler reduziert, so dass hier nur<br />

extr<strong>in</strong>sische Motivationsfaktoren Diszipl<strong>in</strong>probleme oder Leistungsverweigerung e<strong>in</strong>dämmen.<br />

Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl (2001, S. 612 f.) weisen <strong>in</strong>sbesondere darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e<br />

Vermittlung von Teilstücken den Gesamtzusammenhang verschleiert. Es wird demnach<br />

verkannt, dass neue Lern<strong>in</strong>halte nur <strong>in</strong>nerhalb der gesamten Wissensstruktur verstehbar s<strong>in</strong>d<br />

und e<strong>in</strong> fragmentarisches Darbieten von Inhalten e<strong>in</strong>em Wissenserwerb entgegenstehen.<br />

Mit diesem H<strong>in</strong>tergrund und dem Wissen um traditionelle <strong>Unterricht</strong>skonzepte lässt sich nach<br />

Gruber, Mandl, Renkl (1999) e<strong>in</strong> fehlendes Zusammenwirken von Wissen und Handeln<br />

begründen. Das Erlernte lässt sich laut Mandl kaum <strong>in</strong> alltagsnahen und damit komplexen<br />

Situationen umsetzen, weil das erworbene Wissen nur auf e<strong>in</strong>er abstrakten, künstlichen, der<br />

Lernumgebung entsprechenden Ebene, beispielsweise im Rahmen e<strong>in</strong>er Prüfungssituation,<br />

tatsächlich anwendbar ist. Dieses nur bed<strong>in</strong>gt anwendbare, weil nicht transferfähige Wissen<br />

liegt brach und wird daher auch als ‚träges Wissen’ bezeichnet. Mandl sieht das Problem<br />

dar<strong>in</strong>, dass das Konzept der ausschließlich direkten Instruktion und <strong>in</strong>sbesondere das Fehlen<br />

multipler Perspektiven im Zusammenhang mit der Wissensvermittlung e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle bei der Ausbildung trägen Wissens darstellen. Die Problemlösung wird oft zu e<strong>in</strong>seitig<br />

verfolgt, ohne alternative Lösungsmöglichkeiten <strong>in</strong> Betracht zu ziehen. „Um dieses Problem<br />

zu vermeiden, ist es hilfreich, e<strong>in</strong>en Lerngegenstand <strong>in</strong> verschiedenen Kontexten zu bedenken.<br />

Die Generierung multipler Repräsentationen ist umso bedeutsamer, je komplexer die<br />

Aufgaben und je weniger strukturiert die <strong>in</strong>frage stehenden Domänen s<strong>in</strong>d. ... E<strong>in</strong> Lerngebiet<br />

ist daher unter multiplen Perspektiven, d. h. zu verschiedenen Zeiten, <strong>in</strong> veränderten<br />

Kontexten, unter veränderter Zielsetzung und aus unterschiedlichen konzeptuellen Perspektiven<br />

zu beleuchten“ (ebd., S. 9). Nur so wird e<strong>in</strong>e Grundlage für den späteren Transfer <strong>in</strong><br />

veränderten Situationen gelegt, weil das Denken aus multiplen Perspektiven heraus geschult<br />

wird.<br />

4.2.2 Konstruktivismus<br />

4.2.2.1 H<strong>in</strong>tergrund<br />

Die konstruktivistische Position steht der oben beschriebenen kognitivistischen <strong>in</strong> den meisten<br />

Ausgestaltungen diametral gegenüber. Der Lehrende versteht sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konstruktivistischen<br />

Lernumgebung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eher reaktiven Rolle und unterstützt den Lernenden bei Bedarf.


4 Theoretische Grundlagen 27<br />

Dieser selbst füllt im Lernprozess e<strong>in</strong>e eher aktive Position aus. Inwieweit Lehrende und<br />

Lernende ihre Rolle <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er konstruktivistischen Auffassung wahrnehmen, hängt von<br />

der Ausprägung e<strong>in</strong>er konstruktivistischen <strong>Unterricht</strong>sgestaltung ab.<br />

Der konstruktivistische Ansatz soll hier als Gegenpol zu e<strong>in</strong>er kognitivistischen Auffassung<br />

dargestellt werden, <strong>in</strong> den sich e<strong>in</strong> handlungsorientiertes <strong>Unterricht</strong>skonzept, wie es mit der<br />

hier vorliegenden Arbeit untersucht wird, e<strong>in</strong>gliedern lässt. Konstruktivismus wird hier also<br />

als Überbegriff verstanden, unter den Handlungsorientierung subsumierbar und <strong>in</strong>tegrierbar<br />

ist.<br />

Nachfolgend wird kurz – zum Teil reproduktiv nach Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl (2001, S.<br />

601 f.) nachgezeichnet, welche historischen Vorbilder die heutige Auffassung von Konstruktivismus<br />

prägen und welche Ansätze das derzeitige Paradigma bestimmen. Übersicht 4-3 zeigt<br />

wesentliche Zusammenhänge nach Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl (ebd., S. 621 f.) auf:<br />

Amerikanischer<br />

Pragmatismus<br />

(Dewey 1859-1952)<br />

Anchored Instruction<br />

(CTGV 1997)<br />

Arbeitsschule<br />

( Kerschenste<strong>in</strong>er<br />

1854-1932)<br />

Historische Vorbilder<br />

Entdeckendes<br />

Lernen<br />

(Bruner 1966)<br />

Neue konstruktivistische Ansätze<br />

Situated Cognition-Bewegung<br />

(Lave 1991, Rogoff 1990, Greeno 1989, Resnick 1987)<br />

Cognitive Flexibility<br />

(Jacobson/Spiro 1992)<br />

Epochenunterricht<br />

(Wagensche<strong>in</strong> 1973)<br />

Cognitive Apprenticeship<br />

(Coll<strong>in</strong>s et al. 1998)<br />

Übersicht 4-2: Vorläufer und Vertreter situierter Lernumgebungen (Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier,<br />

Mandl 2001, S. 623)


28 4 Theoretische Grundlagen<br />

John Dewey (1859-1952) gilt heute oftmals als e<strong>in</strong>er der Pioniere konstruktivistischer<br />

Überlegungen. Er befasste sich mit mentalen Prozessen, die se<strong>in</strong>er Ansicht nach nur <strong>in</strong> ihrem<br />

jeweiligen kulturellen, historischen und <strong>in</strong>stitutionellen Kontext verstehbar und „weder vom<br />

sozialen Umfeld noch vom konkreten Handeln zu trennen“ s<strong>in</strong>d (Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier,<br />

Mandl 2001, S. 621). Dewey propagiert die Notwendigkeit ‚verständigen Lernens’, <strong>in</strong>dem<br />

dieses so zu organisieren sei, dass e<strong>in</strong> Bezug zur realen Alltagswelt bestehe.<br />

In se<strong>in</strong>en Ausführungen über e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e ‚produktive Arbeit’ (im S<strong>in</strong>ne der Erfordernis<br />

produktiven Könnens) fördernden ‚Arbeitsschule’ beschreibt Georg Kerschenste<strong>in</strong>er (1854-<br />

1932) die Problematik des angelernten Wissens. „Das angelernte Wissen ist sehr häufig<br />

blutarm und macht nicht selten aufgeblasen. Es macht die Seele nicht groß, stark und reich; es<br />

wirkt sehr häufig nur als dekorative Verkleidung für e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e, schwache und arme Seele“<br />

(Kerschenste<strong>in</strong>er 1969, Orig. 1912, S. 42). Kerschenste<strong>in</strong>er prangert die Institution Schule<br />

dann an, wenn sie das von K<strong>in</strong>d an erlernte Erfahrungswissen sukzessive durch die Überlieferung<br />

fremden Wissens zu ersetzen versucht. Die Notwendigkeit erlernten ‚Buchwissens’ wird<br />

dabei nicht angezweifelt; um diesem aber das Stigma der ‚Trägheit’ zu nehmen, bedarf es der<br />

‚Vermählung’ mit dem Erfahrungswissen im Rahmen der produktiven Arbeit. Den Segen der<br />

produktiven Arbeit sieht Kerschenste<strong>in</strong>er dar<strong>in</strong>, „dass sie Lebensaufgaben zu stellen imstande<br />

ist, Lebensaufgaben, die den Schaffenden h<strong>in</strong>ausheben über alle Leiden und Wirrnisse des<br />

Erdenlebens, ... (ebd., S. 48) Dies gel<strong>in</strong>gt aber nur dann, wenn neben der re<strong>in</strong>en Wissensvermittlung<br />

e<strong>in</strong>e „immer größere Sorgfalt, Gründlichkeit und Umsicht“ gefördert und e<strong>in</strong>e rechte<br />

Arbeitsfreude erweckt wird (ebd., S. 33). Insbesondere ist auf „die Begabung und jeweilige<br />

Reife des e<strong>in</strong>zelnen Schülers“ abzustellen (ebd., S. 45).<br />

Die pädagogische Psychologie wurde <strong>in</strong> den 60er-Jahren durch das von Bruner favorisierte<br />

Konzept des Entdeckenden Lernens geprägt. Dieses Konzept lässt sich wie folgt charakterisieren:<br />

„ Die Lernenden setzen sich aktiv mit Problemen ause<strong>in</strong>ander, sie sammeln selbstständig<br />

eigene Erfahrungen, sie führen bei passenden Gelegenheiten Experimente durch und<br />

erlangen auf diese Weise neue E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> komplexe Sachverhalte und Pr<strong>in</strong>zipien“<br />

(Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl 2001, S. 622, nach Bruner 1981). Bruner stellt dabei auf<br />

Lernen <strong>in</strong> realen Situationen ab, damit die Lernenden „die Chance haben, neues Wissen<br />

selbstständig und explorativ zu erwerben“ (ebd.).<br />

E<strong>in</strong> weiteres Konzept prägte die 60er-Jahre, das Konzept des genetischen Lernens. „Demnach<br />

soll jedes Lernen von Problemstellungen ausgehen, die den Lernenden zum Nachdenken<br />

br<strong>in</strong>gen und Fragen auslösen, die ihn wiederum dazu motivieren, eigene ‚Entdeckungen’ zu<br />

machen. Doch wer als Lehrender zum Nachdenken anregen will, kann nicht alles lehren,<br />

sondern muss exemplarisch vorgehen“ (Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl 2001, S. 622, nach<br />

Wagensche<strong>in</strong> 1973.) Wagensche<strong>in</strong> führt hier bereits den Begriff der ‚multiplen Perspektiven’<br />

e<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem er dazu anleitet, das Exemplarische <strong>in</strong> vielfältigen Variationen zu vermitteln. So<br />

hat der Lernende die Möglichkeit, vielfältige Anwendungen zu erfahren. E<strong>in</strong> Lernen unter<br />

multiplen Perspektiven bedarf e<strong>in</strong>es längeren Zeitraums als dies bei e<strong>in</strong>er traditionellen<br />

Vorgehensweise der Fall wäre, weil e<strong>in</strong> Zusammenhang mehrmals und aus verschiedener<br />

Sichtweise betrachtet wird. Wagensche<strong>in</strong> umschreibt das Konzept des genetischen Lernens<br />

daher mit ‚Epochenunterricht’, um den erhöhten Zeitaufwand bewusst <strong>in</strong> den Vordergrund zu<br />

stellen.


4 Theoretische Grundlagen 29<br />

4.2.2.2 Die radikale Position<br />

Auf historische Überlegungen begründet und an diese anknüpfend entwickelten sich neuere<br />

Ansätze e<strong>in</strong>es konstruktivistischen Paradigmas. Dabei lassen sich sowohl extreme als auch<br />

gemäßigte Positionen feststellen, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.<br />

Radikale Konstruktivisten – führende Vertreter s<strong>in</strong>d Maturana, von Foerster, von Glasersfeld<br />

und Watzlawick – stellen die Wissenschaften schlechth<strong>in</strong> und damit auch für den <strong>Unterricht</strong><br />

didaktisch reduzierte Inhalte <strong>in</strong> Frage. Das immer wieder diskutierte Phänomen des Wissenszuwachses<br />

und die damit verbundene Problematik der Zunahme des Nichtwissens br<strong>in</strong>gt<br />

Watzlawick (1976) mit se<strong>in</strong>er Frage „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ auf den Punkt.<br />

Dieses sche<strong>in</strong>bare Paradoxon führt zu der irritierenden „Erkenntnis, dass die Wirklichkeit<br />

beobachtungsabhängig ist“ (Siebert 1999, S. 2). E<strong>in</strong>e Fortführung dieser Gedanken ordnet den<br />

Menschen als e<strong>in</strong> über Konstrukte def<strong>in</strong>iertes und Konstrukte bildendes Individuum e<strong>in</strong>, das<br />

sich e<strong>in</strong>em Beobachter <strong>in</strong> unterschiedlichen Sozialisationsfeldern unterschiedlich darstellt.<br />

Nimmt man Watzlawicks Vorstellungen von e<strong>in</strong>er konstruierten Wirklichkeit auf, sche<strong>in</strong>t<br />

jedes Denken auf wissenschaftlicher Ebene fragwürdig, denn auch dieses stellt nur e<strong>in</strong> von<br />

Menschen ausgeformtes Konstrukt e<strong>in</strong>er möglichen Realität dar. Insofern s<strong>in</strong>d Auffassungen<br />

von Schülern oder Studierenden ebenso richtig oder falsch, wie jene der Lehrenden. Wer mit<br />

se<strong>in</strong>em Konstrukt über Realität der wahren Wirklichkeit am nächsten kommt, ist nämlich aus<br />

radikaler Sicht nicht feststellbar. Glasersfeld und von Foerster halten Wahrheitsansprüche<br />

sogar für gefährlich, „weil sie die meisten menschlichen Greueltaten mit verursacht haben“<br />

(ebd., S. 9).<br />

Terhart (1999) beschreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Artikel ‚Konstruktivismus und <strong>Unterricht</strong>’ die Grundidee<br />

des radikalen Konstruktivismus wie folgt: „Erkennen ist an die Beobachterperspektive<br />

gebunden, und beobachtende Systeme können nur und müssen also konstruieren, weil sie<br />

‚operativ geschlossen’ s<strong>in</strong>d. Realität ‚an sich’ ist unerreichbar; alles, was wir von ihr wissen,<br />

ist von Menschen erzeugt“ (ebd., S. 631 f.). Die Konstruktion von Wirklichkeit bezweifelt<br />

jedoch nicht die Existenz der wahren Wirklichkeit, nur ist diese dem Individuum nicht<br />

zugänglich. Daher kann e<strong>in</strong>e von Lehrpersonen konstruierte Wirklichkeit nicht objektiv an<br />

Lernende vermittelt werden, weil die Lehrenden objektive Strukturen nie erfahren. Umso<br />

wichtiger ist es, den Lernenden die Möglichkeit zu geben, Wissens<strong>in</strong>halte selbst zu konstruieren<br />

und diese nicht von außen aufzuprägen, da der radikalen Auffassung sogar das aktive<br />

Aufnehmen von Inhalten widerstrebt, wenn diese von außen determ<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d. „Dies erlaubt<br />

und erfordert e<strong>in</strong>e neue, gelassene Haltung des Lehrers. Denn e<strong>in</strong>em Lehren als Vermitteln<br />

von vorbereiteten und situationsenthobenen Wissenspaketen entschw<strong>in</strong>det mit diesen<br />

Annahmen sowohl jede faktische Möglichkeit wie auch jede moralische Berechtigung“ (ebd.,<br />

S. 637). Die Rolle des Lehrers – sie wird ke<strong>in</strong>esfalls obsolet – erhält e<strong>in</strong>en neuen Aufgabenbereich,<br />

nämlich e<strong>in</strong>e Lernumgebung so zu gestalten, dass sie obigen Anforderungen gerecht<br />

wird.<br />

4.2.2.3 Die gemäßigte Position<br />

Die Abgrenzung des radikalen Konstruktivismus zu gemäßigteren Ausprägungen ist jedoch<br />

gemäß Terhart fließend. In didaktischen Diskussionen wird von jeher die moderate Auffassung<br />

propagiert, da nur diese e<strong>in</strong> didaktisches Denken und damit <strong>Unterricht</strong> im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

<strong>in</strong>stitutionalisierten, <strong>in</strong>teraktiven und organisierten Lehrens und Lernens (Schelten 2004, S.<br />

148) überhaupt ermöglicht.


30 4 Theoretische Grundlagen<br />

Terhart (1999) beschreibt u. a. zwei unterschiedliche Ausprägungen e<strong>in</strong>es moderaten<br />

Konstruktivismus anhand der Ausführungen von Wolff und Dubs, die nachfolgend verkürzt<br />

wiedergegeben werden.<br />

Bei Wolff zeichnen sich fünf wesentliche Lernpr<strong>in</strong>zipen ab (ebd., S. 638, nach Wolff 1994):<br />

1. E<strong>in</strong> Fixieren und Systematisieren von Lern<strong>in</strong>halten ist zu vermeiden, da e<strong>in</strong>e Integration<br />

neuer Wissensbereiche <strong>in</strong> bereits vorhandene unterbunden wird. Trotzdem<br />

ist e<strong>in</strong>e grobe Planung zulässig, um e<strong>in</strong> planvolles <strong>Unterricht</strong>en zu ermöglichen.<br />

2. Die konstruktivistische Didaktik stellt ausschließlich darauf ab, solche Wissens<strong>in</strong>halte<br />

zu vermitteln, die <strong>in</strong> der realen Alltagswelt e<strong>in</strong>setzbar s<strong>in</strong>d.<br />

3. Die Lernumgebung ist derart zu gestalten, dass sie e<strong>in</strong>er authentischen Alltagswelt<br />

entspricht und die dar<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrierten Lern<strong>in</strong>halte <strong>in</strong> Abhängigkeit <strong>in</strong>dividueller<br />

Voraussetzungen auch <strong>in</strong> dieser anwendbar s<strong>in</strong>d.<br />

4. „Das Lernen des Lernens, d. h. e<strong>in</strong> Erarbeiten von je <strong>in</strong>dividuellen Denk-<br />

Werkzeugen sowie generell e<strong>in</strong> Bewußtwerden des eigenen Denkens und Lernens<br />

sowie se<strong>in</strong>er Prozesse ist e<strong>in</strong>es der anspruchsvollsten Kennzeichen konstruktivistischen<br />

Lernens“ (ebd., S. 638).<br />

5. Konstruktivistisches Lernen lässt sich nur im Kollektiv realisieren. Wesentlich ist<br />

demnach der Bezug zu anderen, der dem Lernenden e<strong>in</strong>e Rückmeldung über den<br />

eigenen Konstruktionsprozess ermöglicht.<br />

Dubs erläutert die Problematik der Anwendung e<strong>in</strong>mal erworbenen Wissens <strong>in</strong> neuen und<br />

komplexen Situationen. Diesbezügliche Defizite sieht er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „mechanischen Lernen, das<br />

nur zu für Mehrfachwahl-Aufgaben abrufbarem aber häufig nicht verstandenem und damit<br />

auch nicht anwendbarem Wissen führt …“ (Dubs 1993, S. 450). Diesen der traditionellen<br />

Wissensvermittlung anhaftende Makel sieht Dubs als Ursache für die Begründung des<br />

Konstruktivismus, der sich über sieben Merkmale charakterisieren lässt (ebd., S. 451 f.):<br />

1. Vorzugsweise s<strong>in</strong>d im <strong>Unterricht</strong> unstrukturierte Probleme anzubieten, da sich nur<br />

das verstehen lässt, was <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Komplexität erfasst wird. Dubs zielt darauf ab,<br />

dem Lernenden e<strong>in</strong>e komplexe Lernumwelt zur Verfügung zu stellen und somit<br />

die Ebene des trägen Wissens zu verlassen. Dabei ist es wesentlich, ke<strong>in</strong>e Inhalte<br />

vorab festzulegen, sondern diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexen Lernumgebung erfahrbar zu<br />

vermitteln. Die Lernenden haben dann die Möglichkeit, das zu erwerbende Wissen<br />

<strong>in</strong>dividuell zu konstruieren, um es <strong>in</strong> ihren „Wissens- und Könnensschatz“<br />

e<strong>in</strong>zubauen.<br />

2. „Aus dieser Sicht wird Lernen zu e<strong>in</strong>em aktiven Prozess, <strong>in</strong>dem das Lernen aus<br />

neuen, eigenen Erfahrungen das <strong>in</strong>dividuell vorhandene Wissen und Können als<br />

Ganzes (<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Struktur) verändert und personalisiert, d. h. auf das eigene Interpretieren<br />

und Verstehen ausrichtet.“ Damit werden neu erworbene Inhalte <strong>in</strong> das<br />

bereits vorhandene Vorwissen ‚h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>konstruiert’ und so erst e<strong>in</strong> „anspruchsvolles<br />

Denken“ ermöglicht (ebd., S. 451).<br />

3. Dubs weist dem „kollektiven Lernen <strong>in</strong> Gruppen“ unter obigen Voraussetzungen<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Rolle zu. Die Wissenskonstruktion kann nämlich nur dann zu e<strong>in</strong>em<br />

fruchtbaren Ergebnis führen, wenn der Lernprozess von verschiedenen Seiten beleuchtet<br />

und h<strong>in</strong>terfragt wird. Die vom E<strong>in</strong>zelnen während des Wissenserwerbs


4 Theoretische Grundlagen 31<br />

entwickelten Konzepte werden somit im Kollektiv permanent präsentiert, diskutiert<br />

und ggf. korrigiert, so dass die Wissenskonstruktion e<strong>in</strong>er Evaluation unterzogen<br />

wird und daher e<strong>in</strong>e hohe Güte aufweist.<br />

4. Die Diskussion im Kollektiv erlaubt somit e<strong>in</strong> Lernen an Fehlern, deren Präsenz<br />

und Bedeutsamkeit erst im Gruppenverband offen gelegt wird.<br />

5. Konstruktivistische Konzepte erfordern e<strong>in</strong> Ausrichten der komplexen Lernbereiche<br />

an den Interessen der Lernenden. Dies ist deshalb erforderlich, weil eigene Erfahrungen<br />

am <strong>in</strong>teressantesten empfunden werden.<br />

6. Gefühle spielen <strong>in</strong> konstruktivistischen Konzepten e<strong>in</strong>e bedeutsame Rolle. E<strong>in</strong><br />

Lernen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er komplexen Lernumgebung setzt e<strong>in</strong> wirklichkeitsnahes Erfahren<br />

voraus, das die affektive Komponente nicht ausklammern kann.<br />

7. Komplexe Lernumgebungen erfordern besondere Maßnahmen bei der „Evaluation<br />

des Lernerfolges … Zu überprüfen s<strong>in</strong>d die Fortschritte bei den <strong>Lernprozesse</strong>n,<br />

und dies wiederum <strong>in</strong> komplexen Lernsituationen. … Am s<strong>in</strong>nvollsten ist die<br />

Selbstbeurteilung, mit welcher die <strong>in</strong>dividuellen Lernfortschritte beurteilt werden“<br />

(ebd., S. 452).<br />

E<strong>in</strong>e komplexe, authentische Lernumgebung stellt hohe Anforderungen an konstruktivistisch<br />

ausgelegte <strong>Unterricht</strong>skonzepte. „Es ist vor allem der Situated Cognition-Bewegung zu<br />

verdanken, dass die Ideen des Kontextbezugs und der sozialen Partizipation <strong>in</strong> realen<br />

Situationen beim Lernen <strong>in</strong>zwischen weite Verbreitung gefunden haben“ (Re<strong>in</strong>mann-<br />

Rothmeier, Mandl 2001, S. 615). Law, Wong (ebd., S. 615, nach Law, Wong 1996) def<strong>in</strong>ieren<br />

den Term<strong>in</strong>us ‚Situated Cognition’ anhand folgender zentraler Kriterien:<br />

- Das e<strong>in</strong>er Gesellschaft immanenten Wissens stellt ‚geteiltes Wissen’ dar, „d. h.,<br />

Wissen wird von Individuen im Rahmen sozialer Transaktionen geme<strong>in</strong>sam entwickelt<br />

und ausgetauscht“ (ebd., S. 615 nach Resnick 1991).<br />

- Konkretes Denken und Handeln des E<strong>in</strong>zelnen ist nur unter Bezugnahme des konkreten<br />

Kontextes verstehbar.<br />

- „Lernen ist stets situiert, d. h., es ist an die <strong>in</strong>haltlichen und sozialen Erfahrungen<br />

der Lernsituation gebunden“ (ebd., S. 615).<br />

- Der Wissenserwerbsprozess ist e<strong>in</strong> konstruktiver, ke<strong>in</strong>esfalls wird Wissen passiv<br />

erworben.<br />

In e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung der Situated Cognition zeigen sich Ansätze e<strong>in</strong>er konstruktivistischen<br />

Denkart, die <strong>in</strong>sbesondere im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er gemäßigten Auffassung hohe Bedeutung<br />

erlangt haben. Siebert (1999, S. 98) und Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier, Mandl (2001, S. 617 ff.)<br />

beschreiben drei Ansätze, die e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Kontexte e<strong>in</strong>gebettetes Lernen ermöglichen:<br />

Der Anchored-Instruction-Ansatz:<br />

Dieser Ansatz dient vor allem der Begegnung des Problems des trägen Wissens. In e<strong>in</strong>em<br />

ersten Schritt werden die biographischen ‚Ankerplätze’ für e<strong>in</strong> daran anschließendes<br />

Lernen erfasst. E<strong>in</strong>e narrative Phase erlaubt diesen E<strong>in</strong>blick, <strong>in</strong>dem bei den Lernenden<br />

durch Beschreibung oder Erzählung authentischer Erfahrungen und Problemsituationen<br />

(beispielsweise über Video) deren Interesse geweckt und entsprechendes Vorwissen<br />

aktiviert wird. Wesentlich bei diesem Ansatz ist die Präsentation von m<strong>in</strong>destens<br />

zwei ähnlichen Geschichten, um der Problemlösung <strong>in</strong>nerhalb multipler Perspektiven<br />

gerecht zu werden. Im Idealfall erkennen die Lernenden die angesprochenen Themen


32 4 Theoretische Grundlagen<br />

und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, die dar<strong>in</strong> enthaltenen Probleme zu def<strong>in</strong>ieren und zu lösen. E<strong>in</strong><br />

Lernen kann dann anhand des biographischen H<strong>in</strong>tergrundes platziert werden.<br />

Der Cognitive-Flexibility-Ansatz:<br />

Zentrales Thema dieses Ansatzes ist die Vermeidung e<strong>in</strong>er zu starken didaktischen Reduktion,<br />

e<strong>in</strong>er Übervere<strong>in</strong>fachung, um den Lernenden „mit der Komplexität und den<br />

Irregularitäten des realen Geschehens vertraut zu machen“ (Re<strong>in</strong>mann-Rothmeier,<br />

Mandl (2001, S. 618). Aber auch dieser Ansatz stellt auf e<strong>in</strong>en Perspektivenwechsel ab,<br />

um <strong>in</strong>sbesondere die Ausbildung trägen Wissens zu vermeiden. „Dabei wird dasselbe<br />

Konzept zu verschiedenen Zeiten <strong>in</strong> verschiedenen Kontexten unter veränderter Zielsetzung<br />

und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet (ebd., S. 618).<br />

Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz:<br />

Dieses Konzept f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> der traditionellen Handwerkslehre (vgl. ‚apprenticeship’).<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er teilnehmenden Beobachtung und e<strong>in</strong>er immer stärkeren<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung wird es dem Lernenden ermöglicht, e<strong>in</strong>e für ihn dargebotene Lernsituation<br />

mitzuverfolgen und mitzugestalten. Die Praxissituation ist dabei von dem Lehrenden<br />

sukzessive komplexer zu gestalten und permanent zu kommentieren. Wesentlicher Aspekt<br />

dieser Position ist das kooperative Lernen und Arbeiten, wobei auch die Lehrkraft<br />

Teil des Kollektives ist. Die Lernenden fügen sich immer stärker <strong>in</strong> die Gruppe e<strong>in</strong> und<br />

bilden so e<strong>in</strong>e „Expertenkultur“ heraus, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> gegenseitiges Unterstützen und H<strong>in</strong>terfragen<br />

<strong>in</strong> den Vordergrund rückt, während der Lehrende se<strong>in</strong>e Hilfestellung allmählich<br />

reduziert.<br />

Innerhalb e<strong>in</strong>er situierten Lernumgebung wird der Mensch mit se<strong>in</strong>en Fähigkeiten also als<br />

Individuum wahrgenommen. Der Wissenserwerb erfolgt durch die aktive Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

des Lernenden mit den entsprechenden Inhalten. Die Rücksichtnahme auf <strong>in</strong>dividuelle<br />

Voraussetzungen zeichnet sich durch die Aufbereitung der Inhalte derart aus, dass Neues <strong>in</strong><br />

vorhandenes Wissen e<strong>in</strong>baubar und mit vorhandenem Wissen vernetzbar ist. Der Lernende<br />

konstruiert demnach se<strong>in</strong>en Wissenserwerb selbst.<br />

4.2.2.4 Problembereiche<br />

Der Ansatz des Konstruktivismus zeigt ebenfalls Problembereiche, <strong>in</strong>sbesondere je mehr man<br />

sich e<strong>in</strong>er radikalen Auffassung von Konstruktivismus nähert. Desto extremer sich e<strong>in</strong>e<br />

Position darstellt, desto unwahrsche<strong>in</strong>licher wird deren Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis. Folgende<br />

Überlegungen mögen dies bestätigen:<br />

Terhart hält es für e<strong>in</strong> äußerst unökonomisches, zeitaufwändiges und riskantes Unternehmen,<br />

jeden Zögl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>es Kulturkreises e<strong>in</strong>en „akkumulierten Wissensbestand ... <strong>in</strong>dividuell und<br />

ungeleitet nacharbeiten zu lassen“ (Terhart 1999, S. 641). Deshalb ist es erforderlich, e<strong>in</strong><br />

organisiertes, <strong>in</strong>stitutionalisiertes Lernen durchzusetzen, damit Wissensbestände nicht noch<br />

e<strong>in</strong>mal neu erfunden werden müssen, „sondern sich akkumulierte Erfahrung <strong>in</strong> geordneter,<br />

objektivierter, systematisierter, ökonomisierter Form“ aneignen lassen. E<strong>in</strong> wenig ausgearbeitetes,<br />

unstrukturiertes <strong>Unterricht</strong>skonzept führt leicht zu e<strong>in</strong>er Überforderung von Lernenden,<br />

<strong>in</strong>sbesondere von leistungsschwächeren. Es ist dann leicht möglich, dass sich die Diskrepanz<br />

zwischen Leistungsstarken und Leistungsschwachen weiter ausbildet, als dies vielleicht bei<br />

e<strong>in</strong>er traditionellen <strong>Unterricht</strong>sgestaltung der Fall wäre.


4 Theoretische Grundlagen 33<br />

Probleme sieht Terhart auch bei der Vermittlung von Wissens<strong>in</strong>halten mit Hilfe von<br />

Konzepten, die ausschließlich situatives Lernen ermöglichen. „Situatives Lernen ist immer<br />

gebunden an die jeweilige Situation; e<strong>in</strong>e wirkliche Generalisierung darüber h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong><br />

Richtung auf systematisches, kumulatives Lernen steht nicht im Mittelpunkt“ (Terhart 1999,<br />

S. 643). Schule hat also demnach die Aufgabe den situativen Kontext zu überw<strong>in</strong>den und sich<br />

über alltagsnahes Lernen h<strong>in</strong>wegzusetzen. Erst dann ist das Erlernte <strong>in</strong> realen Zusammenhängen<br />

leicht anwendbar, wenn e<strong>in</strong>e im schulischen Umfeld erfahrene abstrakte Ebene auf die<br />

alltägliche Ebene projizierbar ist. E<strong>in</strong> ausgeprägter konstruktivistischer <strong>Unterricht</strong> vernachlässigt<br />

allerd<strong>in</strong>gs oftmals e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Generalisierung und verliert sich zu sehr <strong>in</strong> stark<br />

abgegrenzten Situationen. Damit ist auch hier der Übergang von <strong>Unterricht</strong> auf die Alltagswelt<br />

verwehrt. Die Kluft zwischen Wissen und Handeln lässt sich also bei e<strong>in</strong>em falsch<br />

verstandenen Konstruktivismus ebenfalls nicht überw<strong>in</strong>den.<br />

4.3 Das Zusammenspiel von normativem und <strong>in</strong>terpretativem<br />

Paradigma<br />

H<strong>in</strong>sichtlich oben beschriebener Überlegungen stehen sich traditionelles schulisches Lernen<br />

und konstruktivistisch ausgelegtes Lernen konträr gegenüber. Insofern ist e<strong>in</strong>e Balance<br />

zwischen eng geführtem, also auf e<strong>in</strong> normatives Paradigma abstellendes <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

und e<strong>in</strong>em konstruktivistisch ausgelegten <strong>Unterricht</strong>skonzept zu f<strong>in</strong>den. Dies bedeutet, dass<br />

e<strong>in</strong> Anleiten nicht <strong>in</strong> der Entmündigung des Auszubildenden enden darf, aber auch e<strong>in</strong>e<br />

Überforderung des Lernenden zu vermeiden ist. Es liegt demnach auf der Hand, e<strong>in</strong> situiertes<br />

Lernen <strong>in</strong> multiplen Kontexten, unter multiplen Perspektiven und <strong>in</strong> kooperativer Form zu<br />

ermöglichen und dabei <strong>in</strong>struktionale Unterstützung zu gewährleisten.<br />

Auf der Kont<strong>in</strong>uumsachse zwischen den extremen Positionen Kognitivismus und Konstruktivismus<br />

sollten, e<strong>in</strong>em situativen Lernen entsprechend, geeignete Maßnahmen abgegriffen<br />

werden, die e<strong>in</strong>er vorgefundenen (also e<strong>in</strong>er realen) <strong>Unterricht</strong>ssituation gerecht werden<br />

können. Dies bedeutet, dass sich der Lehrende dieser Kont<strong>in</strong>uumsachse bewusst se<strong>in</strong> muss,<br />

um die ihm gegenüberstehende <strong>Unterricht</strong>ssituation h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er geeigneten Balance<br />

zwischen Kognitivismus und Konstruktivismus auszukleiden. ‚<strong>Unterricht</strong>ssituation’ me<strong>in</strong>t<br />

hier sowohl die am Lernprozess beteiligten Personen als auch die zu vermittelnden Inhalte,<br />

ebenso wie die zur Verfügung stehende Ausstattung. Der Lehrende muss sich ggf. <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Unterricht</strong>ssituation mehrmals umorientieren und sich selbst situationsflexibel e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Flexibles E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen kann hier beispielsweise e<strong>in</strong> Akzeptieren verschiedener Lernstrategien<br />

und damit verbundener unterschiedlicher Lösungsansätze me<strong>in</strong>en.<br />

Terhart (1999, S. 644 ff.) stellt die Frage, <strong>in</strong>wieweit mit e<strong>in</strong>er konstruktivistischen Didaktik<br />

nun tatsächlich e<strong>in</strong> neuer Ansatz <strong>in</strong> der Allgeme<strong>in</strong>en Didaktik vorliegt. Tatsache ist, dass sich<br />

sowohl auf theoretischer Diskussionsebene als auch <strong>in</strong> der Praxis e<strong>in</strong> breites Spektrum<br />

konstruktivistischer Ansätze f<strong>in</strong>den lässt, das von der radikalen Ebene über gemäßigte<br />

Ansätze bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>fachsten, nahezu trivialen Überlegungen reicht. Terhart stellt jedoch<br />

fest, dass der Übergang von der Theorie-Ebene zur Praxis-Ebene meist mit e<strong>in</strong>er Abschwächung<br />

der Radikalität verbunden ist und sich hier bekannte Elemente methodischen Vorgehens<br />

wieder f<strong>in</strong>den lassen, wie z. B. selbstständiges oder kooperatives Lernen und gerade<br />

auch handlungsorientiertes Lernen.


34 4 Theoretische Grundlagen<br />

4.4 Handlungsorientierung – E<strong>in</strong> Aspekt des Konstruktivismus<br />

als Zugang zur Praxis<br />

Nachfolgende Ausführungen geben e<strong>in</strong>en Überblick über den Begriff der Handlungsorientierung,<br />

e<strong>in</strong>em <strong>Unterricht</strong>skonzept. E<strong>in</strong>leitend def<strong>in</strong>iert Kapitel 4.4.1 den Begriff ‚Handlungsorientierung’,<br />

während Kapitel 4.4.2 die praktische Umsetzung anhand möglicher Bestimmungsgrößen<br />

für e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> beschreibt. Kapitel 4.4.3 zeigt<br />

wesentliche Ausprägungen handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte <strong>in</strong> der Praxis auf. Die<br />

Begründungsansätze für e<strong>in</strong> handlungsorientiertes Lernen diskutiert Kapitel 4.4.4. In Kapitel<br />

4.4.5 wird die Leittextmethode als e<strong>in</strong> möglicher Zugang zu Handlungsorientierung beschrieben,<br />

weil diese dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> zugrunde liegt. Abschließend zeigt Kapitel<br />

4.4 6 Problembereiche handlungsorientierter Lernumgebungen auf.<br />

4.4.1 Theoretische Umschreibung<br />

Der Begriff ‚Handlungsorientierung’ ist seit vielen Jahren Thema <strong>in</strong> der Diskussion um<br />

berufliche Bildung. Trotzdem lässt sich das Konzept der Handlungsorientierung ke<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>deutigen Def<strong>in</strong>ition zuordnen, weil die <strong>in</strong>dividuelle Ausgestaltung dieses <strong>Unterricht</strong>skonzepts<br />

dies unmöglich macht. Gleichwohl s<strong>in</strong>d aber Grundbegriffe e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung<br />

def<strong>in</strong>ierbar, die zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung des Konzeptes zulassen. Hierzu vgl.<br />

<strong>in</strong>sbesondere Schelten 2004, S. 176 ff.<br />

Handlungsorientierung stellt e<strong>in</strong> Konzept von <strong>Unterricht</strong> dar und darf nicht mit e<strong>in</strong>er<br />

<strong>Unterricht</strong>smethode verwechselt werden. Vielmehr können <strong>in</strong>nerhalb dieses Konzeptes<br />

bekannte Methoden e<strong>in</strong>gesetzt werden, die den Lehrervortrag ebenso e<strong>in</strong>schließen, wie auch<br />

die Projektmethode. „Im Mittelpunkt des <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s steht die<br />

Vermittlung von theoretischen Voraussetzungen für das Handeln-Können <strong>in</strong> der <strong>beruflichen</strong><br />

Praxis“ (Schelten 2000, S. 73 und 2004, S. 176 ff.). Traditioneller <strong>Unterricht</strong> verfolgt diese<br />

Ziele ebenfalls, allerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e handlungsorientierte Lernumgebung ihre Berechtigung<br />

durch „konsequente Ausrichtung auf diesen Punkt“. Die theoretische Voraussetzung für das<br />

Handeln-Können leitet über zum Erlernen e<strong>in</strong>es tatsächlichen Handelns an realem Arbeitsgerät<br />

wie z. B. Masch<strong>in</strong>en, Schalttafeln usw.<br />

Das Handeln, aber <strong>in</strong>sbesondere die Theorie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

anhand der Lösung e<strong>in</strong>er komplexen <strong>beruflichen</strong> Aufgabe zu erarbeiten. Der Begriff<br />

‚Komplexität’ umschreibt die Vielschichtigkeit e<strong>in</strong>er Aufgabenstellung, „die Existenz von<br />

vielen, vone<strong>in</strong>ander abhängigen Merkmalen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ausschnitt der Realität“ (Espe, 2000, S.<br />

24, nach Dörner 1989, S. 60) und ist auch e<strong>in</strong>e subjektive Größe, „die u. a. von bereits<br />

gemachten Erfahrungen, Vorwissen, kognitiver Verarbeitungskapazität oder den persönlichen<br />

Zielen abhängen kann“ (ebd., S. 25).<br />

Letztendlich führt handlungsorientiertes Lernen zu e<strong>in</strong>em Lernen <strong>in</strong> vollständigen Handlungen.<br />

E<strong>in</strong>e vollständige Handlung kann erst als solche betrachtet werden, wenn zu e<strong>in</strong>em<br />

‚Wahrnehmen’ und ‚Denken’ auch e<strong>in</strong> ‚Tun’ h<strong>in</strong>zukommt. „Das Tun wirkt auf das Wahrnehmen<br />

und Denken rückkoppelnd zurück, <strong>in</strong>dem es beides verändert und erweitert“ (Schelten<br />

2000, S. 74 und 2004, S. 180). Handlungsorientiert lernen heißt daher, die Trias Wahrneh-


4 Theoretische Grundlagen 35<br />

men, Denken und Tun permanent <strong>in</strong> vielfachen, <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschachtelten Zyklen zu<br />

durchlaufen.<br />

Nach Riedl, Schelten (1998) lassen sich Anforderungskriterien an e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong> festlegen, die als Eckpunkte das <strong>Unterricht</strong>skonzept klar umreißen. Dabei ist zu<br />

beachten, dass der Anforderungskatalog <strong>in</strong> der Praxis nur mehr oder weniger umsetzbar ist<br />

und eher als Leitfaden für die Ausgestaltung e<strong>in</strong>er Lernumgebung dient, wie sie – wie bereits<br />

mehrmals schon erwähnt – den Beteiligten am ehesten gerecht wird. Die nachfolgend<br />

aufgeführten Kriterien geben also e<strong>in</strong>en Überblick über wesentliche Aspekte e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>skonzepts. Dabei gilt es zu bedenken, dass sich e<strong>in</strong>e handlungsorientierte<br />

Lernumgebung im Laufe der Zeit weiterentwickeln soll, <strong>in</strong>dem Erfahrungen und<br />

E<strong>in</strong>drücke immer stärker <strong>in</strong> das Konzept e<strong>in</strong>fließen und dieses mitgestalten. Die nachfolgend<br />

aufgeführten Kriterien dienen demgemäß als Ansatzpunkte für die Ausgestaltung der<br />

Lernumgebung, die es ggf. bedarfsgerecht weiterzuentwickeln gilt. Die dargestellten Kriterien<br />

sprechen für sich selbst und bedürfen ke<strong>in</strong>er weiteren Erläuterung.<br />

Nr. Anforderungskriterien an e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong><br />

1 Die Bearbeitung und Lösung beruflich relevanter Aufgaben zielt primär auf die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er reflektierten <strong>beruflichen</strong> Theorie. Lern<strong>in</strong>halte der Aufgabenstellungen oder des Lerngebietes<br />

müssen theoretisch gehaltvoll se<strong>in</strong>. Vorwiegend berufspraktisch ausgerichtete Aufgaben ohne<br />

erforderliche theoretische Überlegungen entsprechen nicht den Anforderungen!<br />

2 Aufgabenstellung oder Lerngebiet s<strong>in</strong>d komplex und problemhaltig. Damit wird für die<br />

Lernenden e<strong>in</strong> Planungsaufwand bei ihrer Lernarbeit mit begründeten Planungsentscheidungen<br />

erforderlich.<br />

3 Der Lerngegenstand und die Lern<strong>in</strong>halte berücksichtigen die verschiedene <strong>beruflichen</strong><br />

Anforderungsbereiche und beziehen Aspekte aus ihnen e<strong>in</strong> (z. B. Theorie, Praxis, Rechnen,<br />

Zeichnen, BWL, EDV, …). Gegebenenfalls werden auch Lern<strong>in</strong>halte aus allgeme<strong>in</strong> bildenden<br />

Fächern (z. B. Deutsch oder Sozialkunde) <strong>in</strong>tegriert.<br />

4 Lernen erfolgt <strong>in</strong> vollständigen Handlungen, bei denen die Schüler ihr Vorgehen zum<strong>in</strong>dest<br />

teilweise selbstständig planen, durchführen und kontrollieren müssen.<br />

5 Lernende arbeiten weitgehend selbstgesteuert und entsprechend ihrem eigenen Lerntempo<br />

anhand von bereitgestellten Arbeits- und Informationsmaterialien.<br />

6 Die Arbeitsumgebung ermöglicht e<strong>in</strong> Theorielernen weitgehend begleitend zu praktischem<br />

Handeln. Dadurch werden auch berufstypische Handlungen selbst erlernt.<br />

7 Neben fachbezogenen Lern<strong>in</strong>halten werden auch überfachliche Qualifikationen wie Methoden-,<br />

Sozial- und Personalkompetenz für die angestrebte berufliche Handlungskompetenz gefördert.<br />

Übersicht 4-3: Anforderungskriterien an e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> (Riedl,<br />

Schelten 1998)


36 4 Theoretische Grundlagen<br />

4.4.2 Praktische Umsetzung<br />

Das <strong>Unterricht</strong>skonzept lässt sich auch über Bestimmungsgrößen def<strong>in</strong>ieren, die mögliche<br />

Voraussetzungen und Bed<strong>in</strong>gungen für handlungsorientiertes Lernen festlegen und richtungsweisend<br />

für die Planung und Organisation se<strong>in</strong> können. Die Bestimmungsgrößen dienen<br />

e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>führung zu handlungsorientiertem <strong>Unterricht</strong> und können situationsgerecht<br />

e<strong>in</strong>gesetzt und weiterentwickelt werden.<br />

Übersicht 4-4:Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es voll entwickelten <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s<br />

(Riedl 1998, S. 55, Schelten 2004, S. 182)<br />

Nachfolgend werden die e<strong>in</strong>zelnen Bestimmungsgrößen näher charakterisiert. Da der dieser<br />

Untersuchung zugrunde liegende <strong>Unterricht</strong> auf oben genannte Bestimmungsgrößen abstellt,<br />

kann <strong>in</strong> Kapitel 5.3 deren konkrete Umsetzung aufgezeigt werden, so dass an dieser Stelle nur<br />

e<strong>in</strong>e kurze theoretische Abhandlung erfolgt. Die Reihenfolge der Darstellung richtet sich nach<br />

der <strong>in</strong> Kapitel 5.3 festgelegten und begründet sich durch die Charakteristik der Auswertung<br />

der erhobenen Daten.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Die Bestimmungsgröße ‚Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet’ wurde bereits oben<br />

näher beschrieben. Es sei aber erwähnt, dass zur Umsetzung dieser Bestimmungsgröße<br />

idealerweise e<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em Lernfeld orientiertes Lerngebiet e<strong>in</strong>gesetzt werden sollte, um<br />

tatsächlich Lernziele aus verschiedenen Fächern abhandeln zu können (z. B. Fachtheorie,


4 Theoretische Grundlagen 37<br />

Fachkunde, ...). Auch lassen sich Lernziele aus verme<strong>in</strong>tlich entfernter liegenden Fächern<br />

e<strong>in</strong>beziehen, beispielsweise aus dem Fach Deutsch. Durch das E<strong>in</strong>beziehen von Lernzielen<br />

aus verschiedenen Bereichen ist e<strong>in</strong> Lernfeld überhaupt erst umsetzbar. Vorteilhafterweise<br />

lassen sich so für den Schüler erforderliche Lern<strong>in</strong>halte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesamtzusammenhang<br />

darstellen und <strong>in</strong> Bezug zue<strong>in</strong>ander setzen. E<strong>in</strong> hoher Komplexitätsgrad e<strong>in</strong>es Lern<strong>in</strong>halts ist<br />

somit für die Lernenden leichter überw<strong>in</strong>dbar, weil gerade die Komplexität e<strong>in</strong>en Planungsaufwand<br />

erfordert, der den Schüler zur aktiven Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem Inhalt zw<strong>in</strong>gt.<br />

Wissen wird hier also über aktives Handeln erworben.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Handlungsorientierung setzt e<strong>in</strong> hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit seitens der Lernenden<br />

voraus. Diese Eigenverantwortlichkeit ist durch den Lehrenden zu fördern und zu unterstützen.<br />

Wie die Entscheidungsspielräume der Schüler auszulegen s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>e Frage <strong>in</strong>dividueller<br />

Aspekte. Hierbei s<strong>in</strong>d nicht nur materiale Umgebungsbed<strong>in</strong>gungen entscheidend,<br />

wesentlich s<strong>in</strong>d die persönlichen Voraussetzungen der Schüler. Die Selbststeuerung wird<br />

umso mehr unterstützt, je vielfältiger sich die Möglichkeiten e<strong>in</strong>er Aufgabenbearbeitung<br />

gestalten. Nur so kann die Individualität des Lernenden berücksichtigt werden. Bei der<br />

Forderung nach möglichst wenig E<strong>in</strong>schränkung des Handlungsspielraumes ist aber zu<br />

beachten, dass Freiräume auch e<strong>in</strong>e Überforderung der Schüler hervorrufen könnten,<br />

<strong>in</strong>sbesondere dann, wenn diese den Umgang mit den Freiräumen nicht erlernt oder verlernt<br />

haben.<br />

Innere Differenzierung<br />

Innere Differenzierung lässt sich über verschiedene Wege umsetzen. Beispielsweise sollte den<br />

Lernenden das Arbeiten mit e<strong>in</strong>er von ihnen, entsprechend ihrer Leistungsstärke, selbst<br />

gewählten Lerngeschw<strong>in</strong>digkeit ermöglicht werden. Dies ist sowohl <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe als<br />

auch gruppenübergreifend zu ermöglichen. Hier stellt sich die Frage der idealen Gruppenzusammensetzung<br />

(s. u.). Auch der Zuwendungsgrad der Lehrkraft ist auf die Leistungsstärke<br />

der E<strong>in</strong>zelnen abstellbar, so dass leistungsschwache Schüler <strong>in</strong> besonderem Maße gefördert<br />

werden können, während bei leistungsstärkeren das Maß an Eigenverantwortlichkeit höher<br />

liegt. E<strong>in</strong>e weitere Differenzierungsmöglichkeit besteht <strong>in</strong> der unterschiedlichen Gestaltung<br />

von Aufgabenstellungen. E<strong>in</strong> abgestuftes Schwierigkeits- und Abstraktionsniveau kann die<br />

Individualität des e<strong>in</strong>zelnen Lernenden h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>es „Vorwissens“, se<strong>in</strong>er „Lern- und<br />

Aufnahmefähigkeiten„ oder se<strong>in</strong>er “Motivations- und Interesseschwankungen“ (Riedl 1998,<br />

S. 57) berücksichtigen.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Insbesondere diese Bestimmungsgröße lässt e<strong>in</strong>e Differenzierung zu traditionellem <strong>Unterricht</strong><br />

erkennen. Da die Leistungsfeststellung ebenfalls <strong>in</strong> das Konzept e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung<br />

e<strong>in</strong>zupassen ist, sollten sich auch hier bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad die Bestimmungsgrößen<br />

des <strong>Unterricht</strong>s wiederf<strong>in</strong>den. Beispielsweise sollte die Bearbeitung e<strong>in</strong>er komplexen<br />

Aufgabenstellung (Theorie und Praxis) auf die Ganzheitlichkeit e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung<br />

abstellen. Leistungskontrollen sollen für die Schüler zudem „die Möglichkeit zu offenen,<br />

sozialen Interaktionen bieten, bei denen der Lehrer se<strong>in</strong>e Benotung plausibel begründet und<br />

die Schüler ihre Leistung akzeptieren und sie rechtfertigen“ (Riedl 1998, S. 58). Hier könnte<br />

ausdrücklich <strong>in</strong> Betracht gezogen werden, etwaige Missverhältnisse zwischen Bewertendem


38 4 Theoretische Grundlagen<br />

und Bewertetem aufzuheben. Der gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> verfolgten<br />

Forderung nach e<strong>in</strong>er realen, alltagstauglichen Lernumgebung steht nämlich das gekünstelte,<br />

unrealistische Prüfungsprozedere diametral gegenüber. Hier können Lehrkräfte ansetzen und<br />

im Rahmen vorgeschriebener Prüfungsbed<strong>in</strong>gungen festgefahrene Strukturen aufweichen.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

E<strong>in</strong> wesentliches Element e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung ist der zu weiten Teilen<br />

aufgelöste Klassenverband. Vorzugsweise erfolgt e<strong>in</strong> Arbeiten <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>gruppen, wobei auch<br />

E<strong>in</strong>zelarbeit ermöglicht werden sollte. Die Frage der Gruppenzusammensetzung ist von<br />

<strong>in</strong>dividuellen Gegebenheiten abhängig. Im Idealfall f<strong>in</strong>den sich die Gruppen selbst, wobei<br />

ggf. e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifen der Lehrkraft e<strong>in</strong>e Optimierung herbeiführen kann. Die Denkweise<br />

e<strong>in</strong>zelner Schüler wird darüber entscheiden, ob sich e<strong>in</strong>e vorwiegend homogene Gruppenzusammensetzung<br />

durchsetzen wird oder ob auch e<strong>in</strong> heterogenes Leistungsgefüge e<strong>in</strong>e<br />

effiziente Arbeitsweise unterstützen kann. Gegenseitiger Austausch und Zusammenarbeit<br />

fördern die Teamfähigkeit und bieten zusätzliche Möglichkeiten des Wissenserwerbs. Dabei<br />

gilt zu bedenken, dass Gruppenarbeit auch ‚Trittbrettfahrertum’ fördert oder <strong>in</strong>trovertierten<br />

Charakteren e<strong>in</strong>e Entlassung aus der Verantwortung ermöglicht.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Die <strong>Unterricht</strong>sdurchführung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung erfordert e<strong>in</strong>e z. T.<br />

äußerst aufwändige Planung, so dass die Lehrkraft im <strong>Unterricht</strong> selbst <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund<br />

treten kann. Planung bedeutet hier die Organisation von Selbstlernformen, beispielsweise<br />

anhand von Leittexten, das Bereitstellen von Informationsmaterial (Herstellerkataloge,<br />

Fachbücher etc.). Des Weiteren muss die Lernumgebung so gestaltet werden, dass e<strong>in</strong><br />

ganzheitliches Lernen überhaupt ermöglicht wird. Hierzu sei auf die Bestimmungsgröße<br />

‚Integrierter Fachunterrichtsraum’ (s. u.) verwiesen. Während des <strong>Unterricht</strong>s tritt die<br />

Lehrkraft als Organisator, Initiator und Berater der Lernenden auf und nimmt nicht mehr die<br />

zentrale Rolle des Lehrenden <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es traditionellen <strong>Unterricht</strong>s e<strong>in</strong>. Da die Schüler<br />

den <strong>Unterricht</strong> aufgrund der eigenverantwortlichen Bearbeitung der Aufgaben massiv<br />

bee<strong>in</strong>flussen, ist e<strong>in</strong>e bisher favorisierte Detailplanung nicht mehr möglich. Vielmehr muss<br />

sich der Pädagoge spontan auf die unterschiedlichen <strong>Unterricht</strong>ssituationen e<strong>in</strong>lassen und<br />

flexibel auf etwaige Fragen und Probleme reagieren. „Die Lehrkraft vermeidet die Präsentation<br />

vorgefertigter Lösungen, begleitet beratend den gesamten Lernprozess und versucht,<br />

Lernende <strong>in</strong> die Lage zu versetzen, eigene Lösungswege zu f<strong>in</strong>den“ (Riedl 2004a, S. 93). E<strong>in</strong>e<br />

essentielle Aufgabe des Lehrers ist weiterh<strong>in</strong> die Durchführung von Fachgesprächen, die<br />

sowohl obligatorisch als auch fakultativ angesetzt werden können. Fakultative Fachgespräche<br />

fördern die <strong>in</strong>nere Differenzierung, <strong>in</strong>dem beispielsweise leistungsschwächere Schüler e<strong>in</strong>e<br />

verstärkte Unterstützung erfahren. Den hohen Anforderungen, die e<strong>in</strong> handlungsorientiertes<br />

Lernen <strong>in</strong>sbesondere an die Lehrkraft stellt, lässt sich ggf. durch Teamteach<strong>in</strong>g, also durch die<br />

Kooperation mehrerer Lehrkräfte begegnen.<br />

Handlungssystematisches Vorgehen<br />

„Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> erfordert e<strong>in</strong>e handlungssystematische <strong>Unterricht</strong>splanung,<br />

[im Gegensatz zur fachsystematischen <strong>Unterricht</strong>splanung, d. Verf.], die sich an der<br />

Handlungslogik der zugrundeliegenden Aufgabe ausrichtet. Vorgesehene Lernziele und –<br />

<strong>in</strong>halte müssen dabei entlang e<strong>in</strong>er voraussichtlichen Bearbeitung der im Mittelpunkt


4 Theoretische Grundlagen 39<br />

stehenden Arbeitsaufgabe gruppiert und s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong> den Bearbeitungsablauf <strong>in</strong>tegriert werden“<br />

(Riedl 1998, S. 56, Schelten 2004, S. 182 f.). Für die Planung des <strong>Unterricht</strong>s ist zweckmäßigerweise<br />

e<strong>in</strong> Handlungsregulationsschema zu erstellen, um die geplante Aufgabenstellung<br />

systematisch zu erfassen. „E<strong>in</strong>e Handlungsregulation äußert sich <strong>in</strong> der Bildung von Zielen<br />

und untergliederten Teilzielen, die schließlich durch e<strong>in</strong>zelne Bewegungshandlungen erreicht<br />

werden. Die Ziele und untergliederten Teilziele steuern und regeln als <strong>in</strong>nere Vorstellungen<br />

äußere Handlungsabläufe“ (Schelten 2000, S. 81).<br />

Nachfolgend wird die Handlungsregulation anhand des Beispiels aus Kapitel 5 (Übersicht 5-<br />

6) kurz erläutert. Für e<strong>in</strong>e ausführliche Darstellung sei auf Schelten (2000, Kapitel ‚Handlungsregulation’<br />

und 2005, Kapitel B.1 ‚Die Handlungsregulation’) verwiesen.<br />

Übersicht 5-6 <strong>in</strong> Kapitel 5 zeigt e<strong>in</strong> Handlungsregulationsschema, das als oberstes Ziel die<br />

‚Ansteuerung des Biegevorgangs’ (bzw. die Ansteuerung des Biegezyl<strong>in</strong>ders) aufführt. Dieses<br />

Ziel wird dadurch erreicht, dass verschiedenste Teilziele erarbeitet werden müssen. Dazu s<strong>in</strong>d<br />

die Teilziele <strong>in</strong> sog. Planungs- bzw. Handlungsdreiecke e<strong>in</strong>gebettet und bilden so e<strong>in</strong>e<br />

zyklische E<strong>in</strong>heit. Beispielsweise bef<strong>in</strong>det sich das Teilziel ‚Biegevorrichtung analysieren’<br />

auf e<strong>in</strong>er dritten Ebene unterhalb des Oberzieles und def<strong>in</strong>iert mit den untergeordneten<br />

Teilzielen ‚Bauteile bestimmen’, ‚Anlagenaufbau dokumentieren’ usw. (vierte Ebene) e<strong>in</strong><br />

ebensolches Dreieck. „Der vom Ziel abwärts gerichtete Pfeil und der waagrechte Pfeil<br />

verdeutlichen Planungs- bzw. Handlungsprogramm hervorbr<strong>in</strong>gende Vorgänge. Der zum Ziel<br />

zurückkehrende, aufwärts gerichtete Pfeil steht für e<strong>in</strong>en vergleichenden Vorgang“ (Schelten<br />

2000, S. 80 und 2005, S. 21 ff.) und dient der Überprüfung der Zielerreichung. Das heißt, die<br />

hierarchische Anordnung erlaubt den Vergleich über- und untergeordneter Teilziele und damit<br />

e<strong>in</strong>en den konkreten Handlungsvollzug erst vervollständigenden Rückkopplungsprozess. Die<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Ebene stehenden Ziele werden gleichzeitig verfolgt. Im H<strong>in</strong>blick auf diese<br />

Anordnung und Verknüpfung von Zielen und Teilzielen stellt die Handlungsregulation e<strong>in</strong>e<br />

hierarchisch-sequentielle Handlungsorganisation dar, bei der jeder Handlung e<strong>in</strong> geistiges<br />

Probehandeln vorausgeht, „das an e<strong>in</strong>em so entstandenen operativen Abbildsystem ... den<br />

realen Handlungsvollzug mittels e<strong>in</strong>er Vergleichs-Veränderungs-Rückkoppelungse<strong>in</strong>heit ...<br />

mit se<strong>in</strong>er gedanklichen Vorwegnahme vergleicht und auf diesem Weg auf die Handlungsausführung<br />

zurückwirkt“ (Riedl 1998, S. 36, vgl. dazu auch Volpert 1983).<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> fordert e<strong>in</strong>e adäquate Lernumgebung, die durch die<br />

Lehrkraft bereitzustellen ist. Die Lösung komplexer beruflicher Aufgaben setzt voraus, dass<br />

die Lernumgebung sowohl die Erarbeitung theoretischer Inhalte als auch e<strong>in</strong> praktisches<br />

Arbeiten ermöglicht. Diesen Anforderungen wird e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrierter Fachunterrichtsraum (IFU)<br />

gerecht. „Geräteaufwand und Medienausstattung sollen sich generell an berufstypischen<br />

Realsituationen, Standardkomponenten und Herstellerunterlagen orientieren und über<br />

didaktisch reduzierte Modelle, Geräte und schriftliche Unterlagen h<strong>in</strong>ausweisen“ (Riedl 1998,<br />

S. 57). Für nähere Ausführungen, <strong>in</strong>sbesondere zur Ausgestaltung berufsfeldspezifischer<br />

Räume siehe Schelten (2000, Kapitel ‚Integrierter Fachunterrichtsraum’). E<strong>in</strong>e mögliche<br />

Ausgestaltung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraumes lässt sich Kapitel 5.3.8, Übersicht 5-8<br />

entnehmen.


40 4 Theoretische Grundlagen<br />

4.4.3 Ausprägungen handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte<br />

Bader (2002) begegnet den <strong>in</strong> Diskussionen um Lehr-Lern-Arrangements immer noch<br />

vorhandenen Unklarheiten und Missverständnissen über e<strong>in</strong>e ‚Orientierung an Handlungen’<br />

mit e<strong>in</strong>er zusammenfassenden Darstellung über das momentan vorhandene Verständnis<br />

handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte. Es stellen sich dabei zwar unterschiedliche<br />

Vorstellungen dar, allerd<strong>in</strong>gs weisen sie alle <strong>in</strong> dieselbe Richtung. Letztendlich spiegelt sich<br />

hier nur die Vielfältigkeit der mit Handlungsorientierung verbundenen Möglichkeiten wider.<br />

Die unterschiedlichen Vorstellungen weisen auch darauf h<strong>in</strong>, auf welchen Ebenen und <strong>in</strong><br />

welchen Bereichen Prozesse stattf<strong>in</strong>den müssen, um Handlungsorientierung weiter voranzutreiben.<br />

Nachfolgend wird e<strong>in</strong> kurzer Überblick über die Ausprägungen des Verständnisses von<br />

Handlungsorientierung nach Bader gegeben:<br />

Handlungsorientierung ist<br />

- <strong>in</strong> der betrieblichen Ausbildung e<strong>in</strong> Lernen <strong>in</strong> vollständigen Handlungen, im<br />

Rahmen beruflicher Arbeit;<br />

- im Schulunterricht e<strong>in</strong> Lernen an alltagsnahen Sachverhalten und Problemen der<br />

Lernenden;<br />

- die Strukturierung von <strong>Lernprozesse</strong>n <strong>in</strong> psychologischer H<strong>in</strong>sicht, basierend auf<br />

Lehr-Lern-Theorien;<br />

- die Gestaltung von <strong>Lernprozesse</strong>n durch das Ermöglichen von aktivem Tun, besser<br />

noch von selbstständigem Handeln;<br />

- Lernen an konkreten Handlungen, deren Ergebnis noch offen und nicht beispielsweise<br />

durch die Naturwissenschaft bereits konkretisiert ist;<br />

- das Planen und Gestalten von <strong>Lernprozesse</strong>n, um anhand der daraus gewonnenen<br />

Erkenntnisse zu agieren und so erstrebenswerte Ziele zu erreichen;<br />

- e<strong>in</strong>e Leitl<strong>in</strong>ie für die Curriculumsentwicklung;<br />

- e<strong>in</strong>e Möglichkeit, implizites Wissen zu entwickeln und zu vermitteln;<br />

- e<strong>in</strong> Merkmal unternehmerischer Selbstständigkeit;<br />

- die Vorbereitung auf berufliche, gesellschaftliche und <strong>in</strong>dividuelle Anforderungen.<br />

Die hier aufgeführten Ausprägungen des Verständnisses e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung zeigen<br />

deutlich die zentralen Elemente auf: Handlungsorientierung fordert das Tun des Lernenden<br />

und fördert so dessen Selbstständigkeit dah<strong>in</strong> gehend, dass der Lernende <strong>in</strong> der Lage ist,<br />

zukünftige Anforderungen der Alltagswelt zu beherrschen. Die Ansichten spiegeln hier also<br />

ke<strong>in</strong>e Gegensätze wider, sondern erlauben E<strong>in</strong>sichten, die zeigen, wie Handlungsorientierung<br />

nutzbar gemacht werden kann und welche Auswirkungen sie hat.<br />

Die facettenreichen, h<strong>in</strong>ter Handlungsorientierung stehenden Denkarten erlauben e<strong>in</strong>en weiten<br />

Handlungsspielraum für die Ausgestaltung von <strong>Unterricht</strong>. Konkret heißt dies, dass sich das<br />

von Schelten (2004, S. 199 f.) im Anschluss an Bunk dargestellte und modifizierte ‚System<br />

<strong>Unterricht</strong>’ wesentlich besser auf die Beteiligten abgestimmt planen, durchführen und<br />

auswerten lässt. Dem <strong>in</strong> der Literatur oftmals zitierten Negativum e<strong>in</strong>es größeren Vorberei-


4 Theoretische Grundlagen 41<br />

tungsaufwandes e<strong>in</strong>es handlungsorientiert organisierten <strong>Unterricht</strong>s ist im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Perspektiven, die Handlungsorientierung bietet, zu begegnen. E<strong>in</strong> erhöhter Aufwand ist nur<br />

dann anzunehmen, wenn der Pädagoge das Potential nicht erkennt bzw. nicht für sich nutzt,<br />

wenn er an Veraltetem so sehr fest hält, dass er positive neue Aspekte übersieht. Gerade die<br />

Handlungsorientierung erlaubt es dem Pädagogen nämlich, den <strong>Unterricht</strong> so zu gestalten, wie<br />

es se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dividuellen aber auch formalen Lehrvoraussetzungen und den <strong>in</strong>dividuellen<br />

Lernvoraussetzungen se<strong>in</strong>er Schüler entgegenkommt. Dies deutet auf e<strong>in</strong>e Erleichterung<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des Planungsaufwandes, nicht auf dessen Ansteigen h<strong>in</strong>. Das heißt letztendlich,<br />

dass e<strong>in</strong> höherer Planungsaufwand e<strong>in</strong>e Entlastung bei der Durchführung des <strong>Unterricht</strong>s mit<br />

sich br<strong>in</strong>gt.<br />

4.4.4 Begründungsansätze für e<strong>in</strong> handlungsorientiertes Lernen<br />

Riedl (1998, S. 32 ff.) und Riedl, Schelten (2005, S. 12 ff.) beschreiben drei wesentliche<br />

Aspekte, die e<strong>in</strong> handlungsorientiertes Lernen begründen. Dabei ist anzumerken, dass diese<br />

Aspekte nur e<strong>in</strong>en Ausschnitt möglicher Begründungsansätze wiedergeben und ke<strong>in</strong>esfalls<br />

den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Nachfolgend werden die Ansätze zusammengefasst<br />

dargestellt. E<strong>in</strong>e umfassende Diskussion der genannten Aspekte ist Riedl bzw. der dort<br />

genannten Primärliteratur zu entnehmen.<br />

Technische und produktive Veränderungen<br />

Seit den 80er Jahren ist e<strong>in</strong> technischer Wandel zu verzeichnen, der mit früheren Entwicklungen<br />

nicht vergleichbar ist. Die immer schneller fortschreitende Technik, <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Anwendung e<strong>in</strong>er hoch komplexen Mikroelektronik und Kommunikations- und Informationstechnologie<br />

verlangt nach neuen Qualifizierungskonzepten, die den Arbeitstätigen das Schritt<br />

halten mit dem technischen Wandel ermöglichen. „Das mit e<strong>in</strong>er Arbeitshandlung verbundene<br />

Erfolgserlebnis verlagert sich vom konkreten, mit den Händen erfahrbaren Bereich auf e<strong>in</strong>e<br />

nur abstrakt erfahrbare Ebene. Die Arbeitsanforderungen liegen zunehmend im kognitiven<br />

Bereich“ (Riedl 1998, S. 32 f.). Bisherige Qualifizierungskonzepte müssen daher reformiert<br />

werden. „Neben dem [bisher praktizierten, d. Verf.] Erfahrungslernen <strong>in</strong> der Arbeitstätigkeit<br />

(‚tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g on the job’) muss e<strong>in</strong>e formelle Qualifizierungsmaßnahme außerhalb der Arbeitstätigkeit<br />

erfolgen (‚tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g off the job’)“ (Schelten 1995, S. 260 und ferner 2005, S. 207 ff.).<br />

Mit den 90er Jahren stellten sich Veränderungen im produktiven Vorgehen e<strong>in</strong>. „Im Zuge von<br />

Produktivitätssteigerungen, Verkürzungen von Durchlauf- und Entwicklungszeiten, Erhöhung<br />

von Produktqualität [lean production, d. Verf.] bahnen sich eher ganzheitliche Fertigungsstrategien<br />

an“, um <strong>in</strong>sbesondere tayloristische Arbeitsorganisationen abzulösen (ebd.). Ganzheitliche<br />

Arbeitsabläufe erfordern auch hier e<strong>in</strong> komplexeres Vorgehen des am Produktionsprozess<br />

beteiligten Menschen. Dieser br<strong>in</strong>gt sich verstärkt <strong>in</strong> den Arbeitsablauf e<strong>in</strong>, da er<br />

ganzheitliche Zusammenhänge erkennen und übergreifend e<strong>in</strong>setzbar se<strong>in</strong> muss. Insofern lässt<br />

sich hier e<strong>in</strong> Rationalisierungspotential aus e<strong>in</strong>er Humanisierung von Arbeitsabläufen<br />

feststellen, weil bereits auf unterster Ebene die vielfältigen Fähigkeiten des E<strong>in</strong>zelnen genutzt<br />

werden.


42 4 Theoretische Grundlagen<br />

Veränderungen bei den Adressaten beruflicher Bildung<br />

Die Entwicklung der Berufsschule von der Jugendlichenschule zur Ausbildungsstätte für<br />

junge Erwachsene (das Alter der Auszubildenden beträgt derzeit durchschnittlich 19 Jahre),<br />

erfordert e<strong>in</strong> Umdenken bei dem E<strong>in</strong>satz von <strong>Unterricht</strong>skonzepten. Neben den von der<br />

Arbeitswelt geforderten Qualifikationen erwarten auch die Auszubildenden e<strong>in</strong> „selbstbestimmtes,<br />

selbstverantwortetes, s<strong>in</strong>nvolles und anwendungsgerechtes Lernen, dem die<br />

Bildungs<strong>in</strong>stitution Berufsschule durch geeignete <strong>Unterricht</strong>skonzepte nachkommen muss.<br />

E<strong>in</strong> handlungsorientiertes Lernen, das sich eher ganzheitlich an <strong>Unterricht</strong>sgegenständen der<br />

<strong>beruflichen</strong> Praxis orientiert, entspricht diesen Erwartungen wohl am weitesten“ (Riedl,<br />

Schelten 2005, S. 13 f.).<br />

Riedl und Schelten sehen die modernen Lebenstechniken als e<strong>in</strong>e Ursache für den „Verlust an<br />

anregenden, s<strong>in</strong>nlich-unmittelbaren und auch sozialen Erfahrungen im Umgang mit D<strong>in</strong>gen<br />

und Menschen“ (ebd.). Moderne Unterhaltungsmedien verdrängen zudem „selbstständige und<br />

unmittelbare Erfahrungsmöglichkeiten und selbstgesteuerte Eigentätigkeiten“ (ebd.).<br />

Handlungsorientiertes Lernen kann diesen Entwicklungen entgegenwirken und das aktive Tun<br />

des E<strong>in</strong>zelnen wieder <strong>in</strong> den Vordergrund rücken.<br />

Begründungsansätze aus Lernpsychologie und Lerntheorie<br />

Die bisher beschriebenen Begründungsansätze plädieren für e<strong>in</strong> aktives Ause<strong>in</strong>andersetzen<br />

mit der Realität, d. h. mit der unmittelbaren Umgebung des E<strong>in</strong>zelnen. Bereits seit den 60er<br />

Jahren wird menschliches Handeln im Lichte tätigkeitspsychologischer Überlegungen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Verhältnis Mensch – Umwelt herausgehoben. Aus handlungspsychologischer<br />

Perspektive heraus begründen die tätigkeitspsychologischen Ansätze e<strong>in</strong> Lernen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit Handeln (vgl. hierzu Hacker 1986 und Volpert 1983). Hier sei auf den hierarchischsequentiellen<br />

Aufbau e<strong>in</strong>er Handlungsregulation von Tätigkeiten (s. Kapitel 4.4.1) verwiesen.<br />

Dabei ist der Ablauf ‚Vergleich-Veränderung-Rückkoppelung’ als zentral herauszustellen, auf<br />

den e<strong>in</strong> Lernen ohne konkrete Handlungsvollzüge nicht zurückgreifen kann. E<strong>in</strong> fehlender<br />

Rückkopplungsprozess fördert daher die Ausbildung trägen Wissens. Piaget und Aebli sehen<br />

den wesentlichen Aspekt für e<strong>in</strong>en gelungenen Aufbau von Kognition <strong>in</strong> der aktiven<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung des Subjekts mit se<strong>in</strong>er es umgebenden Welt, um überhaupt e<strong>in</strong>e<br />

Interpretation der Umwelt vornehmen zu können. Die so erlernten Zusammenhänge lassen<br />

sich dann <strong>in</strong> strukturell ähnlichen Situationen anwenden und dort vervollständigen.<br />

Riedl, Schelten (2005, S. 15) greifen hier also die Problematik des ‚trägen Wissens’ auf, wie<br />

es z. B. Renkl (1996) näher beschreibt. Wissen ist nach dieser Theorie zwar vorhanden, kann<br />

aber nicht adäquat <strong>in</strong> der Praxis umgesetzt werden. Gerade die duale berufliche Bildung mit<br />

den beiden Komponenten ‚Schule’ und ‚Betrieb’ br<strong>in</strong>gt dieses Phänomen zum Vorsche<strong>in</strong>.<br />

Lernende stellen e<strong>in</strong>en Bezug theoretischer Zusammenhänge zu außerschulischen Kontexten<br />

nicht her, weil dies <strong>in</strong> den durchlaufenen <strong>Lernprozesse</strong>n nicht e<strong>in</strong>geübt wurde. Insofern s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> vielen Bereichen der Bildung Bestrebungen dah<strong>in</strong> gehend zu verzeichnen, Denken und<br />

Handeln <strong>in</strong>tegrativ zu vermitteln.


4 Theoretische Grundlagen 43<br />

4.4.5 Methodischer Zugang – Die Leittextmethode<br />

Nachfolgend wird e<strong>in</strong> kurzer Überblick über die <strong>in</strong> dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong><br />

verwendete Leittextmethode gegeben. Nähere Ausführungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere Kapitel 5.4 zu<br />

entnehmen, so dass an dieser Stelle lediglich grundlegende Überlegungen wiedergegeben<br />

werden.<br />

Da Handlungsorientierung auf Selbststeuerung abzielt, kann – wie bereits unter den Bestimmungsgrößen<br />

beschrieben – e<strong>in</strong>e tradierte Methode der Wissensvermittlung durch die<br />

Lehrkraft so nicht mehr aufrechterhalten werden. Durch das Zurücktreten der Lehrkraft<br />

besteht die Notwendigkeit, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche und methodische Führung der Auszubildenden<br />

anderweitig zu gestalten. Die Leittextmethode zeigt hier e<strong>in</strong>en geeigneten Weg auf. Nach<br />

Rottluff (1992, S. 11) dienen die Leittexte als Leitfaden, wobei der ‚Faden’ als lange Le<strong>in</strong>e zu<br />

verstehen ist, über die der Ausbilder die Lernenden führt.<br />

Für vorliegende Arbeit ist <strong>in</strong>sbesondere die Leittextmethode im <strong>Unterricht</strong> der Berufsschule<br />

von Bedeutung. Diese basiert auf dem klassischen Phasenverlaufsschema der Leittextmethode,<br />

z. B. nach Koch, Selka (1991), unterscheidet sich aber trotzdem von der im Betrieb<br />

angewendeten (vgl. hierzu die Ausführungen unter Kapitel 5.4, <strong>in</strong>sbesondere Übersicht 5-11).<br />

Die Diskrepanz begründet sich durch die unterschiedliche Zielstellung zwischen Berufsschule<br />

und Betrieb (s. Kapitel 4.1). Während das Selbstlernen im betrieblichen <strong>Unterricht</strong> mit Hilfe<br />

von Leittexten als schriftliches Unterweisungsmaterial sehr formalisiert gefördert wird, setzt<br />

die Berufsschule auf e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelleres, den Lernvoraussetzungen des E<strong>in</strong>zelnen angepassteres<br />

Vorgehen. Das unter Kapitel 4.1 beschriebene, <strong>in</strong> der Berufsschule praktizierte Nachbilden<br />

von Handlungsmöglichkeiten des Betriebes verweist auf die besondere Betonung<br />

theoretischer Inhalte. Die Leittexte s<strong>in</strong>d demgemäß darauf ausgerichtet, theoretische<br />

Zusammenhänge zu verorten und diese den Lernenden „<strong>in</strong> <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschachtelten<br />

Schleifen, <strong>in</strong> denen sich Schritte e<strong>in</strong>er vollständigen Handlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Aufgabenteilen<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Leittextes mehrfach und weniger formalisiert zyklisch wiederholen“ (Riedl<br />

2004a, S. 134) nahe zu br<strong>in</strong>gen. Das Ausrichten des Leittextes auf theoretische Inhalte – im<br />

Gegensatz zu e<strong>in</strong>er schriftlichen H<strong>in</strong>führung an die Arbeitstätigkeit im Betrieb – begründet<br />

den nachfolgend skizzierten, möglichen Aufbau der für berufsschulischen <strong>Unterricht</strong><br />

geeigneten Leittexte.<br />

Nach Riedl (2004a, S. 86 f.) lassen sich die Systemelemente der Leittexte <strong>in</strong> der Berufsschule<br />

nach Leitl<strong>in</strong>ien, Leitaufgaben, Informationsteil und Lernkontrollen aufteilen.<br />

Die Leitl<strong>in</strong>ie als zentrales Element des Leittextes führt als ‚roter Faden’ durch die gesamte zu<br />

bearbeitende Aufgabe. Hier<strong>in</strong> spiegeln sich wesentliche Handlungsschritte aus dem zugrunde<br />

liegenden Handlungsregulationsschema wider. Die Leitl<strong>in</strong>ie führt zu untergeordneten<br />

Handlungsschritten und von diesen wieder zurück, so dass die Leitl<strong>in</strong>ie selbst immer im<br />

Mittelpunkt bleibt.<br />

Die Leitaufgabe dient der Strukturierung des Lernverlaufs, da sie die Bearbeitung von<br />

Teilaufgaben e<strong>in</strong>leitet. Gleichzeitig gibt sie H<strong>in</strong>weise zum Lösungsvorgehen, beispielsweise<br />

zur Nutzung von Informationsmaterial, sie gibt Anregung zur Kommunikation und Kooperation<br />

und sie verdeutlicht die zu bewältigenden Anforderungen und Erfordernisse zur Lösung<br />

der gestellten Aufgaben.<br />

E<strong>in</strong>e besondere Bedeutung kommt dem Informationsteil <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Leittextes zu. Hiermit<br />

lässt sich e<strong>in</strong>e gewisse Zielrichtung bei der Bearbeitung der Aufgaben durch die Lehrkraft


44 4 Theoretische Grundlagen<br />

vorgeben bzw. e<strong>in</strong>e notwendige Hilfestellung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Richtungsweisung vermitteln.<br />

Der Informationsteil enthält daher z. B. H<strong>in</strong>weise auf weiterführende Literatur oder aber auch<br />

konzentrierte Informationen, die an die spezielle Aufgabenstellung angepasst und <strong>in</strong> dieser<br />

Form <strong>in</strong> der weiterführenden Literatur nicht zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

Der Bereich der Lernkontrolle umfasst mehrere Aspekte. Gemäß Übersicht 5-11 (siehe<br />

Kapitel 5) s<strong>in</strong>d hiervon die Phase II, Wissensvertiefung und die Phase III, Wissenskontrolle<br />

betroffen. Lernkontrolle me<strong>in</strong>t sowohl die eigenverantwortliche Überprüfung des Wissensstandes<br />

durch den Lernenden, als auch die gezielte Erhebung durch die Lehrkraft. Hier<br />

spiegelt sich <strong>in</strong>sbesondere die Bestimmungsgröße ‚Integrative, offene Leistungsfeststellung’<br />

wider. In allen Phasen der Lernkontrolle ist der Schüler maßgeblich an der Bewertung se<strong>in</strong>er<br />

Leistung beteiligt, mit dem Ziel, dessen Wissensstand transparent und den weiteren Lernverlauf<br />

auch für den Schüler planbar zu machen.<br />

Auch bei der Ausgestaltung der Leittexte zeigt sich das facettenreiche Anwendungsgebiet<br />

e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>sgestaltung. Die Ausformulierung der Leittexte sollte<br />

auch hier die <strong>in</strong>dividuellen Lern- und Lehrvoraussetzungen wiedergeben, um so e<strong>in</strong>e<br />

bedarfsgerechte Schüler-Lehrer-Interaktion zu optimieren und für alle Beteiligten e<strong>in</strong>e<br />

effiziente Lernumgebung zu schaffen.<br />

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass e<strong>in</strong> situationsflexibles Vorgehen im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s Möglichkeiten sowohl für die Lernenden als auch die<br />

Lehrenden eröffnet, die mit e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong> traditionell ausgerichteten <strong>Unterricht</strong>skonzept nicht<br />

ausgeschöpft werden könnten.<br />

4.4.6 Problembereiche<br />

Trotz aller positiven Aspekte zeigen sich auch bei handlungsorientiert ausgelegten <strong>Unterricht</strong>skonzepten<br />

Problembereiche. Diese treten vor allem dann auf, wenn die durch Handlungsorientierung<br />

gebotenen Möglichkeiten nicht oder falsch angewendet werden. Mit e<strong>in</strong>er<br />

Überforderung der Lehrkraft ist <strong>in</strong>sbesondere dann zu rechnen, wenn die <strong>Unterricht</strong>svorbereitungen<br />

auf falschen Voraussetzungen seitens des Pädagogen beruhen. So kann e<strong>in</strong> wenig<br />

geübter, mit Handlungsorientierung kaum vertrauter Lehrer leicht an se<strong>in</strong>e Grenzen gelangen,<br />

wenn die <strong>Unterricht</strong>splanung große, für den Lehrenden unabwägbare Situationen herbeiführende<br />

Spielräume für die Auszubildenden vorsieht. ‚Unabwägbar’ bedeutet hier z. B. der<br />

unterschiedliche Arbeitsverlauf e<strong>in</strong>zelner Gruppen oder die Ausarbeitung verschiedener<br />

Lösungsstrategien, die e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Beurteilung durch die Lehrkraft bedürfen. Konkret<br />

heißt dies, dass Handlungsorientierung sowohl e<strong>in</strong>e pädagogische als auch e<strong>in</strong>e fachliche<br />

Überforderung mit sich br<strong>in</strong>gen kann, die bei der Planung des <strong>Unterricht</strong>s <strong>in</strong> Erwägung<br />

gezogen werden sollten.<br />

Oftmals ist auch e<strong>in</strong>e Überforderung auf Schülerseite gegeben, beispielsweise dann, wenn die<br />

Lernenden mit den zugestandenen Freiräumen nicht umzugehen wissen. Als Folge kann hier<br />

e<strong>in</strong>e Orientierungslosigkeit und e<strong>in</strong> daraus resultierendes Des<strong>in</strong>teresse auftreten, so dass das<br />

Erreichen der Handlungsziele gefährdet ist. E<strong>in</strong>e Überforderung ist vor allem dann zu<br />

erwarten, wenn die den Lernprozess unterstützenden Maßnahmen, beispielsweise die<br />

Leittexte, nicht auf die Lernvoraussetzungen der Schüler abgestimmt s<strong>in</strong>d. Im e<strong>in</strong>fachsten Fall<br />

s<strong>in</strong>d die Auszubildenden bereits mit dem Lesen der Leittexte oder weiterführender Literatur<br />

bzw. mit dem Umsetzen daraus entnehmbarer Informationen überlastet und können das für


4 Theoretische Grundlagen 45<br />

die Lösung der Aufgabe notwendige H<strong>in</strong>tergrundwissen nicht anwenden. E<strong>in</strong>e Überforderung<br />

kann aber auch aufgrund fachlicher Schwierigkeiten auftreten. Handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong> deckt derartige Probleme sehr schnell auf und macht diese dem Lernenden deutlich<br />

bewusst.<br />

Die sowohl von Lehrer- als auch von Schülerseite aus möglicherweise auftretenden „Diskrepanzen<br />

zwischen Lehrzielen des Lehrenden und Handlungszielen der Lernenden“ (Riedl<br />

2004a, S. 116) s<strong>in</strong>d oftmals nur durch e<strong>in</strong>e enge Führung der Schüler zu überw<strong>in</strong>den. Hier<br />

spielen Elemente e<strong>in</strong>es traditionellen <strong>Unterricht</strong>s e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle, die im Rahmen der<br />

hier angeführten Überlegungen ke<strong>in</strong>esfalls <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund treten sollen. Ziel e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s ist es, e<strong>in</strong>e Balance zwischen Instruktion durch den<br />

Lehrenden und Konstruktion durch die Lernenden zu f<strong>in</strong>den, was e<strong>in</strong>e Verknüpfung<br />

bewährter und neuer Konzepte voraussetzt. E<strong>in</strong>em ausgewogenem <strong>Unterricht</strong>skonzept steht<br />

aber nicht zuletzt e<strong>in</strong>e etwaige Überforderung der Beteiligten entgegen, oftmals wirken sich<br />

auch personelle Defizite, organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen oder die materielle Ausstattung<br />

der Schulen negativ auf e<strong>in</strong>e handlungsorientierte Lernumgebung aus.<br />

4.5 Zusammenfassung<br />

Kapitel 4 beschreibt den theoretischen H<strong>in</strong>tergrund zu dem <strong>in</strong> vorliegender Arbeit untersuchten<br />

<strong>Unterricht</strong>skonzept und versucht dieses h<strong>in</strong>sichtlich der Zielstellung der berufsschulischen<br />

Ausbildung <strong>in</strong>nerhalb lehr-lern-theoretischer Zusammenhänge zu verorten. Deshalb werden<br />

wesentliche Aspekte konträrer Paradigmen wie Kognitivismus und Konstruktivismus<br />

erläutert, um daraus die Handlungsorientierung als e<strong>in</strong>en möglichen Zugang zur Praxis zu<br />

def<strong>in</strong>ieren. Die Darstellung der Handlungsorientierung spiegelt die facettenreichen Ausgestaltungsmöglichkeiten<br />

wider, die sich <strong>in</strong> der Praxis zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgesetzt<br />

haben. Es lässt sich festhalten, dass sowohl tradierte als auch neuere <strong>Unterricht</strong>skonzepte ihre<br />

Berechtigung f<strong>in</strong>den und dass beide Positionen e<strong>in</strong>e ausgewogene Lernumgebung ausgestalten<br />

helfen, die sowohl den Lehrenden als auch den Lernenden gerecht wird. Bei der Umsetzung<br />

handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte wird <strong>in</strong>sbesondere die Zielperspektive<br />

beruflicher Bildung berücksichtigt. Während die Berufsschule auf die Vermittlung des<br />

Begründungswissens im Verbund mit Fakten- und Verfahrenswissen abzielt, stellt die<br />

betriebliche Ausbildung primär auf die Vermittlung von Verfahrenswissen und Faktenwissen<br />

ab. In H<strong>in</strong>blick auf diese Zielperspektive lassen sich solche Elemente – sowohl aus dem<br />

normativen als auch aus dem <strong>in</strong>terpretativen Paradigma – ableiten, die e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lernumgebung gerecht werden, um letztendlich die Lernumgebung an die <strong>in</strong>dividuellen<br />

Bedürfnisse der Beteiligten anzupassen.


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 45


46 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

5 BESCHREIBUNG DES UNTERSUCHUNGSFELDES<br />

Das folgende Kapitel beschreibt das gesamte Untersuchungsfeld. So stellt Kapitel 5.1 die<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor, auf welchen der untersuchte <strong>Unterricht</strong> basiert. Auf e<strong>in</strong>e genauere<br />

Betrachtung des Lerngebiets ‚Steuerungstechnik’ und des zugrunde liegenden Lehrplans <strong>in</strong><br />

Kapitel 5.2 folgt im weiteren Verlauf (Kapitel 5.3) e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong><br />

handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> im Forschungsfeld tatsächlich umgesetzt worden ist. Kapitel<br />

5.4 befasst sich e<strong>in</strong>gehend mit den im untersuchten <strong>Unterricht</strong> verwendeten Leittexten und<br />

rundet die Bestandsaufnahme ab. Kapitel 5.5 stellt e<strong>in</strong>e Beurteilung der <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lernumgebung dar. Abschließend wird Kapitel 5.6 die Ausführungen zusammenfassen.<br />

5.1 Organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen der Untersuchung<br />

Die vorliegende Untersuchung wird an der Staatlichen Berufsschule Weilheim durchgeführt.<br />

Das Konzept der Handlungsorientierung ist dort bereits seit dem Schuljahr 1991/92 etabliert,<br />

<strong>in</strong>sbesondere durch den Modellversuch ‘Fächerübergreifender <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> der Berufsschule’<br />

(vgl. Heimerer, Schelten, Schießl 1996, vgl. auch Kapitel 3). Demzufolge kann das Forschungsvorhaben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er, den Erfordernissen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s<br />

entsprechenden Lernumgebung ohne langwierige Vorbereitungen durchgeführt werden.<br />

Der <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule Weilheim f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zeltagesform statt. Die Schüler s<strong>in</strong>d<br />

somit an etwa e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Tagen der Woche <strong>in</strong> der Schule, während sie die restliche Arbeitswoche<br />

im Ausbildungsbetrieb verbr<strong>in</strong>gen. Das Untersuchungsvorhaben ist folglich an e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Tag der Woche gebunden und e<strong>in</strong>e genaue Planung des <strong>Unterricht</strong>s damit<br />

unumgänglich.<br />

Die Untersuchung wird im Schuljahr 1999/2000 im Lerngebiet Steuerungstechnik –<br />

Elektropneumatik des Berufsfeldes Metalltechnik für den Ausbildungsberuf des Industriemechanikers<br />

durchgeführt. Zu dieser Zeit bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Metalltechnik vier verschiedene<br />

Jahrgangsstufen <strong>in</strong> Ausbildung. Der <strong>Unterricht</strong> im oben genannten Lerngebiet wird <strong>in</strong> diesem<br />

Schuljahr von zwei Klassen der Jahrgangsstufe 12, mit <strong>in</strong>sgesamt 37 Schülern besucht, die<br />

drei Gruppen zugeordnet s<strong>in</strong>d. Während jeweils e<strong>in</strong>e Gruppe den Steuerungstechnikunterricht<br />

besucht, erhalten die anderen Gruppen <strong>in</strong> dieser Zeit <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> den Fächern ‚NC-Technik’<br />

und ‚Ergänzender fachtheoretischer <strong>Unterricht</strong>’. Es sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die<br />

Fachtheorie ke<strong>in</strong>e Inhalte der Steuerungstechnik vermittelt. Die folgende Übersicht verdeutlicht<br />

den Beschulungszyklus:<br />

Da die Auszubildenden für den Steuerungstechnikunterricht <strong>in</strong> drei Gruppen aufgeteilt<br />

werden, ist es möglich, die Lernstrecke im Pr<strong>in</strong>zip dreimal zu beobachten. Der erste Zyklus<br />

wird von e<strong>in</strong>em hauptamtlichen Lehrer der Berufsschule Weilheim durchgeführt und dient als<br />

Pilotphase. Hier werden erste E<strong>in</strong>drücke gewonnen, um den <strong>Unterricht</strong>sverlauf e<strong>in</strong>zuordnen.<br />

Der zweite und dritte Durchlauf der Lernstrecke dienen der Datenerhebung, wobei diese<br />

Zyklen durch e<strong>in</strong>en Mitarbeiter des Lehrstuhls für Pädagogik der Technischen Universität<br />

München organisiert und gestaltet werden. Dieser ist selbst Lehrer und mit der Inhalten der<br />

Steuerungstechnik bereits vertraut. Er ist <strong>in</strong> das Forschungsvorhaben e<strong>in</strong>gebunden, so dass<br />

hier e<strong>in</strong>e besondere Unterweisung nicht notwendig ist. Die Kommunikation zwischen<br />

‚Lehrer’ und Forscher wird dadurch erheblich erleichtert, untersuchungsbed<strong>in</strong>gte Fragen


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 47<br />

lassen sich schnell abklären. Aufgrund des komplexen Zugangs zum Forschungsfeld würde es<br />

sich äußerst schwierig gestalten, die Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>er Lehrkraft <strong>in</strong> Gang zu setzen,<br />

die mit dem Forschungsvorhaben noch nicht vertraut ist. Die Anleitungsphase würde zudem<br />

zu viel Zeit <strong>in</strong> Anspruch nehmen.<br />

Die nachfolgende Übersicht zeigt die zeitliche und fachliche E<strong>in</strong>teilung der Gruppen:<br />

Gruppe →<br />

Zeitraum ↓<br />

Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3<br />

17. Sept. bis 17. Dez. 1999 Steuerungstechnik NC-Technik<br />

21. Jan. – 31. Mär. 2000<br />

Ergänzender<br />

fachtheoretischer<br />

<strong>Unterricht</strong><br />

07. Apr. – 21. Jul. 2000 NC-Technik<br />

Ergänzender<br />

fachtheoretischer<br />

<strong>Unterricht</strong><br />

Steuerungstechnik NC-Technik<br />

Ergänzender<br />

fachtheoretischer<br />

<strong>Unterricht</strong><br />

Steuerungstechnik<br />

Übersicht 5-1: <strong>Unterricht</strong>sorganisation der 12. Jahrgangsstufen für die Fächer Steuerungstechnik,<br />

NC-Technik, Ergänzender fachtheoretischer <strong>Unterricht</strong><br />

Das Forschungsvorhaben mit Datenerhebung f<strong>in</strong>det vom 21. Januar 2000 bis 21. Juli 2000<br />

statt. Erfasst werden die Gruppen 2 und 3. Gruppe 1 dient – wie bereits oben erwähnt – e<strong>in</strong>er<br />

Voruntersuchung, um das Forschungsfeld kennen zu lernen. Die von der Untersuchung, d. h.<br />

von der Datenerhebung erfassten Gruppen werden nachfolgend mit Block 1 und 2 bezeichnet.<br />

5.2 Das Lerngebiet<br />

‚Steuerungstechnik – Pneumatik, Elektropneumatik’<br />

Mittlerweile s<strong>in</strong>d die Lehrpläne <strong>in</strong> nahezu allen Ausbildungsberufen nach Lernfeldern<br />

gegliedert. Dem <strong>Unterricht</strong> der hier beschriebenen Untersuchung liegt e<strong>in</strong> Lehrplan (1994/95)<br />

zugrunde, der nach der traditionellen Fächertrennung aufgebaut ist. Daher müssen relevante<br />

Lernziele extrahiert werden, um diese e<strong>in</strong>er komplexen Aufgabenstellung zugrunde zu legen<br />

und damit den Anforderungen moderner Lehrpläne Genüge zu tun.<br />

Die Steuerungstechnik mit den Themenbereichen Pneumatik und Elektropneumatik ist <strong>in</strong> den<br />

zum Zeitpunkt der Untersuchung gültigen Lehrplänen der Jahrgangsstufen 11 mit 13<br />

vorgesehen. In das Lerngebiet werden Lernziele aus mehreren fachlichen Fächern mit<br />

e<strong>in</strong>bezogen. Bereits Riedl (1998) beschreibt diese <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Ausrichtung. „In das drei<br />

Jahrgangsstufen umfassende Lerngebiet Steuerungstechnik lässt sich e<strong>in</strong> Großteil der<br />

<strong>in</strong>haltlich relevanten Lernziele des fachlichen <strong>Unterricht</strong>s aus den Fächern Fachtheorie,<br />

Praktische Fachkunde, Fachrechnen, Fachzeichnen/Arbeitsplanung ... <strong>in</strong>tegrieren“ (ebd., S.


48 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

76). Aber auch Inhalte anderer Fachgebiete s<strong>in</strong>d mit e<strong>in</strong>beziehbar, beispielsweise Inhalte des<br />

Deutschunterrichts oder auch der Datenverarbeitung. Nachfolgende Auszüge aus den<br />

Lehrplänen für Industriemechaniker stellen relevante Lernziele vor, die sich im weitesten<br />

S<strong>in</strong>ne der Steuerungstechnik zuordnen lassen und die <strong>in</strong> dem komplexen <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

umgesetzt werden könnten. Andere, <strong>in</strong> das <strong>Unterricht</strong>svorhaben nicht e<strong>in</strong>fließende Lernziele<br />

s<strong>in</strong>d anderen Fächern zugeordnet. Die Hydraulik wird z. B. nicht an der Staatlichen Berufsschule<br />

Weilheim unterrichtet, vielmehr f<strong>in</strong>den sich diesbezüglich wesentliche Inhalte <strong>in</strong> der<br />

Pneumatik bzw. Elektropneumatik wieder. Fachrechnen ist <strong>in</strong> dem hier untersuchten<br />

<strong>Unterricht</strong> ebenfalls nicht vorgesehen. Das Fach ‚Speicherprogrammierbare Steuerungen’<br />

wird im Rahmen der Ausbildung gesondert vermittelt. Diese Lernziele wirken „meist<br />

aufgesetzt, da sie sich nicht s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong> die Aufgabenstellung <strong>in</strong>tegrieren lassen. Sie werden<br />

daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen E<strong>in</strong>heit nicht handlungsorientiert vermittelt“ (Riedl 1998, S. 77). In<br />

dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> werden also nur Lernziele umgesetzt, die konsequent im<br />

Rahmen der Handlungssystematik verbleiben.<br />

Jahrgangsstufe 11<br />

Fachrichtung Fach Std. Nr. Lernziel<br />

alle FT 40 4.1 Kenntnis der Unterscheidungsmerkmale zwischen Steuern<br />

und Regeln<br />

4.2 Überblick über verschiedene Signal- und Energieträger<br />

4.3 Kenntnis des Aufbaus und der Funktionsweise von<br />

Steuerungen<br />

4.4 Kenntnis der Funktion und der Wirkungsweise ausgewählter<br />

Bauteile<br />

4.5 Fähigkeit, technische Problemstellungen steuerungsgerecht<br />

zu lösen<br />

4.6 Fähigkeit, Steuerungen nach Schaltplan/Stromlaufplan<br />

aufzubauen, zu überprüfen und zu verändern<br />

4.7 Bewusstse<strong>in</strong> der Notwendigkeit, sicherheitstechnische<br />

Maßnahmen <strong>in</strong> Steuerungen zu verwirklichen<br />

alle FR 12 4.1 Fähigkeit, Berechnungen zur Pneumatik durchzuführen<br />

4.2 Fähigkeit, Berechnungen zur Hydraulik durchzuführen<br />

alle FZ 8 4 Fähigkeit, Pläne auszuwerten und zu erstellen


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 49<br />

Jahrgangsstufen 12 / 13<br />

Fachrichtung Fach Std. Nr. Lernziel<br />

PT, BT, MS FT 63 4.1 E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> Anwendungsbereiche und Besonderheiten<br />

hydraulischer Steuerungen<br />

4.2 Kenntnis der Funktion und des Aufbaus hydraulischer<br />

Bauelemente und Baugruppen<br />

4.3 E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das Betriebsverhalten von hydraulischen<br />

Steuerungen<br />

Fähigkeit, Steuerungsprobleme durch E<strong>in</strong>satz der Hydraulik<br />

zu lösen<br />

4.4 Fähigkeit, hydraulische Steuerungen aufzubauen und zu<br />

überprüfen<br />

GF 50 4.1 Fähigkeit, Steuerungsprobleme durch den E<strong>in</strong>satz der<br />

Elektropneumatik zu lösen<br />

4.2 Fähigkeit, elektropneumatische Steuerungen aufzubauen<br />

und zu überprüfen<br />

alle 4.5 Überblick über E<strong>in</strong>satzbereiche und die Funktionsweise<br />

speicherprogrammierbarer Steuerungen<br />

4.6 E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die SPS-Programmierung<br />

4.7 Fähigkeit, SPS-Steuerungen zu programmieren<br />

PT, BT, MS FR 13 4 Fähigkeit, Berechnungen zur Hydraulik durchzuführen<br />

PT, BT, MS,<br />

GF<br />

5 4 Fähigkeit, Steuerungsprobleme durch logische Verknüpfungen<br />

zu lösen<br />

Legende: BT: Fachrichtung Betriebstechnik<br />

FR: Fachrechnen<br />

FT: Fachtheorie<br />

FZ: Fachzeichnen<br />

GF: Fachrichtung Geräte- und Fe<strong>in</strong>werktechnik<br />

MS: Fachrichtung Masch<strong>in</strong>en- und Systemtechnik<br />

Nr.: Bezifferung im Lehrplan<br />

PT: Fachrichtung Produktionstechnik<br />

Std.: Anzahl der Stunden<br />

Übersicht 5-2: Lehrplanauszug der 10. bis 13. Jahrgangsstufe.<br />

Aus: Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für <strong>Unterricht</strong>, Kultus, Wissenschaft und<br />

Kunst (1995).


50 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

5.3 Konzeption des <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Steuerungstechnikunterrichts<br />

Wie <strong>in</strong> Kapitel 4.4.2 beschrieben, kennzeichnen e<strong>in</strong>en handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

bestimmte Merkmale. Diese Bestimmungsgrößen umschreiben Riedl (1998, S. 54 ff.) und<br />

Schelten (2004, S. 182 ff.) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er möglichen Auflistung. An dieser Stelle soll nun versucht<br />

werden, diese Eigenschaften auf die Untersuchungsstrecke zu übertragen, um durch e<strong>in</strong>e<br />

Reflexion dieser theoretischen Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>e Art Bestandsaufnahme darzustellen,<br />

<strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e handlungsorientierte Lernumgebung im Forschungsprojekt tatsächlich<br />

umgesetzt wird.<br />

5.3.1 Bestimmungsgröße: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Die Komplexität der Aufgabenstellung zeigt sich nach Riedl (1998, S. 55) durch deren<br />

Vielschichtigkeit, den deutlichen Praxisbezug, den mehrere Tage oder Wochen umfassenden<br />

Verlauf und das E<strong>in</strong>beziehen von Lernzielen auch aus anderen Fächern. Dies wird heute <strong>in</strong><br />

fast allen Bereichen mit Hilfe von Lernfeldern umgesetzt. Um <strong>in</strong>sbesondere der komplexen<br />

Aufgabenstellung gerecht zu werden, wird der <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> dem hier vorliegenden Fall durch<br />

Leittexte gesteuert. Die <strong>in</strong> den Übersichten 5-4 und 5-7 weiter unten gezeigten Auszüge<br />

verweisen auf die dem <strong>Unterricht</strong> zugrunde liegende zentrale Aufgabenstellung, die Biegevorrichtung.<br />

Die verwendeten Unterlagen s<strong>in</strong>d folgendermaßen aufgebaut: E<strong>in</strong> zentrales Aufgabenblatt<br />

weist den Weg durch e<strong>in</strong>e Lerne<strong>in</strong>heit und enthält alle notwendigen Arbeitsanweisungen,<br />

Fragestellungen und H<strong>in</strong>weise, um e<strong>in</strong> <strong>in</strong> sich abgeschlossenes Thema bearbeiten zu können.<br />

Durch zusätzliche Aufgabenblätter und sowohl verpflichtende als auch fakultative Lehrer-<br />

Schüler-Gespräche wird die Thematik weiter vertieft. Die Schüler entscheiden selbst,<br />

<strong>in</strong>wieweit für sie zusätzliche Informationen durch den Lehrer erforderlich s<strong>in</strong>d, ob sie<br />

gegebenenfalls gruppenübergreifend kommunizieren oder etwaige Lücken durch vorhandene<br />

Literatur kompensieren. Im Gegensatz zu den bisherigen Leittexten wird auf obligatorische<br />

Wiederholungssequenzen weitestgehend verzichtet und auch hier mehr Schüleraktivität<br />

gefordert. Dies geschieht <strong>in</strong>sbesondere durch e<strong>in</strong> am Ende e<strong>in</strong>er Lerne<strong>in</strong>heit stehendes<br />

Wissenskontrollblatt, welches die Schüler auf noch vorhandene Wissensdefizite aufmerksam<br />

macht. Unklarheiten können auch hier wieder – der Denkweise der Schüler entsprechend –<br />

eigenständig oder mit Hilfe des Lehrers beseitigt werden. Anhand e<strong>in</strong>es Beispiels wird der<br />

Aufbau der Leittexte <strong>in</strong> Kapitel 5.4 explizit nachvollzogen. Zusätzlich ist der Leittext zu<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8 exemplarisch im Anhang abgebildet. Die übrigen Leittexte können am<br />

Lehrstuhl für Pädagogik der Technischen Universität München e<strong>in</strong>gesehen werden.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Leittexte werden jeweils e<strong>in</strong>er Lerne<strong>in</strong>heit zugeordnet. Der Kurs ‚Elektropneumatik’<br />

schließt an e<strong>in</strong>en Steuerungstechnikunterricht an, den die Schüler i. d. R. im<br />

vorhergehenden Schuljahr bereits durchlaufen haben. Dort werden die Grundlagen der<br />

Pneumatik anhand der Lerne<strong>in</strong>heiten 1 bis 5 vermittelt. E<strong>in</strong>zelheiten dazu s<strong>in</strong>d Riedl (1998, S.<br />

80 ff.) zu entnehmen. Der hier untersuchte <strong>Unterricht</strong> beg<strong>in</strong>nt mit Lerne<strong>in</strong>heit 6. Im Folgenden<br />

seien die vorgesehenen Themen abgebildet, e<strong>in</strong>schließlich der im Schuljahr zuvor zu<br />

bearbeitenden Inhalte:


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 51<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 1: Pneumatische Grundlagen I – Problemstellung zum Spannen<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 2: Pneumatische Grundlagen II – Biegevorrichtung<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 3: Bauteile der Pneumatik – Bauteilbestimmung<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 4: Pneumatische Grundlagen III – Erweiterung des Biegewerkzeugs<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 5: Arbeit mit Diagrammen – Weg-Schritt-Diagramm<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 6: Grundlagen der Elektropneumatik – Direkte/<strong>in</strong>direkte Schaltung<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 7: Grundlagen der Elektropneumatik – Reihen-, Parallelschaltung<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8: Signalspeicherung – Selbsthalteschaltung<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 9: Näherungsschalter – Sensoren<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 10: Gesamte Steuerung für die Biegevorrichtung – Zeitglieder<br />

Übersicht 5-3: Leittexte zum Lerngebiet Steuerungstechnik<br />

Die Lerne<strong>in</strong>heiten s<strong>in</strong>d so ausgelegt, dass Praxisbezug und theoretische Erarbeitung von<br />

Lern<strong>in</strong>halten <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander greifen. Das Aufbauen pneumatischer bzw. elektropneumatischer<br />

Anlagen am Steckbrett durch den Schüler gewährleistet stets den Synergismus von Theorie<br />

und Praxis. Noch deutlicher kann der Praxisbezug durch das oben bereits erwähnte, realitätsnahe<br />

Projekt „Biegevorrichtung“ dargelegt werden. Die Schüler haben hier die Möglichkeit,<br />

ihre bereits erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten an e<strong>in</strong>em Modell zu erproben, welches<br />

durch teilweise modifizierte Komponenten zu e<strong>in</strong>em herkömmliche Steckbrett e<strong>in</strong>en gewissen<br />

Grad an Transferdenken erfordert. Folgender Leittextauszug verdeutlicht das Projekt:


52 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

1.0<br />

Biegevorrichtung für Haltew<strong>in</strong>kel<br />

Lerne<strong>in</strong>heiten 8 – 10<br />

2.0<br />

Die vorhandene Anlage dient zum Biegen von Haltew<strong>in</strong>keln. Hierzu wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spannvorrichtung e<strong>in</strong><br />

Blechstreifen e<strong>in</strong>gelegt. Aus Sicherheitsgründen muss der Biegevorgang durch e<strong>in</strong> kurzes Signal mit<br />

beiden Händen gleichzeitig gestartet werden. Danach läuft er automatisch wie nachfolgend beschrieben ab:<br />

Zyl<strong>in</strong>der 1.0 spannt das Werkstück. Wenn dies erfolgt ist, biegt Zyl<strong>in</strong>der 2.0 den Blechstreifen vor.<br />

Zyl<strong>in</strong>der 3.0 biegt den Blechstreifen fertig. Zyl<strong>in</strong>der 3.0 soll dabei den gebogenen Haltew<strong>in</strong>kel 3 bis 5<br />

Sekunden andrücken (überbiegen). Der Haltew<strong>in</strong>kel kann entnommen werden, wenn Zyl<strong>in</strong>der 3.0 ganz<br />

zurückgefahren ist. Die Anlage ist dann wieder im Ausgangszustand und bereit für e<strong>in</strong>en neuen Biegevorgang.<br />

Durch den e<strong>in</strong>gebauten Not-Aus-Schalter muss die Anlage jederzeit abgeschaltet und <strong>in</strong> den<br />

Ausgangszustand gebracht werden können.<br />

In den kommenden Lerne<strong>in</strong>heiten 8 – 10 soll der Schaltplan für die Biegevorrichtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schritten entwickelt werden. Die jeweiligen Lerne<strong>in</strong>heiten bauen aufe<strong>in</strong>ander auf. Nach Lerne<strong>in</strong>heit 10<br />

muss e<strong>in</strong> funktionsfähiger Schaltplan vorliegen, nach dem die Anlage zu verkabeln ist und die oben<br />

beschriebene Funktion erfüllt.<br />

Übersicht: 5-4: Auszug aus dem Leittext der Lerne<strong>in</strong>heit 8 mit Abbildung der<br />

Biegevorrichtung (Riedl, Schuljahr 1999/2000)<br />

3.0


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 53<br />

Aufgabe der Biegevorrichtung ist es, e<strong>in</strong>en Blechstreifen als Haltw<strong>in</strong>kel im 90°-W<strong>in</strong>kel zu<br />

biegen. Dies erfolgt durch drei Zyl<strong>in</strong>der, deren Ansteuerung jeweils über verschiedenen<br />

Lerne<strong>in</strong>heiten vermittelt wird. Durch Zyl<strong>in</strong>der 1.0 wird das E<strong>in</strong>spannen des Blechstreifens<br />

realisiert. Zyl<strong>in</strong>der 2.0 führt die Vorbiegung aus. Zyl<strong>in</strong>der 3.0 vollendet den Biegevorgang<br />

und formt den Blechstreifen zu e<strong>in</strong>em 90°-W<strong>in</strong>kel. In Lerne<strong>in</strong>heit 8 steuern die Schüler den<br />

Spannzyl<strong>in</strong>der 1.0 an und erwerben Kenntnisse zur Signalspeicherung. Lerne<strong>in</strong>heit 9<br />

vermittelt die Ansteuerung des nächsten Zyl<strong>in</strong>ders 2.0 mit Hilfe von Näherungsschaltern.<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 10 steuert Zyl<strong>in</strong>der 3.0 mittels e<strong>in</strong>es Zeitrelais an. Am Ende aller drei Lerne<strong>in</strong>heiten<br />

wird damit die Inbetriebnahme der gesamten Anlage ermöglicht. E<strong>in</strong>e präzise Beschreibung<br />

der Aufgabenstellung zur Biegevorrichtung ist der Forschungsarbeit von Riedl (1998, S.<br />

124 ff.) zu entnehmen, daher wird auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>gehende Darstellung diesbezüglich verzichtet.<br />

E<strong>in</strong>e komplexe Aufgabenstellung zeigt sich im Rahmen dieses <strong>Unterricht</strong>s auch durch das<br />

E<strong>in</strong>beziehen fachübergreifender Lernziele. Dies bezieht sich <strong>in</strong>sbesondere auf Gegenstände<br />

des Deutschunterrichts. Da es die Bearbeitung der Leittexte erfordert, Informationen aus<br />

verschiedenen Quellen zusammenzuführen, wird e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung mit diverser<br />

Literatur vorausgesetzt und z. B. das Auswählen geeigneter Fachbücher oder der Umgang mit<br />

e<strong>in</strong>em Sachwortverzeichnis geschult. Texte müssen exzerpiert und analysiert werden oder<br />

aber Funktionsbeschreibungen der entworfenen Schaltungen s<strong>in</strong>d zu erstellen, wodurch das<br />

E<strong>in</strong>üben von Orthographie, Interpunktion und Stilistik erfolgt.<br />

Der Umgang mit dem Computer hilft den Schülern zudem, die hier erworbenen Fähigkeiten<br />

mit den Lern<strong>in</strong>halten aus dem Fach ‚Elektronische Datenverarbeitung’ zu verb<strong>in</strong>den und so<br />

effizienter profunde Kenntnisse auf diesem Gebiet zu erlangen.<br />

5.3.2 Bestimmungsgröße: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Wichtig für die hier aufgezeigte Untersuchung ist e<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzept, das <strong>in</strong> hohem Maße<br />

e<strong>in</strong>e Selbststeuerung des Schülers zulässt. Dazu müssen mehrere Komponenten <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander<br />

greifen, um diese Bestimmungsgröße Form werden zu lassen.<br />

Die Leittexte s<strong>in</strong>d – wie bereits oben erwähnt – so angelegt, dass die Auszubildenden selbst<br />

entscheiden, wann und von wem sie Hilfe e<strong>in</strong>fordern. Für die Lehrkraft ist es unerlässlich,<br />

sich <strong>in</strong> bestimmten Situationen bewusst zurückzuhalten, um so e<strong>in</strong>e Eigen<strong>in</strong>itiative von<br />

Schülern ausdrücklich zu begünstigen. Jedoch ist es auch erforderlich, verpflichtende<br />

Lehrergespräche festzulegen. E<strong>in</strong>e völlig freie Erarbeitung der Inhalte, ohne jegliche<br />

Rückmeldung, wird bei diesem <strong>Unterricht</strong>skonzept nicht verfolgt. H<strong>in</strong>zu kommt <strong>in</strong> diesem<br />

Falle e<strong>in</strong>e bezeichnende Kompetenz des Pädagogen, äußerst flexibel auf Fragen, Situationen,<br />

Probleme und unterschiedliche Lösungswege zu reagieren. Diese Form des <strong>Unterricht</strong>ens<br />

kann e<strong>in</strong>en erheblichen Druck bei der Lehrkraft erzeugen, allen Schülern <strong>in</strong> gleichem Maße<br />

gerecht zu werden. Dazu sei aber auf die Bestimmungsgröße ‚Beratende Lehrerrolle’ im<br />

Besonderen verwiesen.<br />

Um selbstgesteuertes Lernen mit ausgeprägten Freiheitsgraden außerdem zu begünstigen,<br />

müssen die Auszubildenden Zugang zu umfassendem Informationsmaterial haben, das von<br />

der Lehrkraft bereitgestellt wird. Für die untersuchte Lernumgebung steht primär gängige<br />

Literatur zur Verfügung, wie beispielsweise Fachkunde- und Tabellenbuch. Ergänzend dazu<br />

bietet e<strong>in</strong>e speziell auf die Steuerungstechnik zugeschnittene Fachliteratur weiteren E<strong>in</strong>blick<br />

<strong>in</strong> die Thematik, wie z. B. das Lehrbuch ‚E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Elektropneumatik’ der Festo


54 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Didactic KG (Meixner, Sauer 1987). Weiteres Informationsmaterial (Bundes<strong>in</strong>stitut für<br />

Berufsbildung 1992, 1993) legt wesentliche Inhalte der Steuerungstechnik entlang e<strong>in</strong>er<br />

beispielorientierten Systematik und e<strong>in</strong>es z. T. handlungssystematischen Aufbaus dar und<br />

umfasst zwei Bände:<br />

Band 1: Pneumatik – Pneumatische Steuerungen, Übungen für den Auszubildenden<br />

Band 2: Elektropneumatik – Elektrische Steuerungen für Pneumatik, Übungen für<br />

den Auszubildenden<br />

Im Folgenden soll der Aufbau dieser Unterlagen kurz vorgestellt werden. Die E<strong>in</strong>heiten zur<br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>er Thematik werden als Übungen bezeichnet, <strong>in</strong>nerhalb derer alle wesentlichen<br />

Bauste<strong>in</strong>e zur Erfassung des Themas e<strong>in</strong>fließen. E<strong>in</strong>e Übung zur Erläuterung beispielsweise<br />

des doppelt wirkenden Zyl<strong>in</strong>ders schließt gleichzeitig die Erarbeitung von 4/2- oder auch 5/2-<br />

Wegeventilen mit e<strong>in</strong>, weil <strong>in</strong> der Regel über diese Ventilarten e<strong>in</strong>e Ansteuerung des<br />

Zyl<strong>in</strong>ders <strong>in</strong> der Pneumatik erfolgt.<br />

Die Übung beg<strong>in</strong>nt stets mit e<strong>in</strong>er Aufgabenstellung, ohne vorherige Erklärungen. Zur<br />

Erleichterung der Bearbeitung werden Teile der Lösung bereits vorgegeben und genau<br />

angezeigt, welche Schritte der Auszubildende noch auszuführen hat. Meist s<strong>in</strong>d der Lageplan,<br />

Teile der Schaltung(en) und die Bezeichnung der benötigten Arbeitsmittel angegeben. Die<br />

Kategorie ‚Arbeitssicherheit’ ergänzt die Hilfestellungen. Im Anschluss daran werden<br />

Lernziele angegeben, so dass sich der Auszubildende über das von ihm geforderte Maß an<br />

Lernpensum <strong>in</strong>formieren kann. Die weiteren Angaben dienen dann der Information, hier<br />

können die notwendigen Inhalte zur Lösung der anfänglich gestellten Aufgabe herausgearbeitet<br />

werden.<br />

Zusätzliche, weiterführende Literatur, die nicht an jedem Arbeitsplatz zur Verfügung steht,<br />

wird von der Lehrkraft bei Bedarf ausgegeben oder ist an e<strong>in</strong>em zentralen Ort für jedermann<br />

zugänglich abgestellt. So werden beispielsweise bei Lerne<strong>in</strong>heit 9 ‚Näherungsschalter’ vom<br />

Lehrer weitere Informationsblätter ausgegeben, die den Schülern e<strong>in</strong>en vertieften E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />

die Thematik ermöglichen. Die Unterlagen werden leihweise ausgegeben und stehen nach der<br />

Bearbeitung der entsprechenden Aufgaben anderen Lernenden zur Verfügung.<br />

E<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur Selbststeuerung stellt die Bestimmung dar, den Gruppen die<br />

Entscheidung für den Zeitpunkt des Abschlusstests selbst zu überlassen. Jedoch kann e<strong>in</strong>e<br />

neue Lerne<strong>in</strong>heit erst begonnen werden, wenn die vorhergehende, e<strong>in</strong>schließlich Prüfung,<br />

vollständig abgeschlossen ist.<br />

5.3.3 Bestimmungsgröße: Innere Differenzierung<br />

Die <strong>in</strong>nere Differenzierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s zeichnet sich unter<br />

anderem dadurch aus, dass die unterschiedlichen Lerngeschw<strong>in</strong>digkeiten der Auszubildenden<br />

berücksichtigt werden können. Die Lernumgebung <strong>in</strong> dem hier untersuchten Feld erlaubt e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dividuelles Lernen <strong>in</strong> dem Maße wie die Schüler über e<strong>in</strong>e Note im Lernfortschritt – als<br />

Bestandteil der Gesamtnote – <strong>in</strong> Kenntnis gesetzt werden. Dennoch können die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Gruppen ihr eigenes Lerntempo weitestgehend selbst bestimmen, die Lehrkraft besteht nicht<br />

auf e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen <strong>Unterricht</strong>sverlauf. Dies bedeutet, dass sich jede Gruppe mit<br />

Rücksicht auf das <strong>in</strong>dividuelle Leistungsvermögen e<strong>in</strong>er bestimmten Thematik widmen kann.<br />

Zudem ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Betreuung der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen durch die Lehrkraft e<strong>in</strong>


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 55<br />

wesentliches Pr<strong>in</strong>zip der <strong>Unterricht</strong>sgestaltung. Die Lernenden haben jederzeit die Gelegenheit<br />

ihn bei etwaigen Problemen zu e<strong>in</strong>em Gespräch zu bitten. Es besteht die Möglichkeit,<br />

leistungsschwächere Gruppen verstärkt zu fördern und für diese mehr Zeit zu erübrigen. Im<br />

Gegenzug dazu bedarf es bei leistungsstärkeren Schülern oft e<strong>in</strong>es ger<strong>in</strong>geren Betreuungsaufwandes,<br />

so dass hier e<strong>in</strong> zeitlicher Ausgleich geschaffen wird.<br />

E<strong>in</strong> abgestuftes Schwierigkeits- und Abstraktionsniveau <strong>in</strong>nerhalb der Aufgabenstellung – e<strong>in</strong><br />

weiteres mögliches Kriterium der <strong>in</strong>neren Differenzierung – ist hier nicht vorgesehen, die<br />

Themen und Aufträge s<strong>in</strong>d von allen Lernenden <strong>in</strong> gleicher Weise zu bearbeiten.<br />

5.3.4 Bestimmungsgröße: Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Die Beurteilung der Schülerleistung erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Datengrundlagen.<br />

Die Abschlussnote setzt sich demnach aus mehreren Teilnoten zusammen, die sowohl aus<br />

Gruppen- als auch aus Individualleistungen ermittelt werden. Die Abschlusstests der<br />

Lerne<strong>in</strong>heiten bilden e<strong>in</strong>e erste wichtige Bewertungsgrundlage. Neben den Testnoten fließen<br />

auch die Beurteilungen der von den Schülern erstellten Unterlagen <strong>in</strong> die Gesamtnote mit e<strong>in</strong>,<br />

wobei diese Arbeitsdokumentationen pro Gruppe nur e<strong>in</strong>mal abgegeben werden müssen<br />

(Arbeitsbeurteilung). Die dritte Teilnote ergibt sich aus dem Lernfortschritt des e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schülers. Hier ist zu bemerken, dass die beiden letztgenannten Beurteilungspfeiler e<strong>in</strong>e<br />

Gruppenleistung widerspiegeln, der Schüler ist für diese Teilaspekte demnach nicht alle<strong>in</strong>e<br />

verantwortlich.<br />

E<strong>in</strong>e konstruktivistisch ausgerichtete Lernumgebung erwartet e<strong>in</strong>en Handlungsbezug auch <strong>in</strong><br />

der Prüfungssituation. So werden bei den Abschlusstests der Lerne<strong>in</strong>heiten 8 mit 10 neben<br />

theoretischen Inhalten auch deren Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis gefordert. Die Abschlusstests 6<br />

und 7 umfassen lediglich das Lösen von Aufgaben auf theoretischer Basis. Ab Abschlusstest<br />

8 müssen zuerst die theoretischen Aufgaben bearbeitet werden, anschließend erfolgt deren<br />

praktische Umsetzung. Dabei s<strong>in</strong>d unterschiedliche Vorgehensweisen vorgesehen. Bei<br />

Abschlusstest 8 ist nach der Bearbeitung der theoretischen Aufgaben die Lehrkraft h<strong>in</strong>zuzuziehen,<br />

um die entworfenen Schaltungen noch vor deren Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis prüfen zu<br />

lassen. Die Abschlusstests 9 und 10 fordern die vollständige Alle<strong>in</strong>erarbeitung der Aufgabenstellung,<br />

das E<strong>in</strong>greifen der Lehrkraft ist nicht vorgesehen.<br />

Die Auszubildenden entscheiden selbst, wann sie e<strong>in</strong>en Test ablegen wollen. Vor dem<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die nächste Lerne<strong>in</strong>heit muss allerd<strong>in</strong>gs der Abschlusstest der vorausgehenden<br />

E<strong>in</strong>heit bearbeitet werden. In der Regel durchlaufen alle Gruppenmitglieder die entsprechenden<br />

Tests zum gleichen Zeitpunkt, allerd<strong>in</strong>gs jeder für sich. Zur Durchführung der praktischen<br />

Aufgaben werden vorübergehend Arbeitsplätze anderer Gruppen belegt, damit jeder Schüler<br />

se<strong>in</strong>en eigenen Praxisarbeitsplatz zur Verfügung hat. Die Lehrkraft, aber auch der den<br />

<strong>Unterricht</strong> begleitende Forscher achten darauf, dass die Schüler ihre Aufgaben selbstständig<br />

lösen. Während der Testbearbeitung läuft der <strong>Unterricht</strong> der anderen Gruppen ungestört<br />

weiter, lediglich der e<strong>in</strong>e oder andere Praxisarbeitsplatz steht kurzfristig nicht zur Verfügung.<br />

Das <strong>Unterricht</strong>skonzept sieht vor, auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe Tests zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten durchzuführen. Dies ist oftmals dann der Fall, wenn e<strong>in</strong> Schüler beispielsweise<br />

angehalten ist, Versäumtes nachzuholen oder wenn sich <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe unterschiedliche<br />

Bearbeitungsstände aufgrund e<strong>in</strong>er veränderten Gruppenzusammensetzung entwickeln.


56 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Die betroffenen Schüler werden nicht gezwungen, <strong>in</strong>haltskonform mit ihren Partnern zu<br />

arbeiten.<br />

Wenn es der zeitliche Rahmen zulässt, werden die Tests sofort nach der Bearbeitung<br />

korrigiert. Der Schüler hat bei allen Leistungsfeststellungen die Möglichkeit, die Beurteilung<br />

se<strong>in</strong>er Leistungen, <strong>in</strong>sbesondere die Beurteilung se<strong>in</strong>er Abschlusstests mit zu verfolgen und<br />

gegebenenfalls weitere Erläuterungen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Jede festgelegte Note wird mit den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schülern besprochen und deren Zustandekommen aufgezeigt.<br />

Die gesamte Prüfungssituation ist so ausgelegt, dass die Leistungsmessung persönlichkeitsbezogen<br />

erfolgen kann. Im Zuge e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Differenzierung kann dem Lernenden dann se<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dividueller Leistungs- und Entwicklungsstand aufgezeigt und der weitere Lernprozess<br />

bereits während des Prüfungsprozederes gemäß den Voraussetzungen fortgeführt werden, so<br />

dass hier <strong>in</strong> hohem Maße e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividualdiagnostische Beurteilung gegeben ist.<br />

Nachfolgend sei e<strong>in</strong> Test abgebildet (Abschlusstest 8), der praktische Aufgaben be<strong>in</strong>haltet<br />

und aufzeigt, wie e<strong>in</strong>e Interaktion Lehrer – Schüler auch im Prüfungsverfahren erfolgen kann.<br />

Die Bewertung der Arbeitsunterlagen genügt kriterienorientierten Grundsätzen. So wird hier<br />

die tatsächliche Bearbeitungsqualität der Sachanforderungen bewertet. Die Bewertung des<br />

Lernfortschritts stützt sich sowohl auf kriterienorientierte als auch <strong>in</strong>dividualdiagnostische<br />

Betrachtungen, da hier die vom E<strong>in</strong>zelnen erreichte Lerne<strong>in</strong>heit berücksichtigt wird. Die<br />

Lernstrecke ist so ausgelegt, dass die Schüler selbst bei e<strong>in</strong>em langsamen Fortkommen alle<br />

wesentlichen Aspekte der <strong>in</strong> diesem Kurs zu vermittelnden Inhalte aufnehmen können,<br />

obgleich leistungsstärkere Schüler bei Durchlaufen des gesamten Lernangebots e<strong>in</strong>e solidere<br />

fachliche Grundlage aufweisen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich e<strong>in</strong> verme<strong>in</strong>tlicher<br />

Gleichstand, den Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> erreichen, nur auf die von der<br />

Lehrkraft abgehandelten Inhalte bezieht. Inwieweit e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher Wissensstand bei den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Lernenden tatsächlich erreicht wird, bleibt ungeklärt.


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 57<br />

Steuerungstechnik – Elektropneumatik: Abschlusstest LE 8a ___________<br />

Zugelassene Hilfsmittel: Tabellenbuch Name/Klasse<br />

Halten Sie sich genau an die Aufgabenschritte, da die genaue Ausführung bewertet wird!<br />

1. Aufgabe:<br />

Bauen Sie e<strong>in</strong>e Steuerung auf, die genau<br />

dem skizzierten Pneumatikplan entspricht.<br />

Zeigen Sie die Steuerung dem Lehrer.<br />

2. Aufgabe:<br />

Für die aufgebaute Steuerung müssen Sie e<strong>in</strong>e Schaltung mit folgender Funktion entwerfen:<br />

Durch e<strong>in</strong> kurzes Signal e<strong>in</strong>es Tasters S1 soll der doppelt wirkende Zyl<strong>in</strong>der langsam abluftgedrosselt<br />

ausfahren. In der vorderen Endlage betätigt der Zyl<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en mechanischen Grenztaster.<br />

Durch dieses Signal fährt der Zyl<strong>in</strong>der schnell wieder e<strong>in</strong> (die Klemmenbezeichnungen<br />

können für die e<strong>in</strong>zelnen Bauteile weggelassen werden).<br />

Weitere Bed<strong>in</strong>gung für diese Steuerung: Der Zyl<strong>in</strong>der 1.0 betätigt <strong>in</strong> ausgefahrenem Zustand<br />

S2. Wenn dabei gleichzeitig S1 gedrückt wird, soll das 5/2-Wegemagnetventil umsteuern.<br />

+24V<br />

0V<br />

3. Aufgabe:<br />

Verkabeln Sie die aufgebaute Schaltung genau nach dem entworfenen Schaltplan. Holen Sie vor<br />

dem Ausprobieren den Lehrer. Die Schaltung darf nur im Beise<strong>in</strong> des Lehrers ausprobiert<br />

werden.<br />

4. Mündliche Befragung zur Schaltung durch den Lehrer<br />

Übersicht 5-5: Abschlusstest der Lerne<strong>in</strong>heit 8, (Riedl, Schuljahr 1999/2000)<br />

Y1<br />

40%<br />

S2


58 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

5.3.5 Bestimmungsgröße: Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen kann dadurch gefördert werden, dass die<br />

Auszubildenden beispielsweise <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Gruppen arbeiten. Im hier untersuchten <strong>Unterricht</strong><br />

ergibt sich die Gruppene<strong>in</strong>teilung wie folgt:<br />

Block 1: 5 Gruppen mit je 2 Schülern<br />

1 Gruppe mit 3 Schülern<br />

Block 2: 4 Gruppen mit je 2 Schülern<br />

1 Gruppe mit 3 Schülern<br />

⎬<br />

⎬<br />

n = 13<br />

n = 11<br />

Die Gruppen f<strong>in</strong>den sich am Anfang der Lernstrecke von selbst. Bei Unstimmigkeiten greift<br />

der Lehrer e<strong>in</strong> und übernimmt die Aufteilung. Besondere Umstände berücksichtigt der Lehrer,<br />

<strong>in</strong>dem er Vorschläge zur Gruppenf<strong>in</strong>dung macht. Beispielsweise f<strong>in</strong>den sich im zweiten<br />

Block nur drei Auszubildende mit e<strong>in</strong>er fundierten Erfahrung sowohl mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

als auch mit der Steuerungstechnik. Daher sollen diese Schüler zusammenarbeiten<br />

und e<strong>in</strong>e Dreiergruppe bilden.<br />

Der Klassenverband <strong>in</strong> herkömmlichem S<strong>in</strong>ne ist damit aufgelöst. Die Schüler haben die<br />

Möglichkeit der Kommunikation zur Erleichterung der Informationsbeschaffung und<br />

Aufgabenbearbeitung. Die Interaktion soll <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> nicht nur <strong>in</strong>nerhalb der<br />

e<strong>in</strong>zelnen Gruppen oder mit der Lehrkraft praktiziert werden, auch das gruppenübergreifende<br />

Gespräch wird gefördert. Die Schüler bestimmen daher eigenverantwortlich, ob und mit wem<br />

sie bei der Bearbeitung der Aufgaben und bei etwaigen Problemen kooperieren.<br />

‚Kommunikation’ wird im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es lexikalischen Begriffs als Prozess der Mitteilung, als<br />

wechselseitiger Austausch von Gedanken, Me<strong>in</strong>ungen, Wissen, Erfahrungen und Gefühlen<br />

sowie als e<strong>in</strong>e Form der Übertragung von Nachrichten und Informationen (neben der Sprache<br />

durch Zeichen aller Arten) def<strong>in</strong>iert. Diese Begriffsbestimmung soll e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck<br />

vermitteln, wie Kommunikation im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzepts<br />

verstanden werden kann. Die Schüler haben neben dem fachlichen Gespräch die Möglichkeit,<br />

Zweifel und Ängste, aber auch Freudiges mitzuteilen, zu besprechen, Ideen zu diskutieren und<br />

über diese Rückmeldungen den Lernprozess anzuregen, die Lernwirksamkeit zu steigern.<br />

Gerade die besondere Ausprägung von ‚Kommunikation und Kooperation’, wie sie <strong>in</strong> dem<br />

untersuchten <strong>Unterricht</strong> ermöglicht wird, spricht die unterschiedlichsten Lerncharaktere an, so<br />

dass sich jeder Lernende auf se<strong>in</strong>e, ihm angemessene Weise mit dem fachlichen Inhalt<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen kann.<br />

Veränderungen <strong>in</strong> den Gruppenzusammensetzungen werfen Fragen der Organisation auf,<br />

doch werden begründete Änderungswünsche ermöglicht. Allerd<strong>in</strong>gs ergeben sich oft<br />

zwangsweise neue Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften, beispielsweise dann, wenn e<strong>in</strong>zelne Schüler nicht<br />

am <strong>Unterricht</strong> teilnehmen. Anwesende Lernende könnten dann ggf. alle<strong>in</strong>e weiterarbeiten,<br />

grundsätzlich wird die Entscheidung aber den Schülern selbst überlassen, wie der weitere<br />

Ablauf gestaltet werden soll. Meist schließt sich e<strong>in</strong> Betroffener e<strong>in</strong>er anderen Gruppe an,<br />

wobei die Lehrkraft aber auf die Zweckmäßigkeit der neuen Gruppenzusammensetzung<br />

achtet. Zum Beispiel würden drastische Unterschiede der Wissensstände e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit<br />

entgegenstehen. Hier wäre nach e<strong>in</strong>er anderen Lösung zu suchen. Generell ist bei


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 59<br />

Entscheidungen dieser Art der E<strong>in</strong>zelfall zu betrachten und e<strong>in</strong> auf den E<strong>in</strong>zelnen abgestimmtes<br />

Vorgehen zu bevorzugen. Zur Gruppenaufteilung im Verlauf der Lernstrecke siehe Kapitel<br />

7, Übersicht 7-5.<br />

5.3.6 Bestimmungsgröße: Beratende Lehrerrolle<br />

In den beobachteten <strong>Lernprozesse</strong>n tritt die Lehrkraft <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, da sie nicht mehr<br />

die Rolle des zentralen Wissensvermittlers übernimmt. Sie wird zum Organisator, Initiator<br />

sowie hauptsächlich Berater im <strong>Unterricht</strong>. Bemerkenswert dabei ist <strong>in</strong>sbesondere, dass die<br />

Lehrkraft den Auszubildenden ständig Rückmeldungen über deren Lernfortschritt <strong>in</strong><br />

Fachgesprächen gibt. Bei etwaigen Fragen ist der Pädagoge stets <strong>in</strong> der Lage diese zu<br />

beantworten bzw. die Schüler über Gespräche zur selbstständigen Problemlösung anzuleiten.<br />

Sobald die Schüler von der Musterlösung abweichende Strategien entwickeln, werden diese<br />

von der Lehrkraft nachvollzogen und ggf. korrigiert bzw. als richtig befunden. Hierbei<br />

entwickeln sich häufig fruchtbare Fachgespräche zwischen der Lehrkraft und den Schülern,<br />

die zum Teil <strong>in</strong> dieser Form nicht e<strong>in</strong>geplant waren, den Lernfortschritt aber erheblich<br />

steigern.<br />

Diese Form des <strong>Unterricht</strong>ens und die der Lehrkraft neu zugedachte Rolle können allerd<strong>in</strong>gs<br />

e<strong>in</strong>en erheblichen Druck bei dieser erzeugen, will sie allen Schülern <strong>in</strong> gleichem Umfang<br />

gerecht werden muss. Bereits bei e<strong>in</strong>er Klassengröße von 11 bzw. 13 Schülern, wie sie die<br />

hier beschriebene <strong>Unterricht</strong>ssituation zeigt, ist die Lehrkraft stark gefordert und permanent<br />

im E<strong>in</strong>satz. Der Pädagoge muss demnach nicht nur se<strong>in</strong>e fachliche Kompetenz unter Beweis<br />

stellen, auch se<strong>in</strong> pädagogisch-psychologischen Wissen wird <strong>in</strong> besonderem Maße gefordert.<br />

Es gilt spontane Entscheidungen über Ablaufprozesse zu fällen, beispielsweise welche<br />

Schüler vorrangig unterstützt werden müssen, welche Lernenden <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, auf die<br />

e<strong>in</strong>geforderte Hilfe vorerst verzichten zu können, welche Art der Unterstützung überhaupt<br />

zweckmäßig ist usw. Im Laufe der <strong>Unterricht</strong>sstrecke lernt der Lehrer die Schüler immer<br />

besser kennen und kann sich so auf jeden E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>stellen. Inwieweit der Pädagoge<br />

flexibel auf Aktionen des E<strong>in</strong>zelnen reagiert, hängt demgemäß <strong>in</strong>sbesondere von dessen<br />

<strong>in</strong>dividuellen Voraussetzungen ab. Unmotivierte Auszubildende erfahren beispielsweise bei<br />

etwaigen Fragen e<strong>in</strong> anderes Feedback als dies bei engagierten Schülern der Fall ist. Der<br />

Lehrer hat diesbezüglich stets e<strong>in</strong>en Balanceakt zwischen fachlicher Unterstützung e<strong>in</strong>erseits<br />

und Motivation der Schüler andererseits zu leisten.<br />

5.3.7 Bestimmungsgröße: Handlungssystematisches Vorgehen<br />

Um e<strong>in</strong>e wohl geplante Lernumgebung zu gewährleisten, bietet es sich im <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong> an, anhand e<strong>in</strong>er Handlungssystematik über e<strong>in</strong>e hierarchisch-sequentielle<br />

Handlungsregulation aufzubauen und die geplanten theoretischen Lern<strong>in</strong>halte mit Bezug auf<br />

die Handlungsregulation umzusetzen. Nachfolgende Abbildung zeigt e<strong>in</strong>en Ausschnitt e<strong>in</strong>er<br />

Handlungsregulation, der der untersuchte <strong>Unterricht</strong> folgt.


60 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Legende:<br />

Biegevorgang<br />

Ansteuerung<br />

Planungs- und Handlungsprogramm<br />

hervorbr<strong>in</strong>gende Vorgänge<br />

Vergleichsvorgang<br />

Ziele<strong>in</strong>heit: Planungs- bzw.<br />

Handlungse<strong>in</strong>heit<br />

Werkstück vorbiegen<br />

(Lerne<strong>in</strong>heit 9: Vorbiegezyl<strong>in</strong>der)<br />

Werkstück e<strong>in</strong>spannen<br />

(Lerne<strong>in</strong>heit 8:<br />

Spannzyl<strong>in</strong>der)<br />

Zyklische E<strong>in</strong>heit<br />

Fortsetzen der<br />

Handlungsregulation<br />

Spannzyl<strong>in</strong>der<br />

ansteuern<br />

Informieren über<br />

Schaltungslösung<br />

Biegevorrichtung<br />

analysieren<br />

Übersicht 5-6: Ausschnitt aus der verwendeten Handlungsregulation im untersuchten<br />

<strong>Unterricht</strong> (Riedl, Schuljahr 1999/2000)<br />

Funktion<br />

beschreiben<br />

Steuerung<br />

verkabeln<br />

Stromlaufplan<br />

zeichnen<br />

SHS<br />

erarbeiten<br />

Infomaterial<br />

besorgen/sichten<br />

Gesamtlsg.<br />

besprechen<br />

Bewegungen<br />

beschreiben<br />

Anlagenaufbau<br />

dokumentieren<br />

Bauteile<br />

bestimmen<br />

Simulation<br />

Zeichnen<br />

mit SCAD<br />

Handskizze<br />

Speicherarten<br />

erarbeiten<br />

SHS<br />

verkabeln<br />

Signalspeicherung<br />

beschreiben<br />

W S D<br />

zeichnen<br />

Gespräch<br />

mit Lehrer<br />

Besprechen<br />

mit Lehrer<br />

Bauteile<br />

auflisten


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 61<br />

„E<strong>in</strong>e Handlungsregulation äußert sich <strong>in</strong> der Bildung von Zielen und untergliederten<br />

Teilzielen, die schließlich durch e<strong>in</strong>zelne Bewegungshandlungen erreicht werden. Die Ziele<br />

und untergliederten Teilziele steuern und regeln als <strong>in</strong>nere Vorstellungen äußere Handlungsabläufe<br />

(Schelten 2000, S. 81). Die Handlungsregulation, aus der obiger Ausschnitt entstammt,<br />

fordert als oberstes Ziel die Ansteuerung der <strong>in</strong> Kapitel 5.3.1 vorgestellten Biegevorrichtung.<br />

Betrachtet wird <strong>in</strong> Lerne<strong>in</strong>heit 8 jedoch vorerst nur die Ansteuerung des Spannzyl<strong>in</strong>ders.<br />

Vergleiche dazu im Anhang den dort abgebildeten Leittext zu Lerne<strong>in</strong>heit 8.<br />

Die Ansteuerung des Spannzyl<strong>in</strong>ders erfordert vorausgehend die Analyse der gesamten<br />

Biegevorrichtung. Dieses Handlungsprogramm f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dem unten gezeigten Arbeitsblatt<br />

unter Aufgabe 1. Um die geforderte Analyse durchführen zu können, müssen vorab die<br />

Bauteile bestimmt (vgl. Aufgabe 1.a) und der Anlagenaufbau dokumentiert werden (vgl.<br />

Aufgabe 1.b). Anschließend s<strong>in</strong>d die Verfahrbewegungen der Zyl<strong>in</strong>der festzulegen (Aufgabe<br />

1.c). Aufgabe 1.d) weist darauf h<strong>in</strong>, dass die Lösungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fachgespräch zwischen der<br />

Lehrkraft und den Schülern zu besprechen s<strong>in</strong>d. Jede dieser Handlungse<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong>itiiert e<strong>in</strong>en<br />

neuen Kreislauf, bed<strong>in</strong>gt durch die nachfolgenden Programme. Verfolgt man die E<strong>in</strong>heit<br />

‚Bewegung beschreiben’ weiter, so wird sichtbar, dass den Auszubildenden das Weg-Schritt-<br />

Diagramm durch e<strong>in</strong> Gespräch mit der Lehrkraft nahe geführt wird. Aufgabe 1.c) be<strong>in</strong>haltet<br />

demnach Handlungse<strong>in</strong>heiten mehrerer Stufen, zum e<strong>in</strong>en – wie bereits erwähnt – die E<strong>in</strong>heit<br />

‚Bewegungen beschreiben’, andererseits wird festgelegt, wie die Beschreibung erfolgen soll,<br />

nämlich mit Hilfe e<strong>in</strong>es Weg-Schritt-Diagramms. Damit wird die nächst tiefer liegende Ebene<br />

mit e<strong>in</strong>bezogen. Die nach oben gerichteten Pfeile deuten die Schließung des Kreislaufes an,<br />

was im S<strong>in</strong>ne der Handlungsregulation als Vergleichsschritt zu werten ist. „Sobald e<strong>in</strong>e<br />

geplante Handlungse<strong>in</strong>heit durchgeführt ist, wird mit der übergeordneten Ziel-<br />

Handlungse<strong>in</strong>heit (Soll) verglichen, ob der erreichte Ist-Zustand mit dem geplanten Soll-<br />

Zustand übere<strong>in</strong>stimmt“ (Schelten 2000, S. 82). Es ist dann durchaus möglich, weitere<br />

Schritte abwärts zu verfolgen. Dies entspräche e<strong>in</strong>er Ausarbeitung der Handlungsregulation<br />

bis <strong>in</strong>s kle<strong>in</strong>ste Detail. Der E<strong>in</strong>heit ‚Weg-Schritt-Diagramm würde nachfolgend die Stufe der<br />

Bewegungse<strong>in</strong>heiten folgen. In obigem Ausschnitt s<strong>in</strong>d diese nicht angegeben. Der Begriff<br />

‚Bewegungse<strong>in</strong>heit’ verdeutlicht bereits die dah<strong>in</strong>ter liegende Absicht, die zur Vollendung der<br />

Aufgabe ablaufenden Bewegungen näher auszuführen. E<strong>in</strong>e Darstellung e<strong>in</strong>zelner Abläufe bis<br />

<strong>in</strong>s letzte Detail ist allerd<strong>in</strong>gs für e<strong>in</strong>e Lernzielverortung unnötig und wird hier nicht näher<br />

beleuchtet.<br />

Die Handlungsregulation dient der Planung des <strong>Unterricht</strong>s und stellt sicher, dass dieser<br />

handlungssystematisch aufgebaut ist. Trotzdem gilt es zu beachten, dass die Theorie der<br />

Handlungsregulation lediglich über e<strong>in</strong>e „e<strong>in</strong>geschränkte Erklärungsreichweite“ verfügt, da<br />

sie nur den kognitiven, „bewusst rational denkenden Menschen“ berücksichtigt. „Fragen nach<br />

der Motivation und Emotion als Steuerungsgrößen beim Handeln werden ausgeklammert“<br />

(ebd., S. 83).


62 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8: Signalspeicherung<br />

Ansteuern des Spannzyl<strong>in</strong>ders der Biegevorrichtung<br />

Diese Lerne<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong> erster Schritt, um e<strong>in</strong>e komplette Schaltung für die vorgestellte Biegevorrichtung<br />

zu entwickeln. Nachfolgende Lerne<strong>in</strong>heiten bauen darauf auf. Speichern Sie ihre entworfenen Schaltpläne<br />

und Funktionsbeschreibungen so, dass sie später verändert werden können. Dabei sparen Sie Arbeit.<br />

Wenn Sie später auf bereits vorhandene, richtige Schaltpläne zurückgreifen, vermeiden Sie zudem Fehler,<br />

die sich beim Neuzeichnen e<strong>in</strong>schleichen können.<br />

Ihr Arbeitsteam hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt folgende Aufgaben:<br />

1. Analyse der aufgebauten Biegevorrichtung<br />

Verdeutlichen Sie sich die Funktion der Biegevorrichtung.<br />

a) Listen Sie alle <strong>in</strong> der vorgefundenen Anlage verwendeten Bauteile der Steuerung mit ihrer<br />

korrekten Bezeichnung auf. Stellen Sie die Auflistung dem Lehrer vor.<br />

b) Zeichnen Sie für die vorgefundene Anlage vorerst nur den Pneumatikplan.<br />

c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm für die Verfahrbewegungen der drei Zyl<strong>in</strong>der mit den<br />

Signall<strong>in</strong>ien für den Spannzyl<strong>in</strong>der (Vorlage „Weg-Schritt-Diagramm“).<br />

d) Besprechen Sie Ihre Lösung mit dem Lehrer.<br />

2. Informieren über e<strong>in</strong>e mögliche Schaltungslösung<br />

Informieren Sie sich über Möglichkeiten der Signalspeicherung. Bearbeiten Sie das<br />

„Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“.<br />

3. Elektropneumatische Ansteuerung des Zyl<strong>in</strong>ders zum Spannen der Werkstücke<br />

a) Entwerfen Sie die geforderte Schaltung für den Spannzyl<strong>in</strong>der. Zeichnen Sie dafür zu dem <strong>in</strong><br />

Aufgabe 1b bereits gezeichneten Pneumatikplan den Stromlaufplan dazu.<br />

b) Bauen Sie die Steuerung für den Spannzyl<strong>in</strong>der am Steckbrett auf und zeigen Sie die<br />

funktionsfähige Schaltung dem Lehrer.<br />

c) Beschreiben Sie schriftlich die genaue Funktion der Steuerung für den Spannzyl<strong>in</strong>der.<br />

Für die gesamte Arbeit stehen Ihnen Tabellenbuch, Fachbuch, bisherige Aufzeichnungen und die<br />

Steuerungstechnik-Literatur (grüne Arbeitshefte, FESTO-Unterlagen) zur Verfügung. Schaltplan,<br />

Funktionsbeschreibung und die bearbeiteten Blätter zu den jeweiligen Aufgabenteilen müssen<br />

abschließend zur Bewertung abgegeben werden. Nach dem selbstständigen „Wissen überprüfen und<br />

vertiefen“ (Blatt im Unterlagenordner) folgt e<strong>in</strong> Abschlusstest zur Lerne<strong>in</strong>heit „Signalspeicherung“.<br />

Übersicht 5-7: Auszug aus dem Leittext der Lerne<strong>in</strong>heit 8 (Riedl, Schuljahr 1999/2000)


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 63<br />

5.3.8 Bestimmungsgröße: Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Für e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraum wird sowohl ausreichend Platz für das Erarbeiten<br />

theoretischer Zusammenhänge, als auch Raum für deren praktische Umsetzung benötigt.<br />

Folgende Beschreibung zeigt auf, wie diese Bed<strong>in</strong>gungen an der Berufsschule Weilheim<br />

verwirklicht werden.<br />

Es stehen <strong>in</strong>sgesamt fünf Arbeitsplätze zur Verfügung, die jeweils mit e<strong>in</strong>em Rechner, e<strong>in</strong>em<br />

Steckbrett, den nötigen Bauteilen (Didactic-Programm der Firma FESTO) und diverser<br />

Literatur zur Steuerungstechnik ausgestattet s<strong>in</strong>d. Außerdem bef<strong>in</strong>den sich an jedem<br />

Arbeitsplatz e<strong>in</strong> Strom- und e<strong>in</strong> Druckluftanschluss. Zur Verfügung stehen weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Textverarbeitungssoftware (Microsoft WORD) und e<strong>in</strong>e Anwendersoftware zum Zeichnen<br />

und Simulieren pneumatischer bzw. elektropneumatischer Schaltungen (SIMUCAD, Europa-<br />

Lehrmittel). Zwei zusätzliche Schränke, die allen Lernenden zur Verfügung stehen, bieten<br />

Platz für weiterführende Literatur und Ersatzbauteile.<br />

In unmittelbarer Nachbarschaft zu vorab beschriebenem Raum bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> zweiter,<br />

ähnlich großer Bereich, der über e<strong>in</strong>en Zwischenraum mit ersterem verbunden ist. Dadurch<br />

besteht die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en weiteren PC-Arbeitsplatz für den Steuerungstechnikunterricht<br />

zur Verfügung zu stellen, falls mehr als fünf Gruppen zu betreuen s<strong>in</strong>d. Allerd<strong>in</strong>gs muss die<br />

praktische Tätigkeit am Steckbrett nach wie vor im eigentlichen <strong>Unterricht</strong>sraum durchgeführt<br />

werden, weil im Nebenraum ke<strong>in</strong> weiteres Steckbrett vorhanden ist. Bei Benutzung des<br />

zweiten Raumes ist es notwendig, dass sich zwei Gruppen e<strong>in</strong>en Steckbrett-Arbeitsplatz<br />

teilen. Block 1 besteht aus sechs Gruppen, deshalb wird wie beschrieben verfahren.<br />

Der Zwischenraum dient als Lehrerzimmer. Von dort aus können über e<strong>in</strong>en zentralen<br />

Rechner alle E<strong>in</strong>heiten betreut werden. Außerdem bef<strong>in</strong>det sich hier e<strong>in</strong> Laserdrucker, der von<br />

allen Schülern genutzt werden kann. Zur Verdeutlichung wird nachfolgend der <strong>Unterricht</strong>sraum<br />

mit Lehrerzimmer (jedoch ohne Nebenraum) abgebildet:


64 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Legende:<br />

Rechner<br />

Drucker<br />

Stuhl<br />

Schrank<br />

Tisch<br />

Lehrerzimmer<br />

Magnettafel Tafel<br />

Pneumatik-<br />

Arbeitsplatz<br />

Übersicht 5-8: Ausgestaltung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraumes (Riedl, Schuljahr<br />

1999/2000)


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 65<br />

Die von Riedl (1998) beschriebene Untersuchung im Rahmen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s wird ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraum durchgeführt, so dass die<br />

dortigen Beschreibungen (S. 74 f.) e<strong>in</strong>schließlich der zeichnerischen Darstellung des Raumes<br />

auf vorliegende Arbeit übertragen werden können. Die Ausführungen entsprechen im<br />

Wesentlichen den hier vorgefundenen Begebenheiten, lediglich die Anordnung der Arbeitsplätze<br />

weicht von den Räumlichkeiten des hier beschriebenen Fachunterrichtsraumes ab.<br />

5.4 Die Leittexte<br />

Die <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> verwendeten Leittexte orientieren sich an e<strong>in</strong>em, an der<br />

Berufsschule Weilheim bereits früher durchgeführten <strong>Unterricht</strong> (vgl. hierzu Riedl 1998, S.<br />

72 ff.). Die im untersuchten <strong>Unterricht</strong> verwendeten Unterlagen wurden jedoch vollständig<br />

neu konzipiert. Im H<strong>in</strong>blick auf den Forschungsansatz (siehe Kapitel 6) und auf das Bestreben,<br />

auch das Untersuchungsfeld und damit den <strong>Unterricht</strong> kont<strong>in</strong>uierlich zu verbessern,<br />

unterliegen die Leittexte auch während der Untersuchungsphase e<strong>in</strong>em ständigen Umarbeitungsprozess.<br />

Die Leittexte werden vom Forscher und der Lehrkraft stets auf etwaige Mängel<br />

und Verbesserungsmöglichkeiten h<strong>in</strong> überprüft, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn der <strong>Unterricht</strong>sverlauf<br />

und der Forschungsprozess aufdecken, dass e<strong>in</strong>e Abänderung des entsprechenden<br />

Leittextes h<strong>in</strong>sichtlich der angestrebten Lernziele s<strong>in</strong>nvoll wäre.<br />

Abbildung 5-9 stellt den grundsätzlichen Aufbau der Leittexte vor. Ausgangspunkt für die<br />

Leittexte ist stets e<strong>in</strong> zentrales Aufgabenblatt als Leitblatt. Der zentrale Lerngegenstand der<br />

Lerne<strong>in</strong>heit wird vollständig auf dem Leitblatt abgebildet, so dass e<strong>in</strong> Bearbeiten aller dort<br />

aufgeführten Aufgaben alle Inhalte zum Abschluss der entsprechenden Lerne<strong>in</strong>heit umfasst.<br />

Weiterführende, vertiefende Aufgaben werden über zusätzliche Arbeitsblätter zur Verfügung<br />

gestellt. Der H<strong>in</strong>weis darauf f<strong>in</strong>det sich ebenfalls <strong>in</strong> den Aufgabenstellungen des Leitblattes<br />

wieder. Am Beispiel der Lerne<strong>in</strong>heit 8 soll dies näher erläutert werden (vgl. im Anhang den<br />

dort abgebildeten Leittext zu Lerne<strong>in</strong>heit 8). Mit Hilfe e<strong>in</strong>er für die Lerne<strong>in</strong>heiten 8 bis 10<br />

geltenden Gesamtübersicht über die Biegevorrichtung bzw. mit der Detailansicht auf dem<br />

Leitblatt der Lerne<strong>in</strong>heit 8 wird die Aufgabenstellung im Ganzen vorgestellt und auf die<br />

übergeordnete Zielstellung verwiesen. Das Leitblatt repräsentiert e<strong>in</strong>e erste Ebene, wobei die<br />

Teilaufgaben auf dem Leitblatt durch den Leittext führen. Aufgabe 1.c) verweist dann auf e<strong>in</strong><br />

zusätzliches Arbeitsblatt, das weg vom Leitblatt zu Ebene 2 führt:<br />

1. Analyse der aufgebauten Vorrichtung<br />

c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm für die Verfahrbewegungen der<br />

drei Zyl<strong>in</strong>der mit den Signall<strong>in</strong>ien für den Spannzyl<strong>in</strong>der (Vorlage „Weg-<br />

Schritt-Diagramm“).<br />

Nach der Bearbeitung dieser Teilaufgabe ist e<strong>in</strong> Zurückkehren zum Leitblatt und damit zu<br />

Ebene e<strong>in</strong>s vorgesehen. Aufgabe 2.a) führt dann zu e<strong>in</strong>em weiteren vertiefenden Arbeitsblatt,<br />

also wieder zu Ebene zwei:<br />

2. Informieren über e<strong>in</strong>e mögliche Schaltungslösung<br />

a) Informieren Sie sich über Möglichkeiten der Signalspeicherung. Bearbeiten<br />

Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“.<br />

Aufgabe 2 des Informations- und Aufgabenblattes führt von Ebene zwei zu e<strong>in</strong>er dritten<br />

Ebene:


66 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

2. Aufgabe: „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“ (Aufgabenblatt dazu im Unterlagenordner).<br />

Nach Bearbeitung des Aufgabenblattes der Ebene drei wird wieder Ebene zwei erreicht und<br />

das Informations- und Aufgabenblatt fertig bearbeitet. Anschließend ist das Zurückkehren zu<br />

Ebene e<strong>in</strong>s vorgesehen, so dass das Leitblatt zum Abschluss gebracht werden kann. Lerne<strong>in</strong>heit<br />

8 sieht nun ke<strong>in</strong> weiteres Verlassen der ersten Ebene mehr vor, es wird unmittelbar zur<br />

Wissenskontrolle übergeleitet. Am Abschluss der Bearbeitungsphase steht der leittextspezifische<br />

Abschlusstest.<br />

Diese hierarchisch-sequentielle ‚Verschachtelung’ weist aufgrund der expliziten Darstellung<br />

wesentlicher Inhalte auf deren Bedeutsamkeit h<strong>in</strong> und erlaubt es, den Gesamtzusammenhang<br />

stets im Blick zu behalten. Außerdem wird so auch deutlich gemacht, dass nicht alle<br />

Arbeitsabläufe auf die unmittelbare Fertigstellung der Schaltung zur Biegevorrichtung<br />

abzielen, sondern notwendig Erarbeitungsphasen, also Lernhandlungen zum Kenntniserwerb<br />

<strong>in</strong> den Leittext <strong>in</strong>tegriert s<strong>in</strong>d.<br />

Die Ebenen erlauben e<strong>in</strong> Konkretisieren und Vertiefen wesentlicher Inhalte des <strong>Lernprozesse</strong>s.<br />

E<strong>in</strong>erseits vermitteln die expliziten Arbeitsblätter bereits die Tragweite der Sachverhalte,<br />

andererseits erlaubt die gesonderte Darstellung deren ausführliche Betrachtung.


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 67<br />

Ebene 1 Ebene 2 Ebene 3<br />

LE 8<br />

Leitblatt<br />

Wissenskontrolle<br />

Abschlusstest 8<br />

1.c)<br />

2.a)<br />

Übersicht 5-9: Gestaltung der Leittexte<br />

Weg-Schritt-<br />

Diagramm<br />

Informationsund<br />

Aufgabenblatt:<br />

Selbsthalteschaltung<br />

2.<br />

Verkabeln e<strong>in</strong>er<br />

Selbsthalteschaltung


68 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Nachfolgend soll die Wissenskontrolle explizit erläutert werden. Wie die Abbildung zeigt,<br />

<strong>in</strong>formiert das Wissenskontrollblatt über die von der Lerne<strong>in</strong>heit vermittelten Lern<strong>in</strong>halte.<br />

Dadurch kann der Schüler noch bestehende Defizite erkennen und diese ggf. ausgleichen. Für<br />

die Bearbeitung des Wissenskontrollblattes, d. h. für die Wiederholung ausgewählter<br />

Themenbereiche steht den Auszubildenden <strong>in</strong>sofern ausreichend Zeit zur Verfügung, als sie<br />

selbst entscheiden, wann der Abschlusstest bearbeitet werden soll. Da jedoch der gesamte<br />

Lernfortschritt bewertet wird, s<strong>in</strong>d die Schüler gehalten, die Tests möglichst bald nach<br />

Abschluss der Aufgabenbearbeitung abzulegen, zumal sie die neue Lerne<strong>in</strong>heit erst danach<br />

beg<strong>in</strong>nen können.


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 69<br />

WISSEN ÜBERPRÜFEN<br />

UND VERTIEFEN!!<br />

ÜBER FOLGENDE KENNTNISSE MÜSSEN SIE NACH LERNEINHEIT 8<br />

VERFÜGEN:<br />

Sie müssen die <strong>in</strong> der vorliegenden Steuerung vorhandenen Bauteile korrekt benennen können.<br />

Sie müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Weg-Schritt-Diagramm die Bewegungen von Antriebselementen e<strong>in</strong>er Steuerung<br />

mit Signall<strong>in</strong>ien darstellen können.<br />

Ihnen muss die Funktion e<strong>in</strong>er elektrischen Signalspeicherung als Selbsthalteschaltung klar se<strong>in</strong>.<br />

Sie müssen die Signalspeicherungsarten Dom<strong>in</strong>ierend EIN und Dom<strong>in</strong>ierend AUS unterscheiden können.<br />

Sie müssen e<strong>in</strong>e Schaltung zur Ansteuerung e<strong>in</strong>es doppelt wirkenden Zyl<strong>in</strong>ders mit e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

zeichnen und aufbauen können.<br />

E<strong>in</strong> Taster kann zum Löschen der Selbsthalteschaltung im Schaltplan an verschiedenen Stellen<br />

positioniert werden. Ihnen muss klar se<strong>in</strong>, welche Auswirkungen die verschiedenen Positionen auf den<br />

Abschaltvorgang haben.<br />

Ihnen muss klar se<strong>in</strong>, warum <strong>in</strong> elektropneumatischen Steuerungen Signale oft gespeichert werden<br />

müssen und welche grundsätzlichen Möglichkeiten es hierzu gibt.<br />

Sie müssen für verschiedene Möglichkeiten der Signalspeicherung erklären können, wie sich e<strong>in</strong> Ventil<br />

als Signalglied jeweils verhält, wenn gleichzeitig EIN- und AUS-Signal anliegen oder die Energieversorgung<br />

ausfällt.<br />

Klären Sie offene Fragen anhand Ihrer Aufzeichnungen und der verfügbaren Literatur. Fragen Sie bei<br />

Bedarf den Lehrer.<br />

Übersicht 5-10: Wissenskontrollblatt der Lerne<strong>in</strong>heit 8, (Riedl, Schuljahr 1999/2000)


70 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Die folgenden Ausführungen zeigen auf, welche Lernhandlungen und kognitiven Prozesse der<br />

Aufbau der im untersuchten <strong>Unterricht</strong> angewendeten Leittexte e<strong>in</strong>leitet. Dabei wird auf das<br />

Schema der Elemente der Leittextmethode <strong>in</strong> der betrieblichen Ausbildung nach Koch, Selka<br />

(1991, S. 67 ff.) zurückgegriffen, wobei die ursprünglichen Elemente im Wesentlichen<br />

beibehalten, jedoch um weitere Komponenten ergänzt werden. Im H<strong>in</strong>blick auf diese<br />

Darstellung ist anzumerken, dass die <strong>in</strong> der vorliegenden Untersuchung angewendeten<br />

Leittexte neben den eigentlichen, zu bearbeitenden Aufgabenblättern auch die Wissenskontrollblätter<br />

und die entsprechenden Abschlusstests be<strong>in</strong>halten. Demgemäß ist der Leittext als<br />

E<strong>in</strong>heit zu verstehen, der von der Informationsphase bis zur Wissenskontrolle alle E<strong>in</strong>heiten<br />

umfasst.<br />

L<br />

L<br />

5.<br />

Wissenskontrolle<br />

4.<br />

Wiederholung<br />

Nacharbeit<br />

L<br />

1.<br />

Information<br />

Legende: L: Lehrer<br />

E<strong>in</strong>griff des Lehrers obligatorisch<br />

E<strong>in</strong>griff des Lehrers fakultativ<br />

I, II, III: Phasen, Abschnitte e<strong>in</strong>er Lerne<strong>in</strong>heit<br />

I: Lernphase<br />

II: Wissensvertiefungsphase<br />

III: Wissenskontrollphase<br />

Stufen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Abschnittes<br />

III<br />

II<br />

I<br />

3.<br />

Bewertung<br />

L<br />

2.<br />

Planung<br />

Entscheidung<br />

Durchführung<br />

Kontrolle<br />

Übersicht 5-11: Phasen und Stufen der im untersuchten <strong>Unterricht</strong> durchgeführten<br />

Leittextmethode<br />

L


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 71<br />

Die <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> angewandte Leittextmethode erfordert das Durchlaufen<br />

von jeweils drei Abschnitten I, II und III <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Lerne<strong>in</strong>heit. Der erste Abschnitt<br />

dient dem Wissenserwerb und stellt demgemäß die Lernphase dar. Die zweite Phase dient der<br />

Wissensvertiefung und Wissenssicherung, während <strong>in</strong> der dritten und letzten Phase e<strong>in</strong>e<br />

Wissensüberprüfung stattf<strong>in</strong>det.<br />

Die Bearbeitung e<strong>in</strong>er Thematik beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong>nerhalb der Lernphase I mit der ‚Information’,<br />

wobei die Schüler angehalten s<strong>in</strong>d, sich selbst zu <strong>in</strong>formieren. Der Informationsschritt dient<br />

dazu, sich e<strong>in</strong>en Überblick über die geforderten Inhalte anhand der Unterlagen als auch<br />

anhand der vorhandenen technischen Geräte zu verschaffen und sich dabei über den eigenen<br />

Wissensstand klar zu werden. Ziel dieser Stufe ist es, den eigenen Wissensstand e<strong>in</strong>zuordnen<br />

und diesen anhand der Lernziele zu verorten.<br />

Die Schritte ‚Planung’, ‚Entscheidung’, ‚Durchführung’ und ‚Kontrolle’ stellen e<strong>in</strong>en<br />

weiteren Bereich <strong>in</strong>nerhalb der Lernphase dar. Sie s<strong>in</strong>d nicht, wie ursprünglich dargestellt, als<br />

e<strong>in</strong>zelne, nache<strong>in</strong>ander abzuarbeitende Stufen vorgesehen, vielmehr bed<strong>in</strong>gen sie e<strong>in</strong>ander,<br />

werden <strong>in</strong> sich wiederholenden Zyklen immer wieder durchlaufen und stellen so vollständige<br />

Lernhandlungen dar. Tritt beispielsweise bei der Bearbeitung e<strong>in</strong>er Aufgabe e<strong>in</strong> Problem auf,<br />

so wird dies e<strong>in</strong>en Entscheidungsprozess e<strong>in</strong>leiten, der klären soll, wie das Problem behoben<br />

werden kann. Die weiteren Schritte zur Behebung des Problems müssen dann geplant und<br />

letztendlich durchgeführt werden. Die Schüler schließen diese Stufe mit der von ihnen<br />

selbstständig durchgeführten Kontrolle ihrer Ergebnisse ab, beispielsweise, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e<br />

aufgebaute Schaltung testen. Gegebenenfalls zeigt die Kontrolle, dass weitere Schritte bis zur<br />

endgültigen Lösung unternommen werden müssen, so dass der Zyklus Planen – Entscheiden –<br />

Durchführen – Kontrollieren erneut zu durchlaufen ist.<br />

Sobald die Schüler diesen Bereich ihrerseits endgültig zum Abschluss br<strong>in</strong>gen, präsentieren<br />

sie ihre Lösung und erfahren durch e<strong>in</strong> Fachgespräch mit der Lehrkraft e<strong>in</strong>e Bewertung ihrer<br />

Arbeit. Hier wird der Wissensstand erneut überprüft und weitere oder noch vorhandene<br />

Defizite werden erfasst. Auch auf dieser Stufe ist e<strong>in</strong>e Rückkehr zum vorhergehenden Bereich<br />

möglich, weil z. B. Defizite bei der Lösungspräsentation deutlich werden.<br />

Das Durchlaufen der Schritte ‚Planung’, ‚Entscheidung’ und ‚Ausführung’ nach der Urform<br />

der Leittextmethode bietet sich im Rahmen des hier untersuchten Konzeptes bestenfalls für<br />

e<strong>in</strong>e Gesamtanalyse an, bei der die Richtung der Bewältigung e<strong>in</strong>er komplexen Aufgabe grob<br />

geplant wird. Die Realität erfordert aber, Entscheidungen bedarfsgerecht zu treffen und<br />

kurzfristige Planungen vorzunehmen, um darauf die Durchführung aufzubauen. Während der<br />

Bearbeitung der Aufgabe können weitere Fachgespräche, sowohl obligatorische als auch<br />

fakultative vorgesehen werden. Auf diese wird <strong>in</strong> obiger Übersicht nicht explizit verwiesen.<br />

In e<strong>in</strong>er nächsten Phase II folgt die Gelegenheit der Wiederholung und ggf. der Nacharbeit.<br />

Der Leittext sieht dafür bestimmte Unterlagen vor (vgl. Übersicht 5-9, 5-10 Wissenskontrollblatt),<br />

die etwaige Defizite erkennen lassen. Auch <strong>in</strong> dieser Phase s<strong>in</strong>d Fachgespräche mit der<br />

Lehrkraft möglich oder aber der Austausch f<strong>in</strong>det <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe oder auch gruppenübergreifend<br />

auf Schülerebene statt.<br />

Die Bearbeitung e<strong>in</strong>er komplexen Aufgabe mit Hilfe e<strong>in</strong>es Leittextes schließt mit der<br />

Wissenskontrolle, hier also mit e<strong>in</strong>em Abschlusstest ab. Dieser leitet die dritte Phase III, die<br />

Wissensüberprüfung bzw. Wissenskontrolle e<strong>in</strong>. Übersicht 5-5 stellt e<strong>in</strong>e Wissenskontrolle<br />

anhand e<strong>in</strong>es möglichen Abschusstests dar. Es ist anzumerken, dass der Begriff ‚Wissenskontrolle’<br />

<strong>in</strong> diesem Zusammenhang mit der Leistungsüberprüfung des E<strong>in</strong>zelnen belegt ist und


72 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

hier nicht mit der Wissenskontrolle im S<strong>in</strong>ne der Wiederholung (vgl. Wissenskontrollblatt)<br />

verwechselt werden darf.<br />

In dem hier untersuchten Forschungsfeld s<strong>in</strong>d die Prüfungen so ausgelegt, dass e<strong>in</strong>e Interaktion<br />

zwischen Lehrer und Schüler stattf<strong>in</strong>den muss. Zum e<strong>in</strong>en werden Fachgespräche <strong>in</strong> der<br />

Testsituation festgelegt, so dass die Prüfung also nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er aus Schülersicht hermetisch<br />

abgeschlossenen Umgebung stattf<strong>in</strong>det. Zum anderen ermöglicht die dem Prüfungsprozess<br />

zugehörige und unmittelbar nach der Testbearbeitung durchgeführte Bewertung e<strong>in</strong> Fachgespräch,<br />

das neben der Beurteilung e<strong>in</strong>en weiteren Expertiseaustausch fordert. Die im<br />

Prüfungsgeschehen verwirklichte Interaktion zielt <strong>in</strong>sbesondere darauf ab, den Lernprozess<br />

fortzusetzen und diesen nicht strikt von e<strong>in</strong>er etwaigen Wissensüberprüfung zu trennen. Es<br />

würde e<strong>in</strong>em ganzheitlichen <strong>Unterricht</strong>svorhaben nämlich entgegenstehen, die Pr<strong>in</strong>zipien<br />

e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung auszuklammern, sobald die Schwelle der Leistungserhebung<br />

überschritten wird. Betrachtet man die möglichen Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s nach Riedl (1998, S. 54 ff.) oder Schelten (2004, S. 182 ff.), so erkennt<br />

man, dass die Komponenten e<strong>in</strong>ander bed<strong>in</strong>gen.<br />

Dadurch wird es dem Lehrer viel eher ermöglicht, e<strong>in</strong>e objektive Bewertung vorzunehmen,<br />

als dies bei e<strong>in</strong>er herkömmlichen Leistungsfeststellung der Fall wäre. Der Pädagoge kann<br />

zwischen wahrem Expertentum des Schülers e<strong>in</strong>erseits und e<strong>in</strong>em von Zufällen geleiteten<br />

Prüfungsergebnis andererseits differenzieren und zugleich das Beste aus dem Lernenden<br />

‚herausholen’ und mit Hilfe des Expertiseaustausches das weitere Lernvorgehen auf den<br />

E<strong>in</strong>zelnen abgestimmt steuern.<br />

Um jedoch der Prüfungssituation selbst gerecht zu werden, muss sich – zum<strong>in</strong>dest während<br />

der Testbearbeitung – die Kommunikation auf Lehrer und betroffenem Schüler beschränken<br />

und darf nicht etwa auf andere Auszubildende ausgeweitet werden. Im Rahmen der Bewertung<br />

kann die Diskussion ggf. im Gruppenverband stattf<strong>in</strong>den, wobei dies situationsabhängig<br />

zu klären ist. Zudem ist es notwendig e<strong>in</strong>e tatsächliche Bewertung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Notengebung<br />

durchzuführen.<br />

Unerlässlich bei der soeben beschriebenen Darstellung ist die Unterscheidung zwischen den<br />

dargestellten Elementen der Leittextmethode e<strong>in</strong>er betrieblichen Ausbildung und dem hier<br />

entwickelten Ansatz für den berufsschulischen <strong>Unterricht</strong>. Der schulische <strong>Unterricht</strong><br />

differenziert deutlich zwischen den Phasen des Kompetenz- und Wissenserwerbs und der<br />

Prüfungsphase. Letztere ist <strong>in</strong> der Urform der Leittextmethode <strong>in</strong> der betrieblichen Ausbildung<br />

nicht enthalten und muss dem Lernprozedere daher auch nicht explizit zugewiesen<br />

werden.<br />

E<strong>in</strong>e Besonderheit des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s zeigt sich im ‚Fehlen’ expliziter lehrerunterstützter<br />

Phasen. Das klassische Schema der Leittextmethode fordert e<strong>in</strong>e Lehrerunterstützung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entscheidungs- und der Bewertungsphase. Bei der hier beschriebenen Untersuchung<br />

ist e<strong>in</strong>e obligatorische Lehrerunterstützung <strong>in</strong>nerhalb der Lernphase, im Zusammenhang mit<br />

dem Abschnitt ‚Bewertung’ und <strong>in</strong>nerhalb der Wissenskontrollphase vorgesehen. Anliegen<br />

des hier beschriebenen <strong>Unterricht</strong>skonzeptes ist aber e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifen des Pädagogen <strong>in</strong><br />

Abhängigkeit der <strong>Unterricht</strong>ssituation. <strong>Unterricht</strong>ssituation me<strong>in</strong>t hier sowohl die Individualität<br />

des e<strong>in</strong>zelnen Schülers als auch das vorgefundene Lernumfeld. Der Lehrer greift demgemäß<br />

nur dann e<strong>in</strong>, wenn es die Situation erfordert. Dabei kann das E<strong>in</strong>greifen sowohl vom<br />

Pädagogen als auch von den Schülern selbst <strong>in</strong>itiiert werden.


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 73<br />

5.5 Beurteilung der Bestandsaufnahme<br />

Kapitel 5 zielt darauf ab, das Untersuchungsfeld vorzustellen und dabei aufzuzeigen,<br />

<strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e Handlungsorientierung im untersuchten <strong>Unterricht</strong> tatsächlich umgesetzt wird.<br />

Zur Beurteilung werden u. a. die Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung<br />

nach Riedl (1998, S. 54 ff.) und Schelten (2004, S. 182 ff.) zugrunde gelegt.<br />

Vorab sei erwähnt, dass es bereits die organisatorischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ermöglichen,<br />

das angestrebte <strong>Unterricht</strong>skonzept durchzusetzen. Zum e<strong>in</strong>en wird der <strong>Unterricht</strong> von<br />

schulischer Seite pr<strong>in</strong>zipiell so geregelt, dass nur kle<strong>in</strong>e Klassengrößen den Steuerungstechnikunterricht<br />

durchlaufen. Zum andere kann die Berufsschule aufgrund mehrjähriger<br />

Erfahrung mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraum zur Verfügung<br />

stellen, der im Wesentlichen allen Anforderungen e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung<br />

genügt und daher bestmöglich auf den <strong>Unterricht</strong> abgestimmt ist.<br />

Der <strong>Unterricht</strong> folgt e<strong>in</strong>em Lehrplan, der nach traditionellen Fächern gegliedert ist, wobei die<br />

Lehrkraft Lernziele derart auswählt, dass sich daraus komplexe Aufgabengebiete entwickeln<br />

lassen und so e<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong> nach modernem Lehrplan erfolgen kann. Zusammen mit den für<br />

den untersuchten <strong>Unterricht</strong> konzipierten Leittexten werden daher <strong>in</strong> hohem Maße Aspekte<br />

e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> Lernens umgesetzt. E<strong>in</strong>erseits wird <strong>in</strong>sbesondere aufgrund der<br />

fachlichen Struktur der Aufgabenstellung und deren algorithmischer Zusammenstellung, die<br />

auf redundante Wiederholungsschleifen zugunsten unterschiedlicher Übungsansätze<br />

verzichtet, ganzheitliches Lernen ermöglicht. Andererseits wird dadurch e<strong>in</strong>e Nachhaltigkeit<br />

erreicht, die e<strong>in</strong> Handeln-Können auch außerhalb der Schule gewährleistet. Zudem schließen<br />

die Aufgabenstellungen aber auch fachwissenschaftliche Aspekte mit e<strong>in</strong>. „Der fachwissenschaftliche<br />

Zugang zu den Lern<strong>in</strong>halten wird durch e<strong>in</strong>e mögliche berufliche Anforderungssituation<br />

geleitet. … Der Blick für die Berufstheorie kommt aus den Handlungsanforderungen<br />

des Berufes. Es erfolgt e<strong>in</strong> theoretisch gesteuertes und reflektiertes Lernen für das Handeln-<br />

Können im Beruf.“ (Schelten 2004, S. 179 f.). Gerade diese Dichotomie versuchen die<br />

Leittexte mit Hilfe der ausgewählten Lernziele zu verwirklichen, um so e<strong>in</strong>er umfassenden<br />

Ausbildung gerecht zu werden.<br />

Die Bearbeitung der Leittexte fordert die Selbstorganisation, aber auch das gesamte Lernfeld<br />

unterstützt die Selbstständigkeit. Hierzu tragen die zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze<br />

genauso bei wie das <strong>Unterricht</strong>sverständnis des Lehrers. Sollte das angebotene Maß an<br />

Selbstständigkeit e<strong>in</strong>e Überforderung des Schülers hervorrufen, so kann dieser jederzeit die<br />

Unterstützung durch die Lehrkraft e<strong>in</strong>fordern.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Differenzierung ist bezüglich e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung <strong>in</strong>soweit<br />

umgesetzt, wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Lerntempo der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen ermöglicht wird. Diese<br />

Komponente könnte weiter ausgebaut werden, <strong>in</strong>dem Aufgaben mit unterschiedlichem<br />

Schwierigkeitsgrad angeboten werden, die nur teilweise verpflichtend zu bearbeiten s<strong>in</strong>d.<br />

Trotzdem ist der Grad an Differenzierung <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> so weit fortgeschritten,<br />

dass der Schüler se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lernumgebung selbst gestalten kann. Es wird dem<br />

Lernenden ermöglicht, entsprechend se<strong>in</strong>er Leistungsfähigkeit zu agieren.<br />

Dazu trägt auch die auf verschiedenen Wegen vollzogene <strong>in</strong>tegrative, offene Leistungsfeststellung<br />

bei. Erst die Transparenz der Bewertung ermöglicht es dem Schüler, se<strong>in</strong>e Vorgehensweise<br />

zu beleuchten, se<strong>in</strong>e Selbstorganisation zu h<strong>in</strong>terfragen und ggf. weiterzuentwickeln.


74 5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes<br />

Der gesamte Lernprozess wird durch e<strong>in</strong>e teamorientierte Arbeitsweise gestützt. Durch den<br />

im untersuchten <strong>Unterricht</strong>skonzept <strong>in</strong>tensiv geförderten Kommunikations- bzw. Kooperationsprozess<br />

kann der Schüler se<strong>in</strong>e Selbststeuerung weiter ausbauen oder aber die Unterstützung<br />

Dritter nutzen. Inwieweit e<strong>in</strong>e Kommunikation und Kooperation genutzt wird, ist von<br />

der Mentalität des E<strong>in</strong>zelnen abhängig. Die Lernumgebung eröffnet e<strong>in</strong>en Spielraum, der<br />

<strong>in</strong>dividuell genutzt werden kann.<br />

Betrachtet man die e<strong>in</strong>zelnen Komponenten e<strong>in</strong>er hier def<strong>in</strong>ierten Handlungsorientierung und<br />

die damit bereits charakterisierte Lernumgebung, erkennt man die tragende Rolle des<br />

Pädagogen. Der im untersuchten <strong>Unterricht</strong> tätige Lehrer zeigt e<strong>in</strong>e hohe fachliche als auch<br />

pädagogische Kompetenz, so dass er e<strong>in</strong>erseits die fortschrittliche Lernumgebung ausgestalten<br />

als auch beständig weiterentwickeln und <strong>in</strong>sbesondere die Individualität jedes e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schülers berücksichtigen kann.<br />

In diesem Zusammenhang sei auch auf die hierarchisch-sequentielle Handlungsregulation<br />

verwiesen, die die Lehrkraft für den untersuchten <strong>Unterricht</strong> erstellt hat. Aufgrund der<br />

präzisen Darstellung der Ziele<strong>in</strong>heiten ist es möglich, theoretische Lern<strong>in</strong>halte zu verorten<br />

(vgl. Schelten 2000, S. 81 ff.), so dass e<strong>in</strong>e handlungssystematische Vorgehensweise im<br />

untersuchten <strong>Unterricht</strong> tatsächlich gewährleistet ist.<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der hier untersuchte <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> hohem<br />

Maße e<strong>in</strong>e handlungsorientierte Lernumgebung verwirklicht, die aufgrund der im Forschungsprozess<br />

aufgedeckten Unebenheiten weiter ausgebaut werden kann. Insbesondere die<br />

Lehrkraft trägt dazu bei, die Idee der Handlungsorientierung bestmöglich umzusetzen und so<br />

ideale Lernbed<strong>in</strong>gungen zu schaffen.<br />

5.6 Zusammenfassung<br />

Das vorgestellte Untersuchungsfeld wird <strong>in</strong> diesem Kapitel von verschiedenen Seiten<br />

beleuchtet. Geeignete organisatorische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, nämlich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrierter<br />

Fachunterrichtsraum und kle<strong>in</strong>e Klassengrößen, ermöglichen die Durchführung e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s an der Staatlichen Berufsschule Weilheim.<br />

Anhand der theoretischen Bestimmungsgrößen nach Riedl (1998, S. 54 ff.) und Schelten<br />

(2004, S. 182 ff.) wird der <strong>Unterricht</strong> dah<strong>in</strong>gehend untersucht, ob und <strong>in</strong>wieweit er dem<br />

Konzept e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung folgt. Dabei kann festgestellt werden, dass hier e<strong>in</strong>e<br />

ausgeprägte handlungsorientierte Lernumgebung vorliegt, die dem Lernenden bestmögliche<br />

Lernbed<strong>in</strong>gungen bietet. Konkret heißt dies, dass „... e<strong>in</strong>e vielschichtige und viele verschiedene<br />

Aspekte umfassende Aufgabenstellung mit deutlichem Praxisbezug für die Schüler ... e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Lernzielen ... aus den herkömmlichen Lehrplänen“ bündelt (Schelten 2000, S. 75).<br />

Dadurch wird der erste Schritt <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>es selbstorganisierten Lernens vorgegeben.<br />

E<strong>in</strong>e Selbststeuerung mit ausgeprägten Freiheitsgraden wird durch adäquate Leittexte und<br />

geeignetes Informationsmaterial unterstützt. Zudem wird dem E<strong>in</strong>zelnen ermöglicht,<br />

entsprechend se<strong>in</strong>em Leistungsniveau arbeiten zu können, so dass der Lernende se<strong>in</strong>en<br />

gesamten Lernprozess abstimmen und ggf. neu strukturieren kann. Hierzu trägt auch die<br />

Transparenz der <strong>in</strong>tegrativen, offenen Leistungsfeststellung bei. Kommunikation und<br />

Kooperation als wesentlicher Bestandteil e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung<br />

unterstützen den selbstorganisierten Lernprozess, wobei diesbezüglich überwiegend auf<br />

Teamarbeit abgezielt wird. Kommunikation und Kooperation f<strong>in</strong>det aber auch mit der den


5 Beschreibung des Untersuchungsfeldes 75<br />

<strong>Unterricht</strong> betreuenden Lehrkraft statt. Diese unterstützt die Schüler durch ihre fachliche und<br />

pädagogische Kompetenz und greift auch hier entsprechend <strong>in</strong>dividueller Erfordernisse <strong>in</strong> das<br />

Geschehen e<strong>in</strong>. Die <strong>Unterricht</strong>splanung folgt e<strong>in</strong>er hierarchisch-sequentiellen Handlungsregulation,<br />

die ausschnittsweise Ziele<strong>in</strong>heiten der Lerne<strong>in</strong>heit 8 zeigt.<br />

Die im untersuchten <strong>Unterricht</strong> verwendeten Leittexte s<strong>in</strong>d so aufgebaut, dass der Gesamtzusammenhang<br />

der komplexen Aufgabenstellung stets im Blick behalten werden kann. Zudem<br />

differenzieren die Leittexte zwischen den auf die unmittelbare Fertigstellung der Schaltung<br />

zur Biegevorrichtung abzielenden Arbeitsabläufe und den notwendigen, primär dem<br />

Kenntniserwerb dienenden Übungsphasen.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 75


76 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

6 FORSCHUNGSMETHODISCHER ANSATZ<br />

Folgendes Kapitel stellt den forschungsmethodischen Ansatz, also den Untersuchungsplan für<br />

vorliegende Arbeit dar, wobei dieser im Wesentlichen die geplante Fallanalyse aufgreift.<br />

Kapitel 6.1 stellt dazu den methodologischen H<strong>in</strong>tergrund dar, wobei die qualitative<br />

Sozialforschung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Fallstudie betrachtet wird. Kapitel 6.2 befasst sich mit<br />

der theoretischen Betrachtung der Untersuchungsdurchführung. Darauf folgend stellt Kapitel<br />

6.3 die dieser Arbeit zugrunde liegenden Gütekriterien qualitativer Sozialforschung vor.<br />

Kapitel 6.4 fasst noch e<strong>in</strong>mal wesentliche Aspekte des forschungsmethodischen Ansatzes<br />

zusammen.<br />

6.1 Methodologischer H<strong>in</strong>tergrund:<br />

Die qualitative Sozialforschung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e<br />

Fallstudie<br />

Der E<strong>in</strong>satz neuer <strong>Unterricht</strong>skonzepte für bestmögliche Ausbildungsbed<strong>in</strong>gungen erfordert<br />

umfassende Evaluationsmaßnahmen. Der bereits erwähnte Modellversuch ‚Fächerübergreifender<br />

<strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> der Berufsschule (FügrU)’ hat dies vor ca. 10 Jahren auf unterschiedlichsten<br />

Ebenen geleistet. E<strong>in</strong>e wichtige Forschungsmethode dabei war u. a. die präzise<br />

Verlaufsdarstellung des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s mittels Videoaufnahmen, um den untersuchten<br />

<strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong>haltlich nachzuzeichnen, aber auch dessen Ablauf festzuhalten. Zum<br />

Modellversuch siehe Kapitel 2.<br />

Der Forschungsansatz der hier zugrunde liegenden Arbeit soll e<strong>in</strong> weiteres Verfahren zum<br />

E<strong>in</strong>satz br<strong>in</strong>gen, um e<strong>in</strong>en <strong>Unterricht</strong>sverlauf, <strong>in</strong>haltlich und methodisch ähnlich jenen im<br />

Modellversuch, von anderer Seite zu beleuchten. So wird die Priorität der Untersuchung auf<br />

E<strong>in</strong>schätzungen seitens der Schüler gelegt; e<strong>in</strong>e partielle Verlaufsuntersuchung soll aber<br />

trotzdem die nötige Grundlage bilden, um e<strong>in</strong>e umfassende Analyse des Forschungsfeldes<br />

sicherzustellen.<br />

E<strong>in</strong>e Beurteilung bzw. Bewertung des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s anhand von Schülere<strong>in</strong>schätzungen<br />

beabsichtigt, den <strong>Unterricht</strong> nicht – wie bei Videoaufnahmen– von ‚außen’ zu<br />

betrachten, sondern e<strong>in</strong> ‚<strong>in</strong>neres’ Bild des <strong>Unterricht</strong>s durch die subjektiven E<strong>in</strong>schätzungen<br />

der Schüler zu ermitteln. Die Untersuchung stellt also darauf ab, e<strong>in</strong> dezidiertes Bild der<br />

Probanden über den erfahrenen <strong>Unterricht</strong> und so e<strong>in</strong>e ‚Innenperspektive’ desselben zu<br />

erhalten. Der Begriff ‚Innenperspektive’ versteht sich hier als Pendant zu e<strong>in</strong>er ‚Außenperspektive’,<br />

d. h. zu e<strong>in</strong>er Beleuchtung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s aus Sicht nur<br />

mittelbar Beteiligter, wie z. B. jeweilige Untersuchungen begleitende Forscher. Im Gegensatz<br />

zu diesen Arbeiten wird der Schüler bei vorliegender Untersuchung als Experte verstanden,<br />

dessen Sichtweise helfen soll, H<strong>in</strong>weise für künftige konstruktivistisch ausgelegte <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

zu erarbeiten. Die Aufnahme dieser Innenperspektive soll als Fallanalyse im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er qualitativen Sozialforschung durchgeführt werden.<br />

Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragebereiche nach e<strong>in</strong>er Innenperspektive e<strong>in</strong>er<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-Lern-Umgebung fordern tendenziell qualitative Datenerhebungs-<br />

und Auswertungsmodi. Begründen lässt sich dies mit dem veränderten Forschungszugang.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 77<br />

Die qualitative Sozialforschung will sich dem Untersuchungsgegenstand anpassen, um die<br />

soziale Wirklichkeit möglichst <strong>in</strong> ihrem Urzustand zu belassen. Daher lassen sich ke<strong>in</strong>e<br />

Lehrbuchmethoden auf den Forschungsgegenstand übertragen, will man die Intention des<br />

Qualitativen berücksichtigen. Demgemäß ist e<strong>in</strong> auf den Gegenstand abgestimmtes Bearbeitungsprozedere<br />

erforderlich, das für jede Untersuchung neu zu entwickeln ist, wobei die<br />

klassischen Methoden durchaus als Grundlage dienen können.<br />

In die hier durchgeführte Untersuchung gehen Fallstudien e<strong>in</strong>, deren Ergebnisse primär auf<br />

den hier beschriebenen, speziellen Forschungsgegenstand und nur auf diesen zugelassen s<strong>in</strong>d.<br />

Weil es aber nicht alle<strong>in</strong>iges Ziel der Untersuchung ist, e<strong>in</strong>en bestimmten Auszug aus e<strong>in</strong>er<br />

sozialen Realität aufzunehmen, sondern etwaige Ergebnisse auch auf andere Fälle übertragen<br />

werden sollen, ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse wünschenswert. Die dargestellte<br />

Untersuchung „will sich während des gesamten Analyseprozesses den Rückgriff auf den Fall<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ganzheit und Komplexität erhalten, um so zu genaueren und tief greifenderen<br />

Ergebnissen zu gelangen“ (Mayr<strong>in</strong>g 1996, S. 29). Die sich durch e<strong>in</strong>e Fallstudie eröffnenden<br />

Möglichkeiten erlauben die Entdeckung von noch Unbekanntem, von Phänomenen, die vor<br />

der Begegnung mit dem Forschungsfeld nicht greifbar wären, so dass es nicht das Hauptanliegen<br />

der Untersuchung ist, mit vorgefertigten Theorien <strong>in</strong> den Forschungsprozess e<strong>in</strong>zutreten.<br />

Vielmehr soll das Untersuchungsfeld ‚wirken’, um daraus wichtige Informationen zu<br />

gew<strong>in</strong>nen. Dabei ist zu bedenken, dass sich der Grad, <strong>in</strong>wieweit sich e<strong>in</strong>e Information als eher<br />

wichtig oder als eher unbedeutsam e<strong>in</strong>stufen lässt, erst durch die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem<br />

Forschungsfeld selbst erschließt.<br />

Die Forschung will im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Feldforschung aber auch „ihren Gegenstand <strong>in</strong> möglichst<br />

natürlichem Kontext untersuchen, um Verzerrungen durch E<strong>in</strong>griff der Untersuchungsmethoden<br />

bzw. durch die wirklichkeitsferne Außenperspektive zu vermeiden“ (ebd., S. 40).<br />

Feldforschung heißt demnach:<br />

„1. Das Feld muss dem Forscher zugänglich se<strong>in</strong>; ...<br />

2. Es sollte im Feld e<strong>in</strong>e Funktion geben, die der Forscher e<strong>in</strong>nehmen kann, ohne die<br />

ablaufenden Prozesse durche<strong>in</strong>ander zu br<strong>in</strong>gen.<br />

3. Der Feldforscher muss geschult se<strong>in</strong>. Er muss gleichzeitig an den ablaufenden<br />

Prozessen Anteil nehmen und kritische Distanz entwickeln.<br />

4. Das Vorhaben muss ethisch gerechtfertigt se<strong>in</strong>. ...“<br />

(ebd., S. 41 nach Friedrich 1980, S. 289).<br />

E<strong>in</strong>e Verkettung der Fallanalyse mit Handlungs- und Feldforschung stellt unmittelbar auf die<br />

hier vorliegende Untersuchung ab. Beständig verfolgt der Forscher die aktuelle <strong>Unterricht</strong>sentwicklung<br />

und damit die Entwicklung des Forschungsfeldes mit, um auf diese durch<br />

Adaption des Vorgehens zu reagieren. Diese Art der Offenheit lässt alternative Handlungsverläufe<br />

zu, fordert sie geradewegs, weil das Auferlegen starrer Konzepte die soziale Wirklichkeit<br />

verfälschen würde. Der Forscher sieht sich selbst als Teil des Untersuchungsfeldes und<br />

gestaltet es aktiv mit. Voraussetzung dafür ist es, dass der Untersuchende e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis<br />

zu den Probanden aufbaut, so dass diese den Forscher als Teil des Ganzen betrachten<br />

können. Nehmen alle Beteiligten gleichberechtigt am Untersuchungsprozedere teil, so bleibt<br />

e<strong>in</strong> natürlicher Kontext gewahrt.<br />

Im Rahmen dieser Überlegungen lässt sich der Untersuchungsplan für die hier vorgestellte<br />

Forschungsarbeit verorten. Aufgrund des Vorgehens stellt die Fallstudie die Basis des Planes<br />

dar, es fließen allerd<strong>in</strong>gs wesentliche Elemente e<strong>in</strong>er Handlungsforschung und e<strong>in</strong>er


78 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

Feldforschung mit e<strong>in</strong>. Diese Ausführungen sollen aber nicht zu der Annahme verleiten, der<br />

wahre Untersuchungsplan wäre alle<strong>in</strong> durch diese grundsätzlichen Untersuchungsanlagen<br />

def<strong>in</strong>iert. Der wahre Untersuchungsplan wird durch das Feld selbst def<strong>in</strong>iert, die Überlegungen<br />

zu e<strong>in</strong>er bestmöglichen Interaktion mit dem Forschungsgegenstand stützen sich aber auf<br />

die klassischen Designs.<br />

Mayr<strong>in</strong>g (1996, S. 29 f.) nennt fünf zentrale Punkte für das Vorgehen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

Fallanalyse:<br />

„1. Die Fragestellung der Fallanalyse muss formuliert werden. Ke<strong>in</strong> Fall ist an sich<br />

<strong>in</strong>teressant. Es muss expliziert werden, was mit der Fallanalyse bezweckt werden<br />

soll.<br />

2. Die Falldef<strong>in</strong>ition stellt e<strong>in</strong>en Kernpunkt der Analyse dar. Was soll als Fall gelten?<br />

Denkbar s<strong>in</strong>d Extremfälle, Idealtypen, häufige Fälle, aber auch besonders seltene<br />

Fälle … Die Bestimmung des Falles und dann auch des Materials, das an<br />

dem e<strong>in</strong>zelnen Fall untersucht werden soll, hängen von der Fragestellung ab.<br />

3. Nun müssen die verschiedenen Methoden bestimmt … und das Material gesammelt<br />

werden.<br />

4. Zur Aufbereitung des Materials gehören die Fixierung (Tonband, Video, Fallprotokolle<br />

…) und die Kommentierung des Materials (Kontextb<strong>in</strong>dung der Erhebung,<br />

besonderer E<strong>in</strong>drücke). Bei der weiteren Bearbeitung haben sich die Arbeitsschritte<br />

der Fallzusammenfassung und Fallstrukturierung bewährt …<br />

5. Schließlich muss der e<strong>in</strong>zelne Fall <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en größeren Zusammenhang e<strong>in</strong>geordnet<br />

werden. Er wird mit anderen Fällen verglichen, um die Gültigkeit der Ergebnisse<br />

abschätzen zu können.“<br />

Basierend auf diesen Überlegungen lässt sich für vorliegende Untersuchung folgender<br />

Untersuchungsplan festhalten:


6 Forschungsmethodischer Ansatz 79<br />

Übersicht 6-1: Untersuchungsplan<br />

Untersuchungsplan<br />

Die Fallstudie<br />

Fragestellung der Fallstudie:<br />

Was wird durch die Falluntersuchung bezweckt?<br />

(Kapitel 3)<br />

Falldef<strong>in</strong>ition:<br />

Was soll als Fall gelten?<br />

(Kapitel 3)<br />

E<strong>in</strong>ordnung:<br />

Die Fallstudie im Kontext von Handlungsund<br />

Feldforschung<br />

(Kapitel 6)<br />

Grundlage:<br />

Die qualitative Sozialforschung<br />

(Kapitel 6)<br />

Durchführung der Untersuchung I:<br />

Theoretische Wiedergabe<br />

(Kapitel 5, 7)<br />

Durchführung der Untersuchung II<br />

(Beantwortung der Forschungsfragen,<br />

Auff<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es größeren Zusammenhangs):<br />

Ergebnisdarstellung<br />

(Kapitel 8 bis 10)<br />

Aus dem <strong>in</strong> Kapitel 2 vorgestellten aktuellen Forschungsstand lassen sich die für die geplante<br />

Untersuchung relevanten Forschungsfragen ableiten, die <strong>in</strong> Kapitel 3 wiedergegeben s<strong>in</strong>d.<br />

Kapitel 2 und die <strong>in</strong>teressierenden Themenbereiche legen die Untersuchung im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

Fallstudie nahe, so dass Kapitel 3 schließlich die Falldef<strong>in</strong>ition aufgreift, also erläutert, was<br />

überhaupt als Fall gelten soll.<br />

Die Bearbeitung der e<strong>in</strong>zelnen Fälle, von der Datengew<strong>in</strong>nung bis h<strong>in</strong> zu deren Auswertung,<br />

wird im Rahmen e<strong>in</strong>er qualitativen Sozialforschung durchgeführt, wobei die Fallstudie im


80 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

Kontext von Handlungs- und Feldforschung e<strong>in</strong>zuordnen ist. Diese Forschungsmethodik soll<br />

im nachfolgenden Kapitel 6 mit Bezug auf die Arbeit vorgestellt werden, d. h. die Kapitel 7<br />

bis 10 basieren auf den theoretischen Bezügen des Kapitels 6. Die Kapitel 4 und 5 bilden im<br />

Wesentlichen die Grundlage für die Datenerhebung, da sie das Untersuchungsfeld im<br />

Wesentlichen von theoretischer und tatsächlicher Seite betrachten. Erst aus dieser Betrachtung<br />

lässt sich ableiten, welche Art von Daten überhaupt erhoben werden sollen und können.<br />

6.2 Durchführung der Untersuchung<br />

Nachfolgend wird die Untersuchung im H<strong>in</strong>blick auf die Datenerhebung, die Datenaufbereitung<br />

und die Datenauswertung näher beschrieben. Kapitel 6.2.1 stellt die theoretische<br />

Betrachtung der Datenerfassung im H<strong>in</strong>blick auf die entsprechenden Methoden heraus. Im<br />

Anschluss daran soll der Abschnitt 6.2.2 Grundlegendes der Transkription von vertontem<br />

Datenmaterial darlegen, da – wie bereits erwähnt – primär Schülere<strong>in</strong>schätzungen zur<br />

Evaluierung des <strong>Unterricht</strong>s beitragen und diese maßgeblich über Interviews aufgenommen<br />

werden. Kapitel 6.2.3 schließlich befasst sich mit den Untersuchungsmethoden, die für<br />

Auswertung und Analyse der erhobenen Daten herangezogen werden.<br />

6.2.1 Datenerhebung<br />

Im Vorfeld der vorliegenden Analyse entwickelten sich Methoden der Erhebung und<br />

Auswertung, die es erlauben, e<strong>in</strong>en möglichst breiten Zugang zu den Probanden zu f<strong>in</strong>den. Es<br />

wird bewusst das offene Gespräch mit den Schülern gesucht, standardisierte Konzepte werden<br />

<strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund gestellt. Auch s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>deutige Zuordnungen zu theoretisch vordef<strong>in</strong>ierten<br />

Methoden der qualitativen Sozialforschung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er breit angelegten Feldstudie kaum<br />

möglich. Dies würde Untersuchungen <strong>in</strong> vivo ad absurdum führen, wollte man versuchen,<br />

qualitative Analysen mit starren Regeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vorgefertigte Form zu zwängen. Das soll<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht heißen, bewährte Konzepte zu ignorieren. Vielmehr dienen diese e<strong>in</strong>er ersten<br />

Orientierung und bilden das Grundgerüst für e<strong>in</strong> weiteres Vorgehen.<br />

Wie <strong>in</strong> Kapitel 7 beschrieben, werden zur Evaluation des <strong>Unterricht</strong>s mehrere Methoden<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Im Wesentlichen wird von folgenden Verfahren ausgegangen:<br />

Hauptschiene: Befragung – Problemzentriertes Interview<br />

Nebenschiene: Beobachtung – Teilnehmende Beobachtung<br />

Die Befragung bildet die Grundlage zur Erhebung der Hauptuntersuchung ‚Schülere<strong>in</strong>schätzung’.<br />

E<strong>in</strong>e erste Befragungse<strong>in</strong>heit f<strong>in</strong>det während des <strong>Unterricht</strong>s im Gruppenverband statt;<br />

nach Durchlaufen der gesamten Lernstrecke haben die Schüler noch e<strong>in</strong>mal im E<strong>in</strong>zelgespräch<br />

Gelegenheit, sich bezüglich <strong>in</strong>teressierender Themengebiete zu äußern. Die ergänzende<br />

teilnehmenden Beobachtung und weitere, zur Verfügung stehende Materialien, wie z. B.<br />

Arbeitsunterlagen der Schüler oder deren Testergebnisse, untermauern die Untersuchung und<br />

dienen e<strong>in</strong>er späteren Verifizierung bzw. Falsifizierung der gewonnenen Schülere<strong>in</strong>sichten.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 81<br />

6.2.1.1 Die Befragung<br />

Die Wahl der Interviewform<br />

E<strong>in</strong>e Beurteilung des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s anhand von Schülerbefragungen bietet den<br />

Vorteil, den <strong>Unterricht</strong> nicht – wie bei Videoaufnahmen beabsichtigt – von ‚außen’ zu<br />

betrachten, sondern e<strong>in</strong> ‚<strong>in</strong>neres’ Bild des <strong>Unterricht</strong>s durch die subjektiven E<strong>in</strong>schätzungen<br />

der Schüler zu ermitteln. Ziel ist es nicht, Tatsachen e<strong>in</strong>er Beobachtung zu prüfen, sondern<br />

kognitive Abläufe zu erforschen und damit Lehr-Lern-Prozesse aus Sicht der Probanden zu<br />

verfolgen.<br />

Da die Befragung <strong>in</strong> der empirischen Sozialforschung noch immer das am häufigsten<br />

verwendete Instrument der Datenerhebung ist, kann davon ausgegangen werden, dass die<br />

bisher bekannten Methoden e<strong>in</strong>er Befragung auf e<strong>in</strong>em großen Erfahrungsschatz basieren.<br />

Kromrey (1998, S. 335 ff.) macht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen zum Gegenstand der Befragung<br />

darauf aufmerksam, folgende Aspekte zu überdenken:<br />

Die im Rahmen e<strong>in</strong>er Untersuchung stattf<strong>in</strong>denden Interviews s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> aller Regel ke<strong>in</strong>e<br />

Gespräche im herkömmlichen S<strong>in</strong>n s<strong>in</strong>d. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Befragungssituation<br />

e<strong>in</strong>e künstliche ist. Dazu nennt Kromrey unter Bezugnahme auf v. Alemann<br />

(Kromrey 1998, S. 338, nach v. Alemann 1977, S. 208 f.) drei wesentliche Punkte:<br />

Im Normalfall stehen sich der Interviewer und der Befragte als gänzlich fremde Personen<br />

gegenüber. Daraus ergeben sich zwei kritische Sachverhalte, die sich durchaus auf die<br />

vorliegende Untersuchung übertragen lassen. Zum e<strong>in</strong>en muss e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis<br />

aufgebaut werden, weil sich der Befragte e<strong>in</strong>er bisher eventuell unbekannten, unangenehmen<br />

Situation gegenübersieht. Dies kann die Antwortbereitschaft erheblich bee<strong>in</strong>trächtigen. Zum<br />

anderen gilt es zu bedenken, dass die Kommunikationsbereitschaft gegenüber der fremden<br />

Person erst geweckt werden muss, damit überhaupt e<strong>in</strong> Gespräch zustande kommt. Nicht alle<br />

Probanden haben das gleiche Bedürfnis, ihre Erlebnisse und Erfahrungen mitzuteilen. Im<br />

Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird dies <strong>in</strong>sbesondere dann zum Tragen kommen,<br />

wenn mehrere Personen gleichzeitig befragt werden. Im Schutz der Gruppe werden sich<br />

e<strong>in</strong>ige Probanden zurückziehen, während im Gegenzug die mitteilsameren Befragten gerne<br />

die Chance nutzen.<br />

Problematisch kann sich die ungleiche Beziehung zwischen den Interviewpartner auswirken.<br />

Interviewer und Befragter s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e wirklichen Gesprächspartner, weil der Fragende im<br />

Wesentlichen agiert, während der Befragte lediglich reagieren kann.<br />

Schließlich kann die Situation des Interviews nicht mit e<strong>in</strong>er alltäglichen Interaktion<br />

verglichen werden, da der Befragte aus dieser ke<strong>in</strong>e weiteren sozialen Folgen ableitet. Dies<br />

kann e<strong>in</strong>e gewisse Lethargie bei dem Befragten hervorrufen, weil e<strong>in</strong> etwaiges Bemühen um<br />

adäquate Antworten nutzlos ersche<strong>in</strong>t. Im umgekehrten Fall können aber dadurch auch<br />

Aussagen provoziert werden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ‚realen Situation aufgrund befürchteter Sanktionen<br />

so nicht ausgesprochen worden wären.<br />

Diese Überlegungen zu e<strong>in</strong>em nur stellenweise neutralen Erhebungs<strong>in</strong>strument erfordern die<br />

Wahl e<strong>in</strong>er Interviewtechnik, die zum<strong>in</strong>dest im Wesentlichen die bisher genannten Aspekte<br />

berücksichtigt und so e<strong>in</strong> Maximum an Neutralität erlaubt.<br />

Nebenbei sei bemerkt, dass sich die Frage nach der Entscheidung für die qualitative oder<br />

quantitative Interviewtechnik im Rahmen dieser Arbeit nicht stellt. E<strong>in</strong>e Standardisierung,


82 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

e<strong>in</strong>e geschlossene Frageform oder die schriftliche Kommunikation werden im S<strong>in</strong>ne des<br />

Forschungs<strong>in</strong>teresses nicht näher beleuchtet. Die Befragung soll durchaus „<strong>in</strong> Form von<br />

Alltagskommunikation durchgeführt werden, wobei Fragen und Antworten sich gegenseitig<br />

bed<strong>in</strong>gen und e<strong>in</strong> mehr oder weniger symmetrischer, bilateraler und gleichgewichtiger<br />

Gesprächsablauf zu verzeichnen ist (Lamnek 1995a, S. 39 f.). Bei e<strong>in</strong>er Standardisierung<br />

h<strong>in</strong>gegen kann und soll der Befragte lediglich Antworten liefern, die womöglich noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

vorgegebenes Schema e<strong>in</strong>zuordnen s<strong>in</strong>d. Sobald e<strong>in</strong>e Frage abgehandelt ist, wird der<br />

Frageverlauf – unabhängig von den Antworten – nach Plan fortgesetzt. Die Standardisierung<br />

erlaubt ke<strong>in</strong> Reagieren des Interviewenden auf die Äußerungen des Probanden, ke<strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen <strong>in</strong> die Sichtweise des Befragten, <strong>in</strong>sbesondere dann nicht, wenn die<br />

Befragung schriftlich erfolgt. Da aber aufgrund des hier genannten Forschungs<strong>in</strong>teresses e<strong>in</strong><br />

tief greifender E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die subjektiven Strukturen der Probanden erfolgen soll, scheiden<br />

diese Befragungsmethoden aus.<br />

Bei dem Versuch nun, e<strong>in</strong>en bestimmten Interviewtypus für das hier aufgezeigte Forschungsvorhaben<br />

festzulegen, zeigt sich die Problematik der Heterogenität diesbezüglicher Begrifflichkeiten.<br />

E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuordnung zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> der Literatur bereits abgegrenzten Interviewstil kann<br />

hier nicht getroffen werden. Trotzdem bietet es sich bei vorliegender Untersuchung <strong>in</strong> beiden<br />

Befragungse<strong>in</strong>heiten an, sowohl bei der kollektiven Befragung als auch bei der E<strong>in</strong>zelbefragung,<br />

im Wesentlichen die Elemente e<strong>in</strong>es problemzentrierten Interviews zur Datenerhebung<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. Vorab wird jedoch e<strong>in</strong>e ausdrückliche Distanzierung von e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen<br />

Festlegung für e<strong>in</strong>en Interviewtypus vorgenommen, weil stets Elemente anderer Formen <strong>in</strong><br />

das tatsächlich durchgeführte Konzept mit e<strong>in</strong>fließen. Dies ist notwendig, weil im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er qualitativen Forschung stets der Proband oder besser, das gesamte Forschungsfeld<br />

berücksichtigt wird. E<strong>in</strong> starrer Untersuchungsansatz würde e<strong>in</strong>em qualitativen Forschungsansatz<br />

entgegenstehen, weil die ‚Wirklichkeit’ nicht berücksichtigt würde. Bewertet man das<br />

‚fokussierte Interview’, so trifft es weitestgehend nicht den Kern des hier vorliegenden<br />

Ansatzes, weil es sich beim fokussierten Interview „eher um die Falsifikation von deduktiv<br />

gewonnenen Hypothesen, die der Forscher vorab entwickelt hat“, handelt (Lamnek 1995a, S.<br />

79). Dies kann aber auf vorliegende Arbeit nicht starr übertragen werden, da der explorative<br />

Ansatz hier ke<strong>in</strong>e Hypothesen überprüfenden Vorgehensweise verfolgt, sondern e<strong>in</strong> eher<br />

‚weiches’ Vorgehen h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Beantwortung von Forschungsfragen. Trotzdem<br />

können zwei zentrale Komponenten des fokussierten Interviews auf die Befragung der<br />

Probanden <strong>in</strong> der hier durchgeführten Untersuchung übertragen werden. Zum e<strong>in</strong>en kennt der<br />

Forscher bei e<strong>in</strong>er fokussierten Befragung „die reale Feldsituation, die die Befragten erlebt<br />

haben, und ermittelt die verbal reproduzierten Reaktionen der Betroffenen. Aus der Kenntnis<br />

der Situation wird [zum anderen, d. Verf.] e<strong>in</strong> Leitfaden formuliert und angewandt“ (Lamnek<br />

1995a, S. 81). Ähnlich stehen Elemente des narrativen Interviews dem Forschungsansatz<br />

entgegen, beispielsweise das Fehlen theoretischer Konzepte, die der Untersuchung zugrunde<br />

liegen sollen. Andererseits ist der Interviewstil bei e<strong>in</strong>em narrativen Interview „weich bis<br />

neutral und überlässt im Wesentlichen dem Befragten den Detaillierungsgrad der Erzählungen“<br />

(Lamnek 1995a, S. 74), wie es auch <strong>in</strong> hier gewählter Interviewform vorgesehen ist.<br />

Im Folgenden soll nun das problemzentrierte Interview im Vergleich zu anderen Befragungsarten,<br />

anhand der oben angesprochenen zentralen Pr<strong>in</strong>zipien qualitativer Sozialforschung,<br />

e<strong>in</strong>geordnet werden.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 83<br />

Interviewformen →<br />

methodologische<br />

Prämissen ↓<br />

narratives Interview<br />

problemzentriertes<br />

Interview<br />

fokussiertes Interview<br />

Offenheit völlig weitgehend nur bed<strong>in</strong>gt<br />

Kommunikation erzählend zielorientiert fragend Leitfaden<br />

Prozesshaftigkeit gegeben gegeben nur bed<strong>in</strong>gt<br />

Flexibilität hoch relativ hoch relativ ger<strong>in</strong>g<br />

Explikation ja ja ja<br />

Theoretische<br />

Voraussetzungenen<br />

relativ ohne Konzept vorhanden weitgehendes Konzept<br />

Hypothesen Generierung Generierung; Prüfung<br />

eher Prüfung;<br />

auch Generierung<br />

Übersicht 6-2: Auszug aus dem methodologischen Vergleich verschiedener Formen qualitativer<br />

Interviews (Lamnek 1995a, S. 91)<br />

Die Merkmale der Befragung<br />

Die Tabelle verdeutlicht, warum für vorliegende Arbeit das problemzentrierte Interview als<br />

adäquat ersche<strong>in</strong>t. Der Befragungsstil zeigt e<strong>in</strong>en äußerst offenen Charakter. E<strong>in</strong> etwaiger<br />

Leitfaden tritt damit <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, lediglich e<strong>in</strong>e grobe Zielrichtung wird vorgegeben.<br />

Der Stil der Kommunikation ist weich bis neutral, da es der Interviewer nicht nur auf die<br />

Antworten des Befragten ‚abgesehen’ hat, sondern e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis entwickeln will,<br />

das den Gesprächsverlauf bee<strong>in</strong>flusst. In diesem Zusammenhang soll zugleich die Art der<br />

Fragestellung und die E<strong>in</strong>ordnung möglicher Antworten näher erläutert werden. Atteslander<br />

(1995) beschäftigt sich mit der Problematik, <strong>in</strong>wieweit Me<strong>in</strong>ungen als Artefakte zu verstehen<br />

s<strong>in</strong>d. „Unter e<strong>in</strong>em Artefakt ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die durch das Instrument e<strong>in</strong>geschränkte<br />

oder provozierte Me<strong>in</strong>ungsäußerung zu verstehen“ (ebd., S. 148). Die Produktion<br />

von Artefakten kann viele Ursachen haben und ist oft auf die Art der Fragestellung zurückzuführen.<br />

Aufgrund der verschiedenen Sprachen unterschiedlicher Subkulturen entscheidet es<br />

sich sehr schnell, welche Fragen auf welche Weise gestellt werden sollen. Im H<strong>in</strong>blick auf das<br />

zu untersuchende Klientel muss e<strong>in</strong>e Sprachebene gefunden werden, die die Kommunikation<br />

zwischen Interviewer und Befragtem überhaupt erst ermöglicht. „Es existiert häufig für e<strong>in</strong><br />

und dieselbe Frage e<strong>in</strong> unterschiedliches Verständnis, e<strong>in</strong>e unterschiedliche Deutung<br />

zwischen Interviewer und Befragtem sowie <strong>in</strong>nerhalb verschiedener Gruppen von Befragten“<br />

(Kromrey 1998, S. 335). Es ist im Rahmen e<strong>in</strong>er späteren Auswertung erhobener Daten daher


84 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

zu berücksichtigen, wie e<strong>in</strong> im S<strong>in</strong>ne des Kommunikationsmodells zu bezeichnender<br />

Empfänger (Befragter) die Intention des Senders (Interviewer) versteht und wie etwaige<br />

Antworten demgemäß zu <strong>in</strong>terpretieren s<strong>in</strong>d.<br />

Aber nicht nur e<strong>in</strong> angeglichenes Sprachniveau ist für die Durchführung e<strong>in</strong>es Interviews<br />

wesentlich. Die gesamte soziale Situation während des Interviews muss berücksichtigt<br />

werden. Beispielsweise spielt die Motivation des Befragten e<strong>in</strong>e erhebliche Rolle und spiegelt<br />

sich <strong>in</strong> dessen Antwortverhalten wider. „Der Interviewer ist stärker <strong>in</strong>teressiert Antworten zu<br />

erhalten als der Befragte, solche zu geben. ... Je ger<strong>in</strong>ger der Grund der Geme<strong>in</strong>samkeit der<br />

Kommunikation, desto eher entspricht die Struktur der Antworten der Struktur der Befragung,<br />

und nicht, wie dies anzustreben wäre, der eigenen Erfahrung der Antwortenden“ (Atteslander<br />

1995, S. 155). Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass verschiedenste E<strong>in</strong>flüsse das<br />

Antwortverhalten des Probanden bee<strong>in</strong>flussen können und diese gilt es vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

e<strong>in</strong>er Auswertung und Beurteilung der Aussagen aufzudecken und zu berücksichtigen.<br />

Die Prozesshaftigkeit wird bei Lamnek unter zwei Gesichtspunkten verstanden. E<strong>in</strong>erseits ist<br />

der Forschungsprozess als Kommunikationsprozess zu def<strong>in</strong>ieren, bei dem „Deutungs- und<br />

Handlungsmuster ... durch Agieren und Interpretieren wechselseitig produziert und modifiziert<br />

werden, ...“ (Lamnek 1995a, S. 62), andererseits ist der „Konstitutionsprozess von<br />

sozialer Realität“ bedeutsam, weil „prozesshaft generierte Ausschnitte der Konstruktion und<br />

Reproduktion von sozialer Realität“ durch die qualitative Befragung erfahrbar s<strong>in</strong>d. Im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>es problemzentrierten Interviews kann gerade die soziale Realität aufgedeckt werden,<br />

<strong>in</strong>dem der Proband offen über se<strong>in</strong>e Erfahrungen berichten kann und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Erzählungen<br />

nicht e<strong>in</strong>geschränkt wird.<br />

Die durchlaufenen <strong>Unterricht</strong>ssituationen, deren ‚Wirklichkeit’ von allen Beteiligten –<br />

Probanden, Lehrer und Forscher – bestimmt wird, spiegeln sich im Interview wider. „Weil die<br />

Interviewsituation <strong>in</strong> ihrem Ablauf nicht vorherbestimmt und vorherbestimmbar ist, ist<br />

Flexibilität beim qualitativen Interview nicht nur e<strong>in</strong>e methodologische Forderung, sondern<br />

geradezu notwendig, soll das Interview mit Erfolg durchgeführt werden“ (ebd., S. 63).<br />

‚Flexibilität’ wird hier <strong>in</strong> Bezug auf die jeweilige Situation verstanden, d. h., e<strong>in</strong> entsprechendes<br />

Reagieren des Forschers auf die Antworten der Probanden, welche die Situation<br />

def<strong>in</strong>ieren, ist zw<strong>in</strong>gend.<br />

Explikation im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Befragung kann von zwei Seiten betrachtet werden. In der<br />

vorliegenden Untersuchung, <strong>in</strong>sbesondere im H<strong>in</strong>blick auf die Testpersonen, ist es zweckmäßig,<br />

sowohl dem Interviewer als auch dem Befragten die Chance der Explikation zu geben.<br />

„Paraphrasieren, Nachfragen, vorsichtiges Interpretieren der Äußerungen durch den Forscher<br />

bzw. Interviewer s<strong>in</strong>d Hilfsmittel, um den zu Befragenden anzuregen, se<strong>in</strong>e Äußerungen zu<br />

explizieren, zu präzisieren, zu reflektieren“ (ebd., S. 63). Gerade das Qualitative erlaubt, was<br />

im Quantitativen nicht möglich wäre, nämlich vom Festgelegten abzuheben und die Realität<br />

durch H<strong>in</strong>terfragen zu entdecken. Dabei werden die Fragen und Antworten durch e<strong>in</strong><br />

H<strong>in</strong>terfragen und Explizieren ergänzt, um die quantitative Ebene zu verlassen.<br />

Der bereits oben angesprochene offene Befragungsstil erlaubt e<strong>in</strong> theoretisches Konzept, das<br />

aber im Forschungsprozess ggf. anzupassen ist. Das Theoretische tritt nach Lamnek durch die<br />

Befragung mit der Alltagswelt <strong>in</strong> Wechselwirkung und wird so erst begreiflich und letztendlich<br />

auch an die soziale Realität angepasst. In anderen Worten heißt dies, dass sich dem<br />

Forscher aufgrund des Forschungsansatzes möglicherweise noch nicht bekannte Sachverhalte<br />

erschließen werden, und diese Chance gilt es zu nutzen, <strong>in</strong>dem die Befragung entsprechend<br />

gelenkt wird.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 85<br />

Kollektiv- und E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

Bei der Durchführung e<strong>in</strong>er Kollektivbefragung werden Regeln der Gruppendiskussion<br />

impliziert, wie sie Lamnek (ebd., S. 158) detailliert beschreibt. Lamnek verweist darauf, dass<br />

die Gruppendiskussion nicht dem kollektiven Interview entsprechen könne, weil letztendlich<br />

Teilnehmer untere<strong>in</strong>ander kommunizierten und nicht hauptsächlich mit dem Diskussionsleiter<br />

(ebd., S. 140). Allerd<strong>in</strong>gs schreibt er der Rolle e<strong>in</strong>es Diskussionsleiters <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kursorischen<br />

Darstellung e<strong>in</strong>es idealtypischen Diskussionsverlaufs Eigenschaften zu, wie sie durchaus<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Kollektivbefragung vertretbar s<strong>in</strong>d:<br />

„- Die Gruppendiskussion beg<strong>in</strong>nt ... mit der knappen Vorstellung des Diskussionsleiters.<br />

- Dann benennt der Moderator den Gegenstand der Diskussion allgeme<strong>in</strong>, aber doch<br />

ausreichend <strong>in</strong>formativ. ...<br />

...<br />

- Läuft die Diskussion etwas schleppend, so versucht der Moderator auf gemachte<br />

Diskussionsbeiträge e<strong>in</strong>zugehen, um zu weiteren Aussagen anzuregen. Hierzu<br />

kann er:<br />

-- nachfragen, wie denn die Äußerung geme<strong>in</strong>t war;<br />

-- paraphrasieren, also mit se<strong>in</strong>en Worten erläuternd wiederholen;<br />

...<br />

-- Konsequenzen der Aussage aufzeigen oder andeuten, um zu weiterem<br />

Nachdenken anzuregen;<br />

-- durch kontrastierende Fragen, die evtl. vorhandene, unterschiedliche Auffassungen<br />

verdeutlichen, e<strong>in</strong>e Diskussion neu beleben ... “<br />

(ebd., S. 158 f.).<br />

Betrachtet man die für vorliegende Arbeit erhobenen Interviews mit dem H<strong>in</strong>tergrund des<br />

narratorischen Charakters, zeigen sich deutliche Parallelen zu der von Lamnek beschriebenen<br />

Gruppendiskussion. Ähnlich wie bei anderen ‚weichen’ Forschungsmethoden wird die<br />

tatsächlich stattf<strong>in</strong>dende Befragung auf e<strong>in</strong>em Kont<strong>in</strong>uum zwischen Gruppendiskussion und<br />

Gruppenbefragung angesiedelt se<strong>in</strong>.<br />

Gruppen<strong>in</strong>terviews f<strong>in</strong>den deshalb Anwendung, weil sich damit e<strong>in</strong>e geeignete Möglichkeit<br />

eröffnet, e<strong>in</strong>e Dynamik <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe zu erforschen Vorteilhaft zeigt sich dabei, dass<br />

die Antworten der Befragten reflektiert und diskutiert im Gruppenverband wiedergegeben<br />

werden. Somit kristallisiert sich e<strong>in</strong> sehr breites Me<strong>in</strong>ungsspektrum heraus, welches<br />

wiederum e<strong>in</strong>er sehr tief greifenden Auswertung zuträglich ist. E<strong>in</strong> weiterer positiver Aspekt<br />

e<strong>in</strong>er kollektiven Befragung ist e<strong>in</strong> damit verbundener ger<strong>in</strong>ger ökonomischer Aufwand<br />

(ebd.). Dies ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem Zusammenhang deshalb als obligat, weil sich die Datenerhebung<br />

nicht alle<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>e Befragung beschränken lässt (s. u.). Der Forscher beobachtet z. B.<br />

das Feld, greift ggf. aktiv e<strong>in</strong> und befasst sich mit den Schülern, auch wenn ke<strong>in</strong>e Befragung<br />

ansteht.<br />

Gruppenbefragungen weisen aber auch deutliche Schwachstellen auf. Lamnek reduziert sie<br />

auf vier essentielle Aspekte:


86 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

- „Die Repräsentativität <strong>in</strong> Bezug auf die Verteilung der E<strong>in</strong>zelteilnehmer, ...“. Geme<strong>in</strong>t<br />

ist e<strong>in</strong>e unbefriedigende Verteilung von Äußerung e<strong>in</strong>zelner Befragter.<br />

Lamnek weist aber darauf h<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e diesbezügliche Quantifizierung nicht nötig<br />

sei. Dies kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur bestätigt werden, weil<br />

e<strong>in</strong>e ungleich Verteilung die unterschiedlichen Charaktere der Probanden widerspiegelt<br />

und damit auch die soziale Realität.<br />

- „Die Schwierigkeit, Wortprotokolle anzufertigen ...“. Hier zeigen sich tatsächlich<br />

erhebliche Probleme, verschiedene Personen zu erkennen und zum Teil überlagerte<br />

Antworten entsprechend zuzuordnen. Diesbezüglich sei auf Kapitel 7.4, Methodenreflexion<br />

verwiesen, dort werden die angesprochenen Kriterien explizit behandelt.<br />

- „Die ... Verh<strong>in</strong>derung von Me<strong>in</strong>ungsäußerungen bestimmter Teilnehmer, ...“<br />

Manche Probanden werden sich erfahrungsgemäß eher zurückhalten, während andere<br />

dom<strong>in</strong>ieren und die Rednerrolle übernehmen. Lamnek ordnet dieses Kriterium<br />

e<strong>in</strong>deutig den negativen Aspekten e<strong>in</strong>er Gruppendiskussion zu. Wie aber bereits<br />

erwähnt, kann gerade diese Tatsache e<strong>in</strong> entscheidendes Merkmal e<strong>in</strong>er qualitativen<br />

Analyse darstellen.<br />

- Das Ansprechen von Themen, deren Forschungsrelevanz nicht oder nur bed<strong>in</strong>gt<br />

gegeben ist. Hier muss der Diskussionsleiter entsprechend steuern, auch wenn dies<br />

im qualitativen Paradigma vermieden werden sollte. „Auch qualitative Gruppendiskussionen<br />

gehen eben nicht ohne e<strong>in</strong>e gewisse Zielführung“<br />

(Lamnek 1995a, S. 166 f.).<br />

Um u. a. mögliche Nachteile e<strong>in</strong>er Gruppenbefragung auszugleichen wird die Me<strong>in</strong>ung der<br />

Lernenden nach dem Durchlaufen der gesamten Lernstrecke noch e<strong>in</strong>mal erfasst. Dabei sollen<br />

die Auszubildenden e<strong>in</strong>zeln anhand e<strong>in</strong>es klar strukturierten Leitfadens befragt werden,<br />

tiefergreifende Ausführungen s<strong>in</strong>d aber – bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad – auch hier erwünscht.<br />

Die angesprochenen Themen spiegeln ähnliche Sachverhalten wider, wie sie bereits bei der<br />

Kollektivbefragung berücksichtigt wurden, ergänzt durch personenspezifische Gegebenheiten.<br />

Des Weiteren gilt für die Interviewtechnik oben Gesagtes.<br />

6.2.1.2 Die Beobachtung<br />

Das Interesse der Untersuchung liegt primär auf Seiten der Schüleraussagen. Trotzdem soll<br />

e<strong>in</strong>e weitere Datenschiene aufgenommen werden, nämlich die Beobachtung des <strong>Unterricht</strong>sgeschehens.<br />

Die Beobachtung stellt darauf ab, die festgestellten Geschehnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Optimierungsprozess sowohl im S<strong>in</strong>ne des Forschungsverlaufs als auch im S<strong>in</strong>ne des<br />

untersuchten <strong>Unterricht</strong>s e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Zudem dient die Beobachtung dazu, die von den<br />

Schülern aufgezeichneten Aussagen e<strong>in</strong>er Bewertung zugänglich machen. Das heißt, die von<br />

den Schülern gewonnenen Daten s<strong>in</strong>d im H<strong>in</strong>blick auf die erfassten Details zu verifizieren<br />

bzw. ggf. zu falsifizieren. Nur so lässt sich die von den Schülern entwickelte Innenperspektive<br />

e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben transparent gestalten<br />

bzw. lassen sich die erfassten Daten später <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Gesamtzusammenhang e<strong>in</strong>ordnen.<br />

Es bietet sich also an, die Probanden zu beobachten und bezeichnende Situationen schriftlich<br />

festzuhalten. Aus der teilnehmenden Beobachtung resultieren <strong>in</strong> der vorliegenden Untersuchung<br />

Memo-Protokolle, <strong>in</strong> die solche Ereignisse aufgenommen werden, die zu e<strong>in</strong>er weiteren


6 Forschungsmethodischer Ansatz 87<br />

Optimierung der Forschung bzw. des <strong>Unterricht</strong>s dienen könnten, die aber auf re<strong>in</strong>er<br />

Beobachtung beruhen und nicht durch Befragungen ermittelt werden. Näheres dazu siehe<br />

Kapitel 7.1.4. Die Beobachtung liefert hier die Basis für e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest partielle Verlaufsuntersuchung,<br />

die sich aufgrund obiger Ausführungen nur implizit <strong>in</strong> den Ergebnissen wieder<br />

f<strong>in</strong>det.<br />

Die Beobachtung erfolgt <strong>in</strong> der hier zugrunde liegenden Untersuchung – wie bereits erwähnt –<br />

nur ausschnittsweise, da sie zur Unterstützung dient und e<strong>in</strong>e Videoevaluation nicht e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden soll (siehe oben). Die folgend dargestellte Übersicht zeigt auf, wie die gewählte<br />

Beobachtungsart e<strong>in</strong>zugliedern ist.<br />

Beobachtung<br />

nicht-teilnehmend teilnehmend<br />

unstrukturiert strukturiert unstrukturiert strukturiert<br />

offen verdeckt offen verdeckt offen verdeckt offen verdeckt<br />

Übersicht 6-3: Klassifikation der Beobachtungsformen<br />

Es erweist sich als zweckdienlich, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung e<strong>in</strong>e offene,<br />

teilnehmende Beobachtung durchzuführen, die e<strong>in</strong>em unstrukturierten Muster zugeordnet<br />

werden kann. Teilnehmend deshalb, weil der Untersuchende Teil des Feldes se<strong>in</strong> und somit <strong>in</strong><br />

das Feld aufgenommen werden soll. Das E<strong>in</strong>gliedern <strong>in</strong> die Umgebung schafft auf e<strong>in</strong>fache<br />

Weise e<strong>in</strong>e natürliche <strong>Unterricht</strong>ssituation, die sich sukzessive e<strong>in</strong>em Realbild annähert.<br />

Da die Beobachtung nur charakteristische Situationen aufdecken soll, wird sie unstrukturiert<br />

durchgeführt. Damit wird bewusst auf e<strong>in</strong> eng vorgegebenes, Kategorien festlegendes<br />

Beobachtungskonzept verzichtet, mit welchem man leicht Gefahr laufen könnte, wesentliche,<br />

aber aus dem Kategorienkonzept fallende Momente zu versäumen. Da der Forscher Teil des<br />

Ganzen ist und die Schüler ständig <strong>in</strong> Kontakt mit dem Forscher treten können, ist dessen<br />

Beobachtung für die Probanden offen. Für den Forscher ist es daher unerlässlich, e<strong>in</strong><br />

Vertrauensverhältnis mit den Probanden aufzubauen und sich <strong>in</strong> den <strong>Unterricht</strong>sprozess derart<br />

zu <strong>in</strong>tegrieren, dass der Forschungsakt als selbstverständlich betrachtet und e<strong>in</strong>e zwangsläufige<br />

Befangenheit der Schüler möglichst auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum reduziert wird.


88 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

6.2.1.3 Ergänzende Materialien<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er qualitativ angelegten Evaluation werden die zu erhebenden Daten zunächst<br />

noch nicht endgültig festgelegt. Erst mit Fortschreiten der Untersuchung zeigt sich die<br />

Notwendigkeit der Erfassung bestimmter Datenstränge. Es empfiehlt sich daher, auf die<br />

vollständige Erhebung aller Materialien zu achten, die von den Probanden <strong>in</strong>nerhalb der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke angefertigt werden. Diese sogenannten ‚harten’ Daten (z. B. die von den<br />

Schülern angefertigten Arbeiten) erleichtern im späteren Auswertungsprozedere das<br />

E<strong>in</strong>ordnen der Schüleraussagen und dienen ggf. zu deren Verifikation oder verdeutlichen<br />

eventuell zu h<strong>in</strong>terfragende Angaben.<br />

6.2.2 Datentransformation und Datenaufbereitung<br />

Die aus den Befragungen resultierenden Tonaufnahmen müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nächsten Schritt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e verarbeitbare, d. h. verschriftete Form überführt werden. Tatsächlich ist es nur schwer<br />

möglich, große Mengen vertonter Interviews auf anderem Wege e<strong>in</strong>er Auswertung zugänglich<br />

zu machen als diese zu verschriften. Lamnek (1995a, S. 108) zeigt Schritte e<strong>in</strong>es Transkriptionsablaufs<br />

auf, um letztendlich Textmaterial vorliegen zu haben, das die Aussagen der<br />

Probanden im Wesentlichen im Orig<strong>in</strong>al wiedergibt. Dabei wird folgendermaßen vorgegangen:<br />

1. Übertragen des vertonten Materials <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e verschriftete Form;<br />

2. E<strong>in</strong>fügen von Kommentierungen zur Darlegung nonverbaler Aspekte;<br />

3. Vergleich der Transkripte mit dem Bandmaterial und ggf. Fehlerkorrektur;<br />

4. Gegebenenfalls H<strong>in</strong>zufügen sozialstatistischer oder biographischer Daten;<br />

5. Beseitigung letzter Unklarheiten.<br />

Es bietet sich für vorliegende Untersuchung an, im Wesentlichen diesen Ablauf durchzuführen,<br />

wobei allerd<strong>in</strong>gs auf Schritt 4 verzichtet wird. Informationen dieser Art sollen an anderer<br />

Stelle genannt werden und fließen dort <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>.<br />

Mayr<strong>in</strong>g (1996, S. 68 ff.) nennt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen verschiedene Techniken, die<br />

Verschriftung abzufassen:<br />

„- das Internationale Phonetische Alphabet, um alle Dialekt- und Sprachfärbungen<br />

wiederzugeben;<br />

- die literarische Umschrift, die auch Dialekt im gebräuchlichen Alphabet wiedergibt;<br />

- die Übertragung <strong>in</strong> normales Schriftdeutsch“.<br />

Die Wahl der geeigneten Technik wird letztendlich aufgrund des vertonten Datenmaterials<br />

erfolgen. Bei großen Datenmengen wird sich die Wiedergabe der Interviews mit Hilfe des<br />

Phonetischen Alphabets als äußerst schwierig und zeitaufwändig gestalten. Zudem muss der<br />

die Transkription Durchführende gründlich geschult werden, weil e<strong>in</strong> bloßes Beachten<br />

festgelegter Übertragungsregeln noch zu ke<strong>in</strong>er Übersetzung vertonten Materials <strong>in</strong> die<br />

verschriftete Form befähigt.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 89<br />

Die Regel wird wohl e<strong>in</strong>e Mischform der beiden letztgenannten Techniken se<strong>in</strong>. Die exakte<br />

Abbildung der mundartlichen Färbungen erschwert – wie auch Mayr<strong>in</strong>g angibt – e<strong>in</strong>e spätere<br />

Bearbeitung der Texte, weil die Lesbarkeit deutlich e<strong>in</strong>geschränkt ist. Das vollständige<br />

Übertragen des vertonten Materials <strong>in</strong> normales Schriftdeutsch dagegen lässt unter Umständen<br />

wichtige Aussagen nicht mehr <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung treten. Gerade durch e<strong>in</strong>e mundartliche<br />

Färbung kann das gesprochene Wort Bedeutungen enthalten, die die re<strong>in</strong>e hochdeutsche<br />

Sprache unter Umständen nicht wiedergibt. Dies erfordert e<strong>in</strong>e Gratwanderung bei der<br />

Übertragung des Materials, weil die Entscheidung für das Glätten ausgewählter Textstellen<br />

bereits e<strong>in</strong>e erste Forschersicht, d. h. e<strong>in</strong>e erste subjektive Me<strong>in</strong>ung des Forschers <strong>in</strong> die<br />

Rohdaten e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt.<br />

E<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nexplizierende Erweiterung der Wortprotokolle wird durch deren Kommentierung<br />

erreicht. So können beispielsweise Sprechpausen, verzögertes Antworten, Redehemmungen,<br />

Tonlagen u. Ä. zusätzlich angegeben werden, um den Aussagegehalt zu stützen und zu<br />

verdeutlichen. Auch dabei gilt es zu differenzieren, welche Anmerkungen wichtig s<strong>in</strong>d und<br />

wann e<strong>in</strong>e Kommentierung nur die Lesbarkeit der Wortprotokolle e<strong>in</strong>schränkt.<br />

Da der Auswertung der vorliegenden Untersuchung <strong>in</strong>sbesondere der <strong>in</strong>haltlich-thematische<br />

Aspekt der Schüleraussagen zugrunde gelegt werden soll, müssen vorab alle Aussagen <strong>in</strong> das<br />

Transkript aufgenommen werden. E<strong>in</strong>e vorzeitige Reduktion durch Zusammenfassung oder<br />

Selektion, e<strong>in</strong>e Kategorisierung der Aussagen oder sonstige, <strong>in</strong> die Auswertung maßgeblich<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>reichenden Schritte werden zum Zeitpunkt der Datenaufbereitung abgelehnt, weil<br />

<strong>in</strong>sbesondere aufgrund der Gruppenbefragung und der damit verbundenen, zum Teil<br />

ausgedehnten Interviewverläufe e<strong>in</strong>e diesbezügliche E<strong>in</strong>schätzung unmöglich ist. Zusammenhänge<br />

können erst nach ausführlicher Sichtung des Materials erkannt und e<strong>in</strong>geordnet werden.<br />

Unter Berücksichtigung des befragten Klientels, der Datenmenge und des Forschungs<strong>in</strong>teresses<br />

wird letztendlich die herkömmliche Transkription zur Aufbereitung der Daten gewählt,<br />

wobei die Verschriftung als e<strong>in</strong>e Mischform zwischen literarischer Umschrift und Übertragung<br />

<strong>in</strong> re<strong>in</strong>es Schriftdeutsch, <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den Aussagegehalt näher beschreibenden<br />

Kommentierungen umgesetzt wird. Das so erhaltene verschriftete Material wird der im<br />

Verlauf der Untersuchung durchzuführenden Auswertung zugrunde gelegt. Details s<strong>in</strong>d<br />

Kapitel 7.2 zu entnehmen.<br />

6.2.3 Datenauswertung:<br />

Die Qualitative Inhaltsanalyse im Kontext klassischer Verfahren<br />

Nachfolgend stellt sich die Frage, wie aus dem vorliegenden Datenmaterial die vorherrschenden<br />

Denkweisen der Schüler so dargestellt werden können, dass diese Darstellung mit der<br />

wahren Intention der Probanden im Wesentlichen übere<strong>in</strong>stimmt. E<strong>in</strong> tatsächliches Auswertungsverfahren<br />

wird <strong>in</strong> der Regel auf Elementen mehrerer klassischer Auswertungsverfahren<br />

beruhen, so dass es nicht möglich ist, sich e<strong>in</strong>dimensional zu orientieren. Das Zusammenspiel<br />

verschiedener Elemente soll e<strong>in</strong> im S<strong>in</strong>ne des Forschungs<strong>in</strong>teresses und <strong>in</strong> Abhängigkeit von<br />

den Variablen des Forschungsfeldes effizientes Auswertungsverfahren für das vorhandene<br />

Rohmaterial gewährleisten, um das oben genannt Ziel zu erreichen, die Ansichten der<br />

Probanden möglichst tiefgründig und e<strong>in</strong>deutig abzubilden. Die nachstehenden Kapitel sollen<br />

jedoch ke<strong>in</strong>e Lehrbuchauszüge offenbaren, dazu sei auf entsprechende Fachliteratur<br />

verwiesen. Vielmehr ist es das Anliegen der Ausführungen die Auswertung im Kontext<br />

klassischer Verfahren vorzustellen und ggf. e<strong>in</strong>zelne Elemente der klassischen Verfahren kurz


90 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

zu erläutern. Das genaue Vorgehen zur Auswertung der transkribierten Daten kann Kapitel<br />

7.3 entnommen werden.<br />

E<strong>in</strong>e oftmals angewandte Methode der Text<strong>in</strong>terpretation ist die Sequenzierung und Kategorisierung<br />

von Textbauste<strong>in</strong>en. Es stellt sich laut Flick die Frage nach der „Dialektik von<br />

Authentizität und Strukturierung“ (Flick 1991, S. 164). Jegliche Strukturierung, jegliche<br />

Umgestaltung von Texten führt zu deren Veränderung, so dass im H<strong>in</strong>blick auf das zu<br />

untersuchende Forschungsfeld Auswertungsverfahren anzuwenden s<strong>in</strong>d, die sich der sozialen<br />

Wirklichkeit anpassen. Die Übernahme theoretischer ‚Lehrbuchrezepte’ kann – wie bereits<br />

bei der Datenerhebung ausgeführt – nicht zum gewünschten Ergebnis führen, die Orig<strong>in</strong>alaussagen<br />

möglichst neutral und objektiv <strong>in</strong> übersichtlicher Weise darzustellen. Die Auswertungsschritte<br />

<strong>in</strong> vorliegender Arbeit lehnen sich zum Teil eng an oben beschriebene theoretische<br />

Konstrukte an und bilden mit Rücksicht auf die Wirklichkeit, d. h. auf die Aspekte des<br />

vorgefundenen Feldes e<strong>in</strong> darauf explizit abgestimmtes Auswertungsprozedere.<br />

Die Datenauswertung vorliegender Untersuchung kann anhand des nachfolgend dargestellten<br />

Ablaufmodells nachvollzogen werden. Die Basis bildet das von Mayr<strong>in</strong>g explizierte Schema<br />

e<strong>in</strong>er zusammenfassenden Inhaltsanalyse, wobei die E<strong>in</strong>flüsse klassischer Auswertungsverfahren<br />

aufgezeigt s<strong>in</strong>d.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 91<br />

Qualitative (zusammenfassende) Inhaltsanalyse<br />

Datenerhebung<br />

Datenaufbereitung<br />

Datenauswertung<br />

1. Schritt<br />

Bestimmung der Analysee<strong>in</strong>heiten<br />

2. Schritt<br />

1. Reduktion am Orig<strong>in</strong>altext<br />

3. Schritt<br />

Paraphrasierung der <strong>in</strong>haltstragenden Textstellen,<br />

= Abstraktion<br />

= 2. Reduktion<br />

4. Schritt<br />

Kategorisierung<br />

5. Schritt<br />

Kodierung<br />

= Zusammenstellung der neuen<br />

Aussagen als Kategoriensystem<br />

6. Schritt<br />

Rücküberprüfung durch<br />

kommunikative und argumentative Validierung<br />

Grounded<br />

Theory<br />

Sozialwiss.hermeneutische<br />

Paraphrase<br />

Psychoanalytische<br />

Text<strong>in</strong>terpretation<br />

Typologische<br />

Analyse<br />

Übersicht 6-4: Angepasstes Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse im Kontext der<br />

vorliegenden Untersuchung (nach Mayr<strong>in</strong>g 1991, S. 211)


92 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

Wesentliches Anliegen der Untersuchung ist es, den Forschungsansatz an das vorgefundene<br />

Feld anzupassen, nicht umgekehrt! Daher f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> vorliegender Untersuchung das Auswertungs<strong>in</strong>strument<br />

‚Grounded Theory’ Anwendung. Vorab ist jedoch festzuhalten, dass die<br />

gegenstandsbezogene Theoriebildung nicht nur bei der Auswertung Anwendung f<strong>in</strong>det,<br />

sondern auch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> den Datenerhebungsprozess zulässt. Die oben genannten<br />

Memo-Protokolle, basierend auf der Idee e<strong>in</strong>er Grounded Theory, erlauben bereits bei der<br />

Erhebung der Daten e<strong>in</strong> stetiges Verändern des Forschungsprozesses, um sich iterativ an den<br />

‚Best Case’ anzunähern. Dabei <strong>in</strong>itiiert e<strong>in</strong> Variieren des Untersuchungsvorgehens Veränderungen<br />

des Forschungsfeldes, so dass das Vorgehen fortwährend optimiert wird. Vergleiche<br />

dazu Kapitel 6.2.1.2, die Beobachtung. Die Elemente der gegenstandsbezogene Theoriebildung<br />

fließen somit <strong>in</strong>direkt <strong>in</strong> die eigentliche Datenauswertung mit e<strong>in</strong>, weil davon ausgegangen<br />

wird, dass der Forscher während der Untersuchung beständig dazu lernt und so se<strong>in</strong><br />

Anliegen permanent weiterentwickelt und verfe<strong>in</strong>ert (vgl. hierzu Strauss, Corb<strong>in</strong> 1996, S. 9).<br />

Das heißt, der Untersuchende ist stets bemüht, das Forschungsfeld auf Strukturen h<strong>in</strong> zu<br />

durchforsten, die nur durch das aktuelle Geschehen im Feld zugänglich werden. E<strong>in</strong>e<br />

anschließende Präzisierung der Informationen und deren Verknüpfung mit der Wirklichkeit<br />

haben direkten E<strong>in</strong>fluss auf das weitere Erhebungsprozedere; d. h. e<strong>in</strong> Rückkopplungsprozess<br />

gleicht das Untersuchungsverfahren an. Abschließend soll dann die Theorie mit dem<br />

Gegenstand verankert werden. Glaser und Strauss vertreten die Auffassung, dass e<strong>in</strong>e Theorie<br />

der alltäglichen Wirklichkeit e<strong>in</strong>es Gegenstandsbereiches der Wirklichkeit nur dann gerecht<br />

wird, wenn sie mit ihr übere<strong>in</strong>stimmt. Daraus lässt sich zum e<strong>in</strong>en schließen, dass die Theorie<br />

aufgrund ihrer Übere<strong>in</strong>stimmung mit der Wirklichkeit sowohl dem Forscher als auch den<br />

Beforschten zugänglich, weil wirklich ist. Zum anderen heißt dies aber auch, dass e<strong>in</strong>e sich<br />

entwickelnde Theorie e<strong>in</strong>er sich ständig im Wandel bef<strong>in</strong>dliche Wirklichkeit angepasst<br />

werden muss.<br />

Basierend auf diesem Konzept der Datensammlung und den damit entwickelten Theorien<br />

kann das nun tatsächlich vorliegende Material bearbeitet und den oben aufgezeigten e<strong>in</strong>zelnen<br />

Auswertungsschritten unterzogen werden. Den Rahmen der Auswertung bildet im Wesentlichen<br />

das Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse nach Mayr<strong>in</strong>g (Mayr<strong>in</strong>g 1991, S.<br />

211, nach Mayr<strong>in</strong>g 1988). „Im Zentrum [der Inhaltsanalyse, d. Verf.] steht ... e<strong>in</strong> theoriegeleitet<br />

am Material entwickeltes Kategoriesystem; durch dieses Kategoriensystem werden<br />

diejenigen Aspekte festgelegt, die aus dem Material herausgefiltert werden sollen“ (Mayr<strong>in</strong>g<br />

1996, S. 91 f.). Im Rahmen se<strong>in</strong>er Ausführungen geht Mayr<strong>in</strong>g von drei Grundformen dieses<br />

Auswertungsverfahrens aus, nämlich der zusammenfassenden, der explikativen und der<br />

strukturierenden Inhaltsanalyse. Aufgrund des <strong>in</strong> dieser Untersuchung zum Tragen kommenden<br />

Auswertungsverfahrens sei im Folgenden nur die zusammenfassende Analyse von<br />

Bedeutung. Entscheidend dabei ist, dass durch Reduktion und Abstraktion e<strong>in</strong>e Materialumgestaltung<br />

forciert wird, deren Ergebnis e<strong>in</strong> „überschaubares Korpus“ darstellt, „das immer<br />

noch e<strong>in</strong> Abbild des Grundmaterials ist“ (ebd., S. 92).<br />

Die Reduktion und Abstraktion erfolgt – wie oben gezeigt –im Wesentlichen <strong>in</strong> den ersten<br />

drei Schritten. Zur Erzielung e<strong>in</strong>er erfassbaren und nachvollziehbaren Datendarstellung<br />

werden Elemente der sozialwissenschaftlich-hermeneutischen Paraphrasierung und der<br />

psychoanalytischen Text<strong>in</strong>terpretation mit verwendet.<br />

Die Durchführung dieser Auswertungsschritte erfordert die Diskussion mehrerer an der<br />

Forschung beteiligte Mitarbeiter, wie es gerade bei der sozialwissenschaftlichhermeneutischen<br />

Paraphrasierung angestrebt wird. Durch e<strong>in</strong> gegenseitiges H<strong>in</strong>terfragen<br />

lassen sich subjektive Perspektiven der Probanden im Auswertungsprozedere berücksichtigen.


6 Forschungsmethodischer Ansatz 93<br />

Dabei muss das Material im Kontext, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gesamtheit betrachtet werden, wobei das<br />

durch das Untersuchungsfeld erfahrende Vorverständnis des Betrachters e<strong>in</strong>zubauen ist. Wie<br />

bereits oben beschrieben, resultieren Vorverständnis und das Wissen über das Forschungsfeld<br />

aus dem Begleiten und Beobachten des Feldes als bewusst zugelassene subjektive Komponenten<br />

des Forschungsdesigns. Unterstützend lassen sich hier Elemente der psychoanalytischen<br />

Text<strong>in</strong>terpretation anwenden. Dabei steht das psychologische Verständnis des Textes im<br />

Vordergrund, aber auch der Gesamtzusammenhang, d. h. die <strong>in</strong> den Kontext e<strong>in</strong>gebetteten<br />

Lebensformen werden berücksichtigt. In vorliegender Untersuchung spielen diese Elemente<br />

<strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e Rolle, als bei der Interpretation des Textes bzw. dem Auff<strong>in</strong>den der Kernaussagen<br />

zum<strong>in</strong>dest das soziale Umfeld des Schülers <strong>in</strong>nerhalb des begrenzten Lebensraumes des<br />

<strong>Unterricht</strong>s bedacht wird. Damit ist es e<strong>in</strong> Anliegen des Auswertungsverfahrens, die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Aussagen nicht isoliert sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em tieferen Verständnis zu erfassen und darauf<br />

beruhend Kernaussagen als komplexe, über die re<strong>in</strong>en Worte h<strong>in</strong>ausgehende E<strong>in</strong>heiten<br />

festzulegen.<br />

Die e<strong>in</strong>mal reduzierten und nun als fassbarere E<strong>in</strong>heiten vorliegenden Daten müssen nun<br />

weiter geordnet werden, so dass sich die oben produzierten E<strong>in</strong>heiten unter <strong>in</strong>teressierende<br />

Themenbereiche subsumieren lassen. Sowohl im 4. als auch im 5. Verfahrensschritt s<strong>in</strong>d<br />

Elemente e<strong>in</strong>er typologischen Analyse wieder zu f<strong>in</strong>den. Dabei wird im Zusammenhang mit<br />

dieser Untersuchung nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die E<strong>in</strong>ordnung des E<strong>in</strong>zelfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Typenkorsett<br />

abgestellt. Vielmehr sollen typische Ergebnisse unter den Kategorien der leitenden<br />

Bestimmungsgrößen subsumiert werden. Unter den Ergebnissen ist hier der Verlauf von<br />

Kapitel 8 bis h<strong>in</strong> zu Kapitel 10 zu verstehen, also die Darstellung des E<strong>in</strong>zelfalls h<strong>in</strong>sichtlich<br />

der Beurteilung des <strong>Unterricht</strong>s (Kapitel 8), die Bewertung des E<strong>in</strong>zelfalls e<strong>in</strong>schließlich<br />

möglicher Handlungsanweisungen (Kapitel 9) und die Subsumtion zentraler, vom E<strong>in</strong>zelfall<br />

losgelöster typischer Aussagen und Verhaltensmuster der Probanden unter die möglichen<br />

Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s (Kapitel 10). Die Kategorisierung<br />

und auch die darauf folgende Kodierung bzw. Gruppierung erlauben e<strong>in</strong>en strukturierten<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>zelfall, so dass hier bereits Ähnlichkeiten und Divergenzen abgeleitet<br />

werden können.<br />

Das Auswertungsprozedere, aber auch die Datenerhebung und die Datenaufbereitung s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>er Gütekontrolle zu unterziehen. Zur Theoretisierung der Thematik sei auf Kapitel 6.3<br />

verwiesen. Die konkrete Anwendung der Gütekriterien zeigt Kapitel 7.4.<br />

Aus obigen Überlegungen ergeben sich für die vorliegende Untersuchung nun folgende<br />

Auswertungsschritte:<br />

1. Schritt: Bestimmung der Analysee<strong>in</strong>heiten<br />

Mayr<strong>in</strong>g (1991, S. 210) will das zu bearbeitende Material vor jeglicher Bearbeitung e<strong>in</strong>ordnen,<br />

„um festzustellen, ob das Ziel der Analyse der Text selbst, der Textproduzent, der<br />

zugehörige Objektbereich, die Zielperson (-gruppe) oder der Textgegenstand mit se<strong>in</strong>em<br />

sozio-kulturellen H<strong>in</strong>tergrund se<strong>in</strong> soll.“ In Anbetracht des Forschungs<strong>in</strong>teresses sollen<br />

Schüleraussagen so dargestellt werden, dass anhand der umgestalteten Abbildung der<br />

Ausführungen sowohl die <strong>in</strong>haltlich-thematische Komponente der Aussagen als auch der<br />

Schüler selbst im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Die im fortgeschrittenen Stadium<br />

e<strong>in</strong>er Textauswertung erforderlichen <strong>in</strong>terpretativen Schritte können nur dann im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

qualitativen Forschungsansatzes durchgeführt werden, wenn die Charaktere der Textproduzenten<br />

mit e<strong>in</strong>fließen, denn nur so gelangt man zu e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>nexplizierenden Deutung e<strong>in</strong>zelner<br />

Textstellen.


94 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

2. Schritt: 1. Reduktion am Orig<strong>in</strong>altext<br />

Da aufgrund des Forschungs<strong>in</strong>teresses e<strong>in</strong> Großteil der Daten über Interviews erhoben wird,<br />

entstehen erhebliche Datenmengen. Deren Beurteilung setzt voraus, dass das Material<br />

reduziert und damit erfassbar wird. E<strong>in</strong>e Reduktion des Datenmaterials erfordert das<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzen mit Verfahren, die <strong>in</strong>haltstragende Textstellen extrahieren. Im Verlaufe<br />

e<strong>in</strong>er Auswertung großer Datenmengen müssen Reduktionsschritte wohl geplant werden, um<br />

unnötigen Ballast zu identifizieren, diesen tatsächlich zu entfernen und wesentliche Textstellen<br />

e<strong>in</strong>er Weiterverarbeitung zugänglich zu machen. Das Erkennen <strong>in</strong>haltstragender E<strong>in</strong>heiten<br />

erfordert die genaue Kenntnis des Forschungsfeldes. In der vorliegenden Untersuchung ist es<br />

empfehlenswert, dass der Interviewer selbst, <strong>in</strong> diesem Falle die Autor<strong>in</strong> der Arbeit, die<br />

entscheidenden Reduktionsschritte anleitet. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Schülern<br />

über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum und auch aufgrund der eigenhändig durchgeführten Transkription<br />

ist der Autor<strong>in</strong> jeder e<strong>in</strong>zelne Proband soweit vertraut, dass das Wissen über die entscheidenden<br />

Textstellen Grundlage für e<strong>in</strong>e Reduktion darstellt. Desto früher sich e<strong>in</strong>e Reduktion<br />

durchführen lässt, desto e<strong>in</strong>facher wird sich die weitere Auswertung gestalten. E<strong>in</strong> erstes<br />

Materialreduzieren sollte daher bereits vor e<strong>in</strong>em späteren Paraphrasieren stattf<strong>in</strong>den, weil die<br />

Orig<strong>in</strong>algespräche noch e<strong>in</strong>e leichtere Identifizierung jener Textstellen, die im Bearbeitungsprozess<br />

verbleiben sollen, ermöglichen.<br />

3. Schritt: Paraphrasierung der <strong>in</strong>haltstragenden Textstellen = Abstraktion = 2. Reduktion<br />

Das Paraphrasieren der <strong>in</strong>haltstragenden Probandenaussagen, d. h. die Umschreibung mit<br />

anderen Worten bedeutet e<strong>in</strong>e weitere Reduktion des vorliegenden Datenmaterials. Dies ist<br />

notwendig, um unnötigen Ballast, wie z. B. Ausschmückungen oder Wiederholungen zu<br />

streichen und den S<strong>in</strong>n, sprich die Kernaussage gemäß e<strong>in</strong>er sozialwissenschaftlichhermeneutischen<br />

Paraphrase e<strong>in</strong>es Textausschnittes hervorzuheben, der vielleicht im Orig<strong>in</strong>al<br />

so nicht erkennbar ist. Mit der Paraphrase werden nicht nur die Aussagen der Probanden<br />

umschrieben, sondern das gesamte Gespräch, e<strong>in</strong>schließlich der Ausführungen des Interviewers<br />

und der an der Befragung beteiligten Schüler, sofern diese Textstellen die Aussagen des<br />

Probanden bee<strong>in</strong>flussen. Die Bündelung der <strong>in</strong>haltlich bedeutenden Gesprächsauszüge aller<br />

Beteiligten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Paraphrase erlaubt trotz der Materialreduzierung e<strong>in</strong> Bewahren aller<br />

wesentlichen Informationen. Dabei versucht man, e<strong>in</strong>e Erklärung, e<strong>in</strong>e Interpretation der<br />

ursprünglichen Aussage vorzunehmen. Erklärung und Interpretation vernebeln aber unter<br />

Umständen den ursprünglichen Aussagegehalt, weil die Forschersicht womöglich zu tief <strong>in</strong><br />

die Aussagendarstellung e<strong>in</strong>greift. Zur Erfassung großer Datenmengen sollte e<strong>in</strong> erstes Ziel<br />

se<strong>in</strong>, diese möglichst ursprünglich wiederzugeben und die Forschersicht erst e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund treten zu lassen. Im weiteren Verlauf können dann Interpretationsschritte<br />

ausgebaut werden, um auch H<strong>in</strong>tergründe e<strong>in</strong>er Aussage sichtbar zu machen. Die Interpretation,<br />

also e<strong>in</strong>e Analyse der Textstellen wird sich jedoch zu ke<strong>in</strong>em Zeitpunkt vollständig von<br />

der Umschreibung differenzieren lassen, weil jede Umschreibung synonymisch arbeitet und<br />

daher bereits Analyseansätze der vorliegenden Texte vornimmt. Dabei werden Lexemen<br />

Bedeutungen zugewiesen, wobei es nicht offenbar ist, ob die Bedeutungszuweisung der<br />

Intention des Textproduzenten entspricht. Begriffe können beispielsweise mehrdeutig und <strong>in</strong><br />

verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich belegt oder mit neuem ‚Beiwerk’, d. h. mit<br />

neuem Ballast angereichert se<strong>in</strong>, weil die Paraphrase als erklärende Umschreibung ausgelegt<br />

wird. Selbst das bloße Weglassen von Textstellen bedeutet e<strong>in</strong>e Veränderung am Material, die<br />

sich nicht unbed<strong>in</strong>gt mit der <strong>in</strong>haltlich-thematischen Seite der Aussage deckt. Die Zuweisung<br />

von Bedeutungen, also das Umschreiben von Aussagen bzw. Textstellen ist daher lediglich


6 Forschungsmethodischer Ansatz 95<br />

als Versuch zu sehen, die ursprüngliche Aussage wiederzugeben. Bei der Ausformulierung<br />

e<strong>in</strong>er Umschreibung soll jedoch auch immer die soziale Wirklichkeit im Blickfeld behalten<br />

werden. Konkret heißt dies, dass e<strong>in</strong>e Überprüfung des Zusammenhangs zwischen Sprechen<br />

und Handeln stattf<strong>in</strong>det, um so e<strong>in</strong> möglichst ursprüngliches Bild des Orig<strong>in</strong>altextes zu<br />

erfassen. Dies verlangt e<strong>in</strong> psychologisch-analytisches Verständnis des Gesprochenen, das<br />

sich umso deutlicher herausbildet, desto mehr der Interpret mit dem Textproduzenten vertraut<br />

ist. Das ‚H<strong>in</strong>tergründige’ des gesprochen Wortes lässt sich eher erfassen, wenn die Wortauslegung<br />

mit dem Wirkungskreis des Probanden verknüpft und diese <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Umfeld<br />

wahrgenommen wird.<br />

Es ist demgemäß festzulegen, wann die Reduktion des Materials im Vordergrund steht, wann<br />

die <strong>in</strong>terpretative Seite überwiegen soll und bis zu welchem Grad e<strong>in</strong>e Überschneidung beider<br />

Bereiche toleriert werden kann. Dies richtet sich nach dem Forschungs<strong>in</strong>teresse und dem<br />

vorgefundenen Forschungsfeld, nicht zuletzt aber auch nach den Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, wie z.<br />

B. Anzahl der Mitarbeiter, vorhandene Ausstattung usw.<br />

Die Vorgehensweise des schrittweisen Modifizierens e<strong>in</strong>er hermeneutischen Paraphrasenbildung<br />

leistet e<strong>in</strong>en entscheidenden Beitrag, die <strong>in</strong>haltlich-thematische Seite der Textstellen<br />

nicht abzudrängen. Der Umgestaltungsprozess von Textpassagen muss entsprechend den<br />

Gütekriterien e<strong>in</strong>er qualitativen Sozialforschung durchgeführt werden, um durch das<br />

unvermeidliche und zum richtigen Zeitpunkt zw<strong>in</strong>gend notwendige E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen von Interpretationen<br />

des Forschers bessere Auslegungen zu erzielen. Dazu können beispielsweise mehrere<br />

Interpreten e<strong>in</strong>gesetzt werden, die das Material mehrmals durcharbeiten, sich gegenseitig<br />

abstimmen und so die endgültige Fassung der Paraphrase geschlossen festlegen. Dabei<br />

werden auch h<strong>in</strong>ter den Aussagen liegende S<strong>in</strong>nstrukturen ermittelt, um so e<strong>in</strong> umfassendes<br />

Abbild e<strong>in</strong>es Probanden zu erstellen. Das Arbeiten im Forscherteam zieht sich idealerweise<br />

bis zur Darstellung und Beurteilung der Ergebnisse durch.<br />

Die Ausformulierung der Paraphrasen hängt von e<strong>in</strong>em angestrebten Abstraktionsgrad ab.<br />

Unter Abstraktion ist e<strong>in</strong>e auf zufällige E<strong>in</strong>zelheiten verzichtende, begrifflich zusammengefasste<br />

Darstellung zu verstehen, hier die Darstellung des vorliegenden Textmaterials. So muss<br />

auf soziologischer Grundlage, mit Hilfe des pädagogisch-psychologischen Vorverständnisses<br />

für das Forschungsfeld die Umschreibung der Orig<strong>in</strong>alaussagen erfolgen. Im Pr<strong>in</strong>zip beg<strong>in</strong>nt<br />

e<strong>in</strong> Abstraktionsprozess bereits mit der Transkription des vertonten Materials, weil von den<br />

Ausführungen e<strong>in</strong>es Probanden nur noch die verbale Aussage übernommen wird. Körpersprachliche<br />

Zeichen, E<strong>in</strong>flüsse der Umgebung o. Ä. werden hier nicht berücksichtigt. E<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>schneidender Abstraktionsschritt erfolgt durch die Paraphrasierung, weil hier e<strong>in</strong>e völlige<br />

Neuordnung des Textes durchgeführt wird und ggf. die die Orig<strong>in</strong>alaussage begleitenden<br />

Umstände <strong>in</strong>tegriert werden, wie z. B. die Ausführungen des Interviewers, auf den der<br />

Proband reagiert. Die Umschreibung des ursprünglichen Textes sollte genauen Regeln folgen,<br />

damit alle Gegenstände der Aussagen e<strong>in</strong>er Gleichbehandlung unterliegen. Zweckmäßigerweise<br />

werden die Regeln am Material entwickelt, weil nur so abzusehen ist, welche Abstraktionsebene<br />

durchführbar und angemessen ist.<br />

4. Schritt: Kategorienbildung<br />

Zur endgültigen Erfassung der Aussagen müssen die „neuen Aussagen“ (Mayr<strong>in</strong>g 1991, S.<br />

211) geordnet werden. Nur so ist die große Datenmenge erfassbar darzustellen. Die Subsumtion<br />

e<strong>in</strong>zelner Paraphrasen unter adäquaten, also den Kern der Paraphrasen treffenden<br />

Kategorien ist notwendiger Bestandteil e<strong>in</strong>er Datenauswertung, um e<strong>in</strong>e Beurteilung des<br />

Materials vornehmen zu können. Dabei werden bereits erste Erkenntnisse sichtbar oder aber


96 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

neue Fragen werden aufgeworfen. Zusammenhänge können erkannt, Analysen durchgeführt<br />

werden. Fraglich ist, worauf basierend der Forscher se<strong>in</strong>e Kategorien ableitet. Nach Flick<br />

(1991, S. 164 ff.) bestehen die Möglichkeiten, die Kategorien aus den E<strong>in</strong>zelfällen zu<br />

entwickeln, diese aus e<strong>in</strong>em theoretischen Modell oder aber aus der Fragestellung abzuleiten.<br />

Im Rahmen der Kategorienf<strong>in</strong>dung kann also nicht davon ausgegangen werden, dass nur e<strong>in</strong>e<br />

der Quellen alle<strong>in</strong> für die Struktur des Ordnungssystems verantwortlich ist. So werden<br />

verschiedenste Elemente für die letztendliche Def<strong>in</strong>ition der Kategorien leitend se<strong>in</strong>. Die von<br />

Riedl (1998, S. 54 ff.) und Schelten (2004, S. 182 ff.) entwickelten Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s stellen e<strong>in</strong>e Grundlage der vorliegenden Forschungsarbeit<br />

dar. E<strong>in</strong>erseits leiten sich die zu verwendenden Kategorien primär aus vorangegangenen<br />

Forschungsarbeiten ab (z. B. Riedl, 1998), so dass hier e<strong>in</strong> theoretisches Modell für die neue<br />

Untersuchung zugrunde liegt. Andererseits müssen Subkategorien so def<strong>in</strong>iert werden, dass<br />

sie das erhobene Datenmaterial berücksichtigen, wobei die Datenerhebung wieder durch das<br />

Forschungsfeld, d. h. <strong>in</strong>sbesondere durch die Probanden bee<strong>in</strong>flusst wird.<br />

5. Schritt: Zusammenstellung der neuen Aussagen im Kategoriensystem<br />

Sobald e<strong>in</strong> Ordnungssystem festgelegt ist, können die Paraphrasen entsprechend gruppiert<br />

werden. Der Vorgang des Gruppierens muss gerade bei zum Teil mehrere Aussagen<br />

enthaltende Textpassagen nach genauen Regeln erfolgen. Dabei müssen die Paraphrasen <strong>in</strong><br />

fachlicher und pädagogischer H<strong>in</strong>sicht richtig e<strong>in</strong>geschätzt werden, um e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Zuordnung überhaupt durchführen zu können.<br />

6. Schritt: Rücküberprüfung durch kommunikative und argumentative Validierung<br />

E<strong>in</strong>e von Mayr<strong>in</strong>g vorgeschlagene Rücküberprüfung des zusammenfassenden Kategoriensystems<br />

wird im hier durchgeführten Forschungsprozess auf die gesamte Datenbearbeitung<br />

ausgeweitet und <strong>in</strong>sbesondere über kommunikative und argumentative Validierung vollzogen.<br />

Diesbezüglich sei auf die <strong>in</strong> den Kapiteln 6.3 und 7.4 behandelten Gütekriterien verwiesen.<br />

6.3 Gütekriterien der Untersuchung<br />

E<strong>in</strong>e zielorientierte Untersuchung verlangt nach e<strong>in</strong>er Überprüfung der für die Untersuchung<br />

angewandten Verfahren. Dabei stellt sich die Frage, ob die aus der quantitativen Forschung<br />

bekannten Gütekriterien auf das qualitative Paradigma übertragen werden können. Nachdem<br />

sich qualitative und quantitative Forschungsansätze <strong>in</strong> vielen Bereichen erheblich unterscheiden<br />

und andere Zielstellungen verfolgen, sche<strong>in</strong>t es obligat, sich der Thematik ‚Gütekriterien’<br />

verstärkt zuzuwenden. Obwohl Lamnek ausführt, dass es <strong>in</strong> der Soziologie bisher ke<strong>in</strong><br />

wissenschaftstheoretisches Konzept von Gütekriterien gibt, so f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägiger<br />

Literatur doch h<strong>in</strong>reichende Darstellungen, die e<strong>in</strong>e Prüfung qualitativer Untersuchungen<br />

erlauben.<br />

Vergleicht man die re<strong>in</strong>e Laborsituation mit der Forschung im Feld, sozusagen mit dem<br />

wahren Leben, so wird klar, dass die Erforschung der realen Welt e<strong>in</strong>en hohen Grad an<br />

Individualität des Forschungsansatzes fordert und damit hohe Ansprüche an das Forschungsparadigma<br />

stellt. Allgeme<strong>in</strong>gültige Prüfkriterien stehen diesem Forschungsparadigma<br />

entgegen, weil e<strong>in</strong>e Standardisierung auch im Untersuchungsansatz abgelehnt wird. Nachfolgend<br />

seien daher qualitative Gütekriterien erörtert, die e<strong>in</strong>em qualitativen Paradigma entgegen


6 Forschungsmethodischer Ansatz 97<br />

kommen. Dabei wird Kapitel 6.3.1 auf die Validität näher e<strong>in</strong>gehen, Kapitel 6.3.2 erfasst im<br />

Anschluss daran die Reliabilität. Kapitel 6.3.3 stellt wesentliche Aspekte der Objektivität dar,<br />

während Kapitel 6.3.4 abschließend Kriterien der Repräsentativität und Generalisierbarkeit<br />

erläutert. E<strong>in</strong> weiterer möglicher Ansatz zur Bestimmung der Güte stellt Kapitel 6.3.5 vor.<br />

Die diskutierten Gütekriterien werden <strong>in</strong> Kapitel 7.4 auf die Untersuchung angewendet.<br />

6.3.1 Validität<br />

Über die Validität oder auch die Gültigkeit lässt sich die Übere<strong>in</strong>stimmung e<strong>in</strong>es Ergebnisses<br />

mit dem tatsächlichen Sachverhalt beschreiben. Auch im qualitativen Paradigma ist es von<br />

Interesse, ob mit dem Untersuchungsverfahren tatsächlich das erfasst wird, was man zu<br />

erfassen glaubt. Wie aber s<strong>in</strong>d diese Def<strong>in</strong>itionen auf die Auswertung und Interpretation<br />

schriftlich festgehaltener Probandenaussagen zu übertragen? Im qualitativen Paradigma muss<br />

der soziale Kontext, also die Gegenstandsbezogenheit als wesentliches Kriterium der<br />

Untersuchung berücksichtigt werden, so dass sich hier e<strong>in</strong> neues Bild von Validität abzeichnet.<br />

Aufgrund dieser Überlegungen müssen Artefakte quantitativer Messungen, zugunsten der<br />

Sozialforschung, e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tersubjektiven Auswertung und Interpretation qualitativer Daten<br />

weichen. Ziel der Validierung ist es, die Schritte der Datenbearbeitung und <strong>in</strong>sbesondere der<br />

Interpretation zu begründen, also e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen Untersuchungsverfahren<br />

und Untersuchungsgegenstand aufzudecken. Im Rahmen e<strong>in</strong>er qualitativen Forschung s<strong>in</strong>d<br />

die ökologische, die kommunikative, die argumentative, die kumulative Validierung und die<br />

Validierung an der Praxis zu nennen. Diese sollen nachfolgen, <strong>in</strong> Bezug auf die Ausführungen<br />

von Lamnek (1995, S. 152 ff.) kurz vorgestellt werden.<br />

Ökologische Validierung<br />

Diese Art der Validierung me<strong>in</strong>t, dass gültige Daten nur im ‚natürlichen Lebensraum’<br />

gewonnen werden können. Dies gilt sowohl für die Datenerhebung als auch für deren<br />

Auswertung und Interpretation. Stets muss die soziale Realität im Mittelpunkt des Interesses<br />

stehen und bei allen Überlegungen mit e<strong>in</strong>bezogen werden. Jegliche Künstlichkeit, jegliche<br />

Laborsituation steht somit e<strong>in</strong>er gültigen qualitativen Untersuchung entgegen.<br />

Kommunikative Validierung<br />

Die Auswertung qualitativer Daten erfordert <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em letzten Schritt deren Interpretation.<br />

Gerade h<strong>in</strong>sichtlich dieses Schrittes sollte e<strong>in</strong>e Überprüfung der Güte durchgeführt werden,<br />

weil hier die subjektive Sichtweise des Forschers <strong>in</strong> besonderem Maße mit e<strong>in</strong>fließen kann.<br />

Kommunikative Validierung bietet die Möglichkeit, durch gezielte Rückfrage, <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei den Probanden, die Auslegung zu klären, um so e<strong>in</strong>e Bestätigung für das durchgeführte<br />

Vorgehen zu erhalten.<br />

Der Begriff der kommunikativen Validierung wird <strong>in</strong> der Literatur nicht e<strong>in</strong>heitlich verwendet.<br />

Meist wird dem Validierungsprozess die Kommunikation mit dem Probanden zugeordnet,<br />

andererseits ist es aber möglich, die Validierungsgespräche mit weiteren, an der Forschung<br />

beteiligten Personen durchzuführen. Dadurch kann die Sichtweise des Forschers ggf.<br />

‚zurechtgerückt’ werden, so dass die Interpretation – wenn nötig – auf e<strong>in</strong>e neutralere Ebene<br />

übergeführt wird. Doch gleichgültig, wie die Def<strong>in</strong>ition gebraucht wird: Kommunikative


98 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

Validierung soll heißen, Daten nicht im ‚stillen Kämmerchen’ zu <strong>in</strong>terpretieren, sondern<br />

andere an diesem Vorgang teilhaben zu lassen.<br />

Argumentative Validierung<br />

Wie die Begrifflichkeit bereits ausdrückt, wird hier e<strong>in</strong>e Validierung über die ‚Argumentation’<br />

durchgesetzt. Das heißt, dass die Interpretation der Daten wiederum den Probanden zu<br />

deren Kommentierung zugeführt werden. Diese zusätzlichen Kommentare können dann als<br />

weiteres Datenmaterial für die Auswertung zugrunde gelegt werden. Damit wird der<br />

Interpretationsprozess an sich bereits Dritten zugänglich gemacht wird, <strong>in</strong>dem der Forscher<br />

se<strong>in</strong>e Entscheidungen offen legt und es damit ermöglicht, e<strong>in</strong>er Diskussion stattzugeben.<br />

Kumulative Validierung<br />

E<strong>in</strong>e kumulative Validierung versucht, Verb<strong>in</strong>dungen zu anderen Untersuchungen herzustellen,<br />

bei der bereits als richtig bewertete Ergebnisse als Vergleichsgrundlage dienen. So<br />

müssten Forschungsarbeiten mit e<strong>in</strong>er ähnlichen Intention auf etwaige Aff<strong>in</strong>itäten untersucht<br />

werden, um so die eigenen Ergebnisse zu plausibilisieren. Im Rahmen e<strong>in</strong>er qualitativen<br />

Forschung sollte dieser Ansatz jedoch gründlich überlegt werden, weil das Plädoyer für die<br />

oft gerühmte E<strong>in</strong>zigartigkeit e<strong>in</strong>er qualitativen Untersuchung durch e<strong>in</strong>en angestrebten<br />

Vergleichprozess <strong>in</strong> Frage gestellt werden könnte. Die Entscheidung für diese Validierungsmethode<br />

hängt letztendlich vom forschungstheoretischen Ansatz ab und sollte im H<strong>in</strong>blick auf<br />

die angestrebten Ziele überdacht werden.<br />

Validierung an der Praxis<br />

Betrachtet man die soziale Wirklichkeit als Untersuchungsfeld, so kann deren Komplexität<br />

nicht angezweifelt werden. Lamnek spricht hier auf die Problematik der Gültigkeitsprüfung<br />

standardisierter Untersuchungen und die Intention e<strong>in</strong>er qualitativen Forschung an. So können<br />

die Antworten auf offene Fragen nur dann h<strong>in</strong>reichend ausgewertet werden, wenn der<br />

entsprechende H<strong>in</strong>tergrund mit betrachtet wird. Das heißt, e<strong>in</strong>e mögliche, auf nur e<strong>in</strong>e<br />

Perspektive gerichtete Antwort könnte unter anderen Voraussetzungen von der erfassten<br />

Antwort erheblich differieren. Insofern sollte der Forscher etwaige Fragestellungen dah<strong>in</strong><br />

gehend präzisieren, dass e<strong>in</strong>e mögliche Antwort nur auf e<strong>in</strong>e def<strong>in</strong>ierte Situation bezogen und<br />

entsprechend ausgewertet werden kann. E<strong>in</strong>e Validierung mit Hilfe dieses Ansatzes verweist<br />

auf die E<strong>in</strong>zigartigkeit der qualitativen Forschung und drängt darauf, das Reagieren im bzw.<br />

den Umgang mit dem Untersuchungsfeld selbst als Validierungsprozess zu verstehen,<br />

weshalb weitere Maßnahmen zur Überprüfung der Validität entbehrlich wären.<br />

6.3.2 Reliabilität<br />

Die ‚Reliabilität’ im quantitativen Verständnis beschreibt die Zuverlässigkeit e<strong>in</strong>es wissenschaftlichen<br />

Versuchs, d. h. „den Grad der Genauigkeit mit dem e<strong>in</strong>e bestimmte Methode<br />

bzw. e<strong>in</strong> bestimmtes Instrument e<strong>in</strong>en Sachverhalt erfasst“ (Lamnek 1995, S. 173). Darunter<br />

fällt ebenso die „Stabilität und Genauigkeit der Messung, die Konstanz der Messbed<strong>in</strong>gungen<br />

wie auch die systematische Zuordnung von Werten“ (ebd.). Wesentlich im quantitativen<br />

Paradigma ist dabei, e<strong>in</strong>e hohe Anzahl „konsistenter (gleichs<strong>in</strong>niger) Beobachtungen bzw.<br />

Messungen zum Gegenstandsbereich zu sammeln“ (ebd.). Mit diesem H<strong>in</strong>tergrund ersche<strong>in</strong>t


6 Forschungsmethodischer Ansatz 99<br />

es verständlich, dass bisher ke<strong>in</strong> adäquates Prüfkriterium <strong>in</strong>nerhalb qualitativer Forschung<br />

entwickelt wurde, das der Reliabilität entspräche, weil sich hier das E<strong>in</strong>beziehen der Realität<br />

als konträrer Ansatz zu e<strong>in</strong>er Reliabilitätsprüfung darstellt. Lamnek (ebd., S. 178) nennt hier<br />

aber unter Bezug auf Bogumil/Immerfall (1985, S. 71) trotzdem alternative Gütekriterien:<br />

„- Stimmigkeit statt Reliabilität: die Vere<strong>in</strong>barkeit von Zielen und Methoden der<br />

Forschungsarbeit statt Aufstülpung methodologischer Modelle;<br />

- Offenheit statt Variablenkontrolle: Angemessenheit gegenüber der Komplexität<br />

der sozialen Forschungssituation statt Verbieten möglicher alternativer Handlungsverläufe;<br />

- Diskurs statt Intersubjektivität: Forscher und Feldsubjekte <strong>in</strong>terpretieren ihre Daten<br />

geme<strong>in</strong>sam und h<strong>in</strong>terfragen Geltung, H<strong>in</strong>tergrund und Konsequenzen ihrer<br />

Ergebnisse, statt Vertrauen <strong>in</strong> die Fiktion der scientific community zu haben.“<br />

6.3.3 Objektivität<br />

Die Objektivität beschreibt die Reproduzierbarkeit empirisch gewonnener Ergebnisse von<br />

verschiedenen Forschern unter ceteris-paribus-Bed<strong>in</strong>gungen. Die Def<strong>in</strong>ition der Objektivität<br />

im qualitativen Forschungsparadigma steht völlig kontrovers zu jener quantitativer Untersuchungen.<br />

Der von Kle<strong>in</strong><strong>in</strong>g (Lamnek 1995, S. 229, nach Kle<strong>in</strong><strong>in</strong>g 1982, S. 246) hervorgebrachte<br />

„emergentistische Objektivitätsbegriff“ beschreibt e<strong>in</strong>e Annäherung an e<strong>in</strong>e (auch im<br />

quantitativen Paradigma) nicht erreichbare Objektivität, die trotz Vermeidung jeglicher<br />

Standardisierung das Ziel objektiver Sichtweisen im Rahmen e<strong>in</strong>er sozialen Wirklichkeit auf<br />

hohem Niveau erreicht. Es ist es also notwendig, gerade von subjektiven Elementen Gebrauch<br />

zu machen, um die wahre Objektivität herauszuarbeiten. Sowohl die Erfassung forschungsrelevanter<br />

Daten als auch deren Interpretation setzen e<strong>in</strong> gewisses Vorverständnis voraus, so<br />

dass e<strong>in</strong>e gewisse Subjektivität nicht ausgrenzbar ist.<br />

Insofern ist festzuhalten, dass aufbauend auf e<strong>in</strong>er für das Verständnis e<strong>in</strong>es Forschungsfeldes<br />

wesentlichen Subjektivität diese durch <strong>in</strong>tersubjektive Komponenten, die mitunter das zu<br />

untersuchenden Subjekt e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt, abgelöst wird und somit e<strong>in</strong>er Objektivität e<strong>in</strong>er sozialen<br />

Wirklichkeit weicht. Die Relevanz der Objektivität wird dabei im Wesentlichen vom<br />

untersuchten Subjekt selbst bestimmt (vgl. hierzu Lamnek 1995, S. 186). Darauf aufbauend<br />

soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er letzten Stufe die Transparenz des Forschungsprozesses dargelegt werden.<br />

„Transparenz ist wichtiger als Objektivität: ‚die Offenlegung des Forschungsprozesses statt<br />

der unerreichbaren Idealvorstellung nachzujagen, die Interaktion zwischen Forscher und<br />

Beforschtem messtechnisch zu neutralisieren’“ (ebd., nach Bogumil/Immerfall 1985, S. 71).<br />

6.3.4 Repräsentativität und Generalisierbarkeit<br />

Nachdem qualitative Analysen <strong>in</strong> aller Regel als Fallanalysen ausgelegt s<strong>in</strong>d, stellt sich die<br />

Frage, <strong>in</strong>wieweit der Betrachtung von E<strong>in</strong>zelfällen e<strong>in</strong>e Generalisierung folgen kann.<br />

Fallanalysen erzeugen oftmals enorme Mengen an Datenmaterial, das durchaus e<strong>in</strong>er<br />

Strukturierung bedarf. Nur so lassen sich wesentliche Aspekte aus den erhobenen Daten<br />

exzerpieren und daraus ggf. allgeme<strong>in</strong>gültige Aussagen entwickeln. Hier lässt sich e<strong>in</strong>e<br />

Grundproblematik der Repräsentativität und Generalisierbarkeit erkennen. Der Dichotomie


100 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

zwischen Falldarstellung e<strong>in</strong>erseits und Generalisierbarkeit andererseits kann beispielsweise<br />

mittels e<strong>in</strong>er empirisch begründeten Typenbildung entgegnet werden (vgl. hierzu Kluge<br />

1999). Die Typenbildung stellt e<strong>in</strong> probates Mittel dar, aus dem geordneten, strukturierten<br />

Material S<strong>in</strong>nzusammenhänge zu erkennen, die <strong>in</strong>sbesondere für e<strong>in</strong>e abschließende<br />

Theoriebildung essentiell s<strong>in</strong>d. „E<strong>in</strong> zentrales Ziel vieler sozialwissenschaftlicher Studien<br />

besteht … dar<strong>in</strong>, diese ‚Korrelationen’ und ‚Zusammenhänge’ nicht nur aufzudecken, sondern<br />

den S<strong>in</strong>n, der ihnen zugrunde liegt, möglichst weitgehend zu verstehen und zu erklären“ (ebd.,<br />

S. 46). Die Typenbildung setzt jedoch die E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>es jeden Falles <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Schema, eben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> ‚Typenkorsett’ voraus. Schon der Begriff ‚Typenkorsett’ sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>er Falldarstellung<br />

zu widersprechen. Wenn Lamnek (1995, S. 193) angibt, e<strong>in</strong>e Generalisierung solle durch<br />

typische Fälle ermöglicht werden und nicht etwa durch viele zufällige Fälle, so muss diesseits<br />

angemerkt werden, dass aber gerade zufällige Fälle e<strong>in</strong> realitätsgetreues Forschungsfeld<br />

ausmachen. Insofern lässt sich die Aussage Lamneks (ebd.), e<strong>in</strong>e Generalisierung könne im<br />

S<strong>in</strong>ne von Existenzaussagen vorgenommen werden, eher <strong>in</strong> vorliegendes Forschungskonzept<br />

e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den. Das heißt, zur Generalisierung (und damit zur Abhandlung e<strong>in</strong>er Repräsentativität)<br />

bietet es sich an, zentrale, im H<strong>in</strong>blick auf die Untersuchung wesentliche Aussagen zu<br />

sammeln und diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vom Fall losgelösten Darstellung zu präsentieren. Damit wird der<br />

harte Kern der Ergebnisse aufgeführt, wobei dieser Kern letztendlich dem Tenor der<br />

Schüleraussagen entspricht, wobei die vom Forscher e<strong>in</strong>gebrachten Erfahrungen aus dem<br />

Forschungsfeld berücksichtigt s<strong>in</strong>d.<br />

6.3.5 Spiegelung vorausgehender Gütediskussion anhand<br />

e<strong>in</strong>es weiteren Ansatzes<br />

Auch Huschke-Rhe<strong>in</strong> (1993) fordert e<strong>in</strong>e differenzierte Sichtweise der Gütekriterien<br />

h<strong>in</strong>sichtlich qualitativer und quantitativer Forschung. Die dort explizierten Kriterien<br />

untermauern obige Ausführungen, weil sie mit diesen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehen und ebenfalls die<br />

E<strong>in</strong>maligkeit der Falluntersuchung <strong>in</strong> den Vordergrund stellen. Demgemäß stellt Huschke-<br />

Rhe<strong>in</strong> auf folgende Kriterien ab:<br />

- Realitätshaltigkeit<br />

- Transparenz<br />

- Praxisrelevanz (ebd., S. 137 ff.)


6 Forschungsmethodischer Ansatz 101<br />

Forscher Methode Material<br />

TRANSPARENZ<br />

(methodologisch<br />

nachvollziehbar)<br />

REALITÄTSHALTIGKEIT<br />

(Sozialkontext/<br />

Lebenswelt)<br />

PRAXISRELEVANZ<br />

(für Praxis und<br />

Wissenschaft)<br />

Übersicht 6-5: Gütekriterien nach Huschke-Rhe<strong>in</strong> (1993, S. 138)<br />

Die Realitätshaltigkeit beschreibt den Kontext zwischen den erhobenen Daten und der<br />

angewandten Methode. Diese ist der vorgefundenen Wirklichkeit und damit dem Sozialkontext<br />

der Beforschten anzupassen. Die klassischen Kriterien ‚Objektivität’ oder auch ‚Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit’<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es quantitativen Paradigmas werden auf diese Weise e<strong>in</strong>er<br />

qualitativen Sichtweise angepasst.<br />

Die klassischen Kriterien ‚Validität’ und ‚Reliabilität’ erfahren e<strong>in</strong>en Zuschnitt auf e<strong>in</strong><br />

qualitatives Forschungsparadigma durch die Transparenz der angewandten Methode. Damit<br />

wird der Forschungsprozess auch für andere Forscher nachvollziehbar.<br />

Wie obige Graphik zeigt, resultiert die Praxisrelevanz aus dem Zusammenspiel von Realitätshaltigkeit<br />

und Transparenz. Die Praxisrelevanz lehnt sich an die Generalisierbarkeit im<br />

klassischen S<strong>in</strong>ne an, so dass der die Untersuchung Nachvollziehende aufgrund e<strong>in</strong>er<br />

Exemplifizierung der Forschungsergebnisse diese für se<strong>in</strong>en eigenen Erfahrungsbereich<br />

nutzen kann.<br />

Die hier e<strong>in</strong>geführten Gütekriterien werden <strong>in</strong> Kapitel 7.4 auf die hier beschriebene Untersuchung<br />

übertragen und somit noch vertieft diskutiert.<br />

6.4 Zusammenfassung<br />

Kapitel 6 theoretisiert den der Untersuchung zugrunde liegenden forschungsmethodischen<br />

Ansatz. Aufgrund der Überlegung, dass e<strong>in</strong> „<strong>in</strong>neres Bild“ der Beforschten, d. h. der Schüler<br />

aufgenommen werden soll, erfolgt zunächst e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die qualitative Sozialforschung.<br />

Dabei wird diese im Kontext e<strong>in</strong>er Fallstudie betrachtet, die versucht, den <strong>Unterricht</strong>salltag<br />

<strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Facetten, <strong>in</strong>sbesondere aus Sicht der Schüler zu explorieren.<br />

Im Anschluss zeigen die e<strong>in</strong>zelnen Untersuchungsabschnitte auf theoretischer Ebene, welche<br />

Methoden im Rahmen vorliegender Arbeit konkret Anwendung f<strong>in</strong>den. Durch die Betrachtung<br />

der Datenerhebung erfolgt e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den entsprechenden Erhe-


102 6 Forschungsmethodischer Ansatz<br />

bungsmethoden. Dabei werden <strong>in</strong>sbesondere das problemzentrierte Interview und die offene,<br />

teilnehmende Beobachtung als angewandte Methoden beleuchtet und e<strong>in</strong>geordnet. Transkriptionstechniken<br />

als wesentlicher Faktor der Datenaufbereitung bilden den Übergang zur<br />

Datenauswertung. Hier wird anhand der klassischen Verfahren wie ‚Grounded Theory,<br />

‚Sozialwissenschaftlich-hermeneutische Paraphrase’, ‚Qualitative Inhaltsanalyse’ und<br />

‚Psychoanalytische Text<strong>in</strong>terpretation’ der Bezug zur eigentlichen Datenauswertung<br />

hergestellt, die letztendlich die Schritte ‚Bestimmung der Analysee<strong>in</strong>heiten’, ‚1. Reduktion<br />

am Orig<strong>in</strong>altext’, ‚Paraphrasierung der <strong>in</strong>haltstragenden Textstellen = Abstraktion = 2.<br />

Reduktion’, ‚Kategorisierung’, ‚Zusammenstellung der neuen Aussagen als Kategoriensystem’<br />

und ‚Rücküberprüfung durch kommunikative und argumentative Validierung’ umfasst.<br />

Abschließend grenzt e<strong>in</strong>e theoretische Beschreibung qualitativer Gütekriterien das Forschungsparadigma<br />

der vorliegenden Arbeit von quantitativen Methoden ab.


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 103<br />

7 UNTERSUCHUNGSVERFAHREN ZUR DARSTELLUNG<br />

VON SCHÜLERAUSSAGEN<br />

In den nachfolgenden Ausführungen werden die für das <strong>in</strong> Kapitel 5 beschriebene Untersuchungsfeld<br />

angewendeten Schritte e<strong>in</strong>es Untersuchungsverfahrens und der zugrunde liegende<br />

Forschungsansatz vorgestellt. Die Autor<strong>in</strong> der vorliegenden Arbeit führt die Untersuchung im<br />

Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung e<strong>in</strong>er <strong>Unterricht</strong>sstrecke durch die Technische<br />

Universität München durch. Ziel der Untersuchung ist es, e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong> aus der Sicht der teilnehmenden Schüler zu beurteilen, um daraus weitere Kriterien<br />

zur Fortentwicklung e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lernumgebung abzuleiten.<br />

In Kapitel 7.1 wird die Datenerhebung besprochen, wobei die Rahmendaten der Untersuchung,<br />

die H<strong>in</strong>tergründe der Befragungen und weiteres, der Auswertung zur Verfügung<br />

stehendes Material vorgestellt werden. Die Ausführungen zur Kollektiv- und E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

geben E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die vorgefundenen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und die sich daraus ergebende<br />

Vorgehensweise bei der Erfassung der Schüleraussagen. Die resultierenden Richtl<strong>in</strong>ien zur<br />

Durchführung e<strong>in</strong>er Gruppenbefragung werden ebenfalls <strong>in</strong> diesem Kapitel dargestellt. Die<br />

Vorgehensweise bei der Datentransformation und Datenauswertung zeigt Kapitel 7.2 auf,<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Bearbeitungsschritte bei der Transkription des vertonten Datenmaterials.<br />

Den tragenden Teil des Untersuchungsverfahrens bildet Kapitel 7.3, die Datenauswertung.<br />

Hier wird ausführlich die Verarbeitung des verschrifteten Rohdatenmaterials beschrieben.<br />

Anhand von Beispielen werden die e<strong>in</strong>zelnen Bearbeitungsschritte nachvollziehbar erläutert<br />

und die daraus resultierenden umgearbeiteten Rohdaten vorgestellt, wobei diese dann <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Ergebnisteil (siehe Kapitel 8) abgebildet und <strong>in</strong> Kapitel 9 e<strong>in</strong>er Beurteilung unterzogen<br />

werden. Kapitel 10 liefert schließlich e<strong>in</strong>e übergreifende Beurteilung. Kapitel 7.4 beleuchtet<br />

noch e<strong>in</strong>mal kritisch das Untersuchungsverfahren und zeigt im Rahmen der Methodenreflexion<br />

mögliche Probleme der Datenerhebung, Datenaufbereitung und Datenauswertung, deren<br />

etwaige Ursachen und die Konsequenzen für die Forschungsergebnisse auf.<br />

Ziel des Untersuchungsverfahrens ist es, für jeden Probanden e<strong>in</strong>e Falldarstellung aufzubereiten,<br />

die letztendlich e<strong>in</strong>e Beurteilung des erhobenen Datenmaterials ermöglicht. Dazu müssen<br />

e<strong>in</strong>erseits die erhobenen Rohdaten bearbeitet und über Zwischenergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e darstellbare<br />

und beurteilungsfähige Form überführt werden. Andererseits werden ‚harte’ Daten e<strong>in</strong>er<br />

Beurteilung implizit ohne weitere Aufbereitung zugänglich gemacht. Die nachfolgende<br />

Übersicht 7-1 zeigt noch e<strong>in</strong>mal die Schritte der Untersuchung auf und lässt deren zusammenhängende<br />

Struktur erkennen.


104 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Datenerhebung<br />

(Kapitel 7.1)<br />

Datentransformation/<br />

Datenaufbereitung<br />

(Kapitel 7.2)<br />

Datenauswertung<br />

(Kapitel 7.3)<br />

Schülerdaten<br />

Arbeitsunterlagen der Schüler<br />

Memo-Protokolle<br />

Wortprotokoll der<br />

Gruppenbefragung<br />

Teil A:<br />

Gruppenbefragung –<br />

Gesamt<strong>in</strong>terview<br />

Teil B:<br />

Gruppenbefragung –<br />

Paraphrasen<br />

Darstellung der Ergebnisse<br />

(Kapitel 8)<br />

Beurteilung der Ergebnisse<br />

(Kapitel 9)<br />

Übergreifende Beurteilung<br />

(Kapitel 10)<br />

Übersicht 7-1: Die Dokumente e<strong>in</strong>er Falldarstellung<br />

Z<br />

w<br />

i<br />

s<br />

c<br />

h<br />

e<br />

n<br />

e<br />

r<br />

g<br />

e<br />

b<br />

n<br />

i<br />

s<br />

Tonbandaufzeichnung der<br />

Gruppenbefragung<br />

Tonbandaufzeichnung der<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

Verschriftung<br />

Teil E:<br />

Zusammenschau<br />

Wortprotokoll der<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

(Kapitel 7.3.1) (Kapitel 7.3.2)<br />

(Kapitel 7.3.3)<br />

Teil C:<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung –<br />

Interview<br />

(Kapitel 7.3.1) (Kapitel 7.3.2)<br />

Teil D:<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung –<br />

Paraphrasen<br />

(Kapitel 7.3.4)


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 105<br />

7.1 Datenerhebung<br />

Das folgende Kapitel beschreibt die Datenerhebung im Verlauf der untersuchten <strong>Unterricht</strong>sstrecke.<br />

Vorab werden die Methoden der Erhebungsverfahren noch e<strong>in</strong>mal überblickartig<br />

dargestellt und <strong>in</strong> Kapitel 7.1.1 die Rahmendaten der Untersuchung aufgeführt. Kapitel 7.1.2<br />

stellt die H<strong>in</strong>tergründe der Kollektivbefragung dar und zeigt die angewendeten Regeln der<br />

Interviewführung auf. Kapitel 7.1.3 erläutert Aspekte der Datenerhebung im Rahmen der<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews. Die teilnehmende Beobachtung als weitere Datenerhebungsschiene wird <strong>in</strong><br />

Kapitel 7.1.4 beleuchtet, während Kapitel 7.1.5 auf die der Untersuchung zusätzlich zugrunde<br />

liegenden Arbeits- und Prüfungsunterlagen der Schüler verweist.<br />

Nr. Erhebungsverfahren<br />

1 Problemzentriertes<br />

Interview<br />

2 Problemzentriertes<br />

Interview<br />

3 Teilnehmende<br />

Beobachtung<br />

Methode Erhebungszeitraum<br />

Gruppenbefragung:<br />

Während des <strong>Unterricht</strong>s<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung:<br />

Nach der gesamten <strong>Unterricht</strong>s-<br />

strecke<br />

Memo-Protokoll:<br />

Handschriftlich, während des<br />

<strong>Unterricht</strong>s<br />

21.01.2000 – 31.03.2000 (Block 1)<br />

07.04.2000 – 21.07.2000 (Block 2)<br />

14.04.2000 (Block 1)<br />

14.07.2000 (Block 2)<br />

21.01.2000 – 31.03.2000 (Block 1)<br />

07.04.2000 – 21.07.2000 (Block 2)<br />

4 Arbeitsergebnisse 21.01.2000 – 31.03.2000 (Block 1)<br />

07.04.2000 – 21.07.2000 (Block 2)<br />

5 Prüfungsergebnisse 21.01.2000 – 31.03.2000 (Block 1)<br />

07.04.2000 – 21.07.2000 (Block 2)<br />

Übersicht 7-2: Erhebungsverfahren<br />

7.1.1 Rahmendaten der Untersuchung<br />

Die Untersuchung wird im Schuljahr 1999/2000 im Lerngebiet Steuerungstechnik –<br />

Elektropneumatik des Berufsfeldes Metalltechnik durchgeführt und umfasst ca. sieben<br />

Monate. Zu dieser Zeit bef<strong>in</strong>den sich im Bereich Metalltechnik vier verschiedene Jahrgangsstufen<br />

<strong>in</strong> Ausbildung. Das <strong>Unterricht</strong>svorhaben durchlaufen angehende Industriemechaniker<br />

aus zwei Klassen des dritten Lehrjahres. Da es sich hierbei um 37 Schüler handelt, werden die<br />

Auszubildenden aus schulorganisatorischen Gründen <strong>in</strong> drei Gruppen aufgeteilt, die<br />

nache<strong>in</strong>ander dem Steuerungstechnikunterricht zugeordnet werden. So werden bestmögliche<br />

Voraussetzungen für e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> geschaffen.<br />

Gruppe 1: <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> Steuerungstechnik vom 17. September – 17. Dezember 1999,<br />

Gruppe 2: <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> Steuerungstechnik vom 21. Januar 2000 – 31. März 2000,<br />

Gruppe 3: <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> Steuerungstechnik vom 07. April 2000 – 21. Juli 2000.<br />

Die Untersuchung zur Aufnahme von Daten f<strong>in</strong>det vom 21. Januar 2000 bis 21. Juli 2000<br />

statt, so dass im Weiteren auch nur die Gruppen 2 und 3 relevant s<strong>in</strong>d. Gruppe 1 wird nicht<br />

durch die Technische Universität München begleitet und dient lediglich dazu, erste E<strong>in</strong>drücke


106 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

vom Forschungsfeld zu erhalten. Um Irreführungen zu vermeiden werden die Gruppen 2 und<br />

3 im Folgenden nun mit Block 1 und 2 bezeichnet.<br />

Zur Klassenstruktur:<br />

Block →<br />

Kennzeichen ↓<br />

Block 1 Block 2<br />

Schülerzahl 13 11<br />

Beruf Industriemechaniker Industriemechaniker<br />

Fachrichtung<br />

Masch<strong>in</strong>en- und Systemtechnik,<br />

Geräte- und Fe<strong>in</strong>werktechnik<br />

Masch<strong>in</strong>en- und Systemtechnik,<br />

Geräte- und Fe<strong>in</strong>werktechnik<br />

Geschlecht 13 Schüler: männlich 11 Schüler: männlich<br />

Jahrgang 1977 - 1982 1980 - 1982<br />

Vorbildung<br />

7 Schüler: Hauptschule<br />

5 Schüler: Realschule<br />

1 Schüler: Gymnasium<br />

Übersicht 7-3: Adressatenanalyse der Probanden<br />

9 Schüler: Hauptschule<br />

2 Schüler: Realschule<br />

Es zeigt sich, dass die Schüler aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungs<strong>in</strong>halte und<br />

Ausbildungs<strong>in</strong>tensität <strong>in</strong> den Betrieben unterschiedliche Vorkenntnissen mitbr<strong>in</strong>gen. Dies<br />

muss bei der laufenden <strong>Unterricht</strong>splanung berücksichtigt werden.<br />

So haben acht Schüler des ersten Blocks bereits vor Durchlaufen der untersuchten <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

erste Erfahrungen <strong>in</strong> der Elektropneumatik gesammelt. Drei Schüler besuchten<br />

e<strong>in</strong>e überbetriebliche Ausbildungsstätte, die verbleibenden fünf Schüler konnten Kenntnisse<br />

und Fertigkeiten <strong>in</strong> ihren jeweiligen Ausbildungsbetrieben erwerben. Drei weitere Lernende<br />

des ersten Blocks durchlaufen während der Untersuchung e<strong>in</strong>en adäquaten Kurs der<br />

Steuerungstechnik, wobei e<strong>in</strong> Kurs im entsprechenden Betrieb und zwei Kurse überbetrieblich<br />

abgehalten werden. Zwei Schüler besuchen die <strong>Unterricht</strong>sstrecke ohne jegliche Vorkenntnisse<br />

und sammeln auch während des Durchlaufens des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s ke<strong>in</strong>e<br />

zusätzlichen Erfahrungen. Diesen Auszubildenden fehlen zudem die Grundlagen der<br />

Pneumatik. Auch ist ihnen das Konzept des <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s fremd, da sie<br />

bisher an e<strong>in</strong>er anderen Schule unterrichtet wurden.<br />

Von den Schülern des zweiten Blocks kann lediglich e<strong>in</strong> Schüler erste Grundkenntnisse <strong>in</strong> der<br />

Steuerungstechnik aufweisen. Diese basieren jedoch nicht auf e<strong>in</strong>em expliziten Steuerungstechnikkurs,<br />

vielmehr konnte der Auszubildende über mehrere Gespräche im Betrieb e<strong>in</strong>ige<br />

Informationen sammeln. Drei weitere Schüler, die im Vorjahr e<strong>in</strong>e andere Schule besucht<br />

hatte, werden aufgrund der untersuchten <strong>Unterricht</strong>sstrecke zum ersten Mal mit Handlungsorientierung<br />

konfrontiert. Alle übrigen Auszubildenden wurden mit dem Konzept des


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 107<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s im vorhergehenden Schuljahr im Rahmen e<strong>in</strong>es Pneumatikkurses<br />

vertraut gemacht.<br />

Die Rahmendaten der Untersuchung be<strong>in</strong>halten auch e<strong>in</strong>e Adressatenanalyse für jeden<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schüler, die e<strong>in</strong>e spätere Beurteilung der erhobenen Daten unterstützen soll. Die<br />

Analyse umfasst neben persönlichen und schulischen Daten noch e<strong>in</strong>mal explizite Angaben<br />

zur Untersuchung, die auf die jeweilige betrachtete Person zutreffen. Im Anschluss daran soll<br />

die Vorerfahrung der Schüler bezüglich <strong>Unterricht</strong>sfach und -konzept aufgezeichnet werden.<br />

E<strong>in</strong> Notenspiegel rundet die Analyse ab. E<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>er Adressatenanalyse ist im<br />

nachfolgenden Kapitel 8 zu f<strong>in</strong>den, da dort e<strong>in</strong>e exemplarische Falldarstellung e<strong>in</strong>es<br />

Probanden aufgezeigt wird. Die Daten der Adressatenanalyse fließen implizit <strong>in</strong> die spätere<br />

Beurteilung der ausgewerteten Daten mit e<strong>in</strong>, können aber im Rahmen dieser Arbeit nicht<br />

e<strong>in</strong>er expliziten Auswertung zugänglich gemacht werden.<br />

7.1.2 Kollektive Befragung während des <strong>Unterricht</strong>s<br />

Unter Berücksichtigung der Forschungsfragen wird die Beurteilung von Schülern über den<br />

erfahrenen <strong>Unterricht</strong> durch verbale Kommunikation zwischen Forscher und Probanden<br />

erfasst. Am besten eignet sich hierfür das problemzentrierte Interview. Genaueres dazu ist<br />

Kapitel 6.2.1.1 zu entnehmen. Es wird bewusst das Gespräch – sowohl für das E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview<br />

als auch für die Gruppenbefragung – als Untersuchungs<strong>in</strong>strument gewählt, um durch<br />

die Möglichkeit der gezielten Nachfrage e<strong>in</strong>en möglichst umfassenden und detaillierten<br />

E<strong>in</strong>druck des Schülers aufnehmen zu können. Der Proband kann frei formulieren und wird<br />

nicht – wie das beispielsweise bei e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung der Fall wäre – auf Standardisierungen<br />

beschränkt. Es sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass die Schüler vom Interviewer (und im<br />

Übrigen auch von der Lehrkraft) mit ‚Du’ angesprochen werden, weil dies an der Berufsschule<br />

Weilheim so üblich ist. Auch dies trägt dazu bei, das Forschungsfeld so natürlich wie<br />

möglich zu gestalten.<br />

Im Rahmen des Forschungs<strong>in</strong>teresses s<strong>in</strong>d vor der Untersuchung die Themenschwerpunkte<br />

der Befragungen auszuwählen und mit den personalen, situativen und zeitlichen Gegebenheiten<br />

abzustimmen. Die anzusprechenden Themenbereiche beziehen sich im Wesentlichen auf<br />

die Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s (vgl. Kapitel 5). Damit ist<br />

gewährleistet, dass essentielle Kriterien des untersuchten Konzepts aufgenommen und durch<br />

die Probanden reflektiert werden. Folgende Übersicht zeigt die im Interview ansprechbaren<br />

Themen auf, wobei darauf h<strong>in</strong>gewiesen wird, dass diese nur zur Erstellung e<strong>in</strong>es groben<br />

Leitfadens dienen. Abweichungen, Ausweitungen oder Kürzungen s<strong>in</strong>d generell möglich, die<br />

Befragung wird stets der vorgefundenen Situation angepasst. Die <strong>in</strong> der Spalte ‚Kürzel’<br />

verwendeten Abkürzungen beziehen sich auf die <strong>in</strong> der vorhergehenden Spalte genannten<br />

Bestimmungsgrößen.


108 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Leitfaden Gruppenbefragung<br />

Nr. Bestimmungsgröße Kürzel Mögliche Befragungsthemen<br />

1 Handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong><br />

2 Selbststeuerung und<br />

Freiheitsgrade<br />

HU Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Vergleich von Lernorten (überbetriebliche, betriebli-<br />

che Ausbildung)<br />

SF Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Selbstgesteuertes Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte, Arbeitsblätter<br />

Informationsmaterial<br />

3 Beratende Lehrerrolle BL Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Lehrerunterstütztes Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte, Arbeitsblätter<br />

4 Komplexe Aufgabenstellung<br />

und<br />

Lerngebiet<br />

5 Kooperatives und<br />

kommunikatives<br />

Lernen<br />

6 Integrative, offene<br />

Leistungsfeststellung<br />

7 Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Informationsmaterial<br />

KAL Fachliches<br />

Biegevorrichtung<br />

KKL Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Gegenseitiges <strong>Unterricht</strong>en<br />

IOL Abschlusstest 6 und 7<br />

Abschlusstest 8<br />

Abschlusstest 9<br />

IFU Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Praktische Umsetzung der Theorie<br />

Legende: BL: Beratende Lehrerrolle<br />

HU: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

IFU: Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

IOL: Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

KAL: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

KKL: Kooperative und kommunikatives Lernen<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Übersicht 7-4: Grundlagen des Interviewleitfadens (Gruppenbefragung)<br />

Der Leitfaden kann nur schematisch dargestellt werden, weil sich die konkreten Frageformulierungen<br />

erst <strong>in</strong> der Befragungssituation, also während der Befragung ergeben. Der Forscher<br />

lässt jegliche Gesprächsrichtung offen, gibt anfänglich nur e<strong>in</strong>en Umriss der <strong>in</strong>teressierenden<br />

Thematik <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er sehr allgeme<strong>in</strong> formulierten Frage bekannt. Auch diese kann von<br />

Gruppe zu Gruppe variieren. Anhand e<strong>in</strong>es Beispiels soll aufgezeigt werden, wie e<strong>in</strong><br />

‚mögliches Befragungsthema’ e<strong>in</strong>setzbar ist (vgl. dazu Übersicht 7-4, Nr. 2, Selbststeuerung<br />

und Freiheitsgrade, selbstgesteuertes Lernen):<br />

Innerhalb dieser Kategorie ist beispielsweise die Thematik ‚Wissenskontrollblatt’ für die<br />

Untersuchung von Interesse. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>leitende Frage hierzu könnte wie folgt lauten:<br />

Ihr habt soeben die Bearbeitung des Wissenskontrollblattes durchgeführt. Was könnt ihr<br />

spontan zu dieser Art Aufgabenblatt sagen?


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 109<br />

Bei e<strong>in</strong>er anderen Gruppe ist dem Forscher z. B. aufgefallen, dass das Wissenskontrollblatt<br />

nicht bearbeitet wurde. Hier bietet sich e<strong>in</strong> anderer E<strong>in</strong>stieg zu diesem Thema an:<br />

Ihr habt euch nun für den Abschlusstest gemeldet. Werdet ihr das Wissenskontrollblatt<br />

vorab noch durcharbeiten?<br />

Die Schüler werden also <strong>in</strong> der Regel – entsprechend ihrer Arbeitsweise im untersuchten<br />

<strong>Unterricht</strong> – im Gruppenverband befragt. Treten spezifische Probleme auf, die nur e<strong>in</strong>zelne<br />

Probanden betreffen – dies ergibt sich beispielsweise im Prüfungsgeschehen oder bei<br />

<strong>in</strong>dividuellen fachlichen Problemen –, so werden auch E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews durchgeführt. Die<br />

Befragungen werden über die gesamte <strong>Unterricht</strong>sstrecke abgehalten, so dass sämtliche<br />

<strong>Unterricht</strong>stage, verteilt auf mehrere Wochen, zur Verfügung stehen. Ziel dieser problemzentrierten<br />

Interviews ist e<strong>in</strong>e Erfassung spontaner E<strong>in</strong>schätzungen h<strong>in</strong>sichtlich bestimmter<br />

Kriterien, über die Lehr-Lern-Prozesse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> def<strong>in</strong>iert<br />

werden können. Die Auswahl der Methoden und die dah<strong>in</strong>terstehenden Intentionen s<strong>in</strong>d<br />

Kapitel 6.2 zu entnehmen.<br />

Die folgende Übersicht zeigt den genauen Befragungsablauf über die gesamte <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

sowohl für Block 1 als auch Block 2. Anhand der Zeile 1.8 sollen die dargestellten<br />

Zusammenhänge exemplarisch erläutert werden. Jeder Schüler wird grundsätzlich mit e<strong>in</strong>er<br />

alphanumerischen Bezeichnung abgebildet, die stets beizubehalten ist. Die Ziffer entspricht<br />

der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit, während der Buchstabe die unterschiedlichen Schüler<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe kennzeichnet. Dabei wird die Buchstabenverteilung alphabetisch<br />

vorgenommen. Die Übersicht erlaubt e<strong>in</strong> genaues Nachvollziehen, wann e<strong>in</strong> Schüler<br />

tatsächlich befragt wurde und <strong>in</strong> welchem Gruppenverband dies geschah.<br />

Die Zeilennummer 1.8 weist auf den 8. <strong>Unterricht</strong>stag von Block 1 h<strong>in</strong>, der am 10.03.00<br />

stattf<strong>in</strong>det. An diesem Tag s<strong>in</strong>d alle Gruppen anwesend, allerd<strong>in</strong>gs fehlen vere<strong>in</strong>zelt Schüler.<br />

Wie bereits oben erwähnt, s<strong>in</strong>d die alphanumerischen Bezeichnungen stellvertretend für die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Lernenden zu verstehen. So fehlen <strong>in</strong> diesem Falle Schüler A aus Gruppe 2 und<br />

Schüler C aus Gruppe 3. Da <strong>in</strong> der Spalte ‚Gr.’ die Gruppennummern vollständig zu f<strong>in</strong>den<br />

s<strong>in</strong>d, bleibt trotz des Fernbleibens e<strong>in</strong>zelner Schüler die betroffene Gruppe erhalten. Die<br />

Spalte ‚Zusammensetzung’ listet daher die <strong>in</strong> den Gruppen vertretenen Schüler auf. Gruppe 1<br />

besteht an diesem Tag aus den Schülern 1A und 1B, Gruppe 2 wird nur durch den Schüler 2B<br />

vertreten usw. Die Umrandung e<strong>in</strong>zelner Gruppen deutet an, dass hier e<strong>in</strong>e von der ursprünglichen<br />

Konstellation abweichende Zusammensetzung vorzuf<strong>in</strong>den ist. Der Spalte ‚Befragung’<br />

ist zu entnehmen, welche Auszubildenden an diesem <strong>Unterricht</strong>stag e<strong>in</strong>em Interview<br />

unterzogen werden. Dabei ist anzumerken, dass die alle<strong>in</strong>ige Ziffer auf e<strong>in</strong>e Kollektivbefragung<br />

h<strong>in</strong>weist, während durch die alphanumerische Deklaration e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

gekennzeichnet wird. Diesbezüglich sei <strong>in</strong>sbesondere auf Gruppe 5 verwiesen. Diese wird<br />

anfänglich im Gruppenverband befragt, im weiteren Verlauf unterziehen sich die Schüler<br />

e<strong>in</strong>zeln e<strong>in</strong>er Befragung. Die Schüler der Gruppe 3 werden e<strong>in</strong>zeln <strong>in</strong>terviewt, alle anderen<br />

Lernenden im Kollektiv. Die letzte Spalte gibt H<strong>in</strong>weise, warum sich unterschiedliche, von<br />

der ursprünglichen E<strong>in</strong>teilung abweichende Gruppenzusammensetzungen ergeben. Dies kann<br />

für die spätere Beurteilung der erhobenen Daten unter Umständen entscheidend se<strong>in</strong>. Für<br />

Gruppe 2 gilt nun Folgendes: Der betroffene Schüler 2B f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dieser ‚Zusammensetzung’<br />

wieder, weil der Auszubildende 2A an diesem <strong>Unterricht</strong>stag nicht anwesend ist.<br />

Gleiches gilt für Gruppe 3. Die Betroffenen 3A und 3B bestreiten den <strong>Unterricht</strong> an diesem<br />

Tag alle<strong>in</strong>e, weil Schüler 3C fehlt.


110 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Nr. Datum Gr. Fehlende<br />

Schüler<br />

1.1 21.01.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.2 28.01.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.3 04.02.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.4 11.02.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.5 18.02.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.6 25.02.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.7 03.03.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

6A, 6B<br />

1B<br />

3B<br />

4B<br />

6A, 6B<br />

4A, 4B<br />

3C<br />

Zusammensetzung<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

--<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 4A<br />

2A, 2B<br />

3A, 3C<br />

--<br />

5A, 5B<br />

--<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

--<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1<br />

2<br />

Befragung Begründung für<br />

veränderte Zusammensetzung<br />

1<br />

2<br />

3, 3C<br />

5, 5<br />

1B, 1<br />

3, 3, 3<br />

5<br />

6<br />

1, 1<br />

2, 2<br />

3<br />

4<br />

6<br />

6A, 6B fehlen<br />

1A, 4A: 1B, 4B fehlen<br />

3A, 3C: 3B fehlt<br />

siehe Gruppe 1<br />

6A, 6B fehlen<br />

4A, 4B fehlen<br />

3A, 3B: 3C fehlt


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 111<br />

1.8 10.03.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.9 17.03.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.10 24.03.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

1.11 31.03.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

2.1 07.04.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.2 14.04.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.3 02.05.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.4 05.05.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2A<br />

3C<br />

3B<br />

1A, 1B<br />

2B<br />

3A, 3B<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

1<br />

2<br />

3A, 3B<br />

5, 5A, 5B<br />

6<br />

1A, 1B<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6A, 6B<br />

1<br />

2, 2<br />

3, 3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B, 4<br />

5<br />

6<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

6A, 6B<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2B: 2A fehlt<br />

3A, 3B: 3C fehlt<br />

3A, 3C: 3B fehlt


112 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

2.5 12.05.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.6 19.05.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.7 26.05.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.8 09.06.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.9 07.07.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.10 14.07.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

2.11 21.07.00 1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

4B<br />

4B<br />

3A<br />

4B<br />

4B<br />

2A<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

4A, 4B<br />

5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

--<br />

4A, 5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3A, 3B, 3C<br />

--<br />

4A, 5A, 5B<br />

1A, 1B<br />

2A, 2B<br />

3B, 3C<br />

--<br />

4A, 5A, 5B<br />

1A, 1B, 5B<br />

2A, 2B<br />

3B, 3C<br />

--<br />

3A, 4A, 5A<br />

1A, 1B, 5B<br />

2A, 2B<br />

3B, 3C<br />

4B<br />

3A, 4A, 5A<br />

1A, 1B, 5B<br />

2B, 4B<br />

3B, 3C<br />

--<br />

3A, 4A, 5A<br />

3<br />

5<br />

1<br />

2<br />

4A<br />

1B<br />

2<br />

5<br />

1<br />

3, 3B<br />

5<br />

2<br />

3, 3C<br />

1<br />

5<br />

2<br />

5, 5, 3A<br />

siehe Gruppe 5<br />

4A: 4B fehlt<br />

siehe Gruppe 5<br />

4A: 4B fehlt<br />

3B, 3C: 3A fehlt<br />

siehe Gruppe 5<br />

4A: 4B fehlt<br />

5B: wechselt zu Gruppe 1,<br />

Probleme bei Gruppe 5<br />

3B, 3C: siehe Gruppe 5<br />

siehe Gruppe 5<br />

3A: wechselt zu Gruppe 5,<br />

Probleme bei Gruppe 3<br />

4A: 4B fehlt<br />

5A: siehe Gruppe 1<br />

5B: wechselt zu Gruppe 1,<br />

Probleme bei Gruppe 5<br />

3B, 3C: siehe Gruppe<br />

4B: siehe Gruppe 5<br />

3A: wechselt zu Gruppe 5,<br />

Probleme bei Gruppe 3<br />

4A: bleibt nun bei Gruppe 5<br />

5A: siehe Gruppe 1<br />

5B: wechselt zu Gruppe 1,<br />

Probleme bei Gruppe 5<br />

2B, 4B: 2A fehlt, deshalb<br />

kommt 4B h<strong>in</strong>zu<br />

3B, 3C: siehe Gruppe 5<br />

siehe Gruppe 2 und 5<br />

3A: wechselt zu Gruppe 5,<br />

Probleme bei Gruppe 3<br />

4A: bleibt nun bei Gruppe 5<br />

5A: siehe Gruppe 1


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 113<br />

Legende: Gr.: Gruppe<br />

1A … 6B: alphanumerischer Code zur Deklaration der e<strong>in</strong>zelnen Probanden<br />

abweichende Gruppenzusammensetzung<br />

Übersicht 7-5: Befragungsverlauf Block 1 und Block 2 (Erläuterungen im Text)<br />

Den Schülern wird zu Beg<strong>in</strong>n der Erhebung vom unterrichtenden Lehrer sowohl der Forscher<br />

vorgestellt als auch das Forschungsvorhaben der Technischen Universität München kurz<br />

erläutert. Zudem wird klargestellt, dass alle Aussagen der Probanden im Rahmen der<br />

Untersuchung vertraulich behandelt werden und sich ke<strong>in</strong>erlei Auswirkungen auf die<br />

Benotung ergeben.<br />

Die anfängliche Unsicherheit der Schüler bzgl. der ungewohnten Befragungssituation muss<br />

vom Forscher berücksichtigt werden. So stellt sich die Frage nach e<strong>in</strong>er geeigneten Interviewtechnik.<br />

Aufwändiges Gerät oder konstruierte Befragungssituationen könnten die Unsicherheit<br />

der Schüler weiter fördern und deren Antwortverhalten ungünstig bee<strong>in</strong>flussen. Daher<br />

werden die Interviews an den jeweiligen Arbeitsplätzen der Schüler abgehalten, um den<br />

natürlichen Arbeitsverlauf der Lernenden so wenig wie möglich zu stören. Die Befragungen<br />

werden mit Hilfe e<strong>in</strong>es Handdiktiergerätes durchgeführt, das aufgrund se<strong>in</strong>er Kompaktheit<br />

unauffällig zwischen den Arbeitsmaterialien liegt, <strong>in</strong> etwa von allen Beteiligten gleich weit<br />

entfernt. Bereits im Vorfeld wird die Tonqualität des Gerätes überprüft und der maximal<br />

mögliche Sprechabstand festgelegt. Dabei zeigt es sich, dass es die gute Qualität des Gerätes<br />

ermöglicht, ohne externes Mikrophon zu arbeiten, so dass sich zwischen den Schülern und<br />

dem Forscher e<strong>in</strong> Gespräch entwickeln kann, dessen Aufzeichnung auf Kassette von den<br />

Probanden kaum wahrgenommen wird.<br />

Mit der Befragung wird erst nach e<strong>in</strong>igen <strong>Unterricht</strong>stagen begonnen, um den Probanden zu<br />

ermöglichen, sich an den Lehrer und die neue <strong>Unterricht</strong>ssituation zu gewöhnen und erste<br />

E<strong>in</strong>drücke zu sammeln. Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 5.1 erwähnt, unterstützt die Untersuchung e<strong>in</strong>e<br />

Lehrkraft, die bereits mit dem Forschungsvorhaben vertraut ist, um langwierige E<strong>in</strong>weisungen<br />

aufgrund des komplexen Forschungszuganges zu vermeiden. Die Gewöhnungsphase der<br />

Schüler kann gleichzeitig dazu genutzt werden, das persönliche Gespräch zu suchen und erste<br />

Probebefragung durchzuführen. Der Forscher kann sich dabei langsam auf die Probanden<br />

e<strong>in</strong>stellen und so se<strong>in</strong> weiteres Frageverhalten planen und e<strong>in</strong>üben. Parallel dazu lernen auch<br />

die Schüler den Interviewenden und die Befragungssituation kennen. In den Vorabgesprächen<br />

wird e<strong>in</strong>e Interviewebene entwickelt, die den Weg zu e<strong>in</strong>er offenen, ungehemmten Konversation<br />

bereitet. „Wegen der Unterschiedlichkeit der wissenschaftlichen Sprache und der<br />

Alltagssprache kann man natürlich nicht die theoretischen Begriffe (...) <strong>in</strong> der Frageformulierung<br />

benutzen, sondern man muss solche Worte verwenden, die nach Möglichkeit von allen<br />

zu befragenden Personen verstanden werden – und zwar <strong>in</strong> möglichst gleicher Weise<br />

verstanden werden. Die Forscher<strong>in</strong>/der Forscher wird außerdem für e<strong>in</strong>en theoretischen<br />

Begriff nicht nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Frage stellen, sondern mehrere, um der Mehrdeutigkeit der<br />

Alltagssprache Rechnung zu tragen“ (Kromrey 1998, S. 347). Es zeigt sich, dass die Schüler<br />

erst dann frei sprechen, wenn sich der Forscher auf demselben sprachlichen Niveau bewegt<br />

wie die Testpersonen.<br />

Nach theoretisch-psychologischen Auffassungen ist der Fragestil des Interviewers neutral zu<br />

halten, d. h. das Antwortenverhalten des Probanden soll <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erlei Weise bee<strong>in</strong>flusst<br />

werden. Pr<strong>in</strong>zipiell ist dies e<strong>in</strong>e wesentliche Grundvoraussetzung zur Aufnahme tief<br />

greifender Interviews. Der psychologischen Auffassung ist zweifelsfrei gerecht zu werden,


114 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

allerd<strong>in</strong>gs mit Rücksicht auf die soziale Wirklichkeit nur unter Vorbehalt. Es gilt zu bedenken,<br />

dass das oben bereits angesprochene sprachliche Angleichen zwischen Befragendem und<br />

Befragtem <strong>in</strong> jedem Falle stattf<strong>in</strong>den muss, weil sonst e<strong>in</strong> persönlicher, vertrauter Zugang zu<br />

den Probanden sofort untergraben wird. Es muss zudem angemerkt werden, dass bei e<strong>in</strong>em<br />

fortentwickelten Vertrauensverhältnis zwischen den Interviewpartnern e<strong>in</strong> Anregen des<br />

Befragten ausreichend ist, um die wahren Antworten zu ermitteln. Die ursprüngliche Frage<br />

verblasst angesichts des Bedürfnisses des Probanden, wesentliche Inhalte darzustellen.<br />

In den vielen Befragungen während der <strong>Unterricht</strong>sstrecke zeigt sich immer wieder, dass e<strong>in</strong><br />

Abweichen von den zwischen Forscher und Proband implizit entwickelten Gesprächsregeln<br />

sogleich e<strong>in</strong> gehemmtes Verhalten des Befragten <strong>in</strong> Gang setzt. Es ist aber auch erkennbar,<br />

dass die Schüler trotz des Umgehens von Regeln e<strong>in</strong>er psychologischen Gesprächsführung<br />

oder gerade deshalb aus sich herausgehen und bereitwillig am Gespräch teilnehmen. So ist es<br />

durchaus zweckmäßig, Fragen mit anderen Worten zu wiederholen, wenn diese nicht auf<br />

Anhieb zu e<strong>in</strong>er Reaktion führen oder im Extremfall sogar anzudeuten, wie e<strong>in</strong>e mögliche<br />

Antwort aussehen könnte. Dabei sollten aber mehrere Möglichkeiten aufgeführt werden, um<br />

den Befragten nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte Richtung zu lenken. Die Erfahrung zeigt, dass sich<br />

gerade bei e<strong>in</strong>em ausreichend entwickelten Vertrauensverhältnis der Tenor der vom Probanden<br />

gegebenen Antwort erkennen und der Befragte sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e verme<strong>in</strong>tliche Richtung<br />

drängen lässt.<br />

Des Weiteren zeigt es sich von Vorteil, die Schüler im Redefluss nur dann zu unterbrechen,<br />

wenn zu sehr vom Thema abgewichen wird. Dies zw<strong>in</strong>gt zum E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Leitfadens, der<br />

e<strong>in</strong>e grobe bereichsspezifische Steuerung vorschreibt und letztendlich die h<strong>in</strong>ter den<br />

Befragungen liegenden Intentionen festlegt. Die Reflexionen der Schüler weisen daher<br />

offensichtliche narrative Elemente auf, die auch vom Interviewer aufgegriffen werden sollten<br />

um e<strong>in</strong> ausgeglicheneres Verhältnis zwischen e<strong>in</strong>em Agieren des Interviewers und e<strong>in</strong>em<br />

Reagieren der Probanden zu schaffen. Außerdem wird während der Interviews deutlich, dass<br />

es nicht möglich ist, <strong>in</strong> jedem Falle und stets die gleichen Fragen zu verwenden. Die<br />

Gespräche mit verschiedenen Gruppen entwickeln sich oftmals – auch trotz gleicher Thematik<br />

– <strong>in</strong> unterschiedliche Richtungen. Der Forscher steht dabei vor dem Dilemma, gebunden an<br />

den Leitfaden, dessen ungeachtet auf Personen und Sachverhalte situationsflexibel e<strong>in</strong>zugehen<br />

und über entsprechende Ad-hoc-Fragen <strong>in</strong> die gewünschte Richtung zu lenken bzw. die<br />

für die Untersuchung erforderliche Tiefe des Gesprächs zu erwirken. Daher wird der<br />

Leitfaden im Laufe der Untersuchungsstrecke fortwährend iterativ den jeweiligen Situationen,<br />

Geschehnissen und Erfahrungen angepasst. Beispielsweise werden die von den Schülern<br />

angesprochenen Themen, die nicht vorgesehen waren, jedoch die Intention der Befragung<br />

stützen, <strong>in</strong> den Leitfaden aufgenommen – die Probanden entwerfen demgemäß die endgültige<br />

Struktur des Leitfadens. Die während e<strong>in</strong>es <strong>Unterricht</strong>stages und den damit verbundenen<br />

Befragungen entstehenden Ideen zur Weiterentwicklung des Leitfadens werden vom Forscher<br />

sogleich notiert, um diese dann umgehend für die nächste Befragung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen zu können.<br />

Es ist zweckmäßig, jeden <strong>Unterricht</strong>stag grob zu planen, vor Ort aber auf die gegebenen<br />

Ereignisse zu reagieren. Die persönliche Situation des e<strong>in</strong>zelnen Schülers wird dabei stark<br />

berücksichtig und der <strong>Unterricht</strong>sverlauf so wenig wie möglich gestört.<br />

Aufgrund der sich im Verlauf der <strong>Unterricht</strong>sstrecke immer stärker ausprägenden Unterschiede<br />

<strong>in</strong> den Bearbeitungsständen der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen müssen die e<strong>in</strong>zelnen Gespräche<br />

gründlich vorbereitet und term<strong>in</strong>iert werden. Beispielsweise steht e<strong>in</strong>e Befragung dann an,<br />

wenn e<strong>in</strong>e Gruppe e<strong>in</strong>e bestimmte Lernsituation durchlaufen hat. Nach Abschluss der<br />

Lernsequenz tritt der Forscher h<strong>in</strong>zu und versucht e<strong>in</strong> Gespräch <strong>in</strong> Gang zu setzen, <strong>in</strong> dem die


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 115<br />

Lernsequenz von Seiten der Schüler noch e<strong>in</strong>mal beleuchtet wird. Dabei können weitere<br />

Aspekte befragt werden, deren Besprechung ursprünglich nicht geplant war. Möglicherweise<br />

zeigt aber der Gesprächsverlauf, dass e<strong>in</strong>e Ausweitung der Befragung notwendig ist, um e<strong>in</strong>e<br />

möglichst umfassende Darstellung der Schüler zu erhalten. Der Zeitpunkt e<strong>in</strong>er Befragung zu<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Thematik kann für verschiedene Gruppen stark differieren und e<strong>in</strong> Interview<br />

zur gleichen Lernsituation beispielsweise an verschiedenen <strong>Unterricht</strong>stagen stattf<strong>in</strong>den.<br />

Zudem ist zu beachten, dass oft unvermutete Ereignisse den geplanten Interviewverlauf<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen können. So muss der Forscher auf <strong>in</strong>teressante, aber nicht vorhersehbare<br />

Situationen reagieren und diesbezüglich Befragungen durchführen.<br />

Beachtet man im Wesentlichen die Kriterien dieser vorgeschlagenen Gesprächsführung, wird<br />

sich <strong>in</strong>sbesondere aufgrund des sich zwischen Interviewer und Befragten aufbauende<br />

Vertrauensverhältnisses e<strong>in</strong>e angenehme Gesprächsatmosphäre herstellen lassen. Die von<br />

Kromrey unter Bezug auf v. Alemann (siehe Kapitel 6.2.1.1) beschriebene ursprünglich<br />

künstliche Befragungssituation wird im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es qualitativen Forschungsparadigmas e<strong>in</strong>er<br />

natürlichen Befragungsatmosphäre weichen.<br />

Nachstehend werden noch e<strong>in</strong>mal alle Erfordernisse e<strong>in</strong>er über mehrere Wochen verlaufenden<br />

Gruppenbefragung zusammengestellt, die sich auf e<strong>in</strong>e ausführliche Literaturrecherche und<br />

<strong>in</strong>sbesondere auf den im Forschungsfeld gemachten Erfahrungen begründen:<br />

1. Versuche, die künstliche Befragungssituation so natürlich wie möglich zu gestalten.<br />

2. Informiere die Probanden über das Forschungsvorhaben und hole dir deren E<strong>in</strong>verständnis.<br />

3. Benutze ke<strong>in</strong>e Hilfsmittel, die die Probanden verunsichern könnten. Desto unauffälliger<br />

beispielsweise das Aufzeichnungsgerät ist, desto weniger werden die Befragten<br />

abgelenkt oder irritiert.<br />

4. Beg<strong>in</strong>ne mit den Befragungen erst dann, wenn sich die Probanden an etwaige<br />

neue Bed<strong>in</strong>gungen gewöhnt haben, z. B. e<strong>in</strong>en neuen Lehrer, e<strong>in</strong>en anderen <strong>Unterricht</strong>sraum,<br />

e<strong>in</strong> neues <strong>Unterricht</strong>sfach etc. Nutze diese Zeit, um das persönliche<br />

Gespräch zu suchen und Probebefragungen durchzuführen.<br />

5. Plane grob den e<strong>in</strong>zelnen <strong>Unterricht</strong>stag und überdenke die Planung vor Ort noch<br />

e<strong>in</strong>mal. Passe sie dann den gegebenen Erfordernissen an. Störe die Testpersonen<br />

<strong>in</strong> ihrem Umfeld so wenig wie möglich.<br />

6. F<strong>in</strong>de e<strong>in</strong>e Sprachebene, die derjenigen der Probanden nahe kommt.<br />

7. Versuche jede Gruppe oder ggf. jeden Probanden persönlich anzusprechen und<br />

stelle dich auf <strong>in</strong>dividuelle Erfordernisse e<strong>in</strong>. Beachte dabei die unterschiedlichen<br />

Charaktere der Befragten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe und versuche, auf diese, unter<br />

Beachtung der Charakterzüge, gesondert e<strong>in</strong>zugehen. Richte die Befragung daher<br />

auf die Testpersonen aus und agiere situationsflexibel.<br />

8. Baue somit e<strong>in</strong> Vertrauensverhältnis zu den Probanden auf, so dass e<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bar<br />

defizitär verbleibendes Beachten theoretischer Erkenntnisse e<strong>in</strong>er psychologischen<br />

Gesprächsführung kompensiert wird.


116 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

9. Wiederhole beispielsweise Fragen mit anderen Worten, wenn diese nicht auf Anhieb<br />

zu e<strong>in</strong>er Reaktion führen oder deute im Extremfall sogar an, wie e<strong>in</strong>e mögliche<br />

Antwort aussehen könnte. Lege dabei aber mehrere Möglichkeiten dar, um<br />

den Befragten nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bestimmte Richtung zu lenken.<br />

10. Induziere e<strong>in</strong>en Gesprächsverlauf, der die Probanden nicht nur als Reagierende<br />

betrachtet, sondern auch e<strong>in</strong> Agieren unterstützt. Unterbrich den E<strong>in</strong>zelnen daher<br />

nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen, auch wenn dieser von der Thematik abweicht, führe<br />

ihn vielmehr anhand von Ad-hoc-Fragen zur gewünschten Interview-Ebene zurück.<br />

11. Steigere die Qualität des Leitfadens kont<strong>in</strong>uierlich, <strong>in</strong>dem du die Erfahrungen aus<br />

den bereits durchgeführten Interviews und aus der ständigen Beobachtung der<br />

Probanden <strong>in</strong> de<strong>in</strong> weiteres Vorgehen e<strong>in</strong>fließen lässt.<br />

Übersicht 7-6: Richtl<strong>in</strong>ien zur Durchführung von Gruppenbefragungen über e<strong>in</strong>en längeren<br />

Zeitraum<br />

7.1.3 E<strong>in</strong>zelbefragung nach Durchlaufen der gesamten <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Um u. a. mögliche Nachteile e<strong>in</strong>er Gruppenbefragung auszugleichen (siehe Kapitel 7.4<br />

Methodenreflexion) wird die Me<strong>in</strong>ung der Lernenden nach dem Durchlaufen der gesamten<br />

Lernstrecke noch e<strong>in</strong>mal erfasst.<br />

Die Auszubildenden sollen e<strong>in</strong>zeln anhand e<strong>in</strong>es strukturierten Leitfadens befragt werden,<br />

tiefergreifendere Ausführungen s<strong>in</strong>d aber – bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad – auch hier erwünscht.<br />

Im Wesentlichen werden die Elemente e<strong>in</strong>es problemzentrierten Interviews<br />

aufgegriffen, auch die angesprochenen Themen spiegeln ähnliche Sachverhalten wider, wie<br />

sie bereits bei der Kollektivbefragung berücksichtigt wurden, <strong>in</strong>sbesondere ergänzt durch<br />

personenspezifische Gegebenheiten. Nachfolgend wird der den Interviews zugrunde liegende<br />

Leitfaden vorgestellt, mit der Anmerkung dass hier das unter Kapitel 7.1.2 zur Entwicklung<br />

des Leitfadens Gesagte übertragen werden kann.<br />

Leitfaden E<strong>in</strong>zelbefragung:<br />

E<strong>in</strong>stieg – Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Du hast jetzt den Steuerungstechnikunterricht bei Herrn X <strong>in</strong> dem Raum da drüben h<strong>in</strong>ter dir.<br />

- Mit wem warst du denn gleich wieder <strong>in</strong> der Gruppe zusammen?<br />

- An welchem Arbeitsplatz seid ihr gewesen?<br />

Welche Besonderheiten oder Ereignisse fallen dir zu diesem <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>?<br />

Woran er<strong>in</strong>nerst du dich besonders gut?


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 117<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

- Dieser <strong>Unterricht</strong> bestand aus verschiedenen Lerne<strong>in</strong>heiten. Für jede dieser Lerne<strong>in</strong>heiten<br />

habt ihr meistens mehrere <strong>Unterricht</strong>stage gebraucht. Wie schwierig war<br />

es denn, jeweils zu Beg<strong>in</strong>n des <strong>Unterricht</strong>s herauszuf<strong>in</strong>den, an welcher Stelle ihr<br />

weiterarbeiten solltet?<br />

Es war ja <strong>in</strong> der Regel m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Woche dazwischen.<br />

- Wie bist du mit den Leittexten und Aufgabenblättern zurechtgekommen?<br />

Waren die Anweisungen klar?<br />

Hast du immer verstanden, was du tun solltest?<br />

- Wäre es hilfreich, wenn der Lehrer die dort angegebenen Anweisungen erläutern<br />

würde?<br />

Beispielblatt LE8<br />

- Wie bist du mit dieser Literatur zurecht gekommen?<br />

BIBB-Hefte<br />

- Könntest du dir vorstellen, dass du den Lehrer noch weniger bräuchtest, wenn<br />

bessere oder andere Lernunterlagen zur Verfügung stehen würden?<br />

- Könntest du dir vorstellen, dass man den Lehrer dann überhaupt nicht mehr<br />

bräuchte?<br />

- Bei welchem Lernvorgehen glaubst du, besonders viel gelernt zu haben? War das,<br />

wenn du selbst etwas nachgelesen hast oder wenn der Lehrer etwas erklärt und mit<br />

euch besprochen hat?<br />

- Hast du von de<strong>in</strong>em/de<strong>in</strong>en Partner(n) oder auch von anderen Schülern etwas gelernt,<br />

das nicht vom Lehrer oder durch die Arbeitsunterlagen vermittelt wurde?<br />

- Wäre es dir lieber gewesen, wenn dir der Lehrer das erklärt hätte?<br />

- Hast du mal e<strong>in</strong>em anderen Schüler geholfen oder ihm etwas erklärt?<br />

- Hast du dabei für dich zusätzlich etwas gelernt?<br />

- Hast du e<strong>in</strong>fach von de<strong>in</strong>em/de<strong>in</strong>en Partner(n) oder auch von anderen Schülern<br />

Lern<strong>in</strong>halte abgeschrieben oder übernommen, ohne dass du selbst daran mitgearbeitet<br />

hast?<br />

- Glaubst du, dass das für dich irgendwelche Folgen hatte?<br />

Vielleicht hattest du dadurch aber größere Schwierigkeiten im Test oder bei nachfolgenden<br />

Lerne<strong>in</strong>heiten.<br />

- Das WKB stellte für dich die Möglichkeit dar, nochmals selbstständig zu überprüfen,<br />

ob de<strong>in</strong>e erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten ausreichend s<strong>in</strong>d.<br />

Wissenskontrollblatt<br />

- Wie wichtig ist e<strong>in</strong>e solche Wiederholung und Wissenskontrolle für dich?<br />

- Sollte bei dieser Wiederholung und Wissenskontrolle auch der Lehrer dabei se<strong>in</strong>?<br />

Was erwartest du dabei von ihm?


118 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Lehrer<br />

- Der Lehrer spielte hier im Steuerungstechnikunterricht e<strong>in</strong>e andere Rolle. Er steht<br />

nicht mehr so im Mittelpunkt wie im Klassenzimmer. Wie kommst du damit generell<br />

zurecht?<br />

- Wäre es dir lieber gewesen, wenn dir der Lehrer <strong>in</strong> manchen Situationen mehr<br />

geholfen hätte?<br />

Kannst du hierfür e<strong>in</strong> Beispiel angeben?<br />

- Zu Beg<strong>in</strong>n der Lerne<strong>in</strong>heit zur Biegemasch<strong>in</strong>e habe ich bemerkt, dass ihr teilweise<br />

Schwierigkeiten hattet, genau zu erkennen, was gemacht werden soll. Ihr habt euch<br />

nicht an die Anweisungen auf den Blättern gehalten.<br />

Wieso nicht?<br />

Hätte euch hier der Lehrer mehr helfen sollen?<br />

Beispielblatt Biegevorrichtung<br />

- Gab es Situationen, <strong>in</strong> welchen dich der Lehrer gebremst hat, d. h. du wärest alle<strong>in</strong><br />

besser vorangekommen?<br />

Kannst du hierfür e<strong>in</strong> Beispiel angeben?<br />

- Es gab Situationen, <strong>in</strong> welchen der Lehrer nichts gesagt hat und me<strong>in</strong>te, du solltest<br />

<strong>in</strong> der Fachliteratur nachschauen. Wäre es manchmal besser gewesen, wenn der<br />

Lehrer doch das e<strong>in</strong>e oder andere erklärt hätte?<br />

- Sollte der Lehrer grundlegende D<strong>in</strong>ge generell erklären bevor Probleme auftreten?<br />

Denk z.B. an das Verkabeln e<strong>in</strong>er Signale<strong>in</strong>gabee<strong>in</strong>heit und e<strong>in</strong>es Relaiskastens,<br />

das Herr X am OHP erklärt hat.<br />

- Was muss der Lehrer de<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach tun, damit du <strong>in</strong> dieser Form von <strong>Unterricht</strong><br />

besonders viel lernen kannst?<br />

- Beziehen wir das mal konkret auf den Herrn X: Was für e<strong>in</strong> Typ Lehrer ist Herr<br />

X? Wie würdest du ihn beschreiben?<br />

- Du hast vorher beschrieben, was der Lehrer tun muss, damit du besonders viel<br />

lernen kannst. Was erfüllt Herr X davon?<br />

- Was erfüllt er nicht?<br />

Vergleich der Lernort<br />

Du hattest sowohl <strong>in</strong> der Berufsschule, als auch im Betrieb/<strong>in</strong> überbetrieblichen Maßnahmen<br />

e<strong>in</strong>e Ausbildung <strong>in</strong> Steuerungstechnik.<br />

- Unterscheiden sich die verschiedenen Ausbildungsorte von dem her, was dort <strong>in</strong>haltlich<br />

durchgenommen wird?<br />

Hast du dort jeweils etwas anderes gelernt?<br />

Wo lag de<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach <strong>in</strong>sbesondere der Schwerpunkt <strong>in</strong> der Berufsschule,<br />

wo im Betrieb oder <strong>in</strong> der überbetrieblichen Ausbildung?


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 119<br />

- Unterscheiden sich die verschiedenen Ausbildungsorte von dem her, wie dort gelernt<br />

wird? Damit me<strong>in</strong>e ich, gehen Ausbilder oder Lehrer grundsätzlich anders<br />

vor?<br />

- Wo hast du de<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach mehr gelernt?<br />

Warum glaubst du, dort mehr gelernt zu haben?<br />

Übersicht 7-7: Grundlagen des Interviewleitfadens (E<strong>in</strong>zelbefragung)<br />

Die Befragung f<strong>in</strong>det während der Schulzeit statt, unmittelbar nach dem Abschließen der<br />

Lernstrecke. Dadurch ist der Bezug zum durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> noch weitgehend<br />

vorhanden. Anhand e<strong>in</strong>es genauen Term<strong>in</strong>plans f<strong>in</strong>den sich die Schüler noch e<strong>in</strong>mal<br />

nache<strong>in</strong>ander im Integrierten Fachunterrichtsraum e<strong>in</strong> und werden dort vor Ort befragt. Die<br />

Durchführung des Interviews <strong>in</strong> den ursprünglichen Räumlichkeiten soll e<strong>in</strong>e bestmögliche<br />

Identifikation mit dem <strong>Unterricht</strong> gewährleisten.<br />

Auch bei der E<strong>in</strong>zelbefragung ist es notwendig, fe<strong>in</strong>fühlig und situationsflexibel auf den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Probanden e<strong>in</strong>zugehen, um möglichst umfassende Antworten von den Schülern zu<br />

erhalten. Da die Lernenden nun tatsächlich alle<strong>in</strong>e befragt werden und überdies ke<strong>in</strong>e anderen<br />

Schüler im H<strong>in</strong>tergrund tätig s<strong>in</strong>d, muss gerade <strong>in</strong> dieser Situation mit e<strong>in</strong>er anfänglichen<br />

Unsicherheit der Probanden gerechnet werden. Es ist daher vorteilhaft, das gesamte Befragungsprozedere<br />

und <strong>in</strong>sbesondere die <strong>in</strong> der Kollektivbefragung entwickelte und erprobte<br />

Interviewebene beizubehalten, damit der Proband e<strong>in</strong>e bereits vertraute Situation vorf<strong>in</strong>det.<br />

Das unter Kapitel 7.1.2 Gesagte und vor allem die dort def<strong>in</strong>ierten Richtl<strong>in</strong>ien zur Durchführung<br />

von Gruppenbefragungen lassen sich im Wesentlichen auf die E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

übertragen, so dass weitere redundante Ausführungen hier unnötig s<strong>in</strong>d.<br />

7.1.4 Teilnehmende Beobachtung<br />

Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 6.2.1.2 beschrieben, werden die Schüler neben der Befragung auch<br />

durch den Forscher und durch die Lehrkraft beobachtet. Mit Blick auf das Forschungs<strong>in</strong>teresse<br />

und <strong>in</strong> Anbetracht des Untersuchungsplanes (siehe Kapitel 6) soll e<strong>in</strong>e teilnehmende<br />

Beobachtung den Zugang zum Feld und somit zu den Probanden erleichtern. E<strong>in</strong>e Beobachtung<br />

bietet dem Forscher die e<strong>in</strong>zigartige Möglichkeit, bislang noch Unbekanntes zu<br />

entdecken, wozu vor der Begegnung mit dem Forschungsfeld ke<strong>in</strong> Zugang bestanden hätte.<br />

Dieser Erkenntnisgew<strong>in</strong>n ermöglicht es, auch während des Forschungsprozesses sowohl auf<br />

das Untersuchungsfeld als auch auf den Forschungsprozess selbst bei Bedarf optimierend<br />

e<strong>in</strong>zuwirken. Hier sei auf das komplexe Design der Handlungsforschung und auf die<br />

Auswertungsmethode der gegenstandsbezogenen Theoriebildung verwiesen. Der Forscher<br />

wird zum Mitglied e<strong>in</strong>er sozialen Wirklichkeit und gestaltet diese aktiv mit. Im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

qualitativen Sozialforschung sollen dadurch Defizite im Forschungsprozess als auch im<br />

<strong>Unterricht</strong> besser erkannt und sofort elim<strong>in</strong>iert werden können. E<strong>in</strong> künstliches Aufrechterhalten<br />

der aufgespürten Defizite ist somit nicht nötig. In e<strong>in</strong>em traditionellen Forschungsansatz<br />

würden etwaige Mängel zwar ebenfalls aufgedeckt, aber mit deren Kenntnisnahme wäre das<br />

Prozedere abgeschlossen. Wird der Forscher als Teil der sozialen Realität wahrgenommen,<br />

fördert dies zudem das Vertrauensverhältnis zu den Probanden, so dass e<strong>in</strong>erseits von e<strong>in</strong>er


120 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

besseren Qualität der Schüleraussagen ausgegangen werden kann und andererseits der<br />

Aussagengehalt im Verlaufe e<strong>in</strong>er späteren Datenauswertung besser überprüf- und beurteilbar<br />

ist. Vergleiche hierzu Kapitel 6.2.3, die Qualitative Inhaltsanalyse im Kontext klassischer<br />

Verfahren, <strong>in</strong>sbesondere die Ausführungen zur gegenstandsbezogenen Theoriebildung.<br />

Das wesentliche Interesse der teilnehmenden Beobachtung ist aber dar<strong>in</strong> zu sehen, dass die<br />

verarbeiteten Schüleraussagen e<strong>in</strong>em Bewertungsprozedere, e<strong>in</strong>er Beurteilung durch die die<br />

Untersuchung Durchführende unterzogen werden sollen (<strong>in</strong>sbesondere Kapitel 9). Die<br />

Bewertung erfolgt damit auf Basis der von der Forscher<strong>in</strong> im Verlauf der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

gemachten Erfahrungen und Beobachtungen. Nur so lassen sich die Schüleraussagen<br />

letztendlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en größeren Zusammenhang e<strong>in</strong>ordnen und können ggf. für weitere<br />

<strong>Unterricht</strong>svorhaben als grundlegende Erfahrung dienen.<br />

Die Beobachtungen werden für e<strong>in</strong>e klare spätere Nachvollziehbarkeit schriftlich dokumentiert.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt nur solche Ereignisse aufzunehmen, die e<strong>in</strong>en<br />

Handlungsbedarf entweder im <strong>Unterricht</strong>sgeschehen oder auch im Forschungsprozedere<br />

aufdecken. Diese sogenannten Memo-Protokolle werden vom Forscher selbst erstellt und<br />

nach den jeweiligen <strong>Unterricht</strong>stagen mit Hilfe des Lehrers vervollständigt, um e<strong>in</strong> möglichst<br />

umfassendes Bild e<strong>in</strong>er Außenperspektive für jeden e<strong>in</strong>zelnen <strong>Unterricht</strong>stag zu erhalten.<br />

Die Auswahl der erhebenswerten Ereignisse erfolgt <strong>in</strong> der Regel <strong>in</strong>teresse- und aufmerksamkeitsgeleitet.<br />

Meistens werden solche Situationen registriert, die der Forscher unvermittelt,<br />

ohne e<strong>in</strong>e konkrete Suche danach, aufnimmt „Die Handlungsforschenden … nützen zur<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung ausschließlich ihre über subjektive Erfahrung<br />

hergestellte, <strong>in</strong>tendierte und objektiv stattf<strong>in</strong>dende Verflochtenheit mit dem Forschungsfeld“<br />

(Gstettner 1991, S. 267, nach Horn 1979). So kann der Forscher ungewöhnliche Situationen,<br />

wie z. B. Streitgespräche, erfassen und diese ggf. bei den Betroffenen h<strong>in</strong>terfragen. Diese<br />

vere<strong>in</strong>zelten Gespräche sollen jedoch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview, sondern ausschließlich über<br />

die teilnehmende Beobachtung aufgenommen werden.<br />

Idealerweise wird die schriftliche Aufzeichnung tabellarisch vorgenommen und für jede<br />

Gruppe pro Tag e<strong>in</strong>e Spalte oder e<strong>in</strong> bestimmter Bereich reserviert. E<strong>in</strong> zusätzlicher Abschnitt<br />

kann für Allgeme<strong>in</strong>gültiges vorgesehen werden. Nachfolgend wird e<strong>in</strong> Memo-Protokoll<br />

auszugsweise dargestellt:<br />

Memo-Protokoll vom xx.xx.xx<br />

Allgeme<strong>in</strong>es ...<br />

Gruppe 1 ...<br />

Gruppe 2 2A und 2B führen e<strong>in</strong> lautes Streitgespräch: 2B beschwert sich, weil 2A grundsätzlich<br />

die Schaltungen aufbaut, ohne vorab die Theorie zu bearbeiten. 2B würde gerne nach<br />

Plan vorgehen.<br />

...<br />

Gruppe 3 3A gibt anderen Gruppen gerne Hilfestellung, wenn er bemerkt, dass diese Probleme<br />

haben.<br />

...


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 121<br />

Gruppe 4 Die Gruppe ist heute sehr träge und beteiligt sich kaum am <strong>Unterricht</strong>.<br />

...<br />

Gruppe 5 ...<br />

4A erkundigt sich beim Lehrer, ob er künftig mit Gruppe 3 zusammenarbeiten könne,<br />

weil ...<br />

Legende: 2A, 2B, 3A, 4A: alphanumerischer Code zur Deklaration der e<strong>in</strong>zelnen Probanden<br />

Übersicht 7-8: Memoprotokoll e<strong>in</strong>es <strong>Unterricht</strong>stages<br />

In e<strong>in</strong>e spätere Beurteilung der gewonnenen Ergebnisse aus den Befragungen (vgl. Kapitel 9)<br />

fließen die <strong>in</strong> den entsprechenden Memo-Protokollen beschriebenen Momentaufnahmen<br />

implizit mit e<strong>in</strong>. Auf e<strong>in</strong>e explizite Abbildung dieses Datenstranges wird verzichtet, weil dazu<br />

weitere Datenaufbereitungsschritte notwendig wären. Dies würde den Rahmen der vorliegenden<br />

Arbeit sprengen und zudem ke<strong>in</strong>en weiteren vertieften Erkenntnisgew<strong>in</strong>n mit sich<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

7.1.5 Arbeits- und Prüfungsunterlagen der Schüler<br />

Um den <strong>Unterricht</strong> folgerichtig nachvollziehen zu können, ist es unerlässlich, die angefertigten<br />

Arbeiten der Schüler zu berücksichtigen, da diese dazu beitragen, e<strong>in</strong>en Gesamte<strong>in</strong>druck<br />

jedes e<strong>in</strong>zelnen Probanden zu erhalten. E<strong>in</strong>e detaillierte Betrachtung dieser Unterlagen,<br />

e<strong>in</strong>schließlich der Anmerkungen der unterrichtenden Lehrkraft erlauben zum<strong>in</strong>dest ansatzweise<br />

die Bewertung der Aussagen e<strong>in</strong>zelner Schüler. Oftmals lassen sich dadurch Widersprüche<br />

aufdecken oder Ausführungen bestätigen.<br />

Die von den Schülern erstellten Unterlagen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel ausgefüllte Aufgabenblätter,<br />

zusätzliche, zur Beantwortung von Fragen benutzte Dokumente, Diagramme, entworfene<br />

Schaltpläne und abschließend die bearbeiteten Abschlusstests. Da die Auszubildenden <strong>in</strong> der<br />

Gruppe lernen, müssen die Unterlagen pro Gruppe nur e<strong>in</strong>mal abgegeben werden. Erfahrungsgemäß<br />

bevorzugen die Schüler das geme<strong>in</strong>schaftliche Erstellen der Unterlagen, oftmals<br />

werden aber auch <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe unabhängig vone<strong>in</strong>ander erarbeitete Aufgaben<br />

vorgelegt. Trotzdem fließen diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kollektive Bewertung mit e<strong>in</strong>, so dass alle Schüler<br />

e<strong>in</strong>er Gruppe die gleiche, auf die Arbeitsunterlagen bezogene Teilnote erhalten.<br />

Auch die aus den Arbeitsunterlagen gewonnenen Informationen fließen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e spätere<br />

Beurteilung der gewonnenen Ergebnisse implizit mit e<strong>in</strong>. Trotzdem muss auch hier (vgl.<br />

Memo-Protokolle) auf e<strong>in</strong>e weitgreifende Abbildung und e<strong>in</strong>e schriftlich festgehaltene<br />

Bewertung dieses Datenstranges verzichtet werden, weil dies den Rahmen der vorliegenden<br />

Arbeit sprengen würde. Auch hier ist nicht davon auszugehen, dass e<strong>in</strong>e umfassende<br />

Bearbeitung des Datenstranges e<strong>in</strong>en weiteren vertieften Erkenntnisgew<strong>in</strong>n mit sich brächte.<br />

Durch die Sichtung des Materials können aber etwaige Ergebnisse verifiziert bzw. auch<br />

falsifiziert werden. Insbesondere bietet es sich an, die Arbeitsunterlagen (wie auch die Memo-<br />

Protokolle) dann zu berücksichtigen, wenn sich Unklarheiten oder Widersprüche bei der<br />

Auswertung der Schüleraussagen ergeben.


122 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.2 Datentransformation und Datenaufbereitung<br />

Die <strong>in</strong> Kapitel 7.1 beschriebenen Rohdaten müssen nun weiter bearbeitet werden, um sie im<br />

S<strong>in</strong>ne des Forschungs<strong>in</strong>teresses e<strong>in</strong>er Auswertung zugänglich zu machen. Dazu s<strong>in</strong>d die auf<br />

Kassette aufgezeichneten Interviews <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt nach bestimmten Transkriptionsregeln<br />

(siehe Kapitel 6.2.2) <strong>in</strong> Schriftform zu überführen, wobei dies zweckmäßigerweise<br />

vom Befragenden selbst durchzuführen ist. Es erweist sich als äußerst schwierig, e<strong>in</strong> von<br />

mehreren Personen geführtes Gespräch differenziert zu übertragen, zumal sich Ausführung<br />

verschiedener Beteiligter oftmals überschneiden. Es ist daher unbed<strong>in</strong>gt erforderlich, die<br />

Probanden persönlich zu kennen, denn nur so können die Stimmen den entsprechenden<br />

Personen zugeordnet werden.<br />

Die der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegende Transkription des Rohdatenmaterials<br />

wird wörtlich und kommentiert verfasst. Dies erlaubt e<strong>in</strong> leichtes und wiederholtes Nachvollziehen<br />

der Schüleraussagen, die somit auch Dritten zugänglich s<strong>in</strong>d. Da im S<strong>in</strong>ne des<br />

Forschungs<strong>in</strong>teresses die eigentliche Aussage wesentlich ist, wird „der Dialekt ... bere<strong>in</strong>igt,<br />

Satzbaufehler werden behoben, der Stil wird geglättet“ (Mayr<strong>in</strong>g, 1996, S. 70). Ziel ist es,<br />

e<strong>in</strong>en leicht zu lesenden Text zu verfassen, zu dem e<strong>in</strong> etwaiger Leser auch dann Zugang<br />

f<strong>in</strong>det, wenn ihm die entsprechende Person, deren Aussagen wiedergegeben werden, nicht<br />

persönlich bekannt ist.<br />

Begrenzt werden Kommentierungen angefügt, um auf Pausen im Sprachfluss, Formulierungshemmungen,<br />

ironische Aussagen und dergleichen h<strong>in</strong>zuweisen und den S<strong>in</strong>ngehalt der<br />

Aussagen weiter zu verdeutlichen. Aufgrund der immensen Datenmenge und der Erhaltung<br />

der Lesbarkeit der Transkripte, werden Kommentierungen nur angefügt, wenn diese<br />

tatsächlich s<strong>in</strong>nerweiternd oder notwendig s<strong>in</strong>d, um den Kontext zu verstehen. Im Folgenden<br />

seien e<strong>in</strong>ige Beispiele zur Verdeutlichung dargestellt (die Abkürzungen s<strong>in</strong>d wie folgt zu<br />

verstehen: I: Interviewer; P1: Schüler; B1: Schüler):<br />

Beispiel 1:<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken.) „Nichts schlimmes, es<br />

geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer Rückblick. Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik<br />

e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war das für euch, wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

P1: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik ziemlich wenig am<br />

Hut gehabt, da war nichts mit Computer und ke<strong>in</strong>e Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant<br />

und überraschend günstig für uns.“<br />

B1: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

Der Zusatz ‚Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken’ verdeutlicht dem<br />

späteren Leser der Transkripte, warum der Interviewer nicht direkt zur eigentlichen Frage<br />

gelangt, sondern erst durch Vorreden versucht, e<strong>in</strong>e angenehme Atmosphäre zu schaffen. In<br />

wie weit Kommentierungen <strong>in</strong> die Auswertung mit e<strong>in</strong>fließen, muss von Fall zu Fall<br />

entschieden werden. Oftmals dienen sie lediglich dazu, den S<strong>in</strong>ngehalt von Aussagen richtig<br />

zu deuten.<br />

Beispiel 2:<br />

I: „Für dich war der Anfang sehr schwer. Wie läuft es heute?“


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 123<br />

P2: „Ja“ (zögernd), „man fängt langsam an es zu verstehen.“<br />

Durch die Kommentierung ‚zögernd’ wird deutlich, dass der Schüler vielleicht wirklich<br />

anfängt, die Thematik besser zu verstehen, allerd<strong>in</strong>gs drückt er se<strong>in</strong>e Zweifel aus und<br />

untermalt das Adjektiv ‚langsam’ durch das zögerliche Antworten. Demzufolge wäre es<br />

zweckmäßig, die Kommentierung <strong>in</strong> die spätere Auswertung e<strong>in</strong>fließen zu lassen.<br />

Abschließend werden den verschrifteten Interviews das Datum der Befragung und die<br />

Gruppennummer der befragten Probanden zugeordnet, um Verwechslungen der Schüler zu<br />

vermeiden und die Aussagen den entsprechenden <strong>Unterricht</strong>stagen und damit den angesprochenen<br />

Themen zuordnen zu können. Aus den Gruppen- wie auch den Abschlussbefragungen<br />

ergeben sich letztlich ca. 230 Seiten DIN A 4 an ungeordnetem Material.<br />

7.3 Datenauswertung<br />

Das folgende Kapitel stellt die Auswertung der im untersuchten <strong>Unterricht</strong> gewonnen<br />

Rohdaten vor. Dabei wird das Vorgehen schrittweise nachvollzogen und offengelegt. Die<br />

Auswertungsmethoden leiten sich vom Forschungs<strong>in</strong>teresse ab, so dass die gewonnen<br />

Rohdaten e<strong>in</strong>er späteren <strong>in</strong>terpretativen Expertenbeurteilung zugänglich gemacht werden<br />

können und zielen „auf die Erfassung und Rekonstruktion der grundlegenden Interaktionsmuster<br />

(Kommunikationsstrukturen), ohne dabei die Orig<strong>in</strong>alität und Individualtiät der<br />

e<strong>in</strong>zelnen Untersuchten aufgeben zu wollen“ (Lamnek 1995, S. 218).<br />

Die nachfolgend vorgestellten Schritte der Auswertung s<strong>in</strong>d das Endergebnis e<strong>in</strong>er Reihe von<br />

Erprobungsphasen, die mit Hilfe mehrerer wissenschaftlicher Mitarbeiter entwickelt wurden.<br />

Sämtliche Auswertungsschritte werden im Team e<strong>in</strong>gehend erprobt, abgesprochen und<br />

gegene<strong>in</strong>ander geprüft, so dass hier von e<strong>in</strong>er hohen Qualität der Abbildung von Schüleraussagen<br />

ausgegangen werden kann. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit s<strong>in</strong>d die Mitarbeiter bei<br />

der Erhebung bzw. Auswertung der Daten beteiligt und begleiten die Untersuchung zu großen<br />

Teilen oder werden <strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>gearbeitet. Vergleiche dazu beispielsweise<br />

S<strong>in</strong>atsch (2001), K<strong>in</strong>dler (2002) oder Weiß (2002). Zu weiteren Ausführungen diesbezüglich<br />

sei auch auf Kapitel 7.4, Methodenreflexion verwiesen.<br />

Gerade <strong>in</strong> der <strong>in</strong>terpretativen Forschung ist es notwendig, die Auswertungs- und Interpretationsschritte<br />

durch weitere, an der Untersuchung beteiligte Personen überprüfen zu lassen.<br />

Begründet wird dies durch die – wenn auch oftmals nur latent vorhandene – Wechselwirkung<br />

der Forschersicht mit dem vorliegenden Datenmaterial. Je ausgeprägter die Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong>sbesondere bei der Auswertung der Daten erfolgt und je <strong>in</strong>tensiver e<strong>in</strong> redundantes<br />

Durcharbeiten des qualitativen Materials möglich ist, umso schwächer wird die Pendelbewegung<br />

zwischen Forschersicht und Schülersicht ausgebildet se<strong>in</strong>.<br />

In Kapitel 7.3.1 wird die Kollektivbefragung näher beleuchtet, wobei die diesbezüglichen<br />

Auswertungsschritte von der ersten Bearbeitung des Rohmaterials bis zu deren Paraphrasierung<br />

und E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> charakteristische Kategorien ausführlich dargelegt werden. Kapitel<br />

7.3.2 erläutert die entsprechenden Auswertungsschritte noch e<strong>in</strong>mal bzgl. der E<strong>in</strong>zelbefragung.<br />

Anschließend stellt Kapitel 7.3.3 die Zusammenführung beider Datenschienen dar.<br />

Kapitel 7.3.4 zeigt auf, wie das aus der Zusammenführung resultierende Ergebnis abzubilden<br />

ist.


124 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.3.1 Inhaltliche Darstellung der Kollektivbefragung<br />

Der nachfolgend beschriebene Auswertungsschritt dient dazu, die aufbereiteten, verschrifteten,<br />

aus den problemzentrierten Interviews stammenden Rohdaten so zu strukturieren, dass<br />

e<strong>in</strong> umfassender und tief greifender E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Konzept e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s aus der Sicht der Probanden ermöglicht wird. Dabei werden ausgewählte<br />

Komponenten e<strong>in</strong>er Handlungsorientierung dargelegt, basierend auf der Verknüpfung von<br />

Anforderungen des <strong>Unterricht</strong>skonzepts mit den von den Schülern erlebten und zum<br />

Ausdruck gebrachten Bewältigungsstrategien.<br />

E<strong>in</strong>e erste Umgestaltung des Rohdatenmaterials der Gruppenbefragungen führt zu e<strong>in</strong>er<br />

tabellarischen und chronologischen Darstellung von Aussagen jeweils e<strong>in</strong>es Schülers. Um zu<br />

dieser Darstellung zu gelangen werden die verschiedenen Bearbeitungsstufen anhand von<br />

Beispielen nachvollzogen, die von den als transkribierte Gesprächsauszüge vorliegenden<br />

Rohdaten ausgehen.<br />

Transkribierter Gesprächsauszug, Tag xx.xx.xx:<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken). „Nichts schlimmes, es<br />

geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer Rückblick. Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik<br />

e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war das für euch, wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

P: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik ziemlich wenig am Hut<br />

gehabt, da war nichts mit Computer und ke<strong>in</strong>e Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant<br />

und überraschend günstig für uns.“<br />

B: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

I: „Aber das hat ja schon ganz gut funktioniert.“<br />

B: „Schauen wir mal, was rauskommt (schmunzelnd).“<br />

P: „Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung, zum Aufholen ist das bestimmt nicht<br />

schlecht.“<br />

...<br />

I: „Sonst noch etwas, was euch e<strong>in</strong>fällt, Anregungen, Tipps?“<br />

P: „Das ist ja jetzt noch <strong>in</strong> der Erprobungsphase, müssten wir halt schauen danach,<br />

wenn alles gelaufen ist, Pf<strong>in</strong>gsten oder so, wenn man dann das Interview noch e<strong>in</strong>mal<br />

wiederholt.“<br />

I: „Ja, das wollte ich dann noch e<strong>in</strong>mal machen.“<br />

P: „Wir können dann sehen, was man besser machen könnte. Wir hatten jetzt erst das<br />

dritte Mal Steuerungstechnik und ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach zufrieden.“<br />

...<br />

Transkribierter Gesprächsauszug, Tag yy.yy.yy:<br />

I: „Jemand von euch sagte, ihr habt euch lange Zeit mit dem Grenztaster beschäftigt.“<br />

Beide: (Spontan) „Ja.“<br />

I: „Warum seid ihr dann nicht zum Lehrer gegangen?“


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 125<br />

P: „Wir wollten es halt selbst herausbr<strong>in</strong>gen. Das ist halt wichtig für das Selbstwertgefühl,<br />

wenn man selber auch was rausf<strong>in</strong>det und nicht für jede Kle<strong>in</strong>igkeit zum Lehrer<br />

rennt. Das ist ja im Betrieb auch nicht anders. Da heißt es, mach das, überleg dir selber<br />

etwas, und wenn man dann wirklich nicht weiterkommt, dann kann man immer noch<br />

fragen.“<br />

...<br />

Umgestaltete Gesprächsauszüge für den Probanden P <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er endgültigen Abbildungsform:<br />

Nr. Datum Gegenstand Kategorie Paraphrase<br />

1 xx.xx.xx<br />

HU Der Schüler hält den <strong>Unterricht</strong> mit<br />

LE 6<br />

Computer und Leittexten für <strong>in</strong>teressant und<br />

überraschend günstig, Pneumatik und<br />

<strong>Unterricht</strong> dieser Art hatte er im letzten Jahr<br />

nicht. Das Konzept eignet sich zum<br />

Nachholen versäumter Inhalte.<br />

2<br />

... ...<br />

Der Schüler ist mit diesem <strong>Unterricht</strong><br />

zufrieden.<br />

...<br />

3 yy.yy.yy LE 7<br />

LE 7<br />

Leitblatt, 2.c)<br />

Bearbeiten Sie das vom<br />

Lehrer erhaltene<br />

Informationsblatt,<br />

Informationsblatt: Teil<br />

1: Mechanischer<br />

Grenztaster<br />

4<br />

5 zz.zz.zz<br />

LE 8/9<br />

... ... ...<br />

... ... ...<br />

Legende: HU: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Übersicht 7-9: Auszug ‚Gruppenbefragung – Paraphrase’<br />

SF Die Bearbeitung der Aufgaben ‚Mechanischer<br />

Grenztaster’ dauert deshalb so lange,<br />

weil die Gruppe selbst herausf<strong>in</strong>den will,<br />

wie das Bauteil funktioniert. Der Schüler<br />

betont, dass es wichtig für se<strong>in</strong> Selbstwertgefühl<br />

ist, selbst etwas herauszuf<strong>in</strong>den. Er<br />

möchte nicht wegen jeder Kle<strong>in</strong>igkeit mit<br />

dem Lehrer sprechen, denn im Betrieb muss<br />

er auch selbstständig arbeiten. Auch dort<br />

fragt man erst nach, wenn man wirklich<br />

nicht weiterkommt.<br />

...


126 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Nachfolgend werden nun die e<strong>in</strong>zelnen Schritte aufgezeigt, um von den Rohdaten zu der <strong>in</strong><br />

Übersicht 7-9 dargestellten Endfassung der verarbeiteten Daten zu gelangen.<br />

Trotzdem e<strong>in</strong>e Gruppenbefragung stattf<strong>in</strong>det, sollen die Antworten e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Schülers<br />

herausgefiltert werden. Wie bereits oben erwähnt, bietet e<strong>in</strong> kollektives Interview den Vorteil,<br />

reflektierte Antworten der Schüler zu erhalten, weil sich oftmals erst über Diskussionen<br />

verschiedene Me<strong>in</strong>ungen abzeichnen. Zudem arbeiten die Schüler im Gruppenverband und<br />

sollen sich demgemäß auch im Rahmen dieses sozialen Umfeldes äußern. Des Weiteren muss<br />

bei Befragungen dieser Art auch der zeitliche Aspekt berücksichtigt werden. Ke<strong>in</strong>esfalls wäre<br />

es möglich, E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews während des <strong>Unterricht</strong>s durchzuführen. Zum e<strong>in</strong>en würde der<br />

<strong>Unterricht</strong>sverlauf dadurch erheblich gestört werden – die Befragungszeiten würden sich<br />

vervielfachen –, zum anderen könnten weit weniger Themen angesprochen werden.<br />

Ziel der Untersuchung ist es aber, die Sichtweise des E<strong>in</strong>zelnen darzustellen, so dass an dieser<br />

Stelle e<strong>in</strong> Extrahieren und Bündeln von Aussagen e<strong>in</strong>es jeden Probanden tatsächlich<br />

notwendig ist.<br />

7.3.1.1 Das Übertragen des Rohmaterials<br />

Um e<strong>in</strong>e spätere präzise Zuordnung der Aussagen e<strong>in</strong>zelner Schüler aus der dem komplexen<br />

Gruppengespräch zu ermöglichen, bietet es sich an, die Filterfunktion von Excel-Tabellen zu<br />

nutzen. Für jeden Probanden wird dazu e<strong>in</strong> neues Tabellenblatt angelegt, die beiden Blöcke 1<br />

und 2 werden <strong>in</strong> zwei verschiedenen Arbeitsmappen geführt. E<strong>in</strong> vollständiges Tabellenblatt<br />

besteht aus den Spalten, ‚Datum’, ‚Gesamt<strong>in</strong>terview’, ‚Regeln’ und ‚Kategorie’. Auszugsweise<br />

soll hier e<strong>in</strong> noch unvollständiges Tabellenblatt gezeigt werden, um die Übertragung der<br />

Rohdaten zu verdeutlichen:<br />

Nr. Datum Gesamt<strong>in</strong>terview<br />

1 xx.xx.xx-1<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken). „Nichts<br />

schlimmes, es geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer Rückblick.<br />

Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war das für euch,<br />

wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

2 P: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik<br />

ziemlich wenig am Hut gehabt, da war nichts mit Computer und ke<strong>in</strong>e<br />

Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant und überraschend günstig für<br />

uns.“<br />

3 B: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

4 I: „Aber das hat ja schon ganz gut funktioniert.“<br />

5 B: „Schauen wir mal, was rauskommt (schmunzelnd).“<br />

6 P: „Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung,


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 127<br />

7 xx.xx.xx-2 ...<br />

zum Aufholen ist das bestimmt nicht schlecht.“<br />

8 xx.xx.xx-1 I: „Sonst noch etwas, was euch e<strong>in</strong>fällt, Anregungen, Tipps?“<br />

9 P: „Das ist ja jetzt noch <strong>in</strong> der Erprobungsphase, müssten wir halt<br />

schauen danach, wenn alles gelaufen ist, Pf<strong>in</strong>gsten oder so, wenn man<br />

dann das Interview noch e<strong>in</strong>mal wiederholt.“<br />

10 I: „Ja, das wollte ich dann noch e<strong>in</strong>mal machen.“<br />

11 P: „Wir können dann sehen, was man besser machen könnte. Wir<br />

hatten jetzt erst das dritte mal Steuerungstechnik und ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

zufrieden.“<br />

12 xx.xx.xx-3 ...<br />

13 ... ...<br />

14 yy.yy.yy-1 I: „Jemand von euch sagte, ihr habt euch lange Zeit mit dem<br />

Grenztaster beschäftigt.“<br />

15 Beide: (Spontan) „Ja.“<br />

16 I: „Warum seid ihr dann nicht zum Lehrer gegangen?“<br />

17 P: „Wir wollten es halt selbst herausbr<strong>in</strong>gen. Das ist halt wichtig für<br />

das Selbstwertgefühl, wenn man selber auch was rausf<strong>in</strong>det und nicht<br />

für jede Kle<strong>in</strong>igkeit zum Lehrer rennt. Das ist ja im Betrieb auch nicht<br />

anders. Da heißt es, mach das, überleg dir selber etwas, und wenn man<br />

dann wirklich nicht weiterkommt, dann kann man immer noch fragen.“<br />

18 ... ...<br />

Legende: B: Beteiligter (Mitschüler des P <strong>in</strong> derselben Gruppe)<br />

I: Interviewer<br />

P: Proband<br />

Übersicht 7-10: Auszug ‚Gruppenbefragung – Gesamt<strong>in</strong>terview’<br />

Für jeden Schüler wird <strong>in</strong> die Spalte ‚Gesamt<strong>in</strong>terview’ se<strong>in</strong>es Tabellenblattes jedes Gespräch<br />

e<strong>in</strong>getragen, an dem der Proband aktiv beteiligt war. Für jede neue Wortmeldung wird e<strong>in</strong>e<br />

neue Zeile verwendet. Daraus ergibt sich dann e<strong>in</strong>e Zusammenschau des vollständigen<br />

Interviewverlaufs über die gesamte <strong>Unterricht</strong>sstrecke.<br />

Um e<strong>in</strong> späteres Nachvollziehen und das Zurückverfolgen zum ursprünglichen Rohmaterial<br />

zu gewährleisten, wird der Verlauf chronologisch unter Angabe des Befragungsdatums<br />

aufgezeichnet. Da e<strong>in</strong>zelne Gruppen an e<strong>in</strong>em <strong>Unterricht</strong>stag mehrmals befragt oder auch


128 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

während e<strong>in</strong>er Befragung mehrere Themen angesprochen werden können, ist zwischen den<br />

unterschiedlichen Gesprächsauszügen e<strong>in</strong>e optische Markierung mit Hilfe e<strong>in</strong>er Doppell<strong>in</strong>ie<br />

vorgesehen. Außerdem weisen die entsprechenden Datumsangaben e<strong>in</strong>e die Differenzierung<br />

verdeutlichende fortlaufende Nummerierung auf. Jede neu angesprochene Thematik erhält<br />

e<strong>in</strong>e Ziffer, wobei die Nummerierung für jeden <strong>Unterricht</strong>stag neu beg<strong>in</strong>nt. Wird bei dieser<br />

ersten Bearbeitung der Rohdaten festgestellt, dass im Verlauf e<strong>in</strong>er Befragung e<strong>in</strong>e bereits<br />

vorher angesprochene Thematik erneut aufgegriffen wird, so erhält diese wieder die zuvor<br />

vergebene Bezifferung (vgl. dazu die Zeilen 1 und 8 <strong>in</strong> Übersicht 7-10). Die Untergliederung<br />

und Nummerierung der Textpassagen dient jedoch nicht nur dazu Retrievals durchzuführen,<br />

zusätzlich soll durch diesen Bearbeitungsschritt auch die im weiteren Verlauf der Auswertung<br />

durchzuführende Kategorisierung (siehe Kapitel 7.3.1.6) der Gesprächsauszüge e<strong>in</strong>geleitet<br />

werden. Die angesprochenen Themen werden somit als solche gekennzeichnet und s<strong>in</strong>d später<br />

sehr viel schneller zu bündeln. Es sei allerd<strong>in</strong>gs darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass diese Vorkategorisierung<br />

noch ke<strong>in</strong>e endgültige E<strong>in</strong>teilung der Textauszüge gewährleistet, es ist durchaus<br />

möglich, dass im Rahmen der endgültigen Zuordnung Korrekturen vorgenommen werden<br />

müssen. Dies lässt sich durch die noch e<strong>in</strong>zeln vorliegenden Orig<strong>in</strong>alaussagen begründen,<br />

weil das dadurch ausgebildete Gesprächsgefüge noch zu diffus ersche<strong>in</strong>t, um den vollständigen<br />

Zusammenhang <strong>in</strong>nerhalb der Strukturen zu erkennen. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuordnung der<br />

Auszüge zu def<strong>in</strong>ierten Kategorien ist <strong>in</strong> diesem Stadium der Auswertung noch verfrüht.<br />

7.3.1.2 Das Elim<strong>in</strong>ieren<br />

E<strong>in</strong> erster Reduktionsschritt der vorliegenden Daten erfordert, dass überflüssige Gesprächsbestandteile<br />

elim<strong>in</strong>iert werden. Die auf die Spalte ‚Gesamt<strong>in</strong>terview’ folgende Spalte ‚Regeln’<br />

zeigt auf, ob und warum am Ausgangsmaterial Änderungen vorgenommen werden. Dabei ist<br />

anzumerken, dass die Elim<strong>in</strong>ierungsregeln auf re<strong>in</strong> empirischer Basis entwickelt wurden, als<br />

Folge der Bearbeitung des Materials. Die Übersicht stellt die erweiterte Excel-Tabelle dar:<br />

Nr. Datum Gesamt<strong>in</strong>terview Regeln<br />

1 xx.xx.xx-1<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken).<br />

„Nichts schlimmes, es geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer<br />

Rückblick. Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war<br />

das für euch,<br />

wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

2 P: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik<br />

ziemlich wenig am Hut gehabt, da war nichts mit Computer und<br />

ke<strong>in</strong>e Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant und überraschend<br />

günstig für uns.“<br />

3 B: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

4 I: „Aber das hat ja schon ganz gut funktioniert.“<br />

5 B: „Schauen wir mal, was rauskommt (schmunzelnd).“<br />

1a


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 129<br />

6<br />

P: „Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung, 2a<br />

zum Aufholen ist das bestimmt nicht schlecht.“<br />

7 xx.xx.xx-2 ... ...<br />

8 xx.xx.xx-1 I: „Sonst noch etwas, was euch e<strong>in</strong>fällt, Anregungen, Tipps?“<br />

9 P: „Das ist ja jetzt noch <strong>in</strong> der Erprobungsphase, müssten wir halt<br />

schauen danach, wenn alles gelaufen ist, Pf<strong>in</strong>gsten oder so, wenn<br />

man dann das Interview noch e<strong>in</strong>mal wiederholt.“<br />

10 I: „Ja, das wollte ich dann noch e<strong>in</strong>mal machen.“ 1a<br />

11 P: „Wir können dann sehen, was man besser machen könnte. Wir<br />

hatten jetzt erst das dritte Mal Steuerungstechnik und ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

zufrieden.“<br />

12 xx.xx.xx-3 ... ...<br />

13 ... ... ...<br />

14 yy.yy.yy-1 ... ...<br />

Legende: B: Beteiligter (Mitschüler des P <strong>in</strong> derselben Gruppe)<br />

I: Interviewer<br />

P: Proband<br />

Übersicht 7-11: Auszug ‚Gruppenbefragung – Gesamt<strong>in</strong>terview’<br />

Elim<strong>in</strong>ierungsregeln<br />

Im Folgenden werden die Elim<strong>in</strong>ierungsregeln im E<strong>in</strong>zelnen erläutert:<br />

1a Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn diese für den Gesprächsverlauf<br />

notwendig, für e<strong>in</strong>e spätere Auswertung aber unerheblich s<strong>in</strong>d.<br />

Dies können z. B. scherzhafte Bemerkungen, Wiederholungen, Zusammenfassungen<br />

oder rhetorische Fragen se<strong>in</strong>.<br />

1b Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn diese überflüssig<br />

s<strong>in</strong>d und nicht zur Vertiefung der Befragung beitragen. Dies können z. B.<br />

scherzhafte Bemerkungen, Wiederholungen, Zusammenfassungen oder rhetorische<br />

Fragen se<strong>in</strong>.<br />

1c Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn dieser mehrere<br />

Fragen gleichzeitig stellt und die Antworten nur auf e<strong>in</strong>e oder mehrere bestimmte<br />

Fragen bezogen s<strong>in</strong>d.<br />

1d Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn der Proband nicht<br />

auf diese reagiert.<br />

2a


130 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

1e Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn die Frage aus<br />

psychologischer Sicht unbrauchbar formuliert ist und e<strong>in</strong>e etwaige Antwort<br />

nicht auf die wahren Intentionen des Befragten schließen lässt.<br />

1f Gesprächsauszüge des Interviewers werden gestrichen, wenn die entsprechende<br />

Antwort des Probanden gestrichen wurde.<br />

2a Gesprächsauszüge des Probanden werden gestrichen, wenn diese überflüssig<br />

s<strong>in</strong>d und nicht zur Vertiefung der Befragung beitragen. Dies können z. B.<br />

scherzhafte oder uns<strong>in</strong>nige Bemerkungen, Wiederholungen, Zusammenfassungen<br />

oder rhetorische Fragen se<strong>in</strong>.<br />

2b Gesprächsauszüge des Probanden werden gestrichen, wenn die Schüler über<br />

Themen sprechen, die nicht mit der Intention der Befragung <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu<br />

br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d.<br />

2c Gesprächsauszüge des Probanden werden gestrichen, wenn diese auf e<strong>in</strong>e Ausführung<br />

des Interviewers reagieren, die gestrichen wurde.<br />

2d Gesprächsauszüge des Probanden werden gestrichen, wenn aufgrund von Aufnahmeschwierigkeiten<br />

e<strong>in</strong> Nachvollziehen der Aussage nicht mehr möglich ist.<br />

Übersicht 7-12: Elim<strong>in</strong>ierungsregeln<br />

In Zeile 1 wird gezeigt, dass der erste Abschnitt des Gesprächsauszuges wegfällt. Diese<br />

Ausführungen seitens des Interviewers s<strong>in</strong>d ursprünglich notwendig, um die Schüler auf das<br />

Gespräch vorzubereiten, allerd<strong>in</strong>gs würde e<strong>in</strong> weiteres ‚Mitschleppen’ dieser Passage<br />

lediglich unnötigen Ballast bedeuten. Der Auszug liefert ke<strong>in</strong>e Informationen, die die<br />

Intention der Befragung stützen würden. Somit wird e<strong>in</strong>e Streichung nach Regel 1a vollzogen.<br />

Die gestrichelte L<strong>in</strong>ie deutet an, dass nur der zweite Teil des geprüften Auszugs verbleibt und<br />

e<strong>in</strong>er weiteren Bearbeitung zugänglich gemacht wird.<br />

Zeile 6 verdeutlicht e<strong>in</strong>e ähnliche Vorgehensweise zur Reduzierung des Materials. So wird<br />

hier e<strong>in</strong> Abschnitt e<strong>in</strong>er Schüleraussage nach Regel 2a gestrichen, weil der Wortlaut ‚der<br />

<strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung’ die eigentliche Aussage zwar erläutert, aber naheliegend<br />

ist.<br />

Auch die Zeilen 9 und 10 werden elim<strong>in</strong>iert, weil diese nicht die eigentliche Befragung<br />

bereichern. Es handelt sich hier um überflüssige Gesprächsbestandteile.<br />

An dieser Stelle sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass <strong>in</strong> dem jeweiligen Tabellenblatt e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

Schülers ausschließlich jene Aussagen auf e<strong>in</strong>e mögliche Elim<strong>in</strong>ation h<strong>in</strong> untersucht<br />

werden, die den Probanden betreffen. Überwiegend s<strong>in</strong>d dies die vom Probanden stammenden<br />

Ausführungen, aber auch die Gesprächsauszüge des Interviewers. Antworten anderer<br />

Personen, die nicht zur Beurteilung der Aussagen des untersuchten Schülers herangezogen<br />

werden, s<strong>in</strong>d an dieser Stelle nicht zu prüfen. Sollen diese aber <strong>in</strong> die Ausführungen des<br />

Probanden mit e<strong>in</strong>fließen, so unterliegen sie den gleichen Bearbeitungsschritten, wie oben<br />

beschrieben.<br />

Im weiteren Verlauf der Auswertung s<strong>in</strong>d zwangsläufig zusätzliche Bestandteile der<br />

transkribierten Gespräche zu elim<strong>in</strong>ieren. Dies ist aber im Rahmen e<strong>in</strong>er Paraphrasierung<br />

(siehe Kapitel 7.3.1.4) e<strong>in</strong>zuordnen. Die <strong>in</strong> diesem Kapitel angesprochenen Elim<strong>in</strong>ierungsschritte<br />

dienen lediglich der Vere<strong>in</strong>fachung der nachfolgenden Umschreibung der Rohdaten.


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 131<br />

7.3.1.3 Das Kennzeichnen<br />

Da <strong>in</strong> dem entsprechenden Tabellenblatt e<strong>in</strong>es Schülers auch die Aussagen der Gruppenpartner<br />

zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, müssen Filter- und Markierungstechniken angewendet werden, um die<br />

Ausführungen des untersuchten Schülers herauszustellen. Da vor jeder Aussage das Kürzel<br />

des Beitragenden gestellt wird, können die dazugehörigen Textstellen herausgefiltert und<br />

farbig markiert werden. Die übrigen Passagen werden dazu vorübergehend mit Hilfe der<br />

Software ausgeblendet. Der Filterschritt gibt Auskunft über die zu bearbeitende Datenmenge<br />

pro Schüler. Ggf. können auch die von anderen Schülern stammenden Aussagen markiert<br />

werden, die mit den Ausführungen des zu untersuchenden Probanden <strong>in</strong> direktem Zusammenhang<br />

stehen.<br />

Die Markierungen s<strong>in</strong>d für die weitere Bearbeitung notwendig, weil nur so e<strong>in</strong> Extrahieren<br />

von Aussagen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Schülers durchführbar ist und Zusammenhänge zwischen<br />

diesen sichtbar werden. Zudem können Ausführungen e<strong>in</strong>es Schülers zur selben Thematik<br />

zusammengeführt werden, aber auch Reaktionen e<strong>in</strong>es Probanden auf die Angaben e<strong>in</strong>es<br />

Mitschülers heben sich hervor. Auf dieser Grundlage wird die weitere Bearbeitung des<br />

Materials durchgeführt, um zu der oben bereits dargestellten Übersicht 7-9 zu gelangen.<br />

7.3.1.4 Das Paraphrasieren<br />

Die Abstraktion<br />

Den Schritten Übertragen, Elim<strong>in</strong>ieren und Kennzeichnen folgt im weiteren Umgestaltungsprozess<br />

der Rohdaten e<strong>in</strong> Paraphrasieren. Ziel dieser Umgestaltung ist die Reduktion und<br />

Bündelung des Datenmaterials <strong>in</strong> der Art, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich dieser Überlegungen ist der Modus zu wählen, mit dessen Hilfe die Rohdaten<br />

umgearbeitet werden können. Die direkte Rede kann nicht verwendet werden, weil diese zu<br />

wenig Spielraum für e<strong>in</strong>e Reduktion enthält (im Folgenden wird dies noch näher erläutert).<br />

Aus diesem Grunde muss auch auf konjunktivische Konstruktionen verzichtet werden, die<br />

ohneh<strong>in</strong> die Lesbarkeit des Materials erheblich herabsetzen würden. Die Bildung von<br />

Paraphrasen ermöglicht dagegen die Bearbeitung des Rohdatenmaterials, um die gewünschte<br />

Reduktion und Bündelung zu erhalten. Es muss jedoch deutlich herausgestellt werden, dass<br />

die Paraphrasen e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> die Ansichten der Schüler wiedergeben, e<strong>in</strong>e Interpretation<br />

durch den Forscher wird, so weit dies möglich ist, zurückgehalten. Trotzdem ist anzumerken,<br />

dass die umschriebenen Textpassagen e<strong>in</strong>e erste Pendelbewegung zwischen Schüler und<br />

Forscher darstellen. Der Begriff ‚Pendelbewegung’ soll ausdrücken, dass der zu e<strong>in</strong>er<br />

konstruierten Aussage des Schülers führende Schritt, bereits unvermeidlich erste Elemente<br />

e<strong>in</strong>er Forschersicht enthält. Beispielsweise entscheidet der Untersuchende, welche Passagen<br />

wegfallen, welche Aussagen zusammengeführt werden oder wie die Umschreibung formuliert<br />

wird.<br />

Der theoretische H<strong>in</strong>tergrund dieses tragenden Auswertungsschrittes ist Kapitel 6.2.3 zu<br />

entnehmen. Wiederholt seien an dieser Stelle noch e<strong>in</strong>mal wesentliche Aspekte des Umschreibens<br />

genannt. ‚Paraphrasieren’ bietet die Möglichkeit der <strong>in</strong>haltlichen Wiedergabe von<br />

Gesprächs- bzw. Textausschnitten, vorzugsweise mit eigenen Worten. Dabei wird das<br />

wiederholt, was man glaubt, verstanden zu haben. Typische, die Paraphrase e<strong>in</strong>leitende<br />

Formulierungen (‚Der Autor ist der Me<strong>in</strong>ung, dass ...’, Der Proband hält dies für problematisch,<br />

weil ...’) weisen darauf h<strong>in</strong>, dass nun e<strong>in</strong>e Umschreibung des Orig<strong>in</strong>als durch Dritte


132 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

erfolgt, wobei das verme<strong>in</strong>tlich Verstandene durchaus von der Intention des Urhebers<br />

abweichen könnte. Daher wird bei der Wiedergabe der Schüleraussagen im Rahmen dieser<br />

Untersuchung e<strong>in</strong>e vom theoretischen Standpunkt abweichende Methode der Bildung von<br />

Paraphrasen vorgesehen. Die charakteristischen E<strong>in</strong>leitungen e<strong>in</strong>er Paraphrase werden<br />

durchaus beibehalten, <strong>in</strong>sbesondere wenn die Orig<strong>in</strong>alaussagen die Ich- oder Wir-Form<br />

aufweisen, von dem klassischen Paraphrasierungsstil wird dann aber abgewichen, wenn e<strong>in</strong>e<br />

direkte Rede oder zum<strong>in</strong>dest Bestandteile davon unmittelbar <strong>in</strong> die Umschreibung aufgenommen<br />

werden können. Die E<strong>in</strong>leitungsformeln werden oftmals auch dann vermieden, wenn<br />

ohne deren Verwendung e<strong>in</strong>e verständliche, ggf. sogar verkürzte Paraphrasierung möglich ist.<br />

Die Umschreibung mit eigenen Worten steht nicht im Vordergrund. Ziel der Paraphrasierung<br />

ist es, e<strong>in</strong>e Zusammenfassung und Reduktion des ursprünglichen Textes zu erreichen, wobei<br />

der Wortlaut der Schüler so weit als möglich beizubehalten ist. E<strong>in</strong> Beispiel mag dies<br />

verdeutlichen. Aus folgendem Transkript wird die Paraphrasierung des Schülers P h<strong>in</strong>sichtlich<br />

der Art der Formulierung nachvollzogen.<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken). „Nichts schlimmes, es<br />

geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer Rückblick. Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik<br />

e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war das für euch, wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

P: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik ziemlich wenig am Hut<br />

gehabt, da war nichts mit Computer und ke<strong>in</strong>e Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant<br />

und überraschend günstig für uns.“<br />

B: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

I: „Aber das hat ja schon ganz gut funktioniert.“<br />

B: Schauen wir mal, was rauskommt (schmunzelnd).<br />

P: Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung für uns, zum Aufholen ist das bestimmt<br />

nicht schlecht.<br />

Die Paraphrasierung für Schüler P kann dann wie folgt aussehen:<br />

Der Schüler hält den <strong>Unterricht</strong> mit Computer und Leittexten für <strong>in</strong>teressant und überraschend<br />

günstig, Pneumatik und <strong>Unterricht</strong> dieser Art hatte er im letzten Jahr nicht. Das<br />

Konzept eignet sich zum Nachholen versäumter Inhalte.<br />

Beispielsweise wird der Wortlaut ‚<strong>in</strong>teressant und überraschend günstig’ beibehalten,<br />

während der Begriff ‚<strong>Unterricht</strong>’ im zweiten Teil der Orig<strong>in</strong>alaussage durch die Umschreibung<br />

‚Konzept’ ersetzt wird. Dies erleichtert die Lesbarkeit des Materials, ohne dass Inhalte<br />

verloren gehen. Der zweite Satz wird ohne die klassische Paraphrasene<strong>in</strong>leitung umschrieben,<br />

auf die Formulierung ‚der Schüler hält das Konzept zum Nachholen versäumter Inhalte für<br />

geeignet’ wird ebenfalls zu Gunsten e<strong>in</strong>er besseren Lesbarkeit verzichtet. Der zusätzliche<br />

Ballast würde außerdem e<strong>in</strong>er Reduktion des Datenmaterials entgegenstehen. Trotzdem s<strong>in</strong>d<br />

diese Formulierungen nicht gänzlich zu streichen, damit der Leser immer wieder daran<br />

er<strong>in</strong>nert wird, dass es sich hier tatsächlich um Aussagen der Testpersonen handelt. Generell<br />

sei darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass bei der Umschreibung der Rohdaten bewusst e<strong>in</strong>ige umgangssprachliche<br />

Elemente beibehalten werden, weil gerade diese Informationen tragen, die durch<br />

e<strong>in</strong>e Wiedergabe <strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Hochsprache verloren g<strong>in</strong>gen.<br />

Die verwendete Zeitform zur Abbildung der Paraphrasen ist grundsätzlich das Präsens, auch<br />

wenn der Proband e<strong>in</strong>e Vergangenheitsform benutzt. Das folgende Beispiel zeigt pr<strong>in</strong>zipielle<br />

Möglichkeiten der Paraphrasierung mit Hilfe unterschiedlicher Tempora auf. Befragungsge-


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 133<br />

genstand ist die praktische Umsetzung e<strong>in</strong>es gezeichneten Schalt- und Stromlaufplanes am<br />

Steckbrett. Aus organisatorischen Gründen wird e<strong>in</strong>e der Gruppen während des Arbeitens am<br />

Steckbrett, die andere Gruppe erst nach Fertigstellung der Schaltung befragt.<br />

Nr. Vorgang Proband 1 Proband 2<br />

1 Frage Was br<strong>in</strong>gt dir die Umsetzung des<br />

Schaltplanes <strong>in</strong> die Praxis?<br />

2 Antwort Das br<strong>in</strong>gt mir jetzt viel, jetzt weiß<br />

ich endlich, warum ich das so<br />

zeichnen muss.<br />

3 Paraphrase im<br />

Tempus der<br />

Orig<strong>in</strong>alaussage<br />

4 Paraphrase im<br />

Präsens (verwendete<br />

Form)<br />

Der Aufbau der Schaltung am<br />

Steckbrett br<strong>in</strong>gt viel, der Schüler<br />

weiß jetzt, warum die Schaltpläne so<br />

zu zeichnen s<strong>in</strong>d.<br />

Der Aufbau der Schaltung am<br />

Steckbrett br<strong>in</strong>gt viel, der Schüler<br />

weiß jetzt, warum die Schaltpläne so<br />

zu zeichnen s<strong>in</strong>d.<br />

Übersicht 7-13: Paraphrase und verwendetes Tempus<br />

Was hat dir die Umsetzung des<br />

Schaltplanes <strong>in</strong> die Praxis<br />

gebracht?<br />

Der Aufbau der Schaltung am<br />

Steckbrett hat mir viel gebracht.<br />

Jetzt habe ich das begriffen.<br />

Der Aufbau der Schaltung am<br />

Steckbrett hat viel gebracht. Jetzt<br />

hat der Schüler die Thematik<br />

verstanden.<br />

Der Aufbau der Schaltung am<br />

Steckbrett br<strong>in</strong>gt viel. Der Schüler<br />

versteht jetzt die Thematik.<br />

Generell wäre es möglich, die Paraphrasen <strong>in</strong> der Zeitform abzufassen, die auch der Schüler<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Aussage gewählt hat. Da aber nur <strong>in</strong>haltlich-thematische Aspekte der Aussagen bei<br />

e<strong>in</strong>er späteren Bewertung zum Tragen kommen und sich unter ke<strong>in</strong>en Umständen organisatorisch<br />

bed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>flüsse <strong>in</strong> den Paraphrasen wiederf<strong>in</strong>den sollen, wird durch die Verwendung<br />

des Präsens e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>heitlichung der Umschreibungen vorgenommen (vgl. dazu Zeile 4 <strong>in</strong><br />

Übersicht 7-13). Unterschiede, die sich zwischen den Aussagen der Kollektivbefragung und<br />

den Aussagen der E<strong>in</strong>zelbefragung aufgrund des differierenden Erhebungszeitpunktes<br />

ergeben, sollen <strong>in</strong> die Bewertung nicht mit e<strong>in</strong>fließen, da es für das Forschungs<strong>in</strong>teresse ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielt, ob sich der Proband zu e<strong>in</strong>er bestimmten Thematik während des Erlebens oder<br />

kurz danach äußert. Die <strong>in</strong>haltlich-thematische Komponente der Schüleraussage bleibt auch<br />

dann noch erhalten, wenn die ursprünglich benutzte Zeitform abgeändert wird. E<strong>in</strong> weiterer<br />

Grund, die Gegenwartsform zu verwenden, ist die Vere<strong>in</strong>fachung des Algorithmus zur<br />

Bildung der Paraphrasen. Da der Schüler Aussagen über e<strong>in</strong>en gerade zu durchlaufenden<br />

<strong>Unterricht</strong> zu treffen hat, ist das verwendete Tempus unerheblich und muss bei der Bildung<br />

der Paraphrasen nicht übersetzt werden.<br />

Die Schritte des Paraphrasierens und alle weiteren Maßnahmen der Datenbewältigung werden<br />

im Übrigen zur Erleichterung der Textverarbeitung <strong>in</strong> Word-Tabellen durchgeführt.<br />

Die Bündelung von Frage und Antwort<br />

Die <strong>in</strong> Kapitel 7.1.2 beschriebene Befragung wird sehr situationsspezifisch durchgeführt und<br />

der <strong>in</strong>dividuelle <strong>Unterricht</strong>sverlauf jedes e<strong>in</strong>zelnen Schülers berücksichtigt. Daher entwickelt<br />

der Forscher im Laufe der Gespräche mit den unterschiedlichen Gruppen auch unterschiedliche,<br />

schülerspezifische Fragestellungen. Deren Intention ist aber jeweils die gleiche, nämlich


134 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

entlang e<strong>in</strong>es groben Leitfadens die der Untersuchung zuträglichen Themen abzuarbeiten.<br />

Dies mögen weitere Beispiele verdeutlichen.<br />

Beispiel 1, Befragung e<strong>in</strong>er ersten Gruppe:<br />

I: Also mir geht es jetzt erst mal ... Ihr seid ja jetzt von e<strong>in</strong>er anderen Berufsschule gekommen,<br />

oder?<br />

B1: Mhm (ja).“<br />

P1: Mhm (ja).<br />

I: Und für euch ist das jetzt alles neu, sowohl das <strong>Unterricht</strong>sfach, als auch die Art des<br />

<strong>Unterricht</strong>s nehme ich an oder hattet ihr so was schon mal?<br />

P1: Ne<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der anderen Schule hatten wir eigentlich gar ke<strong>in</strong>en <strong>Unterricht</strong>, weil ...<br />

I: Sondern?<br />

P1: Ja die Lehrer haben das halt nicht gemacht. Und da war da nicht viel ...<br />

I: Wie ist das jetzt für euch hier, gerade diese Art von <strong>Unterricht</strong>, jetzt im Vergleich zu<br />

dem im ‚Klassenzimmer’?<br />

P1: Ja, e<strong>in</strong> bisschen Abwechslung ist schon ganz gut eigentlich, f<strong>in</strong>d ich schon nicht<br />

schlecht.<br />

I: Von der Lernwirkung her vielleicht?<br />

P1: Also noch kapier ich nicht recht viel, muss ich sagen, (lacht).<br />

Beispiel 2, Befragung e<strong>in</strong>er zweiten Gruppe:<br />

I: „Wie beurteilt ihr spontan diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

P2: „Das ist besser – Leittext – für mich zum<strong>in</strong>dest.“<br />

B2: „Ja, wenn man selber arbeiten kann.“<br />

I: „Gefällt euch also besser.“<br />

Beide: (Stimmen zu): „Mhm.“<br />

I: Warum glaubt ihr kann das besser se<strong>in</strong>?<br />

E<strong>in</strong> Vergleich der beiden Gesprächsauszüge zeigt nun Folgendes:<br />

Die Fragen bzw. Aussagen des Interviewers lassen anfänglich die gleiche Intention erkennen<br />

– es soll e<strong>in</strong> erster E<strong>in</strong>druck bzgl. des bisher durchlaufenen <strong>Unterricht</strong>s abgegeben werden.<br />

Man erkennt, warum sich der Gesprächsverlauf unterschiedlich entwickelt. Der Verlauf<br />

spiegelt die jeweiligen Erfahrungen der Schüler bzw. der Gruppe wider, auf welche die<br />

Fragestellung ausgerichtet werden muss, allerd<strong>in</strong>gs unter E<strong>in</strong>bezug des dem Forscher<br />

vorliegenden groben Leitfadens.<br />

Um auch die jeweiligen differierenden Frageverläufe e<strong>in</strong>er späteren Auswertung zugänglich<br />

zu machen, wird die ursprüngliche Fragestellung – sofern sie für e<strong>in</strong>e Auswertung wesentlich<br />

ersche<strong>in</strong>t – mit der entsprechenden Antwort zusammengeführt. E<strong>in</strong>e Zusammenführung von<br />

Frage und Antwort ist zw<strong>in</strong>gend erforderlich, weil nur so e<strong>in</strong>e weitere Verdichtung des<br />

ursprünglichen Materials ermöglicht wird, ohne dass Aussagen<strong>in</strong>halte verloren gehen. Für die<br />

erste Gruppe sieht die Zusammenführung wie folgt aus:


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 135<br />

Der Schüler schätzt die Abwechslung <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong>, gibt aber bzgl.<br />

‚Lernwirkung’ an, noch nicht sehr viel zu verstehen.<br />

Der Gesprächsauszug wird für Schüler P2 wie folgt umschrieben, d. h. paraphrasiert:<br />

Der Schüler äußert sich positiv zu dieser Art von <strong>Unterricht</strong>, <strong>in</strong>sbesondere die Leittexte<br />

s<strong>in</strong>d für ihn besser.<br />

Aufgrund der Formulierungen ‚schätzt ... <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong>’ oder ‚äußert sich ... zu<br />

dieser Art von <strong>Unterricht</strong>’ kann die ursprüngliche Fragestellung, e<strong>in</strong>e Beurteilung zu dieser<br />

Art von <strong>Unterricht</strong> abzugeben, zugunsten e<strong>in</strong>er deutlich verbesserten Lesbarkeit wegfallen<br />

und der Kern der Aussage schnell erfasst werden. Die Paraphrasierung der ersten Gruppe<br />

bezieht zusätzlich die explizite Frage nach e<strong>in</strong>er etwaigen Lernwirkung mit e<strong>in</strong>, auf die der<br />

Schüler prompt reagiert. Somit können alle Bestandteile des Gesprächsverlaufs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Auswertung berücksichtigt werden.<br />

Die Bündelung abhängiger Aussagen<br />

In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt zur Bildung der Paraphrasen sollen zusammenhängende Aussagen<br />

e<strong>in</strong>es oder mehrerer Schüler mite<strong>in</strong>ander verknüpft werden. Mit der Begrifflichkeit ‚zusammenhängende<br />

Aussagen’ wird zum e<strong>in</strong>en die Beziehung zwischen vone<strong>in</strong>ander abhängigen<br />

Ausführungen verschiedener Probanden angesprochen, zum anderen s<strong>in</strong>d aber auch mehrere<br />

Aussagen e<strong>in</strong>es Schülers zur gleichen Thematik bedeutsam. Dies kann mit Hilfe e<strong>in</strong>es<br />

Beispiels nachvollzogen werden:<br />

I: (Die Schüler wirken beim H<strong>in</strong>zukommen etwas erschrocken). „Nichts schlimmes, es<br />

geht nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> kurzer Rückblick. Ihr seid ganz neu <strong>in</strong> die Pneumatik<br />

e<strong>in</strong>gestiegen. Wie war das für euch, wie beurteilt ihr diesen <strong>Unterricht</strong>?“<br />

P: „Im Vergleich zum letzten Jahr, da hatten wir mit Pneumatik ziemlich wenig am Hut<br />

gehabt, da war nichts mit Computer und ke<strong>in</strong>e Leittexte. Das war dann schon <strong>in</strong>teressant<br />

und überraschend günstig für uns.“<br />

B: „Wir haben halt viel nachlernen müssen.“<br />

I: „Aber das hat ja schon ganz gut funktioniert.“<br />

B: Schauen wir mal, was rauskommt (schmunzelnd).<br />

P: Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e neue Erfahrung, zum Aufholen ist das bestimmt nicht<br />

schlecht.<br />

Die Aussagen des Schülers P betreffen <strong>in</strong>nerhalb dieser Gesprächse<strong>in</strong>heit die gleich Kategorie<br />

(siehe nachfolgendes Kapitel 7.3.1.5) und werden somit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Paraphrase zusammengefasst:<br />

Der Schüler hält den <strong>Unterricht</strong> mit Computer und Leittexten für <strong>in</strong>teressant und überraschend<br />

günstig, Pneumatik und <strong>Unterricht</strong> dieser Art hatte er im letzten Jahr nicht. Das<br />

Konzept eignet sich zum Nachholen versäumter Inhalte.<br />

Zusammenfassung und abschließende Überlegungen<br />

Die folgende Tabelle stellt noch e<strong>in</strong>mal die wesentlichen Aspekte e<strong>in</strong>er Paraphrasierung<br />

zusammen und verdeutlicht die Umarbeitung. Die Spalte ‚Rohmaterial’ gibt die <strong>in</strong> E<strong>in</strong>heiten<br />

aufgeteilten Orig<strong>in</strong>alaussagen wieder. In der Spalte ‚Lesart’ wird versucht, die E<strong>in</strong>heiten


136 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

entsprechend auszulegen, wobei sich aufgrund der mit der Paraphrasenbildung verbundene,<br />

sich ändernde Satzbau die ungeordnete Reihenfolge der Bauste<strong>in</strong>e erklärt. Zum Nachvollziehen<br />

und richtigen Zusammenfügen der e<strong>in</strong>zelnen Satzteile dient die <strong>in</strong> Klammern angegebene<br />

Nummerierung. Die Spalte ‚Begründung’ erläutert schließlich, was bei der Bildung der<br />

Paraphrase geschieht.<br />

Nr. Rohmaterial Lesart Begründung<br />

F1 Nichts schlimmes, es geht<br />

nicht um Inhalte. Erst e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong> kurzer Rückblick. Ihr<br />

seid ganz neu <strong>in</strong> die<br />

Pneumatik e<strong>in</strong>gestiegen. Wie<br />

war das für euch,<br />

F2 wie beurteilt ihr diesen<br />

<strong>Unterricht</strong>?<br />

A1 Im Vergleich zum letzten<br />

Jahr<br />

A2 Da hatten wir mit Pneumatik<br />

ziemlich wenig am Hut<br />

gehabt,<br />

A3 da war nichts mit Computer<br />

A4 und ke<strong>in</strong>e Leittexte.<br />

A5 Das war dann schon<br />

<strong>in</strong>teressant und überraschend<br />

günstig für uns.<br />

A6 Der <strong>Unterricht</strong> ist halt e<strong>in</strong>e<br />

neue Erfahrung,<br />

A7 zum Aufholen ist das<br />

bestimmt nicht schlecht.<br />

Legende: F: Teil der Frage<br />

A: Teil der Antwort<br />

-- Wird gestrichen, da der<br />

Auszug nur e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>leitung<br />

darstellt und nicht die<br />

Intention der Befragung<br />

stützt.<br />

Der Schüler hält den <strong>Unterricht</strong><br />

mit Computer und Leittexten<br />

(1)<br />

im letzten Jahr (6)<br />

Pneumatik (3) ... hatte er (5)...<br />

nicht (7).<br />

Wird <strong>in</strong> die Paraphrase<br />

<strong>in</strong>tegriert, vgl. auch die<br />

Zeilen A3 und A4.<br />

Wortlaut wird im Wesentlichen<br />

übernommen.<br />

Wortlaut wird im Wesentlichen<br />

übernommen, die<br />

Formulierung aber geglättet.<br />

und <strong>Unterricht</strong> dieser Art (4) Die Orig<strong>in</strong>alaussage steht<br />

synonym für ‚<strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>’ bzw.<br />

‚<strong>Unterricht</strong> dieser Art’<br />

für <strong>in</strong>teressant und überraschend<br />

günstig, (2)<br />

Wortlaut wird im Wesentlichen<br />

übernommen.<br />

-- Wird gestrichen, da dies<br />

naheliegend ist.<br />

Das Konzept eignet sich zum<br />

Nachholen versäumter Inhalte.<br />

(8)<br />

Übersicht 7-14: Vorgehensweise beim Paraphrasieren<br />

Umschreibung, um den Kern<br />

der Aussage hervorzuheben.


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 137<br />

7.3.1.5 Die Vervollkommnung der e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigen Zuordnung<br />

Das Bilden von Paraphrasen, d. h. <strong>in</strong> diesem Falle die Umschreibung von Aussagen e<strong>in</strong>es<br />

Probanden ist stets an die Bed<strong>in</strong>gung geknüpft, den Weg zur vollständigen Paraphrase<br />

lückenlos nachzeichnen zu können. Nur so ist gewährleistet, dass die <strong>in</strong>terpretative Komponente<br />

der Paraphrasenbildung <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund tritt. Vielmehr soll das Bearbeiten der<br />

Rohdaten e<strong>in</strong>er genauen Richtl<strong>in</strong>ie folgen, so dass die Interviews möglichst ursprünglich<br />

abgebildet werden. Retrievals müssen zu jedem Zeitpunkt der Auswertung durchführbar se<strong>in</strong>,<br />

um die E<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigkeit zwischen Rohmaterial und zu <strong>in</strong>terpretierender Paraphrase zu<br />

gewährleisten. Sollten bei wiederholter Durchsicht des umschriebenen Materials Zweifel bzgl.<br />

der Richtigkeit der Paraphrasierung auftreten oder kann Paraphrasiertes nicht mehr nachvollzogen<br />

werden, so s<strong>in</strong>d diese Unsicherheiten schnell und gründlich durch das erneute Studieren<br />

des Ausgangsmaterials zu beseitigen. Gegebenenfalls können Änderungen e<strong>in</strong>gearbeitet<br />

werden oder aber die Rohdaten bestätigen den bisher verfolgten Auswertungs- bzw.<br />

Interpretationsschritt.<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Schritt zur Entwicklung der E<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigkeit zwischen Rohdaten und entsprechenden<br />

Paraphrasen, d. h. zur Entwicklung der umkehrbar e<strong>in</strong>deutigen Beziehung zwischen<br />

Ausgangsmaterial und Umschreibung ist die vollständige Angabe aller wesentlichen, zum<br />

Verständnis beitragenden ‚Beiwerke’ der e<strong>in</strong>zelnen Paraphrase.<br />

Übersicht 7-9 umfasst neben der Paraphrasierung e<strong>in</strong>e Spalte, <strong>in</strong> der der Gegenstand der<br />

angesprochenen Thematik präzisiert wird. Zeile 3 verdeutlicht die Intention dieser Angaben.<br />

Sobald sich der Leser mit e<strong>in</strong>er Paraphrase ause<strong>in</strong>andersetzt, muss fortwährend der Bezug zur<br />

besprochenen Thematik nachvollziehbar se<strong>in</strong>. Wie bereits beschrieben, werden die Ausführungen<br />

aller am Gespräch beteiligten Personen <strong>in</strong> die Umschreibung e<strong>in</strong>bezogen, sofern dies<br />

für das Verstehen der Paraphrase notwendig ist. Zum detailgetreuen Nachvollzug der<br />

Unterhaltung ist es aber auch erforderlich, die <strong>in</strong> den Interviews angesprochenen Themen<br />

näher zu kennzeichnen, wenn der Gegenstand der Unterhaltung nicht aus dem Gespräch selbst<br />

hervorgeht. Werden <strong>in</strong> den Interviews beispielsweise Ausführungen zu selbstgesteuertem<br />

Lernen im Allgeme<strong>in</strong>en aufgenommen, so ist bereits die Nennung der besprochenen<br />

Thematik, z. B. ‚Selbstständiges Erarbeiten’ ausreichend, um den Inhalt e<strong>in</strong>er Unterhaltung<br />

nachvollziehen zu können. Spricht der Proband aber über unterrichtsspezifische Elemente,<br />

beispielsweise über konkrete Leittext<strong>in</strong>halte oder Praktiken des Lehrers, so ist es zweckmäßig,<br />

die Aufgabenstellung oder zum<strong>in</strong>dest den entsprechenden Leittext, die spezielle<br />

<strong>Unterricht</strong>smethode und dergleichen zusätzlich anzugeben. Dadurch erst wird die Basis für<br />

e<strong>in</strong>e spätere Bewertung und Beurteilung der Schüleraussagen vervollständigt, weil nur so der<br />

Zusammenhang zwischen Aussage und Gegenstand <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden kann. Zur<br />

Vervollständigung der Tabelle werden auch hier das Datum der Befragung und der aktuelle<br />

Bearbeitungsstand durch Angabe des gegenwärtig bearbeiteten Leittextes aufgenommen, so<br />

dass e<strong>in</strong> lückenloses Zurückverfolgen zum Ausgangsmaterial möglich ist. Damit die gesamte<br />

Lernstrecke zusammenhängend erfasst werden kann, s<strong>in</strong>d sämtliche <strong>Unterricht</strong>stage<br />

aufgelistet, auch wenn der Schüler sich vere<strong>in</strong>zelt nicht geäußert hat oder nicht befragt wurde.<br />

Dies lässt e<strong>in</strong>e erste E<strong>in</strong>ordnung des Probanden zu, weil damit bereits offengelegt wird,<br />

<strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong> Schüler generell für derartige Befragungen zugänglich ist.<br />

Das folgende Beispiel stellt obige Ausführungen noch e<strong>in</strong>mal ‚bildlich’ dar.<br />

I: „Jemand von euch sagte, ihr habt euch lange Zeit mit dem Grenztaster beschäftigt.“<br />

Beide: (Spontan) „Ja.“


138 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

I: „Warum seid ihr dann nicht zum Lehrer gegangen?“<br />

P: „Wir wollten es halt selbst herausbr<strong>in</strong>gen. Das ist halt wichtig für das Selbstwertgefühl,<br />

wenn man selber auch was rausf<strong>in</strong>det und nicht für jede Kle<strong>in</strong>igkeit zum Lehrer<br />

rennt. Das ist ja im Betrieb auch nicht anders. Da heißt es, mach das, überleg dir selber<br />

etwas, und wenn man dann wirklich nicht weiterkommt, dann kann man immer noch<br />

fragen.“<br />

Nr. Datum Gegenstand Kategorie Paraphrase<br />

3 yy.yy.yy<br />

LE 7<br />

Leitblatt, 2.c)<br />

Bearbeiten Sie das vom<br />

Lehrer erhaltene<br />

Informationsblatt,<br />

Informationsblatt: Teil<br />

1: Mechanischer<br />

Grenztaster<br />

Legende: LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Übersicht 7-15: Auszug ‚Gruppenbefragung – Paraphrase’,<br />

Zuordnung des Gegenstandes<br />

SF Die Bearbeitung der Aufgaben ‚Mechanischer<br />

Grenztaster’ dauert deshalb so lange,<br />

weil die Gruppe selbst herausf<strong>in</strong>den will,<br />

wie das Bauteil funktioniert. Der Schüler<br />

betont, dass es wichtig für se<strong>in</strong> Selbstwertgefühl<br />

ist, selbst etwas herauszuf<strong>in</strong>den. Er<br />

möchte nicht wegen jeder Kle<strong>in</strong>igkeit mit<br />

dem Lehrer sprechen, denn im Betrieb muss<br />

er auch selbstständig arbeiten. Auch dort<br />

fragt man erst nach, wenn man wirklich<br />

nicht weiterkommt.<br />

In der Befragung werden Aufgaben zu e<strong>in</strong>em Pneumatik-Bauteil, e<strong>in</strong>em mechanischen<br />

Grenztaster, beleuchtet. In der Spalte ‚Gegenstand’ wird nun der genaue Aufgabenabschnitt<br />

angegeben, über den im Interview gesprochen wird. Die Aufgaben zum mechanischen<br />

Grenztaster s<strong>in</strong>d demgemäß <strong>in</strong> Lerne<strong>in</strong>heit 7 zu f<strong>in</strong>den. Es sei an dieser Stelle nochmals<br />

angemerkt, dass im Anhang exemplarisch der Leittext zu Lerne<strong>in</strong>heit 8 abgebildet ist. Alle<br />

weiteren Leittexte zu den Lerne<strong>in</strong>heiten 6 bis 10 (und auch zu den Lerne<strong>in</strong>heiten 1 bis 5)<br />

können am Lehrstuhl für Pädagogik der Technischen Universität München e<strong>in</strong>gesehen<br />

werden. Über das entsprechende Leitblatt, Punkt 2c) gelangt man zu dem Informationsblatt<br />

‚Teil 1: Mechanischer Grenztaster’. Für den genauen Aufbau der Leittexte sei des Weiteren<br />

auf Kapitel 5.4 verwiesen.<br />

7.3.1.6 Die Kategorienbildung und Kodierung<br />

Nachfolgend wird die E<strong>in</strong>gliederung der paraphrasierten Aussagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> vordef<strong>in</strong>iertes<br />

Kategoriensystem aufgezeigt. Dieser Bearbeitungsschritt dient nur <strong>in</strong> zweiter L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>er<br />

Reduktion der Daten, vielmehr sollen nun die zentralen Aspekte so dargestellt werden, dass<br />

e<strong>in</strong> umfassender und detaillierter E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Aussagen der jeweiligen Schüler gewährt<br />

wird.<br />

...


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 139<br />

Der Interviewleitfaden (Übersicht 7-4, Kapitel 7.1.2) stellt die Themengebiete dar, die den<br />

Befragungen der Probanden zugrunde liegen sollen. Dabei orientieren sich die Themen an den<br />

Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s (vgl. Riedl 1998, S. 54 ff.,<br />

ebenso Schelten 2004, S. 182 ff.). Das handlungsorientierte Konzept erfordert im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung e<strong>in</strong>e berufsbezogene, komplexe und problemhaltige Aufgabenstellung,<br />

die es ermöglicht, anhand der Praxis umfassende Theorieaspekte erarbeiten zu können.<br />

Dabei sollen die Interessen und Erfahrung der Auszubildenden berücksichtigt werden. Der<br />

<strong>Unterricht</strong> (der se<strong>in</strong>en Lern<strong>in</strong>halten nach e<strong>in</strong>er Handlungssystematik folgt) ist geprägt durch<br />

Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Verbund mit selbstorganisiertem<br />

Lernen. Die Lehrkraft rückt <strong>in</strong>sofern von ihrer bislang zentralen Position ab und wird zum<br />

Fachberater im Lernprozess der Schüler. Das so gestaltete Konzept spiegelt sich auch <strong>in</strong> den<br />

Leistungskontrollen wider, die entsprechend <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativer Form stattf<strong>in</strong>den sollen (vgl.<br />

hierzu z. B. Riedl, Schelten 2005).<br />

Diese Kurzdarstellung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s spiegelt sich <strong>in</strong> den Bestimmungsgrößen<br />

des Konzeptes wider, so dass durch diese e<strong>in</strong>e Handlungsorientierung präzise<br />

def<strong>in</strong>iert wird. Dieses im Pr<strong>in</strong>zip deduktiv aufgestellte Kategoriensystem bildet e<strong>in</strong> erstes<br />

Raster, um die umgearbeiteten Schüleraussagen im Wesentlichen widerspruchsfrei zuzuordnen.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Untergliederung ist zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen, denn laut<br />

Kromrey (1998, S. 312) „werden sich nicht alle E<strong>in</strong>zelheiten, die im Text enthalten s<strong>in</strong>d, auch<br />

<strong>in</strong> der Differenzierung des Kategorienschemas wiederf<strong>in</strong>den“. Kromrey beschreibt e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>haltsanalytisches Kategoriensystem als selektiv im H<strong>in</strong>blick auf bestimmte Fragestellungen.<br />

Es muss zum<strong>in</strong>dest so differenziert se<strong>in</strong>, „dass es zum e<strong>in</strong>en vollständig alle <strong>in</strong>teressierenden<br />

Bedeutungse<strong>in</strong>heiten erfasst und zum anderen Vergleiche zwischen den Texte<strong>in</strong>heiten des<br />

Untersuchungsmaterials erlaubt“. E<strong>in</strong> auf den Bestimmungsgrößen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>s basierendes Kategoriensystem trifft daher den Kern der Untersuchung und<br />

kann im S<strong>in</strong>ne des Forschungs<strong>in</strong>teresses für die Befragungen e<strong>in</strong>gesetzt (siehe Kapitel 7.1.2)<br />

und zugleich dem Auswertungsverfahren der erhobenen Daten zugrunde gelegt werden.<br />

Die im bisherigen Verlauf der Auswertung entstandenen Paraphrasen der Schüleraussagen<br />

werden daher auf ihre <strong>in</strong>haltlichen Bezüge h<strong>in</strong> untersucht und e<strong>in</strong>er adäquaten Bestimmungsgröße<br />

zugeordnet. Die Subsumtion dient der weiteren Verdichtung und Bündelung des<br />

Materials, <strong>in</strong>dem ähnliche Auszüge e<strong>in</strong>ander zugeordnet und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zusammenschau<br />

dargestellt werden. Nur so ist e<strong>in</strong> erweiterter, vertiefter und erfassbarer E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das<br />

Datenmaterial möglich.<br />

Im Folgenden werden die Zuordnungskriterien vorgestellt, d. h. die die E<strong>in</strong>ordnung der<br />

Paraphrasen leitenden Regeln.<br />

Nr. Regelsystem Beispiel Paraphrase – Kategorie<br />

R1 Die e<strong>in</strong>deutige<br />

Paraphrase<br />

Zuordnung <strong>in</strong> die<br />

entsprechende<br />

Kategorie<br />

Die Schüler kooperieren nicht mit anderen Gruppen.<br />

Durch die Selbsterarbeitung wird die Lernwirksamkeit<br />

gesteigert.<br />

Das Gespräch mit dem Lehrer br<strong>in</strong>gt viel.<br />

Der Schüler kommt mit den Leittexten gut zurecht.<br />

Der Lehrer muss <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> sehr<br />

kompetent se<strong>in</strong>.<br />

KKL<br />

SF<br />

BL<br />

SF<br />

BL


140 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

R2 Die e<strong>in</strong>deutige<br />

Paraphrase bei<br />

Mehrfachzuordenbarkeit<br />

Zuordnung <strong>in</strong> die vom<br />

Schüler präferierte<br />

Kategorie<br />

R3 Die mehrdeutige<br />

Paraphrase<br />

Zuordnung zur<br />

näherliegenden<br />

Kategorie<br />

R4 Die Sowohl-als-auch-<br />

Paraphrase<br />

Zuordnung zu e<strong>in</strong>er<br />

gemischten Kategorie<br />

Die Selbsterarbeitung ist nicht geeignet, um schwierige<br />

Inhalte zu verstehen.<br />

Der Schüler kommt mit den Leittexten nicht zurecht.<br />

Das Informationsmaterial sollte ausführlicher se<strong>in</strong>.<br />

Die Erläuterung dieser Thematik durch den Gruppenpartner<br />

ist vorteilhaft, weil ... Hätte die Erklärungen der Lehrer<br />

geliefert, wäre das bestimmt auch günstig gewesen.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht, h<strong>in</strong> und<br />

wieder lässt die Fragestellung zu wünschen übrig.<br />

Die Leittexte s<strong>in</strong>d zwar <strong>in</strong> Ordnung, trotzdem würde der<br />

Schüler die Lehrerunterstützung bei der Bearbeitung des<br />

Aufgabenblattes bevorzugen.<br />

Es spielt ke<strong>in</strong>e Rolle, ob man sich Inhalte selbst erarbeitet<br />

oder ob diese durch den Lehrer erläutert werden.<br />

Legende: BL: Beratende Lehrerrolle<br />

KKL: Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

R: Regel<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Übersicht 7-16: Zuordnungsregeln<br />

BL<br />

BL<br />

BL<br />

KKL<br />

SF<br />

BL<br />

SF/BL<br />

Nachstehend verdeutlichen die s<strong>in</strong>nexplizierenden Erläuterungen der e<strong>in</strong>zelnen Regeln deren<br />

H<strong>in</strong>tergrund.<br />

Anhand von Regel 1 werden die e<strong>in</strong>deutigen Paraphrasen den entsprechenden Kategorien<br />

zugeordnet. Aufgrund obiger Exemplifikation s<strong>in</strong>d diesbezüglich ke<strong>in</strong>e weiteren Erläuterungen<br />

nötig.<br />

Nach Regel 2 erfolgt die Zuordnung e<strong>in</strong>deutiger Paraphrasen, die im H<strong>in</strong>blick auf die den<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> beschreibenden Kategorien mehrfach zuordenbar wären<br />

nach den vom Probanden zum Ausdruck gebrachten Aspekten. Erst durch e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

Zuordnung der sprachlichen E<strong>in</strong>heiten ermöglichendes Regelsystem ist gewährleistet, dass<br />

sich wie Kromrey (1998, S. 313) fordert, die Kategorien e<strong>in</strong>ander ausschließen. Die vom<br />

Schüler gegebenen und umschriebenen Reflexionen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s<br />

weisen oftmals Aspekte verme<strong>in</strong>tlich e<strong>in</strong>deutiger Präferenzen auf. So wird e<strong>in</strong>e Passage<br />

jeweils der Kategorie zugeordnet, für die sich der Schüler implizit ausspricht. Beispielsweise<br />

wird bei der Ausführung ‚Die Selbsterarbeitung ist nicht geeignet, um schwierige Inhalte zu<br />

verstehen’ davon ausgegangen, dass der Lernende e<strong>in</strong> ausgeprägteres lehrerunterstütztes<br />

Arbeiten bevorzugen würde. Daher wird diese Paraphrase der Kategorie ‚Beratende Lehrerrolle’<br />

zugeordnet. In e<strong>in</strong>em anderen Fall stellt sich die Frage, welche S<strong>in</strong>nstrukturen h<strong>in</strong>ter der<br />

Aussage stehen, ‚Der Schüler kommt mit den Leittexten nicht zurecht’. Impliziert dies e<strong>in</strong>e


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 141<br />

Forderung nach e<strong>in</strong>em wie auch immer geartetem Tätigwerden der Lehrkraft, dann könnte<br />

beispielsweise e<strong>in</strong>e ausgeprägtere Unterstützung des Schülers während der Durcharbeitung<br />

des Leittextes geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>. Auch wäre es möglich, Änderungen im Leittext oder sonstige,<br />

zusätzliche Hilfsmittel oder dergleichen zu erwarten. Es wird bemerkt, dass die aufgrund der<br />

Schüleraussage formulierten, verme<strong>in</strong>tlich latent vorhandenen, h<strong>in</strong>ter der sprachlichen E<strong>in</strong>heit<br />

liegenden S<strong>in</strong>nstrukturen nicht zw<strong>in</strong>gend als Abbildungen der Schülersicht zu verstehen s<strong>in</strong>d.<br />

Mag se<strong>in</strong>, dass sich dies als Ergebnis e<strong>in</strong>es, zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt noch durchzuführenden<br />

Auswertungsschrittes herauskristallisiert, zum gegenwärtigen Zeitpunkt dient das<br />

Abstrahieren latenter S<strong>in</strong>nstrukturen lediglich als Vorab-Interpretation, die nötig ist, um e<strong>in</strong><br />

Kategoriensystem so festzulegen, dass die Kategorien e<strong>in</strong>ander tatsächlich ausschließen. Die<br />

hier determ<strong>in</strong>ierte Erwartungshaltung <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er Lehreraktivität erlaubt die e<strong>in</strong>deutige<br />

Zuordnung zur Kategorie ‚Beratende Lehrerrolle’. Die Kategorie ‚Selbststeuerung und<br />

Freiheitsgrade’ wäre als mögliche Alternative <strong>in</strong> Betracht zu ziehen, beispielsweise im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er problembehafteten Selbststeuerung. Regel 2 schließt e<strong>in</strong>e diesbezügliche Zuordnung<br />

aber aus.<br />

Regel 3 erlaubt die Zuordnung mehrdeutiger Paraphrasen, die Sowohl-als-auch-Aspekte<br />

aufweisen, wobei die Art der Formulierung trotzdem auf das im Wesentlichen Bevorzugte<br />

verweist. Die Umschreibung ‚Die Erläuterung dieser Thematik durch den Gruppenpartner ist<br />

vorteilhaft, weil ... Hätte die Erklärungen der Lehrer geliefert, wäre das bestimmt auch<br />

günstig gewesen’ könnte sowohl der Kategorie ‚Kooperatives und kommunikatives Lernen’<br />

als auch der Kategorie ‚Beratende Lehrerrolle’ zugeordnet werden. Da allerd<strong>in</strong>gs die Vorzüge<br />

der Erläuterung durch den Gruppenpartner angegeben werden, wird hierauf auch die<br />

Präferenz des Probanden abgebildet. Daher ist diese Paraphrase der Kategorie ‚Kooperatives<br />

und kommunikatives Lernen’ zuzuordnen.<br />

E<strong>in</strong>e Paraphrase, bei der sich Sowohl-als-auch-Aspekte die Waage halten, werden lt. Regel 4<br />

e<strong>in</strong>er tatsächlich neu zu bildenden, die genannten Aspekte enthaltenden Kategorie zugeordnet.<br />

Die neue Kategorie setzt sich demgemäß aus den E<strong>in</strong>zelkategorien zusammen, <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>gliederung generell möglich wäre. Obiges Beispiel ‚Es spielt ke<strong>in</strong>e Rolle, ob man sich<br />

Inhalte selbst erarbeitet oder ob diese durch den Lehrer erläutert werden’ wird daher unter die<br />

Begrifflichkeit ‚Selbststeuerung und Freiheitsgrade’ / Beratende Lehrerrolle’ subsumiert. Im<br />

S<strong>in</strong>ne der Forschungsfragen soll die Reflexion des erlebten <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s<br />

so dargestellt werden, dass aus dieser Abbildung die tendenziellen Sichtweisen jedes<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schülers offen gelegt s<strong>in</strong>d. Dabei soll jede Aussage gleichgewichtet e<strong>in</strong>fließen,<br />

Mehrfachzuordnungen s<strong>in</strong>d demgemäß zu vermeiden.<br />

Abschließend sei bemerkt, dass <strong>in</strong>nerhalb der Paraphrase e<strong>in</strong>gefügte Absätze (vgl. Übersicht<br />

7-9 und 7-15, Nr. 3, angedeutet durch ‚...’) darauf h<strong>in</strong>weisen, dass das Gespräch e<strong>in</strong>e andere<br />

Richtung e<strong>in</strong>schlägt, trotzdem aber ke<strong>in</strong>er neuen Thematik zuzuordnen ist. Die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Absätze sollen bei der weiteren Auswertung die Subsumtion unter Subkategorien erleichtern,<br />

weil vielleicht alle Absätze <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Paraphrasenfeldes e<strong>in</strong>er Hauptkategorie zuzuordnen<br />

s<strong>in</strong>d, jedoch e<strong>in</strong>e Zuordnung zu unterschiedlichen Subkategorien erforderlich ist. Die<br />

endgültige Kodierung und E<strong>in</strong>teilung erfolgt nämlich, wie Übersicht 7-19 zeigen wird unter<br />

noch festzulegenden Unterkategorien.


142 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.3.2 Inhaltliche Darstellung der E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

Ähnlich der Kollektivbefragung dient dieser Auswertungsschritt dazu, die verschrifteten<br />

Rohdaten der Abschluss<strong>in</strong>terviews zu strukturieren, zu bündeln und zu reduzieren. Der durch<br />

die Kollektivbefragung entstandene E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Denkart der Probanden soll hiermit weiter<br />

vertieft werden, um so e<strong>in</strong>e solide Basis für die abschließende Beurteilung der Schülersicht zu<br />

erhalten.<br />

Die Umgestaltung des Rohdatenmaterials der E<strong>in</strong>zelbefragungen führt wiederum zu e<strong>in</strong>er<br />

tabellarischen Darstellung. Die im E<strong>in</strong>zelnen durchlaufenen Auswertungsschritte werden<br />

anhand des folgenden Beispiels nachvollzogen.<br />

Transkribierter Gesprächsauszug aus der Befragung e<strong>in</strong>es Probanden:<br />

I: Wie bist du mit diesen Leittexten - hier so (e<strong>in</strong> Aufgabenblatt wird gezeigt) - und diesen<br />

Aufgabenblättern zurechtgekommen?<br />

P: Ach eigentlich ganz gut, also ich hatte eigentlich ke<strong>in</strong>e Probleme damit. Durchgelesen<br />

und ...<br />

I: ... gepasst?<br />

P: Mhm (ja).<br />

...<br />

I: Wenn du dir dies mal hier anschaust – nur e<strong>in</strong> Beispiel (LE 8, Informations- und Aufgabenblatt:<br />

Selbsthalteschaltung) – würde es hilfreich se<strong>in</strong>, wenn der Lehrer die Anweisungen,<br />

die hier stehen, wenn er die vorab mit euch noch mal zusammen durchg<strong>in</strong>ge?<br />

P: Muss nicht unbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>. Also es könnte durchaus se<strong>in</strong>, dass irgendwo e<strong>in</strong>e Frage<br />

aufkommt, aber eigentlich s<strong>in</strong>d die Fragen so gestellt oder die Aufgaben so gestellt, dass<br />

sie eigentlich leicht verständlich s<strong>in</strong>d und dass es klar ist, was eigentlich zu machen ist.<br />

Und sollte es wirklich e<strong>in</strong>e Frage oder e<strong>in</strong>e Aufgabe geben, die zweideutig vielleicht<br />

kl<strong>in</strong>gen könnte oder so, dann fragt man halt beim Lehrer nach. Und ich glaub, das würde<br />

zuviel vom <strong>Unterricht</strong> wegnehmen, wenn da der Lehrer jede Frage e<strong>in</strong>zeln durchgehen<br />

muss.<br />

I: Ich verstehe, was du me<strong>in</strong>st.<br />

I: Wie bist du mit dieser Literatur (grüne BIBB-Hefte), mit diesen Heften zurechtgekommen?<br />

...


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 143<br />

Umgestaltete Gesprächsauszüge für den Probanden P:<br />

Nr. Gegenstand Kat. Paraphrase<br />

1 ... ...<br />

2 SF Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht.<br />

3 Bsp.:<br />

LE 8,<br />

Blatt: Signalspeicherung<br />

4 ... ... ...<br />

Legende: Kat.: Kategorie<br />

LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

SF Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter bedürfen ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung<br />

vorab durch die Lehrkraft, weil die Aufgaben verständlich s<strong>in</strong>d und<br />

man weiß, was zu tun ist. Sollten bei e<strong>in</strong>er Frage Probleme auftreten,<br />

fragt man beim Lehrer nach. Das würde zuviel vom <strong>Unterricht</strong><br />

wegnehmen, wenn der Lehrer jede Frage e<strong>in</strong>zeln durchgehen müsste.<br />

Übersicht 7-17: Auszug ‚E<strong>in</strong>zelbefragung – Paraphrase’<br />

7.3.2.1 Das Übertragen des Rohmaterials und das Elim<strong>in</strong>ieren<br />

Die Bearbeitungsschritte ‚das Übertragen des Rohmaterials’ und ‚das Elim<strong>in</strong>ieren’ werden <strong>in</strong><br />

nachfolgender Beschreibung zusammengefasst, weil e<strong>in</strong>e ausführliche und <strong>in</strong>sbesondere<br />

redundante Erläuterung der Schritte aufgrund der bereits <strong>in</strong> der Gruppenbefragung dargestellten<br />

ähnlichen Zusammenhänge unnötig ist.<br />

Die Bearbeitung der E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews ist wesentlich leichter zu bewerkstelligen als dies für<br />

Kollektivbefragungen der Fall ist, zumal für jeden Schüler nur e<strong>in</strong>e Befragung durchgeführt<br />

wurde. Da ke<strong>in</strong>e Probandenmarkierungen vorzunehmen und ke<strong>in</strong>e Zusammenhänge zwischen<br />

e<strong>in</strong>zelnen Aussagen zu suchen s<strong>in</strong>d, können die Daten direkt <strong>in</strong> Word-Tabellen übertragen<br />

werden. E<strong>in</strong>e Spalte nimmt dazu wieder das Gesamt<strong>in</strong>terview auf, wobei auch hier – ähnlich<br />

der Übertragung des Rohmaterials der Kollektivbefragungen – für jede neue Wortmeldung<br />

e<strong>in</strong>e neue Zeile verwendet wird. In e<strong>in</strong>er weiteren Spalte s<strong>in</strong>d die Regeln bei etwaigen<br />

Elim<strong>in</strong>ierungsschritten e<strong>in</strong>zutragen. Hier gelten die unter Kapitel 7.3.1.2 entwickelten<br />

Elim<strong>in</strong>ierungsregeln, daher soll auf e<strong>in</strong>e weitere Ausführung an dieser Stelle verzichtet<br />

werden. Der Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen Themas wird mit Hilfe e<strong>in</strong>er Doppell<strong>in</strong>ie gekennzeichnet.<br />

Der Zwischenschritt, um zu oben gezeigter Übersicht 7-17 zu gelangen, ist nachstehend<br />

abgebildet.


144 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Nr. Interview Regeln<br />

1 ...<br />

2 I: Wie bist du mit diesen Leittexten - hier so (e<strong>in</strong> Aufgabenblatt wird gezeigt) - und<br />

diesen Aufgabenblättern zurechtgekommen?<br />

3 P: Ach eigentlich ganz gut, also ich hatte eigentlich ke<strong>in</strong>e Probleme damit.<br />

Durchgelesen und ...<br />

4 I: ... gepasst?<br />

5 P: Mhm (ja).<br />

6 ...<br />

7 I: Wenn du dir dies mal hier anschaust – nur e<strong>in</strong> Beispiel (LE 8, Informations- und<br />

Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung) – würde es hilfreich se<strong>in</strong>, wenn der Lehrer die<br />

Anweisungen, die hier stehen, wenn er die vorab mit euch noch mal zusammen<br />

durchg<strong>in</strong>ge?<br />

8 P: Muss nicht unbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>. Also es könnte durchaus se<strong>in</strong>, dass irgendwo e<strong>in</strong>e<br />

Frage aufkommt, aber eigentlich s<strong>in</strong>d die Fragen so gestellt oder die Aufgaben so<br />

gestellt, dass sie eigentlich leicht verständlich s<strong>in</strong>d und dass es klar ist, was<br />

eigentlich zu machen ist. Und sollte es wirklich e<strong>in</strong>e Frage oder e<strong>in</strong>e Aufgabe geben,<br />

die zweideutig vielleicht kl<strong>in</strong>gen könnte oder so, dann fragt man halt beim Lehrer<br />

nach. Und ich glaub, das würde zuviel vom <strong>Unterricht</strong> wegnehmen, wenn da der<br />

Lehrer jede Frage e<strong>in</strong>zeln durchgehen muss.<br />

9 I: Ich verstehe, was du me<strong>in</strong>st. 1a<br />

10 I: Wie bist du mit dieser Literatur (grüne BIBB-Hefte), mit diesen Heften<br />

zurechtgekommen?<br />

11 ...<br />

Legende: I: Interviewer<br />

P: Proband<br />

Übersicht 7-18: Auszug ‚E<strong>in</strong>zelbefragung – Interview’<br />

7.3.2.2 Das Paraphrasieren, die Vervollkommnung der e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutigen Zuordnung<br />

und die Kategorienbildung<br />

Um das nun vorliegende Material zu paraphrasieren, wird e<strong>in</strong>e weitere Tabelle angelegt.<br />

Diese umfasst neben der Umschreibung wieder die Abbildung des Gegenstandes und der<br />

entsprechenden Kategorien (vgl. Übersicht 7-17). Paraphrasierung und Kategorienbildung<br />

werden nach den gleichen Regeln durchgeführt, wie sie unter Kapitel 7.3.1, Inhaltliche<br />

Darstellung der Kollektivbefragung, bereits erarbeitet wurden. Weitere Erläuterungen<br />

diesbezüglich s<strong>in</strong>d daher nicht erforderlich. Es wird aber noch e<strong>in</strong>mal explizit auf das zur<br />

Paraphrasenbildung verwendete Tempus h<strong>in</strong>gewiesen. Trotzdem die Schüler die <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

abgeschlossen haben und bei der Beantwortung der Fragen zwangsläufig die


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 145<br />

Vergangenheitsform wählen, wird die Umschreibung – wie bereits bei der Kollektivbefragung<br />

begründet – mit Hilfe des Präsens formuliert. Somit werden Unterschiede <strong>in</strong> den Ausführungen<br />

der Probanden, die lediglich auf dem Erhebungszeitpunkt basieren, elim<strong>in</strong>iert. Da die<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung u. a. deshalb durchgeführt wird, weil mögliche Nachteile e<strong>in</strong>er Gruppenbefragung<br />

kompensiert werden sollen und weil vorwiegend die „<strong>in</strong>haltlich-thematische Seite des<br />

Materials“ (Mayr<strong>in</strong>g 1996, S. 74) von Interesse ist, ist es <strong>in</strong> der Regel nicht von Belang,<br />

welche Zeitform der Proband verwendet. Auch bei Abänderung des Tempus bleibt die<br />

<strong>in</strong>haltlich-thematische Komponente der Schüleraussage erhalten. Siehe dazu ferner die<br />

Ausführungen unter Kapitel 7.3.1.4.<br />

Es sei angemerkt, dass auch <strong>in</strong> diesem Kapitel die entscheidenden Schritte der Umarbeitung<br />

des vertonten Materials zusammengefasst wurden, weil sich wesentliche Erläuterungen<br />

diesbezüglich bereits <strong>in</strong> den Ausführungen zur Kollektivbefragung f<strong>in</strong>den.<br />

7.3.3 Die Zusammenführung der Datenschienen<br />

In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt der Datenauswertung werden die Befragungsstränge Kollektiv- und<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung zusammengeführt, um mit Hilfe dieser Maßnahme endgültig e<strong>in</strong> überschaubares<br />

Bild e<strong>in</strong>es Schülers darstellen zu können. Wie bereits mehrfach erwähnt, dienen<br />

Gruppen- und E<strong>in</strong>zelbefragung demselben Zweck, nämlich – vere<strong>in</strong>facht formuliert – die<br />

Sichtweise e<strong>in</strong>es Schülers bzgl. e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s zu ergründen.<br />

Gleichzeitig sollen sich die Interviewschienen ergänzen und die Nachteile der unterschiedlichen<br />

Erhebungsverfahren ausgeglichen werden. Deshalb kann es als legitim angesehen<br />

werden, die beiden Schienen zusammenzuführen. Die vorab beschriebenen Auswertungsschritte<br />

legen den Grundste<strong>in</strong> für die Zusammenführung der Interviews, weil das Rohdatenmaterial<br />

unter gleichen Bed<strong>in</strong>gungen und mit denselben Verfahren aufbereitet und ausgewertet<br />

wurde. Die Integration erfolgt nach e<strong>in</strong>em präzise def<strong>in</strong>ierten Ordnungssystem. Der<br />

‚Gegenstand' wird nicht mehr <strong>in</strong> die Tabelle aufgenommen, sondern als Fußnote abgebildet.<br />

Dadurch wird der Blick auf das Wesentliche, nämlich die Paraphrasen gelenkt. Bei Bedarf,<br />

beispielsweise bei e<strong>in</strong>er nötigen Vertiefung der H<strong>in</strong>tergründe kann der Gegenstand über die<br />

Fußnote ermittelt werden. Die Kategorien bilden das wichtigste Kriterium zur E<strong>in</strong>ordnung der<br />

Aussagen bzw. der Paraphrasen des jeweiligen Schülers. So werden die Elemente der<br />

Gruppen- als auch Abschlussbefragung unter den entsprechenden Kategorien mit Angabe<br />

ihrer Herkunft – Gruppenbefragung (G) oder E<strong>in</strong>zelbefragung (E) – subsumiert. Innerhalb<br />

dieser Gruppierung wird nun e<strong>in</strong>e weitere Unterteilung vorgenommen. Die E<strong>in</strong>führung von<br />

Subkategorien erfolgt deshalb erst an dieser Stelle, weil die Zusammenführung der Datenschienen<br />

nun soweit E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Datenmaterial gewährt, dass aus diesem e<strong>in</strong>e weitere<br />

Kodierungsmöglichkeit ersichtlich wird. Versuche zur Beurteilung der nun vorliegenden<br />

kodierten Paraphrasen zeigen, dass e<strong>in</strong>e anspruchsvollere Kodierung aufgrund der fortschreitenden<br />

Strukturierung die spätere Darstellung der Ergebnisse und deren Beurteilung<br />

erleichtert, weil thematisch ähnliche Aussagen noch schneller und gründlicher erfasst werden<br />

können. E<strong>in</strong> noch stärker gegliedertes Kategoriensystem ist jedoch nicht vorgesehen, weil<br />

früher oder später e<strong>in</strong> Wendepunkt erreicht wird, der die erneute Splitterung des Datenmaterials<br />

auf Kosten der bisher geforderten erfassbaren Darstellungsweise e<strong>in</strong>leitet.<br />

Folgende Subkategorien bieten sich für die weitere Strukturierung an:


146 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Nr. Kategorie Subkategorie<br />

1 HU Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Vergleich von Lernorten (überbetriebliche, betriebliche Ausbildung)<br />

2 SF Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Selbstgesteuertes Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte, Aufgabenblätter<br />

Informationsmaterial<br />

3 BL Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Lehrerunterstütztes Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte, Aufgabenblätter<br />

Informationsmaterial<br />

4 SF/BL Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Selbstgesteuertes Lernen, Lehrerunterstütztes Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte, Aufgabenblätter<br />

Informationsmaterial<br />

5 KAL Fachliches<br />

Biegevorrichtung<br />

6 KKL Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Gegenseitiges <strong>Unterricht</strong>en<br />

7 IOL Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Abschlusstest 6/7<br />

Abschlusstest 8<br />

Abschlusstest 9<br />

8 IFU Allgeme<strong>in</strong>es, Individuelles<br />

Praktische Umsetzung der Theorie<br />

Legende: BL: Beratende Lehrerrolle<br />

HU: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

IFU: Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

IOL: Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

KAL: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

KKL: Kooperative und kommunikatives Lernen<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Übersicht 7-19: Subkategorien<br />

Wie aus obiger Übersicht erkennbar, s<strong>in</strong>d die Subkategorien nur grob gefasst, da, wie bereits<br />

mehrfach erwähnt, die Individualität im S<strong>in</strong>ne des Forschungs<strong>in</strong>teresses im Vordergrund<br />

steht. Die Untergruppierungen ergeben sich aus dem oben bereits vorgestellten Leitfaden und<br />

dem vorliegenden Datenmaterial und werden nicht, wie dies bei den Hauptkategorien der Fall<br />

ist, im H<strong>in</strong>blick auf die Forschungsfragen vorab genau def<strong>in</strong>iert. Die Fragestellungen<br />

<strong>in</strong>duzieren zwar die Subkategorien, das Material selbst gibt aber erst Auskunft über die<br />

konkrete Ausformung, die im Leitfaden noch nicht präzise festgelegt ist. Aufgrund dieser<br />

Vorgehensweise, nämlich Kategorien e<strong>in</strong>erseits deduktiv anhand des zu untersuchenden<br />

<strong>Unterricht</strong>skonzepts festzulegen und andererseits über die erhobenen Daten <strong>in</strong>duktiv zu<br />

def<strong>in</strong>ieren, entsteht e<strong>in</strong> umfängliches Raster, das die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Schritt zu beurteilen-


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 147<br />

den Schüleraussagen im Wesentlichen widerspruchsfrei gruppieren kann. „Das gesamte<br />

Kategoriensystem kann [nun im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er qualitativen Inhaltsanalyse, d. Verf.] <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die Fragestellung und dah<strong>in</strong>terliegende Theorie <strong>in</strong>terpretiert werden“ (Mayr<strong>in</strong>g 1996, S. 94).<br />

Nachstehend sollen die Subkategorien im E<strong>in</strong>zelnen erläutert werden, wobei die Ausführungen<br />

für mehrere Hauptkategorien zutreffend s<strong>in</strong>d:<br />

Allgeme<strong>in</strong>es und Individuelles<br />

Diese Subkategorie enthält alle sprachlichen E<strong>in</strong>heiten, die im Rahmen der entsprechenden<br />

Hauptkategorie allgeme<strong>in</strong> und sehr schülerspezifisch ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Diese Aussagen<br />

enthalten oftmals deutliche narrative Elemente.<br />

Vergleich von Lernorten<br />

Hier wird der von e<strong>in</strong>igen Schülern bereits betrieblich oder überbetrieblich durchlaufene<br />

<strong>Unterricht</strong> zur Steuerungstechnik mit dem Berufsschulunterricht verglichen. Wie beurteilen<br />

die Schüler beispielsweise die unterschiedlichen Lernstrecken, welche Vor- und Nachteile<br />

führen sie an?<br />

Selbstgesteuertes Lernen<br />

Die Subkategorie sammelt alle Aussagen bzgl. e<strong>in</strong>es selbstgesteuerten Lernens im Rahmen<br />

der jeweiligen Hauptkategorie.<br />

Lehrerunterstütztes Lernen<br />

Die Subkategorie sammelt alle Aussagen bzgl. e<strong>in</strong>es lehrerunterstützten Lernens im Rahmen<br />

der jeweiligen Hauptkategorie.<br />

Lernwirksamkeit<br />

Hier sammeln sich die Textpassagen zur Lernwirksamkeit des erlebten Lehr-Lern-Prozesses.<br />

Welche Lehr-Lern-Prozesse erhöhen z. B. die Lernwirksamkeit, wann ist mit schlechteren<br />

Resultaten zu rechnen?<br />

Leittexte, Aufgabenblätter<br />

Diese Kategorie umfasst alle Bemerkungen zu den Leittexten im Allgeme<strong>in</strong>en und den<br />

Arbeitsblättern im Besonderen.<br />

Informationsmaterial<br />

Sämtliche Aussagen zu den neben den Leittexten zur Verfügung stehenden Unterlagen, wie z.<br />

B. Tabellenbuch, Fachkundebuch und sonstige Fachliteratur zur Pneumatik bzw. Elektropneumatik<br />

werden hier zusammengetragen.<br />

Fachliches<br />

Im Rahmen der Hauptkategorie ‚Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet’ werden hier<br />

fachliche Themen subsumiert, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong>dividuelle fachliche Probleme.


148 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

Biegevorrichtung<br />

Die Subkategorie umfasst alle Aussagen zur komplexen Aufgabenstellung, welche die<br />

Biegevorrichtung im Allgeme<strong>in</strong>en betreffen. Wie stellt sich beispielsweise das Objekt für die<br />

Schüler dar oder welche Unterschiede ergeben sich zur Arbeitsweise am Steckbrett?<br />

Gegenseitiges <strong>Unterricht</strong>en<br />

Hier ist <strong>in</strong>sbesondere die Kooperation und Kommunikation unter den Schülern angesprochen.<br />

Inwieweit helfen sich die Schüler gegenseitig und schlüpfen ggf. <strong>in</strong> die Lehrer- bzw.<br />

Schülerrolle?<br />

Abschlusstest 6 bis 9<br />

Die Subsumtion aller Belange zu den e<strong>in</strong>zelnen Abschlusstests erfolgt <strong>in</strong> dieser Kategorie.<br />

Praktische Umsetzung der Theorie<br />

Im S<strong>in</strong>ne der Hauptkategorie werden hier alle, die praktische Arbeit betreffenden E<strong>in</strong>heiten<br />

zugeordnet, z. B. Aussagen über das Verkabeln der Selbsthalteschaltung und der daraus zu<br />

ziehende Nutzen.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Paraphrasen beider Interviewformen, sowohl der Kollektiv- als auch der<br />

E<strong>in</strong>zelbefragung, werden nun unter den entsprechenden Hauptkategorien gesammelt. Erlaubt<br />

es die Sortierreihenfolge, so werden zuerst die Aussagen aus der Gruppenbefragung (G), dann<br />

jene aus der E<strong>in</strong>zelbefragung (E) abgebildet. Die aus Kapitel 7.3.1.5 bereits bekannte<br />

‚Zuordnung des Gegenstandes’, sprich die ggf. notwendige nähere Erläuterung der <strong>in</strong> den<br />

Interviews besprochenen Themen muss auch <strong>in</strong> dieser Darstellung beibehalten werden. Um<br />

den Lesefluss nicht zu stören, werden diese Angaben durch Fußnoten <strong>in</strong> die Zusammenschau<br />

e<strong>in</strong>gebracht. So kann das vorliegende Material, das nun alle wesentlichen Kernaussagen e<strong>in</strong>es<br />

Schülers übersichtlich und sortiert enthält, e<strong>in</strong>er Beurteilung und Bewertung zugeführt<br />

werden.<br />

Das unter Kapitel 7.3.1.6 erarbeitete Regelsystem zur E<strong>in</strong>ordnung von Textstellen wird auch<br />

auf die Subkategorien übertragen. Trotzdem muss hier noch differenzierter gearbeitet werden,<br />

weil die oben beschriebene fortschreitende Strukturierung diffizilere Überlegungen zur<br />

E<strong>in</strong>ordnung fordert. Folgendes Beispiel mag dies verdeutlichen:<br />

Die Paraphrase<br />

‚Der Schüler kommt gut damit zurecht, dass die Lehrkraft nicht im Mittelpunkt steht, so<br />

wird man zu selbstständigem Arbeiten angeregt.’<br />

wird – wie offensichtlich erkennbar – <strong>in</strong> die Kategorien ‚Selbststeuerung und Freiheitsgrade’<br />

und ‚Selbstgesteuertes Lernen’ e<strong>in</strong>geordnet, während e<strong>in</strong>e weitere, von e<strong>in</strong>em anderen<br />

Probanden stammende Paraphrase<br />

‚Der Schüler kommt gut damit zurecht, dass die Lehrkraft nicht im Mittelpunkt steht,<br />

weil er damit mehr für den E<strong>in</strong>zelnen erklären kann.’<br />

den Kategorien ‚Beratende Lehrerrolle’ und ‚Lehrerunterstütztes Lernen’ zugeordnet wird.<br />

Mit obigen Überlegungen ergibt sich nun folgende Übersicht:


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 149<br />

Nr. Kat. Subkat. Bfr. Paraphrase<br />

1 HU Allgeme<strong>in</strong>es und G Der Schüler will abwarten, was sich im Laufe der Zeit durch<br />

Individuelles<br />

das, für die Gruppe neue <strong>Unterricht</strong>skonzept, ergibt.<br />

2 E An die erste Stunde er<strong>in</strong>nert sich der Schüler ungern, weil<br />

die Gruppe zu diesem Zeitpunkt noch nichts wusste. Da hat<br />

man gemerkt, dass man dumm ist und nichts weiß, wenn der<br />

Lehrer zur Steuerungstechnik etwas fragt. Im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

gesehen, ist der Lernfortschritt sehr gut, weil man es bis LE<br />

8 geschafft hat.<br />

3<br />

... ...<br />

4 E Die Unterstützung durch den Lehrer beim Durcharbeiten des<br />

Wissenskontrollblattes ist nicht notwendig, weil man sich<br />

das meiste schon erarbeitet hat und daher bei etwaigen<br />

Schwierigkeiten sofort weiß, wo man suchen muss.<br />

Ansonsten kann man den Lehrer fragen.<br />

5 G Der Schüler fühlt sich nach der Bearbeitung des Blattes ‚Das<br />

Relais als Signalverarbeitungselement’ 1 sicher genug, e<strong>in</strong>e<br />

Prüfung zu schreiben. Die eigenständige Erarbeitung trägt<br />

hierzu bei. Er erwartet noch e<strong>in</strong>e Rücksprache mit dem<br />

Lehrer, um letztendlich e<strong>in</strong>e Musterlösung vorliegen zu<br />

haben. Das Gespräch trägt dazu bei, eigene Fehler zu<br />

erkennen und zu sehen, wie man es besser machen könnte.<br />

6 G E<strong>in</strong>e Korrektur durch den Lehrer ist nicht zw<strong>in</strong>gend<br />

notwendig, auch wenn der Schüler e<strong>in</strong>e Funktionsbeschreibung<br />

falsch abheften würde. Nachdem er weiß, wie das<br />

Ventil aussieht, wäre ihm die richtige Lösung beim erneuten<br />

Durchgehen klar geworden 2 SF Selbstgesteuertes<br />

Lernen<br />

.<br />

8<br />

G Die Arbeit mit dem Grenztaster 3 dauert nur so lange, weil<br />

die Gruppe selbst herausf<strong>in</strong>den will, wie es funktioniert.<br />

Anfänglich ist nicht klar, dass es sich hier um e<strong>in</strong> neues<br />

Bauteil (Grenztaster) handelt, aber durch das passende<br />

Informationsblatt wird dies dann geklärt. Die Gruppe hat<br />

sich aber bereits vorab Gedanken <strong>in</strong> diese Richtung<br />

gemacht.<br />

9 … ... ... ...<br />

____________________<br />

1 LE 6<br />

2 LE 7, Spezielles Problem, Fehler <strong>in</strong> der Funktionsbeschreibung,<br />

Leitblatt, 3.c) Schreiben Sie e<strong>in</strong>e genaue Funktionsbeschreibung<br />

3 LE 7, Leitblatt, 2.c) Bearbeiten Sie das vom Lehrer erhaltene Informationsblatt,<br />

Informationsblatt: Teil 1: Mechanischer Grenztaster<br />

Legende: Bfr.: Befragung<br />

E: E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

G: Gruppenbefragung<br />

HU: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Kat.: Kategorie<br />

Subkat.: Subkategorie<br />

Übersicht 7-20: Zusammenschau


150 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.3.4 Darstellung der Ergebnisse<br />

Das endgültige Ergebnis (hierzu vgl. Kapitel 8) stellt letztendlich die <strong>in</strong> Kapitel 7.3.3 gezeigte<br />

Zusammenschau auf e<strong>in</strong>er für den Leser nutzbaren Ebene dar, die e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e gewisse<br />

sprachliche Abstraktion zulässt und aufgrund synthetischer Prozesse Redundanzen elim<strong>in</strong>iert.<br />

Die Unterteilung <strong>in</strong> die jeweiligen Kategorien bleibt zur Zuordnung der Aussagen bestehen,<br />

die E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> die Subkategorien fließt <strong>in</strong> dieser Phase implizit mit e<strong>in</strong>, d. h. sie dient der<br />

Strukturierung <strong>in</strong>nerhalb der Hauptkategorien. Für das Verständnis der Aussagen ist die<br />

strukturierte Abfolge erforderlich, e<strong>in</strong> expliziter Verweis auf die e<strong>in</strong>zelnen Subkategorien<br />

allerd<strong>in</strong>gs unnötig. Nachfolgende Auszüge geben Ergebnisdarstellungen für die Kategorie<br />

‚Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>’ wieder.<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

(Satz 1:) Aufgrund e<strong>in</strong>er versäumten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit hat der Proband nicht das Gefühl,<br />

etwas zu verpassen oder nacharbeiten zu müssen. (Satz 2:) Stress entsteht aufgrund der<br />

versäumten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit nicht für ihn.<br />

…<br />

Übersicht 7-21a: Ergebnisdarstellung<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

An die erste Stunde er<strong>in</strong>nert sich der Schüler ungern, weil die Gruppe weder mit der<br />

Thematik noch mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept vertraut war. Anfänglich möchte sich der<br />

Schüler zu dieser Art von <strong>Unterricht</strong> noch nicht äußern und abwarten, was sich im Laufe<br />

der Zeit durch das, für die Gruppe neue <strong>Unterricht</strong>skonzept, ergibt. Zu e<strong>in</strong>em späteren<br />

Zeitpunkt gibt der Proband aber an, dass er mit se<strong>in</strong>em Lernfortschritt sehr zufrieden ist.<br />

Insbesondere hätte er nie geglaubt, Schaltungen dieses Schwierigkeitsgrades stecken zu<br />

können. Der Schüler ist überzeugt davon, den <strong>Unterricht</strong> trotz kle<strong>in</strong>erer Probleme gut zu<br />

bewältigen und glaubt die Bestätigung dafür auch von der Lehrkraft zu erhalten. Nach<br />

durchlaufener Lernstrecke zeigt sich der Proband begeistert von diesem <strong>Unterricht</strong> und<br />

wünscht sich dies für alle Fächer, weil e<strong>in</strong> traditioneller <strong>Unterricht</strong> die Schüler zum<br />

Zuhören zw<strong>in</strong>gt.<br />

…<br />

Übersicht 7-21b: Ergebnisdarstellung<br />

Für diese Abstraktionsebene gilt zw<strong>in</strong>gend, ebenso wie für jeden anderen Reduktionsschritt,<br />

das unter Kapitel 7.3.1.4 Gesagte. Im H<strong>in</strong>blick auf die Authentizität der Schüleraussagen soll<br />

die Forschersicht <strong>in</strong> möglichst ger<strong>in</strong>gem Maße <strong>in</strong> die Abbildung mit e<strong>in</strong>fließen. In anderen<br />

Worten, die Ergebnisse stellen unabhängig von der Formulierung e<strong>in</strong>zig die von den<br />

Probanden gemachten Aussagen dar. Jedoch aufgrund der Verarbeitung der Orig<strong>in</strong>alaussagen,<br />

das heißt aufgrund der Paraphrasierung bis h<strong>in</strong> zu der soeben gezeigten Darstellung können –<br />

bed<strong>in</strong>gt durch die Satzumstellung –Aspekte e<strong>in</strong>er Forschersicht nicht gänzlich vermieden


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 151<br />

werden. Dies begründet sich schon dadurch, dass beispielsweise die Wortwahl <strong>in</strong>direkt e<strong>in</strong>e<br />

externe, d. h. <strong>in</strong> diesem Falle e<strong>in</strong>e Forschersicht widerspiegelt. Um jedoch e<strong>in</strong> leserfreundliches<br />

Konzept vorzulegen, werden auch Formulierungen verwendet, die nicht auf e<strong>in</strong>e<br />

Wiedergabe von Schüleraussagen schließen lassen würden, trotzdem dies der Fall ist.<br />

Beispielsweise wird auf den Konjunktiv verzichtet, aber auch das Weglassen typischer<br />

paraphrasene<strong>in</strong>leitender Formulierungen ermöglicht e<strong>in</strong>e verbesserte Lesbarkeit.<br />

Satz 1 aus Übersicht 7-21a zeigt die typische Ausformulierung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen<br />

Paraphrase. Durch die Nennung der betroffenen Person (… hat der Proband nicht das Gefühl<br />

…) wird die umschriebene Aussage als von ihr stammend gekennzeichnet. Satz 2 lässt diese<br />

e<strong>in</strong>deutige Zuordnung offen, weil ke<strong>in</strong>e explizite Person benannt ist. Die Koppelung der<br />

beiden Aussagen lässt aber darauf schließen, dass auch die zweite Aussage als von derselben<br />

Person feststellbar ist.<br />

Die permanente sprachliche Zuweisung von Aussage und Person erweist sich sowohl im<br />

Rahmen der Ausformulierung als auch des Nachvollzuges als mühsam und schwierig.<br />

Redundanzen dieser Art s<strong>in</strong>d unnötig und werden daher vermieden. E<strong>in</strong> wiederholtes<br />

E<strong>in</strong>flechten der Bezugsperson er<strong>in</strong>nert den Leser aber immer wieder daran, wem die<br />

Aussagen zuzuordnen s<strong>in</strong>d.<br />

Die endgültige Ergebnisdarstellung verlässt ebenfalls die Ebene der Unterscheidung nach<br />

Gruppen- oder E<strong>in</strong>zelbefragung. Die Differenzierung fließt jedoch mit e<strong>in</strong>, wenn sich<br />

widersprüchliche Aussagen herauskristallisieren sollten. Dies kann beispielsweise durch<br />

Formulierungen wie ‚Anfänglich möchte sich der Schüler …’ und dann ‚Zu e<strong>in</strong>em späteren<br />

Zeitpunkt gibt der Proband aber an …’ (vgl. Übersicht 7-21b) aufgefangen werden.<br />

7.4 Methodenreflexion<br />

Nachstehend wird das methodische Vorgehen bei der Datenerhebung, der Datentransformation<br />

und –aufbereitung und der Datenauswertung kritisch beleuchtet. Etwaige Probleme sollen<br />

aufgezeigt und deren Ursache und Wirkung auf die Forschungsergebnisse diskutiert werden.<br />

Außerdem soll geklärt werden, <strong>in</strong>wieweit die Untersuchung die <strong>in</strong> Kapitel 6.3 e<strong>in</strong>geführten<br />

Gütekriterien impliziert. So befasst sich Kapitel 7.4.1 explizit mit den <strong>in</strong> dieser Arbeit<br />

angewandten qualitativen Gütekriterien, während Kapitel 7.4.2 die konkrete Methodenreflexion<br />

darstellt, bezogen auf Datenerhebung, –aufbereitung und –auswertung. Dabei soll auch<br />

die Offenlegung der Ergebnisse, deren Interpretation und Beurteilung näher beleuchtet<br />

werden.<br />

7.4.1 Methodenreflexion anhand der Überprüfung qualitativer<br />

Gütekriterien<br />

Kapitel 6.3 stellt Gütekriterien vor, wie sie bei e<strong>in</strong>er qualitativen Untersuchung zugrunde<br />

gelegt werden könnten. Im Folgenden ist aufzudecken, <strong>in</strong>wieweit die angesprochenen<br />

qualitativen Gütekriterien mit vorliegender Arbeit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht werden und welche<br />

Konsequenzen sich daraus ergeben.


152 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.4.1.1 Validität<br />

Sowohl die Datenauswertung, als auch die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em späteren Schritt noch beschriebene<br />

Interpretation stützt sich sehr deutlich auf die Kriterien e<strong>in</strong>er ökologischen Validierung.<br />

Bereits die Def<strong>in</strong>ition der Ökologie, nämlich diese als ‚ungestörten Haushalt der Natur’ zu<br />

beschreiben, verdeutlicht die Intention dieser Validierungsmethode. Das Untersuchungsfeld<br />

e<strong>in</strong>er qualitativen Untersuchung soll – um gültige Daten zu gew<strong>in</strong>nen – als natürlicher<br />

Lebensraum, z. B. der Probanden, belassen werden, jegliche künstliche Umgestaltung ist zu<br />

vermeiden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden diese Kriterien weitestgehend<br />

erfüllt, weil es Ziel der Analyse ist, die möglichst unverfälschten E<strong>in</strong>schätzungen von<br />

Schülern zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Dies kann nur gel<strong>in</strong>gen, wenn die Versuchspersonen nicht durch Unbekanntes, die gewohnte<br />

Umgebung Veränderndes verunsichert oder irritiert werden. Das Forschungsfeld ist als sich<br />

selbst erklärend zu verstehen, so dass etwaige Veränderungen auch die Datengrundlage<br />

variieren würden. Wie bereits mehrmals schon erwähnt, soll der Schüler <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er natürlichen<br />

Lernumgebung befragt werden. Dies geht <strong>in</strong> dieser Untersuchung sogar so weit, dass der<br />

Schüler direkt an se<strong>in</strong>em konkreten Arbeitsplatz <strong>in</strong>terviewt wird, der lediglich durch die<br />

Anwesenheit des Interviewers e<strong>in</strong>e Veränderung erfährt. Der Forschere<strong>in</strong>fluss, <strong>in</strong> diesem<br />

Falle der E<strong>in</strong>fluss des Befragenden wird <strong>in</strong>soweit kompensiert, als beispielsweise auf das<br />

Forschungsfeld abgestimmte Regeln der Interviewtechnik e<strong>in</strong>gehalten werden. Siehe dazu<br />

<strong>in</strong>sbesondere Kapitel 7.1.2. Dort wird ausführlich erläutert, wie man e<strong>in</strong>e Datenerhebung im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ökologischen Validierung durchführen kann. Insofern kann e<strong>in</strong>e typische Frage,<br />

<strong>in</strong>wieweit die Interviewäußerungen authentisch, ehrlich und wirklich aufschlussreich s<strong>in</strong>d,<br />

dah<strong>in</strong> gehend beantwortet werden, dass aufgrund des adaptiven Forschungsvorgehens und des<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den des Forschers <strong>in</strong> die Umwelt mit e<strong>in</strong>em hohen Grad an Authentizität und Ehrlichkeit<br />

gerechnet werden kann, so dass die erhobenen Daten letztendlich tief greifende E<strong>in</strong>blicke<br />

<strong>in</strong> die soziale Wirklichkeit geben.<br />

Der Prozess der ökologischen Validierung spiegelt sich idealerweise nicht nur <strong>in</strong> der<br />

Datenerhebung wider, auch kann die Durchführung der Analyse- und Interpretationsschritte<br />

mit dem Wissen der ökologischen Validierung stattf<strong>in</strong>den. Dabei werden die Datenbearbeitungsschritte<br />

gegenstandsbezogen, also unter Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit<br />

entwickelt. Sogar die Interpretation und Beurteilung der Datenschienen erfolgt unter dem<br />

Gesichtspunkt der Realität.<br />

Auf e<strong>in</strong>e kommunikative Validierung mit den Probanden wird im Rahmen dieser Arbeit<br />

verzichtet. Dies hat mehrere Gründe. Da die Verarbeitung der erhobenen großen Datenmenge<br />

mit dieser Prägnanz nur mit e<strong>in</strong>em erheblichen Zeitaufwand durchzuführen ist, könnte e<strong>in</strong><br />

klärendes Gespräch mit den Versuchspersonen erst nach geraumer Zeit stattf<strong>in</strong>den. Dies<br />

würde e<strong>in</strong> Nachvollziehen der von den Probanden vorgebrachten Aussagen und e<strong>in</strong>e darauf<br />

begründete Validierung <strong>in</strong> Frage stellen. E<strong>in</strong> etwaiges Prüfungsgespräch unmittelbar nach den<br />

<strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten wäre ebenfalls nicht ausreichend, um e<strong>in</strong>e Validierung diesbezüglich zu<br />

begründen. E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d die Daten zu diesem Zeitpunkt noch nicht verschriftet und können<br />

der jeweiligen Versuchsperson nicht vorgelegt werden – e<strong>in</strong> Abspielen und Überprüfen der<br />

vertonten Aussagen würde außerdem den zeitlichen Rahmen sprengen und zudem e<strong>in</strong>e<br />

Motivation der Schüler fordern, die nicht zumutbar wäre, <strong>in</strong>sbesondere deshalb nicht, weil die<br />

weitere Befragung der Schüler nicht gefährdet werden soll.<br />

E<strong>in</strong>e kommunikative Validierung f<strong>in</strong>det allerd<strong>in</strong>gs mit der den <strong>Unterricht</strong> durchführenden<br />

Lehrkraft statt. So werden die Memo-Protokolle mit Hilfe der Lehrkraft ergänzt und zudem


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 153<br />

auch der Datenaufbereitungs-, der Datenauswertungs- und der Interpretationsprozess der<br />

ausgewerteten Daten mit dieser explizit besprochen. Dies ersche<strong>in</strong>t deshalb als zweckmäßig,<br />

weil die Lehrkraft die Charaktere der Schüler am besten def<strong>in</strong>ieren und etwaige Aussagen der<br />

Probanden h<strong>in</strong>terfragen kann. Zudem ist es möglich, die Lehrkraft bei Bedarf stets mit dem<br />

Forschungsprozess zu konfrontieren, so dass Probleme und Unklarheiten <strong>in</strong> Gesprächen ggf.<br />

zu klären s<strong>in</strong>d.<br />

Klärende Gespräche im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e kommunikative Validierung f<strong>in</strong>den aber auch mit<br />

weiteren, am Forschungsprozess beteiligten Personen statt. Vergleiche dazu beispielsweise<br />

S<strong>in</strong>atsch (2001), K<strong>in</strong>dler (2002) oder Weiß (2002). Der gesamte Datenbearbeitungsprozess<br />

wird stets im Forscherteam durchgeführt, wobei alle Schritte h<strong>in</strong>terfragt, gegene<strong>in</strong>ander<br />

geprüft und abgesprochen werden. Die Transkription der Daten und deren Interpretation wird<br />

allerd<strong>in</strong>gs primär – wie oben beschrieben – mit der den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Lehrkraft<br />

alle<strong>in</strong> validiert.<br />

Die argumentative Validierung erfordert die Offenlegung von Entscheidungsprozessen, auf<br />

denen mögliche Ergebnisse und deren Interpretation beruhen. Die Datenverarbeitung wird <strong>in</strong><br />

diesem Kapitel (Kapitel 7) von der Erhebung bis zur Auswertung präzise dargelegt. Hier<br />

f<strong>in</strong>det sich bereits der Ausgangspunkt für etwaige Interpretationen. Beispielsweise leitet die<br />

Kategorienbildung und <strong>in</strong>sbesondere die Kodierung, also die Subsumtion der Textpassagen<br />

unter die entsprechenden Kategorien bzw. Subkategorien bereits die Interpretation der<br />

umgearbeiteten Schüleraussagen e<strong>in</strong>. Die Offenlegung der Interpretationsbegründungen<br />

erfolgt <strong>in</strong> dem bereits oben erwähnten Forscherteam. Da sämtliche Auswertungs- und<br />

Interpretationsschritte zudem mit Dritten besprochen und Entscheidungen gegene<strong>in</strong>ander<br />

geprüft werden, kann e<strong>in</strong>e Validierung auch <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne bestätigt werden.<br />

E<strong>in</strong>e kumulative Validierung der vorliegenden Untersuchung erfolgt nur am Rande, da das<br />

E<strong>in</strong>beziehen vorhergehender Forschungsarbeiten zwar wesentlich für die hier vorliegende<br />

Untersuchung ist, die Zielstellungen aber jeweils unterschiedlich s<strong>in</strong>d. Da <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Fallstudie als Teil des Forschungsdesigns herausgehoben wird, soll es nicht das Ziel der<br />

Methodenreflexion se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e Validierung auf die Kumulation zu stützen.<br />

Die Validierung an der Praxis ist selbst erklärend (vgl. Kapitel 6.3.1) und durch das methodische<br />

Vorgehen bei der Untersuchung gekennzeichnet. Der Forscher ist sich während des<br />

Datenerhebungsprozesses und aller nachfolgenden Schritte stets der Herausforderung e<strong>in</strong>es<br />

qualitativen Paradigmas bewusst und führt e<strong>in</strong>e Validierung bereits währende des Forschungsprozesses<br />

durch. Schon das Reagieren auf Ereignisse, die sich im Untersuchungsfeld<br />

zeigen und das bereits mehrmals beschriebene Berücksichtigen der sozialen Wirklichkeit<br />

offenbaren die Validierung an der Praxis. Beispielsweise die Elemente der gegenstandsbezogenen<br />

Theoriebildung, stets optimierend <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>zugreifen oder auch die Art<br />

der Interaktion Forscher – Proband untermauern diesen Gedanken (vgl. dazu Kapitel 6.2.3<br />

oder auch 7.1.2).<br />

7.4.1.2 Reliabilität<br />

Im Folgenden soll geprüft werden, <strong>in</strong>wieweit die angewandten Untersuchungsmethoden<br />

tatsächlich zu e<strong>in</strong>em präzisen Ergebnis h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es qualitativen Forschungsparadigmas<br />

führen. Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 6.3.2 beschrieben erfordert die Überprüfung der Reliabilität<br />

e<strong>in</strong>er besonderen Betrachtungsweise. Hier sei noch e<strong>in</strong>mal auf die von Lamnek (1995, S. 178)


154 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

unter Bezug auf Bogumil/Immerfall (1985, S. 71) qualitative Denkart e<strong>in</strong>er Reliabilität<br />

wiedergegeben:<br />

„- Stimmigkeit statt Reliabilität: die Vere<strong>in</strong>barkeit von Zielen und Methoden der<br />

Forschungsarbeit statt Aufstülpung methodologischer Modelle;<br />

- Offenheit statt Variablenkontrolle: Angemessenheit gegenüber der Komplexität<br />

der sozialen Forschungssituation statt Verbieten möglicher alternativer Handlungsverläufe;<br />

- Diskurs statt Intersubjektivität: Forscher und Feldsubjekte <strong>in</strong>terpretieren ihre Daten<br />

geme<strong>in</strong>sam und h<strong>in</strong>terfragen Geltung, H<strong>in</strong>tergrund und Konsequenzen ihrer<br />

Ergebnisse, statt Vertrauen <strong>in</strong> die Fiktion der scientific community zu haben.“<br />

E<strong>in</strong> großes Anliegen vorliegender Forschungsarbeit ist gerade die Vere<strong>in</strong>barkeit von Zielen<br />

und Methoden. Die Erfassung e<strong>in</strong>zelner Fälle <strong>in</strong> ihrer sozialen Wirklichkeit erfordert geradezu<br />

e<strong>in</strong> Platzieren methodischer Vorgehensweisen <strong>in</strong> der Realität. Nur so kann e<strong>in</strong> Fall behutsam<br />

aus dieser isoliert und e<strong>in</strong>er weiterführenden Analyse unterzogen werden.<br />

Vor der eigentlichen Untersuchung wird demgemäß e<strong>in</strong> Probelauf durchgeführt (vgl. Kapitel<br />

5.1), um e<strong>in</strong>e Basis für e<strong>in</strong> entsprechendes methodisches Vorgehen entwickeln zu können.<br />

Der Probelauf gibt bereits e<strong>in</strong>en ersten E<strong>in</strong>druck vom Forschungsfeld und zeigt möglicherweise<br />

auftretende Schwierigkeiten auf. Im Untersuchungsverlauf selbst werden verstärkt<br />

aktuelle Entwicklungen und personelle, <strong>in</strong>dividuelle Gegebenheiten berücksichtigt und das<br />

methodische Vorgehen und die Untersuchungsbed<strong>in</strong>gungen kont<strong>in</strong>uierlich an die Wirklichkeit<br />

adaptiert. Diese Offenheit lässt alternative Handlungsverläufe zu, fordert sie geradewegs, weil<br />

das Auferlegen starrer Konzepte die soziale Wirklichkeit verfälschen würde. Insofern ist der<br />

Forscher beständig bemüht, durch kont<strong>in</strong>uierliches Rekapitulieren vorangegangener<br />

<strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten das weitere methodische Vorgehen auf bereits Erfahrenes abzustimmen.<br />

Dies begründet beispielsweise die sukzessive Umstrukturierung des Befragungsleitfadens, den<br />

personenbezogenen Befragungsstil und auch das wirklichkeitsbezogene Zeitmanagement. Es<br />

zeigt sich im Forschungsprozess deshalb als unentbehrlich, die Beforschten immer wieder auf<br />

das Forschungs<strong>in</strong>teresse h<strong>in</strong>zuweisen und aus den Interviews resultierende Antworten ggf.<br />

geme<strong>in</strong>sam zu diskutieren bzw. zu h<strong>in</strong>terfragen. Dies wird <strong>in</strong> der Regel noch während der<br />

Befragung selbst durchgeführt, weil e<strong>in</strong>e spätere erneute Aufnahme der Thematik e<strong>in</strong><br />

Nachvollziehen erschweren würde und daher unglaubwürdig wäre. Effizient gestaltet sich<br />

zudem e<strong>in</strong>e Diskussion mit der den <strong>Unterricht</strong> durchführenden Lehrkraft, die ebenfalls Teil<br />

des Forschungsfeldes ist. Der Pädagoge kann hierbei erste Ergebnisse h<strong>in</strong>terfragen bzw.<br />

erläutern und um wesentliche Aspekte anreichern und gleichzeitig Vorschläge für das weitere<br />

Untersuchungsvorgehen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Bestreben der Untersuchung ist es stets, Beforschte und Forscher als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit zu<br />

verstehen, deren oberstes Ziel es ist, die vorgefundene Wirklichkeit auch als solche zu<br />

verstehen. Dabei kann das Forschungsprozedere nur Teil des Ganzen se<strong>in</strong>, auf ke<strong>in</strong>en Fall soll<br />

dies als von außen aufoktroyiert gelten und e<strong>in</strong>en Fremdkörper <strong>in</strong> der Wirklichkeit darstellen.<br />

7.4.1.3 Objektivität<br />

An dieser Stelle sei noch e<strong>in</strong>mal auf die unter Kapitel 6.3.3 beschriebene Theoretisierung der<br />

Objektivität verwiesen. E<strong>in</strong>erseits wird Subjektivität gefordert, ohne die e<strong>in</strong>e Objektivität<br />

nicht möglich ist, andererseits wird die Objektivität um den Transparenzfaktor erweitert, um


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 155<br />

e<strong>in</strong> realistisches Bild objektiver Strukturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em qualitativen Forschungsparadigma zu<br />

erhalten.<br />

Da der Forscher (hier die Autor<strong>in</strong> vorliegender Arbeit) das Untersuchungsfeld bereits mit<br />

e<strong>in</strong>em gewissen und unabd<strong>in</strong>gbaren Vorverständnis beschreitet, kann e<strong>in</strong>e Subjektivität<br />

ke<strong>in</strong>esfalls ausgeschlossen werden. Der von Kle<strong>in</strong><strong>in</strong>g (Lamnek 1995, S. 229, nach Kle<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

1982, S. 246) hervorgebrachte „emergentistische Objektivitätsbegriff“ verdeutlicht die<br />

dah<strong>in</strong>ter liegende Intention. Erst durch die Ause<strong>in</strong>andersetzung des Forschers mit den<br />

Beforschten und dem gesamten Forschungsfeld werden subjektive E<strong>in</strong>drücke derart verarbeitet,<br />

dass sich daraus objektive Strukturen entwickeln lassen. Das kont<strong>in</strong>uierliche Anpassen des<br />

Forschungsprozederes an die sich ständig ändernden Umweltbed<strong>in</strong>gungen erlaubt letztendlich<br />

erst das Herauskristallisieren e<strong>in</strong>es objektiven Gefüges, weil nur so e<strong>in</strong>e wirkliche Transparenz<br />

gegeben ist. Durch die über Wochen gewonnenen E<strong>in</strong>blicke kann die wirkliche<br />

Wirklichkeit eher objektiv e<strong>in</strong>geschätzt werden, als dies bei e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>malig durchgeführten<br />

Untersuchung der Fall wäre. Insbesondere dann kann nicht von wahrer Objektivität gesprochen<br />

werden, wenn die Untersuchungsmethoden derart <strong>in</strong> das Forschungsfeld e<strong>in</strong>greifen, dass<br />

das zu untersuchende Phänomen sich durch die Methodik verändert. Gerade das wird durch<br />

den sukzessiven, Wendungen zulassenden und darlegenden Forschungsprozess der hier<br />

vorliegenden Untersuchung vermieden.<br />

7.4.1.4 Repräsentativität und Generalisierbarkeit<br />

Wie bereits mit Kapitel 6.3.4 ausführlich beschrieben, soll e<strong>in</strong>e Generalisierung der Ergebnisse<br />

aufgrund zentraler Aussagen der Probanden erfolgen, wobei diese durch die Forschersicht<br />

e<strong>in</strong>er Beurteilung unterzogen worden s<strong>in</strong>d. Damit lassen sich die wichtigsten Aspekte der<br />

Ergebnisse auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum reduzieren und werden dem Leser mit wenigen Worten<br />

präsentiert. Diese e<strong>in</strong>fache Darstellung wesentlicher Aspekte wird deshalb gewählt, weil das<br />

hier angesprochene Forschungsparadigma ke<strong>in</strong>e weitgreifenden Verallgeme<strong>in</strong>erungen duldet.<br />

E<strong>in</strong>e alle Details e<strong>in</strong>es Falles untergrabende Generalisierung würde die mühevolle Darlegung<br />

der e<strong>in</strong>zelnen Fälle zunichte machen und wesentliche Aspekte <strong>in</strong>dividueller Geschehnisse<br />

würden unbemerkt bleiben. Insofern ist die hier angestrebte Generalisierung derart zu<br />

verstehen, dass zentrale Gesichtspunkte der Ergebnisdarstellung und der Ergebnisbeurteilung<br />

herausgegriffen werden, um dem Leser e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck des untersuchten Forschungsfeldes zu<br />

geben.<br />

7.4.2 Methodenreflexion anhand der Überprüfung aufgetretener Probleme<br />

des Forschungsprozesses<br />

Bisherige Ausführung zur Methodenreflexion zeigen auf, <strong>in</strong>wieweit das durchgeführte<br />

Prozedere der Untersuchung – von der Datenerhebung bis zu deren Interpretation und<br />

Beurteilung – die Erfordernisse e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Arbeit erfüllen. Trotzdem <strong>in</strong><br />

vorliegender Untersuchung großer Wert auf „die Qualität des Weges zur wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung durch bestimmte Methoden“ (Lamnek 1995, S. 152) gelegt wird,<br />

ergeben sich auch hier Probleme im Forschungsprozess. Diese sollen nachfolgend näher<br />

erläutert und diskutiert werden.


156 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

7.4.2.1 Datenerhebung<br />

Die vorgefundenen räumlichen Gegebenheiten erlauben e<strong>in</strong>e Befragung der entsprechenden<br />

Gruppen, ohne Nachbargruppen zu stören. Trotzdem s<strong>in</strong>d die Arbeitsplätze nicht so weit<br />

vone<strong>in</strong>ander entfernt, dass Nebengeräusche nicht stören würden. Laute Diskussionen oder<br />

auch Arbeitsgeräusche (z. B. Druckluftgeräusche) bee<strong>in</strong>trächtigen zum Teil die Tonbandaufzeichnungen.<br />

Gelegentlich muss die Befragung auch unterbrochen werden, weil der Geräuschpegel<br />

zeitweise enorm anschwillt oder weil der <strong>Unterricht</strong> von Ereignissen begleitet<br />

wird, die die Befragten zeitweise ablenkt. In der Regel s<strong>in</strong>d aber Störungen dieser Art leicht<br />

zu beheben, weil etwaige Gesprächsabschnitte vom Interviewer oder den Befragten wiederholt<br />

werden können.<br />

E<strong>in</strong>e Gesprächsunterbrechung, aus welchen Gründen auch immer, ist jedoch vere<strong>in</strong>zelt mit<br />

e<strong>in</strong>em anschließenden Bemühen des Interviewers verbunden, die Befragten wieder auf das<br />

Interview zu konzentrieren, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn die aktuelle Thematik nicht das<br />

Interesse der Schüler trifft. Aufgrund des sich immer weiter entwickelnden Vertauensverhältnisses<br />

zwischen Forscher und Probanden tritt diese Problematik jedoch sehr selten auf, weil<br />

die Versuchspersonen mit ehrlichem Interesse die Arbeit des Forschers unterstützen.<br />

Gerätebed<strong>in</strong>gte Probleme s<strong>in</strong>d gelegentlich zu verzeichnen, beispielsweise gibt es bisweilen<br />

Schwierigkeiten mit dem Mikrofon. Aufgrund der gewollten Distanz von den Gesprächspartnern<br />

können etwaige Defekte am Gerät nicht sofort erkannt werden, so dass es nötig ist, <strong>in</strong><br />

regelmäßigen Abständen die Funktion des Diktiergerätes zu überprüfen.<br />

E<strong>in</strong>e vorab nicht abwägbare und wohl die am stärksten zu Buche schlagende Unsicherheit tritt<br />

bei der zeitlichen Verteilung der Befragungen auf. Im Laufe der <strong>Unterricht</strong>sstrecke erreichen<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Gruppen unterschiedliche Bearbeitungsstände, entsprechend den Möglichkeiten<br />

des <strong>Unterricht</strong>skonzeptes. Die Durchführung des Befragungsablaufs kann nur bed<strong>in</strong>gt geplant<br />

werden, weil es nicht immer abzusehen ist, wann die Schüler e<strong>in</strong>e entsprechende Stufe<br />

erreichen, die e<strong>in</strong>e Befragung erfordern würde. So kann es sich durchaus begeben, dass zwei<br />

oder mehrere wichtige Befragungen gleichzeitig durchzuführen wären. Der Forscher muss<br />

dann entscheiden, welches Interview zuerst abzuhandeln ist und bei welcher Gruppe auch bei<br />

e<strong>in</strong>er nicht unmittelbaren Befragung mit verwertbaren Antworten gerechnet werden kann. Der<br />

sich immer weiter fortsetzende Unterschied <strong>in</strong> den Bearbeitungsständen erfordert zum<strong>in</strong>dest<br />

handschriftliche Notizen, wann mit e<strong>in</strong>er weiteren Befragung e<strong>in</strong>zelner Gruppen gerechnet<br />

werden kann, welche Themen dann anzusprechen und welche Besonderheiten zu berücksichtigen<br />

s<strong>in</strong>d. Der vorab geplante Ablauf der Befragungen muss oft aufgrund neuer Randbed<strong>in</strong>gungen<br />

verändert werden, wenn dies das Forschungsfeld fordert. Beispielsweise löst die<br />

Abwesenheit e<strong>in</strong>zelner Schüler Umgruppierungen aus, so dass auch <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

Probanden angesprochen werden, wobei die Beteiligung der Partner nicht zweckmäßig ist.<br />

Die Datenerhebung durch Interviews wird durch e<strong>in</strong>e teilnehmende Beobachtung ergänzt. Die<br />

Beobachtung selbst und auch die vom Forscher angefertigten schriftlichen Memo-Protokolle<br />

können nur partiell aufgenommen werden, weil die Befragungen e<strong>in</strong>en Großteil der Zeit <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen. Der Forscher muss demnach Befragung und Beobachtung von fünf bzw.<br />

sechs Gruppen parallel durchführen und kann daher ke<strong>in</strong>e Komplettaufnahme des Untersuchungsfeldes<br />

bewältigen. Da jedoch nur jene Aspekte schriftlich festgehalten werden sollen,<br />

die e<strong>in</strong>e Änderung des Forschungsansatzes oder des <strong>Unterricht</strong>skonzepts <strong>in</strong>itiieren oder darauf<br />

aufmerksam machen sollen, dass sich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschlagener Weg als zweckmäßig abzeichnet,<br />

ist das vom Forscher zu bewältigende Pensum durchsetzbar. Außerdem kann von e<strong>in</strong>er<br />

ausreichenden Datenerhebung auch bei der Beobachtung gesprochen werden, weil aufgrund


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 157<br />

der sich immer stärker entwickelnden Vertrautheit mit dem Forschungsfeld der Blick für das<br />

Wesentliche geschärft wird. Zusätzlich können etwaige Defizite durch die <strong>in</strong>tensive Zusammenarbeit<br />

mit der Lehrkraft ausgeglichen werden. Gleichwohl würde es sich für künftige<br />

Forschungsarbeiten bei e<strong>in</strong>em ähnlichen methodischen Vorgehen anbieten, e<strong>in</strong>en Mitarbeiter<br />

nur für die Beobachtung und die damit verbundenen schriftlichen Erhebungen e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

um den Arbeitsaufwand zu entzerren und damit e<strong>in</strong> entspannteres Vorgehen <strong>in</strong> der Untersuchung<br />

zu gewährleisten. Zudem würde sich dann die Befragung für e<strong>in</strong>en anderen Mitarbeiter<br />

erheblich e<strong>in</strong>facher gestalten.<br />

Die bisher immer wieder angesprochene Untersuchungsdurchführung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ‚ökologischen<br />

Umgebung’ wird <strong>in</strong> den ersten Tagen der Datenerhebung so verstanden, dass der Forscher,<br />

der gleichzeitig die Interviews führt lediglich während der Befragungen mit den Probanden<br />

kommunizieren soll. Wie bereits beschrieben erweist sich dieses Vorgehen als nicht<br />

durchführbar, weil das angestrebte Vertrauensverhältnis so nicht aufgebaut werden könnte. Es<br />

zeigt sich im weiteren Verlauf der Untersuchung, dass die Schüler den Forscher als weitere<br />

Lehrperson ansehen und ihn daher von sich aus <strong>in</strong> das <strong>Unterricht</strong>sgeschehen mit e<strong>in</strong>beziehen.<br />

Die künstliche Kommunikationsvermeidung hätte die soziale Wirklichkeit wesentlich mehr<br />

bee<strong>in</strong>trächtigt, als das bewusste ‚E<strong>in</strong>steigen’ des Forschers <strong>in</strong> das Feld. Die Schüler br<strong>in</strong>gen<br />

damit ‚ihre’ soziale Wirklichkeit, die durch das E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>er weiteren Person aus dem<br />

Gleichgewicht gerät, wieder selbst <strong>in</strong> die Waage. Damit kann wieder von e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Lernumgebung ausgegangen werden, weil die Probanden diese so geschaffen haben und<br />

akzeptieren.<br />

7.4.2.2 Datentransformation und Datenaufbereitung<br />

Die bei der Datentransformation und Datenaufbereitung bestehenden Probleme wurden<br />

bereits <strong>in</strong> Kapitel 7.2 kurz angesprochen. Der Versuch, die vertonten Gruppen<strong>in</strong>terviews auf<br />

Papier zu übertragen erweist sich als äußerst schwierig und zeitaufwändig. Im Falle dieser<br />

Untersuchung muss der Interviewer, hier also die Autor<strong>in</strong> vorliegender Arbeit die Transkription<br />

selbst vornehmen, weil die Übertragung e<strong>in</strong>es Gesprächs von mehreren Personen e<strong>in</strong><br />

persönliches Verhältnis zu den Probanden voraussetzt. Es ist oft schwierig, das von mehreren<br />

Schülern gleichzeitig Gesprochene zu verstehen und dem richtigen Schüler zuzuordnen.<br />

Infolge des langen Erhebungszeitraums s<strong>in</strong>d die Versuchspersonen dem Forscher jedoch<br />

vertraut, so dass e<strong>in</strong>e Transkription im Wesentlichen erschöpfend durchgeführt werden kann.<br />

Auf Grund des umfassenden Datenmaterials ist es nicht möglich, alle Textpassagen mit e<strong>in</strong>er<br />

weiteren Person abzusprechen, deshalb ist dies nur für Zweifelsfälle vorgesehen. Die<br />

Lehrkraft kann hier unterstützend e<strong>in</strong>greifen und <strong>in</strong> der Regel Unklarheiten beseitigen. E<strong>in</strong><br />

klärendes Gespräch ist <strong>in</strong>sbesondere dann notwendig, wenn entschieden werden muss, ob<br />

beispielsweise Aussagen aufgrund der Intonation anders zu bewerten s<strong>in</strong>d, als es dem re<strong>in</strong>en<br />

Wortlaut entspricht, oder aber ob e<strong>in</strong> zögerliches Antworten zu kennzeichnen ist, weil diesem<br />

ggf. e<strong>in</strong>e Bewertung entnommen werden könnte.<br />

7.4.2.3 Datenauswertung, Ergebnisdarstellung und -beurteilung<br />

Wie bereits bei den Ausführungen zur kommunikativen Validierung (Kapitel 7.4.1.1)<br />

beschrieben, werden sämtliche Auswertungsschritte, e<strong>in</strong>schließlich der Interpretation mit<br />

Dritten validiert. Die Validierung, aber auch die Überprüfung von Reliabilität und Objektivi-


158 7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen<br />

tät s<strong>in</strong>d im Rahmen der Datenauswertung äußerst wichtig, weil e<strong>in</strong>e starke Reduktion der<br />

Rohdaten e<strong>in</strong>en erheblichen E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> das ursprüngliche Material von Forscherseite her<br />

bedeutet. Dieser E<strong>in</strong>griff ist jedoch notwendig, um die Daten überschaubar abzubilden und so<br />

e<strong>in</strong>er Interpretation und Beurteilung überhaupt erst zugänglich zu machen. Der Verdichtungsprozess<br />

erfordert e<strong>in</strong> sich ständig wiederholendes Durcharbeiten des Materials, um alle<br />

notwendigen Schritte abzuarbeiten. Aufgrund der Datenmenge erweist sich dies als äußerst<br />

zeitaufwändig und diffizil. Bereits Riedl spricht <strong>in</strong> Zusammenhang mit se<strong>in</strong>er Datenbearbeitung<br />

von e<strong>in</strong>em immensen Auswertungsaufwand und stellt fest, dass sich für den Leser im<br />

Wesentlichen die Expertenbeurteilung als eigentlicher Ergebnisteil darstellt. „In diesem<br />

Zusammenhang stellt sich die Frage, wodurch sich der immense Auswertungsaufwand für die<br />

vorausgehenden Ergebnisteile rechtfertigen lässt, oder ob nicht auf direkterem Weg e<strong>in</strong>e<br />

Expertenbeurteilung möglich gewesen wäre“ (Riedl 1998, S. 159), was Riedl jedoch selbst<br />

verne<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>e Reduzierung der Auswertungsschritte steht jedoch auch für vorliegende Arbeit<br />

nicht zur Diskussion, weil die Schritte aufe<strong>in</strong>ander aufbauen und jegliches Verkürzen e<strong>in</strong>e<br />

M<strong>in</strong>derung der Ergebnisqualität zur Folge hätte. Dem endgültigen Verfahrensablauf s<strong>in</strong>d<br />

mehrere Erprobungsphasen vorausgestellt, so dass die Entwicklung der Bearbeitungsschritte<br />

auf ausgereiften und erprobten Erfahrungen beruht, die zudem im Forscherteam bestätigt<br />

werden. Nur e<strong>in</strong>e sukzessiv vorgenommene und e<strong>in</strong>zelne Schritte darstellende Abbildung des<br />

gesamten Auswertungsprozederes macht es möglich, den Ergebnisteil <strong>in</strong> dieser Form,<br />

erfassbar und alle wesentlichen Bestandteile der Rohdaten enthaltend, darzustellen.<br />

Die Darstellung der Ergebnisse wird also bewusst auf e<strong>in</strong>er objektiven Ebene gehalten, wobei<br />

die Ergebnisse sicherlich subjektive Komponenten, also die Forschersicht, zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong><br />

ger<strong>in</strong>gem Maße e<strong>in</strong>beziehen. Die Subjektivität steigert sich schließlich bei der Beurteilung der<br />

Ergebnisse. Für e<strong>in</strong>e Beurteilung ist es nun notwendig, diese <strong>in</strong> Zusammenhang mit den<br />

Arbeitsunterlagen der Probanden und den Memoprotokollen zu illustrieren. Dabei wird also<br />

die bewusst objektiv gehaltene Ebene bei der Darstellung der Ergebnisse verlassen und (die<br />

subjektive) Sichtweise des Forschers <strong>in</strong> den Vordergrund gestellt. Insbesondere die dort<br />

beschriebenen Empfehlungen und Anregungen für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben spiegeln <strong>in</strong><br />

hohem Maße die Auffassungen des Forschers wider, wie sie sich mit dem Durchlaufen der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke ausbilden konnten. Die Darstellung der Forschersicht rechtfertigt sich<br />

jedoch durch das <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzen der Untersuchenden mit dem Forschungsfeld<br />

und das besondere Anliegen, selbst Teil des Forschungsfeldes zu werden. Damit ist auch die<br />

Subjektivität wiederum e<strong>in</strong> Teil des Forschungsfeldes und spiegelt dieses lediglich wider. Die<br />

notwendige Subjektivität rechtfertigt sich aber auch dadurch, dass sie zw<strong>in</strong>gend notwendig ist,<br />

um die Beobachtungen der Außenwelt zugänglich zu machen und so für weitere Untersuchungen<br />

und auch <strong>Unterricht</strong>svorhaben zur Verfügung zu stellen. Insofern stellt sich e<strong>in</strong><br />

verme<strong>in</strong>tlich zu vermeidende Subjektivität als unentbehrlich heraus, um die Untersuchung<br />

überhaupt abzuschließen. Dies gilt jedoch nur, wenn – wie bereits oben beschrieben –<br />

Subjektivität als Teil des Forschungsfeldes verstanden wird.<br />

7.5 Zusammenfassung<br />

Im Rahmen dieses Kapitels wird das Untersuchungsverfahren, d. h. <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Vorgehensweise zur Herausarbeitung der e<strong>in</strong>zelnen Fälle dargestellt. Das Ziel, mit Hilfe des<br />

Verfahrens e<strong>in</strong>e Falldarstellung für jeden Schüler aufzuzeichnen, ist mit folgenden, nun<br />

vorliegenden Dokumenten verwirklicht:


7 Untersuchungsverfahren zur Darstellung von Schüleraussagen 159<br />

1. Adressatenanalyse:<br />

Hier werden alle ‚harten’ Daten e<strong>in</strong>es Schülers festgehalten, e<strong>in</strong>schließlich se<strong>in</strong>er<br />

im untersuchten <strong>Unterricht</strong> erzielten Noten.<br />

2. Gruppenbefragung – Gesamt<strong>in</strong>terview:<br />

Dieses Dokument zeigt den chronologischen Befragungsverlauf auf und verdeutlicht,<br />

<strong>in</strong>wieweit die e<strong>in</strong>zelnen Aussagen der an der Kollektivbefragung beteiligten<br />

Personen bei der Auswertung zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d. Mit Hilfe so genannter Elim<strong>in</strong>ierungsregeln<br />

kann der Ausschluss von Aussagen nachvollzogen werden.<br />

3. Gruppenbefragung – Paraphrasen:<br />

Die Darstellung gibt die für die Beurteilung des entsprechenden Probanden wesentliche<br />

paraphrasierte Form der Aussagen der Kollektivbefragung wieder, wobei<br />

bereits e<strong>in</strong>e erste E<strong>in</strong>ordnung der Textstellen vorgenommen wird.<br />

4. E<strong>in</strong>zelbefragung – Interview<br />

Entsprechend dem unter Punkt 2 genannten Dokument werden die im E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview<br />

aufgenommenen Aussagen von Proband und Interviewer dargelegt. Auch<br />

hier kann mit Hilfe der Elim<strong>in</strong>ierungsregeln e<strong>in</strong> etwaiger Ausschluss von Aussagen<br />

verfolgt werden.<br />

5. E<strong>in</strong>zelbefragung – Paraphrasen:<br />

Dieses Dokument stellt den paraphrasierten Interviewtext der E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

dar. Entsprechend der ‚Gruppenbefragung’ (vgl. Punkt 3) werden die Umschreibungen<br />

mit Hilfe e<strong>in</strong>es Kategoriensystems kodiert.<br />

6. Zusammenschau:<br />

Die Zusammenschau liefert e<strong>in</strong>en Gesamte<strong>in</strong>druck der paraphrasierten und kodierten<br />

Rohdaten. Sowohl Kollektivbefragung als auch E<strong>in</strong>zelbefragung fließen <strong>in</strong><br />

diese Darstellung mit e<strong>in</strong>, wobei die bisher erfolgte Kodierung übernommen wird.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Kategoriensystem – die Subkategorien – gliedert das Material weiter<br />

auf und erlaubt damit e<strong>in</strong>en detaillierten Überblick über die ursprünglichen Daten.<br />

Somit liegt für jeden der 24 Probanden e<strong>in</strong>e Falldarstellung vor, die die Verarbeitung der<br />

Rohdaten bis zu deren Enddarstellung aufzeigt. Die ursprünglich vorliegenden 200 Seiten<br />

DIN A 4 der chronologisch aufgenommenen Transkripte konnten so auf ca. 100 Seiten<br />

reduziert werden, wobei die Aussagen nun thematisch geordnet und auf den e<strong>in</strong>zelnen Schüler<br />

bezogen s<strong>in</strong>d. Zur Beurteilung der Schüleraussagen wird jeweils nur das Endergebnis der<br />

bisherigen Auswertung herangezogen, nämlich die Zusammenschau der paraphrasierten<br />

Textstellen. Für weitere Ausführungen sei auf die Kapitel 8 und 9 verwiesen.<br />

Kapitel 7 schließt mit e<strong>in</strong>er Methodenreflexion ab, die e<strong>in</strong>erseits anhand der <strong>in</strong> Kapitel 6.3<br />

theoretisierten Gütekriterien die Methoden der wissenschaftlichen Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung<br />

beleuchtet und andererseits tatsächlich aufgetretene Probleme näher spezifiziert. Dabei wird<br />

das qualitative Forschungsparadigma betrachtet und dessen Zuschnitt auf das explizite<br />

Forschungsfeld h<strong>in</strong>terfragt.


8 Darstellung der Ergebnisse 159


160 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE<br />

Nachfolgendes Kapitel stellt die aus der Forschungsarbeit resultierenden Ergebnisse vor. Es<br />

soll nunmehr die Frage beantwortet werden, wie Schüler die Anforderungen <strong>in</strong> der <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lehr-Lern-Umgebung im H<strong>in</strong>blick auf die (thematisierten) Bestimmungsgrößen<br />

e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s beurteilen (vgl. Kapitel 3, Forschungsfrage 1).<br />

Das heißt, das Kapitel gibt die Beurteilung der <strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-Lern-Umgebung<br />

durch die Probanden wieder. Vorab werden aber alle für e<strong>in</strong>e spätere Beurteilung der<br />

Ergebnisse wesentlichen Dokumente <strong>in</strong> Kapitel 8.1 vorgestellt. Kapitel 8.2 bildet dann die<br />

Ergebnisse aus der qualitativen Datenerhebung ab. E<strong>in</strong>e zusammenfassende Erläuterung ist<br />

abschließend Kapitel 8.3 zu entnehmen.<br />

8.1 Dokumente der Falldarstellungen<br />

Dieses Kapitel erlaubt den Zugang zu allen Dokumenten, die jeweils für e<strong>in</strong>en Schüler nach<br />

der Erhebung der Daten und deren Bearbeitung vorliegen. Kapitel 8.1.1 stellt die Dokumente<br />

der quantitativen Erhebung vor, <strong>in</strong>sbesondere die Adressatenanalyse der e<strong>in</strong>zelnen Probanden.<br />

Die <strong>in</strong> Kapitel 7 erläuterten Bearbeitungsschritte der qualitativ erhobenen Daten und die<br />

daraus resultierenden Zwischenergebnisse werden <strong>in</strong> Kapitel 8.1.2 nachgezeichnet.<br />

8.1.1 Die Dokumente der quantitativen Erhebung<br />

Die im Rahmen e<strong>in</strong>er quantitativen Erfassung erhobenen Daten werden im Folgenden<br />

exemplarisch für e<strong>in</strong>en Schüler abgebildet. Dabei spielt vor allem die Adressatenanalyse des<br />

E<strong>in</strong>zelnen bei e<strong>in</strong>er späteren Beurteilung der Ergebnisse der qualitativen Erhebung e<strong>in</strong>e<br />

zentrale Rolle, um beispielsweise unterschiedliche Vorerfahrungen <strong>in</strong> der Steuerungstechnik<br />

oder auch unterschiedliche Schulabschlüsse berücksichtigen zu können. Die Adressatenanalyse<br />

stellt die ‚Außenperspektive’ e<strong>in</strong>es Schülers dar. Außenperspektive me<strong>in</strong>t hier die von<br />

e<strong>in</strong>em Schüler erfassten harten Daten (z. B. Noten), die als Fakten vorliegen und nicht auf<br />

Aussagen des Schülers basieren. Nachfolgend ist e<strong>in</strong>e Adressatenanalyse des Schülers 1B/I<br />

aufgeführt.


8 Darstellung der Ergebnisse 161<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 1, 2 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung vor dem <strong>Unterricht</strong><br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 3 AT 7: 2<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 2 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

---------------------------------------------------------------------------------------<br />

LE gesamt: 2,00 AT gesamt: 1,75<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

---------------------------------------------------------------------------------------<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,94 → 2<br />

Legende: AT: Abschlusstest<br />

LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

Übersicht 8-1: Adressatenanalyse e<strong>in</strong>es Probanden


162 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die Erläuterung zu den e<strong>in</strong>zelnen Aspekten der Adressatenanalyse (z. B. Erläuterungen zur<br />

Thematik ‚Lernfortschritt’) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Kapitel 5, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Kapitel 5.3.4 der vorliegenden<br />

Arbeit beschrieben.<br />

8.1.2 Die Dokumente der qualitativen Erhebung - Zwischenergebnisse<br />

Die <strong>in</strong> der hier beschriebenen Untersuchung erfassten Ausführungen von Schülern wurden –<br />

wie <strong>in</strong> Kapitel 7 beschrieben – e<strong>in</strong>em strengen Auswertungsprozedere unterzogen. Ziel der<br />

bisherigen Datenbearbeitung war die Abbildung jedes e<strong>in</strong>zelnen Probanden anhand se<strong>in</strong>er von<br />

ihm getroffenen Aussagen. Im Wesentlichen werden für e<strong>in</strong>e spätere Beurteilung dieser<br />

Aufzeichnungen die Adressatenanalyse, die Arbeitsergebnisse des Schülers und hauptsächlich<br />

die Zusammenschau der Aussagen (siehe Kapitel 7.3.3) bewertet. Nachfolgend s<strong>in</strong>d die<br />

Dokumente e<strong>in</strong>es ausgewählten Falles von den Rohdaten bis zu e<strong>in</strong>er endgültigen Darstellung,<br />

e<strong>in</strong>schließlich aller Zwischenergebnisse zu großen Teilen vollständig wiedergegeben.<br />

Für e<strong>in</strong>e nähere Erläuterung der Dokumente sei auf Kapitel 7 verwiesen. Auch hier werden<br />

(ebenso wie <strong>in</strong> Kapitel 8.1.1) exemplarisch die Dokumente des Schülers 1B/I vorgestellt.<br />

Die Dokumente weisen <strong>in</strong> nachfolgender Darstellung e<strong>in</strong>e – abweichend von den Orig<strong>in</strong>alen –<br />

zusätzliche Spalte ‚Zu.’ auf. Diese erlaubt auszugsweise die Zuordnung, d. h. das Nachverfolgen<br />

des ursprünglichen Materials über die Paraphrasenbildung und die Zusammenführung<br />

der Datenschienen bis zur Ergebnisdarstellung. Beispielsweise verweist die Kennzeichnung<br />

‚B’ <strong>in</strong> Teil A (s. u.), Zeilen 20, 21 und 22 auf die <strong>in</strong> Teil B (s. u.) mit ‚B’ gekennzeichnete<br />

Paraphrase. Das heißt, dass sich die Auszüge aus Teil A <strong>in</strong> Teil B als Paraphrase wieder<br />

f<strong>in</strong>den. Das gleiche Prozedere f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> den Teilen C und D Anwendung. Die <strong>in</strong> Teil B mit ‚B’<br />

markierte Paraphrase ist ebenfalls <strong>in</strong> der vollständig dargestellten Zusammenführung der<br />

Datenschienen mit ‚B’ gekennzeichnet. Auch das vollständig abgebildete Endergebnis<br />

(Kapitel 8.2.2.2) zeigt die Auszüge aus den Dokumenten Teil A bis Teil D jeweils mit der<br />

entsprechenden Kennzeichnung (A bis H) und zudem fett gedruckt.<br />

Die Darstellung des Antwortspektrums stellt im Übrigen die ‚Innenperspektive’ e<strong>in</strong>es<br />

Schülers dar, also dessen Ansichten, Anschauungen und Me<strong>in</strong>ungen zu den befragten<br />

Themen.<br />

Teil A: Gruppenbefragung – Gesamt<strong>in</strong>terview<br />

In nachfolgender Tabelle wird auszugsweise die den Probanden betreffende Kollektivbefragung<br />

abgebildet. Dabei s<strong>in</strong>d auch die von weiteren beteiligten Schülern getroffenen Aussagen<br />

aufgeführt (daher die Bezeichnung ‚Gesamt<strong>in</strong>terview’). Die Abbildung ist chronologisch<br />

dargestellt und zeigt auf, welche Textstellen vor e<strong>in</strong>er weiteren Bearbeitung elim<strong>in</strong>iert werden<br />

müssen (Spalte ‚Regeln’).<br />

Zur besseren Unterscheidung werden die Textbauste<strong>in</strong>e des Probanden P fett und die weiterer<br />

Beteiligter B kursiv abgedruckt.


8 Darstellung der Ergebnisse 163<br />

Nr. Datum Zu. Gesamt<strong>in</strong>terview Regeln<br />

…<br />

18 11.02.-3 A I: Ihr habt gerade das Aufgabenblatt ‚Das Relais als Signalverarbeitungselement’<br />

bearbeitet. Wie ist das? Fühlt ihr euch<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Thematik – das war ja ganz ohne Lehrerunterstützung<br />

– gut vorbereitet, vor allem, wenn ihr an den<br />

Abschlusstest denkt?<br />

19 A P: Das ist ja nicht so schwer, gut lösbar.<br />

20 B I: Wie wäre es mit Lehrerunterstützung gewesen?<br />

21 B P: Solange es lösbar ist.<br />

22 B B: Ja mei, es steht ja alles im Heft und Buch dr<strong>in</strong>. Man muss es<br />

ja nur rauslesen. Es dauert vielleicht etwas länger bis man es<br />

gefunden hat. Aber so ist es ja genau das gleiche was der<br />

Lehrer sagen würde.<br />

23 C I: War euch das jetzt eher angenehmer (das selbstständige<br />

Erarbeiten)?<br />

24 C B: Angenehmer.<br />

25 C I: ..als mit Lehrer?<br />

26 C P: Ja.<br />

27 C B: Ja.<br />

28 C P: ... sonst würde der so blöd daherreden (spaßig geme<strong>in</strong>t) –<br />

ne<strong>in</strong> Schmarrn.<br />

29 I: Ihr könnt alles sagen, das höre wirklich nur ich ab. 1a<br />

30 C P: Ich f<strong>in</strong>de das halt schon angenehmer weil du da<br />

eigenständig arbeitest ohne dass der Lehrer dauernd h<strong>in</strong>ter<br />

dir steht und du das Gefühl haben musst, du machst etwas<br />

Falsches.<br />

31 I: Das ist e<strong>in</strong> Argument. Also das heißt für euch, Lehrerhilfestellung<br />

ist nicht immer zw<strong>in</strong>gend notwendig.<br />

32 I: (Schüler s<strong>in</strong>d sehr zurückhaltend.) Wie gesagt, wird nicht<br />

gegen euch verwendet, ihr könnt mir jetzt alles erzählen, es geht<br />

hier nicht um Fachliches. Ich habe mir e<strong>in</strong> paar Fragen<br />

aufgeschrieben.<br />

33 B I: Wäre denn für schwierigere Inhalte e<strong>in</strong>e verstärkte<br />

Lehrerunterstützung s<strong>in</strong>nvoll, wie seht ihr das? Würdet ihr das<br />

generell ...<br />

34 B P: Ich würde sagen, soweit man kommt, und wenn man<br />

Fragen hat dass du dann den Lehrer holst, aber so ist es<br />

glaube ich besser. Wenn du dann nicht mehr weiter<br />

kommst, dass er dir dann e<strong>in</strong>en Tipp gibt. Selber erarbeiten<br />

1a<br />

1a


164 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

mehr, das f<strong>in</strong>de ich schon gut.<br />

35 C I: Und da fühlt ihr euch auch irgendwie wohler, wenn ke<strong>in</strong>er<br />

h<strong>in</strong>ter euch steht und sagt: ‚Jetzt erkläre mal, mach mal.’<br />

36 C P: Ja.<br />

37 C B: Ja.<br />

38 D I: Und wie war das mit dem Blatt. Gab es auch Schwierigkeiten?<br />

39 D P: Lief gut durch, ke<strong>in</strong>e Probleme.<br />

… …<br />

49 11.02.-3 E I: Mit dem Relaisblatt, mit dieser Selbsterarbeitung habt ihr da<br />

das Gefühl, das könnte man sich vielleicht besser, länger ...<br />

50 E P: (fällt spontan <strong>in</strong>s Wort): ... merken. Ja wenn du selber<br />

etwas schreibst und selber schon rausgesucht hast und du es<br />

selber so schreibst, wie du es am besten kapierst.<br />

51 E I: Also das br<strong>in</strong>gt auf jeden Fall viel.<br />

52 E P: Du schreibst auf de<strong>in</strong>e Art, ja. Und nicht nach me<strong>in</strong>etwegen<br />

nach dem Lehrer. Oder irgendwie, bei manchem Lehrer<br />

verstehst die Frage nicht. Das f<strong>in</strong>de ich da jetzt auch gut, da<br />

kannst gut antworten. Du merkst es dir halt besser, weil du<br />

selber antwortest und nicht aus dem Buch raus.<br />

… …<br />

Legende: B: Beteiligter (Mitschüler des P <strong>in</strong> derselben Gruppe)<br />

I: Interviewer<br />

P: Proband<br />

Zu.: Zuordnung<br />

Übersicht 8-2: Auszug ‚Gruppenbefragung – Gesamt<strong>in</strong>terview’<br />

Teil B: Gruppenbefragung – Paraphrase<br />

Die Tabelle stellt die Paraphrasierung der <strong>in</strong> Teil A aufgeführten Aussagen des P <strong>in</strong> Zusammenhang<br />

mit der Fragestellung vor, wobei die chronologische Abfolge bestehen bleibt.<br />

Gleichzeitig wird zur Rückverfolgung und zum besseren Verständnis der angesprochene<br />

Gegenstand näher bestimmt (Spalte ‚Gegenstand’) und e<strong>in</strong>e erste Kodierung des umschriebenen<br />

Materials vorgenommen (Spalte ‚Kategorie).


8 Darstellung der Ergebnisse 165<br />

Datum Gegenstand Kat. Zu. Paraphrase<br />

… … … … …<br />

11.02.00<br />

LE 6/LE 7<br />

… … … …<br />

LE 6,<br />

Blatt: Das Relais als<br />

Signalverarbeitungselement<br />

LE 6,<br />

Blatt: Das Relais als<br />

Signalverarbeitungselement<br />

KAL D<br />

A<br />

SF B<br />

E<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e Schwierigkeiten, bisher ist auf dem<br />

Aufgabenblatt alles lösbar.<br />

Die Aufgaben des Blattes ‚Das Relais als<br />

Signalverarbeitungselement’ s<strong>in</strong>d bisher nicht<br />

sehr schwer und auch ohne Lehrerunterstützung<br />

lösbar.<br />

Solange die Aufgaben lösbar s<strong>in</strong>d, benötigt der<br />

Schüler ke<strong>in</strong>e Lehrerunterstützung. Erst wenn<br />

man nicht mehr weiterkommt, soll man sich,<br />

se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach, Tipps vom Lehrer holen.<br />

Das selbstständige Erarbeiten hat für den<br />

Probanden den Vorteil, eigenständig Lösungen<br />

und Antworten zu entwickeln, die nicht nach der<br />

Idee des Lehrers oder mit Hilfe e<strong>in</strong>es Buches zu<br />

Papier zu br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d.<br />

C Die Bearbeitung ohne Lehrer ist angenehmer,<br />

weil der Schüler nicht ständig beobachtet und<br />

dabei vielleicht verunsichert wird.<br />

… … ... …<br />

… … … ... …<br />

Legende: KAL: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Kat.: Kategorie<br />

LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Zu.: Zuordnung<br />

Übersicht 8-3: Auszug ‚Gruppenbefragung – Paraphrase’<br />

Teil C: E<strong>in</strong>zelbefragung – Interview<br />

Nachfolgend ist – entsprechend Teil A - die E<strong>in</strong>zelbefragung dargestellt. Auch diese Tabelle<br />

zeigt e<strong>in</strong>en chronologischen Verlauf und die Elim<strong>in</strong>ierung von Textstellen (Spalte ‚Regeln’),<br />

die nicht e<strong>in</strong>er weiteren Bearbeitung zugeführt werden sollen.


166 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Nr. Zu. Interview Regeln<br />

… …<br />

9 F I: Und wie bist du mit den Leittexten oder den Aufgabenblättern zurechtgekommen?<br />

10 F P: Ja manchmal waren e<strong>in</strong> bisschen Unklarheiten dabei, aber sonst s<strong>in</strong>d die<br />

eigentlich relativ gut.<br />

11 G I: Wäre es für dich hilfreich– nehmen wir mal dieses Blatt (LE 8, Signalspeicherung)<br />

– wenn der Lehrer die Anweisungen generell erläutern würde?<br />

12 G P: Ja ich me<strong>in</strong>, das ist ..., das kommt drauf an. Manche versteht man ja,<br />

manche nicht und die was man ..., s<strong>in</strong>d ja wenige dabei (die man nicht so gut<br />

versteht), da kann man den Lehrer ja holen, das ist ja dann auch nicht so<br />

tragisch. Hab ke<strong>in</strong>e Probleme damit.<br />

13 G I: Du bräuchtest das also nicht, dass er anfänglich dabei sitzt?<br />

14 G P: Ne<strong>in</strong>. Ich me<strong>in</strong> wir sollen ja selbstständig arbeiten lernen, da kann man<br />

auch erst mal durchschauen, was man kann, was man nicht kann.<br />

15 H I: Wie bist du mit dieser Literatur hier zurecht gekommen (BIBB-Hefte)?<br />

16 H P: (Lacht), mit denen b<strong>in</strong> ich noch nie zurecht gekommen. Aber es stehen ...,<br />

ja wenn man weiß, wo die Sachen stehen oder wenn du es f<strong>in</strong>dest gleich, dann<br />

kannst schon rauslesen, kannst viel rauslesen. Sonst nehme ich meistens das<br />

Tabellenbuch her.<br />

17 H I: Warum bist mit denen nicht zurecht gekommen?<br />

18 H P: Ich weiß nicht, die <strong>in</strong>teressieren mich jetzt eigentlich nicht so viel,<br />

literaturmäßig. Das E<strong>in</strong>zige was gut ist, s<strong>in</strong>d die ..., dass alles beschrieben ist<br />

mit Zeichnungen und so. Das ist nicht schlecht.<br />

19 H I: Ja ist das der Aufbau (des Heftes), ...? 1e<br />

20 H P: Ja ... 2c<br />

21 H I: ... oder das Fach generell?<br />

22 C P: Das kann man schon lassen. Aber die BIBB-Hefte …<br />

… …<br />

Legende: I: Interviewer<br />

P: Proband<br />

Zu.: Zuordnung<br />

Übersicht 8-4: Auszug ‚E<strong>in</strong>zelbefragung – Interview’


8 Darstellung der Ergebnisse 167<br />

Teil D: E<strong>in</strong>zelbefragung – Paraphrase<br />

Das <strong>in</strong> Teil C dargestellte Interview wird nachfolgend paraphrasiert wiedergegeben und e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Kodierung des Materials vorgenommen (Spalte ‚Kat.’). Gleichzeitig wird zur<br />

Rückverfolgung und zum Verständnis der Aussagen der angesprochene Gegenstand näher<br />

bestimmt. Vergleiche dazu auch Teil B.<br />

Gegenstand Kat. Zu. Paraphrase<br />

… … …<br />

Bsp.:<br />

LE 8,<br />

Blatt: Signalspeicherung<br />

Informationsmaterial:<br />

BIBB-Hefte,<br />

Fachkundebuch,<br />

Tabellenbuch<br />

SF F Die Leittexte s<strong>in</strong>d bis auf e<strong>in</strong> paar Unklarheiten relativ gut.<br />

SF G Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter müssen nicht vorab mit dem<br />

Lehrer durchgesprochen werden, weil man bei etwaigen<br />

Unklarheiten den Lehrer holen kann. Man soll ja selbstständiges<br />

Arbeiten lernen, das heißt, man kann das Blatt durchgehen<br />

und sehen, was machbar ist.<br />

BL H Mit den BIBB-Heften kommt der Schüler nicht zurecht, er<br />

verwendet <strong>in</strong> der Regel das Tabellenbuch. Wenn man aber<br />

weiß, wo etwas steht, kann man auch aus den BIBB-Heften<br />

viel rausholen. Es wird alles anhand von Zeichnungen<br />

beschrieben; das ist das e<strong>in</strong>zig Gute an diesen Heften.<br />

Legende: BL: Beratende Lehrerrolle<br />

Kat.: Kategorie<br />

LE: Lerne<strong>in</strong>heit<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Zu.: Zuordnung<br />

Übersicht 8-5: Auszug ‚E<strong>in</strong>zelbefragung – Paraphrase’<br />

Teil E: Zusammenführung der Befragungen – Zusammenschau<br />

Die Zusammenschau liefert e<strong>in</strong>en Gesamte<strong>in</strong>druck der paraphrasierten und kodierten<br />

Rohdaten. Sowohl Kollektivbefragung als auch E<strong>in</strong>zelbefragung fließen <strong>in</strong> diese Darstellung<br />

mit e<strong>in</strong>, wobei die bisher erfolgte Kodierung übernommen wird. E<strong>in</strong> weiteres Kategoriensystem<br />

– die Subkategorien – gliedert das Material weiter auf und erlaubt damit e<strong>in</strong>en detaillierteren<br />

Überblick über die ursprünglichen Daten. Der ‚Gegenstand' wird nicht mehr <strong>in</strong> die<br />

Tabelle aufgenommen, sondern als Fußnote abgebildet. Dadurch wird der Blick auf das<br />

Wesentliche, nämlich die Paraphrasen gelenkt. Im Bedarfsfall ist der Gegenstand dann der<br />

Fußnote zu entnehmen. Es sei angemerkt, dass die Spalte ‚Zu.’ (Zuordnung) nur teilweise<br />

ausgefüllt ist, da die obigen Dokumente nur auszugsweise, die unten abgebildete Tabelle<br />

jedoch vollständig dargestellt ist. Insofern f<strong>in</strong>den sich etwaige Zuordnungen nur für oben<br />

gezeigte Auszüge.


168 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Kat. Subkat. Zu. Bfr. Paraphrase<br />

HU<br />

Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

Individuelles<br />

Vergleich von<br />

Lernorten<br />

SF Selbstgesteuertes<br />

Lernen<br />

G<br />

Der Schüler äußert sich positiv zu dieser Art von <strong>Unterricht</strong>,<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Leittextmethode ist gut. Er sieht den<br />

Vorteil dar<strong>in</strong>, nicht immer still se<strong>in</strong> zu müssen, sondern sich<br />

auch mit anderen austauschen zu können.<br />

G Der Proband hat nicht das Gefühl, etwas zu verpassen oder<br />

nacharbeiten zu müssen, wenn er <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> fehlt.<br />

Stress entsteht aufgrund der versäumten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit<br />

nicht für ihn.<br />

G Der Proband hat bereits e<strong>in</strong>en Steuerungstechnikkurs<br />

durchlaufen.<br />

E Der Schüler hat bereits erste Erfahrung mit Steuerungstechnik<br />

im Betrieb gesammelt. Vom Inhaltlichen unterscheidet<br />

sich das nicht zum Berufsschulunterricht, allerd<strong>in</strong>gs lernt<br />

man auf anderen Wegen. Der Schwierigkeitsgrad steigert<br />

sich während der betrieblichen Ausbildung kont<strong>in</strong>uierlich.<br />

Der Ausbilder dort erklärt, wie etwas zustande kommt und<br />

warum er etwas macht.<br />

An der Berufsschule arbeitet man schneller, es ist aber nicht<br />

zu schnell. Wenn man mitdenkt und Interesse zeigt, ist das<br />

zu schaffen.<br />

Anschaulicher ist es <strong>in</strong> der Berufsschule, <strong>in</strong>sbesondere durch<br />

die Biegevorrichtung 1 .<br />

Der Schüler lernt im Betrieb mehr, auch Theorie, weil es an<br />

der Berufsschule nur Wiederholung ist.<br />

E Der Schüler bestätigt spontan, Inhalte ohne eigenes<br />

Erarbeiten oder Durchdenken abzuschreiben. Zum Beispiel<br />

versteht der Lernende e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>in</strong>nerhalb LE 9 nicht<br />

bzw. kann das Problem mit Hilfe des Informationsmaterials 2<br />

nicht lösen. Zudem verweist der Lehrer nach e<strong>in</strong>er expliziten<br />

Frage lediglich auf die Literatur. Irgendwann ist dann die<br />

Lust vorbei und man schreibt ab.<br />

Das Abschreiben hat ke<strong>in</strong>e Folgen, auch nicht h<strong>in</strong>sichtlich<br />

des Tests (Abschlusstest 9), weil der Proband diesen mit<br />

Note 1 besteht.<br />

E Es geht sehr schnell, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages<br />

wieder selbst <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, weil der Stand auf<br />

dem Rechner abgespeichert ist.<br />

B G Solange die Aufgaben lösbar s<strong>in</strong>d, benötigt der Schüler<br />

ke<strong>in</strong>e Lehrerunterstützung. Erst wenn man nicht mehr<br />

weiterkommt, soll man sich Tipps vom Lehrer holen.<br />

C G Die Bearbeitung ohne Lehrer ist angenehmer, weil der<br />

Schüler nicht ständig beobachtet und dabei vielleicht<br />

verunsichert wird.<br />

E Generell mehr Lehrerunterstützung wäre nicht notwendig,<br />

da man den Lehrer bei Bedarf sowieso holen kann.<br />

E Verweist die Lehrkraft statt der Beantwortung der Fragen<br />

auf Literatur, so ist dies für den Schüler <strong>in</strong> Ordnung. Anders<br />

wäre es auch nicht möglich, weil sonst der Lehrer die<br />

Aufgaben lösen würde. Durch das Selbsterarbeiten merkt<br />

man sich Sachverhalte nämlich viel leichter.<br />

1 LE 8<br />

2 Informationsmaterial: BIBB-Hefte, Fachkundebuch, Tabellenbuch


8 Darstellung der Ergebnisse 169<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte,<br />

Aufgabenblätter<br />

Informationsmaterial<br />

BL Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

Individuelles<br />

E Auch zur E<strong>in</strong>führung der Biegevorrichtung 3 fordert der<br />

Schüler ke<strong>in</strong>e ausgeprägtere Lehrerunterstützung, etwaige<br />

Fragen werden sowieso mit diesem geklärt.<br />

G Der Lehrer erklärt das Weg-Schritt-Diagramm 4 und stellt<br />

unabhängig vom Bearbeitungsstand der jeweiligen Gruppe<br />

bereits die Lösung vor, um den Schülern die schwierige<br />

Thematik nahe zu führen. Das Gespräch mit dem Lehrer ist<br />

für den Schüler unnötig, weil das Diagramm bereits richtig –<br />

ohne Lehrerhilfe – erstellt wurde.<br />

E G Das selbstständige Erarbeiten hat für den Probanden den<br />

Vorteil, eigenständig Lösungen und Antworten zu<br />

E<br />

entwickeln, die nicht nach der Idee des Lehrers oder mit<br />

Hilfe e<strong>in</strong>es Buches zu Papier zu br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d.<br />

Durch Selbsterarbeiten kann man sich Inhalte viel besser<br />

merken.<br />

G Durch das Selbsterarbeiten merkt man sich Sachverhalte viel<br />

leichter.<br />

F E Die Leittexte s<strong>in</strong>d bis auf e<strong>in</strong> paar Unklarheiten relativ gut.<br />

G E Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter müssen nicht vorab mit dem<br />

Lehrer durchgesprochen werden, weil man bei etwaigen<br />

Unklarheiten den Lehrer holen kann. Man soll ja selbstständiges<br />

Arbeiten lernen, das heißt, man kann das Blatt<br />

durchgehen und sehen, was machbar ist.<br />

E Das Wissenskontrollblatt ist zur Vertiefung sehr gut, auch<br />

wenn man etwas vergessen sollte. Außerdem entsprechen<br />

die Fragen denen der Probe. Das ist nicht schlecht.<br />

Trotzdem bei LE 6 das Wissenskontrollblatt vergessen wird,<br />

hat das ke<strong>in</strong>e Auswirkung auf die Testnote. Das liegt aber<br />

daran, dass der Stoff anfänglich noch sehr leicht ist,<br />

<strong>in</strong>sbesondere weil der Schüler bereits e<strong>in</strong>e betriebliche<br />

Ausbildung durchlaufen hat.<br />

3 LE 8<br />

4 LE 8, Leitblatt, 1.c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm ...<br />

5 Informationsmaterial: BIBB-Hefte, Fachkundebuch, Tabellenbuch<br />

G Der Schüler äußert sich positiv zum Informationsmaterial 5<br />

und stellt fest, alle Informationen aus den vorhandenen<br />

Büchern zu erhalten, sowohl aus den BIBB-Heften, als auch<br />

aus dem Tabellenbuch. Man muss es eben zusammensuchen,<br />

auch wenn das länger dauert als die Erarbeitung der<br />

Thematik mit der Lehrkraft.<br />

G Das Verhalten der Lehrkraft ist generell gut, die Auszubildenden<br />

nicht ständig zu fordern, sondern nur zu kontrollieren<br />

oder zu <strong>in</strong>formieren, wenn es nötig ist. Damit bekommt<br />

der Schüler e<strong>in</strong> gutes Feedback.<br />

E Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform<br />

nicht im Mittelpunkt steht, kommt der Schüler gut zurecht.<br />

E Die Lehrkraft unterstützt <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> sehr gut.


170 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

SF/BL<br />

Lehrerunterstütztes<br />

Lernen<br />

Lernwirksamkeit<br />

Leittexte,<br />

Aufgabenblätter<br />

Informationsmaterial<br />

E In dieser Art von <strong>Unterricht</strong> sollte der Lehrer so wenig wie<br />

möglich machen, damit man selbst viel erarbeiten kann. Der<br />

Lehrer <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> ist e<strong>in</strong>er der besten überhaupt.<br />

Spaß und Ernst halten sich die Waage, man kann zu ihm e<strong>in</strong><br />

gutes Verhältnis aufbauen. Zu kritisieren hat der Proband an<br />

diesem Lehrer nichts.<br />

G Die Frontalphase 6 ist gut, aber nur dann s<strong>in</strong>nvoll, wenn<br />

jemand das Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns noch nicht verstanden<br />

hat. Generell würde der Schüler die Phase an den ‚Anfang’<br />

stellen, um von Anfang an zu lernen, wie das Verkabeln auf<br />

e<strong>in</strong>fachstem Wege zu bewerkstelligen ist.<br />

E Die Frontalphase 7 ist s<strong>in</strong>nvoll, weil man beim Verkabeln<br />

schnell Fehler macht. So etwas muss an den Anfang des<br />

<strong>Unterricht</strong>s gestellt werden.<br />

E<strong>in</strong> anderes Beispiel, das über e<strong>in</strong>e Frontalphase 8 erläutert<br />

werden sollte, wüsste der Lernende nicht. Er ist grundsätzlich<br />

der Me<strong>in</strong>ung, dass man die Aufgaben erst selbst<br />

durchgehen sollte bevor man bei etwaigen Fragen den<br />

Lehrer holt, sonst arbeitet man wieder nach Plan des<br />

Lehrers.<br />

E E<strong>in</strong>e Unterstützung beim Durcharbeiten des Wissenskontrollblattes<br />

durch die Lehrkraft könnte so aussehen, dass<br />

man die Fragen schriftlich beantwortet und anschließend<br />

freiwillig korrigieren lässt. Dann könnte man se<strong>in</strong>e Fehler<br />

erkennen und es im Test besser machen.<br />

H E Mit den BIBB-Heften kommt der Schüler nicht zurecht, er<br />

verwendet <strong>in</strong> der Regel das Tabellenbuch. Wenn man aber<br />

weiß, wo etwas steht, kann man auch aus den BIBB-Heften<br />

viel rausholen. Es wird alles anhand von Zeichnungen<br />

beschrieben; das ist das e<strong>in</strong>zig Gute an diesen Heften 9 .<br />

Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

Individuelles<br />

Selbstgesteuertes<br />

Lernen,<br />

Lehrerunterstütztes<br />

Lernen<br />

Lernwirksamkeit E Die Lernwirksamkeit ist sowohl beim Selbsterarbeiten als<br />

auch durch Arbeiten mit dem Lehrer gegeben. Das Lesen<br />

br<strong>in</strong>gt schon mehr, aber auch der Lehrer hier, weil dieser so<br />

Leittexte,<br />

Aufgabenblätter<br />

erklärt, dass man die Sachverhalte versteht.<br />

6 Frontalphase: Der Lehrer erklärt das Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns für den gesamten Block am Tageslichtprojektor<br />

7 Frontalphase: Der Lehrer erklärt das Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns für den gesamten Block am Tageslichtprojektor<br />

8 Frontalphase: Der Lehrer erklärt das Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns für den gesamten Block am Tageslichtprojektor<br />

9 Informationsmaterial: BIBB-Hefte, Fachkundebuch, Tabellenbuch


8 Darstellung der Ergebnisse 171<br />

KAL<br />

Informationsmaterial<br />

Fachliches<br />

Biegevorrichtung<br />

E E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte<br />

Lehrerhilfe wären gut möglich. Dann bräuchte man aber<br />

Bücher, <strong>in</strong> denen alles besser beschrieben ist, <strong>in</strong>sbesondere<br />

mit gutem Inhaltsverzeichnis.<br />

Auf den Lehrer ganz zu verzichten wäre jedoch nicht<br />

möglich, weil nicht alle Fragen mit Hilfe von Informationsmaterialien<br />

10 geklärt werden könnten. E<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong> mit<br />

Lehrer ist letztendlich e<strong>in</strong>facher.<br />

D G Es gibt ke<strong>in</strong>e Schwierigkeiten, bisher ist auf dem<br />

Aufgabenblatt alles lösbar 11 .<br />

A G Die Aufgaben des Blattes ‚Das Relais als Signalverarbeitungselement’<br />

s<strong>in</strong>d bisher nicht sehr schwer und auch ohne<br />

Lehrerunterstützung lösbar 12 .<br />

G Der Aufbau der Selbsthalteschaltung 13 bereitet ke<strong>in</strong>e<br />

Probleme.<br />

G Beim Erkennen der Bauteile an der Biegevorrichtung 14 gibt<br />

es ke<strong>in</strong>e Probleme.<br />

G Den Schülern ist klar, wie das Weg-Schritt-Diagramm 15<br />

zustande kommt.<br />

G Die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung 16 ist klar.<br />

G Der Schüler äußert sich zur Biegevorrichtung 17 deshalb<br />

positiv, weil der eigentliche Aufbau schon besteht und man<br />

etwas zum Anfassen und Schalten hat, nicht nur e<strong>in</strong>e<br />

Simulation.<br />

G Der Schüler deutet auch an, auf die ausdrückliche Frage<br />

danach, mehr Spaß bei der Biegevorrichtung 18 zu haben, als<br />

an e<strong>in</strong>em Steckbrett.<br />

E Das schrittweise Aufbauen der Biegevorrichtung 19 ist<br />

ungewohnt, wenn man die bisherigen Aufgabenstellungen<br />

bedenkt. Deshalb gibt es zu Beg<strong>in</strong>n der Lerne<strong>in</strong>heit 8 e<strong>in</strong>ige<br />

Schwierigkeiten. Für diejenigen aber, die <strong>in</strong> der Steuerungstechnik<br />

noch Defizite haben, wie z. B. der Gruppenpartner,<br />

ist das schrittweise Vorgehen besser.<br />

10<br />

Informationsmaterial: BIBB-Hefte, Fachkundebuch, Tabellenbuch<br />

11<br />

LE 6, Blatt: Das Relais als Signalverarbeitungselement<br />

12<br />

LE 6, Blatt: Das Relais als Signalverarbeitungselement<br />

13<br />

LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung, Bearbeiten Sie das<br />

„Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

2. Aufgabe – Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

14<br />

LE 8, Leitblatt, 1.a) Verdeutlichen Sie sich die Funktion der Biegevorrichtung, Listen Sie alle <strong>in</strong> der<br />

vorgefundenen Anlage verwendeten Bauteile der Steuerung mit ihrer korrekten Bezeichnung auf ...<br />

15<br />

LE 8, Leitblatt, 1.c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm ...<br />

16<br />

LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung, Bearbeiten Sie das<br />

„Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung<br />

17<br />

LE 8<br />

18<br />

LE 8<br />

19<br />

LE 8


172 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

KKL<br />

IOL<br />

Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

Individuelles<br />

Gegenseitiges<br />

Unterstützen<br />

Allgeme<strong>in</strong>es,<br />

Individuelles<br />

Abschlusstest 6/7<br />

Abschlusstest 8<br />

Abschlusstest 9<br />

IFU Praktische<br />

Umsetzung der<br />

Theorie<br />

G Die Arbeit zu zweit ist gut, weil man sich ergänzt. Der<br />

Schüler schließt nicht aus, dass es bei E<strong>in</strong>zelarbeit mehr<br />

Probleme geben und man Unterstützung des Lehrers<br />

häufiger e<strong>in</strong>fordern würde.<br />

E Der Schüler kann ursprünglich ke<strong>in</strong>e Besonderheit des<br />

<strong>Unterricht</strong>s nennen, er<strong>in</strong>nert sich aber gerne an die<br />

Zusammenarbeit.<br />

E E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Auszubildende nicht weiß und<br />

nicht durch den Lehrer oder die Unterlagen vermittelt<br />

werden, erklärt der Gruppenpartner. Zu zweit f<strong>in</strong>det man<br />

viel heraus. Was der e<strong>in</strong>e nicht weiß, weiß der andere. Es ist<br />

besser, wenn e<strong>in</strong>ige Sachverhalte durch den Gruppenpartner<br />

erklärt werden und nicht durch die Lehrkraft. Sonst ist es<br />

wieder wie <strong>Unterricht</strong>, ‚ich sag es euch, ihr schreibt es auf,<br />

lernt es’.<br />

E Wenn der Proband anderen Schülern etwas erklärt, br<strong>in</strong>gt es<br />

ihm selbst nicht viel. Wenn er gut erklärt, br<strong>in</strong>gt es aber den<br />

anderen etwas. Der Lernende hilft den anderen deshalb, weil<br />

er bereits im betrieblichen <strong>Unterricht</strong> Erfahrung <strong>in</strong> der<br />

Steuerungstechnik sammeln konnte.<br />

G Diese Art von Prüfung – Theorie und Praxis – wird von dem<br />

Schüler positiv bewertet, weil er <strong>in</strong> der praktischen Tätigkeit<br />

e<strong>in</strong>e weitere Chance sieht, die Aufgabe richtig zu lösen.<br />

G Die ungewohnte Prüfungssituation stellt ke<strong>in</strong> Problem dar.<br />

Der Schüler stellt aber fest, dass er sowieso das zu tun hat,<br />

was von ihm gefordert wird.<br />

G Abschlusstest 9 beurteilt der Schüler als leicht, auch den<br />

Praxisteil. Er erklärt aber, dass er umdenken muss, weil statt<br />

e<strong>in</strong>es Schalters nun e<strong>in</strong> Relais benutzt wird und zusätzlich<br />

Näherungsschalter.<br />

G Im Pr<strong>in</strong>zip spricht sich der Schüler für beide Formen positiv<br />

aus, sowohl e<strong>in</strong>e Zwischenstandskontrolle durch die<br />

Lehrkraft nach dem Zeichnen der Schaltpläne, jedoch vor<br />

dem Aufbau der Schaltung durchführen zu lassen<br />

G<br />

(Abschlusstest 8) als auch die Prüfung ohne diese Kontrolle<br />

fertig zu stellen (Abschlusstest 9). Vorteilhaft dabei ist die<br />

damit verbundene Abwechslung. Bei Abschlusstest 8 betont<br />

er aber den Vorteil, dass man auf e<strong>in</strong>en etwaigen Fehler<br />

rechtzeitig aufmerksam gemacht wird.<br />

Die praktische Umsetzung der Selbsthalteschaltung 20 ist<br />

anschaulicher als die gezeichnete Schaltung. Die praktische<br />

Umsetzung ist der Beweis dafür, dass e<strong>in</strong>e gezeichnete<br />

Schaltung auch funktioniert.<br />

_______________________<br />

20 LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung, Bearbeiten Sie das<br />

„Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

2. Aufgabe – Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung


8 Darstellung der Ergebnisse 173<br />

Legende: Bfr.: Befragung<br />

BL: Beratende Lehrerrolle<br />

E: E<strong>in</strong>zelbefragung<br />

G: Gruppenbefragung<br />

HU: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

IFU: Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

IOL: Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

KAL: Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Kat.: Kategorie<br />

KKL: Kooperative und kommunikatives Lernen<br />

SF: Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Subkat.: Subkategorie<br />

Zu.: Zuordnung<br />

Übersicht 8-6: Zusammenschau der Befragungen


8 Darstellung der Ergebnisse 173


174 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2 Ergebnisse der Falldarstellungen<br />

Die nachfolgende, e<strong>in</strong>em weiteren synthetischen Prozess unterzogene Ergebnisabbildung<br />

schließt die exemplarische Falldarstellung ab. Hierzu sei <strong>in</strong>sbesondere auf Kapitel 7.3.4<br />

verwiesen. Um die Aussagen von jedem Schüler besser nachvollziehen und verifizieren bzw.<br />

falsifizieren zu können wird die Ergebnisdarstellung von e<strong>in</strong>er Adressatenanalyse jedes<br />

E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>geleitet. Die Adressatenanalyse stellt e<strong>in</strong>e Art ‚Außenperspektive’ dar, der die<br />

Schüleraussagen als e<strong>in</strong>e ‚Innenperspektive’ gegenüberstehen. Die Außenperspektive erlaubt<br />

die E<strong>in</strong>ordnung des Schülers h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er fachlichen Qualifikation, so dass das<br />

Aussagenspektrum basierend auf der Außenperspektive zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> groben Zügen nachprüfbar<br />

ist.<br />

Wie aus den <strong>in</strong> Kapitel 8.1 dargestellten Dokumenten ersichtlich, s<strong>in</strong>d die Aussagen, sofern<br />

erforderlich, jeweils e<strong>in</strong>em bestimmten Gegenstand zugeordnet (vgl. z. B. Übersicht 8-3). Der<br />

h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er Aussage stehende Gegenstand wird auch <strong>in</strong> die nachfolgende Ergebnisdarstellung<br />

mittels Fußnotentext e<strong>in</strong>bezogen. Damit ist gewährleistet, dass die dargestellten (und<br />

umgearbeiteten Aussagen) jeweils <strong>in</strong> Bezug auf die betroffene Thematik betrachtet werden<br />

können.<br />

Äußerste auffällige Widersprüche <strong>in</strong> den Aussagen e<strong>in</strong>es Probanden (und nur diese) s<strong>in</strong>d<br />

kursiv dargestellt, um damit den Leser zu sensibilisieren. Bei der Beurteilung der Aussagen<br />

(Kapitel 9) werden Widersprüche ggf. dann berücksichtigt, wenn die weiteren Aussagen des<br />

jeweiligen Probanden <strong>in</strong> Frage gestellt werden müssten. Es sei jedoch erwähnt, dass e<strong>in</strong>e sich<br />

im Verlauf der Befragung ändernde Sichtweise der Probanden nicht zw<strong>in</strong>gend auf e<strong>in</strong>e<br />

Unüberlegtheit bei der Beantwortung der Fragen oder auf mangelndes Interesse der Probanden<br />

an den Interviews schließen lässt. Vielmehr muss im Verlauf der Befragungen mit mehr<br />

oder weniger deutlichen Widersprüchen gerechnet werden, die sich schon alle<strong>in</strong> aufgrund<br />

e<strong>in</strong>es erweiterten Erfahrungshorizontes e<strong>in</strong>es Probanden am Ende der Lernstrecke ergeben.<br />

Meist lässt sich der Tenor der Aussagen jedoch e<strong>in</strong>deutig bestimmen (vgl. Kapitel 9),<br />

allerd<strong>in</strong>gs sollten die oben angesprochenen gravierenden Widersprüche zur Kenntnis<br />

genommen werden und falls notwendig, <strong>in</strong> die Beurteilung mit e<strong>in</strong>fließen.<br />

An dieser Stelle sei nochmals explizit auf Kapitel 7.3.4 der vorliegenden Arbeit verwiesen, da<br />

dort der <strong>in</strong> der Ergebnisdarstellung verwendete Schreibstil erläutert wird. Es empfiehlt sich,<br />

die dort beschriebenen Kriterien zur Darstellung nachfolgender Ergebnisse nochmals<br />

nachzuvollziehen, um die h<strong>in</strong>ter dem Schreibstil stehende Intention zu verstehen und so die<br />

essentiellen Aspekte der Ergebnisse besser erfassen zu können.<br />

Als wesentlicher Aspekt beim Durcharbeiten des Ergebniskapitels ist zu beachten, dass alle<br />

Passagen die Aussagen des jeweiligen Probanden wiedergeben, auch wenn der Schreibstil<br />

zeitweise etwas anderes vermuten lässt. Folgender Auszug aus der Ergebnisdarstellung<br />

verdeutlicht den Zusammenhang:<br />

Der Proband verlangt selbst bei schwierigeren Lern<strong>in</strong>halten ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Hilfestellung,<br />

z. B. bei E<strong>in</strong>führung der Biegevorrichtung oder bei Bearbeitung des Weg-Schritt-<br />

Diagramms.<br />

Die paraphrasierte Aussage „der Proband verlangt selbst bei schwierigeren Lern<strong>in</strong>halten ke<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>tensivere Hilfestellung, …“ erweckt möglicherweise den E<strong>in</strong>druck, dass diese Feststellung<br />

durch e<strong>in</strong>en externen Betrachter getroffen wurde. Dies ist aber nicht der Fall. Die Aussage ist<br />

das alle<strong>in</strong>ige Ergebnis der Umarbeitung der ursprünglichen Probandenaussage.


8 Darstellung der Ergebnisse 175<br />

Ferner sei nochmals auf die Kategorie ‚Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende<br />

Lehrerrolle’ h<strong>in</strong>gewiesen. Dieses sche<strong>in</strong>bar <strong>in</strong> sich widersprüchliche E<strong>in</strong>ordnungskriterium<br />

ermöglicht die Aufnahme von Aussagen, die sowohl der Kategorie ‚Selbststeuerung und<br />

Freiheitsgrade’, als auch der Kategorie ‚Beratende Lehrerrolle’ zugeordnet werden könnten.<br />

Den Aussagen lässt sich also ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Präferenz entnehmen. Um jedoch den<br />

Zusammenhang <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Aussage nicht zu verlieren, sollen derartige Angaben <strong>in</strong> ihrem<br />

Zusammenhang belassen und über diese Kategorie abgerufen werden.<br />

8.2.1 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1A/I 1<br />

8.2.1.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 1, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 4<br />

LE 7: 3 AT 7: 1<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 2 AT 9: 3<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,00 AT gesamt: 2,25<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,06 → 2


176 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.1.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Proband gibt an, e<strong>in</strong>e überbetriebliche Ausbildung (drei Wochen) durchlaufen zu haben.<br />

Der <strong>Unterricht</strong> dort ist nach Ansicht des Lernenden schwerer, die Schaltungen s<strong>in</strong>d aufwändiger<br />

als <strong>in</strong> der Berufsschule. Man arbeitet ganztägig und wird kaum durch e<strong>in</strong>e Lehrkraft<br />

begleitet. Nach Verteilung der Aufgaben s<strong>in</strong>d die Lernenden <strong>in</strong> aller Regel auf sich selbst<br />

gestellt. Vor Aufbau der Schaltung wird der Schaltplan jedoch durch die Lehrkraft kontrolliert.<br />

Der Schüler ist der Me<strong>in</strong>ung, dass sich die beiden Lehrgänge – überbetriebliche<br />

Ausbildung, Berufsschule – ergänzen, weil man für den <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule besser<br />

vorbereitet ist. Der Schüler stuft die Lernwirkung im berufsschulischen <strong>Unterricht</strong> als größer<br />

e<strong>in</strong>, weil Unterlagen angefertigt und Tests geschrieben werden. In der überbetrieblichen<br />

Ausbildung s<strong>in</strong>d lediglich die Schaltpläne zu zeichnen. Der Ausbilder der überbetrieblichen<br />

Ausbildung ist – wie der Lehrer an der Berufsschule – sehr tolerant.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband spricht sich positiv für die Leittextmethode aus, weil er selbstständig arbeiten<br />

kann. Er betont, dass dies deshalb vorteilhaft ist, weil man nicht <strong>in</strong> die Verlegenheit kommt,<br />

Fragen vor anderen beantworten oder gar Schaltungen aufbauen zu müssen. Vielmehr ist es<br />

möglich, bei se<strong>in</strong>en Mitschülern unpassende Fragen zu stellen oder ggf. mehrmals nachfragen<br />

zu können. Das selbstgesteuerte Lernen stellt sich damit als wesentlich angenehmer dar. Der<br />

Proband benötigt zudem ke<strong>in</strong>e Unterstützung, den Anschluss an vorhergehende <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten<br />

zu f<strong>in</strong>den und kann stets selbstständig weiterarbeiten.<br />

E<strong>in</strong> explizites Fachgespräch, z. B. zur Bearbeitung des Weg-Schritt-Diagramms 2 oder zu<br />

Näherungsschalter 3 weist für den Schüler ke<strong>in</strong>e Besonderheit auf bzw. dient lediglich als<br />

Bestätigung für die bisherige Arbeit.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kommt es durchaus vor, dass der Lernende Aufgaben ohne Selbsterarbeitung<br />

abschreibt, nämlich dann, wenn die Motivation nachlässt. Drei zusammenhängende Stunden<br />

<strong>Unterricht</strong> s<strong>in</strong>d laut Angaben des Schülers zu lange, so dass gegen Ende des <strong>Unterricht</strong>s<br />

<strong>in</strong>sbesondere dann Inhalte von anderen übernommen werden, wenn sich e<strong>in</strong>e Selbsterarbeitung<br />

als zu aufwändig darstellen würde.<br />

Der Lernende sieht e<strong>in</strong>e aufgrund der Selbststeuerung bed<strong>in</strong>gte Lernwirksamkeit darauf<br />

begründet, dass man wesentliche Informationen zur Bearbeitung der Aufgaben selbst erfassen<br />

und nach eigenem Stil verarbeiten kann. Dadurch wird e<strong>in</strong> Nachvollziehen der Thematik<br />

erleichtert. Im traditionellen <strong>Unterricht</strong> stören im Wesentlichen folgende Faktoren den<br />

Lernprozess: Die Lehrkraft redet zuviel, oftmals <strong>in</strong> unverständlicher Ausdrucksweise und das<br />

Dargebotene wird durch die Schüler lediglich abgeschrieben. Da man nicht ständig zuhören<br />

kann, so erklärt der Schüler, lernt man <strong>in</strong> der Regel erst zu Hause nach.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler sehr gut zurecht, auch wenn die Fragestellung an<br />

wenigen Stellen kritisiert wird. Pr<strong>in</strong>zipiell bedarf es ke<strong>in</strong>er verstärkten Lehrerunterstützung<br />

bei Durcharbeitung e<strong>in</strong>zelner Arbeitsblätter, wie z. B. dem Aufgabenblatt ‚Das Relais als<br />

Signalverarbeitungselement’ 4 oder dem Wissenskontrollblatt, weil die zur Bearbeitung<br />

erforderlichen Informationen den Unterlagen zu entnehmen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Durchsprechen der<br />

Aufgabenblätter 5 mit dem Pädagogen vor der eigentlichen Bearbeitung ist ebenfalls nicht<br />

notwendig, es reicht, diesen bei etwaigen Problemen befragen zu dürfen. Die Selbsterarbei-


8 Darstellung der Ergebnisse 177<br />

tung dauert se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach allerd<strong>in</strong>gs länger als dies mit Lehrerunterstützung der Fall<br />

wäre.<br />

Der Schüler äußert sich positiv zu den Wissenskontrollblättern und kann se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach<br />

aufgrund der dort geforderten Wiederholungen e<strong>in</strong>e bessere Leistung erbr<strong>in</strong>gen. Die schlechte<br />

Note <strong>in</strong> Abschlusstest 6 (Note 4) führt der Auszubildende darauf zurück, das entsprechende<br />

Wissenskontrollblatt nicht bearbeitet und damit ke<strong>in</strong> Bild über den anstehenden Test erhalten<br />

zu haben.<br />

Mit dem Informationsmaterial 6 ist der Schüler zufrieden, er bestätigt zudem, ke<strong>in</strong>e weiteren<br />

Unterlagen zu benötigen.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler beschreibt die Tatsache, dass der Pädagoge <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> nicht im<br />

Mittelpunkt steht, als unproblematisch.<br />

Der Lernende beurteilt die Vorgehensweise der den <strong>Unterricht</strong> gestaltenden Lehrkraft als<br />

positiv und fühlt sich durch diese weder gestört noch beh<strong>in</strong>dert. Wichtig ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />

nach die Toleranz des Lehrers, weil im <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong> höherer Lärmpegel herrscht, als dies <strong>in</strong><br />

traditionellem <strong>Unterricht</strong> die Regel ist.<br />

Manchmal würde der Schüler e<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung schätzen, wie dies z. B. im<br />

Rahmen der Frontalphase 7 der Fall war. Der Lehrer hätte das Verkabeln allerd<strong>in</strong>gs nicht nur<br />

am Tageslichtprojektor zeigen, sondern es auch wirklich umsetzen sollen. Grundlegendes<br />

sollte generell der Lehrer erklären, ähnlich der Frontalphase. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel, um e<strong>in</strong>e<br />

Sequenz dieser Art e<strong>in</strong>zusetzen, kann der Schüler nicht nennen. Für andere Themenbereiche<br />

wäre es se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach auch nicht notwendig.<br />

Der Schüler stellt aufgrund anfänglicher Unsicherheiten zu Beg<strong>in</strong>n der Lerne<strong>in</strong>heit 8 und<br />

konträr zu anderen Ausführungen fest, dass die Anweisungen <strong>in</strong> Leittext 8 genauer ausformuliert<br />

werden müssten. Alternativ wäre auch e<strong>in</strong>e ausführlichere Erläuterung zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong><br />

die Lerne<strong>in</strong>heit wünschenswert. Auch müssten genauere Literaturverweise <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Aufgabenstellungen angegeben werden, da die zur Bearbeitung e<strong>in</strong>er Aufgabe wesentlichen<br />

Inhalte nur schwer aufzuf<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Grundsätzlich s<strong>in</strong>d die Aufgaben sehr gut selbstständig<br />

zu bearbeiten, bei schwierigen Inhalten müsste die Unterstützung, z. B. durch die Lehrkraft,<br />

erhöht werden.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Im Verlauf der Lernstrecke treten ke<strong>in</strong>e nennenswerten Probleme auf, gemäß der Ansicht des<br />

Schülers lassen sich alle Aufgaben gut bearbeiten.<br />

Zur Biegevorrichtung 8 äußert sich der Schüler positiv, weil die Anschaulichkeit gegenüber<br />

dem Steckbrett erhöht ist, so dass man Steuerungsabläufe deutlich erkennen kann. Zudem<br />

br<strong>in</strong>gt die Abwechslung mehr Spaß.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

E<strong>in</strong>e organisatorisch bed<strong>in</strong>gte Veränderung der Gruppenzusammensetzung bereitet dem<br />

Schüler ke<strong>in</strong>e Probleme.


178 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die gegenseitige Unterstützung der Schüler wird nur <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe durchgeführt, da<br />

man zu anderen Gruppen kaum Kontakt aufbauen kann.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der Lernende spricht sich für re<strong>in</strong> theoretische Tests aus, da sich <strong>in</strong>sbesondere der praktische<br />

Teil der Prüfung, das Verkabeln, als äußerst schwierig darstellt und diese Art des Prüfens<br />

äußerst ungewohnt ist. Bereits <strong>in</strong> der Zwischenprüfung konnte der Schüler die theoretischen<br />

Anteile leichter bearbeiten.<br />

Abschlusstest 9 stuft der Auszubildende als schwierig e<strong>in</strong>. Bereits im Theorieteil tritt e<strong>in</strong><br />

Fehler auf, den der Schüler anfänglich nicht erkennt. Daher wäre e<strong>in</strong>e Zwischenstandskontrolle<br />

9 durch den Lehrer erforderlich, bevor etwaige Fehler <strong>in</strong> den Praxisteil übertragen werden.<br />

In e<strong>in</strong>em früheren <strong>Unterricht</strong> zur Steuerungstechnik s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Extemporale und e<strong>in</strong>e<br />

Schulaufgabe zu schreiben. Der Schüler äußert sich diesbezüglich negativ, weil man se<strong>in</strong>e<br />

Note unter Umständen nicht mehr korrigieren kann. Bei den vielen Tests im jetzigen<br />

<strong>Unterricht</strong> ist e<strong>in</strong>e etwaige schlechte Note nicht entscheidend.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Verkabelung e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung 10 , d. h. die Umsetzung der Theorie <strong>in</strong> die Praxis,<br />

ermöglicht dem Lernenden die Beseitigung von Verständnisschwierigkeiten, der Sachverhalt<br />

wird klarer, e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> theoretische Erarbeitung der Thematik wäre ohneh<strong>in</strong> zu schwer. Der<br />

Schüler gibt an, durch die praktische Tätigkeit zu lernen, wie man e<strong>in</strong>en Schaltplan liest.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs erfordert die Praxis äußerste Konzentration.<br />

8.2.2 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1B/I<br />

8.2.2.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 1, 2 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke


8 Darstellung der Ergebnisse 179<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 3 AT 7: 2<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 2 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,00 AT gesamt: 1,75<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,94 → 2<br />

8.2.2.2 Innenperspektive<br />

Da <strong>in</strong> Kapitel 8.1 exemplarisch die Dokumente des Schülers 1B/I abgebildet s<strong>in</strong>d, werden die<br />

dort aufgeführten Auszüge mit Darstellung der Innenperspektive kenntlich gemacht. Die<br />

hervorgehobenen Textstellen entsprechen dementsprechend diesen Auszügen (vgl. Zuordnung<br />

A bis H).<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler zeigt sich dem <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzept grundsätzlich positiv<br />

gegenüber und spricht sich allgeme<strong>in</strong> für die Leittextmethode und für die Gruppenarbeit aus,<br />

weil dadurch e<strong>in</strong> Austausch mit anderen Schülern erfolgen kann.<br />

Aufgrund e<strong>in</strong>er versäumten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit hat der Proband nicht das Gefühl, etwas zu<br />

verpassen oder nacharbeiten zu müssen. Stress entsteht aufgrund der versäumten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit<br />

nicht für ihn.<br />

Der Schüler hat bereits erste Erfahrung mit Steuerungstechnik im Betrieb gesammelt. Vom<br />

Inhaltlichen unterscheidet sich die Steuerungstechnik se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nicht zum<br />

Berufsschulunterricht, allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Lernwege andere. Der Schwierigkeitsgrad steigert<br />

sich während der betrieblichen Ausbildung kont<strong>in</strong>uierlich. Der Ausbilder dort erklärt, wie<br />

etwas zustande kommt und warum er etwas macht. Der <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule wird<br />

schneller durchlaufen. Wenn man jedoch mitdenkt und Interesse zeigt, so ist der Kurs nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Probanden zu bewältigen. Insbesondere aufgrund der Biegevorrichtung 8 ist der<br />

<strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule anschaulicher, obgleich der Lernende angibt, im Betrieb mehr<br />

zu lernen, sowohl theoretische Inhalte als auch praktische. Dies liegt nach Ansicht des<br />

Probanden daran, dass der <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule nur Wiederholung ist.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Ziel des Schülers ist es, die Aufgaben so weit wie möglich selbstständig zu<br />

bearbeiten. Wesentliche, das Vorhaben unterstützende Hilfestellungen s<strong>in</strong>d dabei<br />

e<strong>in</strong>erseits das Wissen um die bei Bedarf verfügbare Lehrerunterstützung (B) und<br />

andererseits die Arbeit im Team. Der Proband verlangt selbst bei schwierigeren Lern<strong>in</strong>halten


180 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Hilfestellung, z. B. bei E<strong>in</strong>führung der Biegevorrichtung oder bei Bearbeitung<br />

des Weg-Schritt-Diagramms 2 . Auch benötigt er ke<strong>in</strong>e Unterstützung, um den Anschluss<br />

an vorhergehende <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten zu f<strong>in</strong>den.<br />

Der Schüler befürwortet daher auch die Vorgehensweise des Lehrers, Hilfestellung nur<br />

<strong>in</strong>direkt zu geben und bedarfsgerecht auf hilfreiches Informationsmaterial 6 zu verweisen, weil<br />

gerade durch selbstgesteuertes Lernen e<strong>in</strong>e höhere Lernwirksamkeit erreicht wird. Er<br />

erwähnt zudem die durch selbstgesteuertes Lernen bed<strong>in</strong>gte angenehme Arbeitsatmosphäre,<br />

da die Schüler weniger der Beobachtung durch die Lehrkraft<br />

ausgesetzt s<strong>in</strong>d und folglich weniger verunsichert werden (C).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kommt es durchaus vor, dass der Lernende Aufgaben ohne Selbsterarbeitung<br />

abschreibt, nämlich dann, wenn sich selbstgesteuertes Lernen als zu aufwändig gestaltet. Der<br />

Schüler bezieht sich dabei auf e<strong>in</strong>e Aufgabe aus Lerne<strong>in</strong>heit 9 und führt diesbezüglich die<br />

fehlende Motivation an. Trotzdem weist er darauf h<strong>in</strong>, den entsprechenden Abschlusstest 9<br />

mit Note 1 zu bestehen.<br />

Entscheidend für den Probanden ist das Entwickeln eigener Lösungen und<br />

Antworten, die nicht vom Lehrer vorgegeben oder aus Büchern übernommen<br />

werden (E). Damit lässt sich e<strong>in</strong>e bessere Aufnahme des Stoffes erreichen, wie dies bei<br />

Selbsterarbeitung generell der Fall ist.<br />

Der Schüler bewertet die Leittexte positiv, erwähnt aber, dass e<strong>in</strong>ige Unklarheiten<br />

zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d (F). E<strong>in</strong> Durchsprechen der Aufgabenblätter 5 mit dem<br />

Pädagogen vor der eigentlichen Bearbeitung ist nicht nötig, da dieser ggf. Hilfestellung<br />

gibt (G).<br />

Das Wissenskontrollblatt bietet zusätzliche Sicherheit, weil laut Me<strong>in</strong>ung des Lernenden die<br />

dort angesprochenen Themen mit den entsprechenden Tests übere<strong>in</strong>stimmen. Der Schüler<br />

weist erneut auf den Notenspiegel h<strong>in</strong> und gibt an, dass die Gruppe gute Noten <strong>in</strong> Abschlusstest<br />

6 erzielt hat, obwohl das Wissenskontrollblatt der Lerne<strong>in</strong>heit 6 nicht bearbeitet wurde.<br />

Dies liegt jedoch an der e<strong>in</strong>fachen, bereits im Betrieb schon erlernten Thematik.<br />

Der Schüler äußerst sich positiv zu den zur Verfügung stehenden Informationsmaterialien und<br />

kann diesen alles Wesentliche entnehmen. Das selbstständige Herausarbeiten von Inhalten<br />

stellt sich allerd<strong>in</strong>gs als zeitaufwändiger dar, als dies bei e<strong>in</strong>er Erarbeitung mit der Lehrkraft<br />

der Fall wäre.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler beschreibt die Tatsache, dass der Pädagoge <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> nicht im<br />

Mittelpunkt steht, als unproblematisch.<br />

Die von der Lehrkraft angebotene Hilfe ist nach Ansicht des Schülers sehr gut, der Lehrer<br />

fordert nicht ständig, sondern <strong>in</strong>formiert und kontrolliert, wenn dies nötig ist. Ansonsten hält<br />

er sich zurück und unterstützt das selbstgesteuerte Lernen. Auch das Verhältnis zwischen<br />

Lehrer und Schüler beschreibt der Proband als sehr gut.<br />

Die Frontalphase 7 wird vom Lernenden deshalb als s<strong>in</strong>nvoll e<strong>in</strong>gestuft, weil sich <strong>in</strong>sbesondere<br />

beim Verkabeln der Schaltungen sehr schnell Fehler e<strong>in</strong>stellen. Allerd<strong>in</strong>gs sollte diese<br />

Sequenz gemäß dem Verständnis des Schülers nur e<strong>in</strong>gesetzt werden, wenn jemand das<br />

Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns nicht verstanden hat. Generell würde der Schüler die Phase zu Beg<strong>in</strong>n


8 Darstellung der Ergebnisse 181<br />

der Lernstrecke ansetzen, um zu zeigen, wie das Verkabeln auf e<strong>in</strong>fachstem Wege zu<br />

bewerkstelligen ist.<br />

E<strong>in</strong>e Unterstützung beim Durcharbeiten des Wissenskontrollblattes durch die Lehrkraft<br />

könnte nach Ansicht des Schülers so aussehen, dass man die Fragen schriftlich beantwortet<br />

und anschließend freiwillig korrigieren lässt. Fehler wären dann erkennbar und könnten im<br />

Test vermieden werden.<br />

Der Auszubildende weist gegen Ende der Lernstrecke darauf h<strong>in</strong>, mit den BIBB-<br />

Heften 6 nicht arbeiten zu können, allerd<strong>in</strong>gs ermöglicht die Kenntnis des Aufbaus<br />

dieser Unterlagen das Herausarbeiten vieler Aspekte. Die Ausführungen mit Hilfe<br />

von Zeichnungen s<strong>in</strong>d ebenfalls positiv zu bewerten. Im Wesentlichen verwendet der<br />

Schüler das Tabellenbuch (H).<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler spricht sich sowohl für selbstgesteuertes als auch für lehrerunterstütztes Lernen<br />

aus. Selbstständiges Arbeiten br<strong>in</strong>gt nach Ansicht des Auszubildenden mehr, allerd<strong>in</strong>gs<br />

erklärt der Lehrer <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> so gut, dass sich beide Lernformen für den <strong>Unterricht</strong><br />

als geeignet darstellen.<br />

E<strong>in</strong>e Erweiterung des Literaturangebots und dafür e<strong>in</strong>e Reduzierung der Hilfestellung durch<br />

die Lehrkraft käme für den Schüler dann <strong>in</strong> Frage, wenn besseres Informationsmaterial zur<br />

Verfügung stünde. Dies müsste dann e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong> ausführliches Inhaltsverzeichnis aufweisen<br />

und andererseits die Themen erschöpfender beschreiben. Auf den Lehrer ganz zu verzichten<br />

wäre jedoch nicht möglich, weil nicht alle Fragen mit Hilfe von Informationsmaterialien<br />

geklärt werden könnten. E<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong> mit Lehrer ist letztendlich e<strong>in</strong>facher.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Im Verlauf der Lernstrecke treten ke<strong>in</strong>e nennenswerten Probleme auf, nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Schülers lassen sich alle Aufgaben gut bearbeiten und im Wesentlichen<br />

ohne zusätzliche Lehrerunterstützung lösen. (A, D).<br />

Der Schüler äußert sich zur Biegevorrichtung deshalb positiv, weil der eigentliche Aufbau<br />

schon besteht und die Realität e<strong>in</strong>er Simulation vorzuziehen ist. Er deutet auch an, auf die<br />

ausdrückliche Frage danach, mehr Spaß bei der Biegevorrichtung zu haben, als an e<strong>in</strong>em<br />

Steckbrett. Das geforderte schrittweise Vorgehen zum Aufbau der Biegevorrichtung ist<br />

ungewohnt, wenn man die bisherigen Aufgabenstellungen vergleicht. Für diejenigen aber, die<br />

<strong>in</strong> der Steuerungstechnik noch Defizite haben, wie z. B. der Gruppenpartner, ist das schrittweise<br />

Vorgehen jedoch gut geeignet, das Wissen langsam aufzubauen.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Als positiv stellt sich für den Probanden die Gruppenarbeit dar. Der Schüler schließt nicht<br />

aus, dass es bei E<strong>in</strong>zelarbeit mehr Probleme geben und man die Unterstützung des Lehrers<br />

häufiger e<strong>in</strong>fordern würde.<br />

Positiv wird auch die gegenseitige Unterstützung e<strong>in</strong>geordnet, weil man gerade zu zweit viele<br />

Aspekte erarbeiten kann. Wechselseitige Erläuterungen auf Schülerebene s<strong>in</strong>d laut Proband<br />

generell besser, als H<strong>in</strong>weise des Lehrers. Zu viele Erläuterungen durch den Lehrer würden<br />

wieder e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong>skonzept <strong>in</strong> negativem S<strong>in</strong>ne nahe kommen.


182 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die Übernahme der Lehrerrolle gegenüber anderen Schülern br<strong>in</strong>gt dem Probanden ke<strong>in</strong>e<br />

Vorteile, er leistet aber trotzdem Hilfestellung, weil er aufgrund der betrieblichen Erfahrung<br />

mit den Inhalten der Steuerungstechnik bereits vertraut ist.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Prüfungen mit Theorie- und Praxisanteil bewertet der Proband positiv, weil er <strong>in</strong> der<br />

praktischen Tätigkeit e<strong>in</strong>e weitere Chance sieht, die gestellten Aufgaben richtig zu bearbeiten.<br />

Die ungewohnte Prüfungssituation ist unproblematisch. Der Schüler stellt aber fest, generell<br />

das tun zu müssen, was von ihm gefordert wird.<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip spricht sich der Schüler für beide Formen positiv aus, sowohl e<strong>in</strong>e Zwischenstandskontrolle<br />

9 durch die Lehrkraft durchführen zu lassen als auch die Prüfung ohne<br />

diese Kontrolle fertig zu stellen. Vorteilhaft dabei ist die damit verbundene Abwechslung. Bei<br />

Abschlusstest 8 betont er aber den Vorteil, dass man auf e<strong>in</strong>en etwaigen Fehler rechtzeitig<br />

aufmerksam gemacht wird.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die praktische Umsetzung der Selbsthalteschaltung 10 ist für den Schüler anschaulicher als die<br />

gezeichnete Schaltung alle<strong>in</strong>e. Sie ist der Beweis dafür, dass e<strong>in</strong>e gezeichnete Schaltung auch<br />

funktioniert.<br />

8.2.3 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2A/I<br />

8.2.3.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Gymnasium<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 2, 2 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 1<br />

LE 7: 1 AT 7: 2<br />

LE 8: 2 AT 8: 2


8 Darstellung der Ergebnisse 183<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,33 AT gesamt: 1,67<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,25 → 2<br />

8.2.3.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

An die erste Stunde er<strong>in</strong>nert sich der Schüler ungern, weil die Gruppe weder mit der Thematik<br />

noch mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept vertraut war. Anfänglich möchte sich der Schüler zu dieser<br />

Art von <strong>Unterricht</strong> noch nicht äußern und abwarten, was sich im Laufe der Zeit durch das, für<br />

die Gruppe neue <strong>Unterricht</strong>skonzept, ergibt. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt gibt der Proband<br />

aber an, dass er mit se<strong>in</strong>em Lernfortschritt sehr zufrieden ist. Insbesondere hätte er nie<br />

geglaubt, Schaltungen dieses Schwierigkeitsgrades stecken zu können. Der Schüler ist<br />

überzeugt davon, den <strong>Unterricht</strong> trotz kle<strong>in</strong>erer Probleme gut zu bewältigen und glaubt die<br />

Bestätigung dafür auch von der Lehrkraft zu erhalten. Nach durchlaufener Lernstrecke zeigt<br />

sich der Proband begeistert von diesem <strong>Unterricht</strong> und wünscht sich dies für alle Fächer. Auf<br />

e<strong>in</strong>en traditionellen <strong>Unterricht</strong> kann der Schüler dann verzichten, weil er dort sowieso nur<br />

zum Zuhören gezwungen wird.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler äußert sich positiv zur Selbststeuerung, gerade weil die Gruppe viel nachlernen<br />

musste und dies mit dem hier erfahrbaren Konzept gut zu bewerkstelligen ist. Im Gegensatz<br />

dazu stehen die Arbeitsblätter des traditionellen <strong>Unterricht</strong>s, bei denen der Lehrer die<br />

Lösungen oftmals schon vorgibt. E<strong>in</strong>e Selbsterarbeitung ist dort nicht möglich. Der Lernende<br />

gibt an, dass es wichtig für se<strong>in</strong> Selbstwertgefühl ist, eigenständig Inhalte zu erarbeiten. Er<br />

möchte nicht wegen jeder Kle<strong>in</strong>igkeit mit dem Lehrer sprechen, denn im Betrieb ist dies auch<br />

nicht möglich. Auch dort fragt man erst nach, wenn man wirklich nicht weiterkommt.<br />

Generell ist festzustellen, dass selbstständiges Erarbeiten mehr Spaß macht als die Arbeitsweise<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong>.<br />

Der Schüler fühlt sich nach der Bearbeitung des Blattes ‚Das Relais als Signalverarbeitungselement’<br />

11 , sicher genug, e<strong>in</strong>e Prüfung zu schreiben. Die eigenständige Erarbeitung trägt<br />

hierzu bei. Er erwartet noch e<strong>in</strong>e Rücksprache mit dem Lehrer, um letztendlich e<strong>in</strong>e<br />

Musterlösung vorliegen zu haben. Das Gespräch erlaubt es, eigene Fehler zu erkennen und<br />

Verbesserungsvorschläge aufzunehmen.<br />

Für den Schüler ist es unproblematisch, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Problem zu verbeißen. So dauert die Arbeit<br />

mit dem Grenztaster 12 sehr lange, weil die Gruppe auftretende Unsicherheiten beim Erarbeiten<br />

des Informationsblattes unbed<strong>in</strong>gt selbst klären will. Anfänglich ist den Schülern nicht


184 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

bewusst, dass es sich um e<strong>in</strong> neues Bauteil (Grenztaster) handelt, aber durch das Informationsblatt<br />

wird dies dann geklärt.<br />

Der Schüler beschreibt auch Probleme, die bei Selbststeuerung auftreten können, die er aber<br />

selbst regeln kann. Er schätzt sich z. B. als konfus e<strong>in</strong> und gibt an, <strong>in</strong> jedem Fach Schwierigkeiten<br />

zu haben, wieder neu <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den. Dies macht sich <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong>nerhalb dieses <strong>Unterricht</strong>skonzepts bemerkbar. Diesbezügliche Unsicherheiten kann der<br />

Lernende nach se<strong>in</strong>er Ansicht jedoch schnell kompensieren.<br />

Es kommt durchaus vor, dass der Auszubildende Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder<br />

Durchdenken abschreibt, dadurch erst wird se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach Gruppenarbeit legitimiert.<br />

Der Proband sieht dieses weniger als Abschreiben, vielmehr eröffnet sich für ihn hiermit die<br />

Möglichkeit des Informationsaustausches. Grundsätzlich erfolgt e<strong>in</strong> etwaiges Abschreiben nur<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gruppe, weil andere Gruppen wesentlich weiter mit dem Stoff s<strong>in</strong>d.<br />

Der Proband gibt an, dass diese Art des Lernens, sich Inhalte selbstständig zu erarbeiten, die<br />

Lernwirksamkeit erhöht.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht. Auch bedürfen die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter5<br />

ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die Lehrkraft, weil die Aufgaben verständlich<br />

formuliert s<strong>in</strong>d. Sollten bei e<strong>in</strong>er Frage Probleme auftreten, kann dies mit dem Lehrer<br />

geklärt werden. Der Proband verweist darauf, dass es zuviel vom <strong>Unterricht</strong> wegnehmen<br />

würde, wenn der Lehrer jede Frage e<strong>in</strong>zeln durchgehen müsste.<br />

Das Wissenskontrollblatt ist gemäß der Aussage des Schülers wichtig, weil es auf die<br />

Anforderungen der Abschlusstests aufmerksam macht. Die Unterstützung durch den Lehrer<br />

beim Durcharbeiten des Wissenskontrollblattes ist für den Probanden nicht notwendig, weil<br />

die Schüler sich das meiste bereits erarbeitet haben und daher auch etwaige Schwierigkeiten<br />

mit dem Wissenskontrollblatt <strong>in</strong> der Regel zu bewältigen s<strong>in</strong>d. Gegebenenfalls kann der<br />

Lehrer zu Rate gezogen werden.<br />

Mit dem zur Verfügung stehenden Informationsmaterial6 ist der Schüler sehr zufrieden, weil<br />

alles zu f<strong>in</strong>den ist, was er zur Bewältigung der Anforderungen braucht. Auch mit den BIBB-<br />

Heften kommt der Schüler gut zurecht. Diese s<strong>in</strong>d übersichtlich, so dass sich daraus alles<br />

unproblematisch erarbeiten lässt.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler sehr gut zurecht. Diese Aussage begründet sich auf der dem Schüler<br />

angenehmen Arbeitsatmosphäre, <strong>in</strong>sbesondere darauf, dass nicht kont<strong>in</strong>uierlich höchste<br />

Konzentration gefordert wird.<br />

Der Lehrer sollte gemäß der Aussage des Probanden e<strong>in</strong>e Art Betreuer se<strong>in</strong>, so wie es der<br />

jetzige Lehrer handhabt. Er sollte <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> nicht rechthaberisch se<strong>in</strong> oder<br />

laut werden. Der Proband weist darauf h<strong>in</strong>, dass sich e<strong>in</strong> ungeeignetes Verhalten der Lehrkraft<br />

<strong>in</strong> der Klasse widerspiegeln würde. Der jetzige Lehrer ist äußerst angenehm, <strong>in</strong>sbesondere<br />

kompetent und kann bei Bedarf stets zu Rate gezogen werden. Wenn er ggf. zu e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>tensiveren Arbeitse<strong>in</strong>satz drängt, ist dies für jeden nachvollziehbar.<br />

Der Schüler zeigt sich der den <strong>Unterricht</strong> leitenden Lehrkraft positiv gegenüber, <strong>in</strong>sbesondere<br />

weil diese unterstützend zur Seite steht, ggf. aber auch zu verstärktem Arbeitse<strong>in</strong>satz<br />

auffordert. Dies ist für den Schüler allerd<strong>in</strong>gs unverständlich. Er würde e<strong>in</strong>en gewissen Druck


8 Darstellung der Ergebnisse 185<br />

akzeptieren, allerd<strong>in</strong>gs unter der Prämisse, dass die Vorkenntnisse der Gruppe berücksichtigt<br />

werden.<br />

Nach Ansicht des Schülers beantwortet der Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen immer, wenn<br />

auch manchmal mit der Gegenfrage, ob man die entsprechende Literatur 6 schon durchgegangen<br />

ist. Der Schüler ist jedoch der Ansicht, dass e<strong>in</strong> vorheriges Bemühen um die Lösung<br />

vorausgesetzt wird.<br />

Die Frontalsequenz 7 zum Verdeutlichen des Verkabelns beschreibt der Lernende ausnehmend<br />

positiv. Das vom Lehrer aufgezeigte schrittweise Vorgehen wendet der Schüler nun tatsächlich<br />

an.<br />

Der Auszubildende erklärt, zu Beg<strong>in</strong>n der Steuerungstechnik e<strong>in</strong>e ausführliche E<strong>in</strong>führung –<br />

zum<strong>in</strong>dest für diese Gruppe – vermisst zu haben. Die Schüler können sich aber auch<br />

anderweitig arrangieren.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe ist generell möglich.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs stellt der Schüler fest, dass man den Lehrer dann braucht, wenn im Buch etwas<br />

nicht erklärt ist oder man diese Erklärung nicht versteht.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Anfänglich gibt es Probleme bei der Unterscheidung der Ventilarten (Magnetventil, Magnetimpulsventil)<br />

4 . Nachdem der Lehrer e<strong>in</strong> paar, für die Schüler wichtige Tipps gibt, ist die<br />

Lösung dem entsprechenden Informationsmaterial zu entnehmen.<br />

Im Zusammenhang von Schaltung und Zeichnung entsteht e<strong>in</strong> Denkfehler 13 . Durch die<br />

Lehrerunterstützung kommen die Schüler schneller voran, allerd<strong>in</strong>gs hätte die Gruppe das<br />

Problem früher oder später selbst behoben, wenn auch mit mehr Aufwand.<br />

E<strong>in</strong> Fehler <strong>in</strong> der Funktionsbeschreibung 14 wird von dem Schüler nicht als gravierend<br />

betrachtet. Es handelt sich lediglich um e<strong>in</strong>e Ungenauigkeit, weil die Gruppe die Anzahl der<br />

E<strong>in</strong>gänge mit denen der Ausgänge verwechselt.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n der Lerne<strong>in</strong>heit 8 gibt es kle<strong>in</strong>e Missverständnisse. Der Schüler ist sich nicht im<br />

Klaren, ob die Aufgabenstellung vielleicht zweideutig ist oder die Gruppe etwas falsch<br />

versteht. Der Lehrer drückt sich unklar aus, auch das trägt zur Verwirrung bei. Der Proband<br />

erklärt aber, das Ziel trotzdem zu erreichen.<br />

Das Problem, ‚Dom<strong>in</strong>ierend E<strong>in</strong>/Aus’ 15 nicht unterscheiden zu können, macht sich laut<br />

Schüler bei der Benennung der Schaltung bemerkbar, weil <strong>in</strong> den BIBB-Heften nichts zu<br />

f<strong>in</strong>den ist 16 . Durch das Gespräch mit der Lehrkraft kann das Problem beseitigt werden.<br />

Der Schüler gibt zu, e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Fehler <strong>in</strong> der Schaltung 10 zu haben, der aber berichtigt<br />

werden kann, nachdem die Gruppe nochmals exakt nach Plan vorgeht. Der Lernende gibt an,<br />

die Schaltung dann genau so zu stecken, wie vom Lehrer am Tageslichtprojektor gezeigt 7 .<br />

Dies funktioniert dann fehlerfrei. Der Schüler bestätigt die Aussage se<strong>in</strong>es Partners, dass der<br />

Fehler nur im Praxisteil auftritt, die gezeichnete Schaltung ist korrekt.<br />

Der Schüler ist etwas skeptisch <strong>in</strong> Bezug auf die Biegevorrichtung 8 , erklärt aber, dass die<br />

Anlage <strong>in</strong>teressant aufgebaut ist. Er bestätigt zudem die Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>es Partners, dass man<br />

Zusammenhänge an dem komplexen Projekt besser erkennen kann.


186 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Bei Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe bzgl. e<strong>in</strong>er Aufgabe f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> der<br />

Regel e<strong>in</strong>en Konsens.<br />

Der Proband bevorzugt Erläuterungen von Mitschülern im Gegensatz zu jenen des Lehrers,<br />

weil diese e<strong>in</strong>facher zu verstehen s<strong>in</strong>d. Das liegt nach Me<strong>in</strong>ung des Lernenden daran, dass<br />

sich e<strong>in</strong> anderer Schüler besser <strong>in</strong> die eigene Sichtweise h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzen kann. Der Lehrer<br />

würde mehr mit Fachbegriffen arbeiten. Trotzdem ist es dem Schüler letztendlich gleichgültig,<br />

von wem er die Erläuterungen erhält.<br />

Der Schüler ist auch bereit, anderen Schülern Erklärungen zu liefern.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 8 ist schwerer als angenommen, jedoch zu bewältigen. Die eigentliche Leistung<br />

liegt für den Schüler im Entwickeln der Schaltung. Ist die Zeichnung e<strong>in</strong>mal erstellt, kann der<br />

Lernende diese problemlos stecken.<br />

Der Proband hält e<strong>in</strong>e Zwischenstandsprüfung 9 durch die Lehrkraft für s<strong>in</strong>nvoll, denn<br />

zeichnet man e<strong>in</strong>e fehlerhafte Schaltung und bemerkt dies erst nach dem Aufbau, gestaltet<br />

sich die Fehlersuche schwieriger. Trotz e<strong>in</strong>es etwaigen Fehlers kann so aber, mit Hilfe des<br />

Lehrers, die richtige Schaltung <strong>in</strong> die Praxis umgesetzt werden.<br />

Für den Schüler spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob er e<strong>in</strong>en Theorietest oder e<strong>in</strong>e komb<strong>in</strong>ierte Prüfung<br />

mit Theorie- und Praxisanteil zu bewältigen hat. Wichtig ist nur, dass vorab die Schaltung<br />

gezeichnet werden kann, weil er sich bei e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Praxisaufgabe zu unsicher fühlen würde.<br />

Er spricht noch e<strong>in</strong>mal die Frontalphase an und erklärt, dass er mit Hilfe dieser H<strong>in</strong>weise e<strong>in</strong>e<br />

Skizze <strong>in</strong> die Praxis umsetzen kann.<br />

Die ungewohnte Prüfungssituation (Praxisanteil) berührt den Schüler weniger.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Auf die Verkabelung der Selbsthalteschaltung 10 , d. h. auf die Umsetzung der Theorie <strong>in</strong> die<br />

Praxis kann der Schüler nicht verzichten, da hier zusätzliches Lernpotential zur Verfügung<br />

steht.<br />

8.2.4 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2B/I<br />

8.2.4.1 Außenperspektive<br />

Persönliche Daten:<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000


8 Darstellung der Ergebnisse 187<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 2, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 2<br />

LE 8: 2 AT 8: 2<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,33 AT gesamt: 2.33<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,42 → 2<br />

8.2.4.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

<strong>Unterricht</strong> dieser Art ist für den Schüler neu, <strong>in</strong>teressant und überraschend günstig. In e<strong>in</strong>em<br />

spontanen Vergleich mit traditionellem <strong>Unterricht</strong> stellt der Lernende die Vorteile des neuen<br />

Konzepts heraus. Man ist gezwungen zu arbeiten, um am Ende der Stunde tatsächlich etwas<br />

vorweisen zu können, während der Stoff des traditionellen <strong>Unterricht</strong>s nur oberflächlich<br />

aufgenommen wird und auch vom Nachbarn abgeschrieben werden könnte. Generell ist der<br />

Schüler überrascht, <strong>in</strong> der Kürze der Zeit sehr viel aufholen zu können. Der Proband hält auch<br />

die Organisation des <strong>Unterricht</strong>s für überzeugender, weil beispielsweise bei Versäumnissen<br />

(z. B. kurze Pausen) ke<strong>in</strong>e wesentlichen Inhalte verpasst werden. Weitere Anregungen zur<br />

<strong>Unterricht</strong>sgestaltung möchte der Schüler erst geben, wenn er sich verstärkt e<strong>in</strong>gearbeitet hat.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler spricht sich für selbstgesteuertes Lernen aus und kann mit daraus resultierenden<br />

Schwierigkeiten umgehen. So ist es für ihn unproblematisch, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen<br />

<strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, weil er sich noch an die Vorstunde<br />

er<strong>in</strong>nern kann. Etwaige Schwierigkeiten bei der Lösung von Problemen versucht er alle<strong>in</strong>e zu<br />

lösen, auch wenn sich die Bearbeitungsdauer dadurch verzögert. Als Beispiel gibt er das


188 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Aufgabenblatt ‚Mechanischer Grenztaster’ 12 an. Beantwortet der Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche<br />

Fragen nicht immer, sondern verweist auf das Informationsmaterial 6 , so ist dies auch ke<strong>in</strong><br />

Problem, weil man den Sachverhalt dann tatsächlich <strong>in</strong> der Literatur f<strong>in</strong>det. Dennoch gibt der<br />

Proband an, sich trotz Selbsterarbeitung des Blattes ‚Das Relais als Signalverarbeitungselement’<br />

4 - nicht sicher zu fühlen, so dass zum momentanen Zeitpunkt e<strong>in</strong> Test unpassend wäre.<br />

Die Lernwirksamkeit stuft der Schüler bei selbstgesteuertem Lernen hoch e<strong>in</strong>, weil man damit<br />

nicht nur dem Lehrer zuhört, sondern selbst aktiv wird. Ungeachtet dessen, dass kle<strong>in</strong>ere<br />

Probleme auftreten können und man vielleicht nicht so weit vorankommt wie andere, versteht<br />

man Selbsterarbeitetes besser und kann es dann auch anwenden. Bei re<strong>in</strong>er Lehrervermittlung<br />

wird der Stoff laut Ansicht des Lernenden nur oberflächlich aufgenommen.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht, gleichwohl es die Arbeit vermutlich<br />

erleichtern würde, die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 vorab mit der Lehrkraft durchzugehen. Der<br />

Schüler bezweifelt aber, dass man die Sachverhalte dann genauso verstanden hätte. Vielleicht<br />

ist e<strong>in</strong>e Erläuterung vorab unnötig, weil man bei etwaigen Fragen sowieso den Lehrer<br />

anspricht. Dies gilt auch für das Wissenskontrollblatt, wobei gerade hier besonders aufmerksam<br />

gearbeitet werden sollte, weil damit etwaige Defizite beseitigt werden können.<br />

Mit dem zur Verfügung stehenden Informationsmaterial 6 ist der Schüler sehr zufrieden, weil<br />

er <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den BIBB-Heften alles Notwendige f<strong>in</strong>den kann. Ergänzend dazu leistet<br />

das Tabellenbuch gute Dienste.<br />

Auf e<strong>in</strong> bestimmtes Problem angesprochen, die Schaltung nicht richtig benennen zu können 16 ,<br />

begründet der Schüler dies mit dem mangelhaften Informationsmaterial, <strong>in</strong> dem entsprechende<br />

Verweise nicht zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Lernende nimmt den unterrichtenden Lehrer äußerst positiv wahr, auch gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Probleme damit, dass dieser nicht – wie im traditionellen <strong>Unterricht</strong> – im Mittelpunkt steht.<br />

Im Gegenteil, der Proband kann damit gut umgehen, zumal der Pädagoge im Wesentlichen<br />

freie Hand lässt und man lediglich bei zu großem Rückstand aufgefordert wird, zügiger zu<br />

arbeiten. Wichtig für den Lernenden ist e<strong>in</strong>e Lehrkraft, die selbst erkennt, wann e<strong>in</strong>e Gruppe<br />

Probleme hat. Der Pädagoge <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> ist sehr gut, beschäftigt sich anfänglich mit<br />

der eigenen Gruppe <strong>in</strong> besonderem Maße. Allerd<strong>in</strong>gs sollte er generell für leistungsschwächere<br />

Schüler verstärkt zu Verfügung stehen. Dies beachtet der Pädagoge nach Ansicht des<br />

Lernenden zu wenig.<br />

Der Schüler spricht sich trotz Selbststeuerung für Lehrerunterstützung aus. So kommt man<br />

mit dieser im Pr<strong>in</strong>zip bei speziellen Problemen, schneller voran. Beispielsweise kann erst<br />

nach e<strong>in</strong>er Aufforderung des Lehrers, weiter <strong>in</strong> den Unterlagen zu suchen, der Unterschied<br />

zwischen Magnetventil und Magnetimpulsventil 4 erarbeitet werden. Zusätzliche, für die<br />

Schüler wichtige Tipps des Lehrers helfen bei der Bearbeitung der Aufgabe. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere<br />

Lehrerunterstützung am Anfang und bei der Benutzung des Computers wäre laut den<br />

Aussagen des Probanden zudem wünschenswert. Nach den ersten <strong>Unterricht</strong>stagen s<strong>in</strong>d<br />

diesbezügliche Probleme aber behoben.<br />

Für den Schüler macht es ke<strong>in</strong>en Unterschied, ob man bestimmte Inhalte über e<strong>in</strong>e Frontalphase<br />

7 erläutert oder für jede Gruppe e<strong>in</strong>zeln. Für den Lehrer ist e<strong>in</strong>e Frontalphase natürlich<br />

e<strong>in</strong>facher als jede Gruppe e<strong>in</strong>zeln zu betreuen.


8 Darstellung der Ergebnisse 189<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe wären durchaus<br />

denkbar, weil man sich so noch mehr selbst erarbeiten könnte. Auf den Lehrer ganz verzichten<br />

möchte der Schüler aber nicht, weil es immer Fragen geben wird, die der Lernende selbst<br />

nicht beantworten kann. Generell wäre ausführlicheres Informationsmaterial wünschenswert,<br />

weil gewisse Inhalte oft nicht zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, auch nicht im Inhaltsverzeichnis.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Im Verlauf der Lernstrecke treten e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong>haltliche Probleme auf, die der Schüler beschreibt.<br />

So zeigt sich beispielsweise im Zusammenhang von Schaltung und Zeichnung e<strong>in</strong> Denkfehler<br />

13 , e<strong>in</strong>e fehlerhafte Funktionsbeschreibung des Ventils 17 ist aber lediglich auf e<strong>in</strong>en<br />

Schreibfehler bzw. auf die schlechte schriftliche Ausdrucksweise der Schüler bei der<br />

Ausformulierung der Funktionsbeschreibung zurückzuführen. Unsicherheiten zu Beg<strong>in</strong>n der<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8 treten deshalb auf, weil die Gruppe mehr abarbeiten will als verlangt. Des<br />

Weiteren ist die Zeichnung e<strong>in</strong>er Schaltung richtig, bei der Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis tritt<br />

allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Fehler auf 10 .<br />

Die Biegevorrichtung 8 ist von der Funktionsweise her e<strong>in</strong>leuchtender als das Aufbauen von<br />

Schaltungen auf dem herkömmlichen Steckbrett, weil der Schüler Zusammenhänge besser<br />

erkennen kann. Allerd<strong>in</strong>gs weist der Proband darauf h<strong>in</strong>, auch größere Anlagen zu kennen.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Charakteristische Kennzeichen der Gruppenarbeit werden von dem Lernenden wie folgt<br />

dargestellt. E<strong>in</strong> bloßes Abschreiben von Inhalten ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken<br />

kommt nicht <strong>in</strong> Frage, allerd<strong>in</strong>gs wird <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe Arbeitsteilung praktiziert, so dass<br />

man durchaus auch etwas von se<strong>in</strong>en Mitschülern übernimmt. Von anderen Schülern<br />

übernimmt die Gruppe jedoch nichts. E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Proband nicht weiß und<br />

nicht durch den Lehrer oder die Unterlagen vermittelt werden, erklären Mitglieder anderer<br />

Gruppen, weniger der eigene Gruppenpartner. Dies ist jedoch eher selten der Fall. Umgekehrt<br />

wird nach außen ke<strong>in</strong>e Hilfestellung geleistet. Es spielt im Übrigen ke<strong>in</strong>e Rolle, ob bestimmte<br />

Sachverhalte von Schülern oder dem Lehrer erläutert werden.<br />

Müsste man generell <strong>in</strong> dieser <strong>Unterricht</strong>sform alle<strong>in</strong>e arbeiten, wäre es zwar e<strong>in</strong> Mehraufwand,<br />

allerd<strong>in</strong>gs unproblematisch. Lernen würde man nach se<strong>in</strong>er Ansicht genauso viel. Für<br />

den Schüler liegt der e<strong>in</strong>zige Vorteil der Gruppenarbeit im schnelleren Vorankommen.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Bei der Bearbeitung von Abschlusstest 8 treten e<strong>in</strong> paar Probleme auf, das ist aber nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Schülers nichts Außergewöhnliches.<br />

Praxis <strong>in</strong> der Prüfungssituation ist für den Lernenden nichts anderes als während des<br />

eigentlichen <strong>Unterricht</strong>s. Man arbeitet lediglich alle<strong>in</strong>e. E<strong>in</strong>facher ist zwar e<strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Theorie-<br />

Test, die Praxis bietet aber die Möglichkeit, sich selbst noch e<strong>in</strong>mal zu überprüfen, ob man<br />

den Stoff wirklich beherrscht.<br />

Es spielt für den Schüler ke<strong>in</strong>e Rolle, ob der Lehrer e<strong>in</strong>e Zwischenstandkontrolle 9 durchführt<br />

oder nicht, weil das Ergebnis <strong>in</strong> jedem Falle präsentiert werden muss.


190 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der Schüler kann auf die Praxisphase nicht verzichten 10 .<br />

Das Stecken ist Übungssache, die man mit der Zeit <strong>in</strong> den Griff bekommt.<br />

8.2.5 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3A/I<br />

8.2.5.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 1<br />

LE 8: 2 AT 8: 3<br />

LE 9: 3 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 2,00<br />

Lernfortschritt: 1<br />

Arbeitsbeurteilung: 1<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,44 → 1<br />

8.2.5.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler gibt e<strong>in</strong>en kurzen Abriss über e<strong>in</strong>en im Betrieb durchlaufenen Kurs <strong>in</strong> der<br />

Steuerungstechnik wieder. Im Betrieb, so der Schüler, arbeitet man pr<strong>in</strong>zipiell alle<strong>in</strong>e, hat<br />

ke<strong>in</strong>en Kontakt zu anderen und kaum zum Meister. Diesen kann man bei Bedarf nicht ständig


8 Darstellung der Ergebnisse 191<br />

fragen, während an der Berufsschule der Lehrer zu Rate gezogen werden kann. Fachlich<br />

unterscheiden sich <strong>Unterricht</strong> und Kurs kaum, theoretische Aspekte müssen im Betrieb aber<br />

ausschließlich alle<strong>in</strong>e erarbeitet werden. Es ist nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers schwer festzustellen,<br />

ob man an der Berufsschule mehr lernt oder im Betrieb. Dies liegt daran, dass der<br />

<strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule nur Wiederholung ist. Daher gestaltet sich die Steuerungstechnik<br />

sehr e<strong>in</strong>seitig.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband spricht sich für selbstgesteuertes Lernen aus. So arrangiert er es selbst, zu<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den und regelt dies mit<br />

Hilfe der bisherigen Unterlagen. Auch bei etwaigen Schwierigkeiten, etwa zu Beg<strong>in</strong>n der<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8, präferiert der Schüler die Selbststeuerung, weil dies auch im Betrieb so<br />

gefordert wird. Beantwortet der Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen nicht immer, sondern<br />

verweist auf das Informationsmaterial 6 , so ist dies für den Lernenden ke<strong>in</strong> Problem, weil man<br />

den Ausführungen des Pädagogen se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach sowieso nicht folgt. Der Lernende<br />

wünscht zudem ke<strong>in</strong>e weiteren Frontalphasen 7 , weil e<strong>in</strong>erseits – wie bereits erwähnt – die<br />

selbstständige Arbeitsweise bevorzugt wird und andererseits die Thematik re<strong>in</strong>e Wiederholung<br />

ist. Daher ist die Frontalsequenz ohneh<strong>in</strong> überflüssig.<br />

Die Lernwirksamkeit ist nach Ansicht des Probanden bei selbstgesteuertem Lernen wesentlich<br />

größer als <strong>in</strong> traditionellem <strong>Unterricht</strong>.<br />

Mit den Leittexten, d. h. mit den Arbeitsblättern 5 kommt der Schüler gut zurecht, daher<br />

müssen diese nicht vorab mit der Lehrkraft besprochen werden. Es ist ebenfalls unnötig, das<br />

Wissenskontrollblatt mit dem Lehrer durchzuarbeiten, das würde se<strong>in</strong>es Erachtens zu lange<br />

dauern. Der Auszubildende merkt an, dass das Wissenskontrollblatt wichtig für die Probe ist,<br />

weil er sich gezielt vorbereiten kann. Andernfalls würde die Probe wahrsche<strong>in</strong>lich schlechter<br />

ausfallen. Im Rahmen dieser Ausführungen spricht der Schüler folgenden Fall an: Er vergisst<br />

während der Erarbeitung von Lerne<strong>in</strong>heit 6 etwas <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Aufgabenblatt e<strong>in</strong>zutragen, der<br />

Sachverhalt ist ihm nicht bewusst. Durch das Wissenskontrollblatt wird er darauf aufmerksam<br />

gemacht, so dass er se<strong>in</strong> Defizit beheben kann.<br />

Mit den BIBB-Heften kommt der Schüler nicht zurecht, sie werden daher nicht benutzt. Zum<br />

E<strong>in</strong>satz kommen Tabellenbuch, die Zusatzblätter für die Näherungsschalter und das Fachtheoriebuch.<br />

Wenn er nicht mehr weiterkommt, benutzt der Schüler nur das Fachtheoriebuch, auch<br />

im Falle der Näherungsschalter.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Auszubildende hat ke<strong>in</strong>e Probleme damit, dass die Lehrkraft nicht – wie im traditionellen<br />

<strong>Unterricht</strong> – im Mittelpunkt steht. Im Rahmen dieses Themas greift der Schüler die Problematik<br />

auf, andernfalls (traditioneller <strong>Unterricht</strong>) zum Zuhören gezwungen zu se<strong>in</strong>. Die aktive<br />

Schülerrolle gestaltet sich wesentlich effizienter.<br />

Der Pädagoge wird von dem Lernenden äußerst positiv wahrgenommen. Die fachliche<br />

Kompetenz der Lehrkraft ist entscheidend, die Schüler können hier nach Erachten des<br />

Probanden sehr viel lernen. Zudem ist der <strong>Unterricht</strong> so gestaltet, dass er auch Spaß macht.<br />

Tendenziell spricht sich der Proband für Lehrerunterstützung aus. So wäre beispielsweise die<br />

Erarbeitung der Thematik ‚Mechanischer Grenztaster’ 12 mit dem Lehrer vorteilhaft, weil man<br />

nach Aussage des Schülers wahrsche<strong>in</strong>lich leichter begreifen würde. Generell sollten häufiger


192 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

<strong>in</strong>tensive Fachgespräche mit der Lehrkraft stattf<strong>in</strong>den. Frontalunterrichtliche Sequenzen<br />

könnte durchaus öfter durchgeführt werden, gerade beim Verkabeln. Wünschenswert wäre<br />

dies z. B. auch beim Umgang mit der Software.<br />

Ausführlichere Angaben <strong>in</strong> den Leittexten würden zudem das Lernen erleichtern.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe ist nicht erwünscht.<br />

Das E<strong>in</strong>greifen des Lehrers ist nicht immer angenehm, dann aber doch wieder entspannend.<br />

Zu viele Bücher führen leicht zur Verwirrung, so dass der Proband das E<strong>in</strong>greifen des Lehrers<br />

h<strong>in</strong> und wieder schätzt.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip kann der Schüler ke<strong>in</strong>e wirklichen Probleme nennen, die im Verlauf der Lernstrecke<br />

auftreten. Beispielsweise wird <strong>in</strong> Lerne<strong>in</strong>heit 8 nach dem Pneumatikschaltplan gefragt,<br />

die Gruppe zeichnet aber auch den Elektroschaltplan 18 . Dies ist jedoch nicht auf äußere<br />

E<strong>in</strong>flüsse zurückzuführen (nicht etwa Unverständlichkeit des Leittextes), vielmehr liegt dies<br />

nach Ansicht des Schülers an der ungenauen Arbeitsweise der Gruppe. Schwierigkeiten mit<br />

dem Verkabeln hat der Schüler generell nicht, ihm ist klar, wie man schrittweise arbeitet.<br />

Anfängliche Unsicherheiten bei LE 8 lassen sich dadurch erklären, dass der Lernende auch<br />

noch andere D<strong>in</strong>ge im Kopf hat. Konkretes kann der Schüler nicht sagen.<br />

Die Biegevorrichtung 8 zeichnet sich nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden durch die hohe Praxisnähe<br />

aus und ist damit besser als das Steckbrett.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler gibt an, Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch abzuschreiben,<br />

dies begründet sich durch die <strong>in</strong> der Gruppe praktizierte Aufgabenteilung. Aufgrund der guten<br />

Zusammenarbeit unterrichten sich die Schüler auch gegenseitig. Von anderen Gruppen wird<br />

allerd<strong>in</strong>gs nichts übernommen, es wird alles selbst erarbeitet. Die Nachbargruppe wird jedoch<br />

laut Aussage des Schülers unterstützt, weil die Mitschüler weiter zurückliegen 19 .<br />

Allerd<strong>in</strong>gs zeichnen sich auch Probleme durch die Gruppenzusammensetzung ab. Drei<br />

Personen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Auszubildenden zu viel, weil sich e<strong>in</strong> Schüler<br />

stets zurückzieht und kaum am Arbeitsprozess beteiligt ist. Allerd<strong>in</strong>gs betrifft dies immer<br />

e<strong>in</strong>en anderen Lernenden. Fehlt e<strong>in</strong> Schüler, so ist kaum e<strong>in</strong> Unterschied zur Arbeit zu dritt<br />

bemerkbar. Nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden muss die Gruppe durch die Lehrkraft kont<strong>in</strong>uierlich<br />

angeregt werden.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 8 gestaltet sich als schwierig, weil der Schüler die Fragen nicht versteht. Er<br />

kann sich das selbst nicht erklären, im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ist ihm jedoch klar, dass es sich hier um<br />

e<strong>in</strong>e Selbsthalteschaltung handelt. Der Proband schätzt die unmittelbare Rücksprache mit der<br />

Lehrkraft, nur so können Defizite überwunden werden.<br />

E<strong>in</strong> Praxisteil überfordert den Schüler nicht, im Gegenteil, dies erlaubt, die h<strong>in</strong>ter der Theorie<br />

stehende Praxis besser zu verstehen.<br />

Abschlusstest 9 ist nach Ansicht des Probanden sehr e<strong>in</strong>fach.


8 Darstellung der Ergebnisse 193<br />

Für den Schüler spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob der Lehrer e<strong>in</strong>e Zwischenstandskontrolle 9 durchführt<br />

oder nicht, bevor die eigentliche Schaltung aufgebaut werden kann.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Thematik zur Selbsthalteschaltung 20 wäre dem Schüler auch ohne Umsetzung der Theorie<br />

<strong>in</strong> die Praxis klar, weil der Stoff bereits im Betrieb bearbeitet wurde. Die praktische Ausbildung<br />

sieht der Schüler jedoch für diejenigen, die das Fachliche noch nicht beherrschen, als<br />

gute Übung.<br />

8.2.6 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3B/I<br />

8.2.6.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 3<br />

LE 8: 2 AT 8: 2<br />

LE 9: 3 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 2,25<br />

Lernfortschritt: 1<br />

Arbeitsbeurteilung: 1<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,50 → 1


194 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.6.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler äußert sich positiv zu handlungsorientiertem <strong>Unterricht</strong> und gibt an, so am<br />

meisten zu lernen, <strong>in</strong>sbesondere, wenn bei Bedarf der Lehrer oder Meister zu Rate gezogen<br />

werden kann. Zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Unterricht</strong>sstrecke gibt es allerd<strong>in</strong>gs allgeme<strong>in</strong> Probleme, weil<br />

die Gruppe nicht konzentriert arbeitet.<br />

Der im Betrieb durchlaufene Steuerungstechnikunterricht unterscheidet sich nach Me<strong>in</strong>ung<br />

des Probanden kaum vom <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die Schaltungen im<br />

Betrieb schwieriger, von Anfang an wird dort e<strong>in</strong> hohes Niveau gefordert. Auch der Anteil an<br />

Selbsterarbeitung ist höher. In der Schule wird dagegen mehr Theorie vermittelt. Die Kurse<br />

s<strong>in</strong>d nach Me<strong>in</strong>ung des Lernenden trotzdem gleichwertig bzw. ergänzen sich, weil er <strong>in</strong> der<br />

Berufsschule noch zusätzlich Fe<strong>in</strong>heiten erlernt, die er im Betrieb so nicht mitbekommen hat.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband kommt mit selbstgesteuertem Lernen gut zurecht. Er hat beispielsweise ke<strong>in</strong>e<br />

Probleme, den Anschluss an die letzte <strong>Unterricht</strong>sstunde zu f<strong>in</strong>den. Auch <strong>in</strong>haltlich treten<br />

ke<strong>in</strong>e Schwierigkeiten auf. Sollte er von Mitschülern etwas abschreiben, so ist das lediglich<br />

durch die <strong>in</strong> der Gruppe praktizierte Arbeitsteilung begründet. Allerd<strong>in</strong>gs legt der Schüler<br />

stets Wert darauf, das Übernommene noch e<strong>in</strong>mal selbst nachzuvollziehen.<br />

Mehr Lehrerunterstützung wird generell nicht gefordert, so ist auch die Frontalphase 7 nicht<br />

erwünscht. Der Schüler bestätigt den Kommentar e<strong>in</strong>es Mitschülers, der alles selbst<br />

erarbeiten möchte. Der Auszubildende schließt zu diesem Zeitpunkt sogar aus, Tipps vom<br />

Lehrer zu erhalten. Die Frontalphase beschreibt der Schüler als ledigliche Wiederholung, die<br />

sicher nichts schadet.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht. Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 bedürfen<br />

ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die Lehrkraft, weil die Aufgaben klar formuliert<br />

s<strong>in</strong>d. Sollte etwas unklar se<strong>in</strong>, kann der Lehrer h<strong>in</strong>zu gezogen werden. Gleiches gilt für das<br />

Wissenskontrollblatt, das im Übrigen sehr wichtig ist, um Defizite zu beheben.<br />

Der Proband gibt an, dass zur Bearbeitung der Leittexte Fachtheorie- und Tabellenbuch<br />

ausreichend s<strong>in</strong>d, während sich die BIBB-Hefte für den <strong>Unterricht</strong> nicht eignen. Insbesondere<br />

bei den Näherungsschaltern 3 ist das Fachtheoriebuch sehr hilfreich.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Diese Lehrerrolle ist <strong>in</strong>sofern besser als der Schüler se<strong>in</strong><br />

Arbeitstempo selbst bestimmen und auch Spaß haben kann. Außerdem hat es den Vorteil,<br />

nicht e<strong>in</strong>fach etwas von der Tafel abschreiben zu müssen, das der Lernende meist sowieso<br />

nicht durchdenkt.<br />

Die Lehrkraft wird von dem Schüler positiv beschrieben, weil er <strong>in</strong>sbesondere bei <strong>in</strong>haltlichen<br />

Fragen stets hilfreich ist und nicht etwa auf die Literatur verweist. Der Pädagoge ist weder<br />

störend noch h<strong>in</strong>derlich, lediglich bei Abschlusstest 8 gibt es das Problem der Zwischenstandskontrolle<br />

9 . Der Schüler möchte hier lieber ungestört weiterarbeiten. Ansonsten ist<br />

der Lehrer hier sehr kompetent, kann erklären und lässt e<strong>in</strong> gewisses Maß an Freiheit zu.


8 Darstellung der Ergebnisse 195<br />

Das <strong>in</strong>tensive Gespräch mit dem Lehrer bzgl. Näherungsschalter 21 sieht der Schüler positiv,<br />

weil er dadurch e<strong>in</strong>en besseren E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Thematik bekommt. Derart <strong>in</strong>tensive Fachgespräche<br />

könnte man se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach öfter ansetzen, allerd<strong>in</strong>gs nur bei etwaigen Fehlern,<br />

um diese zu beheben und Defizite auszugleichen.<br />

Die Frontalphase ist für grundlegende Sachverhalte durchaus s<strong>in</strong>nvoll. Würde man gruppenweise<br />

vorgehen, müssten E<strong>in</strong>zelne ggf. zu lange warten. E<strong>in</strong> weiteres Beispiel, bei dem sich<br />

die Frontalphase anbieten würde, kann der Schüler nicht nennen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Laut Angaben des Probanden macht es bzgl. Lernwirksamkeit ke<strong>in</strong>en Unterschied, ob man<br />

sich die Sachverhalte selbst erarbeitet oder von der Lehrkraft <strong>in</strong> der Gruppe vermittelt<br />

bekommt. In e<strong>in</strong>er Dreiergruppe kann man auch mit dem Lehrer sehr <strong>in</strong>tensiv arbeiten.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe wären wünschenswert.<br />

Auf den Lehrer allerd<strong>in</strong>gs ganz zu verzichten, ist nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden nicht denkbar,<br />

weil immer ungelöste Fragen im Raum stehen.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Größere Probleme treten bei Durchlaufen der Lernstrecke nicht auf. Der Proband gibt aber<br />

e<strong>in</strong>en kurzen Abriss über kle<strong>in</strong>ere Schwierigkeiten. So zeichnet die Gruppe bei e<strong>in</strong>er Aufgabe<br />

von Lerne<strong>in</strong>heit 8 nicht nur den geforderten Pneumatikplan, sondern auch den Stromlaufplan<br />

18 . Dies passiert, weil sich der Schüler unterfordert fühlt, da er die entsprechenden<br />

Lern<strong>in</strong>halte bereits im Betrieb kennen gelernt hat. Er sieht das Problem, dass er sich die<br />

Aufgabe zu leicht vorstellt und deshalb Teile der Aufgabe überliest. Trotzdem schätzt er die<br />

zu bearbeitenden Aufgaben und Texte als ausreichend genau formuliert e<strong>in</strong>. Leichts<strong>in</strong>nsfehler<br />

die beim Verkabeln der Selbsthalteschaltung 10 auftreten begründet der Schüler damit, dass<br />

man sich die Bearbeitung der Aufgaben zu leicht vorstellt. Außerdem ist es verwirrend,<br />

ständig mit wechselnden Arbeitsorten (Steckbrett, Computer, ...) zurechtkommen zu müssen.<br />

Des Weiteren ist die Aufgabenstellung nach Erachten des Schülers zu ungenau. Er kann die<br />

Formulierung „Beschreiben Sie schriftlich die genaue Anlagenfunktion“ 22 nicht e<strong>in</strong>ordnen.<br />

Der Lernende spricht auf die ungenauen Anweisungen erst nach e<strong>in</strong>er expliziten Frage an.<br />

Auf die Frage nach Verbesserungsvorschlägen bzgl. e<strong>in</strong>er Formulierung erklärt der Schüler,<br />

ke<strong>in</strong>e Ahnung zu haben. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt erneut auftretende Leichts<strong>in</strong>nsfehler<br />

beim Verkabeln der Selbsthalteschaltung 10 führt der Schüler wieder auf zu oberflächliches<br />

Arbeiten nach dem Pr<strong>in</strong>zip ‚Versuch und Irrtum’ zurück. Er gibt an, kaum nach dem<br />

Schaltplan vorzugehen. Bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 treten anfänglich Schwierigkeiten auf, weil die<br />

Gruppe die Aufgabenstellung nicht vernünftig durchliest. Dies liegt aber mehr an der Gruppe,<br />

nicht am Aufbau der Blätter.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler gibt an, im Pr<strong>in</strong>zip ke<strong>in</strong>e Unterstützung durch andere Schüler zu benötigen,<br />

allerd<strong>in</strong>gs hilft er se<strong>in</strong>en Gruppenpartnern. Gruppenübergreifend erteilt der Proband <strong>in</strong> der<br />

Regel ke<strong>in</strong>e Hilfestellung. E<strong>in</strong>e etwaige Lehrerrolle ist nicht weiter bedeutend oder gar<br />

lehrreich.


196 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der Schüler schafft ke<strong>in</strong>e 1 <strong>in</strong> Abschlusstest 8, weil die Schaltung fehlerhaft aufgebaut ist. Er<br />

bemängelt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, nicht nach dem Pr<strong>in</strong>zip ‚Versuch und Irrtum’ arbeiten<br />

zu dürfen, sondern vor dem Ausprobieren der Schaltung den Lehrer holen zu müssen 9 . Den<br />

Fehler hätte er se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach auch selbst beheben können. Auch im Betrieb werden<br />

etwaige Fehler selbst behoben, wozu sich der Schüler durchaus <strong>in</strong> der Lage sieht. Auch bei<br />

Abschlusstest 9 bestätigt der Proband, ohne Lehrer arbeiten und die Prüfung erst dann<br />

beenden und dem Lehrer zeigen zu wollen, wenn die Schaltung selbst ausprobiert wurde.<br />

Der Auszubildende gibt an, erst durch Abschlusstest 9 letzte Unklarheiten bzgl. ‚Dom<strong>in</strong>ierend<br />

E<strong>in</strong>/Aus’ 15 beseitigen zu können. Der Unterschied ist ihm jetzt erst richtig bewusst.<br />

Der Schüler sieht e<strong>in</strong>en Abschlusstest mit praktischem Teil grundsätzlich positiv. E<strong>in</strong><br />

praktischer Teil bedeutet für ihn ke<strong>in</strong>erlei zusätzliche Anspannung.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Umsetzung der Theorie <strong>in</strong> die Praxis <strong>in</strong> Bezug auf die Selbsthalteschaltung 10 ist für den<br />

Schüler lediglich e<strong>in</strong>e gute Möglichkeit, sich e<strong>in</strong>zuarbeiten und andere Bauteile als jene im<br />

Betrieb kennen zu lernen.<br />

8.2.7 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3C/I<br />

8.2.7.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: 2<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 1<br />

LE 8: 2 AT 8: 2<br />

LE 9: 3 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --


8 Darstellung der Ergebnisse 197<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 1,75<br />

Lernfortschritt: 1<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,63 → 2<br />

8.2.7.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> dieser Form stellt sich für den Schüler positiv dar.<br />

Der Schüler berichtet über e<strong>in</strong>en im Betrieb durchlaufenen Kurs <strong>in</strong> der Steuerungstechnik.<br />

Dort ist die Arbeit se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach effizienter, weil man zwei Wochen am Stück arbeiten<br />

kann. Auch wird dort mehr Theorie <strong>in</strong> Form von Frontalunterricht vermittelt. Würde man <strong>in</strong><br />

der Schule auch frontal unterrichten, würde noch weniger gelernt werden. Umgekehrt könnte<br />

man im Betrieb mit Leittexten etc. mehr lernen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Aufgrund des selbstständigen Arbeitens wird nach Ansicht des Schülers die Lernwirksamkeit<br />

erhöht. So gibt der Schüler z. B. an, die Selbsthalteschaltung 10 selbst aufbauen zu können,<br />

weil er sie gezeichnet hat.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht. Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 sollten nicht<br />

vorab durch die Lehrkraft erläutert werden, denn Vorab<strong>in</strong>formationen würden die Motivation<br />

e<strong>in</strong>schränken. Das Wissenskontrollblatt br<strong>in</strong>gt sehr viel, auch wenn der Lernende dies nur<br />

kurz bearbeitet. Der Schüler legt Wert darauf, diese Möglichkeit regelmäßig zu nutzen.<br />

Der Proband gibt an, zur Bearbeitung der Aufgaben lediglich das Tabellenbuch zu Rate zu<br />

ziehen, jedoch nicht die BIBB-Hefte.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Die Lehrkraft wird von dem Probanden äußerst positiv wahrgenommen, <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>e<br />

Fachkompetenz ist nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers bezeichnend. Dadurch werden etwaige Fragen<br />

stets zur Zufriedenheit der Schüler abgeklärt. Der Lehrer ist weder störend, noch <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er<br />

Form h<strong>in</strong>derlich. Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im<br />

Mittelpunkt steht, kommt der Schüler gut zurecht.<br />

Für grundlegende Sachverhalte befürwortet der Schüler Frontalunterricht 7 . Weitere Beispiele<br />

zur Durchführung e<strong>in</strong>er Frontalphase kann er jedoch nicht nennen. Zu e<strong>in</strong>em späteren<br />

Zeitpunkt äußert sich der Proband ausnehmend negativ über die für alle Lernenden durchgeführte<br />

Erläuterung, weil hier e<strong>in</strong> Sachverhalt erklärt wird, den nur wenige Leute nicht<br />

verstanden haben.


198 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe wäre nach Ansicht des<br />

Schülers möglich. Ganz auf den Lehrer kann der Schüler jedoch nicht verzichten, etwa bei<br />

Problemen, die nicht alle<strong>in</strong>e zu lösen s<strong>in</strong>d.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

E<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>ere Schwierigkeiten treten bei Durchlaufen der Lernstrecke durchaus auf. So liest<br />

der Schüler die Anleitung nicht vollständig durch und die Gruppe versucht, statt des<br />

Spannzyl<strong>in</strong>ders die gesamte Anlage darzustellen 23 . Auch bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 gibt es anfänglich<br />

Schwierigkeiten. Dies liegt daran, dass die Gruppe den Sachverhalt nicht genau durchdacht<br />

hat.<br />

Äußerst positiv stellt sich die Biegevorrichtung 8 für den Lernenden dar. Diese ist im<br />

Wesentlichen leichter zu bearbeiten, weil der dah<strong>in</strong>ter liegende S<strong>in</strong>n zu erkennen ist. Bereits<br />

bei Betrachtung der Anlage glaubt der Schüler, das Pr<strong>in</strong>zip zu verstehen. Zudem macht es<br />

nach Erachten des Schülers mehr Spaß an der Biegevorrichtung zu arbeiten, weil der Schüler<br />

schon im Betrieb ständig mit den nun h<strong>in</strong>reichend bekannten Steckbrettern arbeiten muss.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Selbstgesteuertes Lernen birgt laut Aussage des Schülers durchaus Probleme. So könnte es<br />

beispielsweise Schwierigkeiten geben, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die<br />

Thematik zu f<strong>in</strong>den. Dies liegt daran, dass zwischen den <strong>Unterricht</strong>stagen e<strong>in</strong>e Woche liegt.<br />

Aber dadurch, dass der Proband <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe arbeitet und sich so mit se<strong>in</strong>em Partner<br />

ergänzt, s<strong>in</strong>d Probleme dieser Art ausgeschlossen.<br />

Der Proband spricht sich generell für Gruppenarbeit aus, würde jedoch e<strong>in</strong>e Zweiergruppe<br />

bevorzugen. Er bestätigt die Aussage se<strong>in</strong>es Mitschülers, dass sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dreiergruppe<br />

abwechselnd e<strong>in</strong> Lernender zurückzieht. Zudem ist die Arbeitsteilung bei zwei Personen<br />

leichter festzulegen.<br />

Innerhalb der Gruppe helfen sich die Schüler gegenseitig und praktizieren dabei Arbeitsteilung.<br />

Der Proband gibt an, von se<strong>in</strong>en Partnern durchaus Inhalte zu übernehmen, allerd<strong>in</strong>gs<br />

immer mit dem H<strong>in</strong>tergrund, diese selbst zu durchdenken. Für den Schüler legitimiert sich<br />

somit die Gruppenarbeit. Hilfe anderer Gruppen wird nicht e<strong>in</strong>gefordert, jedoch wird<br />

<strong>in</strong>sbesondere die Nachbargruppe unterstützt 19 . Der Proband lernt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er etwaigen Lehrerrolle<br />

nichts mehr, allerd<strong>in</strong>gs wiederholt er Inhalte noch e<strong>in</strong>mal.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Unsicherheiten bei Abschlusstest 8 begründet der Schüler mit zu vielem Überlegen. Die<br />

entsprechende Aufgabe im Leittext hatte er se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach vermutlich vergessen zu<br />

bearbeiten.<br />

Abschlusstest 9 ist für den Schüler e<strong>in</strong>facher zu bearbeiten. Se<strong>in</strong>er Ansicht nach liegt das an<br />

der präziser def<strong>in</strong>ierten Aufgabenstellung.


8 Darstellung der Ergebnisse 199<br />

8.2.8 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4A/I<br />

8.2.8.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 4, 2 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung während der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 3 AT 6: 3<br />

LE 7: 2 AT 7: 3<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 1 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 2,00<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 4<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,44 → 2<br />

8.2.8.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Proband beurteilt den <strong>Unterricht</strong> differenziert. Positiv spricht er sich dafür aus, dass man<br />

<strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> tatsächlich mehr aufnimmt. Auch das Prüfungssystem f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong><br />

Wohlwollen, <strong>in</strong>sbesondere die vielen Abschlusstests. Allerd<strong>in</strong>gs ist die Schule für den<br />

Lernenden allgeme<strong>in</strong> sehr lästig und dies kann auch durch das <strong>Unterricht</strong>skonzept nicht<br />

geändert werden. Die Lernumgebung br<strong>in</strong>gt ebenso wenig Spaß wie bei traditionellen<br />

Methoden.


200 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

In wenigen Worten beschreibt der Lernende e<strong>in</strong>en überbetrieblich durchlaufenen, zweiwöchigen<br />

Kurs <strong>in</strong> der Steuerungstechnik. Nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers lernt er dort mehr als <strong>in</strong> der<br />

Berufsschule, weil der <strong>Unterricht</strong> weniger streng gestaltet wird. Man kann dort beispielsweise<br />

Musik hören. Zudem wird wenig Theorie vermittelt, es s<strong>in</strong>d dafür nur zwei Nachmittage<br />

Frontalunterricht angesetzt. Auch müssen kaum Fragen beantwortet werden, lediglich e<strong>in</strong>e<br />

Aufgabenstellung pro Tag ist zu bearbeiten und die dazugehörige Schaltung aufzubauen. Bei<br />

Bedarf können Fragen gestellt werden. Die Gruppenzusammensetzung wird pro Woche<br />

zweimal geändert.<br />

Die zwei zusammenhängenden Schulungswochen erleichtern nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers den<br />

Lernprozess. Im Gegensatz dazu steht der nur e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Woche stattf<strong>in</strong>dende <strong>Unterricht</strong><br />

an der Berufsschule, der sich anfänglich zudem äußerst schwierig gestaltet. Nach der<br />

überbetrieblichen Ausbildung aber ist der <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule nach Aussage des<br />

Schülers leicht zu bewältigen.<br />

Der Schüler glaubt, <strong>in</strong> der überbetrieblichen Ausbildung mehr zu lernen, obgleich er der<br />

Me<strong>in</strong>ung ist, die Inhalte schneller wieder zu vergessen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Die Selbststeuerung beschreibt der Schüler im Wesentlichen positiv. Die Aufgaben s<strong>in</strong>d nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Probanden zu bewältigen, es treten ke<strong>in</strong>e besonderen Probleme auf. Der Schüler<br />

schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken nur <strong>in</strong> seltenen Fällen e<strong>in</strong>fach ab.<br />

Das meiste erarbeitet die Gruppe selbst, da die Inhalte nicht so schwer s<strong>in</strong>d. Die Gruppe f<strong>in</strong>det<br />

auch sehr schnell wieder den Anschluss an die vorhergehende <strong>Unterricht</strong>sstunde.<br />

Ausführliche Fachgespräche mit der Lehrkraft f<strong>in</strong>den wenig Anklang (Bsp. Fachgespräch<br />

bzgl. Näherungsschalter) 21 , <strong>in</strong>sbesondere weil die Gruppe mit dem Fachlichen bereits bestens<br />

vertraut ist 24 . Das Lehrer-Schüler-Gespräch dient nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers oftmals nur der<br />

Wiederholung.<br />

Nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers ist die durch das <strong>Unterricht</strong>skonzept bed<strong>in</strong>gte erhöhte Lernwirksamkeit<br />

zu erwähnen, weil Antworten nach eigenem Ermessen ausformuliert werden können.<br />

Bei Wiederholung des Stoffes kann dieser wesentlich e<strong>in</strong>facher nachvollzogen werden, als<br />

wenn vom Lehrer Formuliertes zu erfassen wäre.<br />

Der Schüler möchte das Wissenskontrollblatt alle<strong>in</strong>e, also nicht mit dem Lehrer durcharbeiten,<br />

denn so überlegt man sich die Antworten selbst und lässt sie sich nicht vom Lehrer<br />

vorgeben. Im Übrigen ist das Wissenskontrollblatt nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden sehr effizient<br />

und wird von ihm daher kont<strong>in</strong>uierlich durchgearbeitet. Ohne diese Wiederholungsmöglichkeit<br />

würden die Tests vermutlich schlechter ausfallen.<br />

Die BIBB-Unterlagen werden vom Lernenden kaum benutzt, eher das Tabellenbuch.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Pädagoge wird von dem Lernenden positiv wahrgenommen, obgleich es ke<strong>in</strong>en<br />

optimalen Lehrer zu geben sche<strong>in</strong>t. Trotzdem ist der Lehrer hier nicht übertrieben streng,<br />

nicht h<strong>in</strong>derlich, jedoch durch se<strong>in</strong>e Anwesenheit eher lästig. Daher empf<strong>in</strong>det es der Proband<br />

eher als angenehm, dass der Lehrer <strong>in</strong> dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht.<br />

Der Schüler fordert e<strong>in</strong>führend mehr Lehrerunterstützung, <strong>in</strong> anderen Worten, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> die Elektrotechnik. Dies ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach unbed<strong>in</strong>gt erforderlich, weil er ohne


8 Darstellung der Ergebnisse 201<br />

jegliche Vorkenntnis sehr schnell demotiviert ist, die Arbeit e<strong>in</strong>stellt oder gedankenlos<br />

etwaige Aufträge durchführt. Die Gruppe zieht die Lehrkraft, so der Schüler, deshalb nicht<br />

häufiger h<strong>in</strong>zu, weil diese meist bei anderen Gruppen verweilt oder sogar e<strong>in</strong>e Antwort<br />

schuldig bleibt und auf das Informationsmaterial 6 verweist.<br />

Auftretende Schwierigkeiten s<strong>in</strong>d laut Aussage des Schülers <strong>in</strong> aller Regel motivationsbed<strong>in</strong>gt,<br />

es fehlt der Gruppe <strong>in</strong>sbesondere anfänglich der Willen, sich die Aufgaben selbst zu<br />

erarbeiten.<br />

Die Frontalphase 7 wird von dem Lernenden positiv e<strong>in</strong>geschätzt, da man somit die Thematik<br />

erlernen oder dies aber als Wiederholung nutzen kann. Der Schüler spricht sich dafür aus,<br />

neue Themen mit Hilfe des Lehrers e<strong>in</strong>zuführen. Unwesentlich dagegen ersche<strong>in</strong>t es, ob an<br />

e<strong>in</strong>er von der Lehrkraft gegebenen Erklärung alle Schüler oder nur Gruppen zugegen s<strong>in</strong>d.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Widersprüchliche Argumente des Probanden beleuchten den erlebten <strong>Unterricht</strong> weiter.<br />

Es spielt beispielsweise ke<strong>in</strong>e Rolle, ob die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 durch die Lehrkraft<br />

vorab erläutert werden oder nicht. Bei schwierigen Aufgaben wäre es nach Me<strong>in</strong>ung des<br />

Schülers aber bestimmt hilfreich.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe ist nach Ansicht des<br />

Lernenden nicht möglich, da sonst niemand mehr arbeiten würde. Ansonsten wäre e<strong>in</strong><br />

größeres Angebot an Informationsmaterial 6 aber durchaus erstrebenswert, weil e<strong>in</strong>e verr<strong>in</strong>gerte<br />

Lehrerpräsenz weniger Stress bedeuten würde. Der Schüler wäre bereit, sich dann<br />

tatsächlich Inhalte aus vorhandenen Informationsmaterialien zu erarbeiten, solange diese nicht<br />

zu schwer s<strong>in</strong>d.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten sieht der Schüler ke<strong>in</strong>e weiteren Probleme bei Durchlaufen<br />

der Lernstrecke. So ist beispielsweise die Selbsthalteschaltung 25 als schwieriges Thema<br />

e<strong>in</strong>zustufen, allerd<strong>in</strong>gs treten etwaige Probleme aufgrund der überbetrieblichen Schulung gar<br />

nicht erst auf.<br />

Dem Schüler ist es gleichgültig, ob er an der Biegevorrichtung 8 oder am Steckbrett arbeiten<br />

muss. Er bestätigt aber die Aussage se<strong>in</strong>es Mitschülers, dass man an der Vorrichtung<br />

Zusammenhänge besser erkennt.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell befürwortet der Schüler die Möglichkeit, sich se<strong>in</strong>en Gruppenpartner selbst<br />

aussuchen zu können. Etwaige Änderungen <strong>in</strong> der Zusammensetzung – <strong>in</strong>sbesondere wenn<br />

dies nur wenige Male geschieht – stellen sich für den Probanden unproblematisch dar.<br />

Die Gruppe praktiziert Arbeitsteilung, so dass der Partner des Öfteren Erklärungen liefert. Für<br />

den Probanden spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob diese Erklärungen vom Partner oder der Lehrkraft<br />

abgegeben werden. Gruppenübergreifend gibt der Proband ke<strong>in</strong>erlei Hilfestellung.


202 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 8 ist e<strong>in</strong>fach, weil der Schüler die Thematik bereits überbetrieblich erarbeitet<br />

hat. E<strong>in</strong> Test mit Praxisteil ist für ihn generell besser.<br />

Für den Schüler spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob e<strong>in</strong>e Zwischenstandsüberprüfung 9 durch die<br />

Lehrkraft erfolgt oder nicht.<br />

8.2.9 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4B/I<br />

8.2.9.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 4, 2 Schüler<br />

Fehltage: 2<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung während der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 3 AT 6: 3<br />

LE 7: 2 AT 7: 1<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 1 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 1,50<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 3<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,06 → 2


8 Darstellung der Ergebnisse 203<br />

8.2.9.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler er<strong>in</strong>nert sich ungern an den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Elektropneumatik, weil er anfänglich<br />

nicht wusste, um was es sich bei der Elektropneumatik handelte. Die überbetriebliche<br />

Ausbildung beseitigt hier se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach Defizite, da er <strong>in</strong> dem 2-wöchigen Kurs mehr<br />

lernt, als <strong>in</strong> drei Jahren Berufsschule. Das Niveau der überbetrieblichen Ausbildung ist sehr<br />

hoch – Aufgaben dieser Art werden laut Aussage des Schülers nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> der Technikerprüfung<br />

verlangt. Gegen Ende der überbetrieblichen Ausbildung kommt der Proband sehr gut<br />

mit der Thematik im berufsschulischen <strong>Unterricht</strong> zurecht und kann den Stoff leicht<br />

bewältigen. Da sich der Ausbilder des überbetrieblichen Kurses auf Schüler-Niveau bewegt<br />

(z. B. Heavy-Metal-Fan) und auch gegen längere Pausen nichts e<strong>in</strong>zuwenden hat, ist der<br />

Proband von diesem bee<strong>in</strong>druckt. Der Lernende betont noch e<strong>in</strong>mal, an der Berufsschule von<br />

Anfang an erklärt zu haben, sich über kurz oder lang <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>zuf<strong>in</strong>den.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Die mit e<strong>in</strong>em selbstgesteuerten Lernen verbundene Aktivität stellt sich für den Schüler<br />

positiv dar, um <strong>in</strong>sbesondere Ermüdungsersche<strong>in</strong>ungen vorzubeugen. Organisatorische<br />

Anforderungen bewältigt der Schüler ohne Schwierigkeiten. So f<strong>in</strong>det er selbst sehr schnell<br />

den Anschluss an die letzte <strong>Unterricht</strong>sstunde. Er schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten<br />

oder Durchdenken selten ab. Nur zu Beg<strong>in</strong>n der Lernstrecke erkundigt er sich bei anderen,<br />

wie Schalt- und Stromlaufpläne aussehen, weil er nicht weiß, wie das funktionieren könnte.<br />

Durch die überbetriebliche Ausbildung lösen sich jedoch derartige Probleme.<br />

Beim selbstständigen Arbeiten lernt der Schüler se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach mehr, die Inhalte<br />

bleiben länger im Gedächtnis. Der Schüler lässt sich das Erarbeitete dann nur vom Lehrer<br />

bestätigen. An dem ausführlichen Fachgespräch mit dem Pädagogen bzgl. Näherungsschalter<br />

21 kann der Proband nichts Besonderes erkennen.<br />

Der Proband hält das Wissenskontrollblatt für sehr wichtig. E<strong>in</strong> Durcharbeiten des Wissenskontrollblattes<br />

mit der Lehrkraft ist nicht nötig, weil man laut Aussage des Lernenden selbst<br />

testen soll, ob man die Sachverhalte nun versteht. Der Schüler stellt des Öfteren fest,<br />

verstanden Geglaubtes im Ernstfall doch nicht anwenden zu können. Das eigene Nachdenken<br />

hilft, sich Sachverhalte besser zu merken und zu <strong>in</strong>ternalisieren.<br />

Die BIBB-Hefte 6 s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Probanden gut, auch wenn er diese nicht oft<br />

gebraucht. Eigentlich nutzt die Gruppe die zur Verfügung stehende Literatur erst bei den<br />

Näherungsschaltern 3 verstärkt. Ansonsten werden dem Informationsmaterial 6 lediglich<br />

Symbole, Zeichen oder dergleichen entnommen.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Lernende steht dem unterrichtenden Lehrer positiv gegenüber und kommt mit der neuen<br />

Lehrerrolle gut zurecht. Etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen werden vom Pädagogen stets beantwortet,<br />

der Lehrer ist <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise h<strong>in</strong>derlich. Wichtig ist dem Probanden, von der Lehrkraft als<br />

Me<strong>in</strong>ung äußernder Mensch akzeptiert und nicht als Schüler behandelt zu werden. Probleme<br />

hat der Lernende mit unfreundlichen Lehrern, die Ärger mit e<strong>in</strong>zelnen Schülern auf die ganze<br />

Klasse übertragen.


204 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Trotz positiver Aspekte selbstgesteuerten Lernens fordert der Schüler grundsätzlich mehr<br />

Lehrerunterstützung. So sollten auch die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 vorab mit dem Lehrer<br />

durchgegangen werden, weil Vorsicht besser als Nachsicht ist. Der persönliche Kontakt zur<br />

Lehrkraft ist für den Probanden wesentlich, dies sollte nicht durch e<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot<br />

geschmälert werden.<br />

Die Frontalphase 7 wird grundsätzlich positiv e<strong>in</strong>geordnet, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn schwierige<br />

Sachverhalte diese erfordern. Da die Sachverhalte <strong>in</strong> der Regel aber e<strong>in</strong>fach s<strong>in</strong>d – vor<br />

allem nach dem überbetrieblich durchlaufenen Kurs – ist e<strong>in</strong>e derartige Sequenz meist nicht<br />

notwendig. Ideal aber wäre nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>führende Erläuterung durch<br />

die Lehrkraft bei neuen Themen, um beispielsweise die Funktionsweise neuer Bauteile<br />

darzustellen. Insbesondere bei Näherungsschaltern 3 hätte sich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung angeboten.<br />

E<strong>in</strong>e Frontalphase ist auch dann angezeigt, wenn mehrere Personen e<strong>in</strong>e Problematik noch<br />

nicht erfasst haben. Der Schüler erwähnt aber auch, aufgrund fehlender Lehrerunterstützung<br />

bestimmte Sachverhalte ohne Weiteres selbst zu erarbeiten.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Der Schüler kann ke<strong>in</strong>e gravierenden Probleme bei Durchlaufen der Lernstrecke feststellen,<br />

selbst schwierigere Sachverhalte stellen sich unproblematisch dar.<br />

Die Biegevorrichtung 8 wird von dem Lernenden positiv aufgenommen, weil die sich<br />

bewegenden Zyl<strong>in</strong>der tatsächlich e<strong>in</strong>en Zweck erfüllen. Damit wird für den Probanden klar,<br />

warum er bestimmte Arbeiten verrichtet.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Oftmals werden <strong>in</strong>haltliche Fragen des Probanden von anderen Schülern nicht zufriedenstellend<br />

beantwortet, so dass er bestimmte Informationen lieber von der Lehrkraft erläutert<br />

bekommen würde. Allerd<strong>in</strong>gs befragt der Proband nur selten andere Schüler, so dass sich<br />

damit ke<strong>in</strong> wirkliches Problem abzeichnet. Im Wesentlichen f<strong>in</strong>det fachliche Kommunikation<br />

nur gruppen<strong>in</strong>tern statt, wobei der Proband se<strong>in</strong>em Partner verstärkt unter die Arme greift.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Sowohl Abschlusstest 8 als auch Abschlusstest 9 s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach zu bewältigen. Ob der Test<br />

e<strong>in</strong>en Praxisteil enthält oder nicht, ist für den Schüler gleichgültig.<br />

8.2.10 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5A/I<br />

8.2.10.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000


8 Darstellung der Ergebnisse 205<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 5, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Überbetriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 2<br />

LE 7: 2 AT 7: 2<br />

LE 8: 1 AT 8: 1<br />

LE 9: 2 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,50 AT gesamt: 1,50<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 1<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,50 → 1<br />

8.2.10.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der <strong>Unterricht</strong> stellt sich für den Probanden äußerst angenehm dar. Bei dem Gedanken,<br />

<strong>Unterricht</strong> dieser Art bei e<strong>in</strong>em früheren Lehrer durchlaufen zu müssen, fühlt sich der Schüler<br />

jedoch unwohl, weil dieser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ähnlichen <strong>Unterricht</strong>skonzept u. a. auch Deutschnoten<br />

auf anzufertigende Tagesberichte verteilte. Der Schüler stimmt zu, dass man auch im Betrieb<br />

fächerübergreifend arbeiten muss, aber gerade die Deutschnote ist für ihn nicht so wichtig.<br />

Der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er überbetrieblichen Ausbildungsstätte durchlaufene Steuerungstechnikkurs ist<br />

<strong>in</strong>haltlich im Wesentlichen ähnlich dem <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule. Allerd<strong>in</strong>gs spürt der<br />

Schüler im überbetrieblichen Kurs die fehlende Motivation des Ausbilders. Die Lernwirkung<br />

ist e<strong>in</strong>deutig an der Berufsschule größer, <strong>in</strong>sbesondere den theoretischen H<strong>in</strong>tergrund<br />

betreffend. Auch ist das Informationsmaterial 6 passender ausgewählt. Der <strong>Unterricht</strong> an der<br />

Berufsschule verläuft <strong>in</strong>sgesamt gesitteter, vermutlich weil nach Ansicht des Probanden<br />

verstärkt Sanktionen e<strong>in</strong>geleitet werden könnten.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Mit organisatorischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es selbstgesteuerten Lernens kommt der<br />

Proband gut zurecht. So f<strong>in</strong>det er selbst sofort wieder den Anschluss an die vorhergehende<br />

<strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit und kann sich schnell <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>denken. Inhalte werden ohne<br />

eigenes Erarbeiten oder Durchdenken nicht e<strong>in</strong>fach von jemandem übernommen.


206 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die Selbsterarbeitung wird von dem Schüler positiv kommentiert. Auch im Betrieb wird<br />

eigenständiges Arbeiten und das Benutzen eigener Unterlagen verlangt, ohne dass er wegen<br />

Kle<strong>in</strong>igkeiten nachfragen könnte. Der Schüler macht deutlich, dass er sich die Inhalte lieber<br />

selbst erarbeitet, weil er selbst gerne ausprobiert. Außerdem kann er sich so gezielt auf<br />

Prüfungen vorbereiten, weil er spätestens dann <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong> muss, Informationen<br />

eigenständig zu beschaffen.<br />

Die Selbststeuerung hat nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden den Vorteil, sich die Arbeit unabhängig<br />

von Vorgaben e<strong>in</strong>teilen zu können. Nach e<strong>in</strong>er verstärkten Lehrerunterstützung verlangt er<br />

daher nicht. Der <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> praktizierte Lehr-Lern-Prozess stellt sich für ihn äußerst<br />

angenehm dar.<br />

Der Proband empf<strong>in</strong>det das ausführliche Gespräch bzgl. Näherungsschalter 21 als nicht<br />

außergewöhnlich. Der Lehrer sche<strong>in</strong>t dies öfter derart zu gestalten.<br />

Die erhöhte Lernwirksamkeit spricht für das <strong>Unterricht</strong>skonzept. Inhalte lassen sich so<br />

wesentlich besser aufnehmen und merken.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler sehr gut zurecht, im Wesentlichen s<strong>in</strong>d alle Anweisungen<br />

gut verständlich. In der Regel kann der Proband die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 alle<strong>in</strong>e,<br />

ohne vorherige Erläuterungen durch die Lehrkraft bearbeiten, bei schwierigen Sachverhalten<br />

wäre e<strong>in</strong>e gesonderte Erklärung durch den Lehrer jedoch hilfreich.<br />

Das Wissenskontrollblatt ist sehr wichtig, weil sich der Schüler damit gut auf den bevorstehenden<br />

Test vorbereiten kann. Er wird auf etwaige Defizite aufmerksam gemacht und kann<br />

noch e<strong>in</strong>mal nachschlagen. Die Unterstützung durch den Lehrer beim Durcharbeiten des<br />

Wissenskontrollblattes ist nicht notwendig, weil der Schüler das aufgrund des guten Aufbaus<br />

auch alle<strong>in</strong>e bewerkstelligen kann. Der Schüler berichtet über folgende Begebenheit: Auf<br />

e<strong>in</strong>en bestimmten Sachverhalt, nämlich die Funktionsweise von Schließer und Öffner, wird <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em der Wissenskontrollblätter nicht präzise h<strong>in</strong>gewiesen. Daraufh<strong>in</strong> kann der Lernende<br />

dies im Test nicht bearbeiten.<br />

Der Schüler gibt an, die BIBB-Unterlagen kaum zu verwenden. Eigentlich kommen nur<br />

Fachkunde- und Tabellenbuch zum E<strong>in</strong>satz, das ist ausreichend 6 .<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Proband beschreibt den unterrichtenden Lehrer äußerst positiv. Der Pädagoge ist stets bei<br />

etwaigen Fragen behilflich und greift niemals störend e<strong>in</strong>. Mit der besonderen Lehrerrolle<br />

kommt der Schüler sehr gut zurecht.<br />

Um möglichst viel zu lernen, sollte die Lehrkraft den <strong>Unterricht</strong> so gestalten, dass der<br />

Lernende selbstständig arbeiten und bei Bedarf fragen kann. Dann muss der Lehrer helfend<br />

zur Seite stehen. Genau diese Anforderungen erfüllt der Pädagoge.<br />

Der Schüler zeigt sich der Frontalphase 7 positiv gegenüber. Den konkreten Vorteil sieht der<br />

Auszubildende <strong>in</strong> der gewonnen Zeit, so dass die Lehrkraft für gruppen<strong>in</strong>terne Fragen länger<br />

zur Verfügung steht. Generell hat er jedoch Bedenken gegenüber e<strong>in</strong>er Frontalsequenz, weil<br />

<strong>in</strong> der Regel Gruppen unterschiedlich weit fortgeschritten s<strong>in</strong>d. Zur E<strong>in</strong>führung neuer Themen<br />

s<strong>in</strong>d Sequenzen dieser Art allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>nvoll. Die Veranschaulichung des Verkabelns am<br />

Tagelichtprojektor ist daher gut, allerd<strong>in</strong>gs sollte dies auch praktisch vorgeführt werden. E<strong>in</strong><br />

weiteres, e<strong>in</strong>e Frontalphase rechtfertigendes Beispiel kann der Schüler nicht nennen.


8 Darstellung der Ergebnisse 207<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d nicht erwünscht.<br />

Der Lehrer erklärt die Inhalte nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers immer noch besser, als man sich<br />

das durch Lesen aneignen könnte.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Der Schüler beschreibt e<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>ere Probleme während des Durchlaufens der Lernstrecke.<br />

Er verwechselt beispielsweise Öffner und Schließer bei der Bearbeitung des Blattes ‚Das<br />

Relais als Signalverarbeitungselement’ 26 . Der <strong>in</strong> der Handwerkskammer absolvierte<br />

Steuerungstechnikkurs vermittelt ke<strong>in</strong>e Theorie, deshalb treten jetzt h<strong>in</strong> und wieder Probleme<br />

dieser Art auf.<br />

Der Lernende er<strong>in</strong>nert sich erst nach e<strong>in</strong>em expliziten H<strong>in</strong>weis an anfängliche Probleme mit<br />

der Unterscheidung ‚Dom<strong>in</strong>ierend E<strong>in</strong>/Aus’ 16 . Die Ursache dafür sieht er dar<strong>in</strong>, dass auf dem<br />

Arbeitsblatt zu wenige Informationen angegeben s<strong>in</strong>d. Der Schüler hätte hier mehr Theorieunterricht<br />

durch den Lehrer erwartet, weil er die Thematik aus den Unterlagen nicht zufriedenstellend<br />

erarbeiten kann.<br />

Anfängliche Unsicherheiten bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 liegen am zu schnellen Durchlesen des<br />

Leittextes, nicht am Aufgabenblatt.<br />

Nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers besteht ke<strong>in</strong> deutlicher Unterschied zwischen Steckbrett und<br />

Biegevorrichtung 8 . Beherrscht man die Technik am Steckbrett, kann man laut Aussage des<br />

Probanden auch die Biegevorrichtung bearbeiten.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Die Gruppe erarbeitet sich alle Inhalte im Wesentlichen selbst, e<strong>in</strong>e gruppenübergreifende<br />

Kommunikation f<strong>in</strong>det kaum statt. Daher muss der Proband – abgesehen von se<strong>in</strong>em Partner –<br />

auch niemandem etwas erklären. Aufgrund der überbetrieblichen Ausbildung profitiert aber<br />

gerade se<strong>in</strong> Mitschüler von den Vorkenntnissen des Probanden. Vorteilhaft bei der Unterstützung<br />

se<strong>in</strong>es Partners ist es, dass der Proband selbst noch e<strong>in</strong>mal Inhalte wiederholt.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 8 ist e<strong>in</strong>fach zu bearbeiten, außerdem bietet der praktische Teil e<strong>in</strong>e gute<br />

Vorbereitungsmöglichkeit auf die Gesellenprüfung. Der Schüler bemängelt aber die z. T.<br />

missverständliche Fragestellung 27 . Der Auszubildende lernt se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nichts mehr<br />

dazu, versteht die Bearbeitung aber als Anwenden des zuvor gelernten Wissens.<br />

Ob die Lehrkraft nach Fertigstellung des gezeichneten Schaltplans e<strong>in</strong>e Überprüfung<br />

e<strong>in</strong>fordert, bevor mit dem eigentlichen Aufbau begonnen werden kann oder nicht, spielt für<br />

den Schüler ke<strong>in</strong>e Rolle 9 .<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der Proband sieht den nochmaligen Aufbau der Selbsthalteschaltung 10 als Wissensvertiefung<br />

und –sicherung.


208 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.11 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5B/I<br />

8.2.11.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 5, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung während (gg. Ende) der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 2<br />

LE 7: 2 AT 7: 2<br />

LE 8: 1 AT 8: 4<br />

LE 9: 2 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,50 AT gesamt: 2,25<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,94 → 2<br />

8.2.11.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler ist sehr zufrieden mit dieser Art von <strong>Unterricht</strong>. Etwaige verbleibende Defizite<br />

will er ggf. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em im Betrieb stattf<strong>in</strong>denden betrieblichen <strong>Unterricht</strong> nachholen.<br />

Der betriebliche <strong>Unterricht</strong> wird von dem Probanden als wesentlich anspruchsvoller und sehr<br />

viel besser beschrieben als der <strong>Unterricht</strong> an der Berufsschule. Dies liegt zum e<strong>in</strong>en an der<br />

ger<strong>in</strong>gen Schülerzahl, zum anderen wird jedes Bauteil e<strong>in</strong>zeln genau erklärt. Auf theoretische<br />

H<strong>in</strong>tergründe legt der Proband großen Wert, beispielsweise auf den genauen Aufbau e<strong>in</strong>es<br />

Ventils. Dabei werden auch Sachverhalte geklärt, die für das Verständnis wichtig s<strong>in</strong>d. In der


8 Darstellung der Ergebnisse 209<br />

Berufsschule bekommt man lediglich Unterlagen vorgelegt und muss dann die Schaltungen<br />

aufbauen. Trotzdem möchte der Schüler diesen <strong>Unterricht</strong> nicht missen, weil damit der<br />

Grundste<strong>in</strong> für den vertiefenden betrieblichen Kurs gelegt ist.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband kommt mit selbstgesteuertem Lernen gut zurecht, <strong>in</strong>sbesondere deshalb, weil<br />

man selber mitarbeitet und das vom Lehrer Erklärte nicht e<strong>in</strong>fach von der Tafel abschreiben<br />

muss. Er hat beispielsweise ke<strong>in</strong>e Probleme, den Anschluss an die letzte <strong>Unterricht</strong>sstunde zu<br />

f<strong>in</strong>den. Sollte er Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken abschreiben, so arbeitet er<br />

die Thematik ggf. zu Hause nach. Auch ist es für den Schüler unproblematisch, wenn der<br />

Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen nicht immer beantwortet, sondern z. B. auf das Informationsmaterial<br />

6 verweist. Der Lernende will lediglich erfahren, wo genau bestimmte Sachverhalte<br />

zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d. Ihm ist klar, dass der Lehrer ke<strong>in</strong>e direkte Antwort geben kann.<br />

Beim Selbsterarbeiten ist die Lernwirksamkeit nach Ansicht des Schülers größer, weil man<br />

sich Inhalte durch das gezielte Nachlesen besser merken kann. Durch das praktische Arbeiten<br />

wird der Stoff zudem vertieft. Der Proband greift die Aussage se<strong>in</strong>es Mitschülers auf und<br />

bestätigt, sich die Thematik ‚Mechanischer Grenztaster’ 12 lieber selbstständig mit Hilfe von<br />

Informationsmaterial oder eigenen Unterlagen zu erarbeiten. Der Lerneffekt ist so größer.<br />

Außerdem ist es nach Ansicht des Schülers bewiesen, dass man dann mehr lernt, wenn man<br />

den Stoff nicht nur hört.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht, weil diese <strong>in</strong>haltlich sehr präzise s<strong>in</strong>d und<br />

die Fragestellung leicht zu verstehen ist. Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 bedürfen ke<strong>in</strong>er<br />

gesonderten Erläuterung vorab durch die Lehrkraft. Das Wissenskontrollblatt ist sehr wichtig,<br />

weil man dadurch e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Überblick bekommt, was im Test gefordert wird. E<strong>in</strong><br />

Durcharbeiten mit der Lehrkraft ist nicht erforderlich, weil der Schüler selbst e<strong>in</strong>ordnen kann,<br />

welche Defizite noch zu beseitigen s<strong>in</strong>d. Ausreichend ist es, bei Bedarf den Lehrer zu Rate zu<br />

ziehen. Trotzdem das Wissenskontrollblatt mit den Anforderungen des Tests übere<strong>in</strong>stimmt,<br />

kann der Schüler nicht ausschließen, auch schlechte Noten zu schreiben. Dies liegt se<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach an der eigenen Unfähigkeit, denn mit gewissen Inhalten ist er oftmals doch<br />

nicht so gut vertraut, wie er vorab glaubt.<br />

Die BIBB-Hefte werden überhaupt nicht genutzt, im Wesentlichen nur Fachtheorie- und<br />

Tabellenbuch.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler spricht sich positiv für den unterrichtenden Lehrer aus und kommt mit der<br />

besonderen Lehrerrolle gut zurecht. Die Aktionen des Pädagogen werden nicht als störend<br />

oder h<strong>in</strong>derlich beurteilt, im Gegenteil, die Hilfestellungen s<strong>in</strong>d nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden<br />

immer angemessen. Wichtig ist für den Schüler e<strong>in</strong> fairer Lehrer, der die Lernenden nicht<br />

‚von oben herab’ behandelt. H<strong>in</strong>zu kommt jedoch, dass die Gruppe kaum Lehrerunterstützung<br />

benötigt, so dass etwaige Differenzen eigentlich nicht auftreten können.<br />

Selbststeuerung wird von dem Lernenden befürwortet, allerd<strong>in</strong>gs sollte Grundlegendes vorab<br />

von der Lehrkraft erläutert werden. Die Frontalphase 7 eignet sich für grundlegende Erläuterungen,<br />

aber auch im Rahmen der Selbsthalteschaltung 25 wäre e<strong>in</strong>e derartige Sequenz zu<br />

begrüßen. Schwierigkeiten beim Verkabeln kann der Schüler aufgrund dieser expliziten<br />

Erläuterung beseitigen und nunmehr auch aufwändigere Schaltungen verkabeln. Mit Hilfe


210 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

e<strong>in</strong>es persönlichen Gesprächs würde man schwierige Sachverhalte allerd<strong>in</strong>gs noch besser<br />

verstehen. Der entscheidende Vorteil e<strong>in</strong>er Frontalphase liegt nach Ansicht des Schülers<br />

letztendlich bei der Lehrkraft, weil diese dann nicht alle Gruppen e<strong>in</strong>zeln betreuen muss.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d nicht erwünscht.<br />

Generell sollte man sich nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers auf etwa vier Nachschlagewerke<br />

beschränken, sonst wird es zu unübersichtlich. Auf den Lehrer ganz verzichten ist nicht<br />

möglich, weil immer etwaige Fragen auftreten, die man selbst nicht beantworten kann.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Der Proband führt ke<strong>in</strong>e nennenswerten Probleme bei Durchlaufen der Lernstrecke an.<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Unterschied, den der Schüler bei der Biegevorrichtung 8 im Vergleich zu<br />

e<strong>in</strong>em Steckbrett anspricht, s<strong>in</strong>d z. B. die Drosselventile.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler fordert u. a. deshalb ke<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung, weil der Gruppenpartner<br />

sehr gut ist und dem Probanden viel erläutern kann. Dies liegt daran, dass dieser bereits<br />

überbetrieblich e<strong>in</strong>en Kurs <strong>in</strong> Steuerungstechnik durchlaufen hat. Der Lernende bevorzugt<br />

diese Art der Informationsbeschaffung, weil die von dem Lehrer gegebene Hilfestellung<br />

wesentlich komplexer ist.<br />

Von anderen Schülern erfolgt dagegen ke<strong>in</strong>e Hilfestellung, im Gegenteil, der Proband<br />

übernimmt hier öfter die Lehrerrolle. Dabei ergibt sich e<strong>in</strong>e gewisse Lernwirkung, weil der<br />

Schüler Sachverhalte noch e<strong>in</strong>mal wiederholt und neu durchdenkt.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Im Abschlusstest 8 erzielt der Schüler lediglich e<strong>in</strong>e 4-, weil er Probleme hat, die Aufgabe zu<br />

verstehen. Dies liegt nach eigenen Angaben daran, die ‚Selbsthalteschaltung’ 25 nicht<br />

ausreichend bearbeitet zu haben und außerdem an der Theorielastigkeit der Thematik, die er<br />

nicht vollständig erfasst hat. Trotzdem befürwortet der Proband e<strong>in</strong>en praktischen Prüfungsanteil,<br />

weil er eher praxisorientiert arbeitet. Er glaubt zudem, nun mit der Thematik zurechtzukommen.<br />

Mit Abschlusstest 9 hat der Proband nach eigenen Angaben ke<strong>in</strong>e Probleme.<br />

Dem Schüler ist es gleichgültig, ob der Lehrer e<strong>in</strong>e Zwischenstandskontrolle 9 durchführt oder<br />

nicht. Es ist für ihn auch unproblematisch, wenn der Lehrer neben ihm steht und ihn<br />

beobachtet. Hier sieht der Schüler den Vorteil, bei etwaigen Fehlern sofort darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />

zu werden.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Umsetzung der Theorie der Selbsthalteschaltung <strong>in</strong> die Praxis 10 ist für den Lernenden<br />

<strong>in</strong>sofern wichtig, als man noch e<strong>in</strong>mal konsequent den Strompfad nachprüft.


8 Darstellung der Ergebnisse 211<br />

8.2.12 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 6A/I<br />

8.2.12.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 6, 2 Schüler<br />

Fehltage: 2<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 2<br />

LE 7: 1 AT 7: 1<br />

LE 8: 2 AT 8: 1<br />

LE 9: 1 AT 9: 2<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,25 AT gesamt: 1,50<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 1<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,44 → 1<br />

8.2.12.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler spricht sich grundsätzlich positiv für den durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> aus, bemerkt<br />

aber, dass sich der Anfang durchaus langweilig gestaltet hat. Trotzdem zieht er dieses<br />

Konzept e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> vor, weil es <strong>in</strong>teressanter, abwechslungsreicher und<br />

letztendlich lernwirksamer ist.<br />

Der Lernende gibt an, bereits im Betrieb e<strong>in</strong>en Steuerungstechnikkurs durchlaufen zu haben.<br />

Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach wird dort wesentlich mehr Theorie vermittelt, <strong>in</strong>sbesondere zusammenhängend,<br />

obgleich der Ausbilder diesbezüglich Defizite hat. Der Vorteil des betrieblichen<br />

<strong>Unterricht</strong>s liegt außerdem an der ger<strong>in</strong>gen Kursteilnehmerzahl (3 Personen), an der enormen


212 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Kompetenz des Meisters im Praktischen und an dessen schülergerechten Erläuterungen. Der<br />

Proband ist daher der Ansicht, im Betrieb mehr gelernt zu haben als an der Berufsschule.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Im Rahmen diesbezüglicher Interviews bestätigt sich die positive Haltung des Schülers<br />

gegenüber e<strong>in</strong>em selbstgesteuerten Lernen. So hat er ke<strong>in</strong>e Probleme, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen<br />

<strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, auch wenn die letzte E<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e Woche<br />

zurückliegt. Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken abzuschreiben, lehnt der<br />

Lernende kategorisch ab.<br />

E<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung ist nach Ansicht des Schülers generell nicht notwendig,<br />

die Gruppe kommt selbst gut zurecht.<br />

E<strong>in</strong> Selbsterarbeiten führt nach Auffassung des Probanden zu größerem Lernerfolg. Dies liegt<br />

daran, dass der Schüler die Inhalte aufgrund des selbstgesteuerten <strong>Lernprozesse</strong>s bereits<br />

während des Erarbeitens <strong>in</strong>ternalisiert. Ausschließlich vom Lehrer vermittelte Sachverhalte<br />

werden entsprechend schlechter aufgenommen und zudem schnell wieder vergessen.<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en kommt der Schüler mit den Aufgabenblättern gut zurecht. Trotzdem lässt die<br />

Aufgabenstellung h<strong>in</strong> und wieder zu wünschen übrig.<br />

Der Schüler gibt an, die Wissenskontrollblätter vor jedem Test durchzuarbeiten, um Defizite<br />

zu erkennen. E<strong>in</strong>e Unterstützung durch den Lehrer ist dabei nicht notwendig, man sollte ihn<br />

nur e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den, falls Fragen auftreten.<br />

Die BIBB-Hefte werden nach Aussage des Auszubildenden nicht genutzt, weil die Gruppe<br />

aufgrund ihrer Leistungsstärke ke<strong>in</strong>e vertiefende Literatur benötigt. Fachtheorie- und<br />

Tabellenbuch kommen jedoch zum E<strong>in</strong>satz 6 .<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Dies schafft e<strong>in</strong>e angenehme, abwechslungsreiche Atmosphäre.<br />

Der Lehrer ist weder störend noch h<strong>in</strong>derlich und auf jeden Fall besser als e<strong>in</strong> früherer Lehrer.<br />

Der Schüler beschreibt den ehemaligen Lehrer als äußerst streng. Fachgespräche haben nicht<br />

stattgefunden, bei etwaigen Fragen wurden die Lernenden auf ihre Unterlagen verwiesen. Die<br />

wenigen Erläuterungen waren zudem nur schwer verständlich.<br />

E<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung wird von dem Probanden äußerst positiv bewertet.<br />

Beispielsweise lernt die Gruppe se<strong>in</strong>es Erachtens bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tensiven Fachgespräch bzgl.<br />

Näherungsschalter 3 viel h<strong>in</strong>zu. Der Proband spricht sich für weitere Fachgespräche, <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gruppe aus, weil auf diese Art wesentlich mehr im Gedächtnis bleibt.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich der durchlaufenen Frontalphase 7 ist der Schüler noch skeptisch, würde diese aber<br />

als E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er neuen Lerne<strong>in</strong>heit befürworten. Insbesondere die Biegevorrichtung 8<br />

könnte mit Hilfe e<strong>in</strong>er frontalunterrichtlichen Sequenz e<strong>in</strong>geführt werden. Nach Ansicht des<br />

Schülers wäre e<strong>in</strong>e Vorbesprechung dieser Art auch für diejenigen Schüler geeignet, die<br />

weiter zurückliegen.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 sollten laut Proband vorab durch die Lehrkraft erläutert werden.<br />

Dann wüsste die Gruppe genau, was zu tun ist und wie etwaige Fragen zu verstehen s<strong>in</strong>d.<br />

Anschließend könnte man selbstständig weiterarbeiten.


8 Darstellung der Ergebnisse 213<br />

E<strong>in</strong> erweitertes, den Lehrer ersetzendes Literaturangebot, ist wegen offener Fragen, die nicht<br />

aus Büchern erarbeitet werden können, nicht möglich. Andererseits hat die Gruppe kaum<br />

etwas mit dem Lehrer zu tun, er ist nicht oft präsent 28 . Daraus ergeben sich aber nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Schülers ke<strong>in</strong>e Nachteile.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Auszubildende glaubt, dass die Frontalphase für die anderen Schüler sicher etwas br<strong>in</strong>gt.<br />

Die Gruppe selbst jedoch weiß bereits, wie die Verkabelung funktioniert. Generell sollte man<br />

Frontalphasen nur bei Bedarf bzw. wichtigen Sachverhalten durchführen. Vorteilhaft dabei<br />

ist, dass e<strong>in</strong>erseits der Lehrer Zeit sparen und man andererseits eigene Fragen und Überlegungen<br />

im Klassenverband reflektieren kann.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Anfängliche, sich bei anderen Gruppen ergebende Unsicherheiten zu Beg<strong>in</strong>n der Lerne<strong>in</strong>heit<br />

8 treten laut Proband deshalb nicht auf, weil die Gruppe die Biegevorrichtung mit dem Lehrer<br />

vorab bespricht.<br />

Trotzdem ordnet der Schüler die Biegevorrichtung als langweilig e<strong>in</strong>, weil die Thematik<br />

bereits im Betrieb durchgenommen wurde.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Die Schüler tauschen sich <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe <strong>in</strong>tensiv aus, gruppenübergreifend wird<br />

allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Hilfestellung entgegengenommen. Vielmehr unterstützt die Gruppe<br />

leistungsschwächere Schüler, <strong>in</strong>sbesondere Gruppe 1.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Über Abschlusstest 8 äußert sich der Schüler positiv, weil dieser leicht zu bearbeiten war.<br />

Auch spricht sich der Schüler für e<strong>in</strong>en praktischen Prüfungsanteil aus. Interessant ist e<strong>in</strong> Test<br />

dieser Art se<strong>in</strong>es Erachtens allerd<strong>in</strong>gs nur für diejenigen, die noch ke<strong>in</strong>erlei Erfahrungen,<br />

beispielsweise im Betrieb sammeln konnten.<br />

Bei Abschlusstest 9 zeigt sich der Schüler über die erzielte Note (2) enttäuscht. Obwohl die<br />

Fragen leicht zu beantworten s<strong>in</strong>d, ist die Aufgabenstellung se<strong>in</strong>er Ansicht nach anfänglich<br />

schwer zu verstehen. In diesem Zusammenhang erwähnt der Proband noch e<strong>in</strong>mal Abschlusstest<br />

8, den er deshalb bevorzugt, weil der Lehrer dort H<strong>in</strong>weise gibt 9 .<br />

Ungeeignet ersche<strong>in</strong>t dem Schüler die Methode, sich selbst bewerten zu müssen, weil er sich<br />

ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>e schlechte Note geben möchte. Die Notengebung soll se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach der<br />

Lehrer alle<strong>in</strong>e durchführen.


214 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.13 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 6B/I<br />

8.2.13.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 6, 2 Schüler<br />

Fehltage: 2<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Betriebliche Ausbildung vor der <strong>Unterricht</strong>sstrecke<br />

Noten:<br />

LE 6: 1 AT 6: 2<br />

LE 7: 1 AT 7: 1<br />

LE 8: 2 AT 8: 1<br />

LE 9: 1 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,25 AT gesamt: 1,25<br />

Lernfortschritt: 1<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,38 → 1<br />

8.2.13.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler spricht sich im Rahmen e<strong>in</strong>es Vergleichs der betrieblichen und berufsschulischen<br />

Ausbildung zur Steuerungstechnik für den im Betrieb erfahrenen <strong>Unterricht</strong> aus. Dies rührt<br />

se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach an der <strong>in</strong>tensiven Beschulung <strong>in</strong>nerhalb nur e<strong>in</strong>er Woche. Entscheidend<br />

dabei ist es, Gedanken vom Vortag e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und so wesentlich effizienter arbeiten zu<br />

können. Zudem unterstützt der Meister den Lernvorgang stärker als dies an der Berufsschule<br />

der Fall ist, so dass <strong>in</strong>sgesamt mehr Theorie vermittelt werden kann. Fachgespräche s<strong>in</strong>d auch<br />

deshalb eher möglich, weil wenige Auszubildende anwesend s<strong>in</strong>d. Auch ist der Proband<br />

se<strong>in</strong>er Ansicht nach im Betrieb deshalb motivierter, weil der Computer nur e<strong>in</strong>e nebengeordnete<br />

Rolle spielt und die Antworten per Hand geschrieben werden können.


8 Darstellung der Ergebnisse 215<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband spricht sich für selbstgesteuertes Lernen aus und stellt fest, dass er mehr arbeiten<br />

muss als dies <strong>in</strong> traditionellem <strong>Unterricht</strong> der Fall wäre. Ihm kommt dies und <strong>in</strong>sbesondere<br />

der Praxisbezug sehr entgegen. Insbesondere möchte der Proband generell nicht verstärkt<br />

durch die Lehrkraft unterstützt werden.<br />

Beim Selbsterarbeiten ist die Lernwirksamkeit nach Ansicht des Schülers größer als <strong>in</strong><br />

traditionellem <strong>Unterricht</strong>, weil man das Selbsterarbeitete auch gleich schriftlich fixiert. Se<strong>in</strong>es<br />

Erachtens zeigt sich gerade dann e<strong>in</strong> schnellerer Lernverlauf, wenn Inhalte nicht nur vom<br />

Lehrer dargelegt werden, sondern eigenes Tun gefordert wird.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 bedürfen ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die<br />

Lehrkraft. Für den Schüler ist es ausreichend, bei Bedarf Fragen stellen zu können.<br />

Das Wissenskontrollblatt ist nach Ansicht des Lernenden unnötig, weil es lediglich auf<br />

etwaige vergessene Aufgaben h<strong>in</strong>weist, der Schüler aber kont<strong>in</strong>uierlich alle Aufgaben<br />

bearbeitet. Trotzdem ist diese Art von Kontrolle für ihn <strong>in</strong> Ordnung.<br />

Nach Aussage des Lernenden werden die BIBB-Hefte kaum verwendet, bestenfalls zur<br />

näheren Bestimmung von Bauteilen.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Er fühlt sich dann nicht beobachtet. Die ständige Präsenz des<br />

Lehrers, d. h. die klassische Aufgabenverteilung e<strong>in</strong>es traditionellen <strong>Unterricht</strong>s ist nach<br />

Ansicht des Schülers dafür verantwortlich, dass sich Schüler unwohl fühlen oder gelangweilt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Der Lernende spricht sich äußerst positiv für den den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Lehrer aus, weil<br />

dieser jederzeit bei Fragen zur Verfügung steht. Bemerkenswert ist die freundliche, motivierende<br />

Art des Pädagogen, der geme<strong>in</strong>sam mit den Schülern die Ziele festlegt und alle Fragen<br />

ausreichend beantwortet. Trotzdem schreitet der Lehrer bei unpassendem Verhalten der<br />

Schüler e<strong>in</strong>, so wie dies nach Erzählungen des Lernenden bei ihm der Fall war.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den ist für den<br />

Auszubildenden problematisch. Er ist der Ansicht, dies ggf. bewerkstelligen zu können,<br />

trotzdem bevorzugt er hier die Lehrerunterstützung. Dabei ist es ideal, dass sich der Lehrer<br />

den jeweiligen Arbeitsstand der e<strong>in</strong>zelnen Gruppen notiert.<br />

Die Bearbeitung des Wissenskontrollblattes mit Hilfe des Lehrers wäre äußerst hilfreich,<br />

wenn vermutlich auch zu zeitaufwändig. Geeignet wäre nach dem Standpunkt des Schülers<br />

auch e<strong>in</strong>e vor dem Test stattf<strong>in</strong>dende Befragung durch die Lehrkraft, um alle Inhalte zu<br />

wiederholen.<br />

Frontalphasen 7 wären nach Me<strong>in</strong>ung des Lernenden bei größeren Themengebieten s<strong>in</strong>nvoll, z.<br />

B. bei e<strong>in</strong>em Weg-Schritt-Diagramm 2 . Auch zu Beg<strong>in</strong>n der gesamten <strong>Unterricht</strong>sstrecke bzw.<br />

zu Beg<strong>in</strong>n neuer Lerne<strong>in</strong>heiten wären e<strong>in</strong>führende Erläuterungen zur Thematik empfehlenswert.<br />

Beispielsweise sollte vorab erklärt werden, wie Zyl<strong>in</strong>der und Ventile funktionieren.<br />

Nach Ansicht des Schülers muss der Grundste<strong>in</strong> durch den Lehrer gelegt werden, wie dies bei<br />

e<strong>in</strong>em früheren Lehrer der Fall war. Der Schüler wäre aber auch mit weiteren Erläuterungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Gruppenverbandes zufrieden, wie dies der Lehrer bei schwierigen Themen, z.<br />

B. im Rahmen der Selbsthalteschaltung 25 , angeboten hat.


216 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler spricht sich für die Leittexte aus und kommt mit diesen im Wesentlichen gut<br />

zurecht. Allerd<strong>in</strong>gs sieht er die Schwierigkeit dar<strong>in</strong>, das Erlernte selbst genau festhalten zu<br />

müssen. Der Proband schlägt daher vor, während der Erarbeitung nur Stichpunkte zu notieren<br />

und die fertig ausgearbeitete Lösung letztendlich von der Lehrkraft zu erhalten. E<strong>in</strong> weiterer<br />

Kritikpunkt ist die Beantwortung der Fragen mit Hilfe des Computers. Hier haben nach<br />

Ansicht des Schülers jene Probleme, die das Masch<strong>in</strong>enschreiben nicht beherrschen.<br />

Frontalphasen würde der Proband <strong>in</strong>sbesondere für die anderen Schüler e<strong>in</strong>setzen, bezüglich<br />

der eigenen Gruppe besteht allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> Bedarf.<br />

Die Frage nach e<strong>in</strong>em erweiterten Literaturangebot, e<strong>in</strong>hergehend mit reduzierter Lehrerhilfe,<br />

wird von dem Auszubildenden mit dem H<strong>in</strong>weis beantwortet, den Lehrer sowieso nur selten<br />

zu benötigen. Etwaige Fragen beziehen sich ohneh<strong>in</strong> weniger auf Fachliches, vielmehr sollen<br />

mit Hilfe des Lehrers strategische Gesichtspunkte geklärt werden. Auf den Lehrer ganz zu<br />

verzichten ist nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers nicht möglich, da immer wieder Fragen oder<br />

Probleme auftreten, die man selbst, auch mit Hilfe der Literatur, nicht lösen kann.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Im Wesentlichen kann der Proband ke<strong>in</strong>e Probleme nennen, die während des Durchlaufens<br />

der Lernstrecke aufgetreten s<strong>in</strong>d. Dies liegt se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach an der im Betrieb erworbenen<br />

Erfahrung und am überlegten Vorgehen der Gruppe.<br />

Insgesamt ist die Thematik ‚Näherungsschalter’ 3 als äußerst anspruchsvoll e<strong>in</strong>zustufen. Dies<br />

zeigt sich schon an der dazu benötigten, vielfältigen Literatur.<br />

Der Schüler bewertet die Biegevorrichtung 8 positiv, weil deren Funktionsweise deutlich<br />

erkennbar ist. Beim Steckbrett erkennt man nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers nur die Bewegung der<br />

Zyl<strong>in</strong>der.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Lernende gibt an, aufgrund se<strong>in</strong>er Vorkenntnisse von vielen Schülern befragt zu werden,<br />

während die Gruppe ihrerseits ke<strong>in</strong>e Unterstützung durch andere benötigt. Die Beantwortung<br />

etwaiger Fragen hat den Vorteil, den Stoff dabei selbst zu wiederholen und aufzufrischen.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 8 ist sehr e<strong>in</strong>fach zu bewältigen. Generell s<strong>in</strong>d die im Leittext geforderten<br />

Aufgaben sehr e<strong>in</strong>fach und daher oft langweilig. Der praktische Testteil wird deshalb von<br />

dem Auszubildenden als positiv e<strong>in</strong>geordnet, weil die theoretisch erarbeitete Lösung somit<br />

überprüfbar ist.<br />

Der Proband erklärt, die Fragestellung bei Abschlusstest 9 falsch <strong>in</strong>terpretiert zu haben, so<br />

dass ihm nicht klar ist, e<strong>in</strong>e Selbsthalteschaltung zu benötigen. Trotzdem kann er die Aufgabe<br />

letztendlich beantworten und so e<strong>in</strong> ‚Sehr gut’ erzielen.<br />

Im Vergleich betrachtet, bevorzugt der Schüler Abschlusstest 9, weil er nicht durch den<br />

Lehrer gestört wird. E<strong>in</strong> schrittweises Vorgehen, d. h. e<strong>in</strong>e Zwischenstandkontrolle 9 durch die<br />

Lehrkraft bee<strong>in</strong>flusst das Bearbeitungsprozedere negativ.


8 Darstellung der Ergebnisse 217<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Umsetzung der Theorie <strong>in</strong> die Praxis <strong>in</strong> Bezug auf die Selbsthalteschaltung 10 ist nach<br />

Ansicht des Schülers nicht wichtig, weil er ke<strong>in</strong>erlei Nutzen dar<strong>in</strong> erkennen kann. Zudem ist<br />

die Umsetzung der Selbsthalteschaltung langweilig. Der Schüler hofft auf mehr Spannung<br />

beim Ansteuern der e<strong>in</strong>zelnen Zyl<strong>in</strong>der der Biegevorrichtung.<br />

8.2.14 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1A/II<br />

8.2.14.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 1, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 2<br />

LE 7: 3 AT 7: 3<br />

LE 8: 2 AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,33 AT gesamt: 2,50<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 3<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,96 → 3


218 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.14.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Im Pr<strong>in</strong>zip spricht sich der Proband für das durchlaufene <strong>Unterricht</strong>skonzept aus. Nachdem<br />

der Gruppenpartner jedoch mehrfach anmerkt, die traditionelle <strong>Unterricht</strong>sform zu bevorzugen,<br />

spricht sich auch der Proband eher dafür aus. Problematisch bei dem handlungsorientierte<br />

<strong>Unterricht</strong>skonzept sieht der Proband nämlich e<strong>in</strong>en unterschiedlichen Wissensstand<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Klasse, der sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Die Selbststeuerung kommt dem Schüler entgegen. So erklärt er, beispielsweise die Verkabelung<br />

des Signale<strong>in</strong>gabeelements 11 zusammen mit se<strong>in</strong>em Gruppenpartner alle<strong>in</strong>e durchzuführen<br />

und den Lehrer nur bei Bedarf anzusprechen. Gleiches gilt für die Thematik ‚Mechanischer<br />

Grenztaster’ 12 . Hier kommt die Gruppe nach Ansicht des Schülers gut zurecht,<br />

<strong>in</strong>sbesondere auch aufgrund der Erläuterungen auf dem Arbeitsblatt. Aufgrund dieser<br />

Erfahrungen fordert der Schüler ke<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung, weil er – wie bereits<br />

geschildert – bei Bedarf den Lehrer zu Rate ziehen kann.<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab und<br />

begründet damit se<strong>in</strong>e aus se<strong>in</strong>er Sicht unterdurchschnittlichen Testergebnisse. Ursache für<br />

das Verhalten ist se<strong>in</strong>e Faulheit.<br />

Mit den Leittexten kommt der Lernende im Wesentlichen zurecht. Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter<br />

5 bedürfen ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die Lehrkraft, da etwaige Fragen<br />

mit dem Lehrer abgeklärt werden können. Problematisch ist es allerd<strong>in</strong>gs nach Me<strong>in</strong>ung des<br />

Schülers, auf den Lehrer oft lange warten zu müssen, weil dieser viele Gruppen zu betreuen<br />

hat.<br />

Die Wissenskontrollblätter s<strong>in</strong>d wesentlicher Bestandteil des <strong>Lernprozesse</strong>s, weil man sich<br />

damit gut auf die Tests vorbereiten kann. Das Wissenskontrollblatt für Lerne<strong>in</strong>heit 6 wird von<br />

der Gruppe nicht bearbeitet. Der Schüler stuft dies nachträglich als Fehler e<strong>in</strong>, weil er sich<br />

stattdessen mit Themen befasst hat, die für den Test nicht notwendig waren.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit dem Lehrer kommt der Schüler gut zurecht, <strong>in</strong>sbesondere auch mit der neuen Lehrerrolle.<br />

Leider beantwortet der Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen nicht immer, sondern verweist<br />

beispielsweise auf das Informationsmaterial 6 . Das ist für den Probanden lästig, weil se<strong>in</strong>e<br />

Faulheit nicht unterstützt wird.<br />

Für den Auszubildenden ist es durchaus schwierig, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages<br />

wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, weil das Er<strong>in</strong>nerungsvermögen des Schülers zu wünschen<br />

übrig lässt. Das Protokoll zum Arbeitsstand 31 ist da hilfreich.<br />

Die Frontalphase 7 stuft der Lernende als sehr gut e<strong>in</strong>, weil er somit den Sachverhalt des<br />

Verkabelns besser versteht. Jegliche Theorie und neue Bauteile sollten auf diese Weise<br />

erläutert werden. Leider verfährt der Pädagoge nach Ansicht des Lernenden <strong>in</strong> der Regel so,<br />

dass bestenfalls das Bauteil gezeigt und mit wenigen Worten e<strong>in</strong>geführt wird.


8 Darstellung der Ergebnisse 219<br />

Im Rahmen dieser Überlegungen spricht sich der Schüler allgeme<strong>in</strong> für häufigere Erläuterungsphasen<br />

durch die Lehrkraft aus, wie dies u. a. bei der Vorsteuerung 11 oder der<br />

Handhilfsbetätigung 29 der Fall ist. Beispielsweise könnten vermehrt gruppen<strong>in</strong>terne<br />

Fachgespräche stattf<strong>in</strong>den, denn nach Ansicht des Schülers werden <strong>Lernprozesse</strong> <strong>in</strong> großen<br />

Gruppen nachteilig bee<strong>in</strong>flusst. Grundsätzlich sollte der Lehrer Sachverhalte ausführlich<br />

erklären, ggf. sogar mit den e<strong>in</strong>zelnen Gruppen e<strong>in</strong>en Vorgehensplan entwickeln um den<br />

Schülern so e<strong>in</strong>e latent vorhandene Unsicherheit zu nehmen. Der Schüler erklärt, dass diese<br />

Unsicherheit und e<strong>in</strong> planloses, auf Überforderung begründetes Vorgehen schnell zu Lasten<br />

der Motivation gehen und der Lernprozess unterbunden wird.<br />

Das Angebot an Informationsmaterial müsste nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers verbessert werden.<br />

Mit der derzeitigen Literatur ist es schwer, das Gewünschte zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong>sbesondere deshalb,<br />

weil beispielsweise für gleiche Bauteile unterschiedliche Begriffe verwendet werden.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Gruppenpartner spricht an, traditionellen <strong>Unterricht</strong> zu bevorzugen. Der Proband erklärt<br />

darauf h<strong>in</strong>, im Idealfall das traditionelle Konzept mit dem <strong>handlungsorientierten</strong> zu verb<strong>in</strong>den,<br />

da es zw<strong>in</strong>gend erforderlich ist, vor der Selbsterarbeitung angeleitet zu werden.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht. Wünschenswert wären jedoch H<strong>in</strong>weise<br />

darüber, wo genau <strong>in</strong> den Büchern nach Sachverhalten zu suchen ist.<br />

Das Wissenskontrollblatt explizit mit der Lehrkraft zu bearbeiten ist pr<strong>in</strong>zipiell nicht<br />

notwendig, wäre aber sicherlich vorteilhaft.<br />

In den BIBB-Heften ist nach Ansicht des Schülers im Wesentlichen alles zu f<strong>in</strong>den, allerd<strong>in</strong>gs<br />

lässt das Inhaltsverzeichnis zu wünschen übrig. Dadurch verzögert sich die Bearbeitung der<br />

Aufgaben, zugleich wird die Verunsicherung verstärkt.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d nicht erwünscht,<br />

weil manche Texte schwer verständlich und ohne Lehrkraft nicht zu bewältigen s<strong>in</strong>d.<br />

Entscheidend ist e<strong>in</strong>e Ausgewogenheit zwischen selbstgesteuertem Lernen und Lehrerunterstützung.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Der Schüler er<strong>in</strong>nert sich kaum an das Weg-Schritt-Diagramm 2 und könnte dieses <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>er anderen Aufgabenstellung nicht mehr zeichnen.<br />

Für den Lernenden stellt sich ke<strong>in</strong> großer Unterschied zwischen Steckbrett und Biegevorrichtung<br />

8 dar. Bestenfalls verdeutlicht die Biegevorrichtung die Funktionsweise der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bauteile und deren Zusammenwirken besser.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Die Schüler nutzen nach Aussage des Probanden die Möglichkeit der gruppenübergreifenden<br />

Kommunikation.<br />

E<strong>in</strong>e Arbeitsteilung wird nicht praktiziert, weil nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers damit nicht<br />

gewährleistet wäre, alle Details e<strong>in</strong>er Aufgabenstellung mitzubekommen.<br />

Der Proband ist jederzeit bereit, anderen Schülern zu helfen, sofern dies fachlich zu bewerkstelligen<br />

ist. Dies hat zudem den Vorteil, eigene Unsicherheiten ggf. zu überw<strong>in</strong>den.


220 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Arbeit im CNC-Raum 30 ist mit der Arbeit im Integrierten Fachunterrichtsraum vergleichbar<br />

und stellt sich unproblematisch dar.<br />

Die Umsetzung der Theorie <strong>in</strong> die Praxis <strong>in</strong> Bezug auf die Selbsthalteschaltung 10 ist nach<br />

Ansicht des Lernenden s<strong>in</strong>nvoll, weil e<strong>in</strong>erseits die Inhalte wiederholt werden und andererseits<br />

die h<strong>in</strong>ter der Theorie liegende Praxis sichtbar wird.<br />

8.2.15 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 1B/II<br />

8.2.15.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 1, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 5<br />

LE 7: 3 AT 7: 3<br />

LE 8: 2 AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,33 AT gesamt: 4,00<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 5<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 3,83 → 4


8 Darstellung der Ergebnisse 221<br />

8.2.15.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Generell ist diese Art von <strong>Unterricht</strong> für den Schüler <strong>in</strong> Ordnung, allerd<strong>in</strong>gs glaubt er, mit<br />

Hilfe e<strong>in</strong>es traditionellen Vorgehens mehr zu lernen. Zudem ist gerade das Fach Steuerungstechnik<br />

extrem langweilig. Der Proband erwähnt, se<strong>in</strong>e Berufswahl verfehlt zu haben, den<br />

Abschluss aber trotzdem erreichen zu wollen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab. Dies spiegelt<br />

sich auch <strong>in</strong> den Tests, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Abschlusstest 6, wider. Bei Lerne<strong>in</strong>heit 6 gibt der<br />

Schüler an, überhaupt nichts selbst erarbeitet zu haben.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den ist dann schwer,<br />

wenn man sich ke<strong>in</strong>e Notizen über den letzten Arbeitsstand macht.<br />

Mit den Leittexten und den Aufgabenstellungen kommt der Schüler gut zurecht, da diese<br />

übersichtlich gestaltet s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Abänderung ist nicht erwünscht. Insbesondere spricht sich<br />

der Lernende für das zur Vorbereitung auf die entsprechenden Abschlusstests geeignete<br />

Wissenskontrollblatt aus, das er zu se<strong>in</strong>em Bedauern bei Lerne<strong>in</strong>heit 6 nicht bearbeitet hat<br />

und daher e<strong>in</strong>e schlechte Zensur <strong>in</strong> Abschlusstest 6 erhält. E<strong>in</strong>e Unterstützung beim Durcharbeiten<br />

des Wissenskontrollblattes durch die Lehrkraft ist nicht notwendig.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Proband gut zurecht. Der Lehrer ist dann präsent, wenn er gebraucht wird und<br />

ermöglicht <strong>in</strong> der übrigen Zeit e<strong>in</strong> selbstständiges Arbeiten.<br />

Nach Ansicht des Lernenden ist es notwendig, dass der Lehrer bei etwaigen Fragen stets<br />

präsent ist. Muss er sich – wie <strong>in</strong> diesem Falle – um viele Gruppen kümmern, treten zu lange<br />

Wartezeiten auf. Daher spricht sich der Proband für e<strong>in</strong> traditionelles <strong>Unterricht</strong>skonzept aus,<br />

so dass alle Schüler die Gelegenheit haben, Wesentliches zu erfassen. Der Lernende weist<br />

darauf h<strong>in</strong>, grundsätzliches Interesse für selbstständiges Arbeiten zu haben, allerd<strong>in</strong>gs kann er<br />

sich nicht vorstellen, damit Fortschritte zu machen.<br />

Die den <strong>Unterricht</strong> begleitende Lehrkraft beschreibt der Proband als sehr sympathisch,<br />

allerd<strong>in</strong>gs treibt er die Schüler zur Eile. Außerdem würde der Proband sofortige Erklärungen<br />

bevorzugen und bei etwaigen <strong>in</strong>haltlichen Fragen nicht auf das Informationsmaterial 6<br />

ausweichen wollen. Dies hat zur Folge, dass die Gruppe sich ausschließlich alle<strong>in</strong>e um<br />

Lösungen bemüht und die Lehrkraft nicht mehr befragt. Nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden besteht<br />

der Pädagoge auf vollständige Selbsterarbeitung.<br />

Die Frontalphase 7 zur Verkabelung ist äußerst hilfreich. Dies ist nach Aussage des Schülers<br />

das erste Mal, dass er e<strong>in</strong>en Sachverhalt nachvollziehen kann. Zuvor war es ihm nicht<br />

möglich, e<strong>in</strong>en Schaltplan <strong>in</strong> die Praxis umzusetzen. Günstig wäre e<strong>in</strong>e derartige Erläuterung<br />

durch die Lehrkraft zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Unterricht</strong>sstrecke, um Grundlegendens, z. B. Bauteile zu<br />

besprechen. Lediglich Leittexte auszugeben ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nicht ausreichend.


222 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Der Schüler benötigt se<strong>in</strong>es Erachtens mehr Lehrerunterstützung als dies zeitlich von der<br />

Lehrkraft zu bewerkstelligen ist. Daher glaubt der Schüler, der Lehrer wäre diesbezüglich<br />

überfordert und schlägt vor, das Problem durch den E<strong>in</strong>satz mehrerer Frontalphasen zu lösen.<br />

E<strong>in</strong> selbstgesteuertes Lernen ist nach Ansicht des Probanden nicht geeignet, um e<strong>in</strong>en<br />

tatsächlichen Lernerfolg zu erzielen. Er spricht sich h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Lernwirksamkeit<br />

entschieden dagegen aus.<br />

Er würde es daher auch bevorzugen, die Aufgabenblätter vorab mit der Lehrkraft zu<br />

besprechen, da die Angaben doch zum Teil sehr knapp abgefasst s<strong>in</strong>d.<br />

Das Angebot an Literatur 6 ist ausreichend, wünschenswert wäre aber aus Sicht des Schülers<br />

deren bessere Strukturierung. Im vorliegenden Material f<strong>in</strong>det man se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nicht<br />

das, was man sucht, <strong>in</strong>sbesondere nicht <strong>in</strong> den BIBB-Heften.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler erklärt, das Verkabeln des Signale<strong>in</strong>gabeelements 11 selbstständig durchzuführen<br />

und zeigt sich darüber verärgert, wieder nur mit Hilfe e<strong>in</strong>es Leittextes arbeiten zu müssen.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler im Allgeme<strong>in</strong>en gut zurecht, teilweise weiß er aber<br />

nicht, – aufgrund der unklaren Formulierungen – was verlangt wird. Beispielsweise werden<br />

zu viele Fremdwörter verwendet.<br />

Es wäre durchaus möglich, e<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot zur Verfügung zu stellen und<br />

dafür die Lehrerhilfe zu reduzieren. Der Proband ist aber der Me<strong>in</strong>ung, dass e<strong>in</strong>e Lehrkraft<br />

generell mehr Hilfe bieten kann als jegliche Literatur.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Anfänglich erklärt der Proband kaum etwas zu verstehen und noch viel Übung zu benötigen.<br />

Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt glaubt er jedoch, nun mehr E<strong>in</strong>sicht zu bekommen.<br />

Anfängliche Problem bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 rühren daher, Aufgabenstellung missverstanden zu<br />

haben. Der Schüler kann dazu jedoch ke<strong>in</strong>e näheren Angaben machen. Dies liegt daran, dass<br />

er sich nicht mehr h<strong>in</strong>reichend mit dieser Lerne<strong>in</strong>heit befasst. So kann er sich erst nach e<strong>in</strong>er<br />

expliziten Erläuterung e<strong>in</strong>es Mitschülers an das Weg-Schritt-Diagramm 2 er<strong>in</strong>nern, dazu aber<br />

nichts mehr sagen.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler stört sich an der unausgewogenen Gruppene<strong>in</strong>teilung. Er ist der Me<strong>in</strong>ung, dass<br />

die eng beisammen sitzenden Gruppen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Gruppe bilden 32 . Se<strong>in</strong>e Gruppe arbeitet<br />

überwiegend alle<strong>in</strong>e. Trotzdem wird e<strong>in</strong>e gruppenübergreifende Kommunikation genutzt, weil<br />

sonst ke<strong>in</strong> Lernfortschritt gewährleistet wäre.<br />

Wichtig für den Probanden ist e<strong>in</strong> mit dem Gruppenpartner geme<strong>in</strong>sames Erarbeiten von<br />

Lösungen. E<strong>in</strong>e Arbeitsteilung kommt nicht <strong>in</strong> Frage.<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Schüler nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklärt ihm e<strong>in</strong> Schüler, der erst im späteren Verlauf der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke zur Gruppe stößt. Der Proband beschreibt diesen als aktiven, die Sachverhalte<br />

tatsächlich verstehenden Schüler. Für den Probanden spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob diese


8 Darstellung der Ergebnisse 223<br />

Sachverhalte von e<strong>in</strong>em Schüler oder vom Lehrer erklärt werden. Anderen Schülern gibt der<br />

Proband ke<strong>in</strong>e Hilfestellung.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Die Arbeit im CNC-Raum 30 ist mit der Arbeit im Integrierten Fachunterrichtsraum vergleichbar<br />

und stellt sich unproblematisch dar.<br />

Der Schüler spricht sich generell für praktische Arbeit aus, allerd<strong>in</strong>gs ist die geforderte<br />

Selbststeuerung zu ausgeprägt.<br />

8.2.16 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2A/II<br />

8.2.16.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 2, 2 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 3 AT 7: 4<br />

LE 8: 2 AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,33 AT gesamt: 3,50<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 3<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 3,21 → 3


224 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.16.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler schätzt diese Art des <strong>Unterricht</strong>s, da er nicht so streng abgehandelt wird und man<br />

sich bei Fragen an den Lehrer wenden kann.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler spricht sich im Wesentlichen für selbstgesteuertes Lernen aus. So ist es für ihn<br />

unproblematisch, wenn fachliche Fragen an den Lehrer unbeantwortet bleiben und dieser auf<br />

das Informationsmaterial 6 verweist. Erst dann ist man nach Ansicht des Schülers bereit, sich<br />

um vertieftere Informationen zu bemühen, die dem Lernprozess förderlich s<strong>in</strong>d. Auch<br />

benötigt der Proband bei der Bearbeitung des Aufgabenblattes ‚Mechanischer Grenztaster’ 12<br />

ke<strong>in</strong>e Lehrerunterstützung, weil die Aufgaben relativ e<strong>in</strong>fach s<strong>in</strong>d. Es ist für ihn nicht<br />

schwierig, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, wenn er<br />

sich Notizen über den letzten Arbeitsstand macht.<br />

Es ist nach Aussage des Schülers durchaus möglich, dass er Inhalte ohne eigenes Erarbeiten<br />

oder Durchdenken abschreibt. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn er Schwierigkeiten mit<br />

dem Stoff hat und unter Zeitdruck steht.<br />

Durch die Selbststeuerung erfährt der Schüler e<strong>in</strong>e gute Orientierungshilfe und ist somit<br />

besser für etwaige Tests vorbereitet. Der Lernerfolg ist damit wesentlich größer. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

sieht der Schüler zwischen dieser Art des Lernens und se<strong>in</strong>er späteren Arbeit ke<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang.<br />

Auch die Leittexte stellen für den Schüler e<strong>in</strong>e gute Orientierungshilfe dar, <strong>in</strong>sbesondere das<br />

Wissenskontrollblatt zu Lerne<strong>in</strong>heit 6. Gerade mit dieser Unterstützung glaubt der Schüler,<br />

e<strong>in</strong>en guten Lernerfolg erzielen zu können. Auf ke<strong>in</strong>en Fall sollten Arbeitsblätter mit der<br />

Lehrkraft durchgesprochen werden, weil die Thematik dann schnell wieder unverständlich<br />

wird. Inwieweit er selbst mit den Aufgaben zurecht kommt, hängt vom Schwierigkeitsgrad ab.<br />

Gegen Ende der Lernstrecke steigt der Schwierigkeitsgrad se<strong>in</strong>es Erachtens deutlich an.<br />

Die Bearbeitung des Wissenskontrollblattes zu Lerne<strong>in</strong>heit 7 erfolgt nach Angaben des<br />

Lernenden nur sehr oberflächlich, weil er sich durch den größeren Lernfortschritt der anderen<br />

Gruppen unter Druck gesetzt fühlt. Dadurch hat die Gruppe ke<strong>in</strong>e Zeit, sich auch noch<br />

ausführlich mit dem Wissenskontrollblatt zu beschäftigen. Das langsamere Vorankommen ist<br />

nach Ansicht des Lernenden dadurch begründet, dass die Gruppe die Aufgaben im Vergleich<br />

zu anderen Gruppen sehr ausführlich bearbeitet.<br />

Mit dem Informationsmaterial 6 ist der Lernende zufrieden, obgleich es an manchen Stellen<br />

ausführlicher gestaltet se<strong>in</strong> könnte. E<strong>in</strong> breiteres Angebot ist nicht zu empfehlen, weil dies nur<br />

zur Verwirrung beitragen würde. Die Arbeitsblätter entsprechen den BIBB-Heften, so dass<br />

sich Leittexte und Literatur gut ergänzen.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Dies fördert die lockere Atmosphäre der Lernumgebung und<br />

die Kommunikation mit anderen Schülern. Nachteilig dagegen ist, dass man sich sehr leicht<br />

ablenken lässt und sich auch über fachfremde D<strong>in</strong>ge unterhält.


8 Darstellung der Ergebnisse 225<br />

Mit der den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Lehrkraft ist der Proband sehr zufrieden. Mit Hilfe dieses<br />

Lehrers glaubt der Schüler, gerade <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> besonders viel zu lernen.<br />

Schwere Sachverhalte erklärt der Pädagoge, das Übrige erarbeitet sich die Gruppe selbst.<br />

Der Schüler beschreibt e<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ansicht nach grundsätzliches Problem, nämlich dass der<br />

Lehrer dann nie zur Verfügung steht, wenn es notwendig wäre. E<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung<br />

ist im Pr<strong>in</strong>zip nicht möglich, weil der Pädagoge viele Gruppen zu betreuen hat. Dies<br />

sollte er aber überschauen und generelle Schwierigkeiten für alle klären. Insbesondere wäre<br />

dies dann möglich, wenn alle Gruppen den gleichen Arbeitsstand hätten. Nach Ansicht des<br />

Lernenden wäre es daher besser, die Themen stets mit allen zu besprechen, die tatsächliche<br />

Ausführung der Arbeit könnte dann gruppenweise erfolgen. Im Gleichlauf zu arbeiten wäre<br />

dann ke<strong>in</strong> Problem, wenn jeder Lernende das gleiche Grundwissen zur Verfügung hätte.<br />

Das Wissenskontrollblatt zu Lerne<strong>in</strong>heit 7 stimmt nach Ansicht des Schülers im Wesentlichen<br />

nicht mit dem Test übere<strong>in</strong>. Beispielsweise fehlt der H<strong>in</strong>weis, sich noch e<strong>in</strong>mal mit dem<br />

Schaltungsaufbau zu beschäftigen. Das Wissenskontrollblatt sollte beibehalten werden, aber<br />

ausführliche Erläuterungen als Zusammenfassung enthalten, weil e<strong>in</strong> erneutes Aufsuchen der<br />

angesprochenen Inhalte <strong>in</strong> den Arbeitsunterlagen sehr arbeitsaufwändig ist. In der jetzigen<br />

Form s<strong>in</strong>d Wissenskontrollblätter ke<strong>in</strong>e wirkliche Arbeitserleichterung.<br />

Das Problem der BIBB-Hefte ist nach Me<strong>in</strong>ung des Auszubildenden das mangelhafte<br />

Stichwortverzeichnis.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Grundsätzlich kommt der Schüler mit der Selbststeuerung gut zurecht, <strong>in</strong>sbesondere dann,<br />

wenn er bei Bedarf Hilfe durch die Lehrkraft erwarten kann. Trotzdem bevorzugt er e<strong>in</strong>e<br />

ausgeprägtere Unterstützung durch die Lehrkraft, weil er sich dann sicher se<strong>in</strong> kann, dass das<br />

Erarbeitete fachlich richtig ist. Zudem hat dies den Vorteil, selbst weniger tun zu müssen.<br />

Die Fragen s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Schülers klar formuliert und verständlich, daher bedürfen<br />

die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die Lehrkraft.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs würde e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> neue Themen die Arbeit entscheidend erleichtern.<br />

Anfänglich ist man leicht überfordert und übersieht wesentliche D<strong>in</strong>ge.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe wäre laut Aussage des<br />

Probanden durchaus möglich, weil man dann weniger Fragebedarf hätte. Auf den Lehrer<br />

allerd<strong>in</strong>gs ganz zu verzichten wäre wiederum nicht möglich, da manches durch Erläuterungen<br />

der Lehrkraft verständlicher wird.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Mit Leittext 6 kommt der Schüler gut zurecht, kle<strong>in</strong>ere Verständnisschwierigkeiten klärt die<br />

Gruppe mit der Lehrkraft ab. Schwierigkeiten bereitet ihm allerd<strong>in</strong>gs im weiteren Lernverlauf<br />

das Verkabeln. Die Ursache dafür sieht er <strong>in</strong> der Umstellung Pneumatik – Elektropneumatik.<br />

Als Grund für Probleme bei der Automatisierungsaufgabe 33 gibt der Schüler an, dass er sich<br />

e<strong>in</strong>en vom Lehrer erklärten Sachverhalt leichts<strong>in</strong>nigerweise falsch notiert, die Thematik aber<br />

grundsätzlich verstanden hat.<br />

Anfängliche Schwierigkeiten bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 treten nicht auf, die Schüler arbeiten<br />

schrittweise, wie vorgegeben.


226 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Das Positive an diesem <strong>Unterricht</strong> ist gemäß der Aussage des Probanden die Kommunikation<br />

mit anderen Schülern. Dadurch können etwaige Fragen besser geklärt werden als ausschließlich<br />

mit der Lehrkraft, weil man auf e<strong>in</strong>er Ebene kommuniziert. Allerd<strong>in</strong>gs nutzt der Schüler<br />

die Möglichkeit der Kommunikation nur <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe. E<strong>in</strong>en gruppenübergreifenden<br />

Austausch nimmt er kaum <strong>in</strong> Anspruch, weil er glaubt, dass dies nicht legitim wäre und man<br />

des ‚Abschauens’ bezichtigt würde.<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Schüler nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklären andere Schüler. Für den Probanden ist das <strong>in</strong> Ordnung,<br />

weil man e<strong>in</strong>em Mitschüler auf gleicher Ebene begegnet. Der Proband hilft auch anderen<br />

Schülern, <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>em Gruppenpartner. Dies ist <strong>in</strong>sofern wichtig als man sich<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gruppe ergänzen muss.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der Schüler hat mit Abschlusstest 7 anfängliche Probleme, weil er die Fragestellung nicht<br />

versteht.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der Pneumatikunterricht im CNC-Raum 30 ist durch den fehlenden Praxisbezug erschwert.<br />

Die praktische Unterweisung im Rahmen der Handhilfsbetätigung 29 durch den Lehrer ist<br />

effektiver als e<strong>in</strong>e ausschließlich theoretische Selbsterarbeitung mit Hilfe e<strong>in</strong>es Arbeitsblattes.<br />

8.2.17 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 2B/II<br />

8.2.17.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 2, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 3 AT 7: 2


8 Darstellung der Ergebnisse 227<br />

LE 8: 2 AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,33 AT gesamt: 2,50<br />

Lernfortschritt: 4<br />

Arbeitsbeurteilung: 3<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,96 → 3<br />

8.2.17.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der <strong>Unterricht</strong> ist nach Ansicht des Schülers sehr <strong>in</strong>teressant. Um <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong><br />

möglichst viel zu lernen, sollte der Ablauf so gestaltet werden, wie dies im durchlaufenen<br />

<strong>Unterricht</strong> der Fall ist.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband stimmt se<strong>in</strong>em Mitschüler zu, der das Selbsterarbeiten als Orientierungshilfe<br />

sieht, sich somit besser auskennt und mehr für den Test lernt.<br />

Die Tatsache, dass der Lehrer <strong>in</strong>haltliche Fragen gelegentlich nicht beantwortet, sondern auf<br />

das Informationsmaterial 6 verweist, sieht der Proband als Vorteil. Durch das erzwungene<br />

selbstständige Lernen wird der Stoff weiter vertieft.<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken nur e<strong>in</strong>mal ab,<br />

beschäftigt sich aber später erneut mit der Thematik. Dies hat ke<strong>in</strong>e negativen Folgen.<br />

Der Schüler vermutet größere Lernwirksamkeit bei e<strong>in</strong>er Selbsterarbeitung, wie z. B. dem<br />

Relaisblatt 4 , weil man sich mit der Thematik <strong>in</strong>tensiver beschäftigt. Ganz sicher fühlt er sich<br />

aber bezüglich des Gegenstandes trotzdem nicht. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt ist der Proband<br />

überzeugt, durch Selbsterarbeitung e<strong>in</strong>en größeren Lernerfolgt bewirken zu können.<br />

Mit den Leittexten und Aufgabenblättern kommt der Schüler gut zurecht. Es gibt nichts zu<br />

bemängeln. Zur Bearbeitung des Blattes ‚Mechanischer Grenztaster’ 12 ist der Lehrer nicht<br />

nötig.<br />

Der Schüler spricht sich positiv für das Wissenskontrollblatt aus, weil man aufgrund der<br />

Wiederholung noch e<strong>in</strong>mal dazu lernt. Außerdem grenzt es den Stoff e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> mit dem<br />

Wissenskontrollblatt verbundenes erneutes Aufsuchen der Inhalte stellt für den Schüler ke<strong>in</strong><br />

Problem dar. E<strong>in</strong> generelles Durchsprechen des Wissenskontrollblattes mit dem Lehrer ist<br />

nicht nötig, es reicht aus, diesen bei Bedarf zu befragen.<br />

Trotzdem erfolgt die Bearbeitung der Wissenskontrollblätter z. T. sehr oberflächlich und nur<br />

deshalb, damit die Anweisungen erfüllt werden. Der Proband schließt sich der Me<strong>in</strong>ung<br />

se<strong>in</strong>es Mitschülers an, deshalb schneller zu arbeiten, weil die anderen Gruppen bereits weiter<br />

s<strong>in</strong>d. Dadurch hat die Gruppe ke<strong>in</strong>e Zeit, sich auch noch ausführlich mit dem Wissenskontrollblatt<br />

zu beschäftigen. Der Proband fühlt sich deshalb unter Druck gesetzt.


228 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die BIBB-Hefte s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Schülers zur Unterstützung des <strong>Lernprozesse</strong>s gut<br />

geeignet, alle wesentlichen Inhalte s<strong>in</strong>d dar<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht.<br />

Insbesondere der die <strong>Unterricht</strong>sstrecke begleitende Lehrer ist nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers<br />

sehr gut, im Pr<strong>in</strong>zip der beste der Schule. Der Proband kann sich nicht daran er<strong>in</strong>nern, von<br />

dieser Lehrkraft jemals gebremst oder beh<strong>in</strong>dert worden zu se<strong>in</strong>.<br />

Es ist nach Ansicht des Schülers sehr schwer, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder<br />

<strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, weil man die ganze Woche arbeitet und nicht dazu kommt, etwas<br />

vorzubereiten. Durch das Protokoll, das den letzten Arbeitsstand festhält, ist es e<strong>in</strong>facher 31 .<br />

Der Lernende erklärt, die praktische Unterweisung durch den Lehrer nicht durch Selbsterarbeitung<br />

ersetzen zu können.<br />

Anfänglich gibt der Schüler zu verstehen, dass er gerne mehr Informationsmaterial 6 zur<br />

Verfügung hätte. Im weiteren Gesprächsverlauf plädiert er aber eher für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung<br />

des Angebotes, d. h. für lediglich e<strong>in</strong> Buch, aus dem alle Inhalte zu erarbeiten s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und dafür e<strong>in</strong>e reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d nicht erwünscht.<br />

Im Zweifelsfall kann der Lehrer doch besser erklären.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Frontalphasen 7 hält der Schüler für überflüssig, weil man im Klassenverband nicht konzentriert<br />

ist. H<strong>in</strong>gegen spricht er sich für häufigere Lehrer-Schüler-Gespräche <strong>in</strong> der Gruppe aus.<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip fordert der Schüler ke<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung. Er beschreibt jedoch e<strong>in</strong>e<br />

Situation, <strong>in</strong> der die Lehrerhilfe bei Bearbeitung der Selbsthalteschaltung 25 notwendig<br />

gewesen wäre, dieser sich aber sehr lange um andere Gruppen kümmern musste.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 bedürfen nur bei schwierigen Sachverhalten e<strong>in</strong>er zusätzlichen<br />

Erläuterung vorab durch die Lehrkraft.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Proband beschreibt e<strong>in</strong>e aufgrund der Erkrankung mehrerer Schüler e<strong>in</strong>malige Veränderung<br />

der Gruppenzusammensetzung. Diesbezügliche Umstrukturierungen sieht er ungern,<br />

<strong>in</strong>sbesondere dann, wenn er mit e<strong>in</strong>em sehr leistungsschwachen Schüler zusammenarbeiten<br />

muss.<br />

Innerhalb der Gruppe hilft man sich gegenseitig, gruppenübergreifend jedoch kaum. Im<br />

Gespräch mit dem Gruppenpartner lernt der Proband se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dazu, weil er über<br />

Probleme diskutieren kann.


8 Darstellung der Ergebnisse 229<br />

8.2.18 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3A/II<br />

8.2.18.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e; e<strong>in</strong>ige Aspekte im Betrieb durchgesprochen<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 4<br />

LE 7: 2 AT 7: 2<br />

LE 8: 2 AT 8: 4<br />

LE 9: 2 AT 9: 2<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,00 AT gesamt: 3,00<br />

Lernfortschritt: 3<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,50 → 2<br />

8.2.18.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler ist vom <strong>Unterricht</strong>sstil der Lehrkraft wenig überzeugt. Ihm ist nicht klar, warum<br />

er Steuerungstechnik als Fe<strong>in</strong>mechaniker lernen soll. Das Problem ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach<br />

jedoch nicht das Fach, sondern der Lehrer, der zu wenig Grundlegendes erläutert. Beispielsweise<br />

steht nur e<strong>in</strong> Ordner zur Verfügung, mit dessen Hilfe man sich <strong>in</strong> die Computerprogramme<br />

e<strong>in</strong>arbeiten müsste. Wünschenswert wären Erläuterungen der Lehrkraft anhand von<br />

Beispielen.<br />

Versäumte Schultage stellen für den Probanden <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

e<strong>in</strong> Problem dar. Bei Fehltagen besteht nach Ansicht des Schülers die Gefahr, den Anschluss


230 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

zu verpassen. Daher sollte man se<strong>in</strong>es Erachtens nicht fehlen, da das Arbeitstempo wesentlich<br />

höher als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> ist.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Lernende spricht sich für die Selbststeuerung aus, weil es e<strong>in</strong>erseits effektiver ist und er<br />

andererseits durch se<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Lerntempo den Lernfortschritt besser e<strong>in</strong>schätzen kann.<br />

Die Verkabelung des Signale<strong>in</strong>gabeelements 11 führt die Gruppe ohne Hilfe des Lehrers durch,<br />

wobei viele wichtige Erfahrungen durch Fehler gemacht werden können.<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken nicht ab, lediglich<br />

bed<strong>in</strong>gt durch die Zusammenarbeit <strong>in</strong> der Gruppe werden Sachverhalte übernommen.<br />

Der Schüler gibt an, ke<strong>in</strong>erlei Probleme mit den Leittexten zu haben.<br />

Die BIBB-Hefte s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach gut, hilfreich und ausreichend.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Nach Ansicht des Schülers muss der Lehrer <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> fachlich kompetent<br />

se<strong>in</strong> und gut erklären können. Zw<strong>in</strong>gend ist auch e<strong>in</strong> guter Umgang mit den Schülern. Der die<br />

Lernstrecke begleitende Lehrer ist nett, die Erklärungen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs unzureichend, oft nur<br />

schwer zu verstehen. So wird beispielsweise die Thematik ‚Signalspeicherung’ 11 nur<br />

oberflächlich erklärt, weshalb das diesbezügliche Fachgespräch nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden<br />

überflüssig ist. Die Vorsteuerung 11 erklärt die Lehrkraft jedoch zu kompliziert. Um nicht<br />

unnötig Zeit zu verlieren, fragt der Schüler nicht mehr beim Lehrer nach. Dies würde er nur<br />

tun, wenn die Vorsteuerung auf dem Wissenskontrollblatt verlangt wäre. Der Lernprozess<br />

wird zudem dadurch erschwert, dass der Pädagoge zu sehr auf Selbststeuerung besteht. Der<br />

Proband würde den früheren Lehrer bevorzugen, der zwar nicht so nett war, aber besser<br />

erklären konnte. Er würde so e<strong>in</strong>en größeren Lernerfolg sehen.<br />

Die Tatsache, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht, stellt der<br />

Proband <strong>in</strong> Frage. Er erkennt den S<strong>in</strong>n des Aufgabengebiets der Lehrkraft nicht, wenn diese<br />

E<strong>in</strong>zelheiten nicht <strong>in</strong> der Gruppe erläutert. Die Frontalphase 7 ist genau das, was der Proband<br />

schätzt. Erläuterungen dieser Art erwartet der Schüler z. B. bei der E<strong>in</strong>führung neuer Bauteile.<br />

Die Schüler sollten nicht nur das Verkabeln lernen, der Lehrer sollte auch das Innenleben und<br />

die Funktionsweise von Bauteilen genau erläutern. Ob die Erläuterung frontal oder <strong>in</strong> der<br />

Gruppe erfolgt ist unerheblich. Wichtig für den Probanden ist, dass alle Schüler die Sachverhalte<br />

verstehen.<br />

Für den Schüler ist es anfänglich schwierig, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong><br />

die Thematik zu f<strong>in</strong>den. Nachdem aber der Arbeitsstand auf Verlangen des Pädagogen<br />

regelmäßig notiert wird, gibt es kaum noch Probleme 31 .<br />

Die Aufgaben der Leittexte s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Lernenden teilweise zu kompliziert, auch<br />

für Schüler des dritten Lehrjahres.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 sollten vor der eigentlichen Bearbeitung kurz mit der Lehrkraft<br />

durchgesprochen werden. Die Aufgaben wären e<strong>in</strong>facher zu bewältigen und man könnte so<br />

wieder auf bereits erworbenes Wissen aufmerksam gemacht werden.<br />

Das Wissenskontrollblatt ist nach Me<strong>in</strong>ung des Auszubildenden gut, der Lehrer könnte dies<br />

aber vor dem Test zusammen mit den Schülern durchgehen und zusätzliche H<strong>in</strong>weise geben.<br />

Der Schüler verweist dabei auf andere Lehrer, die dies so handhaben.


8 Darstellung der Ergebnisse 231<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Proband stellt fest, dass etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen an den Lehrer nicht immer beantwortet,<br />

die Schüler vielmehr auf das Informationsmaterial 6 verwiesen werden. Dies ist für den<br />

Schüler <strong>in</strong> Ordnung, weil er der Me<strong>in</strong>ung ist, Probleme im dritten Lehrjahr durchaus selbst<br />

regeln zu können. Allerd<strong>in</strong>gs wäre es se<strong>in</strong>es Erachtens <strong>in</strong>sbesondere bei sehr schwierigen<br />

Sachverhalten, z. B. bei der Selbsthalteschaltung 25 , besser, die Unterstützung der Lehrkraft zu<br />

haben. Die anderen Schüler der Gruppe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Falle nicht <strong>in</strong> der Lage, den entsprechenden<br />

Abschlusstest zu bearbeiten. Der Proband selbst kann sich nicht erklären, wieso er<br />

die Aufgaben lösen konnte. Der Schüler sieht die grundlegende Problematik <strong>in</strong> der Arbeitsteilung<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe. Beispielsweise baut nur e<strong>in</strong> Schüler die Selbsthalteschaltung<br />

auf 10 , während sich die anderen mit weiteren Aufgaben befassen. Der Lehrer sollte nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Schülers darauf bestehen, alle Teilaufgaben von jedem Lernenden lösen zu<br />

lassen.<br />

Das Literaturangebot zu erweitern und die Lehrerunterstützung dafür zu reduzieren, wäre für<br />

den Proband durchaus akzeptabel. Auf die Lehrkraft ganz zu verzichten ist jedoch nicht<br />

möglich, weil diese mehr Wissen hat, als aus Büchern zu erhalten ist. Der Schüler ist der<br />

Me<strong>in</strong>ung, dass lediglich theoretische Sachverhalte aus dem Informationsmaterial 6 zu<br />

erarbeiten ist, für die Praxis ist e<strong>in</strong>e Lehrkraft nötig.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler ist überzeugt, dass die Gruppenzusammensetzung den Lernerfolg mit bee<strong>in</strong>flusst;<br />

er bevorzugt daher e<strong>in</strong>e möglichst gleichbleibende Struktur.<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Proband nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklären die Gruppenpartner. Deshalb ist Gruppenarbeit auch<br />

zu bevorzugen, weil jeder se<strong>in</strong> Wissen e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und die Gruppe so mehr erreichen kann.<br />

Gruppenübergreifend wird kaum kommuniziert, da zu anderen Schülern eher e<strong>in</strong> schlechtes<br />

Verhältnis besteht. Hilft der Proband tatsächlich anderen Schülern, so ist dies für ihn eher<br />

nachteilig, weil die Lehrerrolle nicht zu se<strong>in</strong>en Stärken gerechnet werden kann.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der komb<strong>in</strong>ierten Theorie- und Praxistest ist für den Schüler generell <strong>in</strong> Ordnung. Er hat aber<br />

Bedenken bei jenen Schülern, die <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> zum ersten Mal erleben<br />

und den Pneumatik-Teil nachholen müssen.<br />

Durch den Zwang, Abschlusstest 8 trotz Ende der Lernstrecke noch schreiben zu müssen 34 ,<br />

verschlechtert sich die Gesamtnote (schlechtes Testergebnis) zu sehr. Lieber würde der<br />

Schüler e<strong>in</strong>e schlechtere Note für die Bearbeitung der Lerne<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> Kauf nehmen und auf<br />

den Test verzichten.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Durch den fehlenden Praxisbezug ist e<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Raum nach Ansicht des<br />

Schülers s<strong>in</strong>nlos 30 . Der Proband bestätigt, sich den Sachverhalt besser vorstellen und merken<br />

zu können, wenn er die Theorie <strong>in</strong> die Praxis umsetzen kann 35 . Daher schlägt er vor, die<br />

Erarbeitung von Inhalten so zu gestalten, dass Theorie und Praxis gleichzeitig erlernt werden.<br />

Erarbeitet man se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach die Theorie vor der Praxis, können sich Fehler e<strong>in</strong>schleichen,<br />

die eben andernfalls vermeidbar wären.


232 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.19 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3B/II<br />

8.2.19.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: 1<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 2 AT 7: 2<br />

LE 8: 2 AT 8: 2<br />

LE 9: 1 AT 9: 2<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 2,25<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,00 → 2<br />

8.2.19.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler glaubt, Elektropneumatik für se<strong>in</strong>en Beruf nicht zu benötigen, für ihn steht der<br />

Zwang der Abschlussprüfung im Vordergrund. Der <strong>Unterricht</strong> gefällt ihm trotzdem, da er das<br />

Gefühl hat, die Lern<strong>in</strong>halte zu verstehen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Proband sieht die Möglichkeit, alle<strong>in</strong>e arbeiten und den Lehrer bei Problemen <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen zu können äußerst positiv. Grundsätzlich verlangt er daher ke<strong>in</strong>e verstärkte


8 Darstellung der Ergebnisse 233<br />

Lehrerunterstützung. E<strong>in</strong> Fachgespräch zur Signalspeicherung 11 stellt sich für den Schüler<br />

daher als re<strong>in</strong>e Wiederholung dar.<br />

Im Rahmen der Arbeitsteilung schreibt der Schüler Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder<br />

Durchdenken auch ab, ohne die Sachverhalte später noch e<strong>in</strong>mal durchzuarbeiten. Das<br />

Abschreiben selbst ist nach Ansicht des Schülers ausreichend, um die Thematik auch zu<br />

verstehen. In den entsprechenden Tests entstehen dadurch ke<strong>in</strong>e Nachteile, zumal etwaige<br />

Lücken auch durch das Tabellenbuch behoben werden können.<br />

Mit den Leittexten und Aufgabenblättern kommt der Proband e<strong>in</strong>igermaßen zurecht. Auch das<br />

Wissenskontrollblatt hält er für s<strong>in</strong>nvoll, weil es der Prüfungsvorbereitung dient. In diesem<br />

Zusammenhang spricht sich der Schüler erneut für Selbststeuerung aus und erwartet bei der<br />

Durcharbeit des Wissenskontrollblattes ke<strong>in</strong>e Lehrerunterstützung. Ausreichend ist es, den<br />

Pädagogen bei etwaigen Fragen zu Rate zu ziehen.<br />

Nach Ansicht des Schülers ist brauchbares Informationsmaterial 6 wesentlich, um e<strong>in</strong>en<br />

Lernerfolg <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> zu gewährleisten.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Die Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht, ist für<br />

den Schüler <strong>in</strong> Ordnung. Wesentlich ist, den Pädagogen bei Bedarf befragen zu können.<br />

In dieser Art von <strong>Unterricht</strong> sollte der Lehrer die Mitte zwischen Strenge und Entspanntheit<br />

f<strong>in</strong>den. Der Lehrer hier erfüllt diese Voraussetzung nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden. Er ist<br />

weder h<strong>in</strong>derlich, noch stört er. Er hilft dann, wenn Bedarf vorhanden ist, ansonsten lässt er<br />

die Schüler <strong>in</strong> Ruhe arbeiten. Vorteilhaft dabei ist, dass man als Schüler nicht ständig<br />

beobachtet wird.<br />

Es ist für den Probanden durchaus schwierig, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder<br />

<strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den, allerd<strong>in</strong>gs bietet die Protokollführung 31 Abhilfe.<br />

Ob die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 anfänglich zusammen mit der Lehrkraft durchgegangen<br />

werden sollen oder nicht, wird von dem Auszubildenden nicht näher festgelegt. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

fände er es vorteilhaft, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen Themas die Problemstellung geme<strong>in</strong>sam mit<br />

dem Lehrer festzulegen; dies wurde nach Aussage des Schülers bei e<strong>in</strong>em Lehrer der letzten<br />

Jahrgangsstufe <strong>in</strong> Pneumatik so gehandhabt.<br />

Die Frontalphase 7 ist für den Lernenden vor allem bei der Verkabelung äußerst wichtig, weil<br />

er erst danach die Thematik verstanden hat. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d diese Erläuterungen nur dann<br />

s<strong>in</strong>nvoll, wenn alle Schüler e<strong>in</strong>en gleichen Arbeitsstand aufweisen können. Im Falle dieser<br />

<strong>Unterricht</strong>ssituation ist es nach Ansicht des Probanden erforderlich, den e<strong>in</strong>zelnen Gruppen<br />

e<strong>in</strong> unterschiedliches Maß an Instruktion zukommen zu lassen.<br />

Generell ist das Maß an Lehrerunterstützung genau richtig. Beispielsweise könnte man sich<br />

nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers die Handhilfsbetätigung 29 nicht alle<strong>in</strong>e erarbeiten, weil der<br />

Aufbau des Magnetimpulsventils zu komplex ist. Auch stellt sich das Fachgespräch über<br />

Näherungsschalter 21 als äußerst hilfreich dar. Der Schüler hätte sich die Inhalte se<strong>in</strong>es<br />

Erachtens zwar auch selbst, mit deutlichem Mehraufwand, aus Büchern erarbeiten können,<br />

die guten Beispiele und Verweise des Lehrers auf andere Anwendungsbereiche s<strong>in</strong>d so aber <strong>in</strong><br />

der vorgegebenen Literatur nicht zu f<strong>in</strong>den.


234 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Die BIBB-Hefte s<strong>in</strong>d laut Aussage des Probanden nicht zu gebrauchen. Das FESTO-Buch ist<br />

übersichtlicher, aber trotzdem nicht ausreichend, um sich alle notwendigen Informationen<br />

erarbeiten zu können.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d nicht erwünscht.<br />

Der Lehrer wird nach Ansicht des Schülers immer benötigt, weil nicht alles aus Büchern zu<br />

erarbeiten ist. Beispielsweise kann man sich theoretische Sachverhalte durchaus alle<strong>in</strong>e<br />

aneignen, für die Praxis benötigt man aber die Lehrkraft. Die Praxis, z. B. der Aufbau von<br />

Schaltungen, ist nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden nicht aus Büchern zu erlernen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Für den Schüler besteht zwischen Selbsterarbeiten und Erarbeiten mit dem Lehrer ke<strong>in</strong><br />

Unterschied bzgl. der Lernwirksamkeit. Vielmehr ergänzen sich se<strong>in</strong>es Erachtens beide<br />

Formen. Letztendlich ist se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach der Erfolg doch von e<strong>in</strong>em Lernenden selbst<br />

abhängig.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Bei LE 8 gibt es anfänglich Schwierigkeiten, weil die Gruppe die Aufgabenstellung nicht<br />

richtig liest 36 . Die Schüler halten sich nicht an die Anweisungen. Der Proband sieht die<br />

Ursache dafür <strong>in</strong> der Dreiergruppe begründet. Er erläutert, dass jeder übereilt und nach e<strong>in</strong>em<br />

eigenen Pr<strong>in</strong>zip arbeitet. Außerdem gibt der Proband zu, lange Texte ungern zu lesen. Den<br />

Lehrer trifft dabei ke<strong>in</strong>e Schuld.<br />

Der Schüler spricht sich für die Biegevorrichtung 8 aus und hält diese für äußerst anschaulich.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Die Gruppenarbeit kommt dem Lernenden entgegen. Er teilt die Arbeit gerne auf, weil er es<br />

nicht leiden kann, wenn man ihm über die Schulter sieht. Der Schüler stellt fest, dass die<br />

Arbeit zu zweit mehr E<strong>in</strong>satz fordert, die Effizienz aber gesteigert wird. Wichtig bei<br />

Gruppenarbeit ist für den Schüler e<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe ähnliches Leistungsniveau.<br />

Die Art der Kommunikation, wie sie e<strong>in</strong> handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> mit sich br<strong>in</strong>gt, ist<br />

für den Probanden e<strong>in</strong> positiver Faktor. Bei Problemen kann sich der Proband nämlich auf die<br />

Hilfe des Lehrers und der Mitschüler verlassen.<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Schüler nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklärt ggf. e<strong>in</strong>er der Gruppenpartner. Insbesondere weil der<br />

Proband am ersten Tag fehlt, bekommt er während der darauf folgenden Woche Unterstützung<br />

von e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Gruppenpartner. Dieser führt ihn gründlich <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong>. Für<br />

den Probanden spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob der Sachverhalt von se<strong>in</strong>em Mitschülern oder dem<br />

Lehrer vermittelt wird.<br />

Der Proband hilft auch gerne anderen Schülern, <strong>in</strong>sbesondere jenen, die den vorbereitenden<br />

Pneumatikunterricht nicht durchlaufen hatten. Wichtig für den Lernenden ist dabei die<br />

Kameradschaftlichkeit.


8 Darstellung der Ergebnisse 235<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der Schüler bevorzugt komb<strong>in</strong>ierte Tests mit Theorie- und Praxisteil, weil damit das<br />

praktische Können zusätzlich zum theoretischen Wissen überprüft wird und man feststellen<br />

kann, ob man es tatsächlich verstanden hat oder eigentlich nach ‚Versuch und Irrtum’ arbeitet.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

E<strong>in</strong> re<strong>in</strong> theoretischer <strong>Unterricht</strong> ist für den Schüler im Falle dieses <strong>Unterricht</strong>s unzumutbar 30 .<br />

Die Überprüfung der zuvor erarbeiteten Theorie der Selbsthalteschaltung 10 durch die Praxis<br />

hat für den Schüler nicht unbed<strong>in</strong>gt größere Lernwirkung, es ist aber zum Vermeiden und<br />

schnellen Erkennen von Fehlern nützlich. Das Zeichnen der Schaltung dient als Hilfestellung,<br />

um die aufgebaute Schaltung zu überprüfen.<br />

8.2.20 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 3C/II<br />

8.2.20.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 3, 3 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>, Pneumatik, 11. Jgst.<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 2<br />

LE 7: 2 AT 7: 1<br />

LE 8: 2 AT 8: 3<br />

LE 9: 1 AT 9: 1<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,75 AT gesamt: 1,75<br />

Lernfortschritt: 2<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 1,88 → 2


236 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

8.2.20.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler schätzt se<strong>in</strong> Leistungsniveau aufgrund der Bearbeitung der Lerne<strong>in</strong>heit 6<br />

mittelmäßig e<strong>in</strong>, will aber zu diesem Zeitpunkt mit der Beurteilung se<strong>in</strong>es Lernerfolgs bis zur<br />

Jahresendnote warten.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler spricht sich für die Selbststeuerung aus, möchte aber bei Bedarf vom Lehrer Hilfe<br />

e<strong>in</strong>fordern können. Beantwortet der Lehrer etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen nicht, sondern verweist<br />

auf das Informationsmaterial 6 , lernt der Proband se<strong>in</strong>es Erachtens mehr, weil er sich noch<br />

e<strong>in</strong>mal vertieft mit der Thematik beschäftigen muss.<br />

Der Lernende schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab, versucht<br />

aber später, die Inhalte zu verstehen. Er gibt an, bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 e<strong>in</strong>ige Antworten zu<br />

übernehmen, ohne den Sachverhalt zu verstehen. E<strong>in</strong> nachträgliches Durchdenken hilft <strong>in</strong><br />

diesem Falle auch nicht weiter. Das Abschreiben hat Lücken bei Abschlusstest 8 zur Folge.<br />

Der Schüler sieht bed<strong>in</strong>gt durch die Selbsterarbeitung den größeren Lernerfolg im Gegensatz<br />

zu e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong>.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler gut zurecht. Er hat ke<strong>in</strong>e Probleme und möchte die<br />

Texte so beibehalten. Er erwähnt, dass oftmals die Mitschüler se<strong>in</strong>er Gruppe das Lesen der<br />

Leittexte übernehmen, er selbst die Texte jedoch nur überfliegt.<br />

Obwohl der Schüler den Vorteil des Wissenskontrollblattes erkennt, nutzt er es nicht, da er<br />

dazu ke<strong>in</strong>e Lust hat. Trotzdem ist es für ihn angenehm, <strong>in</strong> etwa das Niveau e<strong>in</strong>es Tests vorab<br />

mitgeteilt zu bekommen. Zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt erwähnt der Schüler, Wissenskontrollblätter<br />

nur bei schwierigen Sachverhalten <strong>in</strong> den Lernprozess e<strong>in</strong>zubeziehen. Es ist nach<br />

Ansicht des Probanden unnötig, die Kontrollblätter zusammen mit der Lehrkraft zu besprechen.<br />

Ausreichend ist es, bei Bedarf Fragen stellen zu können. Generell erkundigt sich der<br />

Schüler aber zuerst bei se<strong>in</strong>em Gruppenpartner, wenn tatsächlich Probleme auftreten sollten.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Da der Proband früher die Sprachheilschule besuchte, <strong>in</strong> der<br />

auch nur wenige Lernende e<strong>in</strong>er Klasse zugewiesen wurden, kommt ihm der jetzige<br />

<strong>Unterricht</strong> entgegen. Hier ist der persönliche Kontakt zum Lehrer möglich, um <strong>in</strong>dividuelle<br />

Probleme zu klären. Im traditionellen <strong>Unterricht</strong> kann sich der Lehrer se<strong>in</strong>es Erachtens nur an<br />

die Allgeme<strong>in</strong>heit richten. Allerd<strong>in</strong>gs besteht des Öfteren das Problem, dass der Lehrer dann<br />

ke<strong>in</strong>e Zeit hat, wenn Bedarf zur Kommunikation besteht. In diesem Fall, so berichtet der<br />

Proband, stellt die Gruppe das Arbeiten e<strong>in</strong> und wartet, bis der Lehrer Zeit f<strong>in</strong>det.<br />

Der Auszubildende ist sich sicher, bei dem den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Lehrer sehr viel zu<br />

lernen. Er hilft se<strong>in</strong>er Ansicht nach, wenn man nicht mehr weiterkommt, er versucht aber<br />

auch, Lernvorgänge anzuregen und gibt den Stoff nicht e<strong>in</strong>fach vor. Trotzdem berichtet der<br />

Schüler von ärgerlichen Kle<strong>in</strong>igkeiten, die er allerd<strong>in</strong>gs nicht näher präzisieren kann.


8 Darstellung der Ergebnisse 237<br />

In der Literatur 6 f<strong>in</strong>det der Schüler trotz oft langer Suche meist nicht das Gewünschte. Er gibt<br />

an ke<strong>in</strong>e weitere Literatur zu benötigen, e<strong>in</strong> ausführliches Inhaltsverzeichnis <strong>in</strong> den BIBB-<br />

Heften wäre aber vorteilhaft. Zudem s<strong>in</strong>d viele Sachverhalte nicht h<strong>in</strong>reichend erklärt. Es ist<br />

auch nicht klar, wo genau die e<strong>in</strong>zelnen Kapitel beg<strong>in</strong>nen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Es ist nach Aussage des Schülers nicht schwer, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages<br />

wieder den aktuellen Arbeitsstand zu f<strong>in</strong>den, allerd<strong>in</strong>gs bereitet es Probleme, die Thematik<br />

erneut aufzunehmen.<br />

Frontalphasen 7 hält der Proband nur dann für s<strong>in</strong>nvoll, wenn sich alle Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

gleichem Bearbeitungsstatus bef<strong>in</strong>den. Ist das nicht der Fall, s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>es Erachtens e<strong>in</strong>ige<br />

Schüler überfordert, während sich andere langweilen. Auch bei anderen Themen spricht sich<br />

der Schüler nicht für e<strong>in</strong>e Frontalphase aus, weil man dann wieder Elemente des traditionellen<br />

<strong>Unterricht</strong>s e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen würde. Der Proband verfolgt die Frontalphase nicht, sondern führt<br />

se<strong>in</strong>e Arbeit fort, weil er beim Verkabeln ke<strong>in</strong>erlei Probleme hat.<br />

E<strong>in</strong> ausgewogenes Verhältnis zwischen Selbsterarbeitung und Kommunikation mit der<br />

Lehrkraft stellt für den Schüler e<strong>in</strong>e effiziente Lernumgebung dar. Er schließt sich zudem der<br />

Me<strong>in</strong>ung se<strong>in</strong>es Gruppenpartners an, für den es ke<strong>in</strong>en Unterschied macht, ob er sich den<br />

Stoff selbst erarbeitet, oder durch den Lehrer vermittelt bekommt.<br />

Die Möglichkeit, die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 vorab mit der Lehrkraft zu besprechen, wäre<br />

durchaus überlegenswert. Letztendlich ist es aber nach Ansicht des Schülers nicht notwendig,<br />

weil der Schüler die Anforderungen selbst bewältigen kann.<br />

Mit e<strong>in</strong>em vernünftigen Stichwortverzeichnis der BIBB-Hefte oder auch anderer Literatur<br />

könnte man nach Ansicht des Schülers den Lehrerkontakt reduzieren. Allerd<strong>in</strong>gs kann man<br />

nicht ganz auf ihn verzichten, weil Bücher die Sachverhalte häufig zu abstrakt darstellen. Oft<br />

ist es wichtig, den Sachverhalt im Dialog mit dem Lehrer zu erarbeiten.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Anfängliche Probleme bei LE 8 liegen daran – die Gruppe zeichnet nicht nur den geforderten<br />

Pneumatikplan, sondern auch den Stromlaufplan – dass die Gruppe nicht schrittweise<br />

vorgehen will, sondern bereits weiter vorgreift. Dies liegt nach Ansicht des Probanden an der<br />

komplexen Struktur der Biegevorrichtung 8 , die man sofort durchschauen will und am<br />

oberflächlichen Lesen der Leittexte.<br />

Der Schüler spricht sich äußerst positiv für die Biegevorrichtung aus, da er sich zum e<strong>in</strong>en<br />

ke<strong>in</strong>e eigenen Schaltungsentwürfe ausdenken muss und ihm zum anderen das Lernen mit<br />

realen Objekten leichter fällt.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler arbeitet lieber zu zweit, weil er sich <strong>in</strong>sbesondere mit dem dritten Gruppenpartner<br />

(Schüler 3A/II) nicht sehr gut versteht. Trotzdem die Arbeit zu zweit mit mehr Aufwand<br />

verbunden ist, zeigt sich nach Aussage des Probanden e<strong>in</strong>e deutliche Leistungssteigerung, die<br />

Arbeiten werden sehr schnell und effizient erledigt. Se<strong>in</strong>es Erachtens s<strong>in</strong>kt die Motivation bei<br />

drei Personen schneller ab, die Gruppenarbeit zu dritt geht nur sehr mühsam voran.


238 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Schüler nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklärt der Gruppenpartner (Schüler 3B/II). Dieser hilft stets<br />

bei Problemen, im Pr<strong>in</strong>zip ergänzen sich die Schüler nach Aussage des Probanden ideal. Der<br />

Lernende bevorzugt die Erläuterung des Mitschülers gegenüber der des Lehrers, weil das<br />

Gespräch zwischen den Schülern auf gleicher Ebene stattf<strong>in</strong>det. Der Mitschüler weiß se<strong>in</strong>er<br />

Ansicht nach am besten, wie man Sachverhalte am leichtesten verstehen kann.<br />

Der Proband gibt anderen Schülern vor allem zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Unterricht</strong>sstrecke vermehrt<br />

Hilfestellung. Dies legt sich aber, weil er den Nutzen se<strong>in</strong>er Tätigkeit <strong>in</strong> Frage stellt. Er hat<br />

ke<strong>in</strong> Interesse mehr daran, anderen zu helfen und beschränkt sich darauf, Tipps zu geben. E<strong>in</strong><br />

Lerneffekt stellt sich beim Erklären nicht e<strong>in</strong>, der Schüler glaubt aber, die Thematik dadurch<br />

zu vertiefen.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der <strong>Unterricht</strong> im CNC-Raum 30 ist für den Schüler äußerst langweilig, weil hier ke<strong>in</strong>e Praxis<br />

vermittelt werden kann. Gerade die Komb<strong>in</strong>ation von Theorie und Praxis ist für den Schüler<br />

wichtig, weil ihm praktische Arbeiten leichter fallen und se<strong>in</strong>e vorwiegend angewandte<br />

Methode ‚Versuch und Irrtum’ dabei gut e<strong>in</strong>gesetzt werden kann. Die theoretische Erarbeitung<br />

von Lösungen und das Aufzeichnen der Schaltung sieht der Proband lediglich als<br />

Hilfestellung, um die aufgebaute Schaltung überprüfen zu können.<br />

8.2.21 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4A/II<br />

8.2.21.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 1<br />

Gruppe: 4, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 1<br />

LE 8: ke<strong>in</strong>e Bewertung AT 8: 5<br />

(Bearbeitung der LE (Lehrer besteht trotzdem auf<br />

nicht abgeschlossen) Bearbeitung des AT)


8 Darstellung der Ergebnisse 239<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,50 AT gesamt: 3,00<br />

Lernfortschritt: 3<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,38 → 2<br />

8.2.21.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Der Schüler spricht sich für diese Art des <strong>Unterricht</strong>s aus, bemerkt aber, dass es – <strong>in</strong>sbesondere<br />

bei diesem Lerntempo – nicht e<strong>in</strong>fach ist, e<strong>in</strong>en versäumten <strong>Unterricht</strong> nachzuholen. Trotz<br />

allem kommt er mit den Gegebenheiten gut zurecht und schätzt se<strong>in</strong>en Lernerfolg <strong>in</strong>sbesondere<br />

im H<strong>in</strong>blick auf das <strong>Unterricht</strong>skonzept als gut e<strong>in</strong>. Der Proband weist darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

Lernen <strong>in</strong> dieser Art Spaß macht.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler arbeitet pr<strong>in</strong>zipiell mit se<strong>in</strong>er Gruppe alle<strong>in</strong>e und spricht bei Problemen andere<br />

Mitschüler an. Erst dann holt er ggf. Hilfe beim Lehrer. Positiv ist für ihn das sporadische<br />

E<strong>in</strong>greifen des Lehrers, der die Gruppe immer wieder anspricht. Grundsätzlich kommt der<br />

Schüler mit dem Maß an Lehrerunterstützung gut zurecht. So f<strong>in</strong>det er auch nach mehreren<br />

Tage problemlos wieder <strong>in</strong> die Thematik.<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab. Dadurch<br />

entstehen für ihn <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den Tests ke<strong>in</strong>e Nachteile, weil es sich bei dem Abgeschriebenen<br />

nur um Bruchteile handelt. Außerdem nimmt man den Stoff se<strong>in</strong>es Erachtens auch<br />

durch Abschreiben auf.<br />

Die Leittexte s<strong>in</strong>d für den Lernenden <strong>in</strong> Ordnung. E<strong>in</strong>e konkrete Bewertung möchte der<br />

Schüler aber noch nicht abgeben, weil er zu diesem Zeitpunkt noch nicht lange genug mit<br />

dieser Art von <strong>Unterricht</strong> vertraut ist.<br />

Der Schüler nutzt das Wissenskontrollblatt als Prüfungsvorbereitung, weil damit bereits e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche E<strong>in</strong>grenzung des Prüfungsstoffes erfolgt. Trotzdem ist der Proband der Me<strong>in</strong>ung,<br />

dass auch die Wiederholung des gesamten Stoffs vorteilhaft wäre.<br />

E<strong>in</strong> zweckmäßiges Informationsmaterial 6 ist für den Schüler wichtig, um den Anforderungen<br />

gerecht werden zu können. Er ist im Wesentlichen mit dem zur Verfügung stehenden Material<br />

zufrieden, obgleich die BIBB-Hefte wenig übersichtlich s<strong>in</strong>d.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Der Lehrer ist damit se<strong>in</strong>er Ansicht nach nicht auf den<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schüler fixiert, so dass sich die Schüler auch untere<strong>in</strong>ander unterhalten können.


240 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Dies fördert die Motivation, eben weil sich die Gruppenmitglieder selbst gegenseitig<br />

unterstützen.<br />

Der Proband schätzt den den <strong>Unterricht</strong> begleitenden Pädagogen sehr, weil dieser gut erklärt<br />

und die Lernumgebung so gestaltet, dass das Lernen leicht fällt.<br />

Die Frontalphase 7 ist für den Schüler <strong>in</strong> Ordnung, aber zu dürftig. Der Schüler vermisst die<br />

praktische Umsetzung durch die Lehrkraft. Bei der Thematik ‚Selbsthalteschaltung’ 25 wäre<br />

e<strong>in</strong>e derartige Erläuterung nach Ansicht des Schülers ebenfalls wünschenswert, weil der<br />

Proband se<strong>in</strong>es Erachtens <strong>in</strong>sbesondere aufgrund des Methodenwechsels den Ausführungen<br />

der Lehrkraft aufmerksamer folgt. Gerade bei schwierigen Themengebieten würde der<br />

Proband ‚Tafelunterricht’ bevorzugen, da mit Hilfe e<strong>in</strong>es Tafelbildes Sachverhalte gut erklärt<br />

werden können. Generell zieht der Schüler die Frontalphase e<strong>in</strong>em Lehrer-Schüler-Gespräch<br />

<strong>in</strong> der Gruppe vor, da se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach <strong>in</strong> der Gruppe zu viel geredet wird. Wichtiger ist<br />

ihm jedoch, ungestört zuhören zu können.<br />

Das Fachgespräch mit der Lehrkraft zur Handhilfsbetätigung 29 ist für den Schüler zwar<br />

verständlich, aber zu kurz. In diesem Zusammenhang spricht der Proband den Zeitdruck an,<br />

den die Schüler bewältigen müssen. Er sieht ke<strong>in</strong>e Möglichkeit, alle Themen ausführlich<br />

genug zu bearbeiten, da die Schnelligkeit als Bewertungskriterium herangezogen wird.<br />

Zum Thema ‚Mechanischer Grenztaster’ 12 wünscht sich der Schüler mehr Informationen,<br />

damit er für den darauffolgenden Test besser vorbereitet ist.<br />

Der Schüler nutzt das Wissenskontrollblatt nicht, weil er nur aus den ursprünglichen<br />

Materialien lernen möchte. Teilweise s<strong>in</strong>d die Angaben auf dem Wissenskontrollblatt se<strong>in</strong>es<br />

Erachtens unverständlich, gelegentlich enthält das Blatt Sachverhalte, die im Leittext nicht<br />

angesprochen werden. Besser wäre es se<strong>in</strong>es Erachtens, vom Pädagogen mündlich darauf<br />

h<strong>in</strong>gewiesen zu werden, was im Test gefordert wird. Sollte man die Wissenskontrollblätter<br />

beibehalten, wäre es s<strong>in</strong>nvoller, diese mit der Lehrkraft durchzugehen.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerunterstützung ist von Seiten<br />

des Probanden auf ke<strong>in</strong>en Fall erwünscht. Der Lehrer steht se<strong>in</strong>es Erachtens sowieso zu wenig<br />

zur Verfügung, aber bei fünf Gruppen ist dies wohl nicht anders möglich.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Der Schüler spricht die Widersprüchlichkeit des <strong>Unterricht</strong>skonzepts an. Er empf<strong>in</strong>det es als<br />

störend, im Gruppenverband zu arbeiten, die Tests dann aber wieder alle<strong>in</strong> lösen zu müssen.<br />

Selbsterarbeiten – komb<strong>in</strong>iert mit dem Fachgespräch – stellt für den Schüler die optimale<br />

Lösung für den Lernprozess dar, weil er im Gespräch den Sachverhalt besser versteht,<br />

allerd<strong>in</strong>gs leicht wieder vergisst. Daher dient das Arbeitsblatt als zusätzliche Sicherung des<br />

Stoffs. ‚Tafelunterricht’ ist se<strong>in</strong>es Erachtens außerdem e<strong>in</strong>zusetzen, um Sachverhalte zu<br />

verdeutlichen. Anschließend könnten die Schüler dann die praktischen Arbeiten erledigen.<br />

Die Redundanz ist für den Schüler das Entscheidende, um e<strong>in</strong>en Lernprozess optimal zu<br />

gestalten. Nach der Selbsterarbeitung muss nach Ansicht des Schülers immer die Lehrerbestätigung<br />

stehen.<br />

Ob Lern<strong>in</strong>halte selbst- oder fremdgesteuert erarbeitet werden, ist für den Schüler <strong>in</strong>halts- und<br />

themenabhängig; er kann sich nicht vorstellen, gänzlich fremde Lern<strong>in</strong>halte ausschließlich<br />

selbst zu erarbeiten.


8 Darstellung der Ergebnisse 241<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 bedürfen ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die<br />

Lehrkraft. Sollte man aber an e<strong>in</strong>e Änderung denken, wäre e<strong>in</strong>e Besprechung mit der ganzen<br />

Klasse s<strong>in</strong>nvoll. Wie der Schüler mit den Aufgabenblättern und den Leittexten zurechtkommt,<br />

ist abhängig vom Schwierigkeitsgrad der Thematik. Mit dem Aufbau der Leittexte und der<br />

Art der Fragestellung kommt der Proband aber gut zurecht.<br />

Der Schüler gibt an, die zur Verfügung stehende Literatur 6 zu nutzen. Besser wäre es se<strong>in</strong>es<br />

Erachtens allerd<strong>in</strong>gs, die entsprechenden Passagen kopiert <strong>in</strong> die Leittexte e<strong>in</strong>zuarbeiten oder<br />

genaue Seitenzahlen anzugeben.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Neue Lern<strong>in</strong>halte br<strong>in</strong>gen nach Ansicht des Probanden anfangs immer Probleme mit sich, mit<br />

der Zeit würde man sich aber e<strong>in</strong>arbeiten können, auch wenn die Thematik ‚Steuerungstechnik’<br />

relativ schwer ist.<br />

Der Schüler ist verärgert darüber, dass bei e<strong>in</strong>er schweren Lerne<strong>in</strong>heit, wie z. B. Lerne<strong>in</strong>heit 8<br />

so sehr unter Zeitdruck gearbeitet werden muss.<br />

Der Schüler beurteilt die Biegevorrichtung 8 als sehr <strong>in</strong>teressant, da durch den realen Aufbau<br />

die Funktion e<strong>in</strong>zelner Bauteile verdeutlicht wird.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Von Vorteil ist es nach Ansicht des Schülers, <strong>in</strong> der Gruppe zu arbeiten, sich gegenseitig zu<br />

helfen und erst dann den Lehrer um Rat zu fragen.<br />

Obwohl sich der Schüler für diese Art von <strong>Unterricht</strong> und auch für die Lehrkraft sehr positiv<br />

ausspricht, sieht er Probleme für den weiteren Lernprozess: der Lernfortschritt ist nach dem<br />

Standpunkt des Probanden vom Gruppenpartner abhängig 37 . Das Fehlen se<strong>in</strong>es Partners<br />

verunsichert ihn. Er kann nicht wie geplant weiterarbeiten und weiß nicht, ob er e<strong>in</strong>en<br />

anstehenden Test schreiben soll. E<strong>in</strong>e traditionelle Schulaufgabe würde auf e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Tag festgelegt, wobei er dann nicht abhängig von anderen Schülern wäre.<br />

Der Schüler befürwortet deutlich die Arbeitsteilung <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe, aufgrund<br />

Zeitersparnis. Er sieht <strong>in</strong> der Arbeitsteilung allerd<strong>in</strong>gs das Problem, oft nicht zu wissen, was<br />

der andere gerade macht. In der Regel kann er etwaige Lücken aber mit Hilfe von Tabellenbüchern<br />

beheben.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Abschlusstest 6 ist für den Schüler schwierig, da es ihm se<strong>in</strong>es Erachtens an Überblick<br />

mangelt. Pr<strong>in</strong>zipiell spricht sich der Proband für den komb<strong>in</strong>ierten Test aus (Theorie- und<br />

Praxisanteil), würde sich die Bewertung jedoch milder vorstellen, wenn man berücksichtig,<br />

dass er e<strong>in</strong>en Test <strong>in</strong> dieser Form (Abschlusstest 8) zum ersten Mal schreibt. Der Schüler<br />

beschwert sich, weil der Lehrer am Ende der gesamten <strong>Unterricht</strong>sstrecke auf Abschlusstest 8<br />

besteht, trotzdem die Gruppe die Lerne<strong>in</strong>heit noch nicht zur Gänze abgeschlossen hat. Liefe<br />

der <strong>Unterricht</strong> weiter, würde die Note nach Ansicht des Schülers sehr negativ zu Buche<br />

schlagen.


242 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der wesentliche Kern dieses <strong>Unterricht</strong>s ist die Tatsache, dass theoretisch Erarbeitetes<br />

zusätzlich durch die Praxis erfasst werden kann.<br />

Im CNC-Raum 30 treten nach Aussage des Schülers e<strong>in</strong>ige Probleme auf. Das dort erledigte<br />

Arbeitspensum ist se<strong>in</strong>es Erachtens ger<strong>in</strong>ger, es gibt wegen fehlender oder zu wenigen<br />

Geräten Wartezeiten. Wenn man warten muss, bis die wenigen Bauteile nicht mehr von<br />

anderen besetzt s<strong>in</strong>d, ist es nach Ansicht des Probanden s<strong>in</strong>nvoller, alles mit der gesamten<br />

Klasse geme<strong>in</strong>sam zu erarbeiten. E<strong>in</strong> wesentlicher Nachteil ist die fehlende Möglichkeit,<br />

theoretisch Zusammenhänge nicht praktisch überprüfen zu können.<br />

Die Umsetzung der Theorie der Selbsthalteschaltung 10 <strong>in</strong> die Praxis ist für den Schüler<br />

hilfreich, weil man sich Sachverhalte so besser e<strong>in</strong>prägen kann. Unabd<strong>in</strong>gbar ist se<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach aber die zuvor erarbeitete Theorie. Der Lernende erwähnt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

die Führersche<strong>in</strong>prüfung. Auch hier wäre es nicht denkbar, ohne theoretische<br />

Kenntnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Auto zu steigen.<br />

8.2.22 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 4B/II<br />

8.2.22.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 4, 2 Schüler<br />

Fehltage: 4<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: -- AT 7: --<br />

LE 8: -- AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 2,00 AT gesamt: 3,00


8 Darstellung der Ergebnisse 243<br />

Lernfortschritt: 5<br />

Arbeitsbeurteilung: 5<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 3,75 → 4<br />

8.2.22.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Problematisch an diesem <strong>Unterricht</strong> ist für den Probanden, dass sich etwaige Fehlzeiten sehr<br />

negativ auf den Lernprozess auswirken. Trotzdem schätzt er se<strong>in</strong>en Lernerfolg als gut e<strong>in</strong>.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab. Er glaubt<br />

dadurch Nachteile zu haben, kann dies aber an ke<strong>in</strong>em Beispiel konkretisieren.<br />

Generell fordert der Schüler ke<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung, weil dieser im Bedarfsfall<br />

stets präsent ist.<br />

Der Schüler erklärt, durch Selbststeuerung e<strong>in</strong>e erhöhte Lernwirksamkeit zu erzielen, weil das<br />

Lernen so leichter fällt. E<strong>in</strong> re<strong>in</strong> rezeptives Zuhören br<strong>in</strong>gt oft nicht den gewünschten Erfolg.<br />

In e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> lässt die Aufmerksamkeit nach Ansicht des Probanden sehr<br />

schnell nach, weil man nur mit Abschreiben beschäftigt ist.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler im Pr<strong>in</strong>zip gut zurecht, auch wenn die Aufgabenstellung<br />

se<strong>in</strong>es Erachtens h<strong>in</strong> und wieder missverständlich ist. Insbesondere das Wissenskontrollblatt<br />

ist sehr vorteilhaft, weil dadurch e<strong>in</strong>e optimale Testvorbereitung gegeben ist.<br />

Die BIBB-Hefte 6 s<strong>in</strong>d für den Schüler annehmbar.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht.<br />

Um <strong>in</strong> dieser Art von <strong>Unterricht</strong> möglichst viel zu lernen, muss der Lehrer nach Ansicht des<br />

Schülers bei etwaigen Fragen immer präsent se<strong>in</strong> und Anteil am Lernprozess der Schüler<br />

nehmen. Der den <strong>Unterricht</strong> begleitende Lehrer ist sehr gut und weder störend, noch<br />

h<strong>in</strong>derlich.<br />

E<strong>in</strong>e Frontalphase 7 ist nach Me<strong>in</strong>ung des Schülers nicht unbed<strong>in</strong>gt notwendig, Erläuterungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gruppe reichen aus. Allerd<strong>in</strong>gs ist es se<strong>in</strong>es Erachtens wichtig, gerade das<br />

Verkabeln ausführlich zu erklären.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 sollten mit der Lehrkraft vorab durchgegangen werden, gleiches<br />

gilt für das Wissenskontrollblatt.


244 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Es wäre durchaus möglich, das Literaturangebot zu erweitern und dafür die Lehrerhilfe zu<br />

reduzieren. Trotzdem ist es nach Ansicht des Schülers immer besser, den Lehrer persönlich<br />

fragen zu können.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

E<strong>in</strong>ige Sachverhalte, die der Proband nicht weiß und nicht durch den Lehrer oder die<br />

Unterlagen vermittelt werden, erklären jene Schüler, die bereits im Jahr zuvor Steuerungstechnik<br />

durchlaufen hatten. Für den Schüler ist es <strong>in</strong> Ordnung, diese Erläuterungen durch<br />

Mitschüler zu erhalten.<br />

8.2.23 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5A/II<br />

8.2.23.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Hauptschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 5, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 4<br />

LE 7: 1 AT 7: 2<br />

LE 8: ke<strong>in</strong>e Bewertung AT 8: 5<br />

(Bearbeitung der LE (Lehrer besteht trotzdem auf<br />

nicht abgeschlossen) Bearbeitung des AT)<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,50 AT gesamt: 3,67<br />

Lernfortschritt: 3<br />

Arbeitsbeurteilung: 3<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,79 → 3


8 Darstellung der Ergebnisse 245<br />

8.2.23.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Für den Schüler stellen Stofffülle und Tempo e<strong>in</strong>e Überforderung dar, <strong>in</strong>sbesondere weil die<br />

Pneumatik nachzuholen ist.<br />

Der Proband beschreibt sich als faulen Schüler, der stets angetrieben werden muss. In der<br />

Gruppe s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>e Mitschüler die Fleißigen, er selbst bemüht sich kaum, unterstützt die<br />

Gruppe aber im Rahmen se<strong>in</strong>er Fähigkeiten. Er versteht während des gesamten <strong>Unterricht</strong>s<br />

nicht, um was es eigentlich geht. Die Fünf <strong>in</strong> Abschlusstest 8 spricht se<strong>in</strong>es Erachtens für<br />

sich. Der Nachteil des <strong>Unterricht</strong>s besteht dar<strong>in</strong>, zuviel Freiheit zu haben. Der Lehrer müsste<br />

eigentlich dafür sorgen, dass richtig gearbeitet wird und dürfte es nicht dulden, dass man nur<br />

rumsitzt.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken auch ab, <strong>in</strong>sbesondere<br />

dann, wenn es schnell gehen muss oder man e<strong>in</strong>e Lerne<strong>in</strong>heit abschließen möchte. Der<br />

Schüler gibt an, diese Sachverhalte dann zu Hause noch e<strong>in</strong>mal durchzuarbeiten, jedoch nicht<br />

im <strong>Unterricht</strong>. E<strong>in</strong> Nachteil – <strong>in</strong>sbesondere im Test – ergibt sich dabei se<strong>in</strong>es Erachtens nicht.<br />

Das Fachgespräch zur Signalspeicherung 11 f<strong>in</strong>det der Schüler unnötig, da er den Inhalt auch<br />

selbst erarbeiten könnte.<br />

Das Wissenskontrollblatt ist für den Schüler von großer Bedeutung, weil er damit den<br />

Prüfungsstoff e<strong>in</strong>schätzen kann. Deshalb wird dieses Blatt auch regelmäßig durchgearbeitet.<br />

Trotzdem gibt er an, gegen Ende der <strong>Unterricht</strong>sstrecke nachlässiger mit dem Wissenskontrollblatt<br />

umzugehen. E<strong>in</strong> Durcharbeiten des Blattes mit der Lehrkraft ist unnötig, da dieser<br />

bei Bedarf zu Rate gezogen werden kann.<br />

Mit den BIBB-Heften 6 kommt der Schüler nicht zurecht, er benutzt lediglich das Tabellenbuch.<br />

Dies hilft auch <strong>in</strong> den Tests weiter.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Störend oder h<strong>in</strong>derlich ist das Lehrerverhalten <strong>in</strong>sofern, als dieser sich nicht ausreichend um<br />

die Gruppe kümmert. Dadurch entstehen nach Ansicht des Schülers zu lange Wartezeiten.<br />

Generell müsste der Lehrer mehr Interesse zeigen. Der Schüler hat Verständnis dafür, dass der<br />

Lehrer nicht immer präsent se<strong>in</strong> kann, trotzdem erwartet er mehr Feedback und nicht nur<br />

lapidare H<strong>in</strong>weise, wie man sich Zusammenhänge selbst erarbeiten kann. Der Lehrer ist nach<br />

Me<strong>in</strong>ung des Schülers diesbezüglich zu locker und unterstützt alle Gruppen zu wenig.<br />

Der Schüler spricht sich positiv gegenüber der Frontalphase 7 aus, weil so verh<strong>in</strong>dert wird,<br />

dass der Lehrer bei verschiedenen Gruppen Unterschiedliches erklärt. Außerdem können nach<br />

Ansicht des Probanden im großen Kreis mehr Probleme besprochen werden als dies mit drei<br />

Personen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe der Fall ist. Der Proband schlägt daher vor, schwierige Sachverhalte,<br />

wie z. B. das Weg-Schritt-Diagramm 2 , geme<strong>in</strong>sam mit der ganzen Klasse zu klären, z.B.<br />

mit Hilfe e<strong>in</strong>es Tafelbildes. Er spricht die Problematik an, dass e<strong>in</strong>e Frontalphase nur dann<br />

machbar ist, wenn alle Gruppen auf dem gleichen Stand s<strong>in</strong>d.


246 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Es ist für den Schüler sehr schwer, zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die<br />

Thematik zu f<strong>in</strong>den. Er verwechselt auch leicht die Fächer, hier z. B. mit dem Fach ‚Speicherprogrammierbare<br />

Steuerungen’ 38 . Die Idee, den Arbeitsstand auf e<strong>in</strong>er Liste festzuhalten<br />

ist für den Schüler sehr wichtig 31 .<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 sollten nach Ansicht des Schülers kurz mit der Lehrkraft<br />

durchgegangen werden, bevor die eigentliche Arbeit beg<strong>in</strong>nt. Dann müsste man während der<br />

Bearbeitung nicht ständig nach dem Lehrer rufen.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Proband nur teilweise zurecht. Das Selbsterarbeiten sieht er positiv, das lange<br />

Warten auf den Lehrer bei etwaigen Fragen ist für ihn dagegen unangenehm. Der Schüler<br />

beschreibt e<strong>in</strong> konkretes Beispiel, bei dem der Lehrer ständig mit anderen Gruppen arbeitet<br />

und für die Gruppe des Probanden nicht zur Verfügung steht. Aufgrund des Zeitdrucks, der<br />

<strong>in</strong>sbesondere am letzten <strong>Unterricht</strong>stag herrscht, blockt der Schüler ab und kommt mit dem<br />

Stoff nicht mehr weiter.<br />

Der Lehrer beantwortet etwaige <strong>in</strong>haltliche Fragen nicht immer, sondern verweist auf das<br />

Informationsmaterial 6 . Das ist für den Probanden <strong>in</strong> Ordnung, solange er nicht unter Zeitdruck<br />

steht. Die Literatur muss bei e<strong>in</strong>em derartigen Vorgehen des Lehrers so aufgebaut se<strong>in</strong>, dass<br />

sich daraus wesentliche Informationen entnehmen lassen. Dies ist zum momentanen Zeitpunkt<br />

nicht der Fall.<br />

Die Leittexte s<strong>in</strong>d im Vergleich zu früheren Formen sehr viel besser. Im <strong>Unterricht</strong> vorhergehender<br />

Jahre waren die Leittexte nach Ansicht des Schülers so schwer, dass er kaum etwas<br />

verstehen konnte. Die Informationen hier s<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>es Ermessens allerd<strong>in</strong>gs auch nicht immer<br />

ausreichend.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe wären nur für<br />

theoretische Sachverhalte <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen. Der Schüler kann es sich aber nicht<br />

vorstellen, den Lehrer– <strong>in</strong>sbesondere für praktische Inhalte – noch weniger befragen zu<br />

können. Zum Veranschaulichen des Verkabelns ist der Pädagoge z. B. unentbehrlich.<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Der Proband spricht e<strong>in</strong>ige Schwierigkeiten an. So ist die Fehlerrate der Gruppe nach<br />

Angaben des Probanden anfänglich sehr hoch und kann nur durch ständiges Ausprobieren<br />

gesenkt werden. Das Verkabeln funktioniert erst nach e<strong>in</strong>er gewissen Übungszeit besser.<br />

Probleme gibt es auch mit dem Weg-Schritt-Diagramm 2 . Erst durch Vorlegen der Musterlösung<br />

wird die Erklärung des Lehrers verständlich. Jetzt erst ist die Thematik e<strong>in</strong>igermaßen<br />

klar.<br />

Der Schüler hat nach eigener Angabe auch bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 noch erhebliche Probleme mit<br />

dem Verkabeln. Das Verkabeln hat er se<strong>in</strong>es Erachtens deshalb nie richtig gelernt, weil er die<br />

Aufgabe während des Erarbeitens immer mit se<strong>in</strong>em Partner durchführt. Problematisch ist es<br />

se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dann, wenn die Anforderungen <strong>in</strong> der Prüfung alle<strong>in</strong>e zu bewältigen<br />

s<strong>in</strong>d.


8 Darstellung der Ergebnisse 247<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Diese Art von <strong>Unterricht</strong> hat für den Schüler den Vorteil, dass er sich mit anderen Gruppen<br />

und Mitschülern austauschen und dadurch effizienter arbeiten kann. Der Schüler würde<br />

<strong>in</strong>sbesondere das Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dreiergruppe befürworten, weil die Arbeit aufgeteilt<br />

werden kann und man so Zeit spart.<br />

Der Lernende bezeichnet sich selbst als ‚Mitläufer’ und gibt an, nur bei praktischen Arbeiten<br />

kaum Probleme zu haben. Die Theorie, z. B. e<strong>in</strong>e Funktionsbeschreibung, könnte er sich nicht<br />

alle<strong>in</strong>e erarbeiten, hier ist er auf die Gruppe angewiesen.<br />

Inhalte, die nicht aus den Unterlagen zu erarbeiten s<strong>in</strong>d, werden nur gruppen<strong>in</strong>tern besprochen.<br />

Von außen erfolgt nach Aussage des Schülers ke<strong>in</strong>e Hilfe. Der Proband hilft allerd<strong>in</strong>gs<br />

anderen Schülern gelegentlich, <strong>in</strong>sbesondere bei praktischen Aufgaben, z. B. beim Aufbauen<br />

von Schaltungen. E<strong>in</strong> Lerneffekt stellt sich dabei se<strong>in</strong>es Erachtens jedoch nicht e<strong>in</strong>.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Der Schüler erläutert die Problematik, im <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> Gruppen arbeiten zu können, während<br />

der Testsituation aber auf sich alle<strong>in</strong>e gestellt zu se<strong>in</strong>.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Der Schüler schätzt die Visualisierung der Theorie durch die Praxis <strong>in</strong>sbesondere bei der<br />

Biegevorrichtung 8 .<br />

Das praktische Überprüfen der Selbsthalteschaltung 10 ist für den Schüler sehr wichtig, da<br />

Theorie ohne praktische Überprüfung bedeutungslos ist und ihm die theoretisch erarbeiteten<br />

Ergebnisse so auch leichter verständlich s<strong>in</strong>d. Er bestätigt aber, dass e<strong>in</strong>e vorherige Erarbeitung<br />

der Theorie s<strong>in</strong>nvoll ist.<br />

8.2.24 Ergebnis der Falldarstellung für Schüler 5B/II<br />

8.2.24.1 Außenperspektive<br />

Schulische Daten:<br />

Vor Ausbildung besuchte Schule: Realschule<br />

Ausbildungsberuf: Industriemechaniker<br />

Schuljahr: 1999/2000<br />

Daten zur Untersuchung:<br />

Block: 2<br />

Gruppe: 5, 2 Schüler<br />

Fehltage: --<br />

Vorerfahrung:<br />

Schule: Ke<strong>in</strong>e<br />

Sonstige: Ke<strong>in</strong>e


248 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Noten:<br />

LE 6: 2 AT 6: 3<br />

LE 7: 1 AT 7: 3<br />

LE 8: 2 AT 8: --<br />

LE 9: -- AT 9: --<br />

LE 10: -- AT 10: --<br />

LE gesamt: 1,67 AT gesamt: 3,00<br />

Lernfortschritt: 3<br />

Arbeitsbeurteilung: 2<br />

Note Elektropneumatik gesamt: 2,42→ 2<br />

8.2.24.2 Innenperspektive<br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Pr<strong>in</strong>zipiell kann sich der Schüler mit dem <strong>Unterricht</strong> identifizieren, auch wenn er e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Anlaufphase benötigt. Trotzdem stellt die Stofffülle für ihn e<strong>in</strong>e Überforderung dar. Der<br />

Proband gibt zu bedenken, dass der <strong>Unterricht</strong> nur mit Vorerfahrung <strong>in</strong> der Pneumatik zu<br />

bewältigen ist.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Mit der Situation, dass der Lehrer bei dieser <strong>Unterricht</strong>sform nicht im Mittelpunkt steht,<br />

kommt der Schüler gut zurecht. Das Arbeitsklima stellt sich für den Schüler äußerst positiv<br />

dar.<br />

Der Proband stellt fest, dass die Lehrkraft Fragen zu gegebener Zeit offen lässt und auf das<br />

Informationsmaterial 6 verweist. Dies stellt für den Schüler allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> Problem dar.<br />

Mit den Leittexten kommt der Schüler im Wesentlichen gut zurecht. Er bemängelt allerd<strong>in</strong>gs,<br />

dass manche Sachverhalte zu ausführlich, andere wieder zu knapp dargestellt s<strong>in</strong>d. Auch<br />

bedürfen die e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsblätter 5 ke<strong>in</strong>er gesonderten Erläuterung vorab durch die<br />

Lehrkraft. Für den Auszubildenden ist es ausreichend, bei Bedarf zu fragen.<br />

Die Literatur 6 ist nach Ansicht des Schülers genau auf den <strong>Unterricht</strong> abgestimmt. Bevorzugt<br />

verwendet er die BIBB-Bücher.<br />

Beratende Lehrerrolle<br />

Problematisch ist es nach Ansicht des Schülers, dass der Lehrer zu viele Gruppen betreuen<br />

muss, die zudem unterschiedliche Themen bearbeiten. Dadurch steht der Pädagoge bei Bedarf<br />

oftmals nicht zu Verfügung. Trotzdem schätzt der Proband den Lehrer sehr, weil dieser sich<br />

äußerst kompetent zeigt.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es neuen <strong>Unterricht</strong>stages wieder <strong>in</strong> die Thematik zu f<strong>in</strong>den ist für den Schüler<br />

ggf. mit Hilfe der Lehrkraft zu bewerkstelligen. Dies kostet deshalb auch Überw<strong>in</strong>dung, weil


8 Darstellung der Ergebnisse 249<br />

man die verschiedenen Fächer oftmals verwechselt. Hier ist <strong>in</strong>sbesondere das Protokoll zur<br />

Aufzeichnung des Arbeitsstandes hilfreich 31 . Der Schüler sieht sich gezwungen, den Stoff der<br />

letzten Stunden wieder aufzufrischen, weil e<strong>in</strong> großer Abstand zwischen den e<strong>in</strong>zelnen<br />

<strong>Unterricht</strong>sstunden liegt und an e<strong>in</strong>em Tag sehr viel erarbeitet wird.<br />

Der Schüler spricht sich äußerst positiv für die Frontalphase 7 aus. Insbesondere die H<strong>in</strong>weise<br />

zum Verkabeln hätten se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach zu e<strong>in</strong>em früheren Zeitpunkt gegeben werden<br />

sollen. Vor der Frontalphase war das Verkabeln für den Probanden unübersichtlich, danach<br />

stellt sich die Thematik unproblematisch dar. Weitere Beispiele, die sich für e<strong>in</strong>e Frontalsequenz<br />

eignen würden, kann der Schüler nicht nennen.<br />

Das Fachgespräch zur Thematik ‚Signalsteuerung’ 11 hält der Schüler für s<strong>in</strong>nvoll, weil er sich<br />

<strong>in</strong>sbesondere diese Inhalte nicht selbst erarbeiten könnte.<br />

Der Schüler kritisiert das Wissenskontrollblatt, weil e<strong>in</strong>erseits unnötige Sachverhalte<br />

aufgeführt, andererseits diese dann aber zu wenig erläutert s<strong>in</strong>d. Bei Abschlusstest 6 wird ihm<br />

bewusst, dass er sich vertiefter hätte e<strong>in</strong>arbeiten müssen. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach gibt das<br />

Wissenskontrollblatt letztendlich nur das wieder, was man sowieso noch grob <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung<br />

hat.<br />

E<strong>in</strong>e Erarbeitung des Wissenskontrollblattes mit dem Lehrer würde nach Ansicht des Schülers<br />

ke<strong>in</strong>en Vorteil br<strong>in</strong>gen. Besser wäre es, die Tests umfangreicher zu gestalten und auf e<strong>in</strong>e zu<br />

starke Vertiefung e<strong>in</strong>zelner Themen zu verzichten.<br />

Für Lerne<strong>in</strong>heit 6 stellt sich das Informationsmaterial 6 als passend dar. Im weiteren Verlauf<br />

der Lernstrecke hält der Proband die Vielfalt an Literatur, Arbeitsblättern usw. für äußerst<br />

unübersichtlich, so dass er se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach zu viel Zeit mit dem Suchen bestimmter<br />

Texte oder Lösungshilfen verbr<strong>in</strong>gen muss. E<strong>in</strong>e kompaktere Sammlung wäre wünschenswert.<br />

Dem Schüler ist nicht zugänglich, warum er aus e<strong>in</strong>em Bestand an Informationsmaterial<br />

Wesentliches selbst exzerpieren muss.<br />

Die BIBB-Hefte nutzt der Schüler nicht, weil diese Sachverhalte zu kompliziert und zu<br />

ausführlich darstellen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Ause<strong>in</strong>andersetzen <strong>in</strong>sbesondere mit dieser Literatur ist<br />

auch aufgrund des Zeitmangels nicht möglich. E<strong>in</strong> Gespräch <strong>in</strong> der Gruppe kann etwaige<br />

Probleme beseitigen, so dass auf das Informationsmaterial nicht zurückgegriffen werden<br />

muss.<br />

E<strong>in</strong> erweitertes Literaturangebot und e<strong>in</strong>e dafür reduzierte Lehrerhilfe s<strong>in</strong>d für den Probanden<br />

nicht erstrebenswert. Er bevorzugt e<strong>in</strong>e Lehrkraft, die kompetent ist und umfassende<br />

Erklärungen liefert.<br />

Selbststeuerung und Freiheitsgrade / Beratende Lehrerrolle<br />

Selbsterarbeitungsphasen und Unterweisungen durch die Lehrkraft gleichen sich im<br />

Wesentlichen aus, generell ist aber die Selbsterarbeitung zu bevorzugen, sofern der Pädagoge<br />

bei etwaigen Fragen zur Verfügung steht.<br />

Grundlage für erfolgreiche Selbsterarbeitungsphasen s<strong>in</strong>d nach Ansicht des Schülers gut<br />

ausgearbeitete Leittexte. Dazu wäre es erforderlich, mehr Gewicht auf Def<strong>in</strong>itionen oder<br />

ausführliche Erläuterungen zu legen. Oftmals f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Literatur nur Aufgaben zu<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Thematik, genaue Erläuterungen fehlen meist. Nach Ansicht des Schülers<br />

könnte man derartige Defizite über Fachgespräche mit der Lehrkraft ausgleichen.


250 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

Anfängliche Unsicherheiten bei Lerne<strong>in</strong>heit 8 s<strong>in</strong>d nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden darauf<br />

zurückzuführen, dass aus dem Text nicht e<strong>in</strong>deutig hervorgeht, was genau verlangt ist. Zudem<br />

ist die Verkabelung an der Biegevorrichtung 8 unübersichtlich.<br />

Das Weg-Schritt-Diagramm 2 erschließt sich dem Schüler nicht.<br />

Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Der Schüler schreibt Inhalte ohne eigenes Erarbeiten oder Durchdenken im Pr<strong>in</strong>zip nicht ab,<br />

allerd<strong>in</strong>gs stört ihn e<strong>in</strong>e zu starke Arbeitsteilung <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe. Er bemängelt, dass er<br />

lediglich theoretische Inhalte bearbeitet, während die praktischen Arbeiten von se<strong>in</strong>en<br />

Mitschülern erledigt werden. Dadurch treten Verständnisschwierigkeiten auf, die sich<br />

allerd<strong>in</strong>gs beheben lassen. E<strong>in</strong> gegenseitiger Austausch erfolgt nur am Rande, weil sich die<br />

Schüler nicht bereit erklären, gegenseitig Hilfestellung zu leisten. Trotzdem ist e<strong>in</strong>e Arbeitsteilung<br />

nach Ansicht des Auszubildenden aufgrund der Zeitersparnis erforderlich. Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheiten<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gruppe führen dazu, dass der Schüler ungern mit den anderen<br />

Auszubildenden über fachliche Probleme spricht. Hier würde er sich e<strong>in</strong> stärkeres Feedback<br />

durch die Lehrkraft wünschen.<br />

E<strong>in</strong> Gruppenwechsel ist für den Schüler wichtig, erst dann fühlt er sich während des<br />

<strong>Unterricht</strong>s wohl 39 . Der Proband betont die Bedeutsamkeit der Gruppenzusammensetzung.<br />

Diese ist für den Lernfortschritt von hoher Relevanz.<br />

Bei Bedarf hilft der Proband auch anderen Schülern. Er ist allerd<strong>in</strong>gs der Me<strong>in</strong>ung, dass die<br />

meisten Lernenden selbst gut zurechtkommen.<br />

Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Die Fragestellungen <strong>in</strong> den Tests verlangen nach Ansicht des Schülers e<strong>in</strong> zu detailliertes<br />

Wissen. Im <strong>Unterricht</strong> hat man h<strong>in</strong>gegen nicht die Möglichkeit Sachverhalte vertieft zu<br />

erarbeiten. Dies macht es schwierig, e<strong>in</strong>en anstehenden Test e<strong>in</strong>zuordnen. In den Tests wird<br />

wesentlich mehr verlangt als dies im <strong>Unterricht</strong> vermittelt wird.<br />

Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Im CNC-Raum 30 ist es laut Aussage des Lernenden zu eng; ohne Praxis-Arbeitsplätze ist e<strong>in</strong><br />

vernünftiges Arbeiten nicht möglich.<br />

_________________________<br />

1 Zur Bedeutung 1A/I: Die alphanumerische Bezeichnung kennzeichnet e<strong>in</strong>en Schüler aus<br />

Block 1 (I), der der Gruppe 1 zugeordnet ist. Die Gruppe besteht aus zwei Schülern A und B,<br />

wobei die Zuordnung zu den Buchstaben e<strong>in</strong>er alphabetischen Reihenfolge der Nachnamen<br />

entspricht.<br />

2 LE 8, Leitblatt, 1.c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm ...<br />

3 LE 9<br />

4 LE 6, Blatt: Das Relais als Signalverarbeitungselement


8 Darstellung der Ergebnisse 251<br />

5 Bsp.: LE 8, Blatt: Signalspeicherung<br />

6 Informationsmaterial: BIBB-Hefte (Bundes<strong>in</strong>stitut für Berufsbildung (1992, 1993)),<br />

Fachkundebuch, Tabellenbuch, Lehrbuch ‚E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Elektropneumatik’ der Festo<br />

Didactic KG (Meixner, Sauer 1987)<br />

7 Frontalphase: Der Lehrer erklärt das Pr<strong>in</strong>zip des Verkabelns für den gesamten Block am<br />

Tageslichtprojektor<br />

8 LE 8<br />

9 Zwischenstandskontrolle: Der Lehrer prüft den gezeichneten Schaltplan noch vor dem<br />

Aufbau der eigentlichen Schaltung (Abschlusstest 8); bei Abschlusstest 9 wird ke<strong>in</strong>e<br />

Zwischenstandskontrolle durchgeführt<br />

10 LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung,<br />

Bearbeiten Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

2. Aufgabe – Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

11 LE 6<br />

12 LE 7, Leitblatt, 2.c) Bearbeiten Sie das vom Lehrer erhaltene Informationsblatt,<br />

Informationsblatt: Teil 1: Mechanischer Grenztaster<br />

13 LE 6, Spezielles Problem, Fehler beim Umsetzen der Theorie <strong>in</strong> die Praxis,<br />

Blatt: Anschlussaufgabe zu LT 6, c) Die Bauteile sollen zu e<strong>in</strong>er funktionsfähigen Schaltung<br />

verknüpft werden. ...<br />

14 LE 7, Spezielles Problem, Fehler <strong>in</strong> der Funktionsbeschreibung,<br />

Leitblatt, 3.c) Schreiben Sie e<strong>in</strong>e genaue Funktionsbeschreibung<br />

15 LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung,<br />

Bearbeiten Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

3. Aufgabe – Dom<strong>in</strong>ierend E<strong>in</strong> / Dom<strong>in</strong>ierend Aus<br />

16 LE 8, Spezielles Problem,<br />

Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung,<br />

Bearbeiten Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

3. Aufgabe – Dom<strong>in</strong>ierend E<strong>in</strong> / Dom<strong>in</strong>ierend Aus<br />

17 LE 7, Spezielles Problem: Die Schüler verwechseln die Zahl der E<strong>in</strong>gänge des Ventils mit<br />

der Zahl der Ausgänge,<br />

Leitblatt, 3.c) Schreiben Sie e<strong>in</strong>e genaue Funktionsbeschreibung


252 8 Darstellung der Ergebnisse<br />

18 LE 8, Spezielles Problem,<br />

Leitblatt, 1.b) Zeichnen Sie für die vorgefundene Anlage vorerst nur den Pneumatikplan<br />

19 Die Nachbargruppe wird sowohl mit der Steuerungstechnik als auch mit dem <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong> zum ersten Mal konfrontiert und arbeitet daher langsamer.<br />

20 LE 8, Altes Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung,<br />

Bearbeiten Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung, 2. „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“,<br />

2. Aufgabe – Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

21 LE 9, Leitblatt, 1.b) Besprechen Sie die Lösung mit dem Lehrer<br />

22 LE 8, Spezielles Problem,<br />

„Altes“ Leitblatt, 1.c) Beschreiben Sie schriftlich die genaue Anlagenfunktion<br />

Anmerkung: Diese Aufgabe hat nichts mit der Aufgabe zu tun, bei der der Fehler aufgetreten<br />

ist (Selbsthalteschaltung)<br />

23 LE 8, Spezielles Problem,<br />

„Altes“ Leitblatt, 1.c) Beschreiben Sie schriftlich die genaue Anlagenfunktion<br />

Anmerkung: Das Leitblatt trägt die Überschrift: ‚Ansteuern des Spannzyl<strong>in</strong>ders …’<br />

24 Diese Aussage wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nach der überbetrieblichen Ausbildung stattf<strong>in</strong>denden<br />

Interview getroffen.<br />

25 LE 8, Leitblatt, 2. Informieren Sie sich über die Möglichkeiten der Signalspeicherung,<br />

Bearbeiten Sie das „Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“,<br />

Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung<br />

26 LE 6, Spezielles Problem,<br />

Blatt: Das Relais als Signalverarbeitungselement<br />

27 LE 8, Spezielles Problem (Abschlusstest 8b),<br />

2., Weitere Bed<strong>in</strong>gung: Der Zyl<strong>in</strong>der 1.0 betätigt <strong>in</strong> ausgefahrenem Zustand S2. Wenn dabei<br />

gleichzeitig S1 gedrückt wird, soll das 5/2-Wegemagnetventil nicht umsteuern.<br />

28 Die Gruppe arbeitet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nebenraum<br />

29 LE 7<br />

30 Aufgrund von Problemen bei der Raume<strong>in</strong>teilung wird die erste <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Raum für CNC-<strong>Unterricht</strong> durchgeführt<br />

31 Am Ende e<strong>in</strong>es Arbeitstages müssen die Schüler ihren aktuellen Arbeitsstand vermerken<br />

32 Dies ist nicht der Fall, aber die anderen Gruppen kommunizieren verstärkt mite<strong>in</strong>ander<br />

33 LE 7, Blatt: Automatisierungsaufgabe


8 Darstellung der Ergebnisse 253<br />

34 Nach Beendigung der Lerne<strong>in</strong>heit und der gesamten <strong>Unterricht</strong>sstrecke fordert der Lehrer<br />

noch den Abschlusstest für die zuletzt bearbeitete Lerne<strong>in</strong>heit<br />

35 Die anderen Schüler bemerken allerd<strong>in</strong>gs, dass sich der Proband kaum am Aufbau von<br />

Schaltungen beteiligt<br />

36 LE 8, Leitblatt, 1.a) Verdeutlichen Sie sich die Funktion der Biegevorrichtung, Listen Sie<br />

alle <strong>in</strong> der vorgefundenen Anlage verwendeten Bauteile der Steuerung mit ihrer korrekten<br />

Bezeichnung auf ...<br />

37 Der Gruppenpartner fehlt des Öfteren<br />

38 Aufgrund der Stundenorganisation (am Mittwoch wird SPS <strong>in</strong> ähnlicher Form unterrichtet),<br />

fällt es dem Schüler schwer, sich den Arbeitsstand <strong>in</strong>s Gedächtnis zu rufen<br />

39 Proband wechselt von Gruppe 5 zu Gruppe 1<br />

8.3 Zusammenfassung<br />

Das vorliegende Kapitel stellt die Ergebnisse der Fallstudie dar, wobei hier e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />

Wiedergabe der Schüleraussagen im Vordergrund steht; <strong>in</strong>terpretative Ansätze s<strong>in</strong>d soweit<br />

wie möglich ausgeblendet. Anhand e<strong>in</strong>es ausgewählten Beispiels werden alle wesentlichen<br />

Dokumente dargestellt, die den Weg von den Rohdaten bis zu e<strong>in</strong>em Endergebnis nachzeichnen.<br />

Die Dokumente erfassen die vollständigen Interviews für den jeweiligen Probanden und<br />

die daraus resultierenden Paraphrasen. Da sowohl die Kollektivbefragung, als auch das<br />

E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terview e<strong>in</strong>er späteren Beurteilung zugänglich gemacht werden sollen, fließen beide<br />

Schienen über die paraphrasierten Strukturen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zusammenschau e<strong>in</strong>. Die Zusammenführung<br />

der Interviews weist e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung der Paraphrasen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kategoriensystem auf, aus<br />

dem sich e<strong>in</strong> Endergebnis für jeden Schüler ableiten lässt. Das Endergebnis ist <strong>in</strong> diesem<br />

Kapitel für jeden der befragten Auszubildenden dargestellt und lässt auf e<strong>in</strong>er für den Leser<br />

nutzbaren Ebene e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e gewisse sprachliche Abstraktion zu und versucht andererseits<br />

anhand synthetischer Prozesse Redundanzen zu elim<strong>in</strong>ieren.


9 Beurteilung der Ergebnisse 253


254 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

9 BEURTEILUNG DER ERGEBNISSE<br />

Das Kapitel beurteilt nun die <strong>in</strong> Kapitel 8 zusammengefassten Ergebnisse und leitete aus<br />

diesen <strong>in</strong>dividuelle Empfehlungen für den E<strong>in</strong>zelnen ab. Das heißt, es soll nunmehr die Frage<br />

beantwortet werden, wie die Beurteilungen der Schüler im Rahmen e<strong>in</strong>er teilnehmenden<br />

Beobachtung e<strong>in</strong>zuschätzen s<strong>in</strong>d, also wie die Beurteilungen (letztendlich die Ergebnisse) des<br />

E<strong>in</strong>zelnen zu werten s<strong>in</strong>d. Ferner soll geklärt werden, was aus den gewonnenen Erkenntnissen<br />

abgeleitet werden kann (vgl. Kapitel 3, Forschungsfrage 2). E<strong>in</strong>leitende Gedanken hierzu<br />

werden <strong>in</strong> Kapitel 9.1 wiedergegeben. In Kapitel 9.2 ist die Individual-Beurteilung, das heißt<br />

die Beurteilung der Aussagen für jeden e<strong>in</strong>zelnen Probanden aufgeführt, an die sich mögliche,<br />

von der Lehrkraft durchzuführende Maßnahmen anschließen. Kapitel 9.3 fasst die wesentlichen<br />

Gedanken noch e<strong>in</strong>mal kurz zusammen.<br />

9.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Untersuchung beurteilt und darauf basierend<br />

<strong>in</strong>dividuelle Empfehlungen erarbeitet. Diese beruhen auf den umgearbeiteten Aussagen des<br />

jeweiligen Schülers (vgl. hierzu <strong>in</strong>sbesondere Kapitel 8) und auf den (nicht abgebildeten)<br />

Memo-Protokollen (vgl. Kapitel 7.1.4, Teilnehmende Beobachtung, eher objektive Aufnahmen),<br />

sowie auf subjektiven E<strong>in</strong>drücken aus Forschersicht, die aus der Interaktion Proband –<br />

Lehrkraft – Forscher entstanden s<strong>in</strong>d (eher subjektive Aufnahmen).<br />

Die Verarbeitung der Schüleraussagen verlangt e<strong>in</strong>en hohen Grad an Authentizität. Das heißt,<br />

die Schüleraussagen werden für e<strong>in</strong>en Leser verwertbar abstrahiert (vgl. Kapitel 7), wobei der<br />

ursprüngliche Gehalt e<strong>in</strong>er Aussage möglichst unverfälscht dargestellt werden soll. Bei der<br />

nun hier aufgezeigten Beurteilung der Ergebnisse steigt der Grad an Subjektivität aufgrund<br />

e<strong>in</strong>er Bewertung der Schüleraussagen. Die Subjektivität ist – wie <strong>in</strong> den vorhergehenden<br />

Kapiteln bereits ausgeführt – Bestandteil dieser Untersuchung und erlaubt, die <strong>in</strong> Kapitel 8<br />

dargestellten Ergebnisse für e<strong>in</strong>e künftige praktische Anwendung aufzubereiten.<br />

Die E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung subjektiver Aufnahmen lässt vermuten, dass hier <strong>in</strong> hohem Maße e<strong>in</strong>e<br />

Verfälschung der Realität h<strong>in</strong>genommen wird. Allerd<strong>in</strong>gs muss berücksichtigt werden, dass<br />

jegliche Darstellung der Realität anhand von Ergebnissen stets subjektive Aspekte h<strong>in</strong>nehmen<br />

muss. Wie bereits <strong>in</strong> den Kapiteln 6 und 7 ausführlich dargelegt, versucht gerade die<br />

qualitative Forschung durch Bezugnahme auf die wirkliche Welt, subjektive Komponenten<br />

richtig zu bewerten. Von e<strong>in</strong>er richtigen Bewertung ist dann auszugehen, wenn Subjektivität<br />

als Teil der Realität betrachtet und demgemäß als solche <strong>in</strong> die Ergebnisdarstellung mit<br />

e<strong>in</strong>fließt. In anderen Worten heißt dies, Subjektivität wird zugelassen und bei der Bewertung<br />

von Ergebnissen berücksichtigt. Auch die quantitative Forschung muss – weil nicht anders<br />

möglich – Subjektivität zulassen, berücksichtigt diese aber bei der Bewertung der Ergebnisse<br />

meist nicht mehr (oftmals deshalb, weil fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass<br />

Subjektivität von vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossen werden konnte). Insofern lässt sich annehmen,<br />

dass e<strong>in</strong> bewusstes Zulassen und Verarbeiten subjektiver Aspekte e<strong>in</strong>en höheren Grad an<br />

Objektivität erreichen lässt, als dies bei quantitativen Prozessen der Fall ist.<br />

Kapitel 9 stellt auszugsweise e<strong>in</strong>e Wiederholung und Zusammenfassung der Schüleraussagen,<br />

dar, sofern dies für e<strong>in</strong>e Beurteilung notwendig ist. Wesentlicher Bestandteil der Beurteilung


9 Beurteilung der Ergebnisse 255<br />

ist es jedoch, Empfehlungen für jeden e<strong>in</strong>zelnen Schüler zu geben, die sowohl aufgrund der<br />

Aussagen, aber auch aufgrund der teilnehmenden Beobachtungen, d. h. aufgrund der<br />

Erfahrungen mit dem e<strong>in</strong>zelnen Probanden zustande kommen.<br />

E<strong>in</strong> Verständnis der nachfolgenden Beurteilung und Empfehlung erfordert die Kenntnis der<br />

Schüleraussagen aus Kapitel 8. Nur so kristallisiert sich für den Leser e<strong>in</strong> umfassendes und<br />

aussagekräftiges Gesamtbild jedes e<strong>in</strong>zelnen Schülers heraus. Das <strong>in</strong>tegrative Bild ist<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht als e<strong>in</strong>e für jeden Schüler identisch durchgeführte und damit statistisch<br />

auswertbare Darstellung e<strong>in</strong>er Merkmalsanalyse angelegt. Vielmehr werden auch bei der<br />

Beurteilung nur jene Themen angesprochen, die e<strong>in</strong> Ergebnis im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es besonderen<br />

Charakteristikums e<strong>in</strong>es Individuums rechtfertigen.<br />

Die Empfehlungen stellen im Übrigen ke<strong>in</strong>e Bewertung des den <strong>Unterricht</strong> begleitenden<br />

Pädagogen dar. Dies wäre auch nicht möglich, weil sich schülerbezogene, empfehlenswerte<br />

Maßnahmen erst mit dem Durchlaufen der Lernstrecke ergeben. E<strong>in</strong>e Bewertung der<br />

Lehrkraft ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung.<br />

9.2 Individual-Bewertung und Empfehlung<br />

Nachfolgend werden die Schüler nun nochmals e<strong>in</strong>zeln vorgestellt und damit die jeweiligen<br />

Falldarstellungen abgeschlossen.<br />

9.2.1 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1A/I<br />

Für den Schüler ist die Selbststeuerung <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> gut geeignet, den<br />

geforderten Stoff zu erarbeiten. Dies liegt <strong>in</strong>sbesondere an der durch die Lehrkraft praktizierten<br />

Berücksichtigung se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuellen Lernvoraussetzungen und der dem Schüler<br />

entgegenkommenden Atmosphäre. In diesem Falle sche<strong>in</strong>t es für den Schüler wichtig, sich<br />

auf se<strong>in</strong>e Art und nach eigenen Vorgaben mit der Thematik beschäftigen zu können. E<strong>in</strong>e zu<br />

starke Bee<strong>in</strong>flussung h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>es Lernvorgehens würde den Wissenserwerb des<br />

Schülers unnötig beh<strong>in</strong>dern.<br />

Bei sehr schwierigen Inhalten, <strong>in</strong>sbesondere aber bei praktischen Arbeiten oder auch bei e<strong>in</strong>er<br />

zu ausgeprägten E<strong>in</strong>forderung an Selbststeuerung reagiert der Auszubildende gelegentlich mit<br />

nachlassender Motivation. Es zeigt sich, dass der Proband dann auf die Führung se<strong>in</strong>es<br />

Gruppenpartners angewiesen ist. Hier sollte der Pädagoge unterstützend beiseite stehen bzw.<br />

dem Schüler, wenn auch begrenzt, die Möglichkeit e<strong>in</strong>er ‚Auszeit’ gewähren.<br />

Da der Schüler die Tendenz zeigt, sich zurückzuziehen und sich dann auf die Fähigkeiten<br />

se<strong>in</strong>es Partners zu verlassen, ist der Pädagoge hier angehalten, dieser Neigung entgegenzuwirken.<br />

Der Schüler muss <strong>in</strong> solchen Situationen an für ihn schwierige Aufgaben (Praxis!)<br />

herangeführt und dah<strong>in</strong> gehend bestärkt werden, dass er die geforderten Aufgaben auch<br />

tatsächlich selbstständig ausführt. Gegebenenfalls wäre hier zu überlegen, den Probanden aus<br />

dem Schutz des starken Partners zu entlassen und ihn mit e<strong>in</strong>em leistungsschwächeren<br />

Schüler zu konfrontieren. Möglicherweise würden sich hier neue Entwicklungschancen für<br />

den Auszubildenden bieten, die sich im Schutze e<strong>in</strong>es starken Gruppenpartners so nicht<br />

entfalten.


256 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

9.2.2 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1B/I<br />

Der Schüler identifiziert sich <strong>in</strong> hohem Maße mit den übertragenen Aufgaben und kann<br />

aufgrund des selbstgesteuerten Lernens gute Ergebnisse erzielen. Dies rührt <strong>in</strong>sbesondere<br />

auch daher, dass der <strong>Unterricht</strong> für den Schüler e<strong>in</strong>e angenehme Atmosphäre bietet. Er<br />

erkennt die Vorteile e<strong>in</strong>er Selbststeuerung und nutzt die ihm eröffneten Möglichkeiten für<br />

e<strong>in</strong>en nachhaltigen Wissenserwerb.<br />

Es kann davon ausgegangen werden, dass anfängliche Schwierigkeiten auf die ungewohnt<br />

freizügige Lernatmosphäre zurückzuführen s<strong>in</strong>d. Der Schüler sche<strong>in</strong>t zu Beg<strong>in</strong>n der Lernstrecke<br />

noch nicht den nötigen Ernst aufzubr<strong>in</strong>gen. Insbesondere arbeitet er <strong>in</strong> der Gruppe mit<br />

e<strong>in</strong>em Schüler zusammen, der sich vorzugsweise führen lässt, so dass auch dieser nicht für<br />

e<strong>in</strong>en organisierten Arbeitsablauf sorgt. Aufgrund der Kompetenz des Schülers lassen sich die<br />

Anlaufschwierigkeiten jedoch schnell beseitigen und der Proband steigert se<strong>in</strong>e Leistungen.<br />

Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass er aufgrund se<strong>in</strong>es eher zurückhaltenden<br />

Gruppenpartners gezwungen ist, das Vorankommen der Gruppe zu lenken.<br />

Insofern lässt sich festhalten, dass der Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em für ihn idealen Gruppenverband<br />

agieren kann, so dass hier ke<strong>in</strong>e nennenswerten Maßnahmen für e<strong>in</strong>e Leistungssteigerung des<br />

Schülers zu nennen s<strong>in</strong>d. Der Proband könnte aufgrund se<strong>in</strong>er selbstbewussten Art zur<br />

Unterstützung leistungsschwächerer Schüler e<strong>in</strong>gesetzt werden, wobei er selbst den Stoff<br />

wiederholen würde.<br />

9.2.3 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2A/I<br />

Die anfängliche Skepsis h<strong>in</strong>sichtlich der Thematik und des <strong>Unterricht</strong>skonzepts weicht<br />

schnell e<strong>in</strong>er Erkenntnis der Vorteile selbstgesteuerten Lernens. Der <strong>Unterricht</strong> sche<strong>in</strong>t für<br />

den Probanden sehr gut geeignet, die geforderten Inhalte zu erlernen. Aufgrund der selbstständigen<br />

Arbeitsweise baut der Schüler e<strong>in</strong> hohes Maß an Selbstbewusstse<strong>in</strong> auf, so dass<br />

sich, auch begründet durch motivationale Aspekte, e<strong>in</strong> guter Lernerfolg e<strong>in</strong>stellt. Dabei gilt es<br />

zu beachten, dass der Schüler weder Vorerfahrung auf dem Gebiet der Steuerungstechnik,<br />

noch im Umgang mit Selbststeuerung aufweist.<br />

Die vom Lehrer angebotene Unterstützung nimmt der Proband gerne an, damit Inhalte vertieft<br />

werden und e<strong>in</strong> Fortkommen gewährleistet ist. Es zeigt sich im Verlauf der <strong>Unterricht</strong>sstrecke,<br />

dass der Proband durchaus mehr Hilfestellung benötigt, als er sich selbst e<strong>in</strong>gesteht.<br />

Ohne Lenkung würde er sich leicht <strong>in</strong> Schwierigkeiten verlieren. Dem Schüler steht<br />

demgemäß se<strong>in</strong> eigener Ehrgeiz dann im Wege, wenn er Lehrerunterstützung nicht e<strong>in</strong>fordert,<br />

obwohl sie nötig wäre. Hier gilt es, den Auszubildenden entsprechend zu lenken und e<strong>in</strong>en<br />

Fortschritt sicherzustellen.<br />

9.2.4 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2B/I<br />

Der Schüler zeigt sich überrascht h<strong>in</strong>sichtlich der Möglichkeiten, die der untersuchte<br />

<strong>Unterricht</strong> bietet. Aufgrund der Freiheiten und der Verantwortlichkeit für e<strong>in</strong> eigenes Tun<br />

engagiert sich der Schüler <strong>in</strong> hohem Maße und kann dadurch e<strong>in</strong> gutes Gesamtergebnis


9 Beurteilung der Ergebnisse 257<br />

erzielen. Bei etwaigen Schwierigkeiten und Defiziten benötigt der Proband durchaus die<br />

Unterstützung der Lehrkraft, um das Ziel nicht zu verlieren.<br />

Bei auftretenden Problemen versucht der Schüler diese auch dann selbst zu lösen, wenn e<strong>in</strong><br />

Gespräch mit der Lehrkraft den Lernfortschritt effizienter gestalten würde. Dies liegt wohl <strong>in</strong><br />

der eher zurückhaltenden Natur des Schülers. Der Pädagoge ist hier angehalten, den<br />

Lernfortschritt mit zu verfolgen und bei Bedarf von selbst e<strong>in</strong>zugreifen. Für den Probanden ist<br />

es wohl unproblematisch, im Klassenverband zu agieren, trotzdem sche<strong>in</strong>t die gezielte<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem Schüler, beispielsweise im Gruppengespräch e<strong>in</strong>en größeren<br />

Erfolg zu bewirken. Nur so lassen sich die <strong>in</strong>dividuellen Probleme herauskristallisieren und<br />

beseitigen.<br />

9.2.5 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3A/I<br />

Dem Probanden sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> handlungsorientiertes <strong>Unterricht</strong>skonzept sehr entgegenzukommen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere dann, wenn er sich auf die fachliche Kompetenz des Lehrers verlassen<br />

kann. Zum Teil widersprüchliche Aussagen h<strong>in</strong>sichtlich der Balance Selbststeuerung –<br />

Lehrer<strong>in</strong>struktion weisen darauf h<strong>in</strong>, dass der Schüler grundsätzlich e<strong>in</strong> selbstgesteuertes<br />

Lernen befürwortet, bei schwierigen Themen allerd<strong>in</strong>gs auf die Unterstützung durch den<br />

Pädagogen hofft.<br />

Der Schüler spricht die Problematik des Arbeitens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dreiergruppe an und erklärt, dass<br />

<strong>in</strong> aller Regel nur jeweils zwei Schüler wirklich am Arbeitsfortgang beteiligt s<strong>in</strong>d. Es lässt<br />

sich über den langen Zeitraum der <strong>Unterricht</strong>sstrecke beobachten, dass der hier beschriebene<br />

Proband nicht dazu neigt, sich zurückzuziehen. Vielmehr ist er beständig an der Arbeit<br />

beteiligt und nutzt die Chance des selbstständig verantworteten Wissenserwerbs. Die hohe<br />

Leistungsfähigkeit und das Engagement führen zu e<strong>in</strong>em sehr guten Arbeitserfolg.<br />

Für diesen Probanden würde es sich durchaus anbieten, mit Hilfe weiterführender Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>en über das Soll h<strong>in</strong>ausgehenden Lernfortschritt zu bewirken. So könnte beispielsweise<br />

<strong>in</strong>nerhalb der obligatorisch vorgesehenen Fachgespräche weitere Themen angesprochen oder<br />

die vorgesehenen Themen vertieft werden. E<strong>in</strong>e explizite Aufgabenstellung wäre dann nicht<br />

notwendig, würde aber auch dazu beitragen, das Potential des Schülers weiterzuentwickeln.<br />

9.2.6 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3B/I<br />

Für den Schüler ist handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> sehr gut geeignet, neue Themengebiete<br />

zu erarbeiten. Dies liegt <strong>in</strong>sbesondere daran, dass der Proband e<strong>in</strong> hohes Maß an Eigenständigkeit<br />

zeigt und sich aufgrund se<strong>in</strong>er ruhig-überlegenen Art durch e<strong>in</strong>e Lehrkraft schnell<br />

e<strong>in</strong>geengt fühlt. Insofern spricht sich der Schüler für fast ausschließliche Selbsterarbeitung<br />

aus. Der Auszubildende ist sich sicher, gerade aufgrund se<strong>in</strong>er Vorbildung und se<strong>in</strong>er<br />

<strong>beruflichen</strong> Erfahrung mit se<strong>in</strong>en Strategien das geforderte Ziel zu erreichen. Dies gel<strong>in</strong>gt<br />

jedoch nicht immer. Hier bedarf es der Lehrerunterstützung, um dem Schüler weitere,<br />

<strong>in</strong>sbesondere sicherere und effizientere Methoden des Wissenserwerbs aufzuzeigen.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs fällt es dem Schüler schwer, diese Hilfestellung anzunehmen.<br />

Es wäre im Falle dieses Schülers wünschenswert, weiterführende Aufgaben anzubieten.<br />

Dieses Angebot sollte sich allerd<strong>in</strong>gs nicht auf die Bereitstellung zusätzlicher Aufgaben


258 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

beschränken, vielmehr könnten hier Fachgespräche mit der Lehrkraft, ggf. auch mit ähnlich<br />

leistungsstarken Schülern stattf<strong>in</strong>den, um den Blickw<strong>in</strong>kel des Probanden zu vergrößern. Im<br />

Gespräch würde der Proband andere Me<strong>in</strong>ungen und Sichtweisen kennen lernen und müsste<br />

eigene Standpunkte vertreten. Dies würde ihm das Lernen vermutlich erheblich erleichtern.<br />

9.2.7 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3C/I<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip erreicht der Schüler gute Ergebnisse, was aber <strong>in</strong>sbesondere auf die Leistungsstärke<br />

se<strong>in</strong>er beiden Gruppenpartner zurückzuführen ist. Es lässt sich beobachten, dass der<br />

Schüler dem <strong>Unterricht</strong> oft über weite Strecken nicht folgt und sich aus dem Geschehen<br />

zurückzieht. Leider zeigen sich hier die Probleme, die e<strong>in</strong>e Dreiergruppe mit sich br<strong>in</strong>gt. Der<br />

Schüler ist zwar durchaus <strong>in</strong> der Lage, verpasste Inhalte nachzuholen, fraglich ist allerd<strong>in</strong>gs,<br />

<strong>in</strong>wieweit er dies ohne die Hilfe se<strong>in</strong>er Mitschüler bewältigen würde. Die von dem Probanden<br />

angesprochenen Probleme (beispielsweise anfängliche Schwierigkeiten bei Lerne<strong>in</strong>heit 8)<br />

s<strong>in</strong>d wohl ebenfalls darauf zurückzuführen, dass der Schüler im <strong>Unterricht</strong> oftmals nicht<br />

ernsthaft arbeitet.<br />

Es empfiehlt sich daher, den Probanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zweiergruppe unterzubr<strong>in</strong>gen und se<strong>in</strong>en<br />

Lernfortschritt durch wiederholte Fachgespräche weiterzuführen. Dadurch wird er gezwungen,<br />

sich <strong>in</strong>tensiver mit der Thematik ause<strong>in</strong>anderzusetzen. Dies ist gerade für diesen Schüler<br />

wichtig, damit auf Dauer ke<strong>in</strong>e Notenverschlechterung e<strong>in</strong>tritt.<br />

9.2.8 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4A/I<br />

Im Wesentlichen kommt dem Probanden der <strong>Unterricht</strong> entgegen. Leider zeigt er e<strong>in</strong> hohes<br />

Maß an Des<strong>in</strong>teresse und nur wenig Motivation. Der Schüler begründet dies selbst mit e<strong>in</strong>er<br />

negativen E<strong>in</strong>stellung gegenüber Schule im Allgeme<strong>in</strong>en. Anfänglich ist das Des<strong>in</strong>teresse des<br />

Schülers so groß, dass er sich kaum am <strong>Unterricht</strong> beteiligt. Trotzdem besteht er den ersten<br />

Test mit e<strong>in</strong>er befriedigenden Leistung. Während der <strong>Unterricht</strong>sstrecke durchläuft der<br />

Proband e<strong>in</strong>en überbetrieblichen Kurs zur Steuerungstechnik. Erst nach Beendigung dieses<br />

Kurses ist der Auszubildende bereit, auch an dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> aktiv<br />

teilzunehmen. Die aufgrund der anfänglichen Schwierigkeiten fehlenden Inhalte holt der<br />

Schüler sehr schnell nach und erzielt dabei gute bis sehr gute Ergebnisse.<br />

Für den Lernenden ist Lehrerunterstützung <strong>in</strong>sofern wichtig, als e<strong>in</strong> zu großer Freiraum<br />

schnell wieder zu Des<strong>in</strong>teresse und zu nachlassender Motivation führen würde. Ansonsten<br />

zeigt sich der Proband sehr begabt und sche<strong>in</strong>t sowohl mit dem Stoff, als auch mit den<br />

Lernbed<strong>in</strong>gungen ke<strong>in</strong>e Schwierigkeiten zu haben. Zusätzliche Aufgaben könnte er leicht<br />

bewältigen, würde durch die Mehrarbeit aber wieder <strong>in</strong> Lustlosigkeit vers<strong>in</strong>ken. Insofern<br />

würde es sich auch hier anbieten, mit dem Schüler beispielsweise <strong>in</strong>tensive Fachgespräche zu<br />

führen, die darauf abzielen sollten, neben dem Wissenserwerb <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>e Motivation<br />

zu fördern. Vorstellbar wäre es auch, den Schüler mit e<strong>in</strong>em leistungsschwachen, jedoch<br />

eifrigen Partner <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Gruppe e<strong>in</strong>zuteilen. Auch dies trägt ggf. zu se<strong>in</strong>er Motivation bei.<br />

Dies ist <strong>in</strong>sbesondere deshalb zu empfehlen, weil sich der Schüler durchaus kommunikativ<br />

zeigt und andere Lernende bereitwillig unterstützt. Jegliche Art von Aufgabe, die nur<br />

mittelbar se<strong>in</strong>em Lernfortschritt dient, könnte demgemäß die Entwicklung des Schülers


9 Beurteilung der Ergebnisse 259<br />

fördern, e<strong>in</strong>erseits h<strong>in</strong>sichtlich der im <strong>Unterricht</strong> geforderten Lernziele, andererseits aber auch<br />

h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stellung gegenüber dem Lernen im Allgeme<strong>in</strong>en.<br />

9.2.9 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4B/I<br />

Der Schüler ist trotz anfänglicher Schwierigkeiten <strong>in</strong> hohem Maße für e<strong>in</strong> <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

mit Selbststeuerung geeignet. Er f<strong>in</strong>det sich nach e<strong>in</strong>iger Zeit <strong>in</strong> die Thematik e<strong>in</strong> und erzielt<br />

sehr gute Ergebnisse. Die anfänglichen Schwierigkeiten lassen sich auf e<strong>in</strong>e Überforderung<br />

durch Eigenverantwortlichkeit gerade zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Unterricht</strong>sstrecke zurückführen. Da<br />

sowohl die Thematik ‚Elektropneumatik’ als auch die <strong>Unterricht</strong>ssituation e<strong>in</strong>e zu große<br />

Herausforderung für den Schüler darstellen, verweigert er anfangs nahezu die Arbeit. Er<br />

müsste daher sukzessive <strong>in</strong> die Eigenverantwortlichkeit entlassen werden. Das heißt, e<strong>in</strong>e zu<br />

Beg<strong>in</strong>n der <strong>Unterricht</strong>sstrecke verstärkte Lehrerunterstützung könnte im weiteren Verlauf<br />

immer mehr zurückgenommen werden. Hier wäre e<strong>in</strong> Scaffold<strong>in</strong>g und Fad<strong>in</strong>g, wie es Coll<strong>in</strong>s,<br />

Brown und Newman <strong>in</strong> ihrem konstruktivistischen Instruktionsansatz ‚Cognitive Apprenticeship’<br />

lehren e<strong>in</strong> probates Mittel, den Auszubildenden immer mehr <strong>in</strong> den <strong>Unterricht</strong>sverlauf<br />

zu <strong>in</strong>tegrieren. Der Schüler bestätigt die Überforderung, weil er nach eigener Aussage<br />

beispielsweise den Begriff ‚Elektropneumatik’ nicht e<strong>in</strong>ordnen kann. Dies führt zu der oben<br />

beschriebenen Arbeitsverweigerung. Die positive E<strong>in</strong>stellung des Schülers gegenüber e<strong>in</strong>er<br />

während der <strong>Unterricht</strong>sstrecke durchlaufenen überbetrieblichen Ausbildung ist wohl darauf<br />

zurückzuführen, dass der Proband bereits <strong>in</strong> der Berufsschule erste Erfahrung sammeln<br />

konnte. E<strong>in</strong>e anfängliche Überforderung ergibt sich daher <strong>in</strong> der überbetrieblichen Ausbildung<br />

nicht mehr.<br />

Der Auszubildende bestätigt mehrfach, für e<strong>in</strong> erfolgreiches selbstgesteuertes Lernen die<br />

Unterstützung der Lehrkraft zu benötigen, <strong>in</strong>sbesondere, um den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> neue Themengebiete<br />

zu f<strong>in</strong>den. Dieser Halt ist <strong>in</strong> der Tat für den Schüler wichtig, auch wenn er im Wesentlichen<br />

eigenverantwortlich arbeitet. Nur so lässt sich das Interesse des Probanden aufrechterhalten.<br />

Wichtig für den Schüler ist es, <strong>in</strong>sbesondere von der Lehrkraft ernst genommen zu werden.<br />

Erst dann entfaltet sich se<strong>in</strong> Können. Es würde sich durchaus anbieten, den Schüler mehrfach<br />

zur Unterstützung Leistungsschwacher e<strong>in</strong>zusetzen. Dadurch könnte er die Thematik selbst<br />

vertiefen und würde vermutlich das eigene Fortkommen aufgrund motivationaler Aspekte<br />

forcieren.<br />

9.2.10 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5A/I<br />

Der ruhige, verantwortungsbewusste Schüler kann <strong>in</strong> dem <strong>Unterricht</strong>konzept mit e<strong>in</strong>em hohen<br />

Grad an geforderter Eigenverantwortlichkeit <strong>in</strong>sbesondere se<strong>in</strong>e fachlichen Kenntnisse sowie<br />

se<strong>in</strong>e personalen und sozialen Fähigkeiten entfalten. Der Auszubildende bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em geeigneten Gruppenverband, da se<strong>in</strong> leistungsschwächerer Partner aufgrund der<br />

Fähigkeiten des Probanden selbst gute Ergebnisse erzielen kann. Im Übrigen treten ke<strong>in</strong>e<br />

nennenswerten Ereignisse auf.


260 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

9.2.11 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5B/I<br />

Der motivierte Schüler kommt dann mit e<strong>in</strong>em auf Selbststeuerung aufbauenden <strong>Unterricht</strong><br />

zurecht, wenn er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geeigneten Gruppenverband die entsprechende Unterstützung<br />

f<strong>in</strong>det. Diese ist <strong>in</strong> diesem Falle gegeben, so dass der Proband unter anderem aufgrund der<br />

besonderen Fähigkeiten se<strong>in</strong>es Gruppenpartners gute Ergebnisse erzielen kann. Insbesondere<br />

fordert der Proband von se<strong>in</strong>em Partner Unterstützung h<strong>in</strong>sichtlich der Vermittlung theoretischer<br />

Zusammenhänge e<strong>in</strong>. Solange die Hilfestellung durch se<strong>in</strong>en Mitschüler gewährleistet<br />

ist, benötigt der Lernende ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Unterstützung durch die Lehrkraft. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

befürwortet er die Darstellung grundlegender Sachverhalte als E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> neue Themengebiete<br />

gerade durch den Pädagogen.<br />

Es lässt sich also festhalten, dass der Schüler dann gute Ergebnisse erzielt, wenn die<br />

theoretische Basis durch zusätzliche Maßnahmen, beispielsweise durch die Mithilfe e<strong>in</strong>es<br />

kompetenten Schülers gefestigt wird. Auch von der Lehrkraft durchgeführte Frontalphasen<br />

könnten hier die entsprechende Hilfestellung leisten. Das ausschließliche Erarbeiten<br />

theoretischer Sachverhalte mit Hilfe von Informationsmaterial ist nicht zu empfehlen, weil der<br />

Auszubildende hier leicht überfordert werden würde.<br />

9.2.12 Bewertung und Empfehlung für Schüler 6A/I<br />

Der äußerst leistungsstarke Schüler hat ke<strong>in</strong>erlei Schwierigkeiten mit dem <strong>Unterricht</strong>, weder<br />

auf fachlicher noch auf organisatorischer Ebene. Das e<strong>in</strong>zige Problem könnte bestenfalls <strong>in</strong><br />

der Unterforderung des Schülers bestehen, so dass dieser gelangweilt das Interesse an<br />

konzentrierter Arbeit verliert. Die geforderten Aufgaben bewältigt der Schüler sehr schnell<br />

und weiß dann mit der verbleibenden Zeit oftmals nichts anzufangen, es sei denn, er<br />

unterstützt andere Gruppen.<br />

Insofern würden sich hier <strong>in</strong> jedem Falle zusätzliche Aufgabenstellungen anbieten, die den<br />

Schüler weiter beschäftigen. Gegebenenfalls wäre dann jedoch mit e<strong>in</strong>er Arbeitsverweigerung<br />

zu rechnen, weil der Proband den Mehraufwand gegenüber den übrigen Schülern als<br />

ungerechtfertigt empf<strong>in</strong>den würde. Da sich se<strong>in</strong> Gruppenpartner ebenfalls sehr leistungsstark<br />

zeigt, könnte die Gruppe zum<strong>in</strong>dest temporär aufgeteilt und leistungsschwachen Gruppen<br />

zugeordnet werden. Beispielsweise hätte der Proband dann die Aufgabe, bereits von ihm<br />

abgehandelte Themengebiete mit anderen Schülern zu erarbeiten. Der Schüler unterstützt<br />

bereits von sich aus andere Gruppen, e<strong>in</strong>e gezielte Anweisung diesbezüglich könnte allerd<strong>in</strong>gs<br />

die Motivation des Lernenden erheblich steigern. Für diese unterstützenden Maßnahmen ist<br />

auf jeden Fall e<strong>in</strong>e zeitliche Begrenzung e<strong>in</strong>zuplanen, damit der Schüler nicht das Interesse<br />

verliert.<br />

9.2.13 Bewertung und Empfehlung für Schüler 6B/I<br />

Es zeigen sich ke<strong>in</strong>erlei Schwierigkeiten bei der Bewältigung des <strong>Unterricht</strong>s, weder auf<br />

fachlicher noch auf organisatorischer Ebene. Der Schüler ist äußerst leistungsstark und<br />

bewältigt die Anforderungen problemlos. Er würde allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e verstärkte Unterstützung<br />

durch die Lehrkraft h<strong>in</strong>sichtlich theoretischer Zusammenhänge begrüßen. Da sich der Schüler


9 Beurteilung der Ergebnisse 261<br />

– ähnlich wie se<strong>in</strong> Gruppenpartner – aufgrund Unterforderung oftmals gelangweilt fühlt,<br />

würden sich auch hier zusätzliche Aufgabenstellungen anbieten, den Schüler weiter zu<br />

motivieren. Die zusätzlichen Aufgaben sollten bevorzugt als Fachgespräche mit der Lehrkraft<br />

zu sehen se<strong>in</strong>, damit der Schüler hier se<strong>in</strong> Wissen präsentieren kann, ohne das Gefühl zu<br />

haben, e<strong>in</strong> gegenüber den Mitschülern größeres Arbeitspensum bewältigen zu müssen.<br />

Weiterführende Fachgespräche mit der Lehrkraft ersche<strong>in</strong>en deshalb als s<strong>in</strong>nvoll, weil der<br />

Schüler dies nach eigener Aussage selbst begrüßen würde. So könnten beispielsweise<br />

Alternativlösungen oder aber auch auf vorhandene Lösungen aufbauende Weiterentwicklungen<br />

gefordert werden. Wie bereits bei Schüler 6A/I beschrieben, würde der zeitweise E<strong>in</strong>satz<br />

des Probanden zur Unterstützung Leistungsschwacher dessen Motivation fördern.<br />

9.2.14 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1A/II<br />

Der unauffällige Schüler kommt im Wesentlichen gut mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept zurecht. Es<br />

zeigen sich jedoch dann Probleme, wenn er die gegebenen Freiräume <strong>in</strong> negativem S<strong>in</strong>ne<br />

ausnutzt, statt daraus Vorteile zu ziehen. Der Proband neigt nämlich dazu, angebotene<br />

Hilfestellungen dann nicht anzunehmen, wenn deren Umsetzung nicht kontrolliert wird. Es<br />

lässt sich vermuten, dass der Schüler die Frontalphase deshalb befürwortet, weil er hier <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er passiven Rolle Informationen präsentiert bekommt. Insofern spricht sich der Lernende<br />

für e<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung aus, die <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Vermittlung theoretischer<br />

Grundlagen anzusiedeln wäre.<br />

Generell lässt sich festhalten, dass der Schüler verstärkt angeleitet werden muss, um die<br />

Möglichkeiten des <strong>Unterricht</strong>s voll ausschöpfen zu können. Der Lehrer sollte hier immer<br />

wieder die Arbeitsweise und den Lernfortschritt des Auszubildenden überprüfen. Geeignet<br />

hierfür sche<strong>in</strong>en verstärkt Fachgespräche zusammen mit dem Pädagogen.<br />

9.2.15 Bewertung und Empfehlung für Schüler 1B/II<br />

Der Proband kommt im Wesentlichen mit den Anforderungen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong>skonzeptes zurecht, Probleme ergeben sich allerd<strong>in</strong>gs aufgrund se<strong>in</strong>er äußerst<br />

unmotivierten Arbeitsweise. Obige Ausführungen zu Schüler 1A/II lassen sich im Pr<strong>in</strong>zip<br />

auch auf diesen Schüler übertragen, d. h. auch hier ist e<strong>in</strong>e verstärkte Unterstützung und<br />

Anleitung durch die Lehrkraft notwendig. Auftretende Probleme werden von dem Lernenden<br />

nicht oder nur selten selbstständig behoben. Vielmehr stellt der Schüler die Arbeit so lange<br />

e<strong>in</strong>, bis der Pädagoge e<strong>in</strong>e etwaige Problemlösung anleitet.<br />

Das Entlassen des Schülers <strong>in</strong> die Selbstständigkeit führt nicht zu den gewünschten Erfolgen.<br />

Es sollte daher überlegt werden, den Probanden mit e<strong>in</strong>em anderen Gruppenpartner auszubilden,<br />

beispielsweise mit e<strong>in</strong>em leistungsbereiten, nicht jedoch leistungsstärkeren Schüler.<br />

Zum<strong>in</strong>dest aber müssen die geforderten Aufgaben <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Schritten vorgegeben und unter<br />

<strong>in</strong>tensiver Betreuung deren Lösung e<strong>in</strong>gefordert werden. Nur so lässt sich e<strong>in</strong>e Überforderung<br />

des Schülers vermeiden. E<strong>in</strong> umfassender Leittext stellt e<strong>in</strong>e zu große, für den Schüler nicht<br />

überschaubare Hürde dar.


262 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

9.2.16 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2A/II<br />

Dem eher zurückhaltenden und schüchternen Probanden kommt das <strong>Unterricht</strong>skonzept dah<strong>in</strong><br />

gehend entgegen, dass er nach eigener Maßgabe lernen kann. Wichtig für den Schüler ist e<strong>in</strong>e<br />

angstfreie und entspannte Lernatmosphäre, um die Anforderungen bewältigen zu können.<br />

Trotzdem benötigt der Schüler e<strong>in</strong> hohes Maß an Lehrerunterstützung, weil e<strong>in</strong> Fortschritt nur<br />

langsam und schrittweise stattf<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong> regelmäßiges Feedback durch die Lehrkraft ist<br />

notwendig, um etwaige Unsicherheiten auszugleichen und das Selbstvertrauen des Schülers<br />

zu stärken.<br />

Wichtig für den Lernenden ist zudem e<strong>in</strong> Gruppenpartner mit e<strong>in</strong>em dem des Probanden<br />

entsprechenden Leistungsniveau. Die Möglichkeit der geme<strong>in</strong>samen Aufgabenbewältigung<br />

lässt den Schüler Unsicherheiten überw<strong>in</strong>den und erlaubt ihm, gute bis befriedigende<br />

Leistungen zu erzielen.<br />

Problematisch zeichnet sich hier der Konkurrenzdruck gegenüber anderen Gruppen ab. Der<br />

Schüler versucht, die geforderten Aufgaben sehr schnell zu lösen, um e<strong>in</strong> Zurückbleiben<br />

h<strong>in</strong>ter anderen Gruppen zu vermeiden. Dies bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e zum Teil nur oberflächliche<br />

Bearbeitung der Aufgaben und damit e<strong>in</strong>en lückenhaften Wissenserwerb. Auch hier ist die<br />

Präsenz des Pädagogen gefordert, um den Schüler zu unterstützen und Unsicherheiten zu<br />

nehmen. Gerade <strong>in</strong> diesem Falle würde es sich aber auch anbieten, leistungsstarke Schüler zur<br />

Unterstützung des Probanden zum<strong>in</strong>dest zeitweise zuzuordnen. Damit könnten auf ‚Schülerebene’<br />

Defizite sanft beseitigt werden.<br />

9.2.17 Bewertung und Empfehlung für Schüler 2B/II<br />

Der Schüler gibt sich sehr zurückhaltend. Insofern fordert ihn der durchlaufene <strong>Unterricht</strong>,<br />

ermöglicht ihm aber auch das Entdecken eigener Fähigkeiten. Der Schüler spricht sich<br />

deshalb für diese Art von <strong>Unterricht</strong> aus und kann aufgrund se<strong>in</strong>er motivierten Arbeitsweise<br />

zum Teile gute Leistungen erbr<strong>in</strong>gen. Wichtig für den Probanden ist e<strong>in</strong>e angenehme,<br />

stressfrei Lernatmosphäre mit e<strong>in</strong>em hohen Grad an Lehrerunterstützung. Nur so ist e<strong>in</strong><br />

stetiges Fortkommen gewährleistet.<br />

Die Gruppenarbeit kommt dem Auszubildenden sehr entgegen, weil diese zu e<strong>in</strong>er angenehmen<br />

Lernatmosphäre beiträgt. Vermutlich traut sich der Schüler gerade <strong>in</strong> diesem Umfeld<br />

mehr zu, als dies beispielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em traditionellen <strong>Unterricht</strong> der Fall wäre. Dafür spricht<br />

auch die Ablehnung frontalunterrichtlicher Phasen. Der Proband gibt zwar an, im Klassenverband<br />

nicht konzentriert arbeiten zu können, es zeigen sich aber vielmehr Defizite h<strong>in</strong>sichtlich<br />

mangelnder Durchsetzungsfähigkeit des Schülers ab. Im Klassenverband geht der Schüler<br />

leicht unter, weil se<strong>in</strong>e spezifischen Probleme nicht behandelt werden können.<br />

Der Schüler schätzt den untersuchten <strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Ausprägungen. Ausprägung<br />

me<strong>in</strong>t hier sowohl das Verhältnis Selbsterarbeitung – Unterstützung durch die Lehrkraft, als<br />

auch die Medienausgestaltung. Für den Probanden eignet sich e<strong>in</strong> handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong> <strong>in</strong> hohem Maße, auch schwierige Sachverhalte nachhaltig zu erarbeiten. Das<br />

selbstständige Arbeiten trägt e<strong>in</strong>en großen Teil zur Nachhaltigkeit bei, <strong>in</strong>sbesondere auch<br />

deshalb, weil der Schüler <strong>in</strong> diesem <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Motivation zeigt. Mit<br />

zunehmendem Schwierigkeitsgrad sollte sich jedoch e<strong>in</strong>e ausgeprägtere Unterstützung durch<br />

die Lehrkraft abzeichnen, um e<strong>in</strong>e Überforderung des Schülers zu vermeiden. Da sich der


9 Beurteilung der Ergebnisse 263<br />

Schüler für das Lehrer-Schüler-Gespräch ausspricht und dieses bei schwierigeren Sachverhalten<br />

auch gerne annimmt, bietet sich hier e<strong>in</strong>e gute Möglichkeit, mit dem Schüler zusammen<br />

Defizite beizulegen. Der Proband kann also sehr gut <strong>in</strong> die Selbstständigkeit entlassen<br />

werden, aufgrund se<strong>in</strong>er eher zurückhaltenden Natur ist aber von Seiten des Pädagogen darauf<br />

zu achten, wann e<strong>in</strong>e Unterstützung notwendig ist.<br />

Da der Proband weder berufsschulische, noch betriebliche bzw. überbetriebliche Erfahrung<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Thematik ‚Steuerungstechnik’ und des <strong>Unterricht</strong>skonzepts aufweisen kann,<br />

fühlt er sich gegenüber anderen Gruppen im Nachteil. Es lässt sich des Öfteren beobachten,<br />

dass der Arbeitsverlauf der Nachbargruppen von dem Probanden und se<strong>in</strong>em Partner verfolgt<br />

wird. E<strong>in</strong>e ungenügende Bearbeitung fakultativer Aufgaben, hier z. T. die Wissenskontrollblätter,<br />

dient dann dazu, e<strong>in</strong>en etwaigen Rückstand gegenüber anderen Gruppen zu kompensieren,<br />

auch wenn der Schüler den Nutzen des Wissenskontrollblattes erkennt. Gerade weil<br />

der Schüler den <strong>Unterricht</strong> im Gruppenverband schätzt und anhand der Diskussionsmöglichkeiten<br />

mit se<strong>in</strong>em Partner lernt, müsste der Pädagoge hier e<strong>in</strong>em gruppenübergreifenden<br />

Konkurrenzdenken entgegenwirken und die Bedenken des Lernenden ausgleichen. E<strong>in</strong><br />

häufiger Partnertausch ist nicht zu empfehlen, weil sich der Schüler <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe mit<br />

e<strong>in</strong>em geeigneten Partner aus e<strong>in</strong>er ihn beh<strong>in</strong>dernden Zurückhaltung h<strong>in</strong>aus entwickelt und<br />

somit gute bis befriedigende Leistungen erzielen kann. Ebenso wie bei Schüler 2A/II<br />

beschrieben, könnte auch hier e<strong>in</strong> leistungsstarker Schüler Defizite mit dem Probanden und<br />

se<strong>in</strong>em Gruppenpartner ausräumen.<br />

9.2.18 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3A/II<br />

Der Proband hat Schwierigkeiten mit se<strong>in</strong>en Mitschülern. Insofern stellt sich für ihn der<br />

handlungsorientierte <strong>Unterricht</strong> zum<strong>in</strong>dest auf sozialer Ebene problematisch dar. Trotzdem ist<br />

der Schüler sehr engagiert und erzielt deshalb gute Ergebnisse. Das Favorisieren frontalunterrichtlicher<br />

Phasen bzw. <strong>in</strong>tensiver Erläuterungen durch die Lehrkraft könnte auf e<strong>in</strong> mangelndes<br />

Sozialverhalten zurückzuführen se<strong>in</strong>. Während e<strong>in</strong>er Frontalsequenz ist der Proband<br />

nämlich nicht gezwungen, mit anderen Schülern zusammenzuarbeiten.<br />

Für die Lehrkraft gilt es hier also, die zwischenmenschlichen Aspekte zu beobachten und ggf.<br />

Schwierigkeiten auszuräumen. Nur so ist bei dem Schüler e<strong>in</strong> guter Lernfortschritt zu<br />

gewährleisten. Der Forderung des Schülers nach e<strong>in</strong>er verstärkten Lehrerunterstützung sollte<br />

nicht <strong>in</strong> vollem Umfange nachgegeben werden, weil der Lernende durchaus <strong>in</strong> der Lage ist,<br />

auch schwierigere Sachverhalte selbstständig zu bearbeiten. Bei zu großen Schwierigkeiten ist<br />

ggf. e<strong>in</strong> Gruppenwechsel <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen.<br />

9.2.19 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3B/II<br />

Der Schüler ist <strong>in</strong> hohem Maße für diese Art von <strong>Unterricht</strong> geeignet. Das ist zum e<strong>in</strong>en durch<br />

die Leistungsfähigkeit, zum anderen aber auch durch die Leistungsbereitschaft des Schülers<br />

begründet. Die Fachkompetenz des Probanden wäre beispielsweise durch vermehrte<br />

Fachgespräche zwischen Lehrer und Schüler auszubauen. Gleichzeitig könnte so e<strong>in</strong>e<br />

überschüssige Energie des aktiven Schülers s<strong>in</strong>nvoll genutzt werden. Im Wesentlichen ist der


264 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

Schüler also <strong>in</strong> die Selbstständigkeit zu entlassen, so dass hier das Maß der Unterstützung<br />

durch die Lehrkraft reduzierbar ist.<br />

9.2.20 Bewertung und Empfehlung für Schüler 3C/II<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip lassen sich für diesen Schüler obige Ausführungen zu Schüler 3B/II wiederholen.<br />

Wichtig für diesen Schüler ist es, se<strong>in</strong>e überschüssige Energie mit weiterführenden Aufgaben,<br />

beispielsweise im Rahmen von Fachgesprächen zwischen Lehrer und Schüler s<strong>in</strong>nvoll zu<br />

nutzen. Die von dem Probanden angesprochenen Schwierigkeiten bzgl. der Gruppenzusammensetzung<br />

schmälern die Leistungsfähigkeit des Lernenden nicht.<br />

9.2.21 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4A/II<br />

Dem Probanden kommt e<strong>in</strong> handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> sehr entgegen. Insbesondere<br />

kann der Schüler aufgrund des selbstständigen Arbeitens motiviert und damit zu im Wesentlichen<br />

guten Leistungen angeregt werden. Trotz allem wirkt der Auszubildende oft unkonzentriert<br />

und stellt die Arbeit gelegentlich ganz e<strong>in</strong>. Aufgrund der extrovertierten Art des Schülers<br />

und se<strong>in</strong>er oftmals an den Tag gelegten Selbstüberschätzung sollte der Pädagoge hier<br />

versuchen, e<strong>in</strong>e überschüssige Energie des Probanden gew<strong>in</strong>nbr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>zusetzen. Fraglich<br />

ist jedoch, welche Maßnahmen zu ergreifen wären, um den Schüler zu fordern. In Fachgesprächen<br />

mit der Lehrkraft zeigt sich, dass der Lernende versucht, mangelnde Kenntnisse<br />

durch forsches Auftreten zu kompensieren. E<strong>in</strong> wirklicher Tiefgang sche<strong>in</strong>t aufgrund<br />

mangelnder Konzentration oftmals nicht gegeben. Fachgespräche sollten sich deshalb auf<br />

Grundlagen beschränken, d. h. auf e<strong>in</strong>e Wiederholung der für das Verständnis wichtigen<br />

theoretischen Zusammenhänge. E<strong>in</strong>e solide Wissensbasis ermöglicht dem Schüler dann, auch<br />

schwierige Sachverhalte nachhaltig zu erarbeiten. Es lässt sich vermuten, dass e<strong>in</strong> profundes<br />

Wissens die Leistungsbereitschaft steigert.<br />

9.2.22 Bewertung und Empfehlung für Schüler 4B/II<br />

E<strong>in</strong> umfassendes Bild des Schülers lässt sich nicht wiedergeben, da der Proband an vier<br />

<strong>Unterricht</strong>stagen fehlt und daher nur die erste Hälfte der <strong>Unterricht</strong>sstrecke durchläuft. Den<br />

Anschluss f<strong>in</strong>det der Schüler gegen Ende der <strong>Unterricht</strong>sstrecke nicht mehr. Die Gründe für<br />

das häufige Fehlen werden von der Verfasser<strong>in</strong> vorliegender Arbeit nicht h<strong>in</strong>terfragt.<br />

9.2.23 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5A/II<br />

Die Aussagen des Schülers h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>es Engagements <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong><br />

lassen sich anhand der gemachten Beobachtungen im Wesentlichen verifizieren. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

der von dem Probanden beschriebenen mangelnden Motivation ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e differenzierte<br />

Betrachtungsweise aufzuzeigen. In der Tat lässt sich der Lernende durch se<strong>in</strong>e<br />

Mitschüler ‚mitziehen’, weil er im Laufe der <strong>Unterricht</strong>sstrecke den Anschluss verliert. Der


9 Beurteilung der Ergebnisse 265<br />

Schüler kommt dann mit der Thematik nicht mehr zurecht, beteiligt sich aber immer noch an<br />

der Erarbeitung der Aufgabenstellungen. Abschlusstest 8 spiegelt dann die Problematik wider.<br />

Für diesen Schüler ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Betreuung durch die Lehrkraft zw<strong>in</strong>gen notwendig.<br />

Insbesondere müssen wesentliche Grundlagen geme<strong>in</strong>sam mit dem Schüler erarbeitet und<br />

se<strong>in</strong>e Leistungsbereitschaft zw<strong>in</strong>gend überprüft werden. Da der Lernende die praktische<br />

Arbeit präferiert, ist er aufgrund fehlender theoretischer Kenntnisse gezwungen, durch<br />

‚Versuch und Irrtum’ zu arbeiten. Dies führt dazu, dass auch der praktische Anteil <strong>in</strong>nerhalb<br />

des letzten Abschlusstests nur unzureichend bearbeitet werden kann.<br />

Aufgrund nicht von dem Schüler zu verantwortender Umstände (vgl. hierzu Übersicht 7-5,<br />

Kapitel 7) ist dieser gezwungen, die zweite Hälfte der <strong>Unterricht</strong>sstrecke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dreiergruppe<br />

zu durchlaufen. E<strong>in</strong>e damit verbundene starke Arbeitsteilung unterb<strong>in</strong>det den Wissenserwerb<br />

theoretischer Inhalte nahezu vollständig, der Schüler konzentriert sich nun ausschließlich<br />

auf die praktische Arbeit. Der Auszubildende sollte deshalb nur <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Zweiergruppe<br />

arbeiten, damit der Forderung nach e<strong>in</strong>er theoretischen Erarbeitung der Themen<br />

nachgekommen wird.<br />

9.2.24 Bewertung und Empfehlung für Schüler 5B/II<br />

Der Proband ist sehr engagiert, verliert sich aber oftmals im Detail. Nachdem sich während<br />

der zweiten Hälfte der <strong>Unterricht</strong>sstrecke Schüler 4A/II der Gruppe des Probanden anschließt,<br />

wird dem Probanden Arbeitsteilung aufgezwungen. Dies führt zu e<strong>in</strong>er ausschließlich<br />

theoretischen Erarbeitung der Sachverhalte und zu e<strong>in</strong>er erheblichen Unzufriedenheit des<br />

Schülers.<br />

Wichtig für den Schüler ist die <strong>in</strong>tensive Betreuung der Lehrkraft h<strong>in</strong>sichtlich der praktischen<br />

Tätigkeit. Da der dom<strong>in</strong>ante Schüler 4A/II die Praxis favorisiert, hat der Proband kaum<br />

Gelegenheit diesbezüglich Kenntnisse zu erwerben. Der Proband wechselt gegen Ende der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke die Gruppe und schließt sich eher zurückhaltenderen Mitschülern an. Es<br />

gilt deshalb festzuhalten, dass der Lernende zw<strong>in</strong>gend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zweiergruppe untergebracht<br />

werden muss. E<strong>in</strong> Lernfortschritt darf nicht durch äußere Umstände, wie z. B. die Erkrankung<br />

e<strong>in</strong>es Mitschülers und damit verbundene Umstrukturierungen, zu ungünstigen Lernbed<strong>in</strong>gungen<br />

führen. Der Schüler würde dann <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s<br />

vermutlich deutlich bessere Leistungen zeigen.<br />

9.3 Zusammenfassung<br />

Wie <strong>in</strong>sbesondere aus Kapitel 8 ersichtlich, führt die Darstellung von Aussagen und<br />

Me<strong>in</strong>ungen zu e<strong>in</strong>em umfassenden Gesamtbild für jeden e<strong>in</strong>zelnen Probanden. Insofern<br />

erfordert die Durchdr<strong>in</strong>gung der Denkart e<strong>in</strong>es Schülers auch die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit<br />

dem E<strong>in</strong>zelfall. Die Ergebnisdarstellung und -beurteilung wird deshalb als E<strong>in</strong>heit betrachtet,<br />

wobei das Verständnis der Beurteilung erst mit Hilfe der Ergebnisdarstellung erreicht wird.<br />

Umgekehrt kann dem Leser e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfall nur dann näher gebracht werden, wenn er sich<br />

neben der Ergebnisdarstellung auch mit der Beurteilung ause<strong>in</strong>andersetzt.


266 9 Beurteilung der Ergebnisse<br />

Ziel der Darstellung ist es, Eigenarten von Lernenden aufzudecken und diese im H<strong>in</strong>blick auf<br />

das Lernumfeld zu <strong>in</strong>terpretieren. Dabei wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt die subjektive E<strong>in</strong>schätzung<br />

soweit <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund gedrängt, dass die Schüleraussagen möglichst orig<strong>in</strong>algetreu<br />

wiedergegeben werden. Die Abstraktion der ursprünglichen Aussagen erlaubt es dem Leser<br />

jedoch, die Kernaussagen möglichst schnell und tief greifend zu erfassen.<br />

Die <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzung des Forschers mit dem Forschungsfeld, das heißt mit den<br />

Probanden <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Unterricht</strong>sstrecke, erlaubt schließlich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung der<br />

Aussagen auf e<strong>in</strong>er Ebene, die versucht, e<strong>in</strong>e Hilfestellung für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

zu geben.


10 Übergreifende Beurteilung 267<br />

10 ÜBERGREIFENDE BEURTEILUNG<br />

Der Untersuchungsplan <strong>in</strong> Kapitel 6 sieht abschließend das Auff<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es größeren<br />

Zusammenhangs aus den untersuchten E<strong>in</strong>zelfällen vor. Dabei steht jedoch immer im<br />

Vordergrund, dass es nicht Ziel vorliegender Arbeit ist, die E<strong>in</strong>zelfälle nach e<strong>in</strong>er aufwändigen<br />

Bearbeitung zur E<strong>in</strong>zelfalldarstellung wieder <strong>in</strong> die Anonymität zurückzuführen. Die<br />

E<strong>in</strong>zelfälle, das heißt die Individuen der Betrachtung, dürfen bei der Verallgeme<strong>in</strong>erung nicht<br />

aus den Augen verloren werden, da diese die Grundlage für die Empfehlungen bilden.<br />

Insofern ist das Auff<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es größeren Zusammenhangs e<strong>in</strong> Versuch, aus den Erfahrungen<br />

mit den Schülern auf e<strong>in</strong> künftiges Vorgehen zu schließen und allgeme<strong>in</strong>e Empfehlungen für<br />

weitere <strong>Unterricht</strong>sprojekte abzugeben. Das heißt, es sollen über Empfehlungen für die hier<br />

untersuchten Probanden h<strong>in</strong>aus (vgl. Kapitel 9) auch Anregungen für e<strong>in</strong>en künftigen<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>, auch im H<strong>in</strong>blick auf den <strong>in</strong> Kapitel 2 genannten bisherigen<br />

Forschungsstand gegeben werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu klären, welche der <strong>in</strong>dividuellen Aussagen der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Probanden e<strong>in</strong>er übergreifenden Aussagekategorie (Bestimmungsgrößen) zugeordnet werden<br />

können. Letztendlich zielt dieser letzte Auswertungsschritt darauf, fallbezogene Ergebnisse<br />

auf dem Wege der Induktion zu subsumieren. Dieser Auswertungsschritt führt zu e<strong>in</strong>er<br />

eigenen Qualitätsstufe der Ergebnisse dieser Arbeit, die mit den zwei vorausgegangenen<br />

Auswertungsschritten nicht erreicht worden wäre. E<strong>in</strong> erster Auswertungsschritt betrachtet<br />

den E<strong>in</strong>zelfall möglichst objektiv (Kapitel 8), beurteilt ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Auswertungszugang<br />

(Kapitel 9) und stellt aus dieser Beurteilung (die im Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>e Bewertung des<br />

E<strong>in</strong>zelnen bzw. des E<strong>in</strong>zelfalls be<strong>in</strong>haltet) den Gesamtzusammenhang her. Die eigentliche<br />

Induktion erfolgt also durch den Übergang von Kapitel 9 zu Kapitel 10. Auf der Grundlage<br />

der Betrachtung und <strong>in</strong>sbesondere der Bewertung des E<strong>in</strong>zelfalls lassen sich relevante<br />

Aussagen für die Zuordnung zu übergreifenden Kategorien feststellen und tendenziell <strong>in</strong><br />

verallgeme<strong>in</strong>erbare Aussagen überführen.<br />

Im Detail heißt dies, mit der übergreifenden Beurteilung wird nun aufgedeckt, welche<br />

Folgerungen sich aus der bewerteten Beurteilung (Kapitel 9) für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

erschließen (vgl. Kapitel 3, Forschungsfrage 3). Diese Frage wird e<strong>in</strong>erseits dadurch<br />

beantwortet, dass die Bewertung des E<strong>in</strong>zelfalls überhaupt erst erkennen lässt, ob er e<strong>in</strong>er<br />

Verallgeme<strong>in</strong>erung zugänglich ist. Kann dies bejaht werden, so können die mit Forschungsfrage<br />

3 angesprochenen Empfehlungen herausgearbeitet werden. Dabei sei ausdrücklich<br />

angemerkt, dass auch die Beurteilung der Ergebnisse <strong>in</strong> Kapitel 9 bereits auf die Beantwortung<br />

dieser Forschungsfrage abzielt. Die dort ausgesprochenen Empfehlungen für die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Schüler können ebenfalls richtungweisend für weitere <strong>Unterricht</strong>svorhaben se<strong>in</strong>, da<br />

sich Eigenschaften der <strong>in</strong> der hier vorliegenden Untersuchung aufgezeigten Typen m<strong>in</strong>destens<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Aspekten auch bei anderen Schülern wieder f<strong>in</strong>den werden.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Bestimmungsgrößen werden nachfolgend zur Beantwortung der Frage noch<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>zeln aufgeführt und aus der Sicht der bisherigen Ergebnisse (Kapitel 8) und deren<br />

Beurteilung (Kapitel 9) erneut beleuchtet. Dabei wird <strong>in</strong> Kapitel 10.1 e<strong>in</strong>e übergreifende<br />

Beurteilung der Ergebnisse im H<strong>in</strong>blick auf die thematisierten Bestimmungsgrößen abgegeben,<br />

wobei explizit der Bogen zu Kapitel 2 gespannt und versucht werden soll, den Bezug zu<br />

dem dort beschriebenen Forschungsstand herzustellen. Kapitel 10.2 zeigt auf, <strong>in</strong>wieweit bei<br />

der Beantwortung der Forschungsfragen Lücken offen bleiben, d. h. ob ggf. e<strong>in</strong>e Beantwortung<br />

nicht vollständig möglich war und stellt als Resümee die wesentlichen Ergebnisse noch


268 10 Übergreifende Beurteilung<br />

e<strong>in</strong>mal zusammenfassend dar. Aufbauend auf diesen H<strong>in</strong>tergrund soll dann herausgearbeitet<br />

werden, <strong>in</strong>wieweit etwaige anschließende Forschungsarbeiten weitere Defizite abdecken<br />

könnten. Kapitel 10.3 fasst noch e<strong>in</strong>mal wesentliche Aspekte dieses Abschnittes zusammen.<br />

10.1 Übergreifende Beurteilung im H<strong>in</strong>blick auf die thematisierten<br />

Bestimmungsgrößen und Folgerungen für e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong><br />

<strong>Unterricht</strong><br />

Wie bereits <strong>in</strong> früheren Kapiteln aufgezeigt, wird im Folgenden der Term<strong>in</strong>us ‚Handlungsorientierter<br />

<strong>Unterricht</strong>’ (der eigentlich ke<strong>in</strong>e Bestimmungsgröße darstellt, sondern diese unter<br />

sich subsumiert), als eigene Bezugsgröße verwendet. Damit lassen sich theoretische Aspekte<br />

(allgeme<strong>in</strong>e, den <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> betreffende Kriterien), die ke<strong>in</strong>er Bestimmungsgröße<br />

zuordenbar s<strong>in</strong>d, ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kategorie aufnehmen. Es bleibt zu erwähnen,<br />

dass die Bestimmungsgrößen ‚Handlungssystematisches Vorgehen’ und ‚Innere Differenzierung’<br />

aufgrund ihres für die Schüler hohen Abstraktionsgrades nicht <strong>in</strong> den Katalog aufgenommen<br />

s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Thematisierung und e<strong>in</strong>e damit verbundene, für die Probanden<br />

geeignete Frageebene ließ sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht f<strong>in</strong>den.<br />

Die e<strong>in</strong>zelnen Bestimmungsgrößen werden nachfolgend noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>zeln aufgeführt und<br />

aus der Sicht der bisherigen Ergebnisse (Kapitel 8) und deren Beurteilung (Kapitel 9) erneut,<br />

losgelöst vom E<strong>in</strong>zelfall, beleuchtet.<br />

10.1.1 Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong><br />

Handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> zeigt sich als probates Mittel, die Fähigkeiten der Schüler<br />

aufzudecken und zu fördern. Die hier untersuchten 24 Probanden können bis auf wenige<br />

Ausnahmen zu guten Leistungen h<strong>in</strong>geführt werden, wobei sie gleichzeitig e<strong>in</strong> hohes Maß an<br />

Zufriedenheit erfahren. Die Schüler wirken sehr engagiert und versuchen mit großem<br />

Interesse die an sie gestellten Anforderungen zu bewältigen.<br />

Für die Lehrkraft bieten sich gerade im Rahmen dieses Konzeptes (vgl. Kapitel 5) viele<br />

Möglichkeiten, auch unmotivierte Auszubildende <strong>in</strong>tensiv <strong>in</strong> das <strong>Unterricht</strong>sgeschehen zu<br />

<strong>in</strong>tegrieren. Die vielfach zitierte Überforderung e<strong>in</strong>er Lehrkraft sowohl bei der Vorbereitung<br />

als auch bei der Durchführung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s lässt sich nach<br />

Umsetzung der Untersuchung nur bed<strong>in</strong>gt bestätigen. Wie sich gezeigt hat, ist die Lehrkraft<br />

durchaus stark gefordert, <strong>in</strong>sbesondere bei großen Schülerzahlen allen Schülern gleichermaßen<br />

gerecht zu werden. Dadurch kann zeitweise der Blick für gerade aktuelle Probleme und<br />

Schwierigkeiten e<strong>in</strong>zelner Schüler bzw. Gruppen verloren gehen. Dies lässt sich aber dadurch<br />

auffangen, dass der Pädagoge mit fortschreitender <strong>Unterricht</strong>sstrecke immer tiefer <strong>in</strong> das<br />

Geschehen e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt und die Erfahrungen sukzessive <strong>in</strong> die weitere Vorbereitung e<strong>in</strong>fließen<br />

lassen kann.<br />

Das H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den der Lehrkraft <strong>in</strong> die Lehr-Lern-Umgebung sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> wesentlicher Punkt<br />

bei der Vorbereitung und Durchführung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s zu se<strong>in</strong>. Die<br />

gesamte Lernstrecke ist immer wieder auf neue Aspekte und Erkenntnisse h<strong>in</strong> zu durchleuchten,<br />

so dass mit zunehmender Kenntnis des <strong>Unterricht</strong>sfeldes (Schüler, Thematik, Umgebungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

etc.) der Vorbereitungsaufwand abnimmt. Dies soll jedoch nicht heißen,


10 Übergreifende Beurteilung 269<br />

dass der Lehrer nun weniger Zeit für die Vorbereitung der e<strong>in</strong>zelnen <strong>Unterricht</strong>ssequenzen<br />

ansetzen soll. Vielmehr ist hier die Chance zu sehen, <strong>Unterricht</strong> effizient zu gestalten und auf<br />

die Adressaten h<strong>in</strong> auszulegen. Es zeigt sich während der untersuchten Lernstrecke, dass e<strong>in</strong>e<br />

Anpassung der Methodik an das Lernfeld, <strong>in</strong>sbesondere unter Berücksichtigung der Charaktere<br />

der Individuen, den <strong>Unterricht</strong> optimiert. Konkret heißt dies, dass e<strong>in</strong>e Grobplanung bereits<br />

vor Anlaufen der <strong>Unterricht</strong>sstrecke vorliegen sollte. Hier s<strong>in</strong>d z. B. Leittexte und die<br />

angestrebten Groblernziele (ggf. auch Fe<strong>in</strong>lernziele) angesprochen. Während des Durchlaufens<br />

der <strong>Unterricht</strong>sstrecke kann die Planung immer stärker konkretisiert und verfe<strong>in</strong>ert<br />

werden, so dass sich beispielsweise Änderungen der Leittexte, Neuformulierung der Fe<strong>in</strong>ziele<br />

oder auch grundlegende Modifikationen im Arbeitsablauf ergeben. In e<strong>in</strong>er extremen<br />

Ausformung kann dies heißen, dass sogar die Grobplanung stellenweise e<strong>in</strong>er Änderung<br />

unterworfen wird, nämlich dann, wenn außergewöhnliche, das Lernfeld bestimmende<br />

Kriterien dies erfordern. Gegebenenfalls betreffen diese Änderungen auch nur e<strong>in</strong>zelne<br />

Gruppen. So hat sich beispielsweise <strong>in</strong> dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> gezeigt, dass Schüler<br />

bestimmte Formulierungen <strong>in</strong>nerhalb des Leittextes nur schwer erfassen oder sogar überlesen.<br />

Insofern hatte es sich hier angeboten, die entsprechenden Textstellen neu zu gestalten und<br />

e<strong>in</strong>e diesbezügliche Kontrolle des nunmehr angestrebten Arbeitsablaufes durch die Lehrkraft<br />

zu kontrollieren. Es sei noch e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass sich etwaige Änderungen<br />

sowohl im gesamtkonzeptuellen Vorgehen, als auch bei <strong>in</strong>dividuellen Gegebenheiten ergeben<br />

können. Dies erfordert die bereits oben beschriebene stete Beobachtung des Lernfeldes durch<br />

die Lehrkraft, ermöglicht dieser aber auch nach und nach, den <strong>Unterricht</strong> entspannt zu<br />

gestalten.<br />

Es lässt sich ferner feststellen, dass nur e<strong>in</strong> über mehrere Wochen (vorzugsweise über<br />

mehrere Monate) andauernder <strong>Unterricht</strong> sowohl den Schülern, als auch den Lehrern die<br />

Chance gibt, das Lern- bzw. Lehrverhalten sukzessive zu verbessern. Hiermit ist nicht e<strong>in</strong><br />

komprimierter <strong>Unterricht</strong> über z. B. zehn aufe<strong>in</strong>ander folgende Tage geme<strong>in</strong>t, sondern e<strong>in</strong>e<br />

auf e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum ausgelegte <strong>Unterricht</strong>sstrecke, die nicht unbed<strong>in</strong>gt kont<strong>in</strong>uierlich<br />

(also ‚am Stück’) durchlaufen werden muss. E<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum angelegter<br />

<strong>Unterricht</strong> ermöglicht <strong>in</strong> hohem Maße die Ausbildung e<strong>in</strong>er Lernkultur des E<strong>in</strong>zelnen und<br />

erlaubt es ihm, e<strong>in</strong> realistisches Bild se<strong>in</strong>er selbst aufzubauen. Die sich so, im H<strong>in</strong>blick auf<br />

den durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> entwickelnde Selbste<strong>in</strong>schätzung trägt wesentlich dazu bei,<br />

künftige Anforderungen und Probleme selbstständig und gezielt zu bewältigen. So hat sich<br />

bei den Probanden gezeigt, dass e<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en kurzen Zeitraum komprimiert erworbenes<br />

Wissen zwar die momentane Zufriedenheit steigert, e<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum angelegtes<br />

Wissen jedoch aufgrund se<strong>in</strong>er Nachhaltigkeit e<strong>in</strong> tieferes Verständnis bewirkt. Mehrfach<br />

merken die Schüler nämlich an, überbetrieblichen oder auch betrieblichen <strong>Unterricht</strong> zu<br />

favorisieren, weil dieser konzentriert, über mehrere Tage ‚am Stück’ präsentiert wird. Nach<br />

Angabe der Probanden ließen sich so umfassende Kenntnisse <strong>in</strong> der Steuerungstechnik<br />

erwerben, ohne Gefahr zu laufen, aufgrund längerer Pausen Inhalte wieder zu vergessen. Das<br />

Favorisieren konzentrierter <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten zeigt nun <strong>in</strong> der Tat, dass die Probanden den<br />

schnellen Erwerb von Fachwissen hoch e<strong>in</strong>schätzen. Es ist aber auch erkennbar dass die<br />

Lernenden die sich im untersuchten <strong>Unterricht</strong> h<strong>in</strong>sichtlich des Erwerbs von Methoden-,<br />

Personal- und Sozialkompetenz ergebenden Möglichkeiten nur allzu gern nutzen und so ihr<br />

diesbezügliches Potential ausbauen. Das gezielte Lenken der Auszubildenden durch die<br />

Lehrkraft über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum (was, wie bereits oben erwähnt, auch dem Pädagogen<br />

die Chance gibt, den <strong>Unterricht</strong> immer wieder zu überdenken) wirkt sich sowohl positiv auf<br />

die Fach- und Methodenkompetenz, als auch auf die Personal- und Sozialkompetenz aus. Dies<br />

ist z. B. dadurch feststellbar, dass die Schüler im Laufe der Zeit Strategien entwickeln und


270 10 Übergreifende Beurteilung<br />

weiter ausbauen, um den gestellten Anforderungen besser gerecht werden zu können<br />

(Aussagentenor als Beispiel: Wir haben das <strong>in</strong> Lerne<strong>in</strong>heit 6 versäumt, werden die Bearbeitung<br />

des Wissenskontrollblattes jetzt aber <strong>in</strong> jedem Falle vornehmen.) Das Verhalten der<br />

Schüler zeigt, dass e<strong>in</strong>e sich ändernde Fe<strong>in</strong>planung (ggf. auch Grobplanung), die nur im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er langfristig ausgelegten Lernstrecke überhaupt <strong>in</strong> neue Bahnen gelenkt werden<br />

kann, die Ausbildung e<strong>in</strong>er gefestigten und lernförderlichen Selbstwahrnehmung ermöglicht.<br />

Zudem trägt die kont<strong>in</strong>uierliche Anpassung der Lehr-Lern-Umgebung dazu bei, dass die<br />

Probanden ursprünglich bestehende Zweifel bezüglich der Bewältigung des anstehenden<br />

Pensums sukzessive abbauen können.<br />

Es ist zu vermuten, dass dies <strong>in</strong> der Tat nicht alle<strong>in</strong> auf die Art der Wissensvermittlung<br />

zurückzuführen ist, sondern auf die sich immer stärker entwickelnde Selbstwahrnehmung und<br />

e<strong>in</strong>er daraus resultierenden veränderten oder sich ändernden Herangehensweise des E<strong>in</strong>zelnen<br />

an Problemlösungen. Vielleicht bietet e<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum ausgelegter, jedoch nur<br />

e<strong>in</strong>- oder zweimal pro Woche durchgeführter <strong>Unterricht</strong> die Möglichkeit, die Selbstwahrnehmung<br />

gerade <strong>in</strong> den Tagen zwischen den <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten aufzubauen. Möglicherweise<br />

trägt aber auch die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit anderen Inhalten <strong>in</strong> den Tagen zwischen den<br />

<strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten zur Weiterentwicklung der Selbstwahrnehmung bei.<br />

10.1.2 Selbststeuerung und Freiheitsgrade<br />

Die 24 Probanden identifizieren sich sehr stark mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept und der damit<br />

verbundenen Selbststeuerung. Auch anfängliche Skepsis der Schüler weicht aufgrund der sich<br />

e<strong>in</strong>stellenden Erfahrungen mit selbstgesteuertem Lernen. Die Auszubildenden engagieren sich<br />

<strong>in</strong> hohem Maße und s<strong>in</strong>d rege am <strong>Unterricht</strong> beteiligt. Dadurch können die Lernenden, wie<br />

bereits oben erwähnt, gute Leistungen erzielen. Gerade auch Leistungsschwache nehmen am<br />

<strong>Unterricht</strong> aktiv teil und nutzen das Lernangebot <strong>in</strong>tensiv. Riedl (1998, S. 227 f., vgl. auch<br />

Kapitel 2) gibt an, dass die von ihm untersuchten Probanden die ihnen zur Verfügung<br />

stehenden Handlungsspielräume tatsächlich nutzen und oftmals kreative Abänderungen oder<br />

Erweiterungen an den aufzubauenden Schaltungen vornehmen. Dies kann auch mit der hier<br />

beschriebenen Untersuchung festgestellt werden. Damit lässt sich auch hier die von Riedl<br />

getroffene Aussage e<strong>in</strong>deutig bestätigen, <strong>Unterricht</strong> würde die Entwicklung von Selbststeuerungsfähigkeit<br />

unterstützen und bahne Kontrollstrategien an. Ebenso würden metakognitives<br />

Wissen und e<strong>in</strong> kontrollierender Zugriff auf vorhandenes Faktenwissen oder vorhandene<br />

Strategien gefördert werden (ebd., S. 231).<br />

Es zeigt sich, dass die Schüler oftmals auch nach Fehlschlägen weiterh<strong>in</strong> versuchen, das<br />

gestellte Problem zu bewältigen und dabei e<strong>in</strong>e hohe Frustrationstoleranz entwickeln. Hierbei<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs die Lenkung der Lehrkraft erforderlich, um zu große und damit zeitraubende<br />

Umwege bei der Aufgabenbewältigung e<strong>in</strong>zudämmen. Insbesondere gilt es hier, Lösungsstrategien<br />

der Schüler aufzudecken, die e<strong>in</strong>e wirkliche Durchdr<strong>in</strong>gung der zu bearbeitenden<br />

Thematik nicht zulassen. Die Lehrkraft ist hier folglich permanent gefordert, e<strong>in</strong>e ausgewogene<br />

Balance zwischen schülergesteuertem Lernen und Instruktionsorientierung zu f<strong>in</strong>den. Dies<br />

erfordert die stete Beobachtung der Schüleraktivitäten und des jeweiligen Lernfortschritts.<br />

Es lässt sich durch Betrachtung der Schüleraussagen, durch Beobachtung der Schüler und<br />

durch Nachvollzug der Arbeitsergebnisse feststellen, dass der Wunsch nach Selbststeuerung<br />

<strong>in</strong> direktem Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Lehr-Lern-Umgebung steht. Das heißt,<br />

dass die Probanden dann verstärkt selbstständig arbeiten wollen, wenn <strong>in</strong>sbesondere die


10 Übergreifende Beurteilung 271<br />

Thematik, die zur Verfügung stehenden Unterlagen und Materialien (Leittexte, Literatur,<br />

Gerätschaften) und das unmittelbare soziale Umfeld (Gruppe) mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehen.<br />

Dabei ist nicht auszuschließen, dass e<strong>in</strong>e Thematik, für deren Vermittlung es aus Sicht des<br />

Lehrers sche<strong>in</strong>bar e<strong>in</strong>er verstärkten Lehrerunterstützung bedarf, auch durch Selbststeuerung<br />

bewältigt werden kann. Beispielsweise könnte e<strong>in</strong>e geeignete Gruppenzusammensetzung die<br />

Selbststeuerung derart fördern, dass ursprünglich geplante Instruktionsphasen <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund zu stellen s<strong>in</strong>d. Insofern sche<strong>in</strong>t es zum<strong>in</strong>dest bei Betrachtung dieser Untersuchung<br />

fraglich, <strong>in</strong>wieweit vorab geklärt werden kann, ob e<strong>in</strong>e gewissen Thematik eher<br />

selbstgesteuert oder eher lehrerunterstützt durchzuführen ist. Hier muss nochmals auf das<br />

oben Beschriebene zurückgekommen werden, nämlich darauf, dass erst im Laufe der Zeit,<br />

also nach Kenntnis gewisser Randwerte e<strong>in</strong>er Lehr-Lern-Umgebung, e<strong>in</strong>e diesbezügliche<br />

Entscheidung getroffen werden kann. E<strong>in</strong>e für die Lernenden geeignete Lehr-Lern-Umgebung<br />

fördert den Wissenszuwachs <strong>in</strong> hohem Maße, wie sich bei e<strong>in</strong>zelnen Gruppen herauskristallisiert.<br />

Hier s<strong>in</strong>d Parallelen zu Untersuchungen <strong>in</strong> der kaufmännischen Ausbildung gegeben<br />

(vgl. z. B. Sloane 2000, S. 218 ff.). Sloane stellt fest, dass sowohl die Entwicklung als auch<br />

die Implementation komplexer Lehr-Lern-Arrangements auf die vorgefundenen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

anzupassen s<strong>in</strong>d. Es zeigt sich bei e<strong>in</strong>er Durchsetzung e<strong>in</strong>es Lehr-Lern-Arrangements, dass<br />

sich das Wissen der Lernenden stark verändert. Sloane vermutet <strong>in</strong>sbesondere, dass die<br />

Lernenden Wissen verstärkt anwenden, weil sie fächer- und lernortübergreifende Lehr-Lern-<br />

Arrangements befürworten würden (vgl. auch Kapitel 2).<br />

Es hat sich bei Betrachtung des hier untersuchten Lehr-Lern-Arrangements ferner gezeigt,<br />

dass Selbststeuerung dann effizient e<strong>in</strong>setzbar ist, wenn bereits fachliches Grundlagenwissen<br />

bei den Lernenden vorliegt. Das Aneignen von Grundlagenwissen den Schülern selbst zu<br />

überlassen ersche<strong>in</strong>t schon deshalb fraglich, weil vorab kaum e<strong>in</strong>schätzbar ist, welche<br />

Hilfestellung der E<strong>in</strong>zelne tatsächlich benötigt. Insofern wird hier verstärkt die Unterstützung<br />

durch die Lehrkraft e<strong>in</strong>gesetzt werden müssen (hierzu siehe <strong>in</strong>sbesondere nachfolgendes<br />

Kapitel). Nach der hier vertretenen Auffassung kann Selbststeuerung nur dann fruchten, wenn<br />

der Lernende <strong>in</strong> der Lage ist, e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung der zu bearbeitenden Thematik vorzunehmen.<br />

Ohne diese E<strong>in</strong>teilung, die Gliederung des Stoffes, können auch die mittels Selbststeuerung<br />

erarbeiteten Inhalte nur bed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>ternalisiert werden, so dass e<strong>in</strong> künftiger Wissenstransfer<br />

gefährdet ersche<strong>in</strong>t. Gerade <strong>in</strong> der Gruppenarbeit wird der Lernende dann zwar (augensche<strong>in</strong>lich)<br />

se<strong>in</strong> Pensum bewältigen, ist dann aber kaum <strong>in</strong> der Lage das so erworbene Wissen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em anderen Kontext anzuwenden. Dies sche<strong>in</strong>t bereits den Schülern bewusst zu se<strong>in</strong>, die<br />

sich gerade <strong>in</strong> solchen Situationen für e<strong>in</strong>e verstärkte Lehrerunterstützung aussprechen. Das<br />

heißt also, Selbststeuerung ist unbed<strong>in</strong>gt zu ermöglichen, allerd<strong>in</strong>gs unter Berücksichtigung<br />

wohl def<strong>in</strong>ierter Rahmenbed<strong>in</strong>gungen. Hier sei nochmals erwähnt, dass diese Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

sukzessive zu präzisieren s<strong>in</strong>d. Diesbezüglich sei auf die Ausführungen zum<br />

Kriterium des <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s verwiesen.<br />

Um e<strong>in</strong>e Selbststeuerung <strong>in</strong> hohem Maße zuzulassen, s<strong>in</strong>d durch die Lehrkraft Selbstlernmaterialien<br />

zur Verfügung zu stellen, die den Schülern e<strong>in</strong>e Durchdr<strong>in</strong>gung des Stoffes<br />

ermöglicht. Die Unterlagen <strong>in</strong> der hier beschriebenen Untersuchung werden von den Schülern<br />

im Allgeme<strong>in</strong>en als brauchbar akzeptiert und zu großen Teilen genutzt. Bemängelt werden<br />

jedoch häufig die Unterlagen des Bundes<strong>in</strong>stituts für Berufsbildung (BIBB, 1992, 1993), die<br />

im Wesentlichen beispielorientiert aufgebaut s<strong>in</strong>d. Fraglich ist nun, warum sich beispielorientierte<br />

Literatur <strong>in</strong> dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> nicht durchsetzen kann.<br />

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zur Lösung problemorientierter Aufgaben e<strong>in</strong> hoher<br />

Anteil an fachsystematischem Wissen notwendig ist, das sich aus e<strong>in</strong>em problemorientiert


272 10 Übergreifende Beurteilung<br />

aufgebauten Lehrmaterial nur unter großem Aufwand herausarbeiten lässt. Erschwerend<br />

kommt bei der erwähnten BIBB-Literatur h<strong>in</strong>zu, dass e<strong>in</strong> sehr mangelhaft ausgeführtes<br />

Stichwortverzeichnis e<strong>in</strong> effizientes Arbeiten mit diesen Büchern nahezu unmöglich macht, so<br />

dass e<strong>in</strong>e Ablehnung von Seiten der Schüler nur verständlich ist. Ferner muss bedacht<br />

werden, dass die Art der Aufgabenstellung, die mit den im untersuchten <strong>Unterricht</strong> verwendeten<br />

Leittexten festgelegt wird, das Arbeiten mit beispielorientierter Literatur nicht unbed<strong>in</strong>gt<br />

zulässt. Soll also e<strong>in</strong>e Literatur zum E<strong>in</strong>satz kommen, die für die Schüler <strong>in</strong> der Regel eher<br />

ungewohnt ist (also z. B. beispielorientiertes Lehrmaterial), so s<strong>in</strong>d die übrigen Arbeitsunterlagen<br />

darauf abzustimmen. Beispielsweise müsste dann e<strong>in</strong> höherer Anteil fachsystematisch<br />

gegliederter Informationen <strong>in</strong> den Leittexten enthalten se<strong>in</strong> und die Aufgabenstellungen den<br />

E<strong>in</strong>bezug beispielorientierter Literatur nahe legen. Im Übrigen bietet es sich generell an,<br />

zusätzliches Lehrmaterial, wie z. B. Fachbücher oder auch Anschauungsobjekte, über die<br />

Leittexte e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den und die Schüler so gezielt mit fremden Medien vertraut zu machen. Im<br />

Verlauf der Lernstrecke können H<strong>in</strong>weise zu weiterführenden Materialien dann immer mehr<br />

zurückgenommen werden.<br />

Geiger (2005) stellte mit se<strong>in</strong>er Untersuchung (vgl. Kapitel 2.1.1.2) fest, dass mit beispielorientiert<br />

ausgerichtetem Lernmaterial arbeitende Schüler bessere Ergebnisse erzielen konnten,<br />

als dies bei Schülern der Fall war, denen systematikorientiert aufgebautes Material zur<br />

Verfügung stand. Diese Ergebnisse stehen den mit vorliegender Arbeit gemachten Erfahrungen<br />

also konträr gegenüber.<br />

Hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass für den von Geiger untersuchten <strong>Unterricht</strong> die<br />

Lernmaterialien auf diesen abgestimmt wurden und e<strong>in</strong>e gezielte Vorgehensweise der<br />

Lehrkraft mit den entsprechenden Unterlagen korrelierte. Instruktionsphasen bzw. durch die<br />

Schüler selbstgesteuerte Phasen sollten demzufolge derart aufgebaut se<strong>in</strong>, dass die Lernunterlagen<br />

von den Auszubildenden als systematische Hilfestellung mit e<strong>in</strong>bezogen werden<br />

können. Beispielorientiert aufgebaute Literatur kann dann e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag leisten,<br />

die Lernenden <strong>in</strong> ihrem selbst gestalteten Lernvorgehen zu unterstützen.<br />

Speziell beispielorientiert aufgebaute Literatur wäre ggf. dazu geeignet, e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />

Thematik zusammen mit der Lehrkraft zu erarbeiten (e<strong>in</strong>leitende lehrerzentrierte Phase, vgl.<br />

nachfolgendes Kapitel) und nach Abschluss dieser Phase die eigentliche, konkrete Aufgabenstellung<br />

(Steckbrett, Biegevorrichtung) auszuführen. Damit ließe sich zum<strong>in</strong>dest ansatzweise<br />

das Streben nach e<strong>in</strong>em Lernen <strong>in</strong> multiplen Perspektiven befriedigen.<br />

Der Vermutung Riedls (1998, S. 236 f., vgl. auch Kapitel 2), die Schüler seien kaum <strong>in</strong> der<br />

Lage, die vorgefundenen Informationen <strong>in</strong> den Unterlagen zu verwerten, kann nach Betrachtung<br />

des hier beschriebenen Forschungsfeldes so nicht bestätigt werden. Hier s<strong>in</strong>d die Schüler<br />

sehr wohl <strong>in</strong> der Lage, <strong>in</strong>sbesondere mit dem Tabellenbuch zu arbeiten. Es sche<strong>in</strong>t geradezu<br />

so, als ob der Umgang mit dem Tabellenbuch für die Schüler e<strong>in</strong> selbstverständlicher<br />

Vorgang wäre. Auch die übrigen Unterlagen, beispielsweise zusätzlich bereitgestellte<br />

Literatur zu Lerne<strong>in</strong>heit 9 (weiterführende fachsystematisch aufgebaute Unterlagen zur<br />

Thematik ‚Näherungsschalter’) wird ausgiebig genutzt und zum Lösen von Aufgaben<br />

verwendet. Ausweislich der Aussagen der Schüler treten Probleme beim Umgang mit<br />

Informationsmaterialien lediglich mit den oben beschriebenen BIBB-Heften auf. In der Tat<br />

lässt zeigt sich aber, dass die Schüler das Material dann nicht zweckmäßig nutzen, wenn der<br />

Zeitaufwand zu groß wird. Dies bestätigt auch Riedl mit se<strong>in</strong>er Untersuchung.


10 Übergreifende Beurteilung 273<br />

10.1.3 Beratende Lehrerrolle<br />

Trotzdem die Schüler e<strong>in</strong> hohes Maß an Eigenverantwortung übernehmen, zeigt sich immer<br />

wieder das Erfordernis des E<strong>in</strong>greifens durch die Lehrkraft. Dabei muss der Pädagoge<br />

<strong>in</strong>sbesondere gänzlich <strong>in</strong> die falsche Richtung führende Lösungswege bei der Bewältigung der<br />

gestellten Aufgaben aufdecken und verh<strong>in</strong>dern. Dies bedarf e<strong>in</strong>es beständigen und umfassenden<br />

Beobachtens des <strong>Unterricht</strong>sgeschehens. Probleme zeichnen sich <strong>in</strong>sbesondere dann ab,<br />

wenn die Lehrkraft nicht allen Schülern gleichermaßen gerecht werden kann, weil der<br />

Betreuungsaufwand nur schwer zu bewältigen ist. Die Schüler äußern ihre Unzufriedenheit,<br />

wenn die Lehrkraft bei größeren Problemen, die e<strong>in</strong> Weiterarbeiten – zum<strong>in</strong>dest aus Sicht der<br />

Schüler – verh<strong>in</strong>dern, nicht oder nur nach längerem Warten zur Verfügung steht. Es zeigt<br />

sich, dass die Schüler <strong>in</strong> solchen Situationen oftmals ihre Arbeit e<strong>in</strong>stellen und <strong>in</strong> der Tat auf<br />

die Lehrkraft ‚warten’. Das bereits hohe Maß an realisierter Selbststeuerung erfährt hier se<strong>in</strong>e<br />

Grenzen.<br />

Da es für die Lehrkraft aufgrund des hohen Präsenzerfordernisses nicht immer möglich ist,<br />

allen Schülern bzw. Gruppen gerecht zu werden, könnten die Schüler im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

eigenverantwortlichen Handelns auch hier geschult werden. Im untersuchten <strong>Unterricht</strong> wird<br />

beispielsweise e<strong>in</strong>e Liste e<strong>in</strong>geführt, <strong>in</strong> die die Schüler nach e<strong>in</strong>em jeweiligen <strong>Unterricht</strong>stag<br />

ihren Arbeitsstand e<strong>in</strong>tragen. Diese Systematik ließe sich beispielsweise auch auf das oben<br />

angesprochene Problem übertragen. Die Auszubildenden könnten während des <strong>Unterricht</strong>s<br />

e<strong>in</strong>e Liste führen, <strong>in</strong> die sie die aus ihrer Sicht notwendigen unterstützenden Maßnahmen<br />

(oder sonstige zu vere<strong>in</strong>barende Kriterien) e<strong>in</strong>tragen, um diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nächsten Lehrer-<br />

Schüler-Gespräch abzuarbeiten. Selbst wenn die oben beschriebene „Wartezeit“ nur dazu<br />

genutzt wird, die Liste zu führen, werden den Schülern die Schwierigkeiten verdeutlicht und<br />

sie beschäftigen sich erneut mit diesen. Führt das Ausformulieren der anstehenden Probleme<br />

zu ke<strong>in</strong>er Lösung, die e<strong>in</strong> Weiterarbeiten ermöglichen würde, so können diese zum<strong>in</strong>dest<br />

substantiiert mit der Lehrkraft besprochen werden. Die Lehrkraft kann zudem präzise<br />

Vorschläge dah<strong>in</strong> gehend anbieten, <strong>in</strong>wieweit sich die Lernenden bei etwaigen Problemen<br />

ggf. selbst behelfen hätten können.<br />

Möglich wäre es auch, die Leittexte mit Fragen zu ergänzen, die e<strong>in</strong>e Selbstreflexion der<br />

Vorgehensweise der Schüler zulassen. So könnten die Schüler beispielsweise dah<strong>in</strong> gehend<br />

sensibilisiert werden, dass sie die Art der Aufgabenlösung festhalten müssen, auch bezüglich<br />

der benötigten Zeit, der aufgetretenen Probleme usw. E<strong>in</strong> möglicher Fragenkomplex könnte<br />

dann derart gestaltet se<strong>in</strong>:<br />

Bitte vollziehen Sie stichwortartig nach, welche Schritte Sie bis zur Verkabelung der<br />

Selbsthalteschaltung vollzogen haben und <strong>in</strong> welcher Reihenfolge.<br />

Wo traten größere Probleme auf und warum?<br />

Welche Probleme bestehen auch jetzt noch, nach Fertigstellung der Aufgabe?<br />

Die Beantwortung der Fragen bedeutet zudem e<strong>in</strong>e Abwechslung im <strong>Unterricht</strong>sgeschehen<br />

und erleichtert allen Beteiligten die Aufdeckung von Schwierigkeiten.<br />

Die Notwendigkeit, Schüler mit dem substantiierten Formulieren und Vortragen spezieller<br />

Sachverhalte und Problemstellungen, <strong>in</strong>sbesondere bei auftretenden Schwierigkeiten, vertraut<br />

zu machen, ergibt sich bereits mit den Anforderungen, die das künftige Berufsleben an den<br />

E<strong>in</strong>zelnen stellen wird. Insofern wäre hier e<strong>in</strong>e geeignete Möglichkeit gegeben, die Auszubil-


274 10 Übergreifende Beurteilung<br />

denden dah<strong>in</strong> gehend zu schulen, Probleme zu erkennen, zu def<strong>in</strong>ieren und darzustellen und<br />

schließlich auch zu dokumentieren.<br />

In dem beobachteten <strong>Unterricht</strong> s<strong>in</strong>d zwar per Leittext obligatorische Rücksprachen mit der<br />

Lehrkraft e<strong>in</strong>geplant, diese s<strong>in</strong>d jedoch ausschließlich zur Vertiefung bestimmter Themen<br />

gedacht. Es lässt sich daher feststellen, dass die geplanten Rücksprachen, also z. B. <strong>in</strong> Form<br />

e<strong>in</strong>es Lehrer-Schüler-Gesprächs, nicht immer auf die aktuelle Situation abgestimmt s<strong>in</strong>d.<br />

Gelegentlich s<strong>in</strong>d Schüler mit e<strong>in</strong>em gezielten Fachgespräch überfordert oder aber sie<br />

registrieren dieses nur als kurze Wiederholung bereits erarbeiteter Inhalte.<br />

Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 2 angesprochen, ist es laut Nickolaus, Riedl, Schelten (2005, S. 519)<br />

nach wie vor unklar, welche Funktion Fachgespräche nun wirklich übernehmen und wie sie<br />

gestaltet se<strong>in</strong> müssen.<br />

Die hier vorliegende Untersuchung hat <strong>in</strong> der Tat die oben beschriebenen Probleme bei der<br />

Anwendung von Fachgesprächen aufgezeigt. Aufgrund der Erfahrungen aus diesem<br />

beobachteten <strong>Unterricht</strong> lässt sich jedoch vermuten, dass Fachgespräche immer erst die<br />

Probleme der Schüler (vorzugsweise vorab durch diese schriftlich fixiert) aufgreifen sollten<br />

und darauf aufbauend dann die eigentliche Thematik geklärt werden sollte. Gegebenenfalls<br />

lassen sich Fachgespräche auf die Besprechung von Fehlern <strong>in</strong> der Vorgehensweise der<br />

Schüler reduzieren, so dass diese das verme<strong>in</strong>tliche Problem unter Berücksichtigung der<br />

neuen Perspektive erneut angehen können.<br />

Problematisch sche<strong>in</strong>t es tatsächlich zu se<strong>in</strong>, die Schüler mit e<strong>in</strong>em Fachgespräch nur deshalb<br />

zu konfrontieren, weil es laut Leittext vorgesehen ist und die Thematik e<strong>in</strong> Fachgespräch als<br />

zweckdienlich ersche<strong>in</strong>en lässt. Vielmehr müssen zusätzlich die aktuellen Geschehnisse<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden, so dass Fachgespräche auch dann stattf<strong>in</strong>den, wenn dies nicht explizit<br />

vorgesehen ist.<br />

Es ist zu vermuten, dass die <strong>in</strong> Kapitel 8 und 9 beschriebenen Probleme (die Schüler<br />

registrieren das Fachgespräch als solches nicht, sehen es lediglich als Wiederholung und<br />

nutzen daher die Chance des Wissensaustausches nicht; die Schüler s<strong>in</strong>d mit der besprochenen<br />

Thematik überfordert) bei der Durchführung von Fachgesprächen deshalb auftreten, weil<br />

ke<strong>in</strong>e gezielte Vorbereitung durch die Lernenden stattf<strong>in</strong>det. Es bietet sich ggf. an, <strong>in</strong>sbesondere<br />

obligatorische Fachgespräche durch die Schüler (als Teil der Aufgabenbearbeitung)<br />

vorbereiten zu lassen, <strong>in</strong>sbesondere schriftlich. Damit ist auch für die Lehrkraft erkennbar,<br />

<strong>in</strong>wieweit das geplante Fachgespräch fruchten kann und <strong>in</strong> welche Richtung es ggf. zu lenken<br />

ist, um e<strong>in</strong>e tatsächliche Wissensbildung bei den Schülern zu ermöglichen. Jedes Fachgespräch,<br />

auch außerhalb e<strong>in</strong>er Ausbildung, wird <strong>in</strong> der Regel von den E<strong>in</strong>zelnen vorbereitet, so<br />

dass über substantiierte Vorträge weiterführende Lösungen ausgearbeitet werden können.<br />

Dies muss auch im schulischen Bereich so gesehen werden. E<strong>in</strong> Fachgespräch soll also nicht<br />

nur zur Überprüfung des Kenntnisstandes der Schüler oder zur bloßen Wissensvermittlung<br />

gesehen werden, vielmehr soll es auch über das aktuelle Geschehen <strong>in</strong>formieren, so dass beide<br />

Seiten e<strong>in</strong>en Wissenszuwachs erfahren.<br />

Wie mehrfach <strong>in</strong> Kapitel 9 erwähnt, waren leistungsstärkere Schüler oftmals bei der<br />

Bearbeitung der Aufgaben unterfordert. Die Bearbeitung zusätzlicher Aufgaben – im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Differenzierung – wird jedoch nicht empfohlen, weil die Schüler die Mehrarbeit<br />

ggf. als ungerechtfertigt ansehen würden und so mit e<strong>in</strong>em Motivationsverlust zu rechnen<br />

wäre. Insofern würde es sich hier möglicherweise anbieten, Fachgespräche zwischen<br />

leistungsstarken Schülern mit eher leistungsschwächeren Gruppen zu organisieren. Die<br />

leistungsstarken Schüler werden also gezielt <strong>in</strong> ihrer verbleibenden Zeit temporär anderen


10 Übergreifende Beurteilung 275<br />

Gruppen zugeordnet, um diese im Rahmen von Fachgesprächen zu unterstützen. Der Lehrer<br />

sollte sich lediglich vorab e<strong>in</strong>es solchen Gespräches über den tatsächlichen Kenntnisstand der<br />

leistungsstarken Schüler <strong>in</strong>formieren, um e<strong>in</strong>e fundierte Wissensvermittlung bei den<br />

zugeteilten Gruppen zu gewährleisten.<br />

Klärungsbedarf besteht aber im Rahmen von Lehrere<strong>in</strong>griffen nicht nur h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Ausgestaltung von Fachgesprächen, sondern auch <strong>in</strong> Bezug auf lehrerzentrierte <strong>Lernprozesse</strong><br />

(Nickolaus, Riedl, Schelten 2005, S. 519). Wie mit dem untersuchten <strong>Unterricht</strong> aufgezeigt<br />

werden konnte, wird die e<strong>in</strong>gesetzte Frontalphase zur Verdeutlichung des Vorgehens bei der<br />

Verkabelung von Schaltungen äußerst differenziert von den E<strong>in</strong>zelnen wahrgenommen.<br />

Manche Schüler sprechen sich gegen die frontalunterrichtliche Sequenz aus, da lehrerzentrierter<br />

<strong>Unterricht</strong> generell abgelehnt wird und die Ausführungen lediglich e<strong>in</strong>e Wiederholung<br />

darstellen. Der Großteil der Schüler sieht diese Phase jedoch als äußerst Gew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gend und<br />

ist aufgrund der Ausführungen durch die Lehrkraft <strong>in</strong> der Lage, Probleme mit dem Verkabeln<br />

zu beseitigen. Es lässt sich feststellen, dass gerade mit den <strong>in</strong> der Frontalphase geklärten<br />

Grundlagen viele Schwierigkeiten bei der Umsetzung der theoretisch erworbenen Zusammenhänge<br />

<strong>in</strong> die Praxis behoben werden können. Vermutlich kann dies darauf zurückgeführt<br />

werden, dass hier Grundlagen vermittelt werden, deren Kenntnis für die gesamte Lernstrecke<br />

von essentieller Bedeutung s<strong>in</strong>d. Auch von Seiten der Schüler wird gehäuft die Problematik<br />

aufgeworfen, gerade bei grundlegenden Sachverhalten zu wenig Lehrerunterstützung zu<br />

erhalten. Im Rahmen lehrerzentrierter Lernphasen könnte nun dieser Problematik begegnet<br />

werden. Allerd<strong>in</strong>gs müssten tatsächlich die von den Probanden angesprochenen Schwierigkeiten<br />

berücksichtigt werden, die sich dann ergeben, wenn Schüler mit unterschiedlichem<br />

Kenntnisstand (die Schüler s<strong>in</strong>d bei der Bearbeitung der Lerne<strong>in</strong>heiten unterschiedlich weit<br />

fortgeschritten) an diesen lehrerzentrierten Phasen teilnehmen. Grundsätzlich bieten sich<br />

lehrerzentrierte Phasen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s also dann an, wenn<br />

Grundlagen vermittelt werden sollen, die unabhängig vom Kenntnisstand der Schüler im<br />

Wesentlichen für alle Aufgabenbereiche von grundlegender Bedeutung s<strong>in</strong>d. Aber auch zu<br />

Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Lernstrecke könnten mit e<strong>in</strong>er derartigen Phase viele Unsicherheiten bei den<br />

Schülern von Anfang an ausgeschlossen werden, so dass e<strong>in</strong> mehr zielgerichtetes Arbeiten<br />

ermöglicht wird. Lehrerzentrierte Phasen sollten jedoch nicht auf die Vermittlung von Theorie<br />

beschränkt werden. Vielmehr bietet es sich an, hier auch praktische Tätigkeiten aufzuzeigen<br />

und den Schülern so e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von den zu bewältigenden Aufgaben zu geben.<br />

Der Erfolg e<strong>in</strong>es <strong>Unterricht</strong>s der untersuchten Art hängt entscheidend von den Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten der Lehrkraft und von deren E<strong>in</strong>satzbereitschaft ab. Desto umfassender die<br />

Lehrkraft das <strong>Unterricht</strong>sgeschehen im Blick hat, desto e<strong>in</strong>facher gestaltet sich für sie die<br />

Durchführung des <strong>Unterricht</strong>s. Auch hier lässt sich festhalten, dass der Grad an detaillierter<br />

Vorausplanung des <strong>Unterricht</strong>s nur mit steigender Kenntnis der Lehr-Lern-Umgebung durch<br />

die Lehrkraft und der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem <strong>Unterricht</strong>sfeld zunehmen kann. Inwieweit<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifen der Lehrkraft, spontan oder geplant, <strong>in</strong> das Geschehen erforderlich ist, hängt<br />

von der jeweiligen Situation ab. E<strong>in</strong> situationsflexibles Handeln und e<strong>in</strong> Gespür für die<br />

Bedürfnisse der e<strong>in</strong>zelnen Schüler bzw. Gruppen zu entwickeln, lässt sich als zentrales<br />

Leitkriterium des Lehrervorgehens vorgeben (vgl. auch hierzu Riedl 1998, S. 228 f.).<br />

10.1.4 Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet<br />

E<strong>in</strong>e komplexe Aufgabenstellung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es breit angelegten Lerngebiets stellt sowohl<br />

e<strong>in</strong>e Herausforderung für die Lehrkraft als auch für die Schüler dar. Es bedarf von Seiten der


276 10 Übergreifende Beurteilung<br />

Lehrkraft e<strong>in</strong>er ausgeklügelten Organisation und Ausgestaltung vorhersehbarer <strong>Lernprozesse</strong>,<br />

um den unterschiedlichen Voraussetzungen der e<strong>in</strong>zelnen Schüler gerecht zu werden.<br />

Grundsätzlich ist dann mit Anfangsschwierigkeiten zu rechnen, wenn der Pädagoge die zu<br />

betreuende Klasse noch nicht kennt und er die Aufgaben lediglich auf Adressatenanalysen<br />

basierend ausarbeiten muss. Primär muss die Lehrkraft dann auf ihre bisherigen Erfahrungen<br />

vertrauen, um die oben beschriebene Grobplanung vorab durchführen zu können. Darauf<br />

abgestimmt und mit Blick auf den Lehrplan wird sich so die Richtung der komplexen<br />

Aufgabenstellung herauskristallisieren. Im Laufe der <strong>Unterricht</strong>sstrecke können dann immer<br />

mehr an dem <strong>Unterricht</strong>sfeld ausgerichtete Aspekte <strong>in</strong> die weitere Planung (Fe<strong>in</strong>planung) mit<br />

e<strong>in</strong>fließen. Auch die Aufgabenstellung selbst ist also im Rahmen e<strong>in</strong>es iterativen Prozesses,<br />

der bis zur letzten Stunde Neuerungen br<strong>in</strong>gen kann, zu verfe<strong>in</strong>ern und an die Lehr-Lern-<br />

Umgebung anzupassen.<br />

Für e<strong>in</strong> Kennenlernen der Klasse empfehlen sich e<strong>in</strong>fachere Aufgaben, die <strong>in</strong>sbesondere<br />

Grundlagenwissen aufdecken sollen. Bereits nach kurzer Zeit lässt sich so e<strong>in</strong>e erste<br />

E<strong>in</strong>ordnung der Schüler vornehmen. Vorzugsweise s<strong>in</strong>d die Aufgaben verstärkt mit obligatorischen<br />

Fachgesprächen zwischen Lehrkraft und Schüler angereichert, um e<strong>in</strong>e Beurteilung<br />

der Schüler zu erleichtern. Die Gespräche dienen allerd<strong>in</strong>gs auch dazu, den Schülern e<strong>in</strong> Bild<br />

der Lehrkraft zu vermitteln. Das Fachgespräch bietet aufgrund der sehr persönlichen<br />

Gesprächsebene die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Schüler und Lehrer zu <strong>in</strong>tensivieren<br />

und aufzubauen. Damit können sich die Beteiligten mit dem jeweiligen Gegenüber vertieft<br />

ause<strong>in</strong>andersetzen, so dass e<strong>in</strong>e weitere Zusammenarbeit optimiert durchführbar ist.<br />

In e<strong>in</strong>er fortgeschritteneren Phase der <strong>Unterricht</strong>sstrecke und bei e<strong>in</strong>er feststehenden<br />

Gruppenaufteilung (vgl. dazu das nachfolgende Kapitel) lassen sich die Aufgaben <strong>in</strong>dividueller<br />

gestalten. Um den Planungsaufwand <strong>in</strong> vernünftigem Rahmen zu halten, können <strong>in</strong>sbesondere<br />

Fachgespräche als weiterführendes Angebot für leistungsstarke Schüler <strong>in</strong> Erwägung<br />

gezogen werden. Diese sollten beispielsweise e<strong>in</strong>e neue Herausforderung für die Schüler<br />

bieten. Gerade leistungsstarke Schüler sollten nur zur Diskussion angeregt und daraus<br />

resultierenden Ergebnisse zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt e<strong>in</strong>gefordert werden. Für leistungsschwächere<br />

Schüler könnten zusätzliche Fachgespräche mit der Lehrkraft dazu genutzt<br />

werden, Grundkenntnisse zu vertiefen und Probleme zu klären. Hier wird der Pädagoge<br />

vermutlich mehr Zeit aufwenden müssen, um leistungsschwache Schüler entsprechend zu<br />

unterstützen (vgl. Kapitel 10.1.3 Beratende Lehrerrolle).<br />

Die komplex aufgebaute, realitätsnahe Biegevorrichtung (vgl. Kapitel 5, Übersicht 5-4) wird<br />

von den meisten Schülern wohlwollend angenommen, da sie hier die Chance sehen,<br />

erworbene Kenntnisse <strong>in</strong> die ‚wahre’ Praxis e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Insofern werden auch die<br />

praktischen Anteile <strong>in</strong> den Abschlusstests positiv bewertet. Das Gesamtheitliche, e<strong>in</strong>e an die<br />

Alltagswelt angepasste Aufgabenstellung ist für die Schüler höchst motivierend, da sie hier<br />

den Bezug zur Praxis deutlich erkennen können. Die Beobachtungen von Riedl (1998, S.<br />

259), dass sich Lernende <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> stark f<strong>in</strong>al ausrichten<br />

würden und von Tenberg (1997, S. 223) und Vögele (2003, S. 231 f.), dass das Interesse der<br />

Schüler vorwiegend auf reale <strong>Unterricht</strong>sgegenstände bezogen sei, kann aufgrund der hier<br />

beschriebenen Untersuchung nicht grundsätzlich bestätigt werden. E<strong>in</strong>e diesbezügliche<br />

Tendenz lässt sich sicherlich feststellen, aber die Aussagen der Schüler und e<strong>in</strong> entsprechend<br />

konformes Verhalten lassen <strong>in</strong> vielen Fällen darauf schließen, dass die Schüler das Bearbeitete<br />

auch verstehen wollen, um es im weiteren Verlauf der Lernstrecke <strong>in</strong> optimierter Form<br />

anwenden zu können. Insofern beschweren sich Schüler, wenn ke<strong>in</strong>e Gelegenheit dazu<br />

bestand, H<strong>in</strong>tergründe und Grundlagen ausreichend zu bearbeiten (beispielsweise weil sie der


10 Übergreifende Beurteilung 277<br />

Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d, die Lehrkraft hätte nicht genügend Zeit für die Gruppe aufgewendet).<br />

Bemerkenswert ist, dass diese Art der Beschwerden auch dann angesprochen werden, wenn<br />

die geforderte Aufgabe bereits gelöst wurde. E<strong>in</strong>ige Probanden erkennen bereits nach<br />

geraumer Zeit die Vorteile e<strong>in</strong>er Durchdr<strong>in</strong>gung theoretischer Sachverhalte und bestehen im<br />

Verlauf der Lernstrecke auf die Bearbeitung aller Teilaufgaben, auch wenn diese zum<br />

Beenden der Lerne<strong>in</strong>heit nicht unbed<strong>in</strong>gt erforderlich wären oder bereits von den Gruppenpartnern<br />

gelöst wurden. In e<strong>in</strong>em Falle wird sogar e<strong>in</strong> Gruppenwechsel seitens e<strong>in</strong>es<br />

Probanden angestrebt, weil die eigene Gruppe nach Me<strong>in</strong>ung des Probanden e<strong>in</strong>e umfassende<br />

Aufgabenbearbeitung nicht zulässt.<br />

Nickolaus, Riedl und Schelten (2005, S. 516) sprechen von e<strong>in</strong>er „Gefahr e<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>alen<br />

Orientierung im <strong>Unterricht</strong> und e<strong>in</strong>er damit e<strong>in</strong>hergehenden Vernachlässigung von Grundlagenwissen<br />

und Begründungszusammenhängen“. Riedl (1998, S. 234 f., vgl. auch Kapitel 2)<br />

ist sogar der Auffassung, dass Defizite <strong>in</strong> der Wissensanwendung bestünden. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />

Befragung der Probanden <strong>in</strong> dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> zeigt eher, dass die Schüler<br />

sehr wohl an Grundlagenwissen und Begründungszusammenhängen <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d und das<br />

e<strong>in</strong>mal erworbene Wissen <strong>in</strong> der Regel zweckmäßig anwenden. Werden die Möglichkeiten<br />

zum Wissenserwerb gerade im Bereich des Grundlagenwissens nur unzureichend angeboten<br />

oder gar unterbunden, so zeigt sich e<strong>in</strong>e massive Unzufriedenheit der Schüler, die sie während<br />

der Befragungen auch deutlich ansprechen. Es muss angenommen werden, dass Schüler dann<br />

eher e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>ale Orientierung anstreben, wenn sich im Rahmen e<strong>in</strong>er kurzen Lernstrecke<br />

(beispielsweise während e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>wöchigen konzentrierten <strong>Unterricht</strong>s) ke<strong>in</strong>e Gelegenheiten<br />

bieten, Inhalte <strong>in</strong> all ihren Facetten zu erfassen. Im Falle e<strong>in</strong>er längerfristig ausgelegten<br />

Lernstrecke, die auch im Rahmen der e<strong>in</strong>zelnen <strong>Unterricht</strong>stage mehrere Stunden umfasst,<br />

s<strong>in</strong>d die Lernenden sehr an der Gesamtheitlichkeit und an der Komplexität der Aufgabenstellung<br />

<strong>in</strong>teressiert. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e für sie geeignete<br />

Lehr-Lern-Umgebung e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d (vgl. hier die Ausführungen zu den anderen<br />

Bestimmungsgrößen). Hier bestätigen sich auch Riedls Ergebnisse, der feststellt, dass sich die<br />

zeitlich langfristige Bearbeitung der Steuerungstechnik positiv darstellt (vgl. Kapitel 2 und<br />

Riedl 1998, S. 239) Damit ließe sich auch erklären, warum manche Schüler e<strong>in</strong>en während<br />

des untersuchten <strong>Unterricht</strong>s durchlaufene überbetriebliche Maßnahme zur Steuerungstechnik<br />

favorisieren. Der massiv konzentrierte <strong>Unterricht</strong> ermöglicht auf e<strong>in</strong>fache Weise e<strong>in</strong>en<br />

schnellen Wissenserwerb h<strong>in</strong>sichtlich re<strong>in</strong>en Fachwissens. Dies ersche<strong>in</strong>t für die Probanden <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er ersten Beurteilung sehr positiv, <strong>in</strong>sbesondere dann, wenn sie den überbetrieblichen<br />

<strong>Unterricht</strong> mit der langfristig ausgelegten Lernphase an der Berufsschule vergleichen.<br />

Trotzdem nutzen auch diese Schüler an der Berufsschule die Möglichkeit, ihre Lösungsstrategien<br />

weiter zu verfe<strong>in</strong>ern und auszubauen. So merken die Schüler beispielsweise an, den<br />

Aufbau e<strong>in</strong>er Schaltung auf zwei verschiedene Weisen durchgeführt zu haben, um die<br />

unterschiedlichen Lösungswege vergleichen zu können. Dies verdeutlicht das Interesse an der<br />

Weiterentwicklung beispielsweise der Methodenkompetenz.<br />

10.1.5 Kooperatives und kommunikatives Lernen<br />

Die Gruppene<strong>in</strong>teilung der Schüler stellt e<strong>in</strong> immer wieder diskutiertes Problem bei Untersuchungen<br />

zur Ausgestaltung handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte dar. Bisher hat sich<br />

eher die Tendenz gezeigt, leistungshomogene Gruppen zusammenzustellen (vorzugsweise<br />

durch die Schüler selbst festgelegt), da sich leistungsstarke Schüler sonst <strong>in</strong> ihrem Fortkom-


278 10 Übergreifende Beurteilung<br />

men e<strong>in</strong>geschränkt fühlen, während leistungsschwache dem <strong>Unterricht</strong> nur bed<strong>in</strong>gt folgen<br />

können.<br />

Das hier untersuchte Lernfeld gibt diesbezüglich e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise, die bei der Gruppene<strong>in</strong>teilung<br />

künftiger <strong>Unterricht</strong>svorhaben von Nutzen se<strong>in</strong> könnten. In der Tat sollten sich die<br />

Schüler beispielsweise selbst zu Gruppen zusammenf<strong>in</strong>den, weil Differenzen <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Gruppe e<strong>in</strong>en Lernfortschritt leicht bee<strong>in</strong>trächtigen, sogar unterb<strong>in</strong>den können. So kann<br />

festgestellt werden, dass sich e<strong>in</strong>zelne Schüler zurückziehen, wenn sich diverse Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

auf das Wohlbef<strong>in</strong>den des E<strong>in</strong>zelnen auswirken. Beispielsweise beschäftigt sich e<strong>in</strong><br />

Schüler ausschließlich mit den theoretischen Aufgaben, weil se<strong>in</strong> dom<strong>in</strong>anter Gruppenpartner<br />

voreilig den Praxisanteil erledigt, unabhängig vom Kenntnisstand se<strong>in</strong>es Kollegen. Der<br />

Schüler ist der Ansicht, dass diesbezügliche Defizite den weiteren Kenntniserwerb bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

(Auch hier lässt sich im Übrigen wieder das Interesse der Probanden am Erwerb e<strong>in</strong>es<br />

tiefer gehenden Wissens feststellen.) Riedl (1998, S. 227, vgl. auch Kapitel 2) stellt fest dass<br />

bei Gruppen mit mehr als zwei Schülern Schwierigkeiten dah<strong>in</strong> gehend auftreten, dass e<strong>in</strong>e zu<br />

starke Arbeitsteilung stattf<strong>in</strong>det und nicht alle Schüler die zur vollständigen Lösung e<strong>in</strong>er<br />

Aufgabe notwendigen Schritte durchlaufen. Er empfiehlt daher, die Gruppen mit maximal<br />

zwei Schülern zu besetzten. Dies kann mit der hier vorliegenden Untersuchung bestätigt<br />

werden. Es ersche<strong>in</strong>t nach Betrachtung der hier vorliegenden Ergebnisse durchaus die beste<br />

Möglichkeit zu se<strong>in</strong>, alle Schüler zur aktiven Mitarbeit anzuregen. Trotzdem muss auch <strong>in</strong><br />

Zweiergruppen mit den von Riedl beschriebenen Problemen gerechnet werden, gerade dann,<br />

wenn – wie oben beschrieben – die Schüler nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, konstruktiv mite<strong>in</strong>ander<br />

zusammenzuarbeiten. Problem mit der Zusammenarbeit zeichnen sich <strong>in</strong> der hier beschriebenen<br />

Untersuchung allerd<strong>in</strong>gs nicht nur dann ab, wenn sich Schwierigkeiten auf sozialer Ebene<br />

abzeichnen. Auch zeigen sich die von Riedl beschriebenen Phänomene größerer Gruppen<br />

dann bei Zweiergruppen, wenn Schüler e<strong>in</strong> schnelleres Fortkommen erzw<strong>in</strong>gen wollen (vgl.<br />

hierzu z. B. die Schüler der Gruppe 2/II, Kapitel 9). Gründe dafür könnten – wie <strong>in</strong> dieser<br />

Gruppe – e<strong>in</strong> Konkurrenzdruck oder im Falle anderer Probanden auch mangelnde Motivation<br />

se<strong>in</strong>. Insofern müssen von Seiten des <strong>Unterricht</strong>enden Bemühungen dah<strong>in</strong> gehend getroffen<br />

werden, die Schüler <strong>in</strong> gleichem Maße <strong>in</strong> alle Aufgabenbereiche zu <strong>in</strong>tegrieren.<br />

Es hat sich ferner gezeigt, dass e<strong>in</strong> gewisser Grad an Heterogenität durchaus lernförderlich<br />

se<strong>in</strong> kann (vgl. z. B. Gruppe 5, Block I), wenn die Schüler gut mite<strong>in</strong>ander zusammenarbeiten<br />

können. Die Schüler motivieren sich gegenseitig, weil der leistungsschwächere e<strong>in</strong> Fortkommen<br />

auch mit wenig Lehrere<strong>in</strong>satz sieht, während der leistungsstärkere durch die Unterstützung<br />

se<strong>in</strong>es Partners e<strong>in</strong>e Wiederholung und Vertiefung des Stoffes erfährt und als solche<br />

wahrnimmt.<br />

Auch kann e<strong>in</strong>e gruppenübergreifende Kommunikation festgestellt werden, wobei nicht alle<br />

leistungsstarken Schüler schwächere Gruppen unterstützen. Hier soll wieder das bereits oben<br />

Beschriebene aufgegriffen werden, nämlich leistungsstarke Schüler oder Gruppen gezielt als<br />

Tutoren für schwächere Lernende e<strong>in</strong>zusetzen. Damit ließe sich e<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e kaum<br />

überschaubare Interaktion zwischen den Gruppen lenken. Andererseits – und das sche<strong>in</strong>t der<br />

wesentliche Punkt zu se<strong>in</strong> – kann die Aufstellung von Tutoren alle Bereiche e<strong>in</strong>er Berufskompetenz<br />

sowohl bei den leistungsstarken Schülern, als auch bei den leistungsschwachen<br />

fördern. Dies zeigt sich schon alle<strong>in</strong> dar<strong>in</strong>, dass viele Schüler die Unterweisung durch e<strong>in</strong>en<br />

anderen Schüler eher annehmen, als durch die Lehrkraft. Es sollen also Fachgespräche unter<br />

den Schülern angesetzt werden, wobei die Lehrkraft diese beispielsweise durch Vorgabe der<br />

Thematik (mit dem H<strong>in</strong>tergrundwissen über den Kenntnisstand der e<strong>in</strong>zelnen Schüler) gezielt<br />

steuern kann. Inwieweit die Lehrkraft an diesen Gesprächen teilnimmt oder sich gar e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt,


10 Übergreifende Beurteilung 279<br />

sollte auch hier situationsflexibel entschieden, d. h. der jeweiligen Situation angepasst<br />

werden.<br />

Es sei an dieser Stelle nochmals darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass e<strong>in</strong>e <strong>Unterricht</strong>sgestaltung mittels<br />

Tutoren und mit Fachgesprächen unter den Schülern erst dann durchführbar ist, wenn die<br />

Lehrkraft e<strong>in</strong>en tiefer gehenden E<strong>in</strong>blick über das Lernvorgehen der Schüler im Lernfeld<br />

erhalten hat. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die durchgeführten Maßnahmen Gew<strong>in</strong>n<br />

br<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>gesetzt s<strong>in</strong>d und der erwünschte Effekt e<strong>in</strong>er Leistungssteigerung erreicht wird.<br />

E<strong>in</strong>er von Nickolaus, Riedl und Schelten (2005, S. 516) beschriebenen Vernachlässigung von<br />

Grundlagenwissen und Begründungszusammenhängen seitens der Lernenden kann gerade im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er geeigneten Kooperation zwischen den Schülern entgegengewirkt werden. Die<br />

temporäre Vernetzung mehrerer Gruppen spielt hierbei e<strong>in</strong>e große Rolle, zumal Schüler auch<br />

selbst die Möglichkeit der gruppenübergreifenden Kommunikation nutzen. E<strong>in</strong>e von der<br />

Lehrkraft gezielt ausgestaltete Vernetzung kann hier e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag leisten, die<br />

Schüler zum Erarbeiten von Grundlagenwissen und Begründungszusammenhängen anzuregen.<br />

10.1.6 Integrative, offene Leistungsfeststellung<br />

Die im untersuchten <strong>Unterricht</strong> durchgeführte <strong>in</strong>tegrative, offene Leistungsfeststellung wird<br />

von den Schülern positiv bewertet. Beispielsweise die Auswertung der Abschlusstests<br />

zusammen mit der Lehrkraft bietet zusätzlich die Möglichkeit, Defizite der Schüler transparent<br />

zu gestalten oder auch besondere Leistungen zu würdigen und so die Motivation der<br />

jeweiligen Schüler anzuregen. Hier ist e<strong>in</strong> zusätzliches Potential zu sehen, die Schüler gerade<br />

auf Defizite im Grundlagenwissen anzusprechen und so zu sensibilisieren. Mittels der<br />

Abschlusstests oder auch der Bewertung der übrigen Arbeitsunterlagen kann die Lehrkraft auf<br />

Defizite verweisen, die e<strong>in</strong> mangelndes Verständnis im Bereich des Grundlagenwissens<br />

aufdecken.<br />

Fraglich ist, <strong>in</strong>wieweit das von Riedl aufgedeckte Phänomen e<strong>in</strong>er stressfreien Prüfungsphase<br />

bestätigt werden kann (Riedl 1998, S. 229, vgl. auch Kapitel 2). Insbesondere leistungsstarke<br />

Schüler zeigen sich <strong>in</strong> der hier beschriebenen Untersuchung beim Absolvieren der vorgeschriebenen<br />

Tests entspannt. Bei Gruppen mit Schwierigkeiten h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er produktiven<br />

Zusammenarbeit setzen sich die Probleme <strong>in</strong> der Regel auch bei der Bearbeitung der Tests<br />

fort. Es lässt sich auch hier feststellen, dass e<strong>in</strong> zentraler Schlüssel für e<strong>in</strong> erfolgreiches<br />

Durchlaufen e<strong>in</strong>er konstruktivistisch ausgelegten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> der Gruppenzusammensetzung<br />

liegt. Nach der hier vertretenen Auffassung muss davon ausgegangen werden,<br />

dass auch e<strong>in</strong> nachhaltiges E<strong>in</strong>fordern des Ausführens aller Bearbeitungsschritte durch den<br />

E<strong>in</strong>zelnen hier nicht zu e<strong>in</strong>em Erfolg führen würde, wenn der E<strong>in</strong>zelne <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ungünstigen<br />

Gruppenkonstellation agieren muss.<br />

10.1.7 Integrierter Fachunterrichtsraum<br />

Auch im Rahmen e<strong>in</strong>er Befragung h<strong>in</strong>sichtlich des Arbeitens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrierten Fachunterrichtsraum<br />

zeigt sich das Interesse der Schüler an Grundlagenwissen und das Verständnis für<br />

Zusammenhänge. Die meisten Schüler schätzen das Arbeiten <strong>in</strong> dieser Art des Fachunterrichtsraumes,<br />

da sich aufgrund der dort gebotenen Möglichkeiten Verständnisschwierigkeiten


280 10 Übergreifende Beurteilung<br />

ausräumen lassen. Wichtig für die Lernenden ist auch hier wieder das Integrative, das die<br />

Möglichkeit bietet, Inhalte <strong>in</strong> all ihren Ausprägungen erfassen zu können.<br />

Die Probanden schätzen den Umgang mit alltagstauglichen Gerätschaften und mit Arbeitsmitteln,<br />

die sie <strong>in</strong> ihrem Berufsleben ebenfalls vorf<strong>in</strong>den. Viele beschäftigen sich zu Beg<strong>in</strong>n der<br />

<strong>Unterricht</strong>sstrecke primär mit den Geräten und f<strong>in</strong>den nur langsam <strong>in</strong> die Bearbeitung<br />

theoretischer Anteile. Im Laufe der Zeit zeigt sich aber – wie bereit mehrfach oben erwähnt –<br />

dass die Erfassung theoretischer Aspekte gerade <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem praktischen Anteil<br />

sehr positiv e<strong>in</strong>geschätzt wird. Die Schüler entwickeln geradezu e<strong>in</strong>en ausgeprägten Ehrgeiz,<br />

beide Komponenten, Theorie und Praxis, gleichermaßen zu erfassen und zeigen sich unwillig,<br />

wenn dies durch ungünstige Umstände (z. B. unpassende Gruppene<strong>in</strong>teilung) verh<strong>in</strong>dert wird.<br />

Insbesondere nutzen die Auszubildenden alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, um ihre<br />

Kenntnisse auf dem Gebiet der Steuerungstechnik auszubauen. Hier zeigt sich der Fachunterrichtsraum<br />

als willkommene Hilfestellung, diesem Anliegen nachzukommen. Es kann vor<br />

allem festgestellt werden, dass anfängliche Skepsis e<strong>in</strong>er aktiven und hochmotivierten<br />

Mitarbeit weicht, da die Schüler den Vorteil erkennen und nutzen, Inhalte sowohl theoretisch<br />

als auch praktisch erarbeiten zu können.<br />

Es lassen sich auch hier wieder die Vorteile e<strong>in</strong>er langfristig ausgelegten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit<br />

feststellen. So nutzen die Schüler die ihnen zur Verfügung stehende Zeit und setzen sich auch<br />

mit den Gerätschaften <strong>in</strong>tensiver ause<strong>in</strong>ander, als dies zum Lösen der Aufgaben notwendig<br />

wäre. Insbesondere weisen e<strong>in</strong>ige Schüler darauf h<strong>in</strong>, die zwischen den <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heiten<br />

liegenden Tage zum Festigen des Erlernten zu nutzen und <strong>in</strong>sbesondere neue Gedanken und<br />

Ideen mit Hilfe der Gerätschaften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nächsten <strong>Unterricht</strong>sstunde umzusetzen. Konkret<br />

heißt dies, dass die Schüler Lösungswege suchen, die bei der re<strong>in</strong> theoretischen Bearbeitung<br />

so nicht <strong>in</strong> Erwägung gezogen würden.<br />

10.2 Resümee<br />

Die hier (<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Kapitel 10) getroffenen Aussagen und E<strong>in</strong>schätzung zu dem<br />

untersuchten, qualitativ hochwertigen <strong>Unterricht</strong> gründen auf Ergebnisse von Schüleraussagen,<br />

die während dieses <strong>Unterricht</strong>s erfasst wurden. Dadurch ergaben sich immer neue<br />

Ansatzpunkte, wie durch e<strong>in</strong>e Umgestaltung bzw. Weiterentwicklung der Lehr-Lern-<br />

Umgebung die Lehr-Lern-Prozesse optimiert werden konnten.<br />

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass für den Erwerb von Grundlagenwissen e<strong>in</strong>e hohe<br />

Qualität der Lehr-Lern-Umgebung erforderlich ist. Die so gestaltete nachdrückliche Förderung<br />

e<strong>in</strong>es komplexen Handlungswissens mit se<strong>in</strong>en Komponenten Faktenwissen, Verfahrenswissen,<br />

Begründungswissen und E<strong>in</strong>satzwissen erlaubt die gezielte Herausbildung e<strong>in</strong>er<br />

Berufskompetenz h<strong>in</strong>sichtlich der Aspekte Fach- und Methodenkompetenz, Personalkompetenz<br />

und Sozialkompetenz. Dabei lässt sich festhalten, dass die Lehr-Lern-Umgebung<br />

zw<strong>in</strong>gend an die vorgefundenen Bed<strong>in</strong>gungen anzupassen ist, wobei dies nur aufgrund e<strong>in</strong>es<br />

langfristig ausgelegten Zeitraums <strong>in</strong> hohem Maße durchsetzbar ist. Schüler und Lehrkraft<br />

sollen also e<strong>in</strong> immer <strong>in</strong>tensiver ausgeprägtes Mite<strong>in</strong>ander erzielen und dabei e<strong>in</strong>en möglichst<br />

hohen Grad an Wissensvermittlung und Wissenserwerb erreichen.<br />

Angewendet auf die hier untersuchte Lehr-Lern-Umgebung heißt dies z. B. e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fordern<br />

aller Wissenskomponenten <strong>in</strong>nerhalb der Abarbeitung der Aufgaben. So wurden <strong>in</strong> Fachgesprächen<br />

oder auch durch die Bearbeitung der Wissenskontrollblätter u. a. nachdrücklich


10 Übergreifende Beurteilung 281<br />

Begründungszusammenhänge gefordert oder die Anwendung von Verfahrenswissen auch im<br />

Rahmen der Leistungsfeststellung erwartet. Die E<strong>in</strong>forderung aller Wissenskomponenten und<br />

damit die Förderung der Berufskompetenz <strong>in</strong> all ihren Facetten zeigt auf lange Sicht, dass<br />

Schüler vom ursprünglichen Ziel e<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>alen Orientierung und e<strong>in</strong>em anfänglich angestrebten<br />

schnellen und komprimierten Wissenserwerb abkommen und tatsächlich auf die Bearbeitung<br />

e<strong>in</strong>er Aufgabenstellung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Wiederverwertbarkeit des Erlernten<br />

abstellen. Die Auszubildenden erkennen dann im Verlaufe der über e<strong>in</strong>en langen Zeitraum<br />

ausgerichteten Lernstrecke den wertbildenden Charakter e<strong>in</strong>es ‚re-usablen’ Wissens im<br />

Gegensatz zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>er hohen Halbwertszeit unterliegenden ‚Wegwerfwissen’. Wichtig ist<br />

es, den Schülern die Gelegenheit zu bieten, sich Wissen <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Aspekten anzueignen<br />

und ihnen vor allem die dafür benötigte Zeit e<strong>in</strong>zuräumen. Dies ermöglicht e<strong>in</strong>e langfristig<br />

ausgelegte Lernstrecke <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er schülergerechten Lehr-Lern-Umgebung.<br />

Die Probanden handeln hier also anders, als bisherige Untersuchungen dies vermuten ließen.<br />

Leist (1993, S. 185 ff.) beschreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Ausführungen zu „Motivation, Interesse,<br />

Handlung und Lernen“ Beweggründe für das Handeln e<strong>in</strong>er Person wie folgt: „ Wenn jemand<br />

handelt, dann tut er das als Person, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Umweltbezug steht; er tut es aufgrund e<strong>in</strong>er<br />

Aufgabe, die er sich vornimmt, aus e<strong>in</strong>er Situation heraus, <strong>in</strong> der er sich sieht; er tut es, um<br />

die Aufgabe zu lösen, auf die h<strong>in</strong> Lösungen entworfen und bewertet sowie Entschlüsse gefasst<br />

werden; von daher kann er Handlungsausführungen als Aufgabenlösungen ‚absichtsvoll’<br />

realisieren und schließlich die Aufgabenlösung kontrollieren.“ Wenn nun Handeln (hier e<strong>in</strong><br />

Handeln der Probanden dah<strong>in</strong> gehend, dass Wissenserwerb optimierbar ist) als Reaktion auf<br />

die vorgefundene Umwelt oder durch e<strong>in</strong>e Situation heraus geprägt ist, <strong>in</strong> der sich der<br />

Handelnde bef<strong>in</strong>det, so kann e<strong>in</strong>e auf den Handelnden, hier den Lernenden zugeschnittene<br />

bzw. optimierte Lehr-Lern-Umgebung das Verhaltensmuster der Lernenden tatsächlich<br />

verändern (nämlich weg von e<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>alen Orientierung h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>em Wissenserwerb <strong>in</strong> all<br />

se<strong>in</strong>en Ausprägungen). Der Pädagoge kann also die Verhaltensmuster der Lernenden und<br />

damit den Lernerfolg bee<strong>in</strong>flussen, <strong>in</strong>dem er den Auszubildenden e<strong>in</strong>e Lehr-Lern-Umgebung<br />

zur Verfügung stellt, die sich aus e<strong>in</strong>er wiederholten Überprüfung und daraus resultierender<br />

Verbesserungen entwickelt.<br />

Wie bereits <strong>in</strong> Kapitel 4 angedeutet, zielt die Berufsschule auf die Vermittlung e<strong>in</strong>es<br />

Begründungswissens im Verbund mit Fakten- und Verfahrenswissen ab, während die<br />

betriebliche Ausbildung primär auf die Vermittlung von Verfahrenswissen und Faktenwissen<br />

abstellt.<br />

Vorliegende Studie belegt theoretische Ausführungen, die der Berufsschule e<strong>in</strong>e Konzentration<br />

auf die Vermittlung von Begründungswissen im Rahmen des fachlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

zuschreibt (Schelten 2005, S. 186 ff.). Ergebnisse der E<strong>in</strong>zelfallstudien zeigen, dass die<br />

Akzentuierung des Begründungswissens im <strong>Unterricht</strong> von den Schülern im Lernverlauf<br />

akzeptiert und mit zunehmender Akzeptanz geradezu e<strong>in</strong>gefordert wird. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sbesondere<br />

auf e<strong>in</strong> Begründungswissen abzielende Lehr-Lern-Umgebung lenkt die Interessen der Schüler<br />

<strong>in</strong> hohem Maße auf diese Komponente des Wissens. Dem zu Folge stellt sich hier e<strong>in</strong> hohes<br />

Maß an Lernerfolg e<strong>in</strong>. Insofern zeigen sich hier Wege, wie die Berufsschule das Ziel,<br />

Begründungswissens im Verbund mit Fakten- und Verfahrenswissen vermitteln zu wollen,<br />

weiter forcieren kann.<br />

Die <strong>in</strong> Kapitel 3 aufgeworfenen Forschungsfragen<br />

1. Wie beurteilen Schüler die Anforderungen <strong>in</strong> der <strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-<br />

Lern-Umgebung … im H<strong>in</strong>blick auf die Bestimmungsgrößen?


282 10 Übergreifende Beurteilung<br />

2. Wie s<strong>in</strong>d die Beurteilungen der Schüler im Rahmen e<strong>in</strong>er teilnehmenden Beobachtung<br />

e<strong>in</strong>zuschätzen, d. h. wie s<strong>in</strong>d die Beurteilungen des E<strong>in</strong>zelnen zu werten<br />

und was lässt sich daraus ableiten?<br />

3. Welche Folgerungen erschließen sich aus der bewerteten Beurteilung für künftige<br />

<strong>Unterricht</strong>svorhaben?<br />

konnten mit vorliegender Untersuchung sehr gut beantwortet werden. Es haben sich aufgrund<br />

der <strong>in</strong>tensiven Befragung und dem nachdrücklichen Ause<strong>in</strong>andersetzen mit den Schülern<br />

E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Lehr-Lern-Umgebung ergeben, die vor der Untersuchung so nicht vermutet<br />

werden konnten. Insbesondere konnte aufgrund der teilnehmenden Beobachtung festgestellt<br />

werden, dass die Aussagen der Probanden im Wesentlichen sehr aussagekräftig waren und<br />

auch den Tatsachen entsprachen. Aufgrund der teilnehmenden Beobachtung und der dabei<br />

aufgedeckten ablaufenden <strong>Lernprozesse</strong> war es möglich, die Innensicht der Schüler (sprich:<br />

deren E<strong>in</strong>schätzungen) pädagogisch reflektiert wiederzugeben. Insbesondere wurde der<br />

festgehaltene Aussagengehalt im weiteren Frageverlauf berücksichtigt, so dass durch die<br />

gezielte Anpassung des Leitfadens der Befragung immer wieder e<strong>in</strong>e Gütekontrolle stattfand.<br />

Es ergab sich somit e<strong>in</strong> klar def<strong>in</strong>iertes Bild e<strong>in</strong>er Lehr-Lern-Umgebung, woraus sich viele<br />

<strong>in</strong>teressierende Details (s. o.) erschließen ließen.<br />

Wie sich gezeigt hat, können durch die Berücksichtigung der Expertise der Lernenden<br />

Erfahrungen über e<strong>in</strong>e Lehr-Lern-Umgebung gewonnen werden, die durch klassische<br />

Betrachtungsweisen (Außenperspektive) so nicht erfassbar s<strong>in</strong>d. Insofern wäre es vorteilhaft,<br />

diesbezüglich weitere Untersuchungen anzuschließen, die aus e<strong>in</strong>em erweiterten oder anderen<br />

Blickw<strong>in</strong>kel gesehen, weitere, für e<strong>in</strong> konstruktivistisch ausgelegtes <strong>Unterricht</strong>skonzept<br />

wesentliche Anhaltspunkte liefern.<br />

Wie bereits <strong>in</strong> den vorhergehenden Kapiteln aufgeführt, wurde der Interviewleitfaden für die<br />

hier beschriebene Untersuchung nur sehr grob gefasst, um möglichst viele Kennzeichen des<br />

Untersuchungsfeldes zu erfassen. Es haben sich dann zentrale Aspekte herauskristallisiert, die<br />

e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teressanten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> das Untersuchungsfeld ermöglichten. Wünschenswert wäre es<br />

nun, diese Aspekte weiter zu untersuchen und dah<strong>in</strong> gehend zu vertiefen, dass noch dezidiertere<br />

Aussagen zu den e<strong>in</strong>zelnen Aspekten e<strong>in</strong>er bestimmten Lehr-Lern-Umgebung getroffen<br />

werden können. So wäre es beispielsweise erstrebenswert, e<strong>in</strong>e Untersuchung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

längerfristig ausgelegten <strong>Unterricht</strong>se<strong>in</strong>heit gezielt auf die Ausgestaltung und Durchführung<br />

von Fachgesprächen zu richten und dabei ggf. erneut die Problematik e<strong>in</strong>er Vernachlässigung<br />

von Grundlagenwissen und Begründungszusammenhängen aufzugreifen. Erstrebenswert wäre<br />

es auch, Lehr-Lern-Umgebungen dah<strong>in</strong> gehend zu untersuchen, wie möglichst umfassend alle<br />

Wissensaspekte im Rahmen der Vermittlung e<strong>in</strong>er Berufskompetenz e<strong>in</strong>gefordert werden<br />

könnten. Dabei sollte wieder das oben bereits mehrfach erwähnte iterative Vorgehen bei der<br />

Gestaltung der Lehr-Lern-Umgebungen beachtet werden, d. h., das Untersuchungsfeld wird<br />

sich mit zunehmender Erfahrung des Forschers dah<strong>in</strong> gehend verändern, dass die gewonnen<br />

Ergebnisse <strong>in</strong> der Tat aus e<strong>in</strong>em soliden Untersuchungsdesign hervorgehen.<br />

Muss die Lehrkraft e<strong>in</strong>en handlungsorientiert ausgerichteten <strong>Unterricht</strong> alle<strong>in</strong>e durchführen,<br />

so wird sich die Aufdeckung der Eigenarten der Lehr-Lern-Umgebung <strong>in</strong> all ihren Facetten<br />

sicherlich schwierig gestalten (hier könnte ggf. Teamteach<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag<br />

leisten). Allerd<strong>in</strong>gs wird e<strong>in</strong>e Lehrkraft mit zunehmender Erfahrung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

<strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s sehr schnell e<strong>in</strong>schätzen können, wie die für das weitere<br />

Vorgehen notwendigen Informationen aus der Lehr-Lern-Umgebung effizient zu entnehmen


10 Übergreifende Beurteilung 283<br />

s<strong>in</strong>d. Fachgespräche könnten also beispielsweise anfänglich darauf ausgerichtet se<strong>in</strong>, die<br />

Mentalität der Schüler, d. h. deren Charaktere, zu ergründen.<br />

Wird e<strong>in</strong> handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> auf mehrere Monate h<strong>in</strong> ausgelegt oder sogar auf<br />

mehrere Jahre (z. B. über die drei Jahrgangsstufen h<strong>in</strong>weg, wie es an der Berufsschule<br />

Weilheim vorgesehen ist), so ist e<strong>in</strong>e Lehrkraft durchaus <strong>in</strong> der Lage, hier im Laufe der Zeit<br />

e<strong>in</strong>e für die Adressaten optimale Lehr-Lern-Umgebung zu schaffen, die auch für die Lehrkraft<br />

selbst e<strong>in</strong> angenehmes Arbeiten ermöglicht. Die Erfahrung wird der Lehrkraft helfen, e<strong>in</strong>en<br />

anfänglich verme<strong>in</strong>tlich unüberschaubaren Planungsaufwand zu reduzieren und so e<strong>in</strong><br />

Konzept zu erstellen, das für alle Beteiligten die Bewältigung des <strong>Unterricht</strong>s zur Zufriedenheit<br />

aller erlaubt.<br />

10.3 Zusammenfassung<br />

Die <strong>in</strong> diesem Kapitel vorgestellte übergreifende Beurteilung der Ergebnisse versucht, sich<br />

von den <strong>in</strong> den vorhergehenden Kapiteln aufgeführten E<strong>in</strong>zelfällen zu lösen. Bereits die<br />

Darstellung der E<strong>in</strong>zelfälle ermöglicht die Angabe von H<strong>in</strong>weisen, die für künftige <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

maßgeblich se<strong>in</strong> könnten. Die übergreifende Beurteilung gibt nun aber e<strong>in</strong>en<br />

weiter gefassten E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Erfahrungen mit dem untersuchten Lernfeld, wie sie aus den<br />

Aussagen der Schüler, aus der teilnehmenden Beobachtung und aus den Beobachtungen der<br />

Lehrkraft entstanden und wie sie ggf. für weitere <strong>Unterricht</strong>svorhaben anwendbar s<strong>in</strong>d. Diese<br />

umfassende Beurteilung betrachtet <strong>in</strong>teressierende Aspekte e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-<br />

Lern-Umgebung, die maßgeblich <strong>in</strong> Kapitel 2 bei der Beschreibung von Forschungsdefiziten<br />

und -desiderata bereits aufgeführt wurden. Angesprochen wird hier <strong>in</strong>sbesondere die Balance<br />

zwischen Selbststeuerung und Lehrer<strong>in</strong>struktion, wie sie sich für das untersuchte Lehr-Lern-<br />

Arrangement dargestellt hat. Viele Ergebnisse der dort aufgeführten Arbeiten können auch<br />

durch die hier beschriebene Untersuchung bestätigt werden, manche Ergebnisse lassen sich<br />

weiter präzisieren.<br />

Auf die übergreifende Beurteilung folgt e<strong>in</strong> kurzer Überblick, <strong>in</strong>wieweit weitere, d. h.<br />

anschließende Forschungsarbeiten die aufgefundenen Ergebnisse bestätigen und e<strong>in</strong>er tiefer<br />

gehenden Beurteilung zuführen könnten. Es wird vorgeschlagen, mit ähnlichen Forschungsdesigns<br />

die <strong>in</strong> der übergreifenden Beurteilung beleuchteten Aspekte weiter zu prüfen.


11 Zusammenfassung 283


284 11 Zusammenfassung<br />

11 ZUSAMMENFASSUNG<br />

Die hier vorliegende empirische Studie befasst sich mit der Beurteilung e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong><br />

Lehr-Lern-Umgebung durch 24 beteiligte Schüler. Nach der E<strong>in</strong>ordnung der vorliegenden<br />

Arbeit <strong>in</strong> den Bereich der Lehr-Lern-Forschung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er <strong>beruflichen</strong> Bildung,<br />

e<strong>in</strong>schließlich der Anknüpfungspunkte an bereits vorliegende Arbeiten wird das methodische<br />

Vorgehen zur Durchführung der Untersuchung kurz umrissen. Abschließend s<strong>in</strong>d wichtige<br />

Ergebnisse aufgeführt.<br />

Bisherige Arbeiten des Lehrstuhls für Pädagogik der Technischen Universität München (vgl.<br />

Kapitel 2), die vornehmlich darauf abstellten, das Objekt ‚<strong>Unterricht</strong>’ aus verschiedenen<br />

Blickw<strong>in</strong>keln zu beobachten, bilden den Anknüpfungspunkt für die hier beschriebene<br />

Untersuchung. Aus den Beobachtungen ergaben sich tief greifende, e<strong>in</strong>e Außenperspektive<br />

des <strong>Unterricht</strong>s (aus Sicht des Betrachters) abbildende Darstellungen, aus welchen sich<br />

H<strong>in</strong>weise und Empfehlungen für weitere <strong>Unterricht</strong>svorhaben ableiten ließen.<br />

Vorliegende Arbeit versucht nun, e<strong>in</strong>en Gegenpol zu der bisher gewonnen Außenperspektive<br />

von Lehr-Lern-Umgebungen zu gew<strong>in</strong>nen. Sowohl die Datenerhebung als auch die Datenaufbereitung<br />

und -auswertung zielen darauf ab, e<strong>in</strong> dezidiertes Bild über den <strong>Unterricht</strong> aus Sicht<br />

der Lernenden und so e<strong>in</strong>e ‚Innenperspektive’ desselben zu erhalten. Der Begriff ‚Innenperspektive’<br />

versteht sich hier als Pendant zu oben beschriebener ‚Außenperspektive’, d. h. zu<br />

e<strong>in</strong>er Beleuchtung e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s aus Sicht nur mittelbar Beteiligter,<br />

wie z. B. jeweilige Untersuchungen begleitende Forscher. Im Gegensatz zu den früheren<br />

Arbeiten wird der Schüler bei vorliegend beschriebener Untersuchung als Experte <strong>in</strong> Bezug<br />

auf se<strong>in</strong> Lernen verstanden, dessen Sichtweise helfen soll, H<strong>in</strong>weise für künftige konstruktivistisch<br />

ausgelegte <strong>Unterricht</strong>svorhaben zu entwickeln.<br />

Konkret heißt dies, dass die Schüler h<strong>in</strong>sichtlich ausgewählter Bestimmungsgrößen (Merkmale)<br />

e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s (vgl. Kapitel 5) zu Aussagen angeregt werden<br />

sollen, die ihre Beurteilung der Lehr-Lern-Umgebung darlegen bzw. aufdecken. Die<br />

Bestimmungsgrößen grenzen den <strong>in</strong>teressierenden Bereich für die Untersuchung e<strong>in</strong> und<br />

geben e<strong>in</strong> grobes Raster vor, was während der Interviews angesprochen werden soll.<br />

Folgende, e<strong>in</strong>en <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> def<strong>in</strong>ierende Themengebiete liegen den<br />

Befragungen zugrunde:<br />

- Komplexe Aufgabenstellung und Lerngebiet;<br />

- Selbststeuerung und Freiheitsgrade;<br />

- Beratende Lehrerrolle;<br />

- Integrative, offene Leistungsfeststellung;<br />

- Kooperatives und kommunikatives Lernen;<br />

- Integrierter Fachunterrichtsraum.<br />

All diese Themenbereiche verweisen auf typische Elemente e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-<br />

Lern-Umgebung und werden <strong>in</strong> unterschiedlichen Ausprägungen vorgefunden. Die Schüler<br />

sollen <strong>in</strong> der hier vorliegenden Untersuchung die den durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> kennzeichnende<br />

Ausprägungen benennen und bewerten.


11 Zusammenfassung 285<br />

Um die Sichtweise der Schüler zu erfahren und e<strong>in</strong>er Auswertung zugänglich zu machen,<br />

wird e<strong>in</strong> Forschungsansatz aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung gewählt. Die<br />

qualitative Sozialforschung wird hier als probates Mittel erachtet, Zusammenhänge und<br />

H<strong>in</strong>tergründe der Lehr-Lern-Umgebung aufzudecken, wobei die Betrachtung der Lehr-Lern-<br />

Umgebung unter Berücksichtigung möglichst vieler Perspektiven angestrebt wird.<br />

Die Ermittlung der Innenperspektive e<strong>in</strong>er <strong>handlungsorientierten</strong> Lehr-Lern-Umgebung<br />

erfordert bei der Auswertung der gewonnenen Daten e<strong>in</strong> hohes Maß an Zurückhaltung des<br />

Bearbeiters, um die sich entwickelnden Bilder der Schüler nicht durch e<strong>in</strong>e zu ausgeprägte,<br />

von außen e<strong>in</strong>wirkende Subjektivität zu verfälschen. Daher werden die erhobenen Daten über<br />

e<strong>in</strong> an die vorgefundene Wirklichkeit adaptiertes Auswerteverfahren derart weiterverarbeitet,<br />

dass aus den Schüleraussagen e<strong>in</strong> für den Leser greifbares, den <strong>Unterricht</strong> aus Sicht der<br />

Schüler wiedergebendes, wirklichkeitsgetreues Konstrukt entsteht.<br />

Im Rahmen dieser Untersuchung wird Subjektivität jedoch nicht als e<strong>in</strong> die Forschungssituation<br />

und damit die Ergebnisse verfälschendes Negativum verstanden. Vielmehr soll die<br />

Subjektivität als wesentlicher, nicht vermeidbarer Bestandteil <strong>in</strong> das Forschungsprozedere<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden. Konkret heißt dies, für die Forscher<strong>in</strong> ist es unumgänglich, sich derart <strong>in</strong><br />

das Untersuchungsfeld e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, dass sie Teil des Untersuchungsfeldes wird und <strong>in</strong><br />

gewissem Maße die Untersuchung mit bee<strong>in</strong>flusst. Es wird also bewusst darauf verzichtet,<br />

e<strong>in</strong>e künstliche ‚In-Vitro-Atmosphäre’ zu schaffen, die Subjektivität nur verme<strong>in</strong>tlich<br />

ausschließt und durch e<strong>in</strong>e synthetische Forschungsarbeit Subjektivität geradezu provoziert.<br />

Die Akzeptanz forschungsrelevanter und damit unvermeidlicher Aspekte <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Untersuchungsfeldes erfordert für den Untersuchenden e<strong>in</strong> hohes Maß an Situationsflexibilität.<br />

Damit ist e<strong>in</strong>erseits die Anpassung von Forschungsmethoden an den Verlauf der<br />

Untersuchung geme<strong>in</strong>t, wie sie bereits mit der ‚Grounded Theory’ nach Strauss, Corb<strong>in</strong><br />

(1996) e<strong>in</strong>geführt wurde. Andererseits gilt es auch, die <strong>Unterricht</strong>ssituation und das Vorgehen<br />

des Pädagogen stets an die neuen E<strong>in</strong>drücke und Erfahrungen anzugleichen und so sowohl die<br />

Untersuchungsmethoden als auch das Untersuchungsfeld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em iterativen Prozess<br />

sukzessive zu optimieren.<br />

Die <strong>in</strong> Kapitel 8 dargestellten Ergebnisse geben die von den Schülern produzierten Aussagen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lesbaren und fassbaren Form wieder. Dabei s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>griffe der Untersuchenden <strong>in</strong> den<br />

H<strong>in</strong>tergrund gestellt, so dass sich e<strong>in</strong> deutliches Bild der Schülerauffassungen abzeichnet.<br />

Kapitel 9 zeigt auf, wie die <strong>in</strong> Kapitel 8 beschriebenen Ergebnisse <strong>in</strong>terpretiert werden können<br />

und was sich daraus für den e<strong>in</strong>zelnen Probanden ableiten lässt. Hier wird auch e<strong>in</strong> erster<br />

Versuch unternommen, die gesammelten Informationen im H<strong>in</strong>blick auf weitere <strong>Unterricht</strong>svorhaben<br />

auszuwerten, es f<strong>in</strong>det also e<strong>in</strong>e erste ‚Verallgeme<strong>in</strong>erung’, losgelöst vom E<strong>in</strong>zelfall<br />

statt.<br />

Erst mit Kapitel 10 werden dann die Schüleraussagen und die aus der teilnehmenden<br />

Beobachtung resultierenden Ergebnisse im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>in</strong> Kapitel 2 näher ausgeführten<br />

Forschungsdefizite und -desiderata beschrieben, so dass die Ergebnisse nun an bisherigen<br />

Erfahrungen früherer Forschungsarbeiten gespiegelt und e<strong>in</strong>geordnet werden können.<br />

Im Gespräch mit den Probanden zeichnen sich sehr unterschiedliche Auffassungen über den<br />

durchlaufenen <strong>Unterricht</strong> ab. Diese stehen <strong>in</strong> funktionellem Zusammenhang mit der Persönlichkeit<br />

des E<strong>in</strong>zelnen und den damit verbundenen subjektiven Theorien. So zeichnen sich<br />

sehr vielschichtige Me<strong>in</strong>ungen über Lernwege und -methoden, über das Lernumfeld und<br />

dergleichen, e<strong>in</strong>e Lehr-Lern-Umgebung def<strong>in</strong>ierende Parameter ab. Um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck über<br />

konkrete E<strong>in</strong>zelfälle zu erhalten, sei <strong>in</strong>sbesondere auf Kapitel 8 verwiesen.


286 11 Zusammenfassung<br />

Es zeigt sich bei Betrachtung aller Datenschienen (Interviews, teilnehmende Beobachtung,<br />

Lehrerauffassung), dass es anhand der <strong>in</strong> Kapitel 8 aufgeführten Ergebnisse möglich ist, jeden<br />

e<strong>in</strong>zelnen Probanden zu bewerten, dessen Aussagen also zu gewichten, um daraus möglicherweise<br />

allgeme<strong>in</strong>gültige Aussagen ableiten zu können.<br />

Die aus den E<strong>in</strong>zelfällen auf der Datengrundlage der Befragungen herausgearbeiteten<br />

Ergebnisse (Kapitel 9) charakterisieren das Typische e<strong>in</strong>es jeweiligen Probanden. Hierbei<br />

lässt sich feststellen, dass das Agieren des E<strong>in</strong>zelnen im <strong>Unterricht</strong> eng mit se<strong>in</strong>en Aussagen<br />

korreliert. Dies bestätigt, dass e<strong>in</strong>e zutreffende Bewertung des entsprechenden Probanden<br />

anhand se<strong>in</strong>er Aussagen vorgenommen werden kann.<br />

Bei Betrachtung der Fälle lässt sich feststellen, dass sich die Schüler <strong>in</strong>nerhalb des <strong>Unterricht</strong>s<br />

grundsätzlich gut zurechtf<strong>in</strong>den, auch wenn oftmals erst e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen <strong>in</strong> die Lehr-Lern-<br />

Umgebung stattf<strong>in</strong>den muss. Die relativ langfristig ausgelegte Lernstrecke ermöglicht e<strong>in</strong><br />

sukzessives Ause<strong>in</strong>andersetzen mit dem <strong>Unterricht</strong>skonzept und der Thematik, sowohl für die<br />

Lehrkraft als auch für die Schüler. Nur so ist es für alle Beteiligten möglich, bisher Erfahrenes<br />

erneut zu durchdenken und verbesserte Strukturen herauszuarbeiten. Die Auszubildenden<br />

nutzen das Angebot, um umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet der Steuerungstechnik zu<br />

erwerben, streben also e<strong>in</strong> ‚Fortkommen’ <strong>in</strong> hohem Maße an. Es zeigt sich, dass auch<br />

anfänglich querulierende Schüler e<strong>in</strong>en Zugang zu dem <strong>Unterricht</strong> bekommen und bestrebt<br />

s<strong>in</strong>d, Wissen <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Komponenten zu erfassen. Die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der<br />

Thematik steigert im Laufe der Zeit den Ehrgeiz der E<strong>in</strong>zelnen, so dass diese zu oftmals guten<br />

Leistungen herangeführt werden können.<br />

Die Durchsetzung e<strong>in</strong>er Selbststeuerung <strong>in</strong>nerhalb des eigenen <strong>Lernprozesse</strong>s tritt im Laufe<br />

der Zeit immer mehr <strong>in</strong> den Vordergrund. Die Schüler s<strong>in</strong>d bestrebt, Probleme selbstständig<br />

zu lösen und nur bei wirklichem Bedarf die Lehrkraft zu Rate zu ziehen. Die Lehrkraft ist hier<br />

dah<strong>in</strong> gehend gefordert, zu sehr <strong>in</strong> die Irre führende Lösungswege der E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong>zugrenzen<br />

und e<strong>in</strong> Abweichen von möglichen Lösungswegen auf s<strong>in</strong>nvolle Alternativen zu beschränken.<br />

Das Bestreben nach Selbststeuerung kann dadurch gefördert werden, die Lehr-Lern-<br />

Umgebung entsprechend auszugestalten. So ist <strong>in</strong>sbesondere das den Lernenden zur<br />

Verfügung zu stellende <strong>Unterricht</strong>smaterial sorgfältig auszuwählen und <strong>in</strong> den Lernprozess<br />

gezielt e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Unterlagen, die nicht explizit auf den Lernprozess h<strong>in</strong> ausgerichtet s<strong>in</strong>d,<br />

werden von den Probanden entweder nicht genutzt oder provozieren sogar Schwierigkeiten<br />

bei der Bearbeitung der Thematik. So kann z. B. festgestellt werden, dass beispielorientiert<br />

aufgebaute Literatur ke<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zum Lernprozess der E<strong>in</strong>zelnen leisten kann<br />

(entgegen anders lautender Befundlage, z.B. Geiger 2005), weil schon die Aufgabenstellungen<br />

nicht dazu ausgelegt s<strong>in</strong>d, Inhalte mittels beispielorientierter Unterlagen zu erarbeiten.<br />

Trotzdem die Probanden das Angebot e<strong>in</strong>es selbstgesteuerten <strong>Lernprozesse</strong>s gerne nutzen,<br />

schätzen die Schüler auch die Unterstützung durch die Lehrkraft. Die Schüler fordern<br />

durchaus e<strong>in</strong>e starke Präsenz der Lehrkraft, um <strong>in</strong>sbesondere gravierende Probleme mit dieser<br />

lösen zu können. Auch werden <strong>in</strong> traditioneller Manier (lehrerzentrierte Phase mit Frontalunterricht)<br />

vermittelte Grundlagen als wesentlich für das Erarbeiten von Lösungen angesehen.<br />

Das selbstständige Erarbeiten von vertieftem Grundlagenwissen ersche<strong>in</strong>t im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

auf spezielle Ziele h<strong>in</strong> ausgerichteten <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s problematisch. Hier<br />

kann die Lehrkraft e<strong>in</strong>en schnellen und effektiven E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Thematik ermöglichen.


11 Zusammenfassung 287<br />

E<strong>in</strong>e wesentliche Komponente <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> stellen Fachgespräche<br />

dar. Dabei s<strong>in</strong>d sowohl Fachgespräche zwischen Lehrkraft und Schülern als auch durch<br />

die Lehrkraft angeleitete Fachgespräche zwischen Schülern angesprochen. Fachgespräche<br />

können <strong>in</strong> vielfältiger Weise e<strong>in</strong>gesetzt werden (obligatorisch, fakultativ), um den Wissenszuwachs<br />

bei den E<strong>in</strong>zelnen zu überprüfen, Leistungsschwächere zu unterstützen (sei es durch<br />

andere Schüler oder durch die Lehrkraft selbst) und gerade für Leistungsstärkere zusätzliche<br />

Aufgaben zur Verfügung zu stellen. So kann beispielsweise e<strong>in</strong>er Unterforderung entgegengewirkt<br />

werden.<br />

Zum Gel<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong>s kann maßgeblich die Interaktion<br />

zwischen den Schülern beitragen. So können <strong>in</strong> geeigneten Gruppenverbänden hohe<br />

Leistungen erzielt werden, auch wenn sich leistungsheterogene Schüler zusammenf<strong>in</strong>den.<br />

Beispielweise zeigt sich, dass leistungsstarke Schüler leistungsschwächere zu guten Leistungen<br />

h<strong>in</strong>führen können. Auffällig ist es, dass das Arbeiten <strong>in</strong> Gruppen dann problematisch ist,<br />

wenn Schüler unterschiedliche Ziele verfolgen. Meist funktioniert e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit also<br />

dann, wenn die Lernenden ähnliche Bewältigungsstrategien bei der Lösung von Aufgaben<br />

heranziehen, unabhängig von der Leistungsfähigkeit der E<strong>in</strong>zelnen.<br />

E<strong>in</strong>e wohl def<strong>in</strong>ierte Lehr-Lern-Umgebung wird demnach durch verschiedenste Komponenten<br />

festgelegt. So spielt z. B. e<strong>in</strong> ausgewogenes Verhältnis von Lehrer<strong>in</strong>struktion und<br />

Selbststeuerung ebenso e<strong>in</strong>e gewichtige Rolle wie e<strong>in</strong>e lernförderliche Gruppenzusammensetzung.<br />

Insbesondere muss die Lernstrecke derart angelegt se<strong>in</strong>, dass diese Komponenten<br />

permanent verbessert und an die Lernenden, aber auch an den Lehrenden angepasst werden<br />

können. Wird den am <strong>Unterricht</strong> Beteiligten e<strong>in</strong>e auf sie zugeschnittene Lehr-Lern-Umgebung<br />

angeboten, so weichen die Lernenden von e<strong>in</strong>er bisher vermuteten f<strong>in</strong>alen Orientierung und<br />

e<strong>in</strong>er Vernachlässigung von Grundlagenwissen ab und s<strong>in</strong>d bereit, Wissen <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en<br />

Komponenten zu erfassen. Die Schüler <strong>in</strong>teressieren sich <strong>in</strong> hohem Maße für Grundlagenwissen<br />

und Begründungszusammenhänge, wenn die Umgebung diesen Bereich des Wissenserwerbs<br />

konsequent e<strong>in</strong>fordert. Gerade der <strong>in</strong>tegrative Lernprozess mit se<strong>in</strong>em gesamtheitlichen<br />

H<strong>in</strong>tergrund, wie er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>handlungsorientierten</strong> <strong>Unterricht</strong> gestaltet werden kann, wird<br />

von den Lernenden nach und nach als Möglichkeit gesehen, e<strong>in</strong>e Thematik derart nachhaltig<br />

zu erfassen, dass e<strong>in</strong>e Anwendung des Erlernten auch nach Verlassen der hier aufgezeigten<br />

Lernebene ermöglicht wird.<br />

Vorliegende Studie belegt theoretische Ausführungen, die der Berufsschule e<strong>in</strong>e Konzentration<br />

auf die Vermittlung von Begründungswissen im Rahmen des fachlichen <strong>Unterricht</strong>s<br />

zuschreiben (Schelten 2005, S. 186 ff.). Ergebnisse der E<strong>in</strong>zelfallstudien zeigen, dass die<br />

Akzentuierung des Begründungswissens im <strong>Unterricht</strong> von den Schülern im Lernverlauf<br />

akzeptiert und mit zunehmender Akzeptanz geradezu e<strong>in</strong>gefordert wird. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>sbesondere<br />

auf e<strong>in</strong> Begründungswissen abzielende Lehr-Lern-Umgebung lenkt die Interessen der Schüler<br />

<strong>in</strong> hohem Maße auf diese Komponente des Wissens. Demzufolge stellt sich hier e<strong>in</strong> hohes<br />

Maß an Lernerfolg e<strong>in</strong>. Insofern zeigen sich hier Wege, wie die Berufsschule das Ziel,<br />

Begründungswissen im Verbund mit Fakten- und Verfahrenswissen vermitteln zu wollen,<br />

weiter forcieren kann.<br />

Für die Weiterentwicklung handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong>skonzepte s<strong>in</strong>d mit dieser Arbeit<br />

neue Aspekte erfasst worden, die maßgeblich durch das <strong>in</strong>tensive Ause<strong>in</strong>andersetzen mit den<br />

Lernenden selbst entwickelt werden konnten. Die Berücksichtigung der Erfahrungen der<br />

Schüler liefert neue Anhaltspunkte, wie handlungsorientierter <strong>Unterricht</strong> fortentwickelt<br />

werden kann. Um die Ausbildung an den Berufsschulen jedoch weiterh<strong>in</strong> zu verbessern und<br />

die für die Berufsschulen geltenden Zielperspektiven deutlicher herauszuarbeiten, bedarf es


288 11 Zusammenfassung<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong>er gezielten Zusammenarbeit von Schul- und Universitätspädagogen,<br />

wobei auch die Expertise der Lernenden selbst berücksichtigt werden sollte. Nur so lassen<br />

sich bestehende Forschungsdefizite e<strong>in</strong>grenzen, bereits aufgeworfene Forschungsdesiderata <strong>in</strong><br />

die Praxis <strong>in</strong>tegrieren und bisher erfasste Ergebnisse <strong>in</strong>nerhalb neuer Forschungsansätze<br />

erneut beleuchten.


Anhang 295<br />

ANHANG<br />

Nachfolgend wird der <strong>in</strong> dem hier untersuchten <strong>Unterricht</strong> e<strong>in</strong>gesetzte Leittext zu Lerne<strong>in</strong>heit<br />

8 abgebildet. Alle weiteren Leittexte zu den Lerne<strong>in</strong>heiten 6 bis 10 (und im Übrigen auch zu<br />

den Lerne<strong>in</strong>heiten 1 bis 5) können am Lehrstuhl für Pädagogik der Technischen Universität<br />

München e<strong>in</strong>gesehen werden.<br />

Der hier abgebildete Leittext zu Lerne<strong>in</strong>heit 8 setzt sich aus folgenden Unterlagen zusammen:<br />

1. E<strong>in</strong>führung zu den Lerne<strong>in</strong>heiten 8 bis 10: Biegevorrichtung für Haltew<strong>in</strong>kel<br />

2. Leitblatt zu Lerne<strong>in</strong>heit 8: Signalspeicherung<br />

3. Informations- und Aufgabenblatt zu Lerne<strong>in</strong>heit 8: Selbsthalteschaltung<br />

4. 2. Aufgabe zu Lerne<strong>in</strong>heit 8: Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

5. Weg-Schritt-Diagramm zu Lerne<strong>in</strong>heit 8<br />

6. Wissenskontrollblatt zu Lerne<strong>in</strong>heit 8<br />

7. Abschlusstest zu Lerne<strong>in</strong>heit 8 (8a)<br />

8. Abschlusstest zu Lerne<strong>in</strong>heit 8 (8b)


296 Anhang<br />

1.0<br />

Biegevorrichtung für Haltew<strong>in</strong>kel<br />

Lerne<strong>in</strong>heiten 8 – 10<br />

Die vorhandene Anlage dient zum Biegen von Haltew<strong>in</strong>keln. Hierzu wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spannvorrichtung e<strong>in</strong><br />

Blechstreifen e<strong>in</strong>gelegt. Aus Sicherheitsgründen muss der Biegevorgang durch e<strong>in</strong> kurzes Signal mit<br />

beiden Händen gleichzeitig gestartet werden. Danach läuft er automatisch wie nachfolgend beschrieben ab:<br />

Zyl<strong>in</strong>der 1.0 spannt das Werkstück. Wenn dies erfolgt ist, biegt Zyl<strong>in</strong>der 2.0 den Blechstreifen vor.<br />

Zyl<strong>in</strong>der 3.0 biegt den Blechstreifen fertig. Zyl<strong>in</strong>der 3.0 soll dabei den gebogenen Haltew<strong>in</strong>kel 3 bis 5<br />

Sekunden andrücken (überbiegen). Der Haltew<strong>in</strong>kel kann entnommen werden, wenn Zyl<strong>in</strong>der 3.0 ganz<br />

zurückgefahren ist. Die Anlage ist dann wieder im Ausgangszustand und bereit für e<strong>in</strong>en neuen Biegevorgang.<br />

Durch den e<strong>in</strong>gebauten Not-Aus-Schalter muss die Anlage jederzeit abgeschaltet und <strong>in</strong> den<br />

Ausgangszustand gebracht werden können.<br />

2.0<br />

In den kommenden Lerne<strong>in</strong>heiten 8 – 10 soll der Schaltplan für die Biegevorrichtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Schritten entwickelt werden. Die jeweiligen Lerne<strong>in</strong>heiten bauen aufe<strong>in</strong>ander auf. Nach Lerne<strong>in</strong>heit 10<br />

muss e<strong>in</strong> funktionsfähiger Schaltplan vorliegen, nach dem die Anlage zu verkabeln ist und die oben<br />

beschriebene Funktion erfüllt.<br />

3.0


Anhang 297<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8: Signalspeicherung<br />

Ansteuern des Spannzyl<strong>in</strong>ders der Biegevorrichtung<br />

Diese Lerne<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong> erster Schritt, um e<strong>in</strong>e komplette Schaltung für die vorgestellte Biegevorrichtung<br />

zu entwickeln. Nachfolgende Lerne<strong>in</strong>heiten bauen darauf auf. Speichern Sie ihre entworfenen Schaltpläne<br />

und Funktionsbeschreibungen so, dass sie später verändert werden können. Dabei sparen Sie Arbeit.<br />

Wenn Sie später auf bereits vorhandene, richtige Schaltpläne zurückgreifen, vermeiden Sie zudem Fehler,<br />

die sich beim Neuzeichnen e<strong>in</strong>schleichen können.<br />

Ihr Arbeitsteam hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt folgende Aufgaben:<br />

1. Analyse der aufgebauten Biegevorrichtung<br />

Verdeutlichen Sie sich die Funktion der Biegevorrichtung.<br />

a) Listen Sie alle <strong>in</strong> der vorgefundenen Anlage verwendeten Bauteile der Steuerung mit ihrer<br />

korrekten Bezeichnung auf. Stellen Sie die Auflistung dem Lehrer vor.<br />

b) Zeichnen Sie für die vorgefundene Anlage vorerst nur den Pneumatikplan.<br />

c) Zeichnen Sie e<strong>in</strong> Weg-Schritt-Diagramm für die Verfahrbewegungen der drei Zyl<strong>in</strong>der mit den<br />

Signall<strong>in</strong>ien für den Spannzyl<strong>in</strong>der (Vorlage „Weg-Schritt-Diagramm“).<br />

d) Besprechen Sie Ihre Lösung mit dem Lehrer.<br />

2. Informieren über e<strong>in</strong>e mögliche Schaltungslösung<br />

Informieren Sie sich über Möglichkeiten der Signalspeicherung. Bearbeiten Sie das<br />

„Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung“.<br />

3. Elektropneumatische Ansteuerung des Zyl<strong>in</strong>ders zum Spannen der Werkstücke<br />

a) Entwerfen Sie die geforderte Schaltung für den Spannzyl<strong>in</strong>der. Zeichnen Sie dafür zu dem <strong>in</strong><br />

Aufgabe 1b bereits gezeichneten Pneumatikplan den Stromlaufplan dazu.<br />

b) Bauen Sie die Steuerung für den Spannzyl<strong>in</strong>der am Steckbrett auf und zeigen Sie die<br />

funktionsfähige Schaltung dem Lehrer.<br />

c) Beschreiben Sie schriftlich die genaue Funktion der Steuerung für den Spannzyl<strong>in</strong>der.<br />

Für die gesamte Arbeit stehen Ihnen Tabellenbuch, Fachbuch, bisherige Aufzeichnungen und die<br />

Steuerungstechnik-Literatur (grüne Arbeitshefte, FESTO-Unterlagen) zur Verfügung. Schaltplan,<br />

Funktionsbeschreibung und die bearbeiteten Blätter zu den jeweiligen Aufgabenteilen müssen<br />

abschließend zur Bewertung abgegeben werden. Nach dem selbstständigen „Wissen überprüfen und<br />

vertiefen“ (Blatt im Unterlagenordner) folgt e<strong>in</strong> Abschlusstest zur Lerne<strong>in</strong>heit „Signalspeicherung“.


298 Anhang<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8: Informations- und Aufgabenblatt: Selbsthalteschaltung<br />

In elektropneumatischen Systemen werden Signalglieder (z.B. Taster) oft nur kurz betätigt. Elektrische Signale<br />

(Impulse) müssen beim Ablauf e<strong>in</strong>er Steuerung aber meist länger zur Verfügung stehen, als sie tatsächlich<br />

wirken. Dazu ist e<strong>in</strong>e Signalspeicherung erforderlich. Im Leistungsteil e<strong>in</strong>er Anlage kann dies durch e<strong>in</strong><br />

Magnetimpulsventil erfolgen. Wenn die Signalspeicherung im Steuerungsteil erfolgt, geschieht dies durch e<strong>in</strong><br />

Relais mit Selbsthalteschaltung. Dadurch können Magnetventile mit Federrückstellung verwendet werden.<br />

Signale, die mit Hilfe e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung gespeichert s<strong>in</strong>d, müssen gelöscht werden, wenn das Signal<br />

nicht mehr wirken soll.<br />

a)<br />

Nachfolgende Abbildungen zeigen die zwei möglichen Varianten e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung.<br />

+24V<br />

0V<br />

S1<br />

S2<br />

K1<br />

K1<br />

K1<br />

Y1<br />

____________________________________<br />

b)<br />

+24V<br />

0V<br />

S3<br />

K2<br />

K2<br />

S4<br />

K2<br />

Y2<br />

____________________________________<br />

1. Aufgabe: Beschreiben Sie präzise, wie das von den Tastern S1 und S3 gegebene Signal <strong>in</strong> den abgebildeten<br />

Schaltungen gespeichert wird. Beschreiben Sie auch, wie sich die unterschiedliche Lage von S2 und S4 zum<br />

Löschen des Signals auswirkt. Benennen Sie die Schaltungen.<br />

2. Aufgabe: „Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung“ (Aufgabenblatt dazu im Unterlagenordner).<br />

3. Aufgabe: Die verschiedenen Möglichkeiten zur Signalspeicherung im Leistungsteil und Steuerungsteil e<strong>in</strong>er<br />

Anlage verhalten sich unterschiedlich, wenn gleichzeitig e<strong>in</strong> Signal zum Setzen (EIN) und e<strong>in</strong> Signal zum<br />

Rücksetzen (AUS) anliegt. Sie verhalten sich auch unterschiedlich bei Ausfall der elektrischen Energie oder<br />

bei Kabelbruch. Tragen Sie <strong>in</strong> die Tabelle e<strong>in</strong>, wie sich e<strong>in</strong> Ventil als Steuerglied bei den jeweils beschriebenen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen verhält.<br />

EIN- und AUS-Signal<br />

geme<strong>in</strong>sam<br />

Ausfall der elektrischen<br />

Energieversorgung<br />

Signalspeicherung<br />

durch Magnetimpulsventil<br />

Signalspeicherung durch elektrische<br />

Selbsthalteschaltung komb<strong>in</strong>iert mit<br />

federrückgestelltem Magnetventil<br />

Dom<strong>in</strong>ierend EIN Dom<strong>in</strong>ierend AUS


Anhang 299<br />

Lerne<strong>in</strong>heit 8 – 2. Aufgabe: Verkabeln e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

Verkabeln Sie das abgebildete Signale<strong>in</strong>gabeelement und das Relaiselement so, dass es die nachfolgend<br />

beschriebene Funktion erfüllt. Das gegebene Signal soll durch e<strong>in</strong>e Selbsthalteschaltung mit e<strong>in</strong>em Relais<br />

gespeichert werden.<br />

Geforderte Funktion:<br />

Nach dem kurzen Drücken e<strong>in</strong>es Tasters S1 soll die Kontrolllampe für den Taster leuchten. Die Kontrolllampe<br />

muss auch nach dem Loslassen des Tasters brennen. Sie soll erst dann wieder erlöschen, wenn durch e<strong>in</strong>en<br />

zweiten Taster e<strong>in</strong> Signal dazu gegeben wird.<br />

Aufgabe:<br />

Verkabeln Sie die abgebildeten Schaltelemente entsprechend der geforderten Funktionsbeschreibung und<br />

verdeutlichen Sie sich die Funktion der Selbsthalteschaltung. Skizzieren Sie die Schaltung.<br />

Zeigen Sie die Verkabelung mit der Skizze dem Lehrer.


300 Anhang<br />

Weg-Schritt-Diagramm<br />

Darstellung der Bewegung der Kolbenstangen für die Biegevorrichtung<br />

Zyl<strong>in</strong>der 1.0<br />

Zyl<strong>in</strong>der 2.0<br />

Zyl<strong>in</strong>der 3.0<br />

Aus<br />

E<strong>in</strong><br />

Aus<br />

E<strong>in</strong><br />

Aus<br />

E<strong>in</strong><br />

Weg Schritte


Anhang 301<br />

WISSEN ÜBERPRÜFEN<br />

UND VERTIEFEN!<br />

ÜBER FOLGENDE KENNTNISSE MÜSSEN SIE NACH LERNEINHEIT 8 VERFÜ-<br />

GEN:<br />

Sie müssen die <strong>in</strong> der vorliegenden Steuerung vorhandenen Bauteile korrekt benennen können.<br />

Sie müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Weg-Schritt-Diagramm die Bewegungen von Antriebselementen e<strong>in</strong>er Steuerung<br />

mit Signall<strong>in</strong>ien darstellen können.<br />

Ihnen muss die Funktion e<strong>in</strong>er elektrischen Signalspeicherung als Selbsthalteschaltung klar se<strong>in</strong>.<br />

Sie müssen die Signalspeicherungsarten Dom<strong>in</strong>ierend EIN und Dom<strong>in</strong>ierend AUS unterscheiden<br />

können.<br />

Sie müssen e<strong>in</strong>e Schaltung zur Ansteuerung e<strong>in</strong>es doppelt wirkenden Zyl<strong>in</strong>ders mit e<strong>in</strong>er Selbsthalteschaltung<br />

zeichnen und aufbauen können.<br />

E<strong>in</strong> Taster kann zum Löschen der Selbsthalteschaltung im Schaltplan an verschiedenen Stellen<br />

positioniert werden. Ihnen muss klar se<strong>in</strong>, welche Auswirkungen die verschiedenen Positionen auf den<br />

Abschaltvorgang haben.<br />

Ihnen muss klar se<strong>in</strong>, warum <strong>in</strong> elektropneumatischen Steuerungen Signale oft gespeichert werden<br />

müssen und welche grundsätzlichen Möglichkeiten es hierzu gibt.<br />

Sie müssen für verschiedene Möglichkeiten der Signalspeicherung erklären können, wie sich e<strong>in</strong><br />

Ventil als Signalglied jeweils verhält, wenn gleichzeitig EIN- und AUS-Signal anliegen oder die<br />

Energieversorgung ausfällt.<br />

Klären Sie offene Fragen anhand Ihrer Aufzeichnungen und der verfügbaren Literatur. Fragen Sie bei<br />

Bedarf den Lehrer.


302 Anhang<br />

Steuerungstechnik – Elektropneumatik: Abschlusstest LE 8a ____________________<br />

Zugelassene Hilfsmittel: Tabellenbuch Name / Klasse<br />

Halten Sie sich genau an die Aufgabenschritte, da die genaue Ausführung bewertet wird!<br />

1. Aufgabe:<br />

Bauen Sie e<strong>in</strong>e Steuerung auf, die genau<br />

dem skizzierten Pneumatikplan entspricht.<br />

Zeigen Sie die Steuerung dem Lehrer.<br />

2. Aufgabe:<br />

Für die aufgebaute Steuerung müssen Sie e<strong>in</strong>e Schaltung mit folgender Funktion entwerfen:<br />

Durch e<strong>in</strong> kurzes Signal e<strong>in</strong>es Tasters S1 soll der doppelt wirkende Zyl<strong>in</strong>der langsam abluftgedrosselt<br />

ausfahren. In der vorderen Endlage betätigt der Zyl<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en mechanischen Grenztaster.<br />

Durch dieses Signal fährt der Zyl<strong>in</strong>der schnell wieder e<strong>in</strong> (die Klemmenbezeichnungen<br />

können für die e<strong>in</strong>zelnen Bauteile weggelassen werden).<br />

Weitere Bed<strong>in</strong>gung für diese Steuerung: Der Zyl<strong>in</strong>der 1.0 betätigt <strong>in</strong> ausgefahrenem Zustand<br />

S2. Wenn dabei gleichzeitig S1 gedrückt wird, soll das 5/2-Wegemagnetventil umsteuern.<br />

+24V<br />

0V<br />

3. Aufgabe:<br />

Verkabeln Sie die aufgebaute Schaltung genau nach dem entworfenen Schaltplan. Holen Sie<br />

vor dem Ausprobieren den Lehrer. Die Schaltung darf nur im Beise<strong>in</strong> des Lehrers ausprobiert<br />

werden.<br />

4. Mündliche Befragung zur Schaltung durch den Lehrer<br />

Y1<br />

40%<br />

S2


Anhang 303<br />

Steuerungstechnik – Elektropneumatik: Abschlusstest LE 8b ____________________<br />

Zugelassene Hilfsmittel: Tabellenbuch Name / Klasse<br />

Halten Sie sich genau an die Aufgabenschritte, da die genaue Ausführung bewertet wird!<br />

1. Aufgabe:<br />

Bauen Sie e<strong>in</strong>e Steuerung auf, die genau<br />

dem skizzierten Pneumatikplan entspricht.<br />

Zeigen Sie die Steuerung dem Lehrer.<br />

2. Aufgabe:<br />

Für die aufgebaute Steuerung müssen Sie e<strong>in</strong>e Schaltung mit folgender Funktion entwerfen:<br />

Durch e<strong>in</strong> kurzes Signal e<strong>in</strong>es Tasters S1 soll der doppelt wirkende Zyl<strong>in</strong>der langsam abluftgedrosselt<br />

ausfahren. In der vorderen Endlage betätigt der Zyl<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en mechanischen Grenztaster.<br />

Durch dieses Signal fährt der Zyl<strong>in</strong>der schnell wieder e<strong>in</strong> (die Klemmenbezeichnungen<br />

können für die e<strong>in</strong>zelnen Bauteile weggelassen werden).<br />

Weitere Bed<strong>in</strong>gung für diese Steuerung: Der Zyl<strong>in</strong>der 1.0 betätigt <strong>in</strong> ausgefahrenem Zustand<br />

S2. Wenn dabei gleichzeitig S1 gedrückt wird, soll das 5/2-Wegemagnetventil nicht umsteuern.<br />

+24V<br />

0V<br />

3. Aufgabe:<br />

Verkabeln Sie die aufgebaute Schaltung genau nach dem entworfenen Schaltplan. Holen Sie<br />

vor dem Ausprobieren den Lehrer. Die Schaltung darf nur im Beise<strong>in</strong> des Lehrers ausprobiert<br />

werden.<br />

4. Mündliche Befragung zur Schaltung durch den Lehrer<br />

Y1<br />

40%<br />

S2

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