Dokument 1.pdf - Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
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Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
(Direktor Univ.-Prof. Dr. med. H.-J. Freyberger)<br />
der <strong>Universität</strong>smedizin der <strong>Ernst</strong>-<strong>Moritz</strong>-<strong>Arndt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Greifswald</strong><br />
Traumatische Erlebnisse, posttraumatische Symptome,<br />
Lebensqualität und Kohärenzgefühl ehemaliger deutscher<br />
Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
Inaugural-Dissertation<br />
zur<br />
Erlangung des akademischen<br />
Grades<br />
Doktor der Medizin<br />
(Dr. med.)<br />
der <strong>Universität</strong>smedizin<br />
der <strong>Ernst</strong>-<strong>Moritz</strong>-<strong>Arndt</strong>-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Greifswald</strong><br />
2011<br />
vorgelegt von: Jenny Rosenthal<br />
geb. am: 08.05.1984<br />
in: Neustrelitz
Dekan: Prof. Dr. rer. nat. Heyo K. Kroemer<br />
1. Gutachter: PD Dr. med. Philipp Kuwert<br />
2. Gutachter: PD Dr. med. Carsten Spitzer<br />
Ort, Raum: <strong>Greifswald</strong>, Hörsaal Ellernholzstraße<br />
Tag der Disputation: 30.01.2012
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ....................................................................................................... 1<br />
2. Theoretische Grundlagen ............................................................................. 4<br />
2.1 Trauma ............................................................................................................ 4<br />
2.1.1 Prävalenz von Traumata ........................................................................... 5<br />
2.1.2 Klassifikation von Traumata ...................................................................... 8<br />
2.1.2.1 Kriegstraumata ......................................................................................... 9<br />
2.1.3 Folgen eines Traumas ............................................................................ 10<br />
2.2 Die Posttraumatische Belastungsstörung ...................................................... 11<br />
2.2.1 Verlauf der PTB ...................................................................................... 13<br />
2.2.2 Prävalenz der PTB .................................................................................. 14<br />
2.2.2.1 Risikopopulation Kriegsteilnehmer .......................................................... 15<br />
2.2.3 Komorbidität ............................................................................................ 17<br />
2.3 Differentialdiagnosen ..................................................................................... 18<br />
2.3.1 Akute Belastungsstörung/-reaktion ......................................................... 18<br />
2.3.2 Anpassungsstörungen ............................................................................ 18<br />
2.3.3 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ............... 19<br />
2.3.4 Komplexe PTB/DESNOS ........................................................................ 19<br />
2.4 Das multifaktorielle Rahmenmodell ................................................................ 20<br />
2.4.1 Risiko- bzw. Schutzfaktoren (prätraumatische Einflüsse) ....................... 21<br />
2.4.2 Ereignisfaktoren (peritraumatische Einflüsse)......................................... 23<br />
2.4.3 Posttraumatische Einflussfaktoren .......................................................... 24<br />
2.4.4 Posttraumatische Prozesse und Resultate ............................................. 27<br />
2.5 Alterungsprozess und frühe Traumatisierung ................................................ 32<br />
2.5.1 Formen der PTB im Alter ........................................................................ 32<br />
2.5.2 Auslösende Faktoren einer PTB im Alter ................................................ 34<br />
2.5.3 Diagnostische Besonderheiten im Alter .................................................. 35<br />
2.6 Ehemalige deutsche Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges ...................... 36<br />
2.6.1 Geschichtlicher Hintergrund der Luftwaffen- und Marinehelfer ............... 37<br />
2.6.2 Aufgaben und Alltag ............................................................................... 38<br />
2.6.3 Hitlerjugend (HJ) ..................................................................................... 39<br />
2.6.4 Kriegstrauma und Bewältigung ............................................................... 40<br />
2.7 Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung ............................................ 45
3. Material und Methodik ................................................................................. 49<br />
3.1 Untersuchungsaufbau .................................................................................... 49<br />
3.1.1 Studiendesign ......................................................................................... 49<br />
3.1.2 Untersuchungsinstrumente ..................................................................... 50<br />
3.2 Methoden der Datenauswertung .................................................................... 56<br />
3.3 Stichprobe ...................................................................................................... 57<br />
3.3.1 Untersuchungsstichprobe ....................................................................... 57<br />
3.3.2 Vergleichsstichprobe .............................................................................. 61<br />
4. Ergebnisse ................................................................................................... 62<br />
4.1 Ergebnisse der Auswertung der mPDS ......................................................... 62<br />
4.2 Ergebnisse der Auswertung des SF-12 ......................................................... 64<br />
4.3 Ergebnisse der Auswertung des SOC-Fragebogens ..................................... 65<br />
4.4 Auswertung der offen gestellten Fragen ........................................................ 66<br />
5. Diskussion .................................................................................................... 68<br />
5.1 Methodische Probleme .................................................................................. 68<br />
5.1.1 Repräsentativität der Stichprobe ............................................................. 68<br />
5.1.2 Geringer Stichprobenumfang .................................................................. 70<br />
5.1.3 Fehlen einer adäquaten Vergleichsstichprobe ........................................ 71<br />
5.1.4 Retrospektivität ....................................................................................... 71<br />
5.1.5 Querschnittsdesign ................................................................................. 72<br />
5.1.6 Operationalisierung und Untersuchungsdurchführung ............................ 73<br />
5.2 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse ............................................... 75<br />
5.2.1 Erlebte Kriegsgräuel und soziodemographische Daten aus<br />
psychohistorischer Sicht ......................................................................... 75<br />
5.2.2 Gegenwärtige posttraumatische Belastungssymptome .......................... 77<br />
5.2.3 Lebensqualität und Kohärenzgefühl ....................................................... 83<br />
5.2.4 Hilfen in der damaligen Situation und positive Aspekte des<br />
Kriegseinsatzes aus Sicht der Betroffenen ............................................. 87<br />
5.3 Zusammenfassung und Fazit ......................................................................... 91<br />
6. Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis ................................ 93<br />
7. Literaturverzeichnis ..................................................................................... 95
8. Anhang ....................................................................................................... 110<br />
9. Eidesstattliche Erklärung .......................................................................... 118<br />
10. Lebenslauf .................................................................................................. 119<br />
11. Danksagung ............................................................................................... 120
1. Einleitung<br />
Einleitung<br />
„Sicher hat uns alle damals der aktive Kriegseinsatz als Jugendliche begeistert,<br />
nachdem wir hoch motiviert für den Sieg für „Führer, Volk und Vaterland“ kämpfen<br />
durften. Wir Jugendlichen wollten doch an der Siegesfeier als Aktivisten teilnehmen,<br />
wir wollten nicht verpassen, dass Groß-Deutschland als Sieger die politischen<br />
Geschicke der ganzen Welt beeinflusst, und das mit unserer Hilfe, den 15- bis 17-<br />
Jährigen von der Schulbank.“ (ehemaliger Luftwaffenhelfer und Studienteilnehmer)<br />
Etwa 200.000 deutsche Schüler wurden ab 1943 in den Kriegseinsatz als Luftwaffenoder<br />
Marinehelfer geschickt. Hinzu kamen Angehörige der „Hitlerjugend“, die im<br />
letzten Kriegsjahr des Zweiten Weltkrieges in Kampfhandlungen verstrickt waren.<br />
Fast schien es so, als wären die Erfahrungen dieser speziellen Gruppe von<br />
Kriegsteilnehmern für immer vergessen. Doch in den letzten Jahren sind nach<br />
langem Schweigen der Betroffenen deren Erlebnisse – sei es durch Bücher oder<br />
<strong>Dokument</strong>ationen – wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Dieser<br />
Entwicklung dienlich ist ein in den letzten Jahrzehnten wachsendes Interesse daran,<br />
belastende Lebensereignisse und ihre Auswirkungen auf Entstehung und Verlauf von<br />
Krankheiten, psychischen und psychosomatischen Störungen sowie<br />
Verhaltensauffälligkeiten zu erforschen. Obwohl seit jeher bekannt ist, dass<br />
traumatische Ereignisse seelische Verletzungen, insbesondere in Form der<br />
Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB), zur Folge haben können, wurde jene<br />
Diagnose erst 1980 als Krankheit anerkannt. Inzwischen ist eine Vielzahl von Studien<br />
erschienen, die sich mit den Langzeitfolgen von Extremsituationen wie z.B.<br />
Naturkatastrophen, Unfälle, Kriege, Konzentrationslager, Terroranschläge, Folter<br />
oder Vergewaltigung beschäftigten. Hierbei wurde einerseits festgestellt, dass der<br />
Verlauf einer PTB über die Lebensspanne sehr unterschiedlich sein kann (Cook &<br />
O'Donnell, 2005), z.T. sogar jahrzehntelang verzögert auftritt (Maercker, 2002),<br />
andererseits durch multiple Faktoren beeinflusst wird. Dabei ist die Entwicklung einer<br />
posttraumatischen Störung erheblich von solchen Variablen abhängig, denn auch die<br />
Bewältigung eines traumatischen Ereignisses ohne pathologische Reaktionen und<br />
Folgen konnte bei Personen beobachtet werden (Tagay, Gunzelmann & Brähler,<br />
2009). Die Erforschung dieser Zusammenhänge – der Salutogenese durch v.a.<br />
1 | S eite
Einleitung<br />
persönliche Ressourcen und soziale Unterstützungssysteme – bleibt weiter aktuell,<br />
nicht zuletzt um sie im Rahmen therapeutischer Interventionen zu nutzen und das<br />
Leiden von Betroffenen zu mindern.<br />
Das Erleben von Krieg stellt eines der höchsten Risiken für das Ausbilden einer PTB<br />
dar (Resick, 2003). Aufgrund dessen ist es nicht erstaunlich, dass das Augenmerk<br />
vieler wissenschaftlicher Arbeiten auf den Zweiten Weltkrieg als wohl größte<br />
Katastrophe des 20.Jahrhunderts und dessen weitreichende Konsequenzen gerichtet<br />
ist. Unter Beachtung der von Deutschland verübten, unvergleichlichen Gräueltaten<br />
gelang es in jüngerer Zeit auch, die deutsche Zivilbevölkerung als Opfer<br />
anzuerkennen. Die Ergebnisse von Untersuchungen an ehemaligen Kriegskindern,<br />
Bombenopfern, Vertriebenen und am Ende des Krieges vergewaltigten Frauen<br />
belegen ein z.T. beträchtliches Ausmaß gegenwärtiger psychischer Beschwerden<br />
und posttraumatischer Symptome.<br />
Eine wissenschaftlich bisher wenig beachtete Facette des Zweiten Weltkrieges stellt<br />
der damalige Einsatz minderjähriger Soldaten dar. Ziel der Untersuchung ist es,<br />
anhand von 103 ehemaligen deutschen Kindersoldaten Art und Häufigkeit erlebter<br />
Traumata im Rahmen des Kriegseinsatzes und deren Einfluss auf heutige<br />
posttraumatische Symptome und die Lebensqualität sowie das als eine<br />
Bewältigungsressource betrachtete Kohärenzgefühl der Betroffenen zu erheben.<br />
Die vorliegende Arbeit versucht darüber hinaus, einen Beitrag zur Aufarbeitung zu<br />
einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zu leisten. Besonders soll<br />
jedoch das Schicksal der vor über 60 Jahren im Kampf eingesetzten Kinder und<br />
Jugendlichen gewürdigt und die Bedeutung der individuellen Psychohistorie für die<br />
klinische Praxis herausgestellt werden.<br />
Im theoretischen Teil der Arbeit wird zunächst der Traumabegriff erläutert und<br />
mögliche Folgen einer Traumatisierung, insbesondere die Posttraumatische<br />
Belastungsstörung, vorgestellt. Anhand des multifaktoriellen Rahmenmodells<br />
(Maercker, 2003) werden moderierende Schutz- und Risikofaktoren für den<br />
posttraumatischen psychischen Prozess dargestellt. Den Abschluss des Kapitels<br />
2 | S eite
Einleitung<br />
bildet ein geschichtlicher Rückblick über den Einsatz ehemaliger Luftwaffen- und<br />
Marinehelfer ab 1943 sowie die Formulierung der allgemeinen Fragestellung. Im<br />
darauffolgenden Abschnitt schließt sich die Beschreibung der eingesetzten<br />
Erhebungsinstrumente und der Untersuchungs- bzw. Vergleichsstichprobe an. Es<br />
folgt die ausführliche Ergebnisdarstellung. Anschließend werden die Ergebnisse vor<br />
dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen und der Darstellung der<br />
Forschungsliteratur diskutiert.<br />
3 | S eite
2. Theoretische Grundlagen<br />
2.1 Trauma<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Um sich mit Traumatisierungen im Zweiten Weltkrieg auseinanderzusetzen, bedarf<br />
es zunächst der Definition eines Traumas.<br />
In Alltagssituationen benutzen wir häufig den Begriff „Trauma“, ohne dass daraus<br />
jedoch zwangsläufig seelische oder körperliche Verletzungen resultieren würden. So<br />
werden beispielsweise das Nicht-Bestehen einer Prüfung, der Verlust des<br />
Arbeitsplatzes, Scheidung oder finanzielle Probleme umgangssprachlich als<br />
„traumatisch“ empfunden. Diese „schwachen Stressoren“ (Ehlers, 1999, S.4) führen<br />
allerdings bei den Betroffenen selten zu psychopathologischen Folgeerscheinungen,<br />
so dass eine Abgrenzung des Traumas von belastenden Lebensereignissen<br />
unabdingbar scheint.<br />
Im engeren Sinne bezeichnet man Ereignisse als traumatisch, die ein katastrophales<br />
Ausmaß haben und aufgrund ihrer Intensität das seelische Gleichgewicht zerstören.<br />
Die wichtigsten, sich ergänzenden Aspekte einer Traumatisierung bilden:<br />
� das objektive Traumaereignis, das eine intensive Bedrohung für Leib und<br />
Leben darstellt<br />
� die subjektive Traumaerfahrung, die durch Angst und Schrecken, verbunden<br />
mit einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses und einen<br />
Zustand völliger Verzweiflung und Hilflosigkeit gekennzeichnet ist und<br />
� die Traumafolgen – ein seelischer Ausnahmezustand aufgrund versagender<br />
Bewältigungs- und Abwehrfunktionen eines Menschen (Ermann, 2007, S.144).<br />
Ob nun ein Ereignis als traumatisch bezeichnet werden kann, hängt neben der<br />
Wahrnehmung der Situation demzufolge auch von der subjektiven Reaktion des<br />
Betroffenen ab (Resick, 2003, S.38). So ruft traumatischer Stress durch<br />
lebensbedrohliche Ereignisse, im Gegensatz zu alltäglichen Stresssituationen, Angst,<br />
Hilflosigkeit und Entsetzen hervor. Die Definition eines Traumas sollte daher stets die<br />
subjektive als auch die objektive Komponente berücksichtigen – also die „Relation<br />
von Ereignis und erlebendem Subjekt“ (Fischer & Riedesser, 2009, S.71).<br />
4 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Um das Kriterium eines „Traumas“ zur Diagnostik zu nutzen, muss dieses relativ<br />
genau beschrieben werden. Alte Traumadefinitionen, die forderten, ein traumatischer<br />
Stressor müsse außerhalb der menschlichen Erfahrung liegen, erwiesen sich als zu<br />
streng angesichts weit verbreiteter und alltäglich auftretender Ereignisse wie z.B.<br />
Verkehrsunfälle, Vergewaltigung oder Krieg. Eine spezifischere Formulierung schien<br />
daher unumgänglich.<br />
Nach gegenwärtiger klinischer Auffassung wird Trauma als ein akutes,<br />
überwältigendes und mit Lebensgefahr assoziiertes Geschehen verstanden. Dies<br />
spiegelt sich auch in den internationalen Richtlinien zur Diagnose psychischer<br />
Störungen wider, in denen Trauma definiert ist als:<br />
� „potentielle oder reale Todesbedrohung, ernsthafte Verletzung oder eine<br />
Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder anderen, auf die mit<br />
intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken reagiert wird“ (DSM-IV: APA,<br />
1996, S.487) bzw. etwas weiter gefasst als<br />
� „ein kurz oder lang anhaltendes Ereignis oder Geschehen von<br />
außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß, das nahezu<br />
bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde“ (ICD-10: WHO, 2000,<br />
S.169).<br />
2.1.1 Prävalenz von Traumata<br />
Kriege, Vergewaltigungen, Naturkatastrophen, technische Katastrophen oder Unfälle<br />
stellen traumatische Ereignisse dar, mit denen viele Menschen während ihres<br />
Lebens Erfahrungen machen müssen.<br />
Mehrere Untersuchungen, vor allem in den USA, beschäftigten sich daher mit der<br />
Erfassung der Prävalenz von Traumata in der Allgemeinbevölkerung.<br />
In einer Studie von Breslau et al. (1991) wurden 1007 junge Erwachsene in Detroit<br />
befragt, von denen 39 % von einem traumatischen Erlebnis berichteten.<br />
Eine andere Untersuchung zeigte bei den Teilnehmern eine Prävalenz von 69 %<br />
mindestens eins von neun schweren traumatischen Ereignissen im Laufe ihres<br />
Lebens erfahren zu haben (Norris, 1992). Befragt wurden 1000 Personen im Alter<br />
5 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
von 18 bis 60+ Jahren aus vier verschiedenen Städten. Anzumerken ist eine höhere<br />
Trauma-Rate, allerdings wurde auch eine breitere Altersspanne berücksichtigt.<br />
Weitere Umfragen, zum Beispiel in Kanada, ergaben, dass 74 % der Frauen und<br />
81 % der Männer traumatischen Erlebnissen ausgesetzt waren. Mehr als ein solches<br />
Ereignis berichteten 46 % der weiblichen und 55 % der männlichen<br />
Studienteilnehmer (Stein et al.,1997).<br />
Die wohl umfangreichste Studie führten Kessler et al. 1995 im Rahmen der National<br />
Comorbidity Survey in den USA durch. Von 5877 befragten Personen im Alter von 15<br />
bis 54 Jahren berichteten 61 % der Männer und 51 % der Frauen mindestens ein<br />
traumatisches Erlebnis in ihrem bisherigen Leben gehabt zu haben. Der Großteil<br />
derjenigen, die ein Trauma erlebt hatten, erlitten auch weitere. Insgesamt 35 % der<br />
männlichen und 25 % der weiblichen Teilnehmer gaben an, mehr als einen<br />
traumatischen Stressor erfahren zu haben (Kessler et al., 1995).<br />
Auch in Deutschland gibt es Untersuchungen, in denen die Prävalenz von Traumata<br />
im Allgemeinen erfasst wurde. Perkonigg et al. (2000) führten eine Studie an 3021<br />
Teilnehmern im Alter von 14 bis 24 Jahren durch, von denen 26 % der Männer und<br />
18 % der Frauen von mindestens einem traumatischen Erlebnis berichteten. Eine<br />
Untersuchung der Arbeitsgruppe um Maercker berücksichtigte auch die ältere (über<br />
60-jährige) Bevölkerung (Maercker et al., 2008). Die Stichprobe bestand aus 2426<br />
deutschen Personen, deren Alter von 14 bis 93 Jahren reichte. 28 % der Frauen und<br />
20,9 % der Männer gaben mindestens ein traumatisches Ereignis an, wobei die über<br />
60-Jährigen bezogen auf die Altersgruppen mit 47,4 % den größten Anteil darstellten<br />
(vs. junge Erwachsene mit 9,9 % und mittlere Erwachsene mit 13,3 %). Ebenso<br />
wurden kriegsbezogene Traumata wesentlich häufiger von der Gruppe der Älteren<br />
genannt, was auf die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist.<br />
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Prävalenz erlebter Traumata in der<br />
Bevölkerung sowohl von der befragten Altersgruppe als auch von<br />
generationsspezifischen Erlebnissen abhängig ist (Resick, 2003, S.44).<br />
Für einen Teil der Traumata gilt zusätzlich, dass sie in verschiedenen Weltregionen<br />
oder politischen Regionen häufiger auftreten. Hierzu zählen z.B. Naturkatastrophen<br />
oder politische Gewalt und Folterungen politischer Gegner (Maercker, 2003, S.15).<br />
6 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Tabelle 1 stellt die Prävalenzraten verschiedener Traumata, wie sie von Kessler et al.<br />
(1995) in den USA und Maercker et al. (2008) in Deutschland erhoben wurden,<br />
gegenüber.<br />
Tabelle 1: Vergleich von Prävalenzraten in USA und Deutschland<br />
USA Deutschland<br />
Traumaart Häufigkeit [%] Häufigkeit [%] Traumaart<br />
Krieg 3,2 8,16 Kriegshandlungen (direkt)<br />
7,04 ausgebombt im Krieg<br />
6,66 Heimatvertrieben<br />
1,57 Gefangenschaft/Geiselnahme<br />
Waffengewaltandrohung 12,9<br />
Vergewaltigung 5,5 0,75 Vergewaltigung<br />
sexuelle Belästigung 7,5<br />
Misshandlung in der Kindheit 4,0 1,2 Kindesmissbrauch (< 14. Jahre)<br />
Vernachlässigung in der<br />
Kindheit<br />
2,7<br />
Unfälle 19,4 4,59 schwerer Unfall<br />
körperliche Gewalt 9,0 3,77 körperliche Gewalt<br />
andere lebensbedrohliche<br />
Situationen<br />
11,9 2,98 lebensbedrohliche Krankheit<br />
Feuer/Naturkatastrophen 17,1 0,79 Naturkatastrophe<br />
Zeuge (von Unfällen, Gewalt) 25,0 8,45 Zeuge eines Traumas<br />
andere 2,5 3,61 andere<br />
Insgesamt sind die Traumatisierungsraten in Deutschland im Vergleich zu den USA<br />
geringer. Unter den zivilen Traumata waren die am häufigsten berichteten<br />
traumatischen Ereignisse das Zeugesein von Unfällen (oder Gewalt), Unfälle sowie<br />
körperliche Gewalt oder Waffengewaltandrohung (nur in den USA). Auffällig ist die<br />
hohe Prävalenzrate von Naturkatastrophen in den USA sowie kriegsbedingter<br />
Traumata in Deutschland.<br />
Dass jährlich mehrere Millionen Menschen solchen Ereignissen ausgesetzt sind,<br />
belegen Zahlen des Roten Kreuzes. Die International Federation of Red Cross and<br />
Red Crescent Societies berichtet jedes Jahr in ihrem World Disasters Report über die<br />
Anzahl und Auswirkungen von Naturkatastrophen und durch Menschenhand<br />
verursachte Katastrophen. Im Jahr 2008 wurden 326 Naturkatastrophen weltweit<br />
registriert, von denen 213 Millionen Menschen betroffen waren (World Disasters<br />
Report, 2009). Allein 2004 kamen 250.000 Menschen durch Naturkatastrophen und<br />
technologisch bedingte Unfälle ums Leben, der Großteil davon bei dem Tsunami-<br />
Unglück am 26. Dezember 2004.<br />
7 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Hinzu kommen die unzähligen Opfer, die an Kriegshandlungen beteiligt sind.<br />
Schätzungen zufolge sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 41 Millionen<br />
Menschen durch kriegerische Konflikte gestorben (Leitenberg, 2006).<br />
2.1.2 Klassifikation von Traumata<br />
Wie diese unterschiedlichen traumatischen Ereignisse auf einen Menschen wirken,<br />
unterliegt einer großen Variationsbreite. In verschiedenen Untersuchungen wurde<br />
jedoch gezeigt, dass bestimmte Traumata eher zu schwereren und chronischen<br />
Folgestörungen führen können als andere, weshalb eine Klassifizierung sinnvoll ist.<br />
Bewährt hat sich dabei eine Unterteilung nach der Ursache (vom Menschen<br />
verursachte und zufällige) bzw. der Dauer (kurz- und langfristige). Je dunkler die<br />
Schattierungen in Tabelle 2, desto größer ist das Risiko einer pathologischen<br />
Reaktion auf das Erlebte (Darstellung in Anlehnung an Maercker, 1998, S.8).<br />
Festgestellt wurde, dass Traumata, die vom Menschen verursacht oder über einen<br />
längeren Zeitraum und/oder mehrfach (Typ-II-Traumata) erlebt wurden, häufig zu<br />
stärkeren Beeinträchtigungen und chronisch psychischen Folgen führen können. Das<br />
höchste Risiko eine Posttraumatische Belastungsstörung auszubilden, besteht für die<br />
vom Menschen verursachten Typ-II-Traumata (Maercker, 2003, S.5).<br />
Tabelle 2: Klassifikation von Traumata<br />
Dauer<br />
Typ-I-Traumata<br />
(kurzdauernd)<br />
Typ-II-Traumata<br />
(längerdauernd<br />
und/oder<br />
mehrfach)<br />
zufällig<br />
� schwere Verkehrsunfälle<br />
� berufsbedingte Traumata<br />
(z.B. Polizei, Feuerwehr)<br />
� kurzdauernde<br />
Katastrophen (z.B.<br />
Wirbelsturm, Brand)<br />
� langdauernde<br />
Naturkatastrophen (z.B.<br />
Erdbeben,<br />
Überschwemmungen)<br />
� technische Katastrophen<br />
(z.B. Giftgaskatastrophen)<br />
Ursache<br />
menschlich verursacht<br />
(„man made disasters“)<br />
� sexuelle Übergriffe (z.B.<br />
Vergewaltigung)<br />
� kriminelle bzw.<br />
körperliche Gewalt<br />
� ziviles Gewalterleben<br />
(z.B. Banküberfall)<br />
� sexueller und<br />
körperlicher Missbrauch<br />
in Kindheit bzw.<br />
Erwachsenenalter<br />
� Kriegserleben<br />
� Geiselhaft<br />
� Folter, politische<br />
Inhaftierung (z.B. KZ-<br />
Haft)<br />
8 | S eite
2.1.2.1 Kriegstraumata<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Aus weltweiter Sicht ist die Anzahl der kriegsbedingten Traumatisierungen<br />
unvorstellbar groß (Resick, 2003, S. 49). Diese Feststellung wird untermauert durch<br />
die Tatsache, dass seit 1945 mehr als 200 kriegerische Auseinandersetzungen<br />
stattfanden. Seit langem ist bekannt, dass die Beteiligung an solchen Konflikten, als<br />
Soldat oder Zivilist, sich wesentlich auf die psychische und physische Entwicklung<br />
eines Menschen und seiner sozialen Systeme auswirkt. Traumatisierungen durch<br />
Kriegserlebnisse bergen das zweithöchste Risiko eine Posttraumatische<br />
Belastungsstörung nach sich zu ziehen. Trotzdem begann die akribische Erforschung<br />
psychischer Kriegsfolgen, insbesondere bei zivilen Opfern, erst in jüngerer Zeit.<br />
Am besten sind Auswirkungen von Kriegshandlungen bei Soldaten dokumentiert. Im<br />
Ersten Weltkrieg entwickelte eine Vielzahl junger, gesunder Soldaten in diesem<br />
Zusammenhang bisher unbekannte Symptome, die man zunächst auf eine zerebrale<br />
Irritation infolge der Luftdruckzunahme bei Granatenexplosionen zurückführte. Statt<br />
einer Aufarbeitung dieses Phänomens wurden Kriegstraumatisierte in der<br />
Nachkriegszeit jedoch v.a. aufgrund des von Bonhoeffer (1926) eingeführten<br />
Konzepts der „Rentenneurose“ als „Drückeberger“ behandelt. Als wichtigster Faktor<br />
für die Entstehung der Symptomatik wurde Degeneration und eine minderwertige<br />
„Erbanlage“ angenommen (Fischer & Riedesser, 2009, S.182, S.329). Um eine<br />
Weiterentwicklung des Traumakonzepts bemüht, beschäftigte sich auch der<br />
Psychoanalytiker Abraham Kardiner (1941) mit den Kriegsneurosen. Seine<br />
Erkenntnisse gewann er aus der Beobachtung amerikanischer Soldaten, die im<br />
Zweiten Weltkrieg eingesetzt waren. Mit der Beschreibung der von ihm beobachteten<br />
komplexen Symptomatik leistete er einen wichtigen Beitrag zur Definition der Störung<br />
(Fischer & Riedesser, 2009, S.42). Bis zu einer eigenständigen Diagnose der PTB<br />
sollte es aber noch einige Jahrzehnte dauern.<br />
Die folgende Liste enthält potentiell traumatisierende Erfahrungen Kriegsbetroffener:<br />
� Gefechte, Bombardierung, Fliegeralarm, Minenexplosionen<br />
� Trennung oder Verlust von Angehörigen oder nahen Bezugspersonen<br />
� Konfrontation mit Sterben/Tod<br />
� Vertreibung/Flucht, Heimatverlust und Entwurzelung<br />
� Gefangenschaft<br />
� Entführung/Versklavung<br />
9 | S eite
� Überfall, Plünderung<br />
� Mangel an medizinischer Hilfe<br />
� Hunger, Armut<br />
Theoretische Grundlagen<br />
� Zusammenbruch haltgebender öffentlicher Strukturen<br />
� Opfer von Folter<br />
� Opfer oder Zeuge sexuellen Missbrauch/einer Vergewaltigung<br />
� Beteiligung an Gewalttaten als Kindersoldat<br />
(Fischer & Riedesser, 2009, S.329; Teegen & Cizmic, 2003)<br />
2.1.3 Folgen eines Traumas<br />
Für das Auftreten der Störungsbilder nach Erleben eines traumatischen Ereignisses<br />
gab es bis 1980 viele Begriffe: der deutsche Psychiater Hermann Oppenheim nannte<br />
1889 psychische Störungen, die sich bei Patienten als Folge von Eisenbahn- bzw.<br />
Arbeitsunfällen ausbildeten, „traumatische Neurose“. Während des Ersten<br />
Weltkrieges wurde die Bezeichnung „Granatenschock“ (shell shock) für die<br />
posttraumatischen Störungen, die Soldaten entwickelten, geprägt. Der Begriff<br />
„Überlebenden-“ oder „Konzentrationslager-Syndrom“ (survivor syndrome) wurde für<br />
die auftretenden Symptome bei Überlebenden der Konzentrationlagerhaft verwendet<br />
(Resick, 2003, S.21, Landolt, 2004, S.17-18).<br />
Als Ursache für diese psychopathologischen Reaktionen vermutete man lange Zeit<br />
organische Faktoren. Man nahm an, dass eine Verletzung des Zentralnervensystems<br />
durch kleinste Teile explodierter Bomben Ursache des „Granatenschocks“ sei.<br />
Letztlich setzte sich jedoch die Vorstellung durch, dass die Symptome aufgrund<br />
bereits bestehender psychischer Störungen und nur vorübergehend nach einem<br />
Trauma auftreten. Chronische Symptome konnten nur von Personen mit einer labilen<br />
Persönlichkeit, schon vorher bestehenden neurotischen Konflikten oder<br />
Geisteskrankheiten entwickelt werden (Ehlers, 1999, S.3).<br />
Erst ein weiterer Krieg, der Vietnamkrieg, musste folgen, um neue Erkenntnisse zu<br />
gewinnen. Während der siebziger Jahre begann man intensiv die psychischen<br />
Probleme, die viele Veteranen des Vietnam-Krieges entwickelten, zu erfassen und<br />
systematisch zu erforschen. Einen zusätzlichen Anstoß in den USA gab die<br />
Frauenrechtsbewegung, durch die Themen wie Vergewaltigung, häusliche Gewalt<br />
10 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
und Kindesmissbrauch verstärkt in die Öffentlichkeit rückten. In diesem<br />
Zusammenhang entstanden auch spezifische Bezeichnungen wie zum Beispiel<br />
„Geschlagene-Frau-Syndrom“ (battered women´s syndrome) oder „Vergewaltigungs-<br />
Syndrom“ (Resick, 2003, S.21).<br />
Durch die Erforschung der Auswirkungen von Krieg, Gewalt und anderen Traumata<br />
setzte sich zunehmend die Auffassung durch, dass auch Personen mit einer stabilen<br />
Persönlichkeit klinisch bedeutsame psychische Symptome ausbilden können, wenn<br />
sie außergewöhnlich schrecklichen Ereignissen ausgesetzt waren. Es wurde immer<br />
deutlicher, dass das traumatische Ereignis den Kausalfaktor für die auftretenden<br />
Symptome darstellt.<br />
Schließlich wurde 1980 die Posttraumatische Belastungsstörung als eigenständiges<br />
Syndrom ins DSM-III (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders)<br />
aufgenommen. Bis zur heute gültigen Definition gab es im Laufe der Zeit immer<br />
wieder Veränderungen und Erweiterungen, u.a. wurde darauf verwiesen, dass auch<br />
Kinder posttraumatische Störungen entwickeln können. Im DSM-IV wurde das<br />
Stressor-Kriterium schließlich neu formuliert und sechs Kriterien festgelegt, die zur<br />
Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung erfüllt sein müssen (Resick,<br />
2003, S.21-22).<br />
Auch die WHO nahm kurze Zeit später nach Erscheinen des DSM-III-R die<br />
Posttraumatische Belastungsstörung als eigene Diagnose ins ICD-10 auf.<br />
2.2 Die Posttraumatische Belastungsstörung<br />
Das erste diagnostische Merkmal für eine Posttraumatische Belastungsstörung im<br />
DSM-IV-TR stellt das Stressor-Kriterium (Kriterium A) dar. Gefordert wird, dass die<br />
Person ein oder mehrere Ereignisse erlebte, beobachtete oder damit konfrontiert<br />
wurde, die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine<br />
Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen<br />
beinhalten (Kriterium A1). Zusätzlich sollte die Reaktion der Person, die mit dem<br />
traumatischen Ereignis konfrontiert war, intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen<br />
– bei Kindern auch verwirrtes oder agitiertes Verhalten – umfassen (Kriterium A2)<br />
(APA, 2003, S.520).<br />
11 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Mithilfe dieser Definition ist es möglich, sowohl bei direkten Opfern als auch bei<br />
indirekt Betroffenen, zum Beispiel Familienangehörigen oder Ersthelfern nach<br />
Katastrophen, die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung zu stellen.<br />
Im DSM-IV-TR werden folgende Beispiele für Traumata genannt (APA, 2003, S.515):<br />
� kriegerische Auseinandersetzungen<br />
� gewalttätige Angriffe auf die eigene Person<br />
� Beobachtung einer schweren Verletzung oder eines unnatürlichen Todes bei<br />
einer anderen Person<br />
� Ereignisse, die bei anderen Menschen auftraten und von denen man erfahren<br />
hat (zum Beispiel, dass das Kind an einer lebensbedrohlichen Krankheit<br />
leidet)<br />
Weitere Kernsymptome der Posttraumatischen Belastungsstörung sind das<br />
anhaltende Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses (Kriterium B),<br />
Vermeidungsverhalten und emotionale Taubheit (Kriterium C) sowie Übererregung<br />
(Kriterium D).<br />
Das Kriterium B wird erfüllt, wenn sich dem Betroffenen schmerzliche Erinnerungen<br />
(Intrusionen) an das Trauma aufdrängen. Diese umfassen sowohl Bilder als auch<br />
Gedanken, Wahrnehmungen, belastende Träume oder Alpträume.<br />
Vermeidungs- und Numbing- (emotionale Taubheits-) Symptome äußern sich durch<br />
das Vermeiden von Gedanken, Gefühlen, Situationen und Aktivitäten, die mit dem<br />
Trauma assoziiert sind. Empfindungslosigkeit und Dissoziation zeigt sich in der<br />
Unfähigkeit, sich an wichtige Aspekte des Traumas zu erinnern sowie durch<br />
Interessenverlust oder verminderte Teilnahme an wichtigen Aktivitäten.<br />
Symptome des Kriteriums D beinhalten ein anhaltendes erhöhtes Erregungsniveau<br />
(chronisches Hyperarousal), welches sich in Schlafstörungen, Konzentrations- und<br />
Gedächtnisschwierigkeiten, Schreckhaftigkeit und Erregbarkeit widerspiegelt.<br />
Des Weiteren wird ein Zeitkriterium im DSM-IV-TR festgelegt, das besagt, dass die<br />
o.g. Symptome (Kriterium B bis D) mindestens einen Monat lang gleichzeitig<br />
auftreten müssen (Kriterium E). Außerdem wird verlangt, dass die Störung in<br />
12 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
klinisch bedeutsamer Weise zu Einschränkungen im Leben eines Menschen führt<br />
(Kriterium F).<br />
Unterschiede in der Definition der PTB zwischen dem Diagnosesystem der APA und<br />
der WHO betreffen u.a. das Stressorkriterium: Während im DSM-IV-TR eine<br />
subjektive Reaktion, die intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken umfasst,<br />
gefordert wird, beschreibt die ICD-10 die Reaktion („tiefgreifende Verzweiflung“) eher<br />
unspezifisch. Eine weitere Diskrepanz ergibt sich durch die unterschiedliche<br />
Gewichtung der Symptome. Wesentlich für die Diagnose der PTB nach ICD-10 sind<br />
die Symptome des Wiedererlebens. Dagegen spielen Vermeidungsverhalten und<br />
Taubheitsreaktionen im DSM-IV-TR eine größere Rolle, da mindestens drei von<br />
diesen vorhanden sein müssen, um eine PTB zu diagnostizieren. In der ICD-10 fehlt<br />
außerdem eine Angabe über die Dauer der Beeinträchtigung.<br />
Grundsätzlich sind die Kriterien des DSM-IV-TR strenger, da eine höhere Anzahl von<br />
Symptomen zur Diagnostik erfüllt sein muss. Eine Diagnose nach ICD-10 wird<br />
deshalb vergleichsweise häufiger gestellt (Peters, Slade & Andrews, 1999).<br />
2.2.1 Verlauf der PTB<br />
Posttraumatische Belastungsstörungen können sowohl im Erwachsenenalter als<br />
auch in der Kindheit auftreten. In den ersten Stunden und Tagen nach einem Trauma<br />
sind psychische Schock- oder akute Belastungszustände oft die unmittelbaren<br />
Reaktionen (Maercker, 2003, S.17). Die eigentlichen PTB-Symptome beginnen in der<br />
Regel innerhalb der ersten 3 Monate nach dem Trauma (APA, 2003, S.518). Bildet<br />
sich eine PTB-Symptomatik aus, unterscheidet man im DSM-IV-TR nach der Dauer<br />
der Symptome eine akute („weniger als 3 Monate“) und eine chronische („3 Monate<br />
oder länger“) Form der PTB.<br />
Nach der retrospektiven US-Studie von Kessler et al. (1995) persistierten bei mehr<br />
als einem Drittel der Erkrankten die Symptome über mehr als 6 Jahre. Dagegen<br />
konnte bei einem großen Teil der Traumatisierten eine Spontanremission der<br />
Symptomatik innerhalb der ersten 12 Monate beobachtet werden.<br />
Seltener kann sich das Vollbild einer PTB auch erst nach mehreren symptomfreien<br />
Monaten oder Jahren im weiteren Lebensverlauf herausbilden. In diesen Fällen<br />
13 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
spricht man von einer PTB mit verzögertem Beginn, der oftmals schon partielle oder<br />
subsyndromale Symptome vorausgegangen sind (Maercker & Karl, 2005, S.975).<br />
2.2.2 Prävalenz der PTB<br />
Wie bereits erwähnt, erfährt die Mehrheit der Bevölkerung während ihres Lebens<br />
mindestens ein traumatisches Erlebnis (Ehlers, 1999, S.8). Jedoch entwickeln nur<br />
etwa 25 % psychopathologische Störungen (Hidalgo & Davidson, 2000).<br />
Im Rahmen ihrer umfangreichen Studie fanden Kessler et al. (1995) eine<br />
Lebenszeitprävalenz der PTB von 8 % in der Bevölkerung. Es wurde nachgewiesen,<br />
dass 10 % der Frauen und 5 % der Männer im Laufe ihres Lebens eine PTB<br />
entwickeln. Während Männer mehr traumatische Ereignisse erleben als Frauen,<br />
erfahren Frauen jedoch eher Traumata, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer<br />
PTB resultieren. Das Risiko nach einem Trauma eine PTB auszubilden ist für Frauen<br />
doppelt so hoch wie für Männer.<br />
In Deutschland fanden Perkonigg et al. (2000) eine Lebenszeitprävalenz von 2,2 %<br />
bei Frauen sowie von 1 % bei Männern bis zum Alter von 24 Jahren. In einer<br />
repräsentativen deutschen Bevölkerungsstichprobe über ein breiteres Altersspektrum<br />
(14 – 93 Jahre) wurden Prävalenzraten 1 von 2,3 % für das PTB-Vollbild sowie 2,7 %<br />
für partielle PTB-Syndrome ermittelt (Maercker et al., 2008). Während sich keine<br />
Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Prävalenz ergaben, konnten jedoch<br />
Altersgruppenunterschiede eruiert werden.<br />
Untersuchungen an Risikopopulationen (d.h. Gruppen, von denen bekannt ist, dass<br />
sie einem bestimmten Stressor ausgesetzt waren) zeigten folgende Ergebnisse:<br />
Häufig genannte Traumata wie körperliche Gewalt oder Gewaltandrohung,<br />
lebensbedrohliche Unfälle oder das Zeugesein von Verletzung oder Tod sowie<br />
Naturkatastrophen resultieren selten in einer PTB (Resick, 2003, S.52). Höhere<br />
Prävalenzraten für eine PTB findet man hingegen für seltenere Ereignisse: z.B. 39 %<br />
nach Kriegserfahrungen, 35 % nach Misshandlung in der Kindheit und 56 % nach<br />
Vergewaltigung (Kessler et al., 1995).<br />
1 Bei den erhobenen Daten von Maercker et al. (2008) handelt es sich um Einmonatsprävalenzraten.<br />
14 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
2.2.2.1 Risikopopulation Kriegsteilnehmer<br />
Vor allem nach dem Vietnamkrieg galt es, die psychischen Auswirkungen auf<br />
Kriegsveteranen zu erforschen. Die National Vietnam Veteran Readjustment Study,<br />
eine 1983 im Auftrag des US-Kongresses durchgeführte Untersuchung, zeigte, dass<br />
einem Großteil der ehemaligen Soldaten die erfolgreiche Wiedereingliederung in das<br />
zivile Leben gelungen war. Allerdings litten zum Zeitpunkt der Untersuchung noch<br />
15 % der männlichen und 8 % der weiblichen direkten Vietnamkriegs-Veteranen an<br />
einer PTB (Kulka et al., 1990).<br />
Kriegstraumatisierungen, die mehr als vier Jahrzehnte zurücklagen, wurden von<br />
Jongedijk et al. (1996) an niederländischen Kriegsveteranen, die während des<br />
Zweiten Weltkrieges sowie bei Auseinandersetzungen in Indonesien im Einsatz<br />
waren, untersucht. 67 % der zwischen 60- und 73-jährigen Betroffenen erfüllten die<br />
Kriterien einer voll ausgeprägten PTB.<br />
Deutsche Studien über Langzeitfolgen des Zweiten Weltkrieges auf Zivilisten wurden<br />
u.a. von Teegen & Meister (2000) sowie Maercker et al. (1999) durchgeführt.<br />
Teegen und Meister fanden bei 5 % der befragten ehemaligen Kriegsflüchtlinge, die<br />
während der Flucht durchschnittlich 15 Jahre alt waren, zum Zeitpunkt der<br />
Untersuchung eine voll ausgeprägte PTB. Auch Maercker et al. (1999) konnten bei<br />
ihrer Studie an Opfern der Dresdener Bombennacht im Februar 1945, deren mittleres<br />
Alter zu jener Zeit 21 Jahre betrug, eine ähnliche Prozentzahl ermitteln.<br />
Viele Arbeitsgruppen folgten, um insbesondere Untersuchungen an ehemaligen<br />
Kriegskindern, Bombenopfern, Vertriebenen und am Ende des Krieges<br />
vergewaltigten Frauen und deren heutigen psychischen Beschwerden durchzuführen<br />
(z.B. Brähler, Decker & Radebold, 2003; Teegen & Cizmic, 2003; Kuwert et al.,<br />
2007). Zusammenfassend konnte die überdauernde Wirkung der Erlebnisse während<br />
des Zweiten Weltkrieges im Sinne einer posttraumatischen und komorbiden<br />
Symptomatik bei den Kriegsüberlebenden gezeigt werden.<br />
Kindersoldaten<br />
Eine spezielle Gruppe Kriegsteilnehmer stellen minderjährige Soldaten dar.<br />
Kindersoldaten, als Opfer und gleichzeitig Täter, erlangten vor allem in jüngerer Zeit<br />
traurige Berühmtheit. Eine Erscheinung der Gegenwart sind sie jedoch nicht. Kinder<br />
15 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
im Krieg, z.B. als „Drummer Boy“ im Amerikanischen Bürgerkrieg oder „enfantshéros“<br />
(„Kinderhelden“) im Ersten Weltkrieg, gibt es seit mehreren Jahrhunderten.<br />
Ab 1943 wurden auch im Zweiten Weltkrieg Schüler zum Kriegseinsatz<br />
herangezogen. Die Anzahl der minderjährigen Soldaten, die bis 1945 bei der<br />
deutschen Luftabwehr im Einsatz war, wird auf 200.000 geschätzt.<br />
Trotz zahlreicher Maßnahmen Kinder vor bewaffneten Konflikten zu schützen, wird<br />
die Zahl der Kindersoldaten heute auf über 250.000 geschätzt.<br />
Besonders Staaten des afrikanischen Kontinents rekrutieren unter 18-Jährige. In den<br />
meisten Fällen des Einsatzes von Kindersoldaten handelt es sich um<br />
Zwangsrekrutierungen durch Entführung und Verschleppung von Kindern. Einige<br />
wenige Freiwilligenmeldungen erfolgen vor allem in dem Glauben, Armut, fehlenden<br />
Bildungschancen, häuslicher Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung zu entkommen<br />
(terre des hommes Deutschland e.V., 2009). Die Aufgaben der Kindersoldaten<br />
erstrecken sich heute von der Teilnahme an Kampfeinsätzen, Minenlegen, Training<br />
im Umgang mit Waffen und Sprengstoff über den Einsatz als Lockvogel, Kurier oder<br />
Leibwächter (Abb. 1). Zahlreiche Kinder werden Opfer von Vergewaltigungen,<br />
Gewalt, harter Arbeit und anderen Formen der Ausbeutung. Mädchensoldaten<br />
werden häufig für sexuelle Zwecke rekrutiert und als Sexsklavinnen gehalten.<br />
Durch gezielt grausame Behandlung, ideologische<br />
Beeinflussung, starke psychische Belastung sowie<br />
Vergabe von Alkohol und Drogen, wird<br />
Einschüchterung, Abstumpfung gegen Gewalt und<br />
absoluter Gehorsam erreicht.<br />
Die Folgen für die Kinder, die Zeugen von Morden, oft<br />
an nahen Verwandten, werden und zugleich meist<br />
Täter sind, sind verheerend und häufig lebenslang.<br />
Neben dem Verlust der Ausbildungs- und<br />
Abbildung 1: Kindersoldat Entwicklungsmöglichkeit treten körperliche<br />
(Foto: terre des hommes)<br />
Verletzungen und psychische Traumata bei vielen<br />
ehemaligen Kindersoldaten auf (Ludwig, 2003).<br />
16 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Die psychotraumatologische Literatur über Kindersoldaten beschränkte sich bislang<br />
auf wenige Arbeiten zu jüngeren Kriegsschauplätzen. Hierbei wird größtenteils eine<br />
hohe Belastung mit posttraumatischen Symptomen beschrieben. Bei einer Studie an<br />
169 ehemaligen Kindersoldaten aus Uganda und der Demokratischen Republik<br />
Kongo erfüllten mehr als ein Drittel (34,9 %) der zum Zeitpunkt der Erhebung<br />
durchschnittlich 15-jährigen Jugendlichen die Kriterien einer PTB (Bayer, Klasen &<br />
Adam, 2007). Eine andere Untersuchung an einer Grundschule zur Rehabilitation für<br />
ehemalige Kindersoldaten der Lord's Resistance Army (LRA) in Norduganda zeigte,<br />
dass über die Hälfte (55,9 %) der 102 Kinder an Symptomen einer PTB sowie 88,2 %<br />
an Symptomen einer Depression litten (Ovuga, Oyok & Moro, 2008). Auch Derluyn et<br />
al. (2004) wiesen eine sehr hohe Rate (97 %) posttraumatischer Symptome bei<br />
ehemaligen Kindersoldaten nach.<br />
2.2.3 Komorbidität<br />
Dass eine PTB nach einem traumatischen Ereignis selten isoliert auftritt, beweisen<br />
die vielen epidemiologischen Untersuchungen, die eine hohe Komorbidität mit<br />
anderen Diagnosen fanden. Meist liegt bei den Betroffenen mehr als eine weitere<br />
komorbide Störung vor (Brunello et al., 2001). Als häufigste Folge- und<br />
Begleitprobleme bei PTB-Patienten wurden die nachstehenden Störungen und<br />
Krankheiten gefunden (Maercker, 2003, S.16):<br />
� Angststörungen<br />
� Depressionen<br />
� Suizidalität<br />
� Medikamenten-, Alkohol- und Drogenmissbrauch/-sucht<br />
� Somatisierungsstörungen<br />
� Borderline- oder antisoziale Persönlichkeitsstörung<br />
� Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
Je nach Studie wiesen zwischen 62 % und 92 % der PTB-Patienten komorbide<br />
Störungen auf (Davidson et al., 1991; Yehuda & McFarlane, 1995).<br />
Ein besonderes Problem stellt die bei traumatisierten Patienten mit PTB erhöhte Rate<br />
an Suiziden bzw. Suizidversuchen dar. Davidson et al. (1991) fanden z.B. 8-mal<br />
17 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
häufiger Selbstmordversuche bei ehemaligen Soldaten im Kriegseinsatz im Vergleich<br />
zur Normalbevölkerung.<br />
2.3 Differentialdiagnosen<br />
Neben der Posttraumatischen Belastungsstörung müssen verschiedene andere<br />
Störungen differentialdiagnostisch abgegrenzt werden.<br />
2.3.1 Akute Belastungsstörung/-reaktion<br />
Die initiale Reaktion auf ein belastendes Ereignis wird im ICD-10 als Akute<br />
Belastungsreaktion und im DSM-IV-TR als Akute Belastungsstörung (ABS)<br />
bezeichnet. Auch hierbei können Symptome des Wiedererlebens, der Übererregung<br />
sowie Vermeidungsverhalten und emotionale Taubheit auftreten. Im Vordergrund<br />
allerdings stehen dissoziative Symptome wie das Erleben von Derealisation und<br />
Depersonalisation, teilweise oder vollständige Amnesien sowie die Herabsetzung der<br />
Wahrnehmungsfähigkeit.<br />
Nach dem DSM-System dauert eine ABS mindestens 2 Tage, hält jedoch nicht<br />
länger als 4 Wochen nach dem traumatischen Ereignis an. Sollten die Symptome<br />
nach dieser Zeit persistieren, kann eine PTB diagnostiziert werden (APA, 2003,<br />
S.521).<br />
2.3.2 Anpassungsstörungen<br />
Anpassungsstörungen können nach entscheidenden Lebensveränderungen und<br />
Stressoren von weniger katastrophalem Ausmaß wie z.B. Trennung,<br />
Arbeitsplatzverlust oder Trauerfall, auftreten, erfüllen aber nicht die Kriterien einer<br />
PTB. Charakteristisch ist außerdem, dass die Symptome oder Verhaltensweisen weit<br />
über das hinausgehen, was man bei der Konfrontation mit diesem Belastungsfaktor<br />
erwarten würde und die Störung zu bedeutsamen Beeinträchtigungen in sozialen<br />
oder beruflichen (schulischen) Funktionsbereichen führt (Maercker & Karl, 2005,<br />
S.971)<br />
18 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
2.3.3 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung<br />
Diese im ICD-10 aufgeführte Diagnose berücksichtigt langfristige Reaktionen auf<br />
schwerwiegende und länger anhaltende Traumatisierungen (z.B. Folter oder<br />
Konzentrationslager) und ist dann gegeben, wenn eine Persönlichkeitsänderung<br />
nach dem Trauma mindestens zwei Jahre lang anhält. Sie ist gekennzeichnet durch<br />
eine feindliche und misstrauische Haltung gegenüber der Welt, sozialen Rückzug, ein<br />
andauerndes Gefühl der Leere und/oder Hoffnungslosigkeit sowie ein chronisches<br />
Gefühl der Anspannung und Entfremdungsgefühl (WHO, 2000). Häufig geht einer<br />
Persönlichkeitsänderung eine PTB voraus und kann somit den chronischen Verlauf<br />
einer solchen darstellen.<br />
Die Diagnose „Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung“ kommt<br />
dem Konzept der komplexen PTB nahe.<br />
2.3.4 Komplexe PTB/DESNOS<br />
Chronisch traumatisierte Personen leiden oft unter einer Reihe zusätzlicher<br />
Symptome, die mit den Kriterien der PTB nicht ausreichend beschrieben werden<br />
können. Herman schlug deshalb bereits 1992 den Begriff „Komplexe PTB“ für die<br />
vielgestaltige Symptomatik und die tiefgreifenden Persönlichkeitsveränderungen<br />
nach langdauernder Typ-II-Traumatisierung wie z.B. sexuellem Missbrauch in der<br />
Kindheit oder Gefangenschaft vor (Herman, 2003, S.166). Im DSM-IV findet man<br />
dieses psychopathologische Zustandsbild in der Kategorie „Störungen durch<br />
extremen Stress, die nicht anderweitig spezifiziert sind 2 “ in einem eigenen Abschnitt<br />
als „assoziierte Merkmale und Störungen“.<br />
Folgende Symptome werden für die Komplexe PTB beschrieben:<br />
� Störungen der Affekt- und Impulsregulation z.B. in Form von aufbrausender<br />
oder extrem unterdrückter Wut, Selbstverstümmelung, Suizidgedanken<br />
� Störungen des Bewusstseins in Form von Dissoziation und Amnesien<br />
� beeinträchtigtes Identitätsgefühl z.B. Scham- und Schuldgefühle<br />
� interpersonelle Störungen z.B. Unfähigkeit eine Partnerschaft aufrecht zu<br />
halten, gestörte Wahrnehmung des Täters bis hin zur Idealisierung<br />
� Somatisierungsstörungen und körperliche Erkrankungen<br />
2 englisch: disorders of extreme stress not otherwise specified (DESNOS)<br />
19 | S eite
� Reviktimisierungsneigung<br />
Theoretische Grundlagen<br />
� Veränderung des Wertesystems z.B. Verlust fester Glaubensinhalte sowie<br />
Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung<br />
(Herman, 2003, S.169-170; Maercker, 2003, S.12)<br />
Daten einer Feldstudie von Pelcowitz et al. (1997) zeigten, dass beinahe jeder, der<br />
gravierende DESNOS-Symptome aufwies, ebenfalls an einer PTB litt. Allerdings<br />
konnte eine PTB auch ohne eine DESNOS, eine DESNOS nicht aber in Abwesenheit<br />
einer PTB auftreten. Dies untermauert die Vermutung Hermans, dass DESNOS-<br />
Symptome eine Untergruppe oder komplexere Form der PTB darstellen.<br />
2.4 Das multifaktorielle Rahmenmodell<br />
Eine Voraussetzung zur Entstehung der PTB stellt das Trauma als Auslöser selbst<br />
dar. Jedoch entwickelt nicht jeder Mensch als Folge eines Traumas eine PTB. Diese<br />
Tatsache führt zur Annahme, dass es weitere, psychologische, biologische und<br />
soziale, Faktoren gibt, die die Entstehung und Aufrechterhaltung einer solchen<br />
Störung beeinflussen. Verschiedenste Erklärungsmodelle lassen vermuten, dass die<br />
PTB eine multifaktorielle Genese hat. Im folgenden Abschnitt soll näher auf das<br />
multifaktorielle Rahmenmodell, welches auf epidemiologischen Befunden und<br />
verschiedenen PTB-Forschungsansätzen basiert, eingegangen werden.<br />
Das multifaktorielle Rahmenmodell (Maercker, 2003, S. 24) hinterfragt, warum nur<br />
ein Teil der Traumatisierten psychische Störungen aufweist und ein anderer Teil<br />
keine. Es umfasst folgende ätiologische Faktorengruppen, die in Abb. 2 dargestellt<br />
sind, und anschließend ausführlicher besprochen werden:<br />
� Risiko- bzw. Schutzfaktoren (prätraumatisch)<br />
� Ereignisfaktoren (peritraumatisch)<br />
� aufrechterhaltende<br />
(posttraumatisch)<br />
und gesundheitsfördernde Faktoren/Ressourcen<br />
� posttraumatische Prozesse und Resultate<br />
20 | S eite
Risiko- bzw.<br />
Schutzfaktoren<br />
� frühere<br />
Traumata<br />
� Alter zum<br />
Traumazeitpunkt<br />
� geringere<br />
Intelligenz,<br />
Bildung<br />
� weibliches<br />
Geschlecht<br />
� Persönlichkeitsfaktoren<br />
Ereignisfaktoren<br />
Traumaschwere<br />
� Traumadauer<br />
� Schadensausmaß<br />
initiale Reaktion<br />
� Interpretation<br />
� Dissoziation<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Aufrechterhaltungsfaktoren<br />
� vermeidender<br />
Bewältigungsstil<br />
� kognitive<br />
Veränderungen<br />
posttraumatische<br />
Prozesse<br />
� Gedächtnisveränderungen<br />
� neurobiologische<br />
Veränderungen<br />
gesundheitsfördernde<br />
Faktoren<br />
� Disclosure<br />
� soziale Anerkennung<br />
als Opfer/<br />
Überlebender<br />
Abbildung 2: Rahmenmodell der Ätiologie von Traumafolgen<br />
(Darstellung aus Maercker, 2003, S.24)<br />
2.4.1 Risiko- bzw. Schutzfaktoren (prätraumatische Einflüsse)<br />
Resultate<br />
Störungsbilder<br />
� PTB<br />
� Angststörungen<br />
� depressive<br />
Störungen<br />
� dissoziative<br />
Störungen<br />
u.a.<br />
psychosoziale<br />
Konsequenzen<br />
� Ehe/<br />
Partnerschaft<br />
� Ausbildung/<br />
Beruf<br />
aber<br />
persönliche<br />
Reifung möglich<br />
Zu den Risiko- bzw. Schutzfaktoren zählen demographische Variablen wie Alter,<br />
Geschlecht oder Schulbildung aber auch Vorerfahrungen des Opfers mit Traumata<br />
oder Persönlichkeitseigenschaften.<br />
Einerseits gelten diese Faktoren als Risikofaktoren, auf der anderen Seite kann man<br />
sie auch als Schutzfaktoren bezeichnen, da sie teilweise helfen, eine<br />
Extrembelastung ohne Ausbildung psychischer Störungen zu überwinden. Ein<br />
Fehlen eines Schutzfaktors kann hingegen ein Risiko bedeuten (Maercker, 2003,<br />
S.34).<br />
Studien über den Zusammenhang zwischen dem Alter des Opfers zum Zeitpunkt<br />
des Traumas und der Intensität der Trauma-Symptome zeigen z.T. heterogene<br />
Ergebnisse. Keane et al. (1998) untersuchten Vietnamkriegs-Veteranen und stellten<br />
fest, dass die Männer mit PTB zum Zeitpunkt der Ankunft in Vietnam statistisch<br />
gesehen jünger waren, als die Männer, die niemals eine PTB ausbildeten. Andere<br />
Studien zeigten, dass v.a. Gruppen mittleren Alters (36 – 50 Jahre) am schlimmsten<br />
21 | Seite
Theoretische Grundlagen<br />
von psychischen Folgen nach traumatischen Ereignissen betroffen waren, da sie<br />
allgemein mit mehr Belastungen (durch Verantwortung gegenüber ihren Kindern,<br />
älter werdenden Eltern, im sozialen und finanziellen Bereich) umgehen müssen und<br />
mehr Stress ausgesetzt sind (Thompson, Norris & Hanacek, 1993).<br />
Maercker hingegen eruierte für menschlich verursachte Traumata eine u-förmige<br />
Beziehung zwischen dem PTB-Risiko und dem Traumatisierungsalter. Kinder und<br />
Jugendliche haben das größte Risiko, junge sowie mittelalte Erwachsene ein<br />
vergleichsweise geringeres und ältere Erwachsene wiederum ein erhöhtes Risiko<br />
(Maercker, 1998, S. 170).<br />
Im Gegensatz zum Lebensalter sind die Ergebnisse in Hinblick auf den<br />
Zusammenhang zwischen Geschlecht und PTB relativ homogen. Wie bereits unter<br />
2.2.2 beschrieben, ist die Lebenszeit-Prävalenz der PTB für Frauen insgesamt höher,<br />
da ihnen eher Traumata wie Vergewaltigung, Belästigung oder andauernder<br />
körperlicher oder sexueller Missbrauch widerfahren, die in hohem Maße eine PTB<br />
zur Folge haben (Kessler et al., 1995; Breslau et al., 1997).<br />
Weitere Risikofaktoren scheinen Bildung und Einkommen darzustellen. In einigen<br />
Studien an Vergewaltigungsopfern wurde eine Beziehung zwischen einem niedrigen<br />
sozioökonomischen Status und einer stärkeren Symptomatik gefunden (z.B. Cohen &<br />
Roth, 1987). Andere Untersuchungen fanden, dass Personen mit niedrigem<br />
Bildungsniveau mit größerer Wahrscheinlichkeit Gewalterfahrungen machen, z.B.<br />
häufiger in Kampfsituationen verwickelt sind, und somit auch indirekt mehr mit deren<br />
Folgeerscheinungen zu tun haben (Kulka et al., 1990; Breslau et al.,1991).<br />
In Bezug auf frühere traumatische Ereignisse wurde mehrfach folgender<br />
Zusammenhang gefunden: Menschen mit einer PTB-Diagnose im Erwachsenenalter<br />
haben häufig auch traumatische Ereignisse in ihrer Kindheit erlebt. Nishith, Mechanic<br />
& Resick (2000) stellten z.B. fest, dass sexueller Kindesmissbrauch die Gefahr einer<br />
erneuten Viktimisierung im Erwachsenenalter erhöht.<br />
Inwieweit vor dem Trauma bestehende Persönlichkeitseigenschaften ein Risiko für<br />
die PTB-Ausbildung darstellen, ist noch nicht hinreichend geklärt. Die rückwirkende<br />
22 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Erfassung der prätraumatischen Persönlichkeit ist methodisch sehr schwierig, da<br />
retrospektive Angaben über eigene frühere Persönlichkeitsmerkmale generell wenig<br />
zuverlässig sind (Bradburn, Rips & Shevell, 1987). Die bisherigen Studien ergeben<br />
zum Teil uneinheitliche Ergebnisse. So fanden Lee et al. (1995) bei Jugendlichen,<br />
die vor ihrem Einsatz im Krieg untersucht worden waren, einen Zusammenhang<br />
zwischen emotionaler Reife und späterer Ausbildung einer PTB (weniger emotionale<br />
Reife zog mehr Symptomatik nach sich). Andere Untersuchungen dagegen konnten<br />
keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften, die vor<br />
dem Trauma gemessen wurden, und späteren psychischen Beschwerden feststellen<br />
(z.B. Breslau, Davis & Andreski, 1995).<br />
Weitere Risikofaktoren für eine PTB, die hier nur kurz erwähnt werden sollen, sind<br />
Angststörungen in der Familie, frühe Trennung von den Eltern, genetische Faktoren,<br />
frühere psychiatrische Symptomatik sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch (Kulka et<br />
al., 1990; Breslau et al., 1991; True et al., 1993; Breslau et al., 1997).<br />
Insgesamt haben die aufgeführten Risikofaktoren einen geringeren Vorhersagewert<br />
für eine PTB als die Ereignis- und Aufrechterhaltungsfaktoren (Brewin, Andrews &<br />
Valentine, 2000).<br />
2.4.2 Ereignisfaktoren (peritraumatische Einflüsse)<br />
Als Ereignisfaktoren oder peritraumatische Variablen bezeichnet man all jene<br />
Faktoren, die während eines traumatischen Ereignisses auftreten. Sie können sowohl<br />
die unmittelbare Reaktion als auch den Prozess der Genesung beeinflussen. Zu den<br />
Ereignisfaktoren zählen die Traumaschwere und die initiale Reaktion.<br />
In mehreren Studien wurde die Beziehung zwischen Traumaschwere und<br />
posttraumatischen Symptomen untersucht. Man nahm an, je schlimmer die<br />
Ereignisse waren, je mehr Todesopfer ein Betroffener neben sich sah, je schwerer<br />
die Verletzungen waren oder je länger das Trauma dauerte, umso höher sei das<br />
PTB-Risiko bzw. das Symptomausmaß. Tatsächlich konnte eine Dosis-Wirkungs-<br />
Beziehung (Traumaschwere-Symptomausmaß-Beziehung) zwischen verschiedenen<br />
Intensitätsmerkmalen und der Traumadauer als Prädiktoren für das posttraumatische<br />
23 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Störungsausmaß nachgewiesen werden (z.B. bei Unfallopfern: Blanchard et al.,<br />
1995). Insgesamt stellte sich jedoch ein eher schwacher Zusammenhang dar<br />
(Brewin, Andrews & Valentine, 2000).<br />
Im Vergleich dazu zeigten Maercker, Schützwohl & Beauducel (2000), dass die<br />
Initialreaktion einen höheren Stellenwert für die Entwicklung und Aufrechterhaltung<br />
einer PTB besitzt als die Anzahl, Art und Dauer traumatischer Erlebnisse.<br />
Hierzu gehört auch die kognitive Bewertung (Interpretation) des Traumas. Es<br />
konnte gezeigt werden, dass bei Traumaopfern, die sich während des Traumas ein<br />
Gefühl der Autonomie – selbst wenn dieses Gefühl die Lage faktisch kaum oder nicht<br />
änderte – bewahrten und sich nicht selbst aufgaben, bessere Therapieerfolge<br />
erreicht wurden als in der Kontrollgruppe (Ehlers, Maercker & Boos, 2000).<br />
Ein weiterer Aspekt der Initialreaktion und späterer Prädikor für das PTB-Ausmaß ist<br />
die peritraumatische Dissoziation. Diese beschreibt das Erleben von Unwirklichkeit<br />
während eines Traumas, bei dem es zu Derealisations- und<br />
Depersonalisationsphänomenen kommt. Diese können auf folgende Art und Weise<br />
wahrgenommen werden (Resick, 2003, S.128):<br />
� Verlust des Zeitgefühls oder das Erleben eines „Blackouts“<br />
� Gefühl der Unwirklichkeit, als ob man träumt oder ein Theaterstück sieht<br />
� Gefühl, über der sich abspielenden Szene zu schweben<br />
� Gefühl, mit dem eigenen Körper nicht mehr verbunden zu sein<br />
� emotionale Gefühllosigkeit<br />
� Amnesie für Teile des Vorfalls<br />
Marmar et al. (1994) untersuchten im Rahmen der National Vietnam Veteran´s<br />
Readjustment Study 251 männliche Vietnam-Veteranen und stellten fest, dass<br />
Dissoziation während des traumatischen Ereignisses stark mit einer PTB<br />
zusammenhing.<br />
2.4.3 Posttraumatische Einflussfaktoren<br />
Aufrechterhaltende und gesundheitsfördernde Faktoren/Ressourcen kann man<br />
zusammenfassend als posttraumatische Einflussfaktoren bezeichnen. Sie gelten als<br />
24 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
die einflussreichsten Faktoren für die Existenz chronischer Belastungsstörungen<br />
(Maercker, 2003, S.26).<br />
Aufrechterhaltungsfaktoren<br />
Zu den Aufrechterhaltungsfaktoren zählt u.a. ein vermeidender Bewältigungsstil.<br />
Hierbei versuchen Betroffene, Gedanken und Gefühle an das Trauma zu vermeiden<br />
und zu verdrängen. Weitere Formen der vermeidenden Bewältigung äußern sich<br />
durch „Nicht-darüber-reden-Wollen“, exzessive Grübelneigung, dysfunktionales<br />
Sicherheitsverhalten, ablenkendes Beschäftigen mit Teilaspekten oder<br />
Selbstverstümmelungen. Generell führt ein vermeidender Bewältigungsstil jedoch<br />
eher zu einem gegenteiligen Effekt, so dass das Auftreten intrusiver Gedanken noch<br />
verstärkt wird (Maercker, 2003, S.26).<br />
Als weitere störungsaufrechterhaltende Faktoren wurden neben der Vermeidung<br />
typische kognitive Veränderungen (negative Gedanken zum Selbst, negative<br />
Gedanken über die Welt, Selbstvorwürfe) bei Patienten mit chronischer PTB<br />
beobachtet, die aus dysfunktionalen Erklärungs- und Bewältigungsversuchen der<br />
Traumaopfer resultieren. Dabei spielen unangemessene Schuldgefühle eine<br />
besondere Rolle. Sie können als nachträglicher Versuch des Betroffenen angesehen<br />
werden, Ereignisse zu erklären und deren Ursache zu kontrollieren. Die Illusion,<br />
Verantwortung für Ereignisse zu übernehmen (z.B. „Ich habe eine große Mitschuld<br />
am Vorgefallenen“) und so ein Gefühl der Kontrolle zu bewahren (z.B. „Wenn ich<br />
mich nicht so verhalten hätte, wäre alles nicht passiert“), geht jedoch mit einem<br />
höheren Leidensdruck der Patienten einher (Maercker, 2003, S.27).<br />
In Tabelle 3 sind Beispiele für häufige dysfunktionale Gedanken (Kognitionen) bei<br />
PTB dargestellt (Maercker, 2007, S.586).<br />
Tabelle 3: Dysfunktionale Kognitionen bei PTB<br />
dysfunktionale Gedanken gegenüber der<br />
Welt, anderen Personen sowie der eigenen<br />
Person<br />
� Man kann anderen Menschen nicht<br />
vertrauen.<br />
� Die Welt ist schlecht und ungerecht.<br />
� Ich bin anderen Menschen unterlegen.<br />
(Darstellung aus Lehrbuch der Psychotherapie, 2007, S. 586)<br />
dysfunktionale Gedanken zur Bedeutung des<br />
Traumas und der erlebten psychischen<br />
Veränderungen<br />
� Es ist meine Schuld.<br />
� Vielleicht werde ich verrückt.<br />
� Mein Leben ist ruiniert.<br />
� Ich werde nie darüber hinweg kommen.<br />
� Ich werde nicht lange leben.<br />
25 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Gesundheitsförderne Faktoren/Ressourcen<br />
Die gesundheitsfördernden Faktoren oder im Sinne von Selbstheilungskräften<br />
wirkenden Ressourcen sind hilfreich bei der Integration des traumatischen<br />
Ereignisses und tragen somit wesentlich zur Genesung der Betroffenen nach einer<br />
vorübergehend symptomatischen akuten Phase bei. Hierzu zählt insbesondere das<br />
Offenlegen von Traumaerfahrungen sowie die soziale Wertschätzung als<br />
Opfer/Überlebender. Auch auf das Kohärenzgefühl wird nachfolgend näher<br />
eingegangen.<br />
Eine nicht unerhebliche Rolle für die Genesung spielt die Art und Weise wie<br />
Menschen nach einem traumatischen Ereignis behandelt werden. Die soziale<br />
Anerkennung als Opfer oder Überlebender von Seiten der Familie, im Freundesund<br />
Kollegenkreis sowie in der lokalen Öffentlichkeit ist für die Befindlichkeit nach<br />
dem Trauma und die Verringerung psychischer Belastungen und Symptome von<br />
beträchtlicher Bedeutung. In Studien wurde gezeigt, dass hingegen ein Fehlen dieser<br />
Wertschätzung zur fortgesetzten Retraumatisierung beitragen bzw. führen kann<br />
(Maercker & Müller, 2004).<br />
Neben der sozialen Anerkennung konnten gesundheitsfördernde Effekte außerdem<br />
für die Möglichkeit der Offenlegung von Traumaerfahrungen (Disclosure)<br />
beobachtet werden. Es wurde festgestellt, dass das Sprechen über das Trauma die<br />
subjektive Befindlichkeit bessert, die Häufigkeit von Arztbesuchen (gleich welchen<br />
Fachgebietes) verringert und sich zudem positiv auf Parameter der<br />
Immunschutzfunktionen des Körpers (z.B. Anzahl der Killerzellen-Lymphozyten)<br />
auswirkt (Pennebaker, Barger & Tiebout, 1989).<br />
Ein salutogenetisches Modell<br />
Ein von Antonovsky (1987) als zentrale Ressource der Gesunderhaltung entwickeltes<br />
psychologisches Konstrukt stellt der Kohärenzsinn 3 (sence of coherence) dar.<br />
3 Antonovsky (1987) definiert den Kohärenzsinn (= Kohärenzgefühl) als „eine globale Orientierung, die zum<br />
Ausdruck bringt, in welchem Umfang man ein generalisiertes, überdauerndes und dynamisches Gefühl des<br />
Vertrauens besitzt, dass die eigene innere und äußere Umwelt vorhersagbar ist und dass mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit die Dinge sich so entwickeln werden, wie man es vernünftigerweise erwarten kann.“<br />
26 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Aaron Antonovsky, ein israelischer Stressforscher, beobachtete dass nicht alle seiner<br />
Landsleute nach ihren traumatischen Erfahrungen im Nationalsozialismus krank und<br />
gebrochen waren, sondern dass eine große Gruppe unter ihnen über einen<br />
erstaunlich guten psychischen und physischen Gesundheitszustand verfügte. Dies<br />
weckte sein Interesse, der Frage nachzugehen, warum Menschen trotz multipler<br />
Erschütterungen, Krankheiten und Krisen, sogar nach traumatischen Erlebnissen,<br />
gesund und stabil bleiben und wie sie weiterhin in der Lage sind, ihr Leben in die<br />
Hand zu nehmen und ihm gegebenenfalls wieder eine positive Wendung zu geben.<br />
Die zentrale Fähigkeit des Individuums, die dieses Bewältigungsvermögen ausmacht,<br />
nannte Antonovsky „sense of coherence“.<br />
Das Kohärenzgefühl wird als eine generelle Lebenseinstellung angesehen, die dem<br />
Einzelnen hilft, das Geschehene geistig einzuordnen, zu verstehen, ihm einen Sinn<br />
zu geben und daraus resultierend mit einer belastenden Situation fertig zu werden.<br />
Der Kohärenzsinn umfasst drei Subkomponenten:<br />
� Verstehbarkeit: Ausmaß, eine Situation als verständlich und vorhersagbar<br />
wahrzunehmen<br />
� Handhabbarkeit: optimistisches Vertrauen, aus eigener Kraft oder mit fremder<br />
Hilfe künftige Lebensaufgaben bewältigen zu können<br />
� Sinnhaftigkeit: Ausmaß, in dem eine Person ihr Leben als sinnvoll empfindet<br />
und zumindest einige der Anforderungen als Herausforderung und nicht als<br />
Beeinträchtigung sieht<br />
In Studien konnte ein hohes Maß an Kohärenzgefühl als protektiver Faktor vor der<br />
Entwicklung einer PTB evaluiert werden (Frommberger et al., 1999). Trotz Kritik am<br />
Messkonzept und am Kohärenzsinn-Fragebogen (z.B. Schmidt-Rathjens et al. 1997)<br />
wurde die grundlegend theoretische Annahme einer gesundheitsfördernden<br />
Eigenschaft nicht entkräftet.<br />
2.4.4 Posttraumatische Prozesse und Resultate<br />
Neben oben erwähnten aufrechterhaltenden und gesundheitsfördernden Faktoren<br />
gibt es weitere posttraumatische Variablen, die für die unmittelbaren und späteren<br />
Traumafolgen bedeutsam sind. Zu den posttraumatischen Prozessen zählen sowohl<br />
neurobiologische Veränderungen als auch Gedächtnisveränderungen, die<br />
27 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
nachfolgend näher erläutert werden. Anschließend folgt die Darstellung der<br />
Resultate, v.a. der posttraumatischen Reifung.<br />
Neurobiologische Veränderungen<br />
Vor dem Hintergund, dass traumatischer Stress zu einer Aktivierung der<br />
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) führen kann, wurde<br />
in einer Reihe von Untersuchungen bei Traumaopfern mit PTB eine im Vergleich zu<br />
gesunden Kontrollpersonen charakteristische Abweichung in der Freisetzung der<br />
HHNA-Hormone 4 und der entsprechenden Rezeptoren gefunden (Resnick et al.,<br />
1995; Yehuda et al., 1995). Hierbei war ein niedriger Cortisolspiegel<br />
(Hypocortisolismus) typisch. Eine Metaanalyse von Meewisse et al. (2007) zu<br />
Cortisol-Spiegeln im Urin, Speichel oder Plasma von Patienten mit PTB zeigte jedoch<br />
weder einen Hypo- noch einen Hypercortisolismus. Zusammenfassend ist die<br />
Beziehung zwischen Trauma, PTB und HHN-Achse heterogen und kann nur durch<br />
weitere Untersuchungen endgültig aufgeklärt werden.<br />
Im Fokus neuromorphologischer Veränderungen standen bei verschiedensten<br />
Forschungsgruppen Hippocampus und Amygdala 5 . Eine Verringerung des<br />
hippocampalen Volumens wurde sowohl bei Kriegsveteranen (Bremner et al., 1995)<br />
als auch bei Patienten mit PTB nach sexuellem Missbrauch (Stein et al., 1997)<br />
gefunden. In einer Studie von Gilbertson et al. (2002) stellte man aber fest, dass<br />
auch gesunde eineiige Zwillingsbrüder von Vietnamveteranen mit PTB verkleinerte<br />
Hippocampi aufwiesen, was wiederum eher auf eine genetische Ursache hindeutet.<br />
Folglich bleibt weiter ungeklärt, ob es sich bei der Hippocampusverkleinerung um<br />
einen Risikofaktor, eine Folge der Traumatisierung oder einen Marker der PTB<br />
handelt (Maercker, 2009, S.53).<br />
Zusätzlich gibt es bei PTB-Patienten Hinweise für eine Überaktivität der Amygdala<br />
sowie eine Erhöhung des regionalen cerebralen Blutfluss in der Amygdala und dem<br />
Gyrus cinguli (Maercker, 2007, S.588).<br />
4 Das am meisten untersuchte Glukokortikoid, Cortisol, scheint in Stressreaktionen im Sinne eines „Anti-Stress-<br />
Hormons“ zu wirken. Durch unterschiedliche Mechanismen hilft es dem Körper, sich an langandauernden<br />
Stress anzupassen. Über eine negative Feedbackschleife signalisiert es Hypothalamus und Hypophyse bei<br />
steigenden Cortisolwerten, die Ausschüttung von katecholaminergen Stresshormonen (Noradrenalin/<br />
Adrenalin) einzudämmen/zu beenden.<br />
5 Der Hippocampus und die Amygdala bilden im Limbischen System einen Kreislauf, der Verhaltensweisen<br />
beeinflusst, die mit Selbsterhaltung, Lernen, Gedächtnis und Emotionen zusammenhängen.<br />
28 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Neben neuroendokrinen und -morphologischen wurden auch folgende<br />
physiologische Veränderungen bei PTB-Patienten gefunden (Maercker, 2003, S.23):<br />
� erhöhter allgemeiner autonomer Arousal (symphatikoton) mit abnormer<br />
Schreckreaktion, langsamer Habituation an wiederholte Reize<br />
� erhöhter spezifischer Arousal für mit dem Trauma assoziierte Reize (z.B.<br />
Fotos oder Geräusche des Geschehens)<br />
� Veränderungen in ereigniskorrelierten Potentialen des EEG (Hinweis auf<br />
erschwerte Diskrimination zwischen relevanten und irrelevanten Reizen)<br />
� reduzierte Muster kortikaler evozierter Potentiale auf neutrale Stimuli<br />
� Veränderungen in der Schlafphysiologie, u.a. mit vermehrter motorischer<br />
Aktivität im Schlaf<br />
Gedächtnisveränderungen<br />
Verschiedene Gedächtnismodelle wurden entworfen, die als psychologische<br />
Erklärungsansätze für die Verankerung von traumatischen Erlebnissen im<br />
Gedächtnis als zentrale Rolle für die Entstehung und Aufrechterhaltung der PTB und<br />
anderer Traumafolgestörungen dienen. Die Vorstellung, dass zentrale<br />
Gedächtnisinhalte durch das Trauma nachhaltig in Struktur und Funktion verändert<br />
werden, bildet dabei den gemeinsamen Grundgedanken der Konzepte. Nachfolgend<br />
werden das Furchtstrukturmodell und das duale Gedächtnismodell näher beleuchtet.<br />
Das Furchtstrukturmodell von Foa und Kozak<br />
Foa und Kozak (1986) bezeichnen die durch das Trauma veränderten<br />
Gedächtnisstrukturen als Furchtstrukturen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass<br />
die Trauma-assoziierte Aktivierung in Form intensiver Angst verschiedene<br />
Modalitäten miteinander verbindet:<br />
1. kognitive Elemente (Stimuli; u.a. das Trauma mit seinen Merkmalen)<br />
2. emotionale Bedeutungen und<br />
3. physiologische Reaktionen<br />
Posttraumatische Furchstrukturen bilden sich dadurch heraus, dass ein emotional<br />
extrem bedeutsamer Stimulus mit einem oder mehreren kognitiven Elementen und<br />
mit körperlichen Reaktionen verknüpft wird. Diese Verknüpfung geschieht im Sinne<br />
einer nachhaltigen Aktivierung einer umfassenden Gedächtnisstruktur. Das Resultat<br />
29 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
ist eine sehr viele Elemente (z.B. mit dem Trauma nur locker assoziierte Fakten)<br />
umfassende Furchtstruktur, die durch Schlüsselreize (Fakten, Köperreaktionen,<br />
Emotionen) leicht zu aktivieren ist, da die assoziativen Verbindungen bereits<br />
vorgebahnt sind. Die posttraumatische Symptomatik fällt umso stärker aus, je mehr<br />
Elemente die Furchtstruktur umfasst und damit häufiger durch verschiedene<br />
Schlüsselreize aktiviert werden kann.<br />
In mehreren Untersuchungen fand man Indikatoren für die Validität der Annahmen<br />
des Furchtstrukturmodells. Beispielsweise zeigten Litz und Keane (1989), dass PTB-<br />
Patienten im Vergleich zu Personen nach Traumata ohne PTB und gesunden<br />
Kontrollpersonen eine selektive Aufmerksamkeitserhöhung für traumabezogene<br />
Stimuli (z.B. Geräusche, Fotos, Begriffe) ausgebildet hatten.<br />
Das duale Gedächnismodell<br />
Brewin (1996) entwickelte ein duales Repräsentationsmodell, dessen<br />
Ausgangspunkt, im Gegensatz zu Foa und Kozak, sich in der Annahme<br />
widerspiegelt, dass viele traumatische Erinnerungen eine andere Qualität besitzen<br />
als normale (negative) Erinnerungen. Er unterscheidet zwischen verbal zugänglichen<br />
(VZE) und situativ zugänglichen Erinnerungen (SZE) (s.Tab. 4).<br />
Tabelle 4: Verbal und situativ zugängliche Erinnerungen<br />
verbal zugängliche Erinnerungen situativ zugängliche Erinnerungen<br />
� enthalten Bedeutungszuschreibungen zu<br />
einem Ereignis und Informationen über<br />
Gefühls- und Körperreaktionen<br />
� traumatische Erinnerungen sind<br />
erzählbar (Informationen, die mit<br />
ausreichender Bewusstheit verarbeitet<br />
wurden) und in andere autobiografische<br />
Gedächtnisinhalte integriert<br />
� bestehen aus elementaren sensorischen<br />
Eindrücken und den unmittelbaren<br />
gefühlsmäßigen<br />
Situationsinterpretationen,<br />
„Erinnerungsfetzen“<br />
� unbewusst und nicht intentional<br />
abrufbar<br />
� können durch Triggerreize aktiviert<br />
werden und dann dissoziative<br />
Symptome erzeugen<br />
� schwer zu kommunizieren, agieren nicht<br />
mit anderen autobiografischen<br />
Erinnerungen<br />
Die SZE stellen die dominierenden Erinnerungen an das Trauma bei PTB-Patienten<br />
dar. Durch die erfolgreiche kognitive Verarbeitung des Traumas z.B. im Rahmen<br />
einer Therapie wird der Gedächtnisinhalt von SZE in VZE überführt.<br />
30 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Resultate<br />
Neben einer Vielzahl von psychischen Störungen nach dem Erleben eines Traumas<br />
treten sekundär bei den Betroffenen häufig enorme psychosoziale Konsequenzen<br />
auf. Hierzu können z.B. eine vorzeitig abgebrochene Ausbildung, der Verlust von<br />
Arbeitsplatz oder Wohnung, häufige Trennungen oder Scheidung, Schwierigkeiten<br />
bei der Erziehung sowie Probleme mit Behörden gezählt werden.<br />
Abgesehen von den zahlreichen negativen Folgen einer Traumatisierung wurde ein<br />
möglicher positiver Einfluss erlebter Traumata in den letzten Jahren Gegenstand<br />
intensiver Forschungen: das Phänomen der posttraumatischen Reifung<br />
(posttraumatic growth) 6 . Viele Personen, die ein Trauma erlebten, meinen später,<br />
dass dieses Ereignis einen persönlichen Reifungsprozess in Gang gesetzt habe und<br />
sie die erlebten Erfahrungen und Einsichten für ihr weiteres Leben nicht mehr missen<br />
wollen (z.B. Frankl, 1973, als Überlebender eines Konzentrationslagers). Als<br />
Dimensionen dieses Wachstums- und Reifungsprozesses lassen sich unterscheiden<br />
(Maercker & Langner, 2001):<br />
� Beziehungen zu anderen (z.B. tieferes Verbundenheitsgefühl)<br />
� Wertschätzung des Lebens (z.B. andere Prioritätensetzung)<br />
� neue Möglichkeiten (z.B. stärkerer Veränderungswillen)<br />
� persönliche Stärken (z.B. Entwicklung eigener Bewältigungsmöglichkeiten)<br />
� religiös-spirituelle Veränderungen (z.B. stärkerer Glauben)<br />
Umstritten ist allerdings, wie real posttraumatische Reifung wirklich ist. Maercker und<br />
Zöllner (2004) entwarfen vor diesem Hintergrund ein Januskopf-Modell, welches zwei<br />
Komponenten der selbstwahrgenommenen posttraumatischen Reifung widerspiegelt:<br />
eine selbsttranszendierende, konstruktive Seite („Ich habe wirklich neu erfahren<br />
können, wie sehr Freunde und Verwandte mir verbunden sind; das war vorher noch<br />
nicht so wichtig in meinem Leben“) und eine selbsttäuschende, illusorische Seite<br />
(„Wenn es schon passiert ist, dann muss es wenigstens für etwas gut gewesen<br />
sein“). Hierbei kann die illusorische Seite, abhängig von individuellen Faktoren, eine<br />
6 Maercker (1998) definiert die persönliche Reifung als Veränderung in der Selbst- und Weltwahrnehmung<br />
einer Person, die von dieser selbst positiv bewertet wird und die mit Zuwächsen von z.B. Wissen,<br />
Handlungskompetenz, Verbundenheit mit anderen Menschen, Sinnfindung, philosophischer Reflexion oder<br />
religiöser Gläubigkeit (Spiritualität) verbunden ist.<br />
31 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
kurzfristig erfolgreiche Bewältigungsstrategie ohne Folgen für die psychische<br />
Langzeitanpassung oder einen behindernden Effekt auf die psychische Verarbeitung<br />
der Traumafolgen haben (Zöllner, Calhoun & Tedeschi, 2006).<br />
2.5 Alterungsprozess und frühe Traumatisierung<br />
Im folgenden Kapitel sollen die besonderen Lebensumstände älterer Menschen und<br />
die daraus resultierenden Wechselwirkungen mit einer PTB genauer beleuchtet<br />
werden.<br />
Eine PTB, die auf früheren Traumata beruht, kann durch alle bekannten Traumaarten<br />
ausgelöst werden. Aufgrund biografischer Bedingungen der heute lebenden älteren<br />
Generation in Mitteleuropa können v.a. Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges<br />
(Krieg, Flucht, Vertreibung, Vergewaltigung) bei älteren PTB-Patienten die<br />
Erfahrungen dominieren.<br />
Erstmals 2008 wurden zwei repräsentative epidemiologische Studien zu Traumaund<br />
PTB-Prävalenzen Älterer in Deutschland veröffentlicht (Maercker et al., 2008;<br />
Spitzer et al., 2008). In beiden Studien war der Anteil an Kriegstraumatisierungen<br />
sehr hoch. Während Maercker et al. in ihrer Studie einen signifikanten Anstieg der<br />
PTB-Prävalenz im Alter (3,4 %) verzeichnen konnten, fanden Spitzer et al. trotz<br />
erhöhter Traumaexposition eine abnehmende PTB-Rate (1,5 %) mit höherem Alter.<br />
Insgesamt belegen die Daten zusammen mit anderen Untersuchungen, auf die<br />
später genauer eingegangen wird, dass die PTB eine durchaus häufige Erkrankung<br />
im höheren Lebensalter, besonders in Ländern, in denen kollektive Traumata<br />
entsprechende Kohorteneffekte verursachen, darstellt.<br />
2.5.1 Formen der PTB im Alter<br />
Für ältere Menschen hat sich bewährt, zwischen drei Typen der PTB zu<br />
unterscheiden (Maercker, 2002, S.247):<br />
� aktuelle bzw. chronische PTB, die auf im höheren Lebensalter erlebten<br />
Traumata („aktuellen Traumata“) beruht<br />
� chronische PTB, die auf früheren Traumata beruht und<br />
� verzögert auftretende PTB mit Wiederaufleben von Symptomen nach früherer<br />
Traumatisierung („delayed onset“ )<br />
32 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Aktuelle Traumata und PTB<br />
Arten altersbezogener aktueller Traumata können z.B. Traumafolgen durch plötzliche<br />
körperliche Schäden (Stürze, Verkehrsunfälle), lebensbedrohliche Erkrankungen<br />
oder Gewaltanwendung gegenüber pflegebedürftigen Personen sein.<br />
Akuttraumatisierungen im hohen Alter und deren Folgen sind jedoch bisher kaum<br />
untersucht worden.<br />
Chronische PTB<br />
Der Zeitpunkt der Traumatisierung liegt bei chronischer PTB in den vergangenen<br />
Lebensabschnitten. Eine bedeutende Rolle bei den Folgen kollektiver<br />
Extremtraumatisierung in der Generation der Über-65-Jährigen spielen insbesondere<br />
im europäischen Raum die nationalsozialistischen Verbrechen und der Zweite<br />
Weltkrieg. Nicht zu vergessen sind Opfer politischer Verfolgung in der ehemaligen<br />
sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR.<br />
Schätzungen aus Studien ergaben, dass bis zu 11 % aller älteren Menschen in<br />
kriegsbetroffenen deutschen Regionen bis heute eine chronische PTB ausgebildet<br />
haben, die sich auf die Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg bezieht. Nachfolgend werden<br />
einige dieser Untersuchungen genannt:<br />
� Maercker, Herrle & Grimm (1999) fanden bei einer kleinen Gruppe ziviler<br />
Kriegsopfer, die die Dresdener Bombennacht überlebte, 50 Jahre nach dem<br />
Ereignis eine PTB-Prävalenz von 4,3 %<br />
� Teegen & Meister (2000) untersuchten 269 ehemalige deutsche Flüchtlinge,<br />
von denen 5 % eine voll ausgeprägte und 25 % eine partielle PTB aufwiesen<br />
� bei der Befragung von 37 pflegebedürftigen Senioren, die zur Zeit der Flucht<br />
19 – 33 Jahre alt waren, wurde von Teegen & Cizmic (2003) bei 11 % eine voll<br />
ausgeprägte sowie bei 32 % eine partielle PTB festgestellt<br />
� Fischer, Struwe & Lemke (2006) untersuchten eine Gruppe von 150<br />
Vertriebenen, von denen 9,8 % die Kriterien einer PTB erfüllten<br />
� Kuwert et al. (2007) erhoben bei 10 % von 93 befragten Probanden der<br />
Jahrgänge 1933 – 1945 eine aktuelle PTB, 14 % der untersuchten Teilnehmer<br />
erfüllten die DSM-IV-Kriterien für eine PTB im Längsschnitt<br />
� bei der Untersuchung von 27 Frauen, deren durchschnittliches Alter zum<br />
Zeitpunkt der Vergewaltigung am Ende des Zweiten Weltkrieges 16,7 Jahre<br />
33 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
betrug, fanden Kuwert et al. (2010) eine Prävalenz von 19 % für eine voll<br />
ausgeprägte und 30 % für eine partielle PTB<br />
Verzögert auftretende PTB<br />
Auch nach Jahrzehnten weitgehender Störungsfreiheit können belastende<br />
Erinnerungen an traumatische Erfahrungen auftreten (Maercker, 2002, S.248). In<br />
einigen Studien konnte die steigende Häufigkeit posttraumatischer Symptomatik im<br />
Rahmen des Alterungsprozesses gezeigt werden (Kruse & Schmitt, 1998; Solomon &<br />
Ginzburg, 1999). Allerdings handelt es sich hierbei um retrospektive Studien, so dass<br />
eine zuverlässige Abschätzung des Phänomens der verzögert auftretenden PTB im<br />
Alter bisher nicht möglich ist.<br />
2.5.2 Auslösende Faktoren einer PTB im Alter<br />
Das Wiederauftreten oder die Verschlechterung bereits bestehender Symptome kann<br />
verschiedene Auslöser haben wie z.B. Jahrestage oder Berichterstattungen über<br />
Kriege in den Medien. Auch der Alterungsprozess selbst und eine damit vermutete<br />
Abnahme der Bewältigungsfähigkeiten sowie Zunahme belastender<br />
Lebensereignisse werden als ein möglicher Auslöser für eine PTB im Alter diskutiert<br />
(Hankin, 2003, S.310).<br />
Nachstehend sind typische Stressoren, die Menschen im höheren Lebensalter in<br />
sehr unterschiedlichem Ausmaß belasten können, genannt (Kuwert & Knaevelsrud,<br />
2009, S.428):<br />
� geringer werdende Mobilität<br />
� finanzielle Probleme<br />
� Verlust von sozialen Kontakten<br />
� Umzug in betreute Wohnformen<br />
� körperliche Erkrankungen<br />
� geringere sensorische Kapazität<br />
� multiple Medikamente mit Wechsel- und Nebenwirkungen<br />
� Verwitwung, Tod von Freunden/Verwandten<br />
� Berentung als Statusverlust<br />
� mögliche kognitive Störungen<br />
34 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Demgegenüber stehen jedoch auch individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und<br />
Ressourcen im Alter. Heutige Altersbilder verweisen auf Reife, Lebenswissen,<br />
Weisheit, die Fähigkeit zur Wohlbefindensregulation und effektive<br />
Bewältigungskompetenzen als mögliche psychologische Gewinne des<br />
Altersprozesses. Vor dem Hintergrund einer multidimensionalen Gewinn-Verlust-<br />
Perspektive auf den Altersprozess wurden somit frühere Defizitmodelle oder<br />
unrealistisch idealisierende Altersbilder abgelöst (Forstmeier & Maercker, 2008,<br />
S.31)<br />
2.5.3 Diagnostische Besonderheiten im Alter<br />
Grundsätzlich sind bei der diagnostischen Beurteilung einer PTB im Alter dieselben<br />
Kriterien anzuwenden wie sie im Allgemeinen gelten (s. Kapitel 2.2). Darüber hinaus<br />
sollten jedoch einige Besonderheiten beachtet werden (Cook & O'Donnell, 2005):<br />
� Ältere Menschen sind besonders sensibel für das Stigma psychologischer<br />
Diagnosen. Sie verschweigen bzw. dissimulieren häufiger posttraumatische<br />
Symptome, da sie sich aufgrund ihrer Sozialisation eher schämen, unter<br />
psychischen Beeinträchtigungen zu leiden. Generell kann als Kohorteneffekt<br />
beobachtet werden, dass Selbstöffnung weniger positiv bewertet wird als bei<br />
Jüngeren.�<br />
� Forschungen zeigen, dass insbesondere ältere Männer ein Rollenbild gelernt<br />
haben, das psychische Belastung mit Schwäche gleichsetzt („… zäh wie<br />
Leder, hart wie Kruppstahl…“). Deshalb sind sie eher widerwillig,<br />
psychologisches Leiden zuzugeben.<br />
� Der Begriff „Posttraumatische Belastungsstörung“ wurde erst 1980 in die<br />
diagnostische Nomenklatur eingeführt. Viele ältere Patienten, die<br />
möglicherweise weniger mit dem psychologischen Wortschatz vertraut sind,<br />
haben deshalb keine Ausdrucksmöglichkeiten, mit denen sie ihr Leiden<br />
beschreiben können. Dies kann auch aus Unkenntnis zu einer<br />
Bagatellisierung eigener traumatischer Erfahrung führen�<br />
� Die größere Lebensspanne Älterer führt zu einer höheren Prävalenz multipler,<br />
zeitlich distinkter Traumatisierungen. Für die Anamneseerhebung ist daher<br />
unabdingbar, sowohl aktuelle Traumatisierungen als auch darüber hinaus weit<br />
35 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
zurückliegende Traumata (die häufig die Verarbeitung aktueller<br />
Traumatisierungen mit determinieren) zu erfassen.<br />
(Hankin, 2003, S.313-314; Kuwert & Knaevelsrud, 2009, S.431-432)<br />
2.6 Ehemalige deutsche Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
Der Zweite Weltkrieg – die wohl größte und verheerendste Katastrophe des<br />
20.Jahrhunderts – verursachte unvorstellbares Leid: 55 Millionen Tote,<br />
Bombardierungen, Völkermord, Flucht, Vertreibung, Gefangenschaft, Hungersnöte,<br />
Vergewaltigungen, körperliche Verletzungen, gewaltsamer Tod von<br />
Bezugspersonen, Armut und Zerstörung. Die systematische Ermordung ganzer<br />
Bevölkerungsgruppen bildete den traurigen Höhepunkt des bislang schlimmsten<br />
kollektiven Traumas der Neuzeit. Mehr als 60 Jahre sind seit dem 8.Mai 1945<br />
vergangen. Doch nicht für alle Opfer bedeutete das Kriegsende auch ein Ende des<br />
Leids. Einige Kriegstraumatisierte leiden noch heute an den Folgen der damaligen<br />
Zeit.<br />
Unter Berücksichtigung und Anerkennung der Unvergleichlichkeit des Genozids an<br />
Millionen Juden und anderen Opfergruppen wurde in den letzten Jahren auch eine<br />
Aufarbeitung der zivilen deutschen Kriegstraumatisierungen möglich. Wie bereits<br />
erwähnt (s. Kap. 2.2.2.1), rückte insbesondere die Untersuchung von psychischen<br />
Langzeitfolgen und Lebensqualität der Kriegskindgeneration, Bombenopfer oder<br />
Vertriebenen bei verschiedenen Arbeitsgruppen in den Fokus ihrer Betrachtungen<br />
(z.B. Teegen & Meister, 2000; Fischer, Struwe & Lemke, 2006; Kuwert et al., 2008).<br />
Auch das Thema der sexuellen Kriegsgewalt wie z.B. systematisierte<br />
Massenvergewaltigungen deutscher Frauen am Ende des Zweiten Weltkrieges<br />
wurde in der psychotraumatologischen Forschung diskutiert (Kuwert, et al., 2010).<br />
Eine wissenschaftlich bislang wenig beachtete Untergruppe stellen minderjährige<br />
Soldaten, die während des Zweiten Weltkrieges im Einsatz waren, dar. Es wird<br />
geschätzt, dass vom Februar 1943 bis zum Kriegsende 1945 bis zu 200.000<br />
Luftwaffen- und Marinehelfer im Einsatz waren. Hinzu kommen unzählige Angehörige<br />
der „Hitlerjugend“. Eine genaue Zahl der gefallenen Luftwaffen- und Marinehelfer ist<br />
unbekannt. Sie starben einen sinnlosen Tod – den „Heldentod“ wie die Propaganda<br />
ihn bezeichnete.<br />
36 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Der folgende Abschnitt soll dem besseren Verständnis der Erfahrungen der<br />
Luftwaffen- und Marinehelfer dienen, in dem ein kurzer Überblick über deren Einsatz<br />
sowie Aufgaben und Alltag im Zweiten Weltkrieg gegeben wird. Abschließend folgt<br />
ein Exkurs zu den Auswirkungen und der Bewältigung jener traumatischen<br />
Erlebnisse als Heranwachsender.<br />
2.6.1 Geschichtlicher Hintergrund der Luftwaffen- und Marinehelfer<br />
Im Januar 1943 fiel die endgültige Entscheidung Adolf Hitlers, Schüler der Höheren<br />
und Mittelschulen aus den Geburtsjahrgängen 1926 und 1927 als Luftwaffen- bzw.<br />
Marinehelfer im Zweiten Weltkrieg einzusetzen. Bedenken wurden in diesem<br />
Zusammenhang wegen des zu befürchtenden Unterrichtswegfalls und einer<br />
unzureichenden Ausbildung zukünftiger Führungseliten und Wissenschaftler<br />
geäußert. Auch Reichsaußenminister von Ribbentrop und Reichsleiter Bormann<br />
äußerten Kritik: Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass das Deutsche Reich<br />
Kinder als letztes Aufgebot, als „Kanonenfutter“, einsetze oder – gar der feindlichen<br />
Propaganda dienend – dass Deutschland am Ende seiner Kräfte angelangt sei und<br />
als letzten Ausweg zur Rekrutierung seiner Kinder schreiten müsse.<br />
Mit der Verordnung zur "Heranziehung von Schülern zum Kriegshilfseinsatz der<br />
deutschen Jugend" konnten die 16- bzw. 17-jährigen Schüler klassenweise zunächst<br />
unter Fortsetzung des Unterrichts als Hilfskräfte der Luftwaffe und der Marine<br />
eingesetzt werden 7 . 1944 wurde zusätzlich der Jahrgang 1928 sowie 1945 15-jährige<br />
Lehrlinge der Berufsschulen eingezogen. Der Einsatz des jugendlichen<br />
Hilfspersonals sollte laut Dienstanweisungen Hermann Görings in den Stellungen der<br />
Flak (Flugabwehrkanone), im Fernsprechdienst, an Funkmessgeräten, im<br />
Geschäftszimmerdienst sowie am Kommandogerät erfolgen. Zur Freizeitgestaltung<br />
und Verpflegung wurden folgende Regelungen getroffen:<br />
"Die Zuteilung von Büchern, Lesemappen und Rundfunkapparaten sowie die<br />
Ausstattung der Unterkünfte mit Wandschmuck ist durch die Luftgaukommandos zu<br />
sichern. ... Die Alkohol- und Tabakportionen dürfen für die Luftwaffenhelfer nicht<br />
7 Auch Mädchen konnten kurz nach Kriegsbeginn ab dem 17. Lebensjahr freiwillig und ab 1943<br />
dienstverpflichtet eingezogen werden. Bekannt wurden sie als „Blitzmädchen“ im Nachrichtendienst der<br />
Wehrmacht oder „Stabshelferinnen“ im Bürodienst.<br />
37 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
empfangen werden, statt dessen sind Vitamindrops oder Süßigkeiten auszugeben."<br />
(aus der Dienstanweisung des Reichsluftfahrtministers über den "Kriegshilfseinsatz<br />
der Jugend in der Luftwaffe" vom 26.1.1943)<br />
2.6.2 Aufgaben und Alltag<br />
„Verkleidete Zivilisten, die zwar schießen,<br />
aber nicht rauchen dürfen!“ (Schätz, 2003,<br />
S.129)<br />
Neben der theoretischen bestand die<br />
praktische Ausbildung der Luftwaffenhelfer<br />
in Flugzeugerkennung, Funktechnik,<br />
Kennenlernen der Geräte sowie deren<br />
Funktion, Schießübungen, Märschen,<br />
Handgranatenwerfen und Training mit der<br />
Gasmaske. Weitere Aufgaben umfassten<br />
Wachdienst, Waffenpflege und<br />
Schanzarbeiten. Der Schulunterricht wurde<br />
bald auf ein Minimum reduziert bzw. war Abbildung 3: Flak-Ausbildung<br />
nicht mehr möglich, da die täglich enorme (Foto: Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz)<br />
Belastung, die Arbeit an den Kanonen, das nächtliche Ausharren in den Stellungen<br />
oder auch die allgegenwärtige Angst an den Kräften der Flakhelfer zehrte.<br />
Die vielen Erlebnisberichte ehemaliger Flakhelfer belegen, dass der Großteil die<br />
Einberufung zunächst als etwas Abenteuerliches und Imponierendes empfand<br />
(Schörken, 2000, S.126). Stolz eiferten die meisten Jugendlichen einem<br />
„soldatischen Ideal“ nach (Nicolaisen, 1985, S.13). Neben der anfänglichen Euphorie<br />
und Begeisterung stellte sich jedoch bald Angst angesichts der ungewissen Zukunft<br />
und des sichtbar verloren gehenden Krieges ein. Zahlreich abgeschossene<br />
Flugzeuge hatten letztlich keinen entscheidenden Einfluss auf den Kriegsverlauf und<br />
ein Gefühl der Ohnmacht breitete sich aus. Zusätzlich bedeutete die tägliche<br />
Konfrontation mit dem Tod, die zunehmenden Luftangriffe und die Trennung von zu<br />
Hause für die Jugendlichen eine erhebliche psychische Belastung.<br />
38 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
„Es gehören schon starke Nerven dazu, die übrig gebliebenen Fleischstücke,<br />
Uniformfetzen und Glieder zum Sammelplatz zu bringen. Ich werde diese<br />
Augenblicke nie vergessen.“ (17-jähriger Luftwaffenhelfer, 1944, über die<br />
Bergungsarbeiten nach einem Angriff, aus Nicolaisen, 1985, S.55)<br />
Das Leben der Jugendlichen nach der Flakhelferzeit gestaltete sich unterschiedlich.<br />
Viele Jungen der Jahrgänge 1926/27 wurden zum Reichsarbeitsdienst und<br />
anschließend als reguläre Soldaten zur Wehrmacht eingezogen. Hier folgte meist der<br />
direkte Fronteinsatz in Russland, im Westen, in den U-Booten auf dem Atlantik oder<br />
an anderen Kriegsschauplätzen. Die später eingezogenen Jahrgänge verbrachten<br />
ihre gesamte Militärzeit bei der Flak, auch wenn sie gegen Kriegsende noch rasch zu<br />
regulären Soldaten gemacht wurden. Einige Jungen konnten, wenn sie noch<br />
rechtzeitig und offiziell entlassen wurden, als Zivilisten zurück in ihre Elternhäuser<br />
kehren. Andere dagegen kamen an die Front, erlebten dort dasselbe Grauen wie<br />
reguläre Soldaten und gerieten häufig auch in Gefangenschaft.<br />
Neben gesundheitlichen Schäden, durch die manche ihr Leben lang gezeichnet<br />
waren, werden auch die verlorenen Ausbildungs- und Schuljahre als großer Verlust,<br />
der die Heranwachsenden nach Kriegsende belastete, empfunden. Nachdem im<br />
Herbst 1945 der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde, kehrten einige Jungen<br />
zur Schulbank zurück, während andere notgedrungen Berufe erlernten. Die<br />
Luftwaffenhelferzeit und die Erfahrungen, die die Jugendlichen gemacht hatten,<br />
spielten im Unterricht, in dem darüber geschwiegen wurde, jedoch keine Rolle. Die<br />
von Reparaturarbeiten, Familienzusammenführung und Nahrungsbeschaffung<br />
geprägte Nachkriegszeit machte einen Neuanfang erforderlich. Schörken (2000)<br />
schreibt über diese Zeit „Man musste da durch“ und spiegelt damit die Haltung viele<br />
Zeitgenossen wider.<br />
2.6.3 Hitlerjugend (HJ)<br />
-„flink wie die Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“ 8 -<br />
In den Krieg waren jedoch nicht nur Flakhelfer sondern noch weitere<br />
Heranwachsende involviert. Bereits zu Kriegsbeginn sind 1.091.000 Angehörige der<br />
8 Adolf Hitler in einer Rede am 14. September 1935 vor rund 50.000 HJ-Jungen im Nürnberger Stadion.<br />
39 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
HJ mit den unterschiedlichsten Aufgaben (z.B. Luftschutz, Feuerwehrdienst) am<br />
Kriegseinsatz beteiligt (Huber, 1982, S.236).<br />
Um den Mangel an Personal in den Flakverbänden der Heimatverteidigung zu<br />
beheben, wurden mit Fortschreiten des Krieges zunehmend HJ-Angehörige<br />
herangezogen. Ebenso wurden diese als "Drittes Aufgebot" ab September 1944 zu<br />
Volkssturm-Einheiten dienstverpflichtet und gegen die vorrückenden alliierten<br />
Truppen eingesetzt. Weiterhin gab es unzählige Freiwilligenmeldungen, unter denen<br />
auch Hitlerjungen waren, zur Bildung des als „letztes Aufgebot“ fanatischer NSDAPund<br />
SS-Führungskräfte geltenden „Werwolfes“ (Ullmann, 1991, S.40).<br />
Abbildung 4: Von der Schulbank in den Krieg<br />
(Foto: © MDR/LE Vision/National Archive)<br />
Genaue Angaben über die Zahl der Todesopfer gibt es, ähnlich wie bei den<br />
Flakhelfern, nicht. Für die HJ-Jahrgänge 1926 bis 1930 werden 82.000 Gefallene als<br />
Richtwert angegeben (Klose, 1970, S.57). Wegen "angeblicher 'Werwolf' - Tätigkeit"<br />
wurden ab 1946 Massenverhaftungen von Jugendlichen in der sowjetischen<br />
Besatzungszone vollzogen. Dies betraf vorrangig die Jahrgänge 1927 – 1931, die<br />
einem unmenschlichen Martyrium von Folter, Verhören, Hunger und Krankheiten oft<br />
mehreren Jahren ausgesetzt waren. Geschätzt wird die Zahl der in den Lagern der<br />
Sowjetunion umgekommenen Jugendlichen auf bis zu 10.000 (Prieß, 1999, S.212).<br />
2.6.4 Kriegstrauma und Bewältigung<br />
Die Möglichkeit von traumatisierenden Ereignissen betroffen zu werden ist wohl bei<br />
keinem anderen Geschehen so vielfältig und so groß wie bei einem Krieg (Riedesser,<br />
2009, S.39): einerseits durch direkte Traumatisierung z.B. durch eine Verletzung,<br />
40 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
physisch oder psychischen Missbrauch, Gefangenschaft, oder indirekt durch das<br />
Zeugesein von Gewaltanwendung gegen andere, die Trennung von wichtigen<br />
Bezugspersonen oder auch den Tod der Eltern. Darüber hinaus können der Verlust<br />
von Sicherheit und der Gültigkeit von Sitten und Regeln als äußerst belastend<br />
empfunden werden.<br />
Die nachfolgende Liste enthält Erfahrungen, denen Kriegskinder (Jahrgang 1927 –<br />
1945) ausgesetzt sein konnten:<br />
� ständige Bombenangriffe/Ausbombungen, Städtezerstörungen – teilweise in<br />
Form des „Feuersturmes“ mit zahlreichen Opfern<br />
� als Jüngere Evakuierungen (zusammen mit der Mutter und weiteren jüngeren<br />
Geschwistern) oder als Ältere Kinderlandverschickungen (mit der Folge der<br />
Trennung von der Mutter und der weiteren Familie)<br />
� Flucht vor dem näher rückenden Krieg und/oder wieder Rückkehr in das<br />
(zerstörte) Zuhause<br />
� Vertreibung mit späterem Aufwachsen in einer fremden bis feindselig<br />
eingestellten Umwelt (bezüglich Sprache, Religion, Lebensgewohnheiten etc.)<br />
und mit der häufigen Folge langfristiger Unterernährung, Verarmung und<br />
sozialem Abstieg der Eltern<br />
� lang anhaltende (aufgrund von Kriegsteilnahme und/oder Gefangenschaft)<br />
oder dauernde (d.h. im Krieg gefallen, vermisst oder an Krankheit verstorben)<br />
väterliche Abwesenheit – die schließlich zurückgekehrten Väter waren oft<br />
physisch/psychisch versehrt oder krank; sie blieben abgekapselt und<br />
unerreichbar<br />
� zusätzlicher Verlust der Mutter, weiterer Geschwister und näherer Verwandter<br />
� Miterleben und Durchleben weiterer passiver und aktiver Gewalterfahrungen<br />
z.B. Verwundungen, Tötungen, Erschießungen, Vergewaltigungen<br />
(Radebold, 2009, S.16)<br />
Auch die ehemaligen Luftwaffen- und Marinehelfer sowie Hitlerjungen blieben vor<br />
solchen Ereignissen, vor allem durch eine aktive Kriegsteilnahme, nicht verschont.<br />
Dies spiegelt sich in der Erinnerungsliteratur vieler Autoren wider (z.B. Nicolaisen,<br />
1985; von Buch, 1998).<br />
41 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Das psychische Befinden der damaligen Kinder und Jugendlichen war angesichts<br />
der schrecklichen Erfahrungen aller und des Elends in der Endphase des Krieges<br />
sowie unmittelbar danach jedoch eher unwichtig. Die Aufgabe der Betroffenen<br />
bestand darin, akut zu überleben und langfristig am Leben zu bleiben, so dass die<br />
Situation und Entwicklung der Heranwachsenden in der direkten Nachkriegszeit<br />
kaum Beachtung fand (Decker & Brähler, 2009, S.120). Unterstützung im Sinne<br />
eines „Darüber-sprechen-Können“ durch die Elterngeneration war nur wenig zu<br />
erwarten, da diese sich nach dem Kriegsende mit eigenen Problemen (u.a.<br />
Lebensmittelbeschaffung für die Familie, Wiederaufbau) konfrontiert sah. Zudem<br />
hofften die Erwachsenen, dass die schlimmen Erfahrungen bei ihren Kindern kaum<br />
Spuren, geschweige denn Folgen hinterlassen hätten, sie diese auf jeden Fall<br />
schnell vergessen und sich derartige Erfahrungen insgesamt „auswachsen“ würden<br />
(Radebold, 2009, S.19). Der Verdrängung hilfreich war zusätzlich die Tatsache, dass<br />
das Geschehene nicht als „persönliches Schicksal“ begriffen wurde, sondern als ein<br />
kollektives, da es anderen schließlich genauso erging (Bohleber, 2009, S. 51).<br />
Rückwirkend kann vermutet werden, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen<br />
aufgrund ihrer Erziehung (körperliches und psychisches Leit- und Idealbild), ihrer<br />
Parentifizierung, der familiär und sozial auferlegten Delegationen und in Hinblick auf<br />
das insgesamt erlebte Leid „funktionierten“, d.h. relativ wenige<br />
Verhaltensauffälligkeiten, Symptome oder Störungen vorwiesen und gezeigte<br />
Auffälligkeiten auf die ablaufenden gesellschaftlichen Veränderungen zurückgeführt<br />
wurden (Radebold, 2009, S.19). Die damalige Lebenssituation wurde als „Normalität“<br />
empfunden – schließlich hatten doch alle schreckliche Erfahrungen erlebt.<br />
Auch Berichte ehemaliger Luftwaffenhelfer belegen, dass diese Ausnahmesituation<br />
als etwas völlig Normales begriffen wurde, wodurch den jungen Menschen, die<br />
Bombenangriffe, den Tod nahestehender Personen und eigene Verwundungen<br />
erlebt hatten, inmitten einer turbulenten Zeit ein zwar schwieriges, aber von<br />
psychschischen Störungen freies Heranreifen 9 gelang (Schörken, 2000, S.141).<br />
9 In diesem Zusammenhang sei auf einige Prominente der „Flakhelfergeneration“ hingewiesen: Papst Benedikt<br />
XVI., H.-D. Genscher (ehemaliger Außenminister), Günter Grass (Nobelpreisträger Literatur), D. Hildebrand<br />
(Kabarettist).<br />
42 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Als Probleme, mit denen sich die Jugendlichen auseinander zu setzten hatten,<br />
werden folgende genannt:<br />
� Schädigung des Wir-Gefühls<br />
� ein durcheinander geratenes Loyalitätsgefühl<br />
� Bewältigung eines förmlichen Zivilisationsbruchs<br />
� zerstobene Ideale<br />
� Zerstörung des Staatsgefühls<br />
� Beeinträchtigung der Affektwelt<br />
� Bewusstsein der Sinnlosigkeit des Kriegseinsatzes<br />
� Gefühl, das Opfer eines ungeheuren Betrugs geworden zu sein<br />
(Schörken, 2000, S.140)<br />
Aus heutiger Sicht fällt es schwer, die von vielen Betroffenen geschilderte<br />
Folgenlosigkeit der so früh geschädigten Jahrgänge zu akzeptieren. Die Erklärung<br />
extrem schwere Lebensbedingungen zu überstehen, ohne Traumatisierungen oder<br />
Identitätsbrüche davonzutragen, sehen Zeitzeugen nicht nur in der bereits oben<br />
geschilderten „empfundenen Normalität“, sondern auch in der als<br />
Schutzmechanismus fungierenden Fähigkeit junger Menschen „die eigene Umwelt<br />
als die selbstverständliche zu begreifen“ und als gegeben hinzunehmen (Schörken,<br />
2000, S.142). Als wichtigstes Argument wird jedoch die Dringlichkeit von Problemen,<br />
die es nach Ende des Krieges zu lösen galt, angegeben: die Sicherung des<br />
Überlebens und der Weiterexistenz der eigenen Familie, die häufig Verdienste der<br />
jungen Leute waren, auf die sie stolz zurückblicken konnten (ebd., S.142).<br />
Andererseits kann in dem von den damals betroffenen Kindern und Jugendlichen<br />
zeitlebens vermittelten „Funktionieren“ und „erfolgreichen Bewältigen“ bis hin zum<br />
„Wachsen an den Erfahrungen“ auch ein intensiver innerpsychischer Bearbeitungsund<br />
Abwehrprozess gesehen werden, der zu jenem Selbstbild beitrug, dass weder<br />
aktuelle noch lebenslange Folgen entstehen könnten und somit den Hoffnungen und<br />
Erwartungen von Familie, Umwelt und Gesellschaft entsprach (Radebold, 2009,<br />
S.146).<br />
43 | S eite
Theoretische Grundlagen<br />
Ob nun erfolgreiches Bewältigen oder Abwehrprozess – letztlich ist die Datenlage zur<br />
Zeit noch völlig unzureichend und bedarf weiterer Aufklärung, um ein abschließendes<br />
Urteil zu ziehen. Zusammenfassend sind aber zeitgeschichtliche Einflüsse bei<br />
bestimmten Verursachungskonstellationen (mehrfach schwerwiegende, lang<br />
anhaltende Erlebnisse, unvollständige Familiensituation, schwierige<br />
Lebensbedingungen nach Kriegsende) als „lebenslang hoch wirkame Einfluss- und<br />
Risikofaktoren“ einzustufen (Radebold, 2009, S.147).<br />
Falsch wäre es jedoch, grundsätzlich alle damals Betroffenen als lang anhaltend<br />
oder lebenslang beeinträchtigt, beschädigt oder traumatisiert zu betrachten:<br />
Glücklicherweise zeigt aktuell nur ein gewisser Teil auf diese zeitgeschichtlichen<br />
Erfahrungen zurückzuführende psychische, psychosoziale, körperliche oder familiale<br />
Folgen in unterschiedlich schwerer Ausprägung bei eher unspezifischer Symptomatik<br />
(Radebold, 2009,S.145).<br />
44 | S eite
Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung<br />
2.7 Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung<br />
Die in der psychologischen Diagnostik gültige Definition eines Traumas wurde zu<br />
Beginn des Kapitels erläutert. Unter Berücksichtigung einer Klassifizierung stellt das<br />
Kriegserleben als menschlich verursachte und langandauernde bzw. mehrfache<br />
Traumatisierung ein besonders hohes Risiko zur Ausbildung psychopathologischer<br />
Beeinträchtigungen dar.<br />
Auf die Posttraumatische Belastungsstörung als eine spezifische psychische<br />
Traumafolge wurde nachfolgend näher eingegangen. Neben einer akuten und<br />
chronischen Form der PTB, kann auch eine PTB mit verzögertem Beginn<br />
unterschieden werden, wobei das Vollbild der Störung erst mit jahrzehntelanger<br />
Latenz auftreten kann. Viele Arbeitsgruppen, die sich mit den Auswirkungen von<br />
Kriegstraumata bei Kindern/Jugendlichen oder Erwachsenen beschäftigten, fanden<br />
überwiegend Langzeitfolgen durch PTB-Symptome bei den Betroffenen. Einige<br />
Untersuchungen ergaben allerdings auch weniger deutliche Ergebnisse.<br />
Anschließend folgte ein Überblick über weitere potentielle Traumafolgen, mit dem auf<br />
wichtige Differentialdiagnosen der PTB hingewiesen werden sollte. Vor dem<br />
Hintergrund, dass nicht jeder Betroffene, der ein Trauma erlebte, eine PTB ausbildet,<br />
wurde das multifaktorielle Rahmenmodell vorgestellt. Es verdeutlicht, dass zusätzlich<br />
eine Reihe von biopsychosozialen Faktoren (prä-, peri-, posttraumatisch) zur<br />
Entstehung und Aufrechterhaltung aber auch Genesung einer psychischen Störung<br />
beitragen.<br />
Nachdem auf die Besonderheiten der PTB im Alter verwiesen wurde, widmet sich der<br />
letzte Abschnitt hauptsächlich den ehemaligen Schülersoldaten 10 sowie HJ-<br />
Angehörigen des Zweiten Weltkrieges. Neben dem historischen Hintergrund wurden<br />
Aufgaben und Alltag der Luftwaffen- und Marinehelfer dargelegt, um so ein besseres<br />
Verständnis für deren Erlebnisse während des Krieges und der direkten<br />
Nachkriegszeit zu entwickeln. Anhand dessen kann davon ausgegangen werden,<br />
dass ein Großteil der Betroffenen unter damaligen Umständen schwer traumatisiert<br />
wurde. Klassenweise eingezogen, wurden die Heranwachsenden an ihren<br />
Einsatzorten mit zunehmenden Fliegerangriffen, Angst, dem Tod von Kameraden<br />
und körperlichen Verletzungen konfrontiert, teilweise weit entfernt vom Heimatort und<br />
10 Diesen Begriff prägte der Soziologe Heinz Bude für die Luftwaffenhelfer.<br />
45 | S eite
Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung<br />
dem Schutz der Familie, die ebenfalls von dem Schrecken des Krieges betroffen war.<br />
Für viele Schülersoldaten gipfelte die chronische bzw. kumulative Traumatisierung<br />
nach Kriegsende nicht selten in einer Gefangenschaft. In der Nachkriegszeit zu<br />
lösende Probleme ließen den jungen Leuten kaum Platz zur Verarbeitung einer<br />
Gefühlswelt, die geprägt war von Ereignissen der vergangenen Zeit. Anerkennung<br />
als ein psychisch verwundetes Opfer blieb vielen verwehrt. Dass das Erlebte keine<br />
normale Erfahrung darstellt, ist daher manch einem sich zeitlebens als gut<br />
funktionierend wahrnehmenden Betroffenen bis heute nur unvollständig bewusst.<br />
Bislang fanden die Erfahrungen der minderjährigen Soldaten im Zweiten Weltkrieg,<br />
v.a. jedoch deren Folgen, nur wenig Beachtung in der Traumaforschung. Bedenkt<br />
man aber, dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um mit Zeitzeugen Gespräche zu führen<br />
oder individuelle Erlebnisberichte zu hören, gewinnt dieses Thema zunehmend an<br />
Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung soll einen Beitrag leisten, den Mangel an<br />
Wissen, der eine ganze Generation betrifft, aufzuarbeiten:<br />
Ehemalige Luftwaffen-, Marine- und Nachrichtenhelfer sowie Angehörige der<br />
Hitlerjugend werden über sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges im<br />
Hinblick auf ihre derzeitigen posttraumatischen Symptome, ihre Lebensqualität und<br />
ihr Kohärenzgefühl (als eine Ressource der Genesung) untersucht. Ziel der Arbeit ist<br />
die Erfassung überdauernder Auswirkungen der erlebten Traumata im Zweiten<br />
Weltkrieg zusätzlich zur Ermittlung von Hilfen in der damaligen Situation und<br />
möglichen positiven Seiten des damaligen Kriegseinsatzes für das weitere Leben.<br />
Bei der quantitativen/qualitativen Untersuchung stehen folgende Überlegungen bzw.<br />
allgemeine Fragestellungen im Vordergrund:<br />
I. Leiden ehemalige minderjährige Soldaten noch heute, über 60 Jahre<br />
nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, unter einer PTB aufgrund einer<br />
damaligen Kriegstraumatisierung?<br />
Erkenntnisse über die Auswirkungen von Krieg auf ein Individuum sowie das<br />
Wissen über den Zusammenhang multipler modulierender,<br />
aufrechterhaltender Faktoren und Strategien mit Langzeitfolgen eines<br />
Traumas, führen zur Annahme, dass die ehemaligen minderjährigen Soldaten<br />
noch heute Symptome einer (chronischen/verzögerten) PTB infolge der<br />
erlebten Kriegstraumatisierung zeigen können.<br />
46 | S eite
Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung<br />
II. Bestehen hinsichtlich des Kohärenzgefühls und der<br />
gesundheitsbezogenen Lebensqualität der ehemaligen Schüler- bzw.<br />
Kindersoldaten Unterschiede im Vergleich zu einer<br />
altersentsprechenden Vergleichsgruppe?<br />
Untersuchungen ergaben, dass trotz erlebter Extremtraumatisierung ein<br />
großer Teil der Betroffenen keine zumindest klar erkennbaren<br />
posttraumatischen Symptome entwickelt. Mögliche Ressourcen und<br />
Bewältigungsmechanismen, die helfen schwere Einschnitte im Leben eher zu<br />
verarbeiten und ein gesundes Weiterleben zu ermöglichen, wurden daher von<br />
verschiedenen Forschungsgruppen diskutiert. Das Kohärenzgefühl als<br />
III.<br />
zentrales Konstrukt der Salutogenese von Antonovsky (1987) kann als eine<br />
salutogenetische Orientierung verstanden werden, die das Individuum<br />
widerstandsfähiger gegenüber potentiell traumatischen Stressoren macht. Die<br />
ehemaligen minderjährigen Soldaten des Zweiten Weltkrieges werden<br />
hinsichtlich der Ausprägung ihres Kohärenzgefühls untersucht und mit einer<br />
altersentsprechenden Referenzgruppe verglichen. Weiterhin wird die heutige<br />
gesundheitsbezogene Lebensqualität, die soziale, psychische, körperliche und<br />
alltagsnahe Aspekte von Wohlbefinden und Funktionsfähigkeit umfasst,<br />
evaluiert. Angenommen wird, dass die Traumabetroffenen eine beeinträchtigte<br />
Lebensqualität gegenüber der Normalbevölkerung aufweisen und sich in<br />
Bezug auf das Kohärenzgefühl von dieser typisch unterscheiden.<br />
Gab es in der damaligen Belastungssituation unterstützende oder gar<br />
positive Aspekte für die Heranwachsenden?<br />
In den letzten Jahren wurden nicht nur negative Folgen einer Traumatisierung<br />
analysiert, insbesondere rückte auch die Erforschung protektiver Faktoren<br />
nach dem Erleben eines Traumas sowie das Phänomen der<br />
posttraumatischen Reifung in den Mittelpunkt von Untersuchungen. Vor dem<br />
Hintergrund möglicher positiver Auswirkungen auf die spätere Entwicklung<br />
werden deshalb Ressourcen in der damaligen Zeit sowie positive Seiten des<br />
Kriegseinsatzes erfragt. Es wird vermutet, dass – zumindest einige –<br />
Betroffene einen Nutzen aus der einstigen Zeit als minderjähriger Soldat<br />
ziehen.<br />
47 | S eite
Zusammenfassung und allgemeine Zielsetzung<br />
Aufgrund des explorativen Charakters der vorliegenden Studie wird auf die<br />
Formulierung spezifisch gerichteter Hypothesen verzichtet. Die Durchführung der<br />
Untersuchung orientiert sich an den soeben aufgeführten Fragen.<br />
48 | S eite
3. Material und Methodik<br />
Material und Methodik<br />
Dieses Kapitel dient der Beschreibung des Vorgehens der Untersuchung. Zunächst<br />
werden Untersuchungsaufbau einschließlich des Studiendesigns und der<br />
Untersuchungsinstrumente erläutert. Nachfolgend sollen die Methoden der<br />
Datenauswertung sowie die Probandengruppen vorgestellt werden.<br />
3.1 Untersuchungsaufbau<br />
Die Datenerhebung der vorliegenden Arbeit erfolgte 2007 an der Klinik und Poliklinik<br />
für Psychiatrie und Psychotherapie der <strong>Ernst</strong>-<strong>Moritz</strong>-<strong>Arndt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Greifswald</strong> am<br />
HANSE-Klinikum Stralsund unter Leitung von Herrn PD Dr. med. Philipp Kuwert. Er<br />
betreute bereits das vorangegangene Projekt, in dem Langzeitfolgen einer Kindheit<br />
während des Zweiten Weltkrieges und der NS-Zeit evaluiert worden sind.<br />
Ziel dieser Arbeit war eine Untergruppe von Kriegskindern, minderjährige Soldaten,<br />
in Bezug auf posttraumatische Symptome, Lebensqualität und Kohärenzgefühl über<br />
60 Jahre nach dem Ende des Krieges zu untersuchen.<br />
Zur Analyse wurden aus einem umfangreichen Fragebogenpaket die deutsche<br />
Version der Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS), des SF-12- und SOC-<br />
Fragebogens sowie zwei offen gestellte Fragen zur Lösung der interessierenden<br />
Aufgabenstellung herangezogen.<br />
3.1.1 Studiendesign<br />
Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte über die lokalen Medien. In einem Artikel<br />
der „Ostsee-Zeitung“ (regionale Tageszeitung in Mecklenburg-Vorpommern) und<br />
verschiedenen Vertriebenenzeitschriften wurde die Untersuchung vorgestellt und um<br />
Teilnahme geworben.<br />
Der Aufruf richtete sich an Personen ab Jahrgang 1926, die als Kindersoldaten<br />
während des Zweiten Weltkrieges eingesetzt wurden und bereit waren, über ihre<br />
Erlebnisse zu berichten. Hierzu gehörten v.a. die ab 1943 klassenweise<br />
eingezogenen Luftwaffen- und Marinehelfer aber auch Angehörige der „Hitlerjugend“.<br />
Eine Traumatisierung war kein notwendiges Einschlusskriterium.<br />
49 | S eite
Material und Methodik<br />
All diejenigen, die Interesse an der Teilnahme hatten, waren aufgefordert, Kontakt zu<br />
den Projektmitarbeitern in Stralsund oder <strong>Greifswald</strong> herzustellen. Anschließend<br />
erfolgte die Zustellung eines Fragebogensatzes sowie eines frankierten Umschlages,<br />
mit der Bitte um anonymisierte Bearbeitung und Rücksendung. Das Anschreiben<br />
enthielt einleitende Informationen zum Inhalt und Zweck der Studie. Neben der<br />
modifizierten PDS, dem SF-12 und SOC umfasste das Fragebogenpaket weitere<br />
Erhebungsinstrumente 11 sowie vertiefende Fragen zum Einsatz im Zweiten Weltkrieg<br />
(einschließlich persönlicher Daten), Hilfen in der damaligen Belastungssituation und<br />
etwaigen positiven Aspekten. Die Instruktion zur Bearbeitung des Materials befand<br />
sich jeweils auf den standardisierten Instrumenten.<br />
3.1.2 Untersuchungsinstrumente<br />
Folgende Untersuchungsvariablen lassen sich, zusätzlich zu den zwei offen<br />
gestellten Fragen zu Ressourcen und positiven Seiten des Einsatzes, aus der<br />
allgemeinen Zielsetzung extrahieren:<br />
(1) das Vorliegen einer PTB<br />
(2) die heutige gesundheitsbezogene Lebensqualität<br />
(3) generelle Lebensorientierung/Kohärenzgefühl der Probanden<br />
Tabelle 5 beinhaltet die eben genannten Variablen und die zu ihrer Erhebung<br />
ausgewählten Instrumente. Diese werden anschließend ausführlicher erläutert.<br />
Tabelle 5: Operationalisierung der Variablen<br />
Variable Instrument<br />
Posttraumatische Belastungsstörung Posttraumatische Diagnoseskala: PDS<br />
gesundheitsbezogene Lebensqualität Fragebogen zum Allgemeinen Gesundheitszustand<br />
SF-12<br />
generelle<br />
Sense-of-coherence-Fragebogen<br />
Lebensorientierung/Kohärenzgefühl<br />
11 PPR (Fragebogen zur posttraumatischen persönlichen Reifung von Tedeschi & Calhoun, 1996, dt. Maercker &<br />
Langner, 2001), BSI-18 (Brief Symptom Inventory, eine Kurzform der SCL-90-R, zur Erfassung subjektiver<br />
Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome von L. R. Derogatis, dt. Version Franke, 2000),<br />
Fragebogen zur erlebten Wertschätzung von Maercker & Müller, 2000)<br />
50 | S eite
Material und Methodik<br />
Posttraumatische Diagnoseskala (PDS und modifizierte PDS)<br />
Bei der Posttraumatic Diagnostic Scale handelt es sich um ein<br />
Selbstbeurteilungsverfahren, das von Foa et al. (1997) entwickelt wurde. Es ist ein<br />
Screening-Instrument für die PTB, mit dem reliable und valide Informationen zu allen<br />
Symptomen und Kriterien der PTB nach DSM-IV, einschließlich des Vorliegens einer<br />
Traumatisierung erhoben werden können. Neben der Frage nach Art der<br />
traumatischen Erfahrung werden sowohl Reaktion der Betroffenen auf das Ereignis<br />
als auch das Vorliegen von durch die Störung verursachten Beeinträchtigungen in<br />
sozialen und beruflichen Funktionsbereichen erfasst. Zusätzlich zur Aussage<br />
darüber, ob eine PTB nach den DSM-VI-Kriterien vorliegt oder nicht, ist es durch<br />
gezielte Betrachtung der Symptomanzahl und Häufigkeit möglich, die<br />
Symptomschwere zu bestimmen (Foa et al., 1997).<br />
Eine deutsche Übersetzung der PDS erarbeiteten Ehlers und Kollegen (1996). Für<br />
die vorliegende Untersuchung ehemaliger deutscher Kindersoldaten in Hinblick auf<br />
das Vorhandensein einer PTB mehr als 60 Jahre nach dem Trauma wurde diese<br />
leicht modifiziert (mPDS, Anhang A). Da nur weit zurückliegende traumatische<br />
Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg und dessen Auswirkungen<br />
von Interesse waren, mussten Ergänzungen und Umformulierungen vorgenommen<br />
und einige Items an die spezielle Fragestellung und Stichprobe angepasst werden.<br />
Die Erfassung der Symptomausprägung, -schwere und -belastung erfolgte jedoch<br />
über dieselben Items. Der vierteilige Aufbau der englischsprachigen als auch der<br />
deutschen Version der PDS wurde beibehalten:<br />
Teil 1 – Trauma (Kriterium A1)<br />
Im ersten Teil der mPDS wird das traumatische Ereignis exploriert. Hier wurde im<br />
Gegensatz zur originalen Version, in der häufig auftretende belastende oder<br />
traumatische Ereignisse dargestellt werden, ein freies Antwortformat gewählt. Die<br />
Teilnehmer wurden qualitativ nach den vier schlimmsten Erlebnissen im Zweiten<br />
Weltkrieg gefragt. Auf das subjektiv am meisten belastende Ereignis sollen sich die<br />
weiteren Einschätzungen der Probanden beziehen.<br />
51 | S eite
Material und Methodik<br />
Teil 2 – Trauma (Kriterium A1 und A2)<br />
Teil 2 fordert die Angabe des Zeitpunkts des Ereignisses (in der mPDS wurde dafür<br />
die Angabe des Alters gefordert) und eine subjektive Einschätzung des Erlebnisses<br />
hinsichtlich körperlicher Verletzung und Lebensgefahr sowie währenddessen<br />
empfundener Hilflosigkeit und starker Angst oder Entsetzen. Die Beurteilung erfolgt<br />
mittels einer dichotomen Skala („Ja-Nein“).<br />
Teil 3 – Symptomatik und Verlauf (Kriterien B, C, D)<br />
Entsprechend der Originalversion erfasst die mPDS die PTB-Hauptsymptomgruppen:<br />
Intrusion (Kriterium B), Vermeidung und emotionale Taubheit (Kriterium C) sowie<br />
Übererregung (Kriterium D). Anhand von 17 Items werden Symptome der PTB<br />
erfragt, die vom Probanden bezüglich ihres Auftretens während des letzten Monats<br />
auf einer vierstufigen Skala von 0 (= überhaupt nicht oder nur einmal im Monat) bis 3<br />
(= fünfmal oder öfter pro Woche/fast immer) beurteilt werden. Tabelle 6 enthält die<br />
Anzahl der Items pro Hauptsymptomgruppe sowie je ein zugehöriges Beispiel-Item<br />
der mPDS (Ehlers et al., 2000).<br />
Tabelle 6: PTB-Hauptsymptomgruppen in der mPDS<br />
PTB-Hauptsymptomgruppen/PDS-<br />
Subskalen<br />
Anzahl der<br />
betreffenden Items<br />
Kriterium B (Wiedererleben) 5<br />
Kriterium C (Vermeidung) 7<br />
Kriterium D (Übererregung) 5<br />
Beispiel-Item aus der mPDS<br />
Haben Sie schlechte Träume oder<br />
Alpträume von dem Erlebnis?<br />
Können Sie sich an einen wichtigen<br />
Bestandteil des Erlebnisses nicht<br />
erinnern?<br />
Haben Sie Schwierigkeiten ein- oder<br />
durchzuschlafen?<br />
Zur Prüfung des Zeitkriteriums (Kriterium E) wird mit der mPDS das Andauern der<br />
Symptomatik bis zum individuellen Erhebungsdatum direkt erfragt und somit eine<br />
Differenzierung zwischen akuter und chronischer PTB möglich. Weiterhin kann –<br />
auch bei aktueller Beschwerdefreiheit – durch die Angabe des<br />
Genesungszeitpunktes festgestellt werden, ob eine zurückliegende Störung das<br />
Zeitkriterium erfüllt. Ebenfalls ist so der Verlauf einer remittierten PTB erfassbar.<br />
Durch Ermittlung der Zeitspanne zwischen Trauma und dem Auftreten von<br />
Symptomen wird das eventuelle Vorliegen einer verzögerten PTB eingeschätzt.<br />
52 | S eite
Material und Methodik<br />
Teil 4 – Klinische Bedeutsamkeit (Kriterium F)<br />
Inwieweit Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen (z.B. Familie,<br />
Freunde, Haushalt, allgemeine Leistungsfähigkeit) vorhanden sind, wird<br />
abschließend über neun dichotome Items erfasst.<br />
Für die Diagnose einer PTB mithilfe der mPDS gemäß den Kriterien des DSM-IV sind<br />
folgende Voraussetzungen zu erfüllen: Das Erleben einer körperlichen Verletzung<br />
oder das Ausgesetztsein einer Lebensgefahr (selbst/andere) und peritraumatisch das<br />
Gefühl absoluter Hilflosigkeit oder Angst (Traumakriterium A). Die 17 Items, die die<br />
Häufigkeit der drei Hauptsymptomgruppen der PTB erfassen, müssen mindestens<br />
mit 1 (Kodierung für einmal pro Woche oder seltener/manchmal) beantwortet worden<br />
sein – davon das Wiedererleben mindestens einmal, Vermeidungsverhalten<br />
mindestens dreimal und Übererregung mindestens zweimal. Wird zusätzlich die<br />
Beschwerdedauer mit mindestens einem Monat und die Beeinträchtigung in<br />
mindestens einem Lebensbereich angegeben, liegt eine klinisch relevante PTB vor<br />
(Foa et al., 1997).<br />
Der Originalversion der PDS konnte bei empirischen Prüfungen eine hohe Reliabilität<br />
und Validität nachgewiesen werden. Die interne Konsistenz (Cronbachs α) der 17<br />
Symptomitems (Gesamtwert) wurde mit 0,92 berechnet. Ebenso konnten<br />
Untersuchungen zu den Gütekriterien der deutschen Posttraumatischen<br />
Diagnoseskala diese als ein reliables und valides Instrument zur Erfassung der PTB<br />
bestätigen (Griesel, Wessa & Flor, 2006).<br />
SF-12-Fragebogen zum Gesundheitszustand<br />
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität kann als Selbstbericht von sozialen,<br />
psychischen, körperlichen und alltagsnahen Aspekten von Wohlbefinden und<br />
Funktionsfähigkeit verstanden werden (Bullinger, 2000). Zur Erfassung dient<br />
international in den Gesundheitswissenschaften ein krankheitsübergreifendes<br />
Messinstrument: der ursprünglich amerikanische SF-36 Health Survey, der acht<br />
Dimensionen erfasst, die sich konzeptuell in die Bereiche „körperliche Gesundheit“<br />
und „psychische Gesundheit“ einordnen lassen (Bullinger & Kirchberger, 1998). Die<br />
deutsche Übersetzung wurde von Bullinger und Kollegen erarbeitet (1995).<br />
53 | S eite
Material und Methodik<br />
Für die vorliegende Untersuchung wurde der SF-12 verwendet (Anhang B). Er<br />
bezeichnet eine ökonomische Kurzversion des SF-36 und ist aus den 12 Items<br />
aufgebaut, die 80 % der Präzision der 36-Item Version erbringen. Aufgrund dessen<br />
ist eine Reduzierung der Itemzahl ohne gravierenden Informationsverlust möglich<br />
(Radoschewski & Bellach, 1999).<br />
Jedes Item des Fragebogens thematisiert entweder selbst eine Skala bzw. stellt<br />
einen Teil einer Skala dar. Der Proband kann für jedes Item, die seinem Erleben am<br />
nächsten kommende Antwortmöglichkeit wählen. Dabei variieren diese zwischen<br />
einfach binären „Ja-Nein“ – Antworten bis hin zu sechsstufigen Antwortskalen. Als<br />
Betrachtungszeitraum wurden die vergangenen vier Wochen bestimmt. Tabelle 7<br />
zeigt die acht Dimensionen (Subskalen) der subjektiven Gesundheit mit den für den<br />
SF-12 zughörigen Itemzahlen sowie die Zuordnung zu den Summenskalen.<br />
Tabelle 7: Dimensionen des SF-12 und dazu gehörige Itemzahlen<br />
Dimension Items Summenskala<br />
allgemeine Gesundheitswahrnehmung 1<br />
körperliche Funktionsfähigkeit 2<br />
körperliche Rollenfunktion 2<br />
Schmerz 1<br />
emotionale Rollenfunktion 2<br />
psychisches Wohlbefinden 2<br />
Vitalität 1<br />
soziale Funktionsfähigkeit 1<br />
körperliche Summenskala<br />
psychische Summenskala<br />
Über gewichtete Indikatorvariablen, die aus den Antwortkategorien der Items gebildet<br />
werden, können durch Addition aus den 12 Items die Ausprägung der körperlichen<br />
und psychischen Summenskala berechnet werden. Zur Erleichterung dieses sehr<br />
komplexen Vorganges stehen für den Anwender Auswertungsroutinen (z.B. SPSS-<br />
Syntax) zur Verfügung.<br />
Psychometrische Analysen des SF-36 ergaben in der Normstichprobe für die<br />
Reliabilität eine interne Konsistenz (Cronbachs α) von maximal 0,94 (körperliche<br />
Funktionsskala) und minimal 0,74 (soziale Funktionsskala) sowie eine<br />
zufriedenstellende diskriminante Validität (Bullinger & Kirchberger, 1998).<br />
Der SF-12 wurde empirisch weniger umfassend untersucht. Werte aus der Literatur<br />
belegen jedoch Reliabilitäten für die körperliche Skala um 0,80 bzw. für die<br />
54 | S eite
Material und Methodik<br />
psychische Skala um 0,75 (Retestreliabilität), die somit gut bis befriedigend sind (z.B.<br />
Hurst, Ruta & Kind, 1998; Luo et al., 2003). Die Validität wurde ebenfalls in<br />
zahlreichen Studien belegt (z.B. Salyers et al., 2000; Ware, Kosinski & Keller, 1996).<br />
Sense-of-coherence-Fragebogen (Fragebogen zur Lebensorientierung)<br />
Die Langform des Sense-of-coherence-Fragebogens (SOC) mit 29 Items erfasst das<br />
Kohärenzgefühl als zentrales Konstrukt des Salutogenesemodells von Antonovsky<br />
(Antonovsky, 1997). Es ist definiert als „eine globale Orientierung, die das Maß<br />
ausdrückt, in dem man ein durchdringendes, andauerndes aber dynamisches Gefühl<br />
des Vertrauens hat, dass die eigene interne und externe Umwelt vorhersagbar ist<br />
und dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sich die Dinge so entwickeln,<br />
wie vernünftigerweise erwartet werden kann“ (Antonovsky, 1997, S.16).<br />
Die generelle Lebensorientierung, die über einen Gesamtscore erfasst wird, setzt<br />
sich nach Antonovsky aus drei zentralen Dimensionen zusammen: Verstehbarkeit,<br />
Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit.<br />
Von der ursprünglich englischsprachigen SOC-Skala von Antonovsky (1987)<br />
existieren mehrere deutsche Übersetzungen, von denen für die vorliegende<br />
Untersuchung die von Franke (1997) (Fragebogen zur Lebensorientierung)<br />
verwendet wurde (Anhang C).<br />
Für die psycholgische Diagnostik eignet sich der SOC-Fragebogen einerseits als<br />
Screening-Instrument zur Erkennung einer erhöhten allgemeinen Vulnerabilität,<br />
andererseits kann er zur Identifikation inhaltlich spezifischer Defizite und Potentiale<br />
beim Umgang mit belastenden Situationen und Ereignissen eingesetzt werden (Abel,<br />
Kohlmann & Noack, 2002).<br />
Jedes der 29 Items kann einer Subkomponente des SOC-Konstruktes zugeordnet<br />
werden: die Skala „Verstehbarkeit“ umfasst dabei elf, die Skala „Handhabbarkeit“<br />
zehn und die Skala „Sinnhaftigkeit“ acht Items. Während einige Items teilweise als<br />
Fragen formuliert sind, stellen andere unvollendete Sätze dar, die mithilfe einer<br />
Antwortskala durch den Probanden zu ergänzen sind. Die Antworten müssen für alle<br />
Items auf einer siebenstufigen Ratingskala vorgenommen werden, wobei die<br />
Bezeichnungen der Pole der Antwortskala in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />
Itemformulierung variieren. Die Endpunkte sind dabei entweder als qualitative (z.B.<br />
55 | S eite
Material und Methodik<br />
„ausgesprochen interessant“ bis „reine Routine“) oder quantitative (z.B. „sehr oft“ bis<br />
„sehr selten oder nie“) Aussage (Häufigkeitsangabe) definiert.<br />
Der SOC-Gesamtwert wird durch Addition aller Skalenwerte ermittelt, wobei jedoch<br />
die Polung der Antworten berücksichtigt werden muss. Weiterhin können Werte für<br />
die Subkomponenten des SOC durch Summation der zugehörigen Skalenwerte<br />
errechnet werden.<br />
Empirische Studien ergaben für die Gesamtskala SOC-29 größtenteils gute bis sehr<br />
gute interne Konsistenzen (Cronbachs α = 0,85 und höher) (Franke, 1997). Ebenso<br />
wurde die Retestreliabilität der Gesamtskala als sehr gut eingestuft. Gut bis<br />
zufriedenstellend waren auch die Reliabilitätskennwerte für die einzelnen Subskalen<br />
des SOC-29 (z.B. Frenz, Carey & Jorgensen, 1993; Abel, Kohlmann & Noack, 2002;<br />
Singer & Brähler, 2007).<br />
Während die Zuverlässigkeit der SOC-Skalen somit insgesamt als gut bis sehr gut<br />
gilt, muss die faktorielle Validität der Skalen kritisch betrachtet werden. Bisherige<br />
Untersuchungen, die von Antonovsky postulierten drei Komponenten des SOC<br />
(Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit) faktorenanalytisch zu<br />
reproduzieren, waren nicht zufriedenstellend (Schumacher et al., 2000). Allerdings<br />
steht diese unbefriedigende Reproduzierbarkeit der dreidimensionalen Struktur der<br />
SOC-Skala nicht im Widerspruch zu Antonovskys eigenen Überlegungen, der davon<br />
ausging, dass die drei Komponenten unauflösbar miteinander verflochten sind<br />
(Antonovsky, 1997). Empfohlen wird daher die Verwendung eines SOC-<br />
Gesamtskalenwertes (Singer & Brähler, 2007, S.21).<br />
Die deutsche Version des SOC-Fragebogens wurde in einer<br />
bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe mit befriedigenden bis guten Ergebnissen<br />
teststatisch überprüft (Schumacher et al., 2000).<br />
3.2 Methoden der Datenauswertung<br />
Die statistische Auswertung der erhobenen Daten erfolgte mit dem Programm<br />
Statistical Package for the Social Sciences, SPSS für Windows in der Version 11.5.<br />
Aus Ermangelung einer adäquaten Kontrollgruppe wurden die quantitativen Daten<br />
des SF-12 und des SOC mithilfe des Einstichproben-t-Tests analysiert. Mit dem t-<br />
Test für eine Stichprobe kann der Stichprobenmittelwert mit einem vorher<br />
56 | S eite
Material und Methodik<br />
festgelegten Mittelwert verglichen werden. Die Vergleichswerte wurden dabei aus<br />
den entsprechenden Publikationen (Bullinger & Kirchberger, 1998; Schumacher, et<br />
al., 2000) entnommen. Als Signifikanzniveau wurde ein p
Material und Methodik<br />
� Familienstand<br />
Zum Studienzeitpunkt war der überwiegende Teil (n = 82; 79,6 %) verheiratet.<br />
19 Teilnehmer waren verwitwet (18,4 %) und jeweils ein Teilnehmer<br />
geschieden/getrennt lebend (1 %) oder ledig (1 %).<br />
� Schulbildung und Berufsabschluss<br />
Als höchsten Schulabschluss gaben 40 Teilnehmer das Fachabitur/Abitur<br />
(38,8 %), 22 die Mittlere Reife (21,4 %) und 18 die Volksschule (17,5 %) an.<br />
Keinen Schulabschluss hatten 8 Probanden (7,8 %).<br />
sonstiges<br />
Fachabitur/Abitur<br />
Mittlere Reife<br />
Volksschule<br />
kein Abschluss<br />
Abbildung 6: Höchster Schulabschluss<br />
Schulbildung<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45<br />
(Anzahl der Teilnehmer)<br />
61,2 % (n = 63) besaßen einen Hochschulabschluss, 28,2 % (n = 29) gingen<br />
vor der Berentung einem Ausbildungsberuf (Lehre/Fachschule oder Meister)<br />
nach und 2,9 % (n = 3) hatten keinen Berufsabschluss.<br />
sonstiges<br />
ohne Berufsabschluss<br />
Fachhochschule/<strong>Universität</strong><br />
Meister<br />
Lehre/Fachschule<br />
Abbildung 7: Höchster Berufsabschluss<br />
Berufsabschluss<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
(Anzahl der Teilnehmer)<br />
58 | S eite
Material und Methodik<br />
� Funktion im Zweiten Weltkrieg<br />
49 Teilnehmer waren als Luftwaffenhelfer, 8 als Marinehelfer und 3 als<br />
Nachrichtenhelfer im Einsatz. Sonstige Funktionen (z.B. minderjährige<br />
Angehörige des Volksturms) übten 43 Probanden aus.<br />
41,7<br />
Funktion im Kriegseinsatz<br />
2,9<br />
7,8<br />
47,6<br />
Abbildung 8: Funktion der Studienteilnehmer im Kriegseinsatz<br />
Luftwaffenhelfer<br />
Marinehelfer<br />
Nachrichtenhelfer<br />
sonstige Funktion<br />
� HJ-Mitgliedschaft<br />
Eine damalige Mitgliedschaft in der „Hitlerjugend“ wurde von 92,2 % (n = 95)<br />
der Befragten angegeben.<br />
� Einsatzdauer im Zweiten Weltkrieg<br />
Die Einsatzdauer im Zweiten Weltkrieg wurde durchschnittlich mit 11,8<br />
Monaten angegeben (SD = 10,3).<br />
� Alter zu Beginn des Einsatzes<br />
Das Alter der Studienteilnehmer zu Beginn des Kriegseinsatzes reichte von<br />
9 – 17 Jahren, durchschnittlich betrug es 15,6 Jahre (Median 16,0; SD = 1,2).<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Alter zu Einsatzbeginn<br />
(Angaben in Prozent)<br />
9 11 14 15 16 17<br />
Abbildung 9: Alter und Anzahl der Probanden zu Beginn des Einsatzes<br />
59 | S eite
Material und Methodik<br />
� Grund des Einsatzendes<br />
Als Grund für das Ende des Kriegseinsatzes nannten 12 Teilnehmer die<br />
eigene Verwundung, 22 das Kriegsende, 52 Gefangenschaft und 17 sonstige<br />
Gründe (z.B. Entlassung).<br />
sonstige Gründe<br />
Kriegsende<br />
Verletzung<br />
Gefangenschaft<br />
Grund des Einsatzendes<br />
11,7<br />
16,5<br />
21,4<br />
50,5<br />
0 10 20 30 40 50 60<br />
Abbildung 10: Gründe für das Einsatzende im Zweiten Weltkrieg<br />
� Gefangenschaft<br />
Wurde von den Studienteilnehmern eine Kriegsgefangenschaft angegeben, so<br />
reichte deren Länge von einem Monat bis zu fünf Jahren und vier Monaten.<br />
Die durchschnittliche Gefangenschaftsdauer betrug 20,6 Monate (SD = 21,5).<br />
21 Probanden gerieten in englische, 25 in amerikanische und 32 Probanden in<br />
russische Kriegsgefangenschaft. Von einer Gefangenschaft verschont blieben<br />
23 Teilnehmer. 2 Befragte machten keine Angaben.<br />
Studienteilnehmer in russischer Gefangenschaft waren mit durchschnittlich<br />
37,5 Monaten am längsten inhaftiert.<br />
russische<br />
englische<br />
amerikanische<br />
durchschnittliche Gefangenschaftsdauer in Monaten<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Abbildung 11: Durchschnittliche Dauer der Kriegsgefangenschaft<br />
(Angaben in Prozent)<br />
60 | S eite
3.3.2 Vergleichsstichprobe<br />
Material und Methodik<br />
Zur Ermittelung möglicher Unterschiede in Bezug auf die gesundheitsbezogene<br />
Lebensqualität und das Kohärenzgefühl zwischen ehemaligen deutschen<br />
Kindersoldaten und der „Normalbevölkerung“ (Fragestellung II) werden die<br />
entsprechenden Werte des SF-12 bzw. des SOC-Fragebogens mit den erhobenen<br />
Daten verglichen. Die Referenzwerte der „gesunden Bevölkerung“ entstammen<br />
1) einer Normierungsstichprobe des SOC von Schumacher, Wilz, Gunzelmann &<br />
Brähler (2000). Die gesamte repräsentative Untersuchungsstichprobe (im<br />
Rahmen einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung im<br />
November/Dezember 1998) umfasste 2005 Personen im Alter von 18 bis 92<br />
Jahren. Für den Vergleich in der vorliegenden Untersuchung wurden die<br />
Normwerte für den Altersbereich „älter als 60 Jahre“ herangezogen. Zu dieser<br />
altersentsprechenden Normstichprobe zählen 630 Personen, davon 351<br />
weibliche und 279 männliche Teilnehmer.<br />
2) einer Normierungsstichprobe des SF-36 (aus denen die Werte für den SF-12<br />
berechnet wurden) von Bullinger & Kirchberger (1998), die insgesamt 2914<br />
Personen ab 14 Jahren umfasste. Zum Vergleich mit den erhobenen Daten<br />
dienten die Werte der körperlichen und psychischen Summenskala des SF-12<br />
in der Alterskategorie „älter als 70 Jahre“, zu der 317 Personen zählten.<br />
61 | S eite
4. Ergebnisse<br />
Ergebnisse<br />
Das folgende Kapitel dient der Präsentation der Ergebnisse der Untersuchung. Die<br />
Darstellung orientiert sich dabei an der unter Kap. 2.7 genannten allgemeinen<br />
Fragestellung.<br />
4.1 Ergebnisse der Auswertung der mPDS<br />
Kriegstraumata ehemaliger deutscher Kindersoldaten<br />
Durchschnittlich nannten die Probanden 2,5 belastende Ereignisse aus der Zeit des<br />
Zweiten Weltkrieges. Insgesamt wurden 254 potentielle Traumata geschildert.<br />
Zur quantitativen Erfassung wurden die erhobenen Narrative in acht Kategorien<br />
differenziert. Tabelle 8 zeigt die acht Kategorien belastender Kriegserfahrungen<br />
sowie deren Häufigkeit. Weiterhin gibt sie die von den Teilnehmern am „schlimmsten“<br />
empfundenen Erlebnisse wider. Mehrfachnennungen waren möglich.<br />
Tabelle 8: Belastende Kriegserlebnisse ehemaliger deutscher Kindersoldaten<br />
Kategorien alle berichteten Erlebnisse 1<br />
schlimmstes Erlebnis<br />
(N = 103)<br />
2<br />
(N = 99)<br />
N % 3<br />
N % 3<br />
Frontkontakt 4<br />
93 90,3 42 40,8<br />
traumatische Erlebnisse als<br />
Kriegsgefangener<br />
44 42,7 16 15,5<br />
Miterleben des Sterbens anderer 39 37,9 19 18,4<br />
traumatische Erlebnisse auf der<br />
Flucht<br />
18 17,5 4 3,9<br />
eigene Verwundung 16 15,5 7 6,8<br />
Miterleben von NS-Kriegsverbrechen 12 11,7 6 5,8<br />
Trennung von der Familie 7 6,8 2 1,9<br />
sonstige Erlebnisse<br />
Anmerkungen:<br />
25 24,3 3 2,9<br />
1<br />
jede Person war aufgefordert, die vier schlimmsten Erlebnisse während der Kriegszeit zu nennen<br />
2<br />
geringerer Stichprobenumfang aufgrund fehlender Beantwortung des Items durch vier Teilnehmer<br />
3<br />
die Prozentangaben beziehen sich auf die gesamte Untersuchungsstichprobe (N = 103)<br />
4<br />
30 Studienteilnehmer (29,1 %) nannten mehr als ein traumatisches Erlebnis in der Kategorie<br />
„Frontkontakt“<br />
Die am häufigsten berichteten Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges waren<br />
der direkte Fronteinsatz (90,3 %), traumatische Ereignisse als Kriegsgefangener<br />
(42,7 %) wie z.B. Hunger, Krankheiten und Folter sowie das Miterleben des Sterbens<br />
62 | S eite
Ergebnisse<br />
anderer, zumeist von Kameraden (37,9 %). Weiterhin schilderten 17,5 % der<br />
Teilnehmer Traumata während der Flucht. Ebenfalls wurden die eigene Verwundung<br />
(15,5 %) und das Miterleben von NS-Kriegsverbrechen (11,7 %) wie z.B.<br />
Gefangenenerschießungen von den Probanden genannt.<br />
sonstige Erlebnisse<br />
Trennung von der Familie<br />
Miterleben von NS-Kriegsverbrechen<br />
eigene Verwundung<br />
traumatische Erlebnisse auf der Flucht<br />
Miterleben vom Sterben anderer<br />
traumatische Erlebnisse als Kriegsgefangener<br />
Frontkontakt<br />
Abbildung 12: Alle Kriegserlebnisse<br />
alle berichteten Kriegserlebnisse<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Als schlimmstes Ereignis bewerteten 40,8 % der Befragten den direkten<br />
Kampfeinsatz an der Front. 19 Personen (18,4 %) gaben den Tod von Freunden<br />
oder Kameraden als am meisten belastend an. Für 15,5 % stellte die Zeit der<br />
Kriegsgefangenschaft die schlimmste Erfahrung dar. Die eigene Verwundung,<br />
teilweise mit lebenslangen körperlichen Folgen für die Gesundheit (z.B. durch<br />
Amputation von Extremitäten), wurde von 7 Teilnehmern am schlimmsten<br />
empfunden. Die Kategorie „sonstige Erlebnisse“ beinhaltet viele unterschiedliche<br />
Erinnerungen z.B. an Vergewaltigungen/Morde durch Besatzungsmächte oder<br />
Verurteilungen wegen Fahnenflucht.<br />
sonstige Erlebnisse<br />
Trennung von der Familie<br />
traumatische Erlebnisse auf der Flucht<br />
Miterleben von NS-Kriegsverbrechen<br />
eigene Verwundung<br />
traumatische Erlebnisse als Kriegsgefangener<br />
Miterleben vom Sterben anderer<br />
Frontkontakt<br />
Abbildung 13: Schlimmstes Kriegserlebnis<br />
schlimmstes Kriegserlebnis<br />
(Angaben in Prozent)<br />
(Angaben in Prozent)<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45<br />
63 | S eite
Ergebnisse<br />
Alter der Probanden zum Zeitpunkt des schlimmsten Kriegserlebnis<br />
Das durchschnittliche Alter der Probanden zum Zeitpunkt des schlimmsten<br />
Kriegserlebnisses betrug 16,3 Jahre (SD = 1,5).<br />
PTB-Prävalenz bei ehemaligen deutschen Kindersoldaten<br />
Aussagen über das Vorliegen oder die Abwesenheit einer PTB nach DSM-IV können<br />
durch die weiterführende Analyse der gesamten PDS getroffen werden. Die<br />
Untersuchungsergebnisse sind in Tabelle 9 dargestellt.<br />
Tabelle 9: PTB ehemaliger deutscher Kindersoldaten nach mPDS<br />
Vorliegen einer vollständigen PTB-Symptomatik PTB keine PTB<br />
NPTB+ % NPTB- %<br />
jemals nach dem Krieg 7 6,8 96 93,2<br />
gegenwärtig (über 60 Jahre später) 2 1,9 101 98,1<br />
in der Vergangenheit 5 4,9<br />
Anmerkungen:<br />
PTB- Personen ohne PTB-Symptomatik, „PTB-negativ“<br />
PTB+ Personen mit PTB-Symptomatik, „PTB-positiv“<br />
Mithilfe der mPDS ließ sich folgender Befund erheben: In der Zeit vom Kriegsende<br />
bis zur Untersuchung lieferten fünf Probanden Hinweise für das Vorliegen einer PTB<br />
nach den DSM-IV-Kriterien. Zusätzlich litten zwei Studienteilnehmer (1,9 %) zum<br />
Zeitpunkt der Untersuchung, d.h. über 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges, unter signifikanten PTB-Symptomen. Bei 93,2 % der Personen lagen<br />
nach eigenen Angaben zu keiner Zeit psychische Beschwerden in Art und Ausmaß<br />
vor, dass eine vollständige PTB nachweisbar gewesen wäre.<br />
4.2 Ergebnisse der Auswertung des SF-12<br />
Hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität – gemessen mit dem SF-12 –<br />
bestanden weder für die körperliche noch bezüglich der psychischen Summenskala<br />
signifikante Unterschiede im Vergleich zu einer altersentsprechenden<br />
Vergleichsgruppe.<br />
64 | S eite
Ergebnisse<br />
4.3 Ergebnisse der Auswertung des SOC-Fragebogens<br />
Neben der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erfolgte in der vorliegenden Arbeit<br />
auch die Analyse potentieller Unterschiede in der Ausprägung des SOC zwischen<br />
der Untersuchungsgruppe und der allgemeinen deutschen Bevölkerung im<br />
entsprechenden Altersbereich. Unter Anwendung des t-Tests für eine Stichprobe<br />
wurden die Skalenwerte des SOC der Untersuchungsstichprobe (N = 103) mit den<br />
Werten der Normierungsstichprobe für das Alter zwischen 61 und 92 Jahren (N =<br />
630; Werte nach Schumacher et al., 2000) verglichen (s. Tab. 10).<br />
Tabelle 10: Vergleich des SOC zwischen ehemaligen deutschen Kindersoldaten und einer<br />
repräsentativen Bevölkerungsstichprobe<br />
Untersuchungsstichprobe altersentsprechende<br />
Bevölkerungsstichprobe<br />
M SD M SD t p *<br />
SOC<br />
(Gesamtskala)<br />
155,2 22,9 142,1 25,1 5,58 0,000<br />
Verstehbarkeit 57,0 9,5 52,8 9,9 4,294 0,000<br />
Handhabbarkeit 53,0 8,8 49,3 9,3 4,154 0,000<br />
Sinnhaftigkeit 45,2 7,1 40,1 8,5 6,920 0,000<br />
*<br />
nach Bonferroni-Korrektur ist p ≤ 0,125 signifikant<br />
Die grafische Darstellung der Skalenmittelwerte und die Signifikanz ihrer Differenzen<br />
können dem anschließenden Diagramm (Abb. 15) entnommen werden.<br />
Skalenmittelwert<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
142,1<br />
155,2<br />
52,8<br />
57,0<br />
Abbildung 14: Kohärenzgefühl ehemaliger deutscher Kindersoldaten im Vergleich zur<br />
altersentsprechenden Bevölkerungsstichprobe (nach Schumacher et al., 2000)<br />
49,3<br />
53,0<br />
40,1<br />
45,2<br />
Normierungsstichprobe<br />
Untersuchungsstichprobe<br />
65 | S eite
Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass die Untersuchungsstichprobe hochsignifikant höhere<br />
Werte für die Gesamtskala und für sämtliche Subskalen als die altersentsprechende<br />
Vergleichsstichprobe erreichte.<br />
4.4 Auswertung der offen gestellten Fragen<br />
Neben zuvor genannten Messinstrumenten beinhaltete die Untersuchung Fragen zu<br />
damaligen Hilfen in der Belastungssituation und möglichen positiven Aspekten des<br />
Kriegseinsatzes, deren Ergebnisse nachfolgend dargestellt sind.<br />
Mehrfachnennungen waren möglich.<br />
Hilfen in der damaligen Belastungssituation<br />
Tabelle 11 zeigt die zu Kategorien zusammengefassten Antworten der Betroffenen<br />
sowie deren Häufigkeiten auf die Frage „Was hat damals geholfen, die Zeit als<br />
minderjähriger Soldat zu überstehen?“.<br />
Tabelle 11: Hilfen in der Zeit als minderjähriger Soldat<br />
Hilfen in der damaligen Zeit n % **<br />
Glaube an den Sieg 35 25<br />
Kameradschaft, Freundschaft 33 23,6<br />
Hoffen auf das Kriegsende 30 21,4<br />
Beziehung zu den Eltern 15 10,7<br />
Religion 10 7,1<br />
Unterstützung durch Vorgesetzte 6 4,3<br />
Sonstiges*<br />
11 7,9<br />
*Glück, Humor, Gleichgültigkeit, Zufall, körperliche Fitness, eigene Erlebnisse niedergeschrieben<br />
** bezogen auf die Gesamtzahl der Antworten (n = 140)<br />
Am meisten wurde von den Teilnehmern der „Glaube an den Sieg“ (25 %) bezüglich<br />
der Frage nach Hilfen in der damaligen Situation genannt. Auch<br />
„Kameradschaft/Freundschaft“ (23,6 %) sowie das „Hoffen auf das Kriegsende“<br />
(21,4 %) waren häufige Antworten der ehemaligen minderjährigen Soldaten. Wichtige<br />
Hilfen für einige Betroffene waren ebenso die „Beziehung zu den Eltern“, „Religion“<br />
und „Unterstützung durch Vorgesetzte“.<br />
66 | S eite
Ergebnisse<br />
Positive Aspekte des Kriegseinsatzes<br />
Die von den ehemaligen minderjährigen Soldaten genannten positiven Seiten ihres<br />
damaligen Kriegseinsatzes sind in Tabelle 12 dargestellt.<br />
Tabelle 12: Positive Aspekte des Kriegseinsatzes<br />
positive Aspekte des Einsatzes n % **<br />
Lebenserfahrung sammeln 24 21,6<br />
Selbstständigkeit/Verantwortung 22 19,8<br />
Erlernen von Disziplin 19 17,1<br />
gutes Verhältnis in der Gruppe bzw. zu Vorgesetzten 19 17,1<br />
durch den Krieg pazifistische Grundhaltung entwickelt 14 12,6<br />
Anerkennung, in der Erwachsenenrolle zu sein 7 6,3<br />
Sonstiges *<br />
6 5,4<br />
* Schulausfall, gesicherte Ernährung, Kennenlernen von Militärtechnik, Freiheit genossen,<br />
Englischkenntnisse in der Kriegsgefangenschaft erworben<br />
** bezogen auf die Gesamtzahl der Antworten (n = 111)<br />
Als positiven Aspekt des damaligen Kriegseinsatzes berichteten die<br />
Studienteilnehmer am häufigsten das „Sammeln von Lebenserfahrung“ (21,6 %), das<br />
„Erlernen von Selbstständigkeit/Verantwortung“ (19,8 %) bzw. „Disziplin“ (17,1 %)<br />
sowie das „gute Verhältnis zu Kameraden und Vorgesetzten“ (17,1 %). 12,6 % der<br />
Befragten gaben an, durch den Krieg eine pazifistische Grundhaltung entwickelt zu<br />
haben.<br />
67 | S eite
5. Diskussion<br />
Diskussion<br />
In den vergangenen sechs Jahrzehnten, die zwischen dem Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges und der heutigen Zeit liegen, wurde einer besonderen Gruppe von<br />
Kriegsteilnehmern, den damaligen deutschen Kindersoldaten, nur wenig Beachtung<br />
geschenkt. Zwar gibt es eine Vielzahl von Zeitzeugen-Berichten, eine ausreichende<br />
Auseinandersetzung mit dem kollektiven Trauma jener Jahrgänge versäumte man<br />
jedoch im Rahmen wissenschaftlicher Forschung oder in der Öffentlichkeit bis vor<br />
wenigen Jahren. Inzwischen hat sich jedoch ein Wandel vollzogen, so dass dem<br />
Thema der Kriegstraumatisierung aktuell mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.<br />
Mit dem Anliegen, einen Beitrag zu Kenntnissen über die tiefgreifenden und<br />
weitreichenden Folgen eines Einsatzes als minderjähriger Soldat zu leisten, wurde<br />
die vorliegende Untersuchung durchgeführt. Ziel war es, traumatische Erlebnisse,<br />
gegenwärtige posttraumatische Belastungssymptome, Lebensqualität und<br />
Kohärenzgefühl ehemaliger deutscher Kindersoldaten im Zweiten Weltkrieg zu<br />
dokumentieren. Darüber hinaus dienten zwei offen formulierte Fragen der Erfassung<br />
möglicher unterstützender und positiver Aspekte in der damaligen<br />
Belastungssituation.<br />
Der nachfolgende Abschnitt stellt die Zusammenfassung und Interpretation der<br />
Ergebnisse dar. Zunächst sollen jedoch methodenkritische Einschränkungen erörtert<br />
werden, die unter Umständen die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse<br />
einschränken und für die Betrachtung der erhobenen Befunde bedeutsam sein<br />
können. Anschließend folgt die Diskussion der Ergebnisse.<br />
5.1 Methodische Probleme<br />
5.1.1 Repräsentativität der Stichprobe<br />
Wesentlich für die Übertragung von Untersuchungsergebnissen einer untersuchten<br />
Teilmenge auf eine Grundgesamtheit ist deren Repräsentativität. Daher sollte eine<br />
Stichprobe die Merkmale einer Grundgesamtheit möglichst gut widerspiegeln. Dies<br />
ist u.a. abhängig von der Art der Rekrutierung.<br />
68 | S eite
Diskussion<br />
Die Teilnehmer für die vorliegende Arbeit wurden über einen Artikel in einer<br />
Regionalzeitung in Mecklenburg-Vorpommern sowie über verschiedene<br />
Vertriebenenzeitungen gewonnen. Folgende Überlegungen führen zu der Annahme,<br />
dass es sich bei der Untersuchungsstichprobe um einen hoch selegierten<br />
Teilnehmerkreis handelt:<br />
(1) Die Information über die Untersuchung müssen die Personen der<br />
interessierenden Population (ehemalige deutsche Kindersoldaten) erreichen.<br />
(2) Für die Teilnahme musste eine genügend große Motivation vorliegen, um das<br />
Fragebogenpaket aktiv anzufordern.<br />
(3) Es ist andererseits jedoch auch möglich, dass Personen, die, obwohl sie das<br />
entsprechende Kriterium erfüllten, sich nicht angesprochen fühlten. Ein Grund<br />
hierfür könnte z.B. bei wenig belasteten Betroffenen eventuell eine geringe<br />
Motivation zur Studienteilnahme sein.<br />
Die Bagatellisierung des persönlich Erlebten („Es ging ja allen so.“), so dass einige<br />
ihr Heranreifen als vom Kriegsgeschehen unbeeinträchtigt empfanden, könnte<br />
ebenfalls eine Nicht-Teilnahme erklären. Im Abschnitt 2.4 und 2.5 sind multiple<br />
Variablen erläutert, die möglicherweise zur Entstehung und Aufrechterhaltung dieser<br />
Einstellungen während und nach dem Krieg, zum Teil bis heute, beigetragen haben.<br />
Weiterhin ist aus der psychotraumatologischen Forschung bekannt, dass massiv<br />
traumatisierte Individuen die Teilnahme an wissenschaftlichen Studien häufig<br />
vermeiden, um eine erneute Konfrontation mit dem belastenden Ereignis zu<br />
umgehen (Newman & Kaloupek, 2004).<br />
(4) Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass ehemalige deutsche Kindersoldaten, die<br />
zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Aufrufs unter einer kriegsbedingten PTB<br />
litten, die Teilnahme an der Studie aufgrund einer traumaspezifischen Abwehr<br />
scheuten.<br />
Darausfolgend wäre die PTB-Prävalenz unterschätzt und zudem weitere schwer<br />
traumatisierende Kriegserlebnisse nicht erfasst worden.<br />
Zusammenfassend bleibt also ungewiss, ob die vorliegende Stichprobe unter<br />
psychosozialen Gesichtspunkten besonders „krank“ oder „gesund“ ist.<br />
Insgesamt forderten dennoch 159 Personen das Fragebogenpaket an. 65 %<br />
schickten es ausgefüllt zurück.<br />
69 | S eite
Diskussion<br />
(5) Von den übrigen sich anfangs zur Teilnahme bereit erklärten Personen kann<br />
angenommen werden, dass sie aufgrund der Befragungsmethode, des Umfangs,<br />
des Inhalts (z.B. Abbruch der Beantwortung der Fragen, da diese mit einem<br />
Wiedererleben des verursachenden Ereignisses verbunden waren oder aber die<br />
individuellen Kompetenzen überstiegen) und/oder des Zeitaufwands die<br />
Fragebögen nicht bearbeiteten noch zurücksandten.<br />
Ein letzter wesentlicher Faktor, der bei der Ergebnisauswertung und Interpretation<br />
berücksichtigt werden sollte, steht in Zusammenhang mit dem Alter der Probanden.<br />
Zum Erhebungszeitpunkt der Studie waren die Teilnehmer zwischen 72 und 81 Jahre<br />
alt. Viele der ehemaligen deutschen Kindersoldaten haben dieses Alter aufgrund von<br />
Erkrankungen, Unfällen oder anderen Schicksalsschlägen, die nicht unbedingt mit<br />
dem Kriegsgeschehen in Verbindung stehen müssen, in deren Folge es unter<br />
Umständen aber zu einem frühzeitigen Tod kam, nicht erreicht.<br />
(6) Im Hinblick auf die allgemeine Fragestellung der vorliegenden Untersuchung sei<br />
aber darauf verwiesen, dass die PTB sowie andere posttraumatische oder<br />
komorbide Störungen mit einer erhöhten Mortalität verbunden sind (s.Kap. 2.2.3)<br />
(Mollica et al., 2001).<br />
Folglich konnten nur ehemalige deutsche Kindersoldaten an der Untersuchung<br />
teilnehmen, die bis zu deren Durchführung überlebten. Auch diese Tatsache<br />
beeinflusst die Selektivität der Stichprobe.<br />
Grundsätzlich ist durch die Art der Rekrutierung, die Selbstselektion der Probanden<br />
und die potentiell erhöhte Mortalität denkbar, dass die Untersuchungsstichprobe für<br />
die Gesamtpopulation der ehemaligen deutschen Kindersoldaten nicht repräsentativ<br />
ist. Somit können Ergebnisse in die eine oder andere Richtung (zu hoch oder zu<br />
niedrig) verzerrt worden sein und die erhobenen Befunde nicht die tatsächliche<br />
Situation der Kindersoldaten abbilden.<br />
5.1.2 Geringer Stichprobenumfang<br />
Ferner ist die Präzision der Aussagen über eine Grundgesamtheit abhängig von der<br />
Größe der untersuchten Stichprobe. Generell führen größere Stichproben zu<br />
genaueren Ergebnissen als kleinere (Bortz, 2005, S.125). Zudem verringert sich bei<br />
verminderter Gruppengröße die Stärke eines Tests und die Wahrscheinlichkeit, auch<br />
70 | S eite
Diskussion<br />
kleine Effekte zu entdecken, sinkt (Westermann, 2000). Es ist daher möglich, dass<br />
die 103 Personen umfassende Stichprobe dieser Untersuchung nicht ausreichend<br />
war, um exakte, sichere Aussagen und auch kleinere bestehende Unterschiede<br />
auszumachen.<br />
5.1.3 Fehlen einer adäquaten Vergleichsstichprobe<br />
Um die gesundheitsbezogene Lebensqualität sowie das Kohärenzgefühl ehemaliger<br />
deutscher Kindersoldaten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zu bewerten,<br />
wurden die altersentsprechenden Normwerte aus den jeweiligen Publikationen 12<br />
herangezogen. Eine exakte Parallelisierung bezüglich Alter, Geschlecht und<br />
soziodemographischen bzw. -ökonomischen Aspekten (z.B. Wohnort, Ost-/<br />
Westdeutschland, Beruf) war nicht möglich.<br />
Problematisch muss die Tatsache bewertet werden, dass die altersentsprechenden<br />
Referenzgruppen ebenfalls ehemalige vom Krieg betroffene Personen einschlossen.<br />
Um dieses Problem zu umgehen, wäre z.B. eine Kontrollgruppe anderen Alters oder<br />
eines anderen Landes, deren Bevölkerung nicht vom Krieg betroffen war, denkbar.<br />
Allerdings würde dies die Qualität der Ergebnisse ebenfalls, jedoch in anderer Weise,<br />
mindern.<br />
Wichtig ist, diese Einschränkungen bei der Interpretation der Befunde hinsichtlich der<br />
Unterschiede zwischen untersuchter Stichprobe und gleichaltriger Normstichprobe zu<br />
berücksichtigen. Weiterhin sollte bedacht werden, dass auch traumatisierte<br />
Kindersoldaten in der Kontrollgruppe eingeschlossen sein können, deren Anteil<br />
jedoch nicht bekannt ist.<br />
5.1.4 Retrospektivität<br />
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine retrospektive Untersuchung, in<br />
der die ehemaligen deutschen Kindersoldaten aufgefordert waren, sich an<br />
Ereignisse, die mehr als sechs Jahrzehnte zurücklagen, zu erinnern. Zu beachten ist<br />
aber, dass Retrospektivität immer die Gefahr einer Ungenauigkeit birgt. Zwar sind<br />
12<br />
Normwerte für den SF-12-Fragebogen aus Bullinger & Kirchberger, 1998; Normwerte für den SOC-<br />
Fragebogen aus Schumacher, Wilz, Gunzelmann & Brähler, 2000<br />
71 | S eite
Diskussion<br />
Erinnerungen an traumatische Erlebnisse, vor allem wenn sie von einer emotionalen<br />
Komponente begleitet werden, in der Regel bemerkenswert genau und dauerhaft,<br />
jedoch auch wandelbar (Pohl, 2007, S.76). So stellt das autobiografische<br />
Gedächtnis, im Gegensatz zu einem digitalen Datenträger, kein starres, sondern ein<br />
sich unter dem Einfluss späterer Erfahrungen teilweise veränderbares,<br />
rekonstruierend arbeitendes Speichermedium dar. Ebenso können<br />
Erinnerungsverzerrungen durch die gegenwärtige Befindlichkeit entstehen. In diesem<br />
Kontext sei auch auf die Besonderheiten des Trauma-Gedächtnisses hingewiesen<br />
(vgl. Ehlers & Clark, 2000, A cognitive model of posttraumatic stress disorder).<br />
In Bezug auf die vorliegende Untersuchung können Erinnerungseffekte<br />
beispielsweise Merkmale oder das Alter beim Erleben der traumatischen Situation,<br />
den Zeitpunkt des Auftretens oder die Dauer der posttraumatischen Symptome<br />
betreffen.<br />
Die Authentizität der Selbstbeschreibungen für die damalige Situation der<br />
minderjährigen Soldaten kann daher keinesfalls als vollständig gesichert<br />
angenommen werden.<br />
5.1.5 Querschnittsdesign<br />
Auch das reine Querschnittsdesign der Studie ist kritisch anzumerken. Durch die<br />
Erhebung der Daten zu einem Zeitpunkt können keine Aussagen über kausale<br />
Zusammenhänge getroffen werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass für<br />
die PTB-Morbiditätsrate anstelle der Kriegstraumatisierung andere Traumata oder<br />
auch die Kombination mehrerer tiefgreifender Erfahrungen im Leben ursächlich sind.<br />
Gleiches gilt bei der Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität: Ob sich<br />
Einschränkungen des Gesundheitszustandes aufgrund einer Traumatisierung<br />
während des Kriegseinsatzes oder aber eines anderen schwer belastenden<br />
Erlebnisses im weiteren Lebensverlauf entwickeln, ob sie traumaunabhängig oder<br />
einer im höheren Alter aufgetretenen allgemeinen Vulnerabilität zuzuordnen sind,<br />
kann mithilfe des Querschnittsdesigns nicht erhoben werden. Generell kann das<br />
Befinden im Alter durch multiple Faktoren beeinflusst sein.<br />
Die in den vergangenen Jahrzehnten unzureichende wissenschaftliche Bearbeitung<br />
der Thematik der deutschen Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges führte zum<br />
72 | S eite
Diskussion<br />
Verlust wichtiger Erkenntnisse über mögliche Wirkmechanismen und<br />
Wechselbeziehungen. Ein weiterer Ergebnisgewinn ist durch eine zukünftige<br />
längerfristige Befragung der Betroffenen (nur) in diesem Zusammenhang aber kaum<br />
zu erwarten, zudem aufgrund des hohen Alters der interessierenden Population nicht<br />
mehr viel Zeit bleibt. Sinnvoll wäre allerdings die explizite Erfragung anderer<br />
traumatischer Erfahrungen oder auch deren Abwesenheit.<br />
5.1.6 Operationalisierung und Untersuchungsdurchführung<br />
Die aus den beantworteten Fragebögen gewonnenen Informationen spiegeln jeweils<br />
die eigene Einschätzung der Teilnehmer wider. Generell tendieren Menschen dazu,<br />
sich selbst günstiger darzustellen, als sie von außen wahrgenommen werden (Faller<br />
& Lang, 2006, S.67). In diesem Zusammenhang soll zusätzlich zu dem bereits<br />
erwähnten Problem möglicher Erinnerungsverzerrungen, die nur Auswirkungen auf<br />
die Bearbeitung der mPDS haben dürfte, die ausschließliche Verwendung von<br />
Selbstbeurteilungsfragebögen kritisch reflektiert werden.<br />
Zum einen birgt die Datenerhebung mithilfe von Selbstbeurteilungsverfahren die<br />
Gefahr, interessierende Merkmale nur unzureichend und, aufgrund einer<br />
möglicherweise veränderten Selbstwahrnehmung und anderer Bezugs- und<br />
Wertvorstellungen der Befragten, fehlerhaft zu erfassen. Ferner kann nicht sicher<br />
angenommen werden, dass die Antworten der Probanden wahrheitsgetreu, sondern<br />
eher im Sinne von sozialer Erwünschtheit erfolgten. Auch so wäre eine Verfälschung<br />
der Ergebnisse denkbar, da die Vorstellung der Teilnehmer darüber, was den<br />
Erwartungen der Untersucher oder der Allgemeinheit entspricht bezüglich der<br />
Traumaproblematik bedeutend variieren kann. Die Tendenz die Items in eine<br />
bestimmte Richtung zu beantworten, wird durch eine hohe Augenscheinvalidität der<br />
Fragebögen begünstigt. Andererseits ist es vorstellbar, dass durch die Bearbeitung<br />
der Fragebogenpakete in der Häuslichkeit ohne direkten Kontakt zu<br />
Studienmitarbeitern (im Gegensatz zu einem kontrollierten Setting) die Probanden<br />
weniger geneigt waren, sozial erwünscht zu antworten. Nicht auszuschließen ist<br />
hierbei wiederum eine durch die fehlende Standardisierung der<br />
Untersuchungsbedingungen verminderte Qualität der Ergebnisse. Denn es ist kaum<br />
wahrscheinlich, dass bei allen Teilnehmern der Studie die Umstände (Zeit,<br />
Ort/Umgebung, Dauer/Unterbrechungen), unter denen die Tests ausgefüllt wurden,<br />
73 | S eite
Diskussion<br />
übereinstimmten. Ebenso ist der Austausch mit anderen Personen und somit der<br />
Einfluss Dritter auf die Antworten möglich.<br />
Ein weiterer Nachteil der vorliegenden Arbeit stellt die Verwendung eines einzigen<br />
Screening-Instrumentes (mPDS) zur Diagnostik der PTB dar. Die Ergänzung durch<br />
strukturierte Interviews würde dagegen die Validität der Ergebnisse untermauern.<br />
Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Erfassung und Diagnosestellung<br />
der PTB mithilfe z.B. des Strukturierten Klinischen Interviews für DSM-IV (SKID-I;<br />
Wittchen et al., 1997) zuverlässiger ist.<br />
Negativ könnte sich ebenfalls die Modifikation der PDS ausgewirkt haben. Im<br />
Fragebogenpaket wurde – im Gegensatz zur originalen Skala, die eine vorgegebene<br />
Traumacheckliste verwendet, die möglicherweise zu einem Prompting (dt.:<br />
Aufmerksamkeit auf etwas lenken) führt, demzufolge sich Betroffene mehr bzw.<br />
besser erinnern – mit der mPDS ein freies Antwortformat gewählt. Die mPDS kann<br />
also unter Umständen dazu beitragen, die Traumaprävalenz zu unterschätzen sowie<br />
nicht die tatsächlich schwersten Traumata zu erfassen.<br />
An der Verwendung des SOC-Fragebogens ist vor allem dessen faktorielle Validität<br />
der Skalen problematisch zu bewerten. Hohe Korrelationen miteinander lassen die<br />
empirische Trennbarkeit der drei Subskalen Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und<br />
Sinnhaftigkeit fragwürdig erscheinen (Schumacher et al., 2000). Vielmehr kann vom<br />
Vorliegen eines varianzstarken Generalfaktors ausgegangen werden, so dass die<br />
ausschließliche Anwendung eines SOC-Gesamtwertes empfohlen wird (ebd.).<br />
Im Rahmen dieser Untersuchung ist daher die Auswertung der Subskalen weniger<br />
aussagekräftig als die Betrachtung des Gesamtskalenwertes des SOC-Fragebogens.<br />
Weitere Einschränkungen der SOC-Skala ergeben sich durch die hohe (negative)<br />
Korrelation mit Skalen zur Messung von Persönlichkeitsmerkmalen (z.B.<br />
Ängstlichkeit, Depressivität). Somit stellt sich insgesamt die Frage, inwieweit es sich<br />
bei dem SOC tatsächlich um ein eigenständiges abgrenzbares Konstrukt handelt<br />
(Schumacher et al., 2000).<br />
Nachteilig bei der Auswertung des SF-12 gestaltet sich der Umgang mit fehlenden<br />
Werten. Die Testautoren empfehlen wegen der ohnehin geringen Datenbasis von 12<br />
74 | S eite
Diskussion<br />
Items alle Fälle mit fehlenden Werten auszuschließen und auch keine Ersetzungen<br />
vorzunehmen. In diesen Fällen kann keine der beiden Summenskalen berechnet<br />
werden (Bullinger & Kirchberger, 1998). Vor allem ältere Personen fielen in Studien<br />
durch einen hohen Anteil einzelner fehlender Werte auf, insbesondere bei den<br />
aufwendig formulierten Items (z.B. Morfeld et al., 2003).<br />
Die Beantwortung der Fragebögen in der Häuslichkeit, wo Unklarheiten oder<br />
Verständnisprobleme der Studienteilnehmer durch einen Sachkundigen nicht<br />
behoben wurden, könnte eine fehlende oder missverständliche Beantwortung der<br />
Items bewirkt haben und so eine weitere Schwäche der vorliegenden Untersuchung<br />
darstellen.<br />
5.2 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse<br />
5.2.1 Erlebte Kriegsgräuel und soziodemographische Daten aus<br />
psychohistorischer Sicht<br />
Ausgangspunkt für die Beurteilung von Langzeitfolgen des Einsatzes als<br />
Heranwachsender im Zweiten Weltkrieg auf das gegenwärtige psychische Befinden<br />
der inzwischen über 70-Jährigen waren die mittels modifizierter PDS erhobenen vier<br />
schlimmsten Kriegserlebnisse eines jeden Teilnehmers. Statt von einer generellen<br />
Traumatisierung durch den Kriegseinsatz auszugehen, konnte auf diese Weise eine<br />
detaillierte Erfassung persönlicher Erfahrungen der Betroffenen erfolgen. Die<br />
individuelle psychologische Bedeutung des Krieges wurde ferner durch Benennung<br />
eines der vier als am meisten belastendes Ereignis in der Untersuchung<br />
herausgestellt.<br />
Insgesamt zeigen die Ergebnisse ein hohes Maß an Traumatisierung unter den<br />
ehemaligen deutschen minderjährigen Soldaten. Fast alle Befragten gaben<br />
mindestens ein extrem bedrohliches Erlebnis aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges<br />
oder der unmittelbaren Nachkriegszeit an. Dies bestätigt bisherige Erkenntnisse, die<br />
größtenteils belegen, dass die Teilnahme am Krieg mit dem Erleben mindestens<br />
eines traumatischen Ereignisses einhergeht (z.B. Teegen & Meister, 2000; Resick,<br />
2003). Zusätzlich zum Kriegseinsatz selbst berichtete ungefähr die Hälfte der damals<br />
adoleszenten Studienteilnehmer in Gefangenschaft gewesen zu sein, die<br />
durchschnittlich etwa 20 Monate dauerte. Folglich war eine beachtliche Gruppe<br />
75 | S eite
Diskussion<br />
mehrjährig schwierigsten Bedingungen ausgesetzt. Die Erinnerung an über mehrere<br />
Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse verdeutlicht allein schon die<br />
außergewöhnliche Bedeutung des Vergangenen für jeden einzelnen Betroffenen.<br />
Um die interessierende Population in Hinblick auf andere allgemeine extreme<br />
Lebensereignisse noch umfassender abzudecken (vgl. Kapitel 5.1.5), könnten<br />
vermutlich weitere Befragungen – nicht vor dem „richtungsweisenden“ Hintergrund<br />
eines Kriegseinsatzes – von Vorteil sein. Dies würde zur Aufklärung zusätzlicher oder<br />
möglicherweise anderer Traumata beitragen und gegebenenfalls Personen, die<br />
weniger belastende Kriegserfahrungen gemacht haben und deshalb einer<br />
Untersuchung kritisch gegenüber stehen, eher zur Teilnahme motivieren. Aufgrund<br />
des hohen Alters der Betroffenen wird jedoch eine Erhebung zunehmend diffiziler<br />
werden.<br />
Durch die Aufforderung zur Angabe von individuellen Erfahrungen gelang es<br />
innerhalb der untersuchten Stichprobe, die Häufigkeiten erlebter Kriegstraumata<br />
differenziert herauszustellen sowie deren subjektive Schwere für den Betroffenen zu<br />
ermitteln.<br />
Die ehemaligen minderjährigen Soldaten empfanden dabei am häufigsten den<br />
Kampfeinsatz (90,3 %) als bedrohlich, der sich in den feindlichen Bombardements<br />
und Luftangriffen, dem Minenräumen oder dem Kampf zum Schutz von Städten<br />
äußerte. An weitere schreckliche Erfahrungen wie z.B. Gefangenenerschießungen,<br />
Hunger und psychischen Terror erinnerten sich mehr als 40 % der Teilnehmer<br />
während ihrer Zeit als Kriegsgefangener. Hierbei fällt auf, dass Personen in<br />
russischer Gefangenschaft durchschnittlich wesentlich länger im Vergleich zu<br />
Betroffenen in englischer oder amerikanischer Gefangenschaft interniert waren und<br />
die Erlebnisse bedeutend häufiger als ihr schlimmstes Ereignis nannten.<br />
Die hohe Rate der Ereignisse verwundert einerseits nicht, da die Hauptaufgabe der<br />
Schülersoldaten gerade darin bestand, die Luftabwehr zu stärken, so dass sie<br />
unweigerlich den Bombardierungen ausgesetzt waren. Andererseits könnten auch<br />
„regionale Gegebenheiten“ ursächlich sein. Vor allem ab 1943 sahen sich die<br />
„Waffenschmiede des Deutschen Reiches“ und die dort zur Abwehr stationierten<br />
Luftwaffenhelfer mit zunehmenden Luftangriffen und Flächenbombardements<br />
konfrontiert. Die zahlreichen Nennungen der Städtebombardements in der Kategorie<br />
76 | S eite
Diskussion<br />
„Frontkontakt“ könnten also auch der Zusammensetzung der Stichprobe, die neben<br />
Teilnehmern aus dem Nordosten Deutschlands viele aus dem Rhein-Ruhrgebiet<br />
umfasste, geschuldet sein und somit eine Überschätzung der Häufigkeit von diesen<br />
Traumata für die ehemaligen Kindersoldaten insgesamt zur Folge haben.<br />
Äußerst interessant wäre vor diesem Hintergrund die Erhebung des Einsatzortes<br />
gewesen, um so noch generalisierbarere Erkenntnisse für die interessierende<br />
Population über die Art und das Ausmaß erlebter Kriegstraumata zu erhalten.<br />
Eine große Gruppe (rund 38 %) der Befragten gab außerdem an, als<br />
Heranwachsender das kriegsbedingte Sterben von Familienangehörigen, Freunden<br />
und Kameraden miterlebt zu haben. Die direkte Konfrontation mit dem Tod durch den<br />
Verlust von Bruder, Vater, bestem Freund, der Freundin oder eines langjährigen<br />
Klassenkameraden hinterließ bei vielen tiefe Spuren. Die Mehrheit der untersuchten<br />
ehemaligen Luftwaffen- und Marinehelfer sowie Angehörige der HJ bewerteten<br />
dieses Erlebnis, den Frontkontakt und die Zeit als Kriegsgefangener als besonders<br />
belastend. Drei Viertel berichteten von einer dieser Erfahrungen als die schlimmste.<br />
Der Kampfeinsatz wurde am häufigsten angegeben (40,8 %).<br />
Alle diese subjektiv schlimmsten Kriegserlebnisse erfüllen das Traumakriterium A1<br />
des DSM-IV.<br />
Die Anzahl und die Vielfalt der Antworten unterstreicht die Bedeutung und Präsenz<br />
der Erfahrungen. Viele Studienteilnehmer notierten auf von ihnen zusätzlich<br />
angehefteten Seiten präzise ihre erschreckenden, teilweise aber auch heiteren<br />
Erlebnisse und Gedanken an die damalige Zeit.<br />
5.2.2 Gegenwärtige posttraumatische Belastungssymptome<br />
Ein Schwerpunkt dieser Arbeit war die Erfassung von Langzeitauswirkungen der<br />
geschilderten Kriegserlebnisse auf das psychische Befinden bis ins höhere<br />
Lebensalter. Das aktuelle Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung als<br />
Folgeerscheinung des Einsatzes als Luftwaffen-/Marinehelfer oder Angehöriger der<br />
HJ vor über sechzig Jahren wurde unter Verwendung der mPDS evaluiert. Durch die<br />
Auswertung der Skala war es außerdem möglich, die Anzahl der Betroffenen mit<br />
77 | S eite
Diskussion<br />
einer in der Vergangenheit aufgetretenen, inzwischen jedoch remittierten, PTB zu<br />
erheben.<br />
Trotz des hohen Ausmaß an berichteter Traumatisierung war die aktuelle Prävalenz<br />
für das mögliche Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit zwei<br />
Studienteilnehmern (1,9 %) jedoch außerordentlich gering.<br />
Zusätzlich konnte ermittelt werden, dass bei lediglich fünf weiteren Personen (4,9 %)<br />
im Laufe ihres Lebens eine PTB vorgelegen haben muss. Zum Zeitpunkt der<br />
Untersuchung war das vollständige Syndrom aber nicht ausgebildet.<br />
Zusammenfassend lieferten somit auf der Grundlage der mPDS insgesamt 6,8 % der<br />
untersuchten ehemaligen deutschen Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
Hinweise auf eine kriegsbedingte PTB im Lebensverlauf. Eine eindeutige kausale<br />
Interpretation ist jedoch, angesichts fehlender Erfragung anderer Traumata (vgl.<br />
5.1.5), nicht möglich.<br />
Im Vergleich hierzu liegen die PTB-Prävalenzen bei Studien zu jüngeren<br />
Kriegsschauplätzen, die sich vorwiegend den Kindersoldaten des afrikanischen<br />
Kontinents nach kriegerischen Auseinandersetzungen widmen, wesentlich höher.<br />
Neben einem sehr hohen Ausmaß an erlebter Traumatisierung wurden Prävalenzen<br />
für die PTB zwischen 55,9 % und 97 % dokumentiert (z.B. Derluyn et al., 2004;<br />
Bayer, Klasen & Adam, 2007; Ovuga, Oyok & Moro, 2008). Meist wurden die<br />
betroffenen Kinder, die größtenteils jünger als in der untersuchten Stichprobe waren,<br />
aber relativ zeitnah zum Trauma befragt.<br />
In diesem Zusammenhang sei zudem auf die Anmerkung vieler Teilnehmer dieser<br />
Studie hingewiesen, die die Bezeichnung der „Flakhelfer-Generation“ als<br />
Kindersoldaten für ungünstig erachteten und einen Vergleich mit den heutigen<br />
Betroffenen daher kritisch beurteilen. In der Tat unterscheiden sich die erlebten<br />
Traumata zum Teil erheblich. Während einige Kindersoldaten in Afrika zum Töten<br />
naher Angehöriger oder Freunde gezwungen werden (Derluyn et al., 2004) oder sich<br />
teilweise freiwillig Armeeeinheiten anschließen, um der eigenen Perspektivlosigkeit<br />
zu entfliehen (s.Kap. 2.2.2.1), wurden solche Erfahrungen von keinem der<br />
78 | S eite
Diskussion<br />
untersuchten Personen genannt. Dennoch gibt es auch ein Reihe von<br />
Überschneidungen der beiden Gruppen: den Kampfeinsatz, das Miterleben des<br />
Sterbens anderer, die eigene Verwundung und letztlich die Rekrutierung als „Kind“,<br />
d.h. vor Abschluss des 18. Lebensjahres. Legt man die heute gebräuchliche<br />
Begriffsbestimmung zugrunde, so können Flakhelfer des Zweiten Weltkrieges<br />
nachträglich zu den Kindersoldaten gezählt werden. Um dennoch eine Abgrenzung<br />
zu schaffen, die richtig und für viele Betroffene bedeutsam ist, scheint die<br />
Verwendung des Begriffes „Schülersoldaten“, den der Soziologe Heinz Bude (1987)<br />
für die Luftwaffenhelfer prägte, sinnvoll.<br />
Vergleichsweise gering ist die Prävalenzrate von 1,9 % auch in Bezug auf die<br />
Ergebnisse einer methodengleichen Untersuchung an ehemaligen Kriegskindern, in<br />
der eine aktuelle Prävalenz für die PTB von über 10 % gefunden wurde (Kuwert et<br />
al., 2007). Aufgrund fehlender Repräsentativität beider Stichproben können<br />
Erklärungen hierfür nur unter Vorbehalt geäußert werden. Ein beeinflussender Faktor<br />
mag das hohe Durchschnittsalter der ehemaligen Kindersoldaten sein. Mehrere<br />
Studien belegen ein mit dem Vorliegen einer PTB assoziiertes größeres Risiko für<br />
kardiovaskuläre Erkrankungen und eine erhöhte kardial bedingte Mortalität (z.B.<br />
Kagan et al., 1999; Schnurr & Green, 2004; Kubzansky et al., 2007). Ebenso leiden<br />
PTB-Patienten häufiger unter Suchterkrankungen und depressiven Störungen, die<br />
aus unterschiedlichen Gründen auch mit erhöhter Mortalität in Zusammenhang<br />
stehen (Boscarino, 2008; Flood et al., 2010). Das durchschnittlliche Alter der<br />
Studienteilnehmer lag bei fast 79 Jahren. Denkbar ist daher, dass widerstandsfähige<br />
Betroffene überrepräsentiert sind, während die vulnerableren, hochgradig unter PTB-<br />
Symptomen leidende Kriegstraumatiserte möglicherweise bereits zu einem früheren<br />
Zeitpunkt verstorben sind. Desweiteren kann vermutet werden, dass schwer kranke<br />
Betroffene eine Teilnahme der Studie eher fern blieben, um eine Reaktualisierung<br />
der traumatsichen Ereignisse zu vermeiden. Ferner ist vorstellbar, dass auch das<br />
Traumatisierungsalter ein Rolle für das PTB-Risiko gespielt hat. Geht man davon<br />
aus, dass das Erkrankungsrisiko mit steigendem Lebensalter zum Zeitpunkt der<br />
Traumatisierung abnimmt, so könnte man annehmen, dass die in der vorliegenden<br />
Studie untersuchten ehemaligen Schülersoldaten eine weniger gefährdete<br />
79 | S eite
Diskussion<br />
Population im Vergleich zu den damaligen Kriegskindern (Jahrgang 1933 – 1945)<br />
darstellt.<br />
Weiter kann die PTB-Ausprägung in der untersuchten Stichprobe, die fast<br />
ausschließlich Männer (102 Männer und eine Frau) umfasste, auch durch das<br />
Geschlecht variiert worden sein. Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass nach<br />
einer Traumatisierung das weibliche häufiger als das männliche Geschlecht eine<br />
PTB entwickelt. Womöglich hatte der hohe Anteil männlicher Studienteilnehmer<br />
einen Einfluss auf das niedrige Ergebnis der PTB-Rate.<br />
Abschließend soll die von Maercker et al. (2008) durchgeführte Studie an einer<br />
repräsentativen Bevölkerungsstichprobe (14 – 93 Jahre) zur Erhebung der Prävalenz<br />
traumatischer Ereignisse und PTB in Deutschland zitiert werden. Eine wichtiges<br />
Ergebnis war, dass die Altersgruppe der über 60-Jährigen eine 2 – 3fach erhöhte<br />
PTB-Einmonatsprävalenz (3,4 %) gegenüber Jüngeren aufweist. Diese Erkenntnis<br />
wird vor allem mit den Kriegserfahrungen der deutschen Bevölkerung während des<br />
Zweiten Weltkrieges in Zusammenhang gebracht. Auch Spitzer und Mitarbeiter<br />
(2008) fanden ähnliche Ergebnisse, die mit den in dieser Studie gefundenen<br />
näherungsweise übereinstimmen. Erhoben wurde eine Lebenszeitprävalenz und<br />
Einmonatsprävalenz der über 65-Jährigen von 3,1 % bzw. 1,5 %. Im Gegensatz zur<br />
vorliegenden Arbeit wurden jedoch die Daten bei Spitzer et al. (2008) mithilfe eines<br />
Interviews erhoben. Es wurde bereits erwähnt, dass die ausschließliche Erfassung<br />
einer PTB durch Verwendung eines einzigen Screeninginstrumentes (mPDS) als<br />
eine Schwäche dieser Untersuchung diskutiert werden kann. Valider, aber auch<br />
arbeits- und zeitintensiver, wäre die Erhebung über strukturierte Interviews.<br />
Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich durch die Fokussierung der Betrachtungen auf<br />
Betroffene nur mit einer vollständig ausgebildeten PTB. Zwar wurde bei dem Großteil<br />
der ehemaligen Kindersoldaten in der vorliegenden Untersuchung keine Störung<br />
festgestellt, dennoch kann man nicht ausschließen, dass diese von<br />
posttraumatischen Symptomen vollständig unbelastet sind. Mehrere Arbeitsgruppen<br />
konnten belegen, dass das Fehlen oder Unvollständigsein eines Kriteriums für eine<br />
PTB, bei ansonsten vollständigem Vorliegen der anderen Hauptsymptomgruppen<br />
(partielle PTB), ebenfalls zu erhöhten psychopathologischen Belastungswerten sowie<br />
Alltagseinschränkungen infolge eines Traumas führen kann (Schützwohl & Maercker,<br />
80 | S eite
Diskussion<br />
1999; Stein et al., 2002). Eine geringere Symptomschwere- oder häufigkeit ist somit<br />
nicht gleichbedeutend mit der Abwesenheit von psychischem Leid bzw. mit<br />
psychischen Einschränkungen einer „gesunden“, nicht-traumatisierten Person. In<br />
Bezug auf die Auswirkungen von Kriegserlebnissen bei ehemaligen minderjährigen<br />
Soldaten sollten aus psychotraumatologischer Sicht folglich neben dem Vorliegen<br />
einer vollständigen PTB auch die Symptomgruppen im Einzelnen geprüft werden.<br />
Eine Erhebung der Prävalenzraten für eine partielle PTB, wie in der<br />
gesamtdeutschen epidemiologischen Untersuchung von Maercker et al. (2008),<br />
erscheint für eine umfassende Abdeckung von langfristigen posttraumatischen<br />
Symptomen nach einer Kriegstraumatisierung sinnvoll. Auch die Erfassung von<br />
anderen traumabedingten Beschwerden, z.B. DESNOS-Symptomen, würde in<br />
Hinblick auf diese Zielsetzung und unter Berücksichtigung des gegenwärtigen<br />
Kenntnisstandes einen Beitrag zur Komplettierung leisten. Zusätzlich zur PTB gibt es<br />
noch eine Vielzahl weiterer Störungen (z.B. Depressionen, Angststörungen,<br />
Suchterkrankungen), die unspezifisch mit dem Erleben eines Traumas assoziiert sein<br />
können. Ihr Auftreten im Anschluss an eine Kriegstraumatisierung würde für den<br />
Betroffenen ebenso eine schwere oder andauernde Belastung darstellen.<br />
Wie vielfältig die Möglichkeiten der Einflussfaktoren zur Entwicklung einer<br />
Traumafolgestörung sein können, wurde bereits anhand des multifaktoriellen<br />
Rahmenmodells erläutert. Neben prä- und peritraumatischen spielen auch<br />
posttraumatische Variablen eine bedeutende Rolle bei der Entstehung einer PTB.<br />
Zur Ausbildung eines komplexen Zusammenspiels dieser multiplen Faktoren war<br />
genügend Zeit – mehr als ein halbes Jahrhundert verging seit dem Trauma bis zur<br />
Datenerhebung.<br />
Unzählige Biografien ehemaliger Flakhelfer belegen, dass nach dem Krieg keine<br />
Aufarbeitung des Geschehenen stattfand. Das Grauen des Krieges – der<br />
Kampfeinsatz, der Tod von Kameraden oder die Gefangenschaft –, das die<br />
Heranwachsenden erlebt hatten, wurde kaum offen dargelegt und kommuniziert. In<br />
einer Zeit des Neubeginns und Wiederaufbaus war hierfür – bewusst oder unbewusst<br />
– in Schule, Elternhaus oder Öffentlichkeit kein Raum. Ein gesundheitsfördernder<br />
Effekt durch das Offenlegen von traumatischen Erfahrungen (Disclosure) oder<br />
soziale Anerkennung konnte somit nicht entstehen. Als Konsequenz wäre eigentlich<br />
81 | S eite
Diskussion<br />
ein hoher Anteil belasteter Teilnehmer zu erwarten – um so interessanter scheint<br />
daher das Ergebnis, dass nur ein sehr geringer Anteil der untersuchten ehemaligen<br />
Kindersoldaten unter PTB-Symptomen leidet. Fast jeder Untersuchungsteilnehmer<br />
erlebte eine kumulative Traumatisierung und damit ein besonders schweres Trauma<br />
vom Typ II, in dessen Folge das Risiko für eine PTB generell am größten ist.<br />
Trotzdem waren 93,2 % der Personen aber nie von der Störung betroffen.<br />
Anzunehmen sind daher weitere beeinflussende, vor allem posttraumatische<br />
Variablen, die sich positiv auf die psychische Entwicklung der Kindersoldaten<br />
ausgewirkt haben und somit vor einem Auftreten einer PTB schützten. Als eine<br />
Ressource der Gesunderhaltung könnte z.B. das Kohärenzgefühl gelten, dessen<br />
Untersuchung ebenfalls Gegenstand dieser Arbeit war. Die Ergebnisse werden im<br />
folgenden Abschnitt dargestellt.<br />
In Hinblick auf die aktuellen und bedauerlicherweise zu erwartenden kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen, in die zusätzlich neben unzähligen Zivilisten trotz<br />
Bemühungen von Kinderrechtsorganisationen Kinder als Soldaten integriert sind,<br />
bedarf es weiterer Erkenntnisse über präventive und gesundheitsfördernde<br />
Bedingungen, damit den Betroffenen adäquat und zielgerichtet geholfen werden<br />
kann. Um den bisherigen Wissensstand zu ergänzen, sollte die Frage nach<br />
„salutogenetischen Potentialen“ und effektiven Bewältigungsmechanismen deshalb<br />
auch wesentlicher Bestandteil zukünftiger Forschungsprojekte sein.<br />
Um eventuelle positive oder negative Konsequenzen für das psychosoziale Leben<br />
nach den traumatischen Ereignissen während des Krieges oder in Gefangenschaft<br />
zu evaluieren, wurden die Probanden neben dem SOC auch bezüglich<br />
posttraumatischer Veränderungen (PPR) und erlebter Wertschätzung befragt.<br />
Zusätzlich fand eine Einschätzung der aktuellen Psychopathologie mithilfe des BSI-<br />
18 statt. Festgestellt wurde, dass soziale Anerkennung als Überlebender von Seiten<br />
anderer und der Glaube, dass das Leben sinnvoll ist (als eine Komponente des<br />
SOC), wichtige Faktoren für die posttraumatische Reifung darstellen. Ausführlichere<br />
Ergebnisse dieser Untersuchung sind an anderer Stelle veröffentlicht (Forstmeier et<br />
al., 2009).<br />
82 | S eite
Diskussion<br />
Aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung des Themas und mangelhafter<br />
Datenlage lassen sich allgemeingültige Aussagen über die kriegsbedingte<br />
Traumatisierung ehemaliger Kindersoldaten und deren Auswirkungen bis jetzt nur<br />
wenige formulieren.<br />
Auch wenn eine heutige Belastung im Sinne einer psychischen Störung bei den<br />
ehemaligen deutschen Kindersoldaten des Zweiten Weltkrieges trotz des enormen<br />
Traumatisierungsausmaßes nicht vorliegt, verweist die hohe Teilnehmerzahl auf die<br />
Bedeutung, die das Thema für die Kriegsüberlebenden hat. Der Umstand, dass<br />
lediglich ein Aufruf bei 159 Personen das Interesse zur Studienteilnahme weckte und<br />
103 von ihnen sich der zeitaufwändigen und teilweise emotional belastenden<br />
Bearbeitung der Fragebögen widmeten, verdeutlicht den Stellenwert, der dieser<br />
bislang vernachlässigten Thematik immer noch beigemessen wird. Es besteht<br />
offensichtlich das Bedürfnis der Betroffenen, das Erlebte zu berichten und biografisch<br />
einzuordnen. Der Zuwachs an Veröffentlichungen dieser Generation in den letzten<br />
Jahren untermauert die Vermutung, dass bei vielen ehemaligen Flakhelfern der<br />
ausgeprägte Wunsch besteht, persönliche Erfahrungen darzulegen – auch, um<br />
Erinnerungen für Außenstehende zu bewahren und dem Vergessen entgegen zu<br />
wirken.<br />
5.2.3 Lebensqualität und Kohärenzgefühl<br />
Im Mittelpunkt des zweiten Teils der vorliegenden Arbeit stand die Untersuchung der<br />
heutigen Lebensqualität sowie des Kohärenzgefühls der ehemaligen Kindersoldaten<br />
im Vergleich zu einer altersentsprechenden Referenzgruppe.<br />
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität als ein multidimensionales<br />
psychologisches Konstrukt entspricht der subjektiven Gesundheit, die mithilfe des<br />
SF-12 erhoben wurde. Ziel des Instrumentes, bei dem die Untersuchungsteilnehmer<br />
selbst Auskunft über ihr Befinden und ihre Funktionsfähigkeit geben, ist es, sowohl<br />
psychische als auch soziale Komponenten der Gesundheit sowie Effekte von<br />
chronischen oder langfristig behandlungsbedürftigen Erkrankungen auf den Alltag zu<br />
untersuchen (Bullinger & Kirchberger, 1998). In einer repräsentativen Erhebung<br />
konnte nachgewiesen werden, dass Flucht und Vertreibung als massive Belastung<br />
und Traumatisierung am Ende des Zweiten Weltkrieges mit einer zum<br />
83 | S eite
Diskussion<br />
Studienzeitpunkt geminderten Lebensqualität der vor 1946 Geborenen einhergingen<br />
(Beutel, Decker & Brähler, 2007). Die in der vorliegenden Arbeit erhobenen Daten<br />
der in der Adoleszenz mehrjährig schwierigsten Bedingungen ausgesetzten<br />
Probanden zeigten jedoch keine bedeutsamen Divergenzen im Vergleich zu einer<br />
altersentsprechenden Referenzgruppe. Die nicht signifikant unterschiedliche<br />
Lebensqualität erweckt daher den Eindruck einer psychosozial unauffälligen<br />
Untersuchungsgruppe. Relativierend ist aus der gerontologischen Traumaforschung<br />
aber bekannt, dass insbesondere ältere Männer mögliche Beschwerden eher<br />
bagatellisieren, da diese vor ihrem Sozialisationshintergrund als „Schwäche“<br />
interpretiert und abgwehrt werden (Cook & O'Donnell, 2005).<br />
Deutliche Unterschiede konnten dagegen für das gesundheitspsychologische<br />
Konstrukt des Kohärenzgefühls evaluiert werden. Zur Erhebung dieses von<br />
Antonovsky definierten Konzepts wurde der SOC-Fragebogen angewandt. Zum<br />
Vergleich zwischen den ehemaligen Kindersoldaten und der „Normalbevölkerung“<br />
wurden die Daten einer Normierungsstichprobe einer Untersuchung von Schumacher<br />
et al. (2000) herangezogen. Dabei zeigten die ehemaligen Kindersoldaten in der<br />
Gesamtskala und in den drei Subskalen, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und<br />
Sinnhaftigkeit, hochsignifikant höhere Werte als die repräsentative,<br />
altersentsprechende Bevölkerungsstichprobe. In diesem Zusammenhang sei jedoch<br />
noch einmal auf die testtheoretischen Einschränkungen hingewiesen, so dass die<br />
Auswertung der einzelnen Skalen eher zurückhaltend beurteilt werden sollte.<br />
Wird das Kohärenzgefühl also im Sinne einer Ressource betrachtet, die die<br />
Menschen widerstandsfähiger gegenüber Stressoren macht, so könnte man – mit<br />
methodenkritischem Vorbehalt – annehmen, dass es sich bei den<br />
Studienteilnehmern dieser Untersuchung um eine Gruppe handelt, die einerseits im<br />
Rahmen ihres Kriegseinsatzes mit potentiell traumatischen Ereignissen konfrontiert<br />
war, dies aber aufgrund eines primär hohen Kohärenzgefühls ohne wesentliche<br />
Symptome bewältigt hat.<br />
Ähnliche Ergebnisse zeigten Studien auch bei anderen traumatisierten Gruppen: der<br />
SOC als ein möglicher protektiver Faktor, der die Auswirkungen traumatischer<br />
Kindheitserlebnisse im hohen Alter mildert (van der Hal-van Raalte, van IJzendoorn<br />
84 | S eite
Diskussion<br />
& Bakermans-Kranenburg, 2008) und es vermutlich einigen Personen ermöglicht,<br />
mehrfacher Traumatisierung standzuhalten und ein Leben in subjektiv gut<br />
empfundener Lebensqualität ohne psychopathologische Auffälligkeiten zu führen<br />
(Ghazinour, Richter & Eisemann, 2004).<br />
Das Ergebnis einer hohen Ausprägung des Kohärenzgefühls bei den ehemaligen<br />
Kindersoldaten ließe sich somit in Einklang mit den Befunden der nicht verminderten<br />
Lebensqualität und der Abwesenheit einer heutigen Belastung im Sinne einer<br />
psychischen Störung bringen. Eine Interpretation bezogen auf eine Ursache-<br />
Wirkungsbeziehung kann aber in einem querschnittlichen Design nicht vorgenommen<br />
werden.<br />
Kritisch anzumerken ist auch die Wahl der Vergleichsgruppe. Das die<br />
altersentsprechende Referenzgruppe (als „Normalbevölkerung“) Personen umfasste,<br />
die zum Erhebungszeitpunkt zwischen 61 und 92 Jahre (Jahrgang 1906 – 1937) alt<br />
waren und daher ebenfalls den Zweiten Weltkrieg (als Kind, Jugendlicher oder<br />
Erwachsener) miterlebten, schränkt die Aussagekraft der vorliegenden Befunde<br />
zusätzlich ein. Ein Vergleich fand also genau genommen zwischen ehemaligen<br />
deutschen Kindersoldaten, die sich bereit erklärten an einer Studie über die<br />
Auswirkungen eines Kriegseinsatzes teilzunehmen und einer Stichprobe, die in ganz<br />
unterschiedlichen Positionen (z.B. als Zivilist oder Soldat) und Phasen des Lebens<br />
am Kriegsgeschehen beteiligt war, statt. Infolgedessen können die ermittelten<br />
Differenzen höchstwahrscheinlich auf die Besonderheiten der stark selektierten<br />
untersuchten Personengruppe zurückgeführt werden, was eine allgemeingültige<br />
Interpretation der Ergebnisse erschwert.<br />
Mögliche differenzierende Charakteristika der Untersuchungsgruppe sind die<br />
während der Adoleszenz erlebte mehrfache schwere Traumatisierung, das Interesse<br />
an der Auseinandersetzung und/oder der Offenlegung der persönlichen<br />
Kriegserfahrungen, eventuell auch, um nach jahrzehntelanger Zeit der<br />
Nichtbeachtung als Opfer des Zeiten Weltkrieges soziale Anerkennung zu erfahren.<br />
Die Werte der Referenzgruppe spiegeln also die Ausprägung des Kohärenzgefühls<br />
der 61 – 92-jährigen Kriegsbetroffenen insgesamt wider. Zu dieser heterogenen<br />
Gruppe gehören Personen mit den eben beschriebenen Kriterien, aber auch von den<br />
Folgen des Zweiten Weltkrieges verschont Gebliebene sowie schwer kranke<br />
85 | S eite
Diskussion<br />
Betroffene, die eine Teilnahme an der vorliegenden Untersuchung aus Angst vor<br />
Reaktualisierung meiden würden.<br />
Als Konsequenz lässt sich für diese Arbeit daher folgende weniger allgemeine<br />
Schlussfolgerung ziehen: Im Vergleich zu einer durchschnittlichen deutschen<br />
Kriegspopulation weisen die Personen mit traumatischen Kriegserlebnissen in der<br />
Adoleszenz und dem Bedürfnis, sich mit diesen auseinander zu setzen oder sie offen<br />
darzulegen, ein erhöhtes Kohärenzgefühl auf.<br />
Ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten SOC und der aktuell geringen<br />
posttraumatischen Belastungssymptomatik der ehemaligen deutsche Kindersoldaten<br />
sollte jedoch kritisch betrachtet werden. Wie bereits erwähnt, ist aufgrund des<br />
Querschnittdesigns der vorliegenden Untersuchung eine Unterscheidung zwischen<br />
Ursache und Wirkung kaum möglich ist. Von einer absoluten Kausalinterpretation<br />
muss deshalb abgesehen werden.<br />
Abschließend sei darauf verwiesen, dass das von Antonovsky als zentrales Konstrukt<br />
der Salutogenese postulierte Kohärenzgefühl nur eine Facette der Gesunderhaltung<br />
darstellt. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Frage<br />
nach protektiven Faktoren um eine Vielzahl von Variablen handelt, die sich in<br />
komplexer Weise beinflussen. Eine medizinisch, psychologisch, physiologisch,<br />
soziologisch und philosophisch übergreifende interdisziplinäre Forschungsarbeit wird<br />
auch weiterhin nötig sein, um zusätzliche Erkenntnisse über die Gesunderhaltung<br />
und -werdung eines Individuums zu gewinnen (Faltermaier, 2000).<br />
Eine Möglichkeit in der vorliegenden Arbeit andere moderierende Einflüsse zu<br />
erheben, die der gesunden Entwicklung der Jugendlichen trotz der erlebten<br />
Traumatisierung dienten, wäre die Durchführung weiterer Fragen beispielsweise<br />
nach sozialer Unterstützung oder Offenlegung des Erlebten gewesen. Mithilfe der<br />
zwei offen gestellten Fragen am Ende der mPDS wurde versucht, individuelle<br />
Ressourcen sowie spezifische Bewältigunsmechanismen, die die Betroffenen<br />
subjektiv einschätzen konnten, zu erfassen. Eine zusammenfassende Darstellung<br />
erfolgt im nachfolgenden Abschnitt.<br />
86 | S eite
Diskussion<br />
5.2.4 Hilfen in der damaligen Situation und positive Aspekte des<br />
Kriegseinsatzes aus Sicht der Betroffenen<br />
Die Möglichkeit, dass ein Jugendlicher einer Kriegstraumatisierung eines solchen<br />
Ausmaßes „standhält“, ist für viele Menschen, die glücklicherweise frei vom Krieg<br />
aufwachsen konnten, in der heutigen Zeit unvorstellbar. Daraus resultierend wurde in<br />
dieser Untersuchung nach Umständen gefragt, die geholfen haben, die Zeit als<br />
minderjähriger Soldat zu überstehen.<br />
Die Vorstellung in Frieden leben zu können, war für die damaligen Schülersoldaten<br />
ein so schöner und verlockender, gleichzeitig auch unwahrscheinlicher Gedanke –<br />
„wie sich das heute kaum jemand noch vorzustellen vermag“ (Schörken, 1999,<br />
S.470). Ein Krieg, der noch Jahre andauern sollte, erschien dem Großteil viel<br />
realistischer, so dass zunächst der „Glaube an den Sieg“ mit der größten Hoffnung<br />
verbunden war. In der Untersuchungsgruppe ließen sich 25 % der Antworten in diese<br />
Kategorie einordnen, was dem größten Anteil der angegebenen Hilfen in der<br />
damaligen Situation entspricht. Die anfängliche Euphorie der „Jungkrieger“<br />
(Schörken, 1999) selbst am Kriegsgeschehen mitzuwirken und als Erwachsener<br />
akzeptiert zu werden, wich jedoch bald der Ernüchterung angesichts eines verloren<br />
gehenden Krieges. Die Einsicht, von den Machthabern des Deutschen Reiches für<br />
deren Zwecke missbraucht worden zu sein und zusätzlich die Angst davor,<br />
verwundet oder getötet zu werden, führte zu einer Wandlung der Haltungen der<br />
Heranwachsenden: Man sehnte ein Ende des Leids und der Zerstörung herbei.<br />
Nahezu gleichwertig mit dem Glauben an den „Endsieg“ wurde daher in der<br />
vorliegenden Arbeit von 21,4 % der Betroffenen retrospektiv das „Hoffen auf das<br />
Kriegsende“ genannt.<br />
In den Biografien der meisten Autoren wird jedoch auch immer noch ein anderes<br />
„Schutzschild“ angeführt, welches für die Flakhelfer von außerordentlicher Bedeutung<br />
war: die Solidarität der Klassengemeinschaft, die Kameradschaftlichkeit und<br />
Zuverlässigkeit. Da die Schülersoldaten klassenweise einberufen wurden und<br />
möglichst auch in dieser Formation zum Einsatz kamen, nahm der Klassenverband<br />
eine schützende Funktion vor der Härte des verfrühten Soldatendaseins und den<br />
Anforderungen durch den Einsatz im Krieg ein. Er leistete einen wesentlich Beitrag<br />
zum allgemeinen Wohlbefinden der Luftwaffenhelfer und deren Pflichterfüllung<br />
(Schörken, 1999, S.463). Auch die Antworten der Teilnehmer der vorliegenden<br />
87 | S eite
Diskussion<br />
Studie belegen diesen Umstand. Kameradschaft bzw. Freundschaft stellte für 23,6 %<br />
die wichtigste Unterstützung in der von Kampfeinsatz, Tod und Gefangenschaft<br />
geprägten Zeit dar. Die Beziehung zu den Eltern hatte im Vergleich nur noch eine<br />
untergeordnete Bedeutung (10,7 %), nicht zuletzt da die Jungen in den Flakbatterien<br />
weitgehend ihrem Einfluss entzogen und auf sich selbst gestellt waren. Sechs<br />
Teilnehmer (4,3 %) berichteten auch, dass die von Vorgesetzten entgegengebrachte<br />
Unterstützung ihnen half, die Zeit als minderjähriger Soldat zu bewältigen.<br />
Während Religiosität eine eher marginale Rolle (7,1 %) spielte, schilderten einige<br />
Betroffene persönliche Ressourcen wie z.B. körperliche Fitness oder Gleichgültigkeit<br />
gegenüber den Geschehnissen. Andere wiederum gaben an, dass das<br />
Niederschreiben der eigenen Erlebnisse ihnen bei der Verarbeitung derselben half.<br />
Zusammenfassend bestätigen die Aussagen die Bedeutung, der der Unterstützung<br />
durch andere (Kameraden, Freunde, Familie, Vorgesetzte) als ein protektiver Faktor<br />
in der Bewältigung schlimmer Erlebnisse von Seiten der Betroffenen beigemessen<br />
wird. Die Ergebnisse der Befragung bezüglich der Umstände, die geholfen haben,<br />
die Zeit als minderjähriger Soldat zu überstehen, decken sich überwiegend mit den in<br />
den vergangenen Jahren zunehmend veröffentlichten Erinnerungen vieler<br />
Luftwaffenhelfer.<br />
Die zweite der offen gestellten Fragen bezog sich auf positive Veränderungen, die<br />
die ehemaligen minderjährigen Soldaten durch das Überstehen der belastenden<br />
Ereignisse bei sich selbst festgestellt haben könnten. Dies zielt im weitesten Sinne<br />
auf das in den letzten Jahren verstärkt ins Interesse der Forschung geratene Konzept<br />
der posttraumatischen Reifung und somit der Untersuchung positiver Traumafolgen.<br />
Posttraumatische Reifung kann zur Beeinflussung ganz unterschiedlicher<br />
Lebensbereiche führen. Im Wesentlichen unterscheidet man fünf Bereiche<br />
persönlichen Wachstums: intensivierte Wertschätzung des Lebens, Intensivierung<br />
persönlicher Beziehungen, Bewusstwerden der eigenen Stärke, Entdeckung neuer<br />
Möglichkeiten und intensiviertes spirituelles Bewusstsein (Zöllner, Calhoun, &<br />
Tedeschi, 2006). Kontrovers diskutiert wird, inwieweit die selbstberichtete<br />
persönliche Reifung real oder illusorisch ist (vgl. 2.4.4). Die Frage nach der klinischen<br />
88 | S eite
Diskussion<br />
Relevanz der berichteten persönlichen Reifung wird vermutlich auch künftig von<br />
zentraler Bedeutung bleiben.<br />
In der vorliegenden Untersuchung bejahten 67 Teilnehmer die Frage, ob die Zeit als<br />
minderjähriger Soldat auch positive Seiten gehabt hat. Jeder von ihnen gab<br />
mindestens einen positiven Aspekt an. Die meisten Antworten ließen sich zumindest<br />
andeutungsweise einem der fünf Bereiche zuordnen. Am häufigsten (21,6 %)<br />
berichteten die Betroffenen durch die Geschehnisse des Krieges oder in<br />
Gefangenschaft „Lebenserfahrung“ gesammelt zu haben. Hierzu zählte<br />
beispielsweise die Fähigkeit, Menschen besser einschätzen zu können, die<br />
Erfahrung, Dinge in Zukunft kritisch zu hinterfragen aber auch mit minimal zur<br />
Verfügung stehenden Ressourcen ein Ziel zu erreichen. Knapp jeder Fünfte (19,8 %)<br />
gab außerdem an, die Erlebnisse im Krieg oder danach in Gefangenschaft hätten<br />
dazu beigetragen, Selbstständigkeit zu erlangen und Verantwortung zu übernehmen.<br />
Auch das Erlernen von Disziplin (17,1 %) zählte für viele Teilnehmer der Studie zu<br />
den positiven Aspekten ihrer Zeit als minderjähriger Soldat. Beide Kategorien<br />
spiegeln möglicherweise das Bewusstwerden der eigenen Stärke als einen Bereich<br />
der persönlichen Reifung wider. Das gewachsene Gefühl an innerer Stärke wird<br />
durch Aussagen der Befragten wie z.B. „Während meines Einsatzes habe ich die<br />
Erkenntnis gewonnen, dass ich auch in lebensgefährlichen Situationen das<br />
vermeintlich Richtige zu tun vermag“ oder „Trotz der Überforderung habe ich alle<br />
meine Herausforderungen meistern können, so dass mich bis heute ein Gefühl des<br />
Stolzes auf meine persönliche Leistung erfüllt“ verdeutlicht.<br />
Weiterhin wurde auf das gute Verhältnis innerhalb der Gemeinschaft bzw. zu<br />
Vorgesetzten hingewiesen, welches ebenfalls für 19 (17,1 %) der ehemaligen<br />
Schülersoldaten eine positive Seite der damaligen Zeit darstellte. Freundschaften<br />
und das tiefe Verbundenheitsgefühl mit einstigen Kameraden sind zum Teil bis heute<br />
erhalten geblieben und gewinnen dadurch an Bedeutung, dass man das gleiche<br />
Schicksal teilt. Positiv wurde auch die Tatsache gewertet, dass man lernte, in einer<br />
Gemeinschaft jeden Menschen – egal welcher Herkunft – zu respektieren sowie<br />
Mitgefühl für Leidende zu empfinden. Hierin könnte man eine weitere Komponente<br />
der persönlichen Reifung, die Intensivierung der Beziehung zu anderen, vermuten.<br />
89 | S eite
Diskussion<br />
Neben den genannten Aspekten, ließ sich zusätzlich ein weiterer eruieren: 12,6 %<br />
der Befragten schilderten, durch die Kriegserfahrungen eine pazifistische<br />
Grundhaltung entwickelt zu haben. Die Beschreibung solcher Prägungen findet man<br />
häufig auch in Veröffentlichungen ehemaliger Schülersoldaten, in denen sie davon<br />
berichten, dass sich im Krieg insbesondere eine Grunderkenntnis eingebrannt hatte:<br />
„Nie wieder Krieg!“ (Schörken, 1999).<br />
Positiv empfanden einige Teilnehmer außerdem die Anerkennung als „Erwachsener“<br />
(6,3 %). Andere wiederum sahen einen Gewinn beispielsweise im Kennenlernen von<br />
Militärtechnik oder im Erwerb von bis heute präsenten Englischkenntnissen während<br />
der Kriegsgfangeschaft (5,4 %).<br />
Abschließend soll noch einmal betont werden, dass allein aufgrund der erhobenen<br />
Antworten nicht von einem posttraumatischen Reifungsprozess/-resultat der<br />
ehemaligen minderjährigen Soldaten ausgegangen werden kann, vor allem da einige<br />
Betroffene äußerten, die Ausprägung manch eines positiven Aspektes sei teilweise<br />
schon vor den Kriegsereignissen vorhanden gewesen. Dennoch scheint es<br />
zumindest so, als habe der Großteil der Befragten – für sich persönlich – auch einen<br />
Nutzen aus den Erlebnissen gezogen. Wie wahrhaftig dieser nun tatsächlich ist,<br />
bleibt allerdings ungewiss.<br />
90 | S eite
5.3 Zusammenfassung und Fazit<br />
Zusammenfassung<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen Kriegserlebnissen<br />
und der Prävalenz posttraumatischer Symptomatik von ehemaligen deutschen<br />
Schülersoldaten und HJ-Angehörigen, die während des Zweiten Weltkrieges im<br />
Einsatz waren, untersucht. Zusätzlich sollte die heutige Lebensqualität sowie das<br />
Kohärenzgefühl der Betroffenen im Vergleich zu einer altersentsprechenden<br />
Referenzgruppe überprüft werden.<br />
Die Stichprobe setzte sich aus 103 Probanden, deren Durchschnittsalter 78,8 Jahre<br />
betrug, zusammen. Neben der Erhebung weiterer soziodemographischer Daten<br />
kamen verschiedene Selbstbeurteilungsverfahren aus dem testpsychologischen<br />
Bereich zum Einsatz. Angaben zu den eigenen Kriegserlebnissen und der heutigen<br />
Belastung durch posttraumatische Symptome wurden mithilfe der mPDS erfasst. Die<br />
Erhebung der Lebensqualität und des Kohärenzgefühls erfolgte mit dem SF-12<br />
Fragebogen zum Gesundheitszustand bzw. dem SOC-Fragebogen. Zusätzlich<br />
wurden zwei qualitative Fragen in Hinblick auf damalige Ressourcen gestellt.<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass trotz des berichteten hohen Ausmaßes an<br />
Traumatisierung lediglich zwei Studienteilnehmer zum Zeitpunkt der Untersuchung<br />
die vollständigen Symptome für eine Posttraumatische Belastungsstörung aufweisen.<br />
Im Vergleich zu einer altersentsprechenden Referenzgruppe bestand hinsichtlich der<br />
gesundheitsbezogenen Lebensqualität kein signifikanter Unterschied. Bezüglich des<br />
Kohärenzgefühls erreichte die untersuchte Stichprobe hochsignifikant höhere Werte<br />
für die Gesamtskala und die Subskalen als die Vergleichsstichprobe. Die Antworten<br />
auf die offen gestellten Fragen zu damaligen Hilfen bzw. möglichen positiven<br />
Aspekten verweisen einerseits auf die große Bedeutung der der sozialen<br />
Unterstützung durch Kameraden und Vorgesetzte beigemessen wird; bezüglich<br />
eigener, hoffnungsgenerierender Kognitionen in der Kriegssituation wurden<br />
retrospektiv sowohl der „Glaube an den Endsieg“ als auch das „Hoffen auf das<br />
Kriegsende“ nahezu gleichwertig genannt. Zu den positiven Seiten der Zeit als<br />
minderjähriger Soldat zählten die Studienteilnehmer vor allem das Sammeln von<br />
Lebenserfahrung sowie das Erlernen von Selbstständigkeit.<br />
91 | S eite
Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend konnte die 62 Jahre nach Kriegsende erstmalig durchgeführte<br />
Untersuchung an dieser speziellen Gruppe von Kriegsteilnehmern das hohe Ausmaß<br />
an erlebter Traumatisierung, dem auch deutsche Kindersoldaten des Zweiten<br />
Weltkrieges ausgesetzt waren, belegen. Die sehr hohe Teilnehmerzahl, die lediglich<br />
über einen Aufruf erreicht wurde, verweist auf die (überdauernde) Bedeutung für die<br />
ehemaligen minderjährigen Soldaten, die der Thematik wohl auch dann innewohnt,<br />
wenn eine heutige Belastung im Sinne einer psychischen Störung nicht vorliegt.<br />
Weiterhin konnte die vorliegende Studie trotz des hohen Grades an potentiell<br />
traumatisierenden Erlebnissen keine aktuelle Minderung der Lebensqualität bei den<br />
Betroffenen feststellen. Ein möglicher protektiver Faktor könnte das hoch<br />
ausgeprägte Kohärenzgefühl bei den Studienteilnehmern sein.<br />
Für die klinische Praxis ergibt sich folglich, dass eine rein Defizit-orientierte, d.h. eine<br />
von psychischen Beschwerden und/oder verminderter Lebensqualität ausgehende,<br />
Grundhaltung den älter werdenden Menschen mit Kriegserfahrungen in der<br />
Kindheit/Adoleszenz nicht gerecht wird. Offensichtlich haben die Betroffenen jedoch<br />
ein ausgeprägtes Anliegen, das lebensgeschichtlich weit zurückliegende Erlebte zu<br />
berichten und biografisch einzuordnen. Um psychische Ressourcen sowie<br />
Beeinträchtigungen im Rahmen möglicher Kriegstraumatisierungen ausgewogen<br />
beurteilen zu können und um gegebenenfalls adäquate Hilfe zu leisten, ist eine<br />
historisch sensible Gesprächsführung in der betroffenen Altersgruppe daher<br />
unentbehrlich.<br />
Nicht zuletzt besteht außerdem Forschungsbedarf, um aus der Betrachtung<br />
ehemaliger Kindersoldaten Erkenntnisse über Ressourcen und<br />
Bewältigungsstrategien von Belastungen zu gewinnen. Dieses Wissen könnte vor<br />
allem den unzähligen Kindersoldaten heutiger Kriegs- und Krisenregionen helfen.<br />
92 | S eite
Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis<br />
6. Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Kindersoldat ......................................................................................... 16<br />
Abbildung 2: Rahmenmodell der Ätiologie von Traumafolgen .................................. 21<br />
Abbildung 3: Flak-Ausbildung ................................................................................... 38<br />
Abbildung 4: Von der Schulbank in den Krieg .......................................................... 40<br />
Abbildung 5: Probanden pro Geburtenjahrgang ....................................................... 57<br />
Abbildung 6: Höchster Schulabschluss .................................................................... 58<br />
Abbildung 7: Höchster Berufsabschluss ................................................................... 58<br />
Abbildung 8: Funktion der Studienteilnehmer im Kriegseinsatz ................................ 59<br />
Abbildung 9: Alter und Anzahl der Probanden zu Beginn des Einsatzes .................. 59<br />
Abbildung 10: Gründe für das Einsatzende im Zweiten Weltkrieg ............................ 60<br />
Abbildung 11: Durchschnittliche Dauer der Kriegsgefangenschaft ........................... 60<br />
Abbildung 12: Alle Kriegserlebnisse ......................................................................... 63<br />
Abbildung 13: Schlimmstes Kriegserlebnis ............................................................... 63<br />
Abbildung 14: Kohärenzgefühl ehemaliger deutscher Kindersoldaten im Vergleich zur<br />
altersentsprechenden Bevölkerungsstichprobe ....................................................... 65<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Vergleich von Prävalenzraten in USA und Deutschland ............................ 7<br />
Tabelle 2: Klassifikation von Traumata ....................................................................... 8<br />
Tabelle 3: Dysfunktionale Kognitionen bei PTB ........................................................ 25<br />
Tabelle 4: Verbal und situativ zugängliche Erinnerungen ......................................... 30<br />
Tabelle 5: Operationalisierung der Variablen ............................................................ 50<br />
Tabelle 6: PTB-Hauptsymptomgruppen in der mPDS .............................................. 52<br />
Tabelle 7: Dimensionen des SF-12 und dazu gehörige Itemzahlen ......................... 54<br />
Tabelle 8: Belastende Kriegserlebnisse ehemaliger deutscher Kindersoldaten ....... 62<br />
Tabelle 9: PTB ehemaliger deutscher Kindersoldaten nach mPDS .......................... 64<br />
Tabelle 10: Vergleich des SOC zwischen ehemaligen deutschen Kindersoldaten und<br />
einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe ......................................................... 65<br />
93 | S eite
Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis<br />
Tabelle 11: Hilfen in der Zeit als minderjähriger Soldat ............................................ 66<br />
Tabelle 12: Positive Aspekte des Kriegseinsatzes ................................................... 67<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
ABS Akute Belastungsstörung<br />
APA American Psychological Association<br />
DESNOS Disorders of extreme stress not otherwise specified<br />
(dt.: Störungen durch extremen Stress, die nicht anderweitig<br />
spezifiziert sind)<br />
DSM-(TR) Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders -<br />
(TextRevision) (dt.: Diagnostisches und Statistisches<br />
Handbuch Psychischer Störungen)<br />
EEG Elektroenzephalografie<br />
Flak Flug-/Fliegerabwehrkanone<br />
HHNA Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse<br />
HJ Hitlerjugend<br />
KZ Konzentrationslager<br />
LRA Lord's Resistance Army<br />
mPDS modifizierte Posttraumatische Diagnoseskala<br />
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
NS Nationalsozialismus<br />
PDS Posttraumatische Diagnoseskala<br />
PTB Posttraumatische Belastungsstörung<br />
SF-12 12-Item Short Form Survey (Fragebogen in der Kurzform mit<br />
12 Items)<br />
SOC Sense of coherence (dt.: Kohärenzgefühl)<br />
SS Schutzstaffel<br />
SZE situativ zugänglichen Erinnerungen<br />
VZE verbal zugängliche Erinnerungen<br />
WHO World Health Organisation (dt.: Weltgesundheitsorganisation)<br />
94 | S eite
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störungsspezifisch und schulenübergreifend (S. 36-42). Stuttgart: Thieme.<br />
109 | S e i t e
8. Anhang<br />
Anhang A<br />
Anhang<br />
modifizierte Posttraumatische Diagnoseskala<br />
mPDS<br />
Bitte benennen Sie im Folgenden die schlimmsten Erlebnisse Ihrer Kriegszeit:<br />
1:_____________________________________________________________________________<br />
2:_____________________________________________________________________________<br />
3:_____________________________________________________________________________<br />
4:_____________________________________________________________________________<br />
Welches von den Erlebnissen war das Schlimmste? Nr.<br />
Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen für das schlimmste Erlebnis.<br />
Wie alt waren Sie, als Sie dieses schlimmste Erlebnis hatten? Jahre<br />
Bitte kreuzen Sie für die folgenden Fragen JA oder NEIN an:<br />
Während des schlimmsten Erlebnisses ...<br />
... wurden Sie körperlich verletzt?<br />
... wurde jemand anderes körperlich verletzt?<br />
... dachten Sie, dass Ihr Leben in Gefahr sei?<br />
... dachten Sie, dass das Leben einer anderen Person in Gefahr sei?<br />
... fühlten Sie sich hilflos?<br />
... hatten Sie starke Angst, oder waren Sie voller Entsetzen?<br />
Im Folgenden finden Sie eine Reihe von Problemen, die Menschen manchmal nach traumatischen<br />
Erlebnissen haben. Bitte lesen Sie sich jedes der Probleme sorgfältig durch. Wählen Sie diejenige<br />
Antwortmöglichkeit (0 – 3) aus, die am besten beschreibt, wie häufig Sie von diesem Problem<br />
betroffen waren. Die Fragen sollten Sie dabei bitte immer auf Ihr schlimmstes Erlebnis beziehen.<br />
Dabei bedeutet 0 = Überhaupt nicht oder nur einmal im Monat<br />
1 = Einmal pro Woche oder seltener/ manchmal<br />
2 = 2 bis 4 mal pro Woche/ die Hälfte der Zeit<br />
3 = 5 mal oder öfter pro Woche/ fast immer<br />
1.<br />
0 1 2 3<br />
JA NEIN<br />
Hatten Sie belastende Gedanken oder Erinnerungen an das Erlebnis, die ungewollt<br />
auftraten und Ihnen durch den Kopf gingen, obwohl Sie nicht daran denken wollten?<br />
110 | S eite
Anhang<br />
2. 0 1 2 3 Hatten Sie schlechte Träume oder Alpträume von dem Erlebnis?<br />
3.<br />
4.<br />
5.<br />
6.<br />
7.<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
War es, als würden Sie das Ereignis plötzlich noch einmal durchleben, oder handelten<br />
oder fühlten Sie so, als würde es wieder passieren?<br />
Belastete es Sie, wenn Sie an das Erlebnis erinnert wurden (fühlten Sie sich z.B. ängstlich,<br />
ärgerlich, traurig, schuldig, usw.)?<br />
Hatten Sie körperliche Reaktionen (z.B. Schweißausbruch oder Herzklopfen), wenn Sie an<br />
das Erlebnis erinnert wurden?<br />
Haben Sie sich bemüht, nicht an das Erlebnis denken, nicht darüber zu reden oder damit<br />
verbundene Gefühle zu unterdrücken?<br />
Haben Sie sich bemüht, Aktivitäten, Menschen oder Orte zu meiden, die Sie an das<br />
Erlebnis erinnern?<br />
8. 0 1 2 3 Konnten Sie sich an einen wichtigen Bestandteil des Erlebnisses nicht erinnern?<br />
9.<br />
0 1 2 3<br />
Hatten Sie deutlich weniger Interesse an Aktivitäten, die vor dem Erlebnis für Sie wichtig<br />
waren, oder haben Sie diese deutlich seltener unternommen?<br />
10. 0 1 2 3 Fühlten Sie sich Menschen Ihrer Umgebung gegenüber entfremdet oder isoliert?<br />
11.<br />
12.<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
Fühlten Sie sich abgestumpft oder taub (z.B. nicht weinen können oder sich unfähig<br />
fühlen, liebevolle Gefühle zu erleben)?<br />
Hatten Sie das Gefühl, daß sich Ihre Zukunftspläne und Hoffnungen nicht erfüllen werden<br />
(z.B. daß Sie im Beruf keinen Erfolg haben, nie heiraten, keine Kinder haben oder nicht<br />
lange leben werden)?<br />
13. 0 1 2 3 Hatten Sie Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen?<br />
14. 0 1 2 3 Waren Sie reizbar oder hatten Sie Wutausbrüche?<br />
15.<br />
16.<br />
0 1 2 3<br />
0 1 2 3<br />
Hatten Sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren (z.B. während eines Gespräches in<br />
Gedanken abschweifen; beim Ansehen einer Fernsehsendung den Faden verlieren;<br />
vergessen, was Sie gerade gelesen haben)?<br />
Waren Sie übermäßig wachsam (z.B. nachprüfen, wer in Ihrer Nähe ist; sich unwohl<br />
fühlen, wenn Sie mit dem Rücken zur Tür sitzen; usw.)?<br />
17. 0 1 2 3 Waren Sie nervös oder schreckhaft (z.B. wenn jemand hinter Ihnen geht)?<br />
Wann nach dem schlimmsten Erlebnis traten diese Probleme auf?<br />
(Bitte eine Antwortmöglichkeit ankreuzen)<br />
innerhalb der ersten 6 Monate nach 6 Monaten oder später<br />
111 | S eite
Dauern diese Probleme bis heute an?<br />
Anhang<br />
Ja Nein, diese Probleme dauerten ca. bis …………<br />
Bitte geben Sie an, ob die oben genannten Probleme Sie in den unten angeführten Bereichen Ihres<br />
Lebens beeinträchtigt haben. Bitte kreuzen Sie JA an, wenn eine Beeinträchtigung vorlag, und NEIN,<br />
wenn dies nicht der Fall war.<br />
Arbeit<br />
Hausarbeit und Haushaltspflichten<br />
Beziehungen zu Freunden<br />
Unterhaltung und Freizeitaktivitäten<br />
(Hoch-)Schule oder Ausbildung<br />
Beziehungen zu Familienmitgliedern<br />
Erotik und Sexualität<br />
Allgemeine Lebenszufriedenheit<br />
Allgemeine Leistungsfähigkeit in allen Lebensbereichen<br />
Was hat Ihnen geholfen, Ihre Zeit als minderjähriger Soldat zu überstehen? :<br />
JA NEIN<br />
_______________________________________________________________________________<br />
_______________________________________________________________________________<br />
_______________________________________________________________________________<br />
_______________________________________________________________________________<br />
Hat die Zeit als minderjähriger Soldat für Sie auch positive Seiten gehabt?<br />
Ja Nein<br />
Wenn ja, welche positiven Aspekte waren das?<br />
______________________________________________________________________________<br />
_______________________________________________________________________________<br />
_______________________________________________________________________________<br />
112 | S eite
Anhang B<br />
Anhang<br />
SF-12-Fragebogen zum Allgemeinen Gesundheitszustand<br />
Monika Bullinger und Inge Kirchberger<br />
Fragebogen zum Allgemeinen Gesundheitszustand SF 12<br />
Selbstbeurteilungsbogen Zeitfenster 4 Wochen<br />
In diesem Fragebogen geht es um die Beurteilung Ihres Gesundheitszustandes. Der Bogen<br />
ermöglicht es im Zeitverlauf nachzuvollziehen, wie Sie sich fühlen und wie Sie im Alltag<br />
zurechtkommen.<br />
Bitte beantworten Sie jede der (grau unterlegten) Fragen, indem Sie bei den<br />
Antwortmöglichkeiten die Zahl ankreuzen, die am besten auf Sie zutrifft.<br />
1. Wie würden Sie Ihren Gesundheitszustand<br />
im Allgemeinen beschreiben?<br />
Im Folgenden sind einige Tätigkeiten<br />
beschrieben, die Sie vielleicht an<br />
einem normalen Tag ausüben.<br />
Ausgezeichnet Sehr gut Gut Weniger gut Schlecht<br />
1 2 3 4 5<br />
Sind Sie durch Ihren derzeitigen Gesundheits- Ja, stark Ja, etwas Nein, überhaupt<br />
zustand bei diesen Tätigkeiten eingeschränkt? eingeschränkt eingeschränkt nicht eingeschränkt<br />
Wenn ja, wie stark?<br />
2. mittelschwere Tätigkeiten, z.B. einen Tisch<br />
verschieben, staubsaugen, kegeln,<br />
Golf spielen<br />
1 2 3<br />
3 mehrere Treppenabsätze steigen 1 2 3<br />
Hatten Sie in den vergangenen 4 Wochen<br />
aufgrund Ihrer körperlichen Gesundheit<br />
irgendwelche Schwierigkeiten bei der Arbeit<br />
oder anderen alltäglichen Tätigkeiten im Beruf<br />
bzw. zu Hause?<br />
4. Ich habe weniger geschafft als ich wollte 1 2<br />
5. Ich konnte nur bestimmte Dinge tun 1 2<br />
Hatten Sie in den vergangenen 4 Wochen aufgrund<br />
seelischer Probleme irgendwelche<br />
Schwierigkeiten bei der Arbeit oder anderen<br />
Ja<br />
Ja<br />
Nein<br />
Nein<br />
113 | S eite
alltäglichen Tätigkeiten im Beruf bzw. zu<br />
Hause (z.B. weil Sie sich niedergeschlagen<br />
oder ängstlich fühlten)?<br />
Anhang<br />
6. Ich habe weniger geschafft als ich wollte 1 2<br />
7. Ich konnte nicht so sorgfältig wie üblich<br />
arbeiten<br />
8. Inwieweit haben die Schmerzen Sie<br />
in den vergangenen 4 Wochen bei<br />
der Ausübung Ihrer<br />
Alltagstätigkeiten zu Hause und im<br />
Beruf behindert?<br />
In diesen Fragen geht es darum, wie<br />
Sie sich fühlen und wie es Ihnen<br />
in den vergangenen 4 Wochen gegangen<br />
ist. (Bitte kreuzen Sie in<br />
jeder Zeile eine Zahl an, die Ihrem<br />
Befinden am ehesten entspricht).<br />
Wie oft waren Sie in den<br />
vergangenen 4 Wochen<br />
Überhaupt<br />
nicht<br />
Ein<br />
bißchen<br />
1 2<br />
Mäßig Ziemlich Sehr<br />
1 2 3 4 5<br />
Immer Meistens Ziemlich<br />
oft<br />
Manchmal<br />
Selten Nie<br />
9. … ruhig und gelassen? 1 2 3 4 5 6<br />
10. … voller Energie? 1 2 3 4 5 6<br />
11. … entmutigt und traurig? 1 2 3 4 5 6<br />
12. Wie häufig haben Ihre körperliche<br />
Gesundheit oder seelischen<br />
Probleme in den vergangenen<br />
4 Wochen Ihre Kontakte zu anderen<br />
Menschen (Besuche bei Freunden,<br />
Verwandten usw.) beeinträchtigt?<br />
Immer Meistens Manchmal Selten Nie<br />
1 2 3 4 5<br />
114 | S eite
Anhang C<br />
Anhang<br />
Sense of coherence-Fragebogen<br />
Lebensorientierung<br />
Die folgenden Fragen beziehen sich auf verschiedene Aspekte Ihres Lebens. Auf jede Frage gibt es<br />
sieben mögliche Antworten. Bitte kreuzen Sie jeweils die Zahl an, die Ihre Antwort ausdrückt. Geben<br />
Sie auf jede Frage nur eine Antwort.<br />
1. Wenn Sie mit anderen Leuten sprechen, haben Sie das Gefühl, dass diese Sie nicht verstehen?<br />
Habe nie dieses Gefühl 1 2 3 4 5 6 7 Habe immer dieses Gefühl<br />
2. Wenn Sie in der Vergangenheit etwas machen mussten, das von der Zusammenarbeit mit<br />
anderen abhing, hatten Sie das Gefühl, dass die Sache<br />
keinesfalls erledigt werden<br />
würde<br />
1 2 3 4 5 6 7 sicher erledigt werden würde<br />
3. Abgesehen von denjenigen, denen Sie sich am nächsten fühlen - wie gut kennen Sie die<br />
meisten Menschen, mit denen Sie täglich zu tun haben?<br />
Sie sind Ihnen völlig fremd 1 2 3 4 5 6 7 Sie kennen sie sehr gut<br />
4. Haben Sie das Gefühl, dass es Ihnen ziemlich gleichgültig ist, was um Sie herum passiert?<br />
äußerst selten oder nie 1 2 3 4 5 6 7 sehr oft<br />
5. Waren Sie schon überrascht vom Verhalten von Menschen, die Sie gut zu kennen glaubten?<br />
Das ist nie passiert 1 2 3 4 5 6 7 Das kommt immer wieder vor<br />
6. Haben Menschen, auf die Sie gezählt haben, Sie enttäuscht?<br />
7. Das Leben ist<br />
Das ist nie passiert 1 2 3 4 5 6 7 Das kommt immer wieder vor<br />
ausgesprochen interessant 1 2 3 4 5 6 7 reine Routine<br />
8. Bis jetzt hatte Ihr Leben<br />
überhaupt keine klaren Ziele<br />
oder einen Zweck<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
9. Haben Sie das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden?<br />
sehr klare Ziele und einen<br />
Zweck<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
115 | Seite
10. In den letzten zehn Jahren war Ihr Leben<br />
voller Veränderungen, ohne<br />
dass Sie wussten, was als<br />
nächstes passiert<br />
Anhang<br />
1 2 3 4 5 6 7 ganz beständig und klar<br />
11. Das meiste, was Sie in Zukunft tun werden, wird wahrscheinlich<br />
völlig faszinierend sein 1 2 3 4 5 6 7 todlangweilig sein<br />
12. Haben Sie das Gefühl, in einer ungewohnten Situation zu sein und nicht zu wissen, was Sie tun<br />
sollen?<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
13. Was beschreibt am besten, wie Sie das Leben sehen?<br />
Man kann für schmerzliche<br />
Dinge im Leben immer eine<br />
Lösung finden<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
14. Wenn Sie über Ihr Leben nachdenken, passiert es sehr häufig, dass Sie<br />
fühlen, wie schön es ist zu<br />
leben<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Es gibt keine Lösung für<br />
schmerzliche Dinge<br />
sich fragen, warum Sie<br />
überhaupt da sind<br />
15. Wenn Sie vor einem schwierigen Problem stehen, ist die Wahl einer Lösung<br />
immer verwirrend und<br />
schwierig<br />
16. Das, was Sie täglich tun, ist für Sie eine Quelle<br />
1 2 3 4 5 6 7 immer völlig klar<br />
tiefer Freude und Zufriedenheit 1 2 3 4 5 6 7 von Schmerz und Langeweile<br />
17. Ihr Leben wird in Zukunft wahrscheinlich<br />
voller Veränderungen sein,<br />
ohne dass Sie wissen, was als<br />
nächstes passieren wird<br />
1 2 3 4 5 6 7 ganz beständig und klar<br />
18. Wenn in der Vergangenheit etwas Unangenehmes geschah, neigten Sie dazu,<br />
sich daran zu verzehren 1 2 3 4 5 6 7<br />
19. Wie oft sind Ihre Gefühle und Ideen ganz durcheinander?<br />
zu sagen: „Nun gut, sei´s drum,<br />
ich muss damit leben“ und<br />
weiterzumachen<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
116 | S eite
Anhang<br />
20. Wenn Sie etwas machen, das Ihnen ein gutes Gefühl gibt,<br />
werden Sie sich sicher auch<br />
weiterhin gut fühlen<br />
1 2 3 4 5 6 7 wird sicher etwas geschehen,<br />
das das Gefühl verdirbt<br />
21. Kommt es vor, dass Sie Gefühle haben, die Sie lieber nicht hätten?<br />
22. Sie nehmen an, dass Ihr zukünftiges Leben<br />
ohne jeden Sinn und Zweck<br />
sein wird<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
1 2 3 4 5 6 7 voller Sinn und Zweck sein wird<br />
23. Glauben Sie, dass es in Zukunft immer Personen geben wird, auf die Sie zählen können?<br />
Sie sind sich dessen ganz sicher 1 2 3 4 5 6 7 Sie zweifeln daran<br />
24. Kommt es vor, dass Sie das Gefühl haben, nicht genau zu wissen, was gerade passiert?<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
25. Viele Menschen - auch solche mit einem starken Charakter - fühlen sich in bestimmten<br />
Situationen wie ein Pechvogel oder Unglücksrabe. Wie oft haben Sie sich in der Vergangenheit<br />
so gefühlt?<br />
nie 1 2 3 4 5 6 7 sehr oft<br />
26. Wenn etwas passierte, fanden Sie im Allgemeinen, dass Sie dessen Bedeutung<br />
über- oder unterschätzten 1 2 3 4 5 6 7 richtig einschätzten<br />
27. Wenn Sie an Schwierigkeiten denken, mit denen Sie in wichtigen Lebensbereichen<br />
wahrscheinlich konfrontiert werden, haben Sie das Gefühl, dass<br />
es Ihnen immer gelingen wird,<br />
die Schwierigkeiten zu meistern<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Sie die Schwierigkeiten nicht<br />
werden meistern können<br />
28. Wie oft haben Sie das Gefühl, dass die Dinge, die Sie täglich tun, wenig Sinn haben?<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
29. Wie oft haben Sie Gefühle, bei denen Sie nicht sicher sind, ob Sie sie kontrollieren können?<br />
sehr oft 1 2 3 4 5 6 7 sehr selten oder nie<br />
117 | S eite
9. Eidesstattliche Erklärung<br />
Eidesstattliche Erklärung<br />
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig verfasst und<br />
keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.<br />
Die Dissertation ist bisher keiner anderen Fakultät, keiner anderen<br />
wissenschaftlichen Einrichtung vorgelegt worden.<br />
Ich erkläre, dass ich bisher kein Promotionsverfahren erfolglos beendet habe und<br />
dass eine Aberkennung eines bereits erworbenen Doktorgrades nicht vorliegt.<br />
Datum Unterschrift<br />
118 | S eite
10. Lebenslauf<br />
Name: Jenny Rosenthal<br />
Geburtsdatum: 08.05.1984<br />
Geburtsort: Neustrelitz<br />
Lebenslauf<br />
Schulbildung:<br />
1994 – 2003 Lilienthal-Gymnasium Anklam<br />
Juni 2003 Allgemeine Hochschulreife<br />
Hochschulstudium:<br />
2003 – 2009 Studium der Medizin an der <strong>Ernst</strong>-<strong>Moritz</strong>-<strong>Arndt</strong>-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Greifswald</strong><br />
16.12.2009 Erteilung der Approbation als Ärztin<br />
Unterschrift<br />
119 | S eite
11. Danksagung<br />
Danksagung<br />
Besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn PD Dr. med. P. Kuwert für die<br />
interessante Aufgabenstellung und Geduld sowie die hilfreiche Unterstützung und<br />
gute Betreuung, während der gesamten Arbeit.<br />
Ein herzlicher Dank gilt auch meinen Eltern, die mir mein Studium überhaupt<br />
ermöglichten und mir die notwendige Ruhe und Sicherheit für die Erstellung dieser<br />
Arbeit gaben. Ebenfalls gedankt sei meinem Freund, der mir zu jeder Zeit mit Rat<br />
und Tat zur Seite stand, und allen Freunden, die auf ihre Weise zum Gelingen der<br />
Arbeit beigetragen haben.<br />
Nicht versäumen möchte ich, all jenen zu danken, die sich zur Teilnahme an dieser<br />
Untersuchung bereit erklärten. Die wertvolle Kritik und Anregung manch eines<br />
Studienteilnehmers, die informativen Gespräche, Telefonate und Briefe waren eine<br />
Bereicherung für mein Leben.<br />
120 | S eite