Der Schwächste fliegt - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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echtlichen Gründen nicht bevorzugen.<br />
Nichtsdestotrotz, so Koschmieder, „spielt<br />
ja nicht nur die Abschlussnote, sondern<br />
beispielsweise auch das Motivationsschreiben<br />
eine Rolle bei der Bewerbung.<br />
Ich hoffe, dass die <strong>Jena</strong>er Studenten ihren<br />
Heimvorteil nutzen werden.“<br />
Koschmieder ist von dem Fakt, dass nicht<br />
jeder Bachelor-Absolvent der Uni <strong>Jena</strong><br />
hier auch einen Master-Studienplatz erhält,<br />
nicht sonderlich beeindruckt. Vielmehr<br />
hebt er die intensivierte Betreuungssituation<br />
im Master hervor. Seminare<br />
sollen höchstens 20, Vorlesungen höchstens<br />
60 Teilnehmer haben. <strong>Der</strong> Masterplan<br />
der Uni <strong>Jena</strong> sei – im Vergleich zu<br />
anderen Hochschulen – nicht unfair gegenüber<br />
den Bachelor-Absolventen: Anders<br />
als an vielen anderen Unis habe man<br />
sich in <strong>Jena</strong> zum Beispiel bewusst gegen<br />
Übergangsquoten entschieden. Das heißt,<br />
dass an der Uni <strong>Jena</strong> nicht von vornherein<br />
lediglich ein festgelegter Prozentsatz<br />
eines Bachelor-Jahrgangs in einen Masterstudiengang<br />
wechseln kann.<br />
Was passiert mit den Bachelor-Absolventen,<br />
die keinen Masterplatz bekommen?<br />
In den physikalischen Fakultäten<br />
ist man sich bezüglich des Bachelors als<br />
finalen Hochschulabschluss ziemlich einig:<br />
„<strong>Der</strong> Bachelor ist nur ein Zwischenabschluss“,<br />
sagt Karl-Heinz Lotze, Dekan<br />
der Physikalisch-Astronomischen Fakultät.<br />
„Physiker wird man in fünf Jahren,<br />
nicht in drei.“ In sechs Semestern könne<br />
man nur Grundlagen vermitteln, da in<br />
der Physik sehr viel aufeinander aufbaue.<br />
Deshalb möchte auch die Fakultät jedem<br />
Bachelor-Absolventen einen Master-Studienplatz<br />
bieten, indem sie keinen überragenden<br />
Abschluss verlangt. Lotze fügt<br />
hinzu: „<strong>Der</strong> Vorteil ist natürlich, dass<br />
man, anders als beim Vordiplom, dann<br />
schon einen Abschluss vorweisen kann.<br />
Mit einem Physik-Bachelor auf den Arbeitsmarkt<br />
zu gehen sollte aber eher die<br />
Ausnahme bleiben.“<br />
Ähnlich äußert sich auch Stephan Lessenich,<br />
Pro- und Studiendekan der Sozial-<br />
und Verhaltenswissenschaftlichen<br />
Fakultät: „Ob es sinnvoll ist, mit einem<br />
Bachelor-Abschluss auf den Arbeitsmarkt<br />
zu gehen, hängt vom Berufswunsch ab.“<br />
Für eine Anstellung im Bereich Markt-<br />
und Meinungsforschung sei man beispielsweise<br />
bereits mit einem Bachelor in<br />
Soziologie qualifiziert. Aber erst der Master<br />
ermögliche eine tiefere Ausbildung<br />
und sei aus wissenschaftlicher Perspektive<br />
„als Regelstudienfall angemessen.“<br />
Momentan ist es schwer, ein objektives<br />
Urteil über die Anerkennung des Bachelor-Abschlusses<br />
zu erhalten. Quantitative<br />
Erhebungen über die beruflichen Wege<br />
der Absolventen gibt es noch nicht. Die<br />
mediale Diskussion über die „Generation<br />
Bachelor“ ist oft wenig hilfreich und befördert<br />
meist das Vorurteil, der Bachelor-<br />
Absolvent sei verschult, angepasst, akademisch<br />
„irgendwie unfertig“. Dass viele<br />
nun einen Master anschließen wollen, ist<br />
nicht verwunderlich.<br />
Auslese der Besten<br />
Die Uni <strong>Jena</strong> wartet also ab. In der Zwischenzeit<br />
rettet sie sich bei der drängenden<br />
Frage nach den Masterplätzen in<br />
zwei stereotype Antworten: Erstens wisse<br />
man nicht, wie viele Bewerber es geben<br />
wird. Die Uni führte zwar im Rahmen der<br />
„Halbzeitanalyse“ eine Erhebung unter<br />
den fortgeschrittenen Bachelor-Studenten<br />
durch, um in etwa einschätzen zu können,<br />
wie viele Studenten mindestens ein<br />
Masterstudium anschließen wollen. Jedoch<br />
wurden nicht einmal 600 Studenten<br />
erfasst, sodass man wohl kaum von einer<br />
repräsentativen Umfrage sprechen kann.<br />
Genaue Bedarfsanalysen gibt es bisher<br />
nur in wenigen Fakultäten, wie beispielsweise<br />
in der für Sozial- und Verhaltenswissenschaften.<br />
Zweitens möchte man<br />
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im Master die Betreuungssituation „erheblich<br />
verbessern“, was viele Institute<br />
an ihre Kapazitätsgrenzen bringen wird.<br />
Worauf das hinausläuft, ist augenscheinlich:<br />
Unter den Bachelor-Studenten findet<br />
eine Selektion statt. Koschmieder spricht<br />
offen von einer „Besten-Auslese“. Dabei<br />
sollte man sich auch fragen, was aus<br />
den Absolventen wird, die keine „überdurchschnittlichen<br />
Noten“ haben. Ein<br />
intensiviertes Betreuungsverhältnis dürfte<br />
diejenigen herzlich wenig interessieren,<br />
die aussortiert werden, weil sie vielleicht<br />
kein gradliniger, ehrgeiziger Student eines<br />
Bachelor-Musterstudienplans waren.<br />
Letztendlich sieht Koschmieder in den<br />
neuen Master-Studiengängen „die Möglichkeit<br />
einer Zäsur“, um die eigenen beruflichen<br />
Perspektiven und Ambitionen<br />
noch einmal zu reflektieren. Für die Bachelor-Absolventen<br />
der Uni <strong>Jena</strong> könnte<br />
diese Möglichkeit der Zäsur angesichts<br />
mangelnder Masterplätze zur ungewollten<br />
Notwendigkeit werden: Die Schlange<br />
ist eben doch im Studentenparadies.<br />
Ulrike Schiefelbein und<br />
Annemarie Block<br />
Titel<br />
Ein bisschen<br />
Schwund ist<br />
immer.<br />
FOTO: KATHA-<br />
RINA SCHMIDT<br />
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