Der Schwächste fliegt - Friedrich-Schiller-Universität Jena
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„<br />
Und ganz ehrlich, ich kann dir die Uto- Torsun: Ich weiß gar nicht, ob das so viele mit ihrem martialischen Auftreten und ih-<br />
Den pie auch nicht geben. Spatz vom Leute wirklich für Dach bare Münze nehmen. geschossen<br />
rer herausgestreckten Männlichkeit total<br />
KT&F: Das ist sogar ganz wichtig. In der<br />
reinen Kritik der bestehenden Verhältnisse<br />
darf es keine Gegenmodelle geben.<br />
Dirk Schattner inszeniert das denn funktionieren? am DNT Gegen Edith irgend- Piafs platt zu Leben machen. Das in sind Liedern<br />
dann ekelige<br />
Also wäre die Umsetzung der Parole<br />
„Deutschland muss sterben“ ein großer<br />
Versuch mit ungewissem Ausgang?<br />
Torsun: Also „Raven gegen Deutschland“<br />
ist ja ein Ding der Unmöglichkeit. Das<br />
Lied ist entstanden, als wir in <strong>Friedrich</strong>shain<br />
wohnten. Es gab dort ne Zeitlang<br />
Faschoübergriffe, gegen die es dann eine<br />
Tanzdemo gab, für die viele Transparente<br />
gemalt wurden. Eins trug die Aufschrift<br />
„Deutschland muss sterben, damit wir<br />
raven können“. Ich hab’ dann diesen<br />
Slogan noch weiter vereinfacht: „Raven<br />
gegen Deutschland“. Klar richtet sich diese<br />
Aussage gegen Deutschland, aber die<br />
kann man nicht wortwörtlich übernehmen,<br />
weil es ganz einfach nicht klappen<br />
kann.<br />
Obwohl das ja viele Leute schon für<br />
bare Münze nehmen.<br />
Wenn man drüber nachdenkt – wie soll<br />
was raven ist ja eigentlich nicht möglich.<br />
KT&F: Gegen heiles Schuhwerk vielleicht!<br />
Trotzdem werden ja gerade Linke das<br />
„Raven gegen Deutschland“ aufnehmen.<br />
Was für ein Publikum wollt ihr<br />
generell ansprechen?<br />
Torsun: Ich find’s ja eigentlich geil, wenn<br />
viele Leute kommen, die eher links sind.<br />
Was bei diesem Stück natürlich total geil<br />
ist, ist, dass es unfassbar provoziert. Aber<br />
ansonsten will ich eigentlich, dass auf<br />
die Konzerte Leute kommen, die nicht<br />
aggressiv sind. Leute, die kommen und<br />
feiern wollen. Wir würden keine Gesinnungskontrolle<br />
am Eingang machen<br />
wollen. Klar, Faschos sind unerwünscht,<br />
definitiv, das ist logisch. Genauso wie<br />
Sexisten, Rassisten, und alles Ausgrenzende.<br />
KT&F: Keine Macker! Das geht mir so auf<br />
den Geist. Antifa-Macker, die es schon<br />
geil finden, jetzt endlich mal einen Nazi<br />
Bluträusche.<br />
Aber stellen wir uns mal vor, es kommt<br />
ein Nazi und die Klopperei geht los.<br />
Wie würdet ihr reagieren? Würdet ihr<br />
euch mit schlagen?<br />
Torsun: Ja ja, rausklopfen. Auf jeden Fall.<br />
Auch wenn es zehn gegen einen<br />
sind?<br />
Torsun: Den würde man halt rausschmeißen.<br />
Ich find’s eklig, wenn alle auf einen,<br />
der schon am Boden liegt, einlatschen.<br />
Aber er sollte schon gezeigt bekommen,<br />
dass er nicht erwünscht ist, und das auch<br />
so, dass er nicht unbedingt Bock hat,<br />
noch mal wieder zu kommen. Aber nicht<br />
mit ultra Berserker-Gewalt.<br />
Das Gespräch führten<br />
Anna Zimmermann und<br />
Christian Fleige<br />
Träumer in der Trabantenstadt<br />
Nix Schmetterlinge im Bauch, nur<br />
Loch im Magen“, resümiert der<br />
junge, aber bereits ausgebrannte Musiker<br />
Bill und gießt sich den sauren Apfelschnaps<br />
über den Kopf anstatt in den<br />
Magen. Plötzlich sitzt Jenni, fast 18 Jahre<br />
jung, neben ihm am Rand der grell<br />
gelben Bühne, auf der links ein großer<br />
Schrank viel Platz einnimmt und sich auf<br />
der anderen Seite eine vollständige Kücheneinrichtung<br />
stapelt. Sie nimmt ihm<br />
die Flasche aus der Hand, um das Gesöff<br />
an die eigenen Lippen zu setzen.<br />
Die beiden jungen Leute wohnen im<br />
„Karton“, doch das ist für Jenni nur ein<br />
anderer Name für die Enge der gleichförmigen<br />
Plattenbausiedlung. „Keiner<br />
hat hier noch irgendwelche Träume, die<br />
wurden alle dreckig verpixelt vom Nachmittags-TV“,<br />
resigniert die Göre trotzig<br />
und lässt ihre Kapuze über die Augen<br />
gleiten. Das Leben hat den beiden wenig<br />
geschenkt, das bisschen Hoffnung auf<br />
Glück steckt tief in ihnen vor der Welt<br />
verborgen. Es muss etwas passieren, das<br />
ihre Träume wieder aufblühen lässt.<br />
Ausgerechnet einen Tag vor ihrem Geburtstag<br />
bekommen Jenni und ihr liebenswerter,<br />
aber alleinstehender Vater<br />
„Das Herz ist ein lausiger Stricher“ am Theaterhaus<br />
Hans von dem erfolgreichen Unternehmer<br />
Ran Besuch. Im Namen seiner Firma,<br />
die neben Fischstäbchen auch Waschmittel<br />
herstellt, wurde Ran geschickt,<br />
um die Gewohnheiten der kleinen Leute<br />
hautnah kennenzulernen. Während seines<br />
eintägigen Aufenthalts wird er so mit<br />
Hilfe von Kameraaufnahmen Stück für<br />
Stück mit den Träumen und Sehnsüchten<br />
der Familie vertraut. Dabei bleiben<br />
auch seine eigenen Sorgen nicht auf der<br />
Strecke.<br />
Das neue Stück von Thomas<br />
Melle fühlt sich auf der verbeulten<br />
<strong>Jena</strong>er Theaterbühne<br />
verstörend gut an und<br />
schenkt auch dem Publikum<br />
neue Hoffnung. Durch<br />
teils berührend poetische,<br />
teils krampfhaft realistische<br />
Sprache ergreift das Stück<br />
schleichend die Herzen der<br />
Zuschauer und hält sie, je<br />
deutlicher die Katastrophe<br />
in Sicht ist, immer fester umklammert.<br />
Das „Boulevardmelodram<br />
der Gegenwart“,<br />
flott und abwechslungsreich<br />
in Szene gesetzt von Regis-<br />
seur Ronny Jakubaschk, beschert seinen<br />
Charakteren glanzvolle Auftritte ganz im<br />
Stil einer leichtlebigen Soap und gleichzeitig<br />
einer giftigen Komödie, die hin<br />
und wieder echte Lachkrämpfe provoziert.<br />
Mit sentimentaler Überdrehtheit,<br />
aber doch viel Charme nehmen die Figuren<br />
letztendlich unüberwindbar am<br />
Leben teil und machen schmerzlich über<br />
Generationen hinweg klar: Sehnsüchte<br />
lassen sich nicht so einfach ignorieren.<br />
Isabella Weigand<br />
Kultur<br />
Geht kaputt im<br />
„Karton“: Bill,<br />
gespielt von Julian<br />
Hackenberg.<br />
FOTO: JOACHIM<br />
DETTE / THEATER-<br />
HAUS<br />
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