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Das eZine der PROC Community - Terracom - PROC

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<strong>Terracom</strong> 109 <br />

Der Mann ihrer Träume,<br />

von Regina Schleheck<br />

Es war dunkel, kalt und feucht in dem Verlies.<br />

Alaa spürte, wie die Kälte durch ihre Kleidung<br />

kroch. Kadu hatte eine Decke um sie gelegt.<br />

Aber was konnte das dünne Gewebe schon<br />

ausrichten gegen diese Grabeskälte?<br />

Ihre Zehen konnte sie nicht mehr spüren. Sie<br />

versuchte, sie zu bewegen, aber da war<br />

nichts. Ihre Beine waren fest<br />

zusammengeschnürt.<br />

Es war <strong>der</strong> Anfang vom Ende. Es sollte ein<br />

langes Ende werden, darauf kam es an. Sie<br />

musste ihre ganzen Energien darauf richten,<br />

dass sie es möglichst lange durchhielt. Sie<br />

sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren,<br />

vergessen, was nicht mehr zu retten war, und<br />

sich auf das konzentrieren, was noch war.<br />

Alaa ließ ihre Aufmerksamkeit höher wan<strong>der</strong>n,<br />

in die Waden. Es gab sie noch. Sie waren hart<br />

vor Kälte, aber es war noch Leben in ihnen.<br />

Alaas Waden waren kräftig und mit weichem<br />

Flaum bewachsen, sinnliche Waden, die ein<br />

Mann gerne anfassen und streicheln würde.<br />

Kadu hatte ihr versprochen, dass sie einem<br />

Mann gehören sollte, <strong>der</strong> ihren Leib mit seinen<br />

Händen berühren würde.<br />

Alaa wusste, dass sie Kadu vertrauen konnte.<br />

Er hatte sie vor allen Mädchen ausgewählt.<br />

Alaa hatte ihm gesagt, dass sie einem Mann<br />

gehören wollte, <strong>der</strong> ihre Brüste liebkosen<br />

würde und seinen Stab in sie pflanzen würde,<br />

so dass sie seinen Samen empfangen konnte<br />

wie das trockengelegte Land die Samen von<br />

Hirse, Roggen und Gerste, um Früchte zu<br />

tragen.<br />

Eine Frucht wird dein Leib nicht mehr tragen<br />

können, hatte Kadu gesagt. Aber er wird dich<br />

überall berühren und einen Stab in dich<br />

pflanzen. Sie werden dich zu ihm bringen,<br />

wenn du dein Werk verrichtet hast und <strong>der</strong><br />

große Fluss gezähmt wurde. Wenn das Land<br />

freigeben ist, das Früchte tragen wird für dich,<br />

Alaa. Jede dieser Früchte wird ein Teil von dir<br />

sein, dein Kind, das du uns vermachst.<br />

Aber wozu soll ich ihm dann noch gut sein,<br />

wollte Alaa wissen, wenn er mich nicht mehr<br />

befruchten kann. Du wirst ihn befruchten,<br />

entgegnete Kadu. Er wird reich sein durch<br />

dich. Du wirst seinen Ruhm vermehren.<br />

Alaa sehnte sich danach, einen Schluck zu sich<br />

zu nehmen. Dann würde sie ihn sehen<br />

können, das hatte Kadu ihr versprochen. Sie<br />

sollte damit warten, bis sie nur noch das Herz<br />

in ihrer Brust spüren würde, nicht eher durfte<br />

sie trinken. Noch fühlte sie ihre Beine.<br />

Alaa versuchte sich auf ihre Familie, die<br />

Freunde zu konzentrieren. Sie wollte ihre<br />

Energien spüren, aber es gelang ihr nicht. Sie<br />

41<br />

Mai 2008<br />

Story -Der Mann ihrer Träume<br />

wusste, dass sie an sie dachten. Sie mochten<br />

jetzt die Köpfe zusammenstecken und über sie<br />

sprechen. Aber auch wenn alles, was sie<br />

sagten, Worte <strong>der</strong> Liebe sein mussten, <strong>der</strong><br />

Dankbarkeit, <strong>der</strong> Verehrung, Alaa konnte es<br />

nicht spüren. Sie empfand nur Kälte und<br />

Feuchtigkeit.<br />

Die Feuchtigkeit war gut. So sollte es sein. Sie<br />

sollte mit <strong>der</strong> ganzen Energie ihres jungen<br />

Körpers die Feuchtigkeit an sich binden. Dazu<br />

hatte man sie hierher gebracht, zu <strong>der</strong><br />

Schleife des großen Flusses auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Seite. Dazu hatte Kadu diesen Platz<br />

ausgesucht. Er hatte wochenlang die<br />

geeignete Stelle gesucht, mit den Bäumen<br />

gesprochen, auf die Winde und Gräser gehört<br />

und dem Fließen des Wassers nachgespürt.<br />

Der große gekrümmte Leib des gewaltigen<br />

Flusses wird ein schmaler Arm werden, hatte<br />

er gesagt. Du wirst dafür sorgen. Es wird<br />

lange dauern, aber so wird es kommen. <strong>Das</strong><br />

Wasser wird eine Abkürzung finden, zum<br />

Segen <strong>der</strong> Menschen. Es wird dich umfließen.<br />

Du, Alaa, wirst in <strong>der</strong> Mitte liegen, umworben<br />

von dem mächtigen Strom. <strong>Das</strong> Sumpfland<br />

wird sich zurückziehen und mit ihm die<br />

Krankheiten, das Elend, die Not. Da, wo du<br />

bist, wird das Schilf blühen, die Wasservögel<br />

werden dort ihre Zuflucht finden und kein<br />

Mensch wird es wagen, in deinem Reich zu<br />

siedeln.<br />

Aber wie werde ich den Mann finden, wollte<br />

Alaa wissen. Er wird dich finden, sagte Kadu.<br />

Wie wird er aussehen, fragte das Mädchen.<br />

Der alte Mann hatte noch einen tiefen Schluck<br />

von dem Gebräu genommen, er hatte die<br />

Augen geschlossen, und dann hatte er ihn<br />

beschrieben.<br />

Blaue Augen wird er haben, wie <strong>der</strong> Himmel,<br />

<strong>der</strong> sich im Wasser spiegelt. Sie werden mit<br />

Eis überzogen sein, wie das Eis das Wasser<br />

bedeckt, wenn es kalt wird, und die Strahlen<br />

<strong>der</strong> Sonne sich darin brechen. Wie kann er<br />

mich sehen, wenn seine Augen mit Eis<br />

bedeckt sind, fragte Alaa. Kadu lachte lallend,<br />

weil <strong>der</strong> Trunk seine Zunge schwer machte. Er<br />

wird dich umso besser sehen können, sagte<br />

er, weil das Eis das Licht bündelt. Dann hatte<br />

er ihr versprochen, dass sie von seinem<br />

Gebräu trinken durfte, wenn es soweit war,<br />

damit sie ihn auch sehen könne, den Mann,<br />

<strong>der</strong> ihr bestimmt war.<br />

Alaa war jung und stark. Sie lag<br />

vierunddreißig Stunden auf dem steinernen<br />

Boden, die Glie<strong>der</strong> fest verschnürt. Dann erst<br />

saugte sie mit letzter Kraft an <strong>der</strong><br />

Schweineblase und nahm den berauschenden<br />

Trank in sich auf, den Kadu, <strong>der</strong> Zauberer,<br />

gebraut hatte, um ihr den Übergang zu<br />

erleichtern und ihr die Träume zu schenken, in<br />

denen sie den Mann sehen würde, dem sie

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