Das Eigentum in der Marktwirtschaft - Mises.de
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<strong>Das</strong> <strong>Eigentum</strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong><br />
Von Ludwig von <strong>Mises</strong> (New York)<br />
Sozialreformer pflegen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß alles Son<strong><strong>de</strong>r</strong>eigentum an<br />
Produktionsmitteln letztlich zurückgeht entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> auf eigenmächtige Aneignung herrenlosen<br />
Gutes o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf gewaltsame Beraubung von Eigentümern, die ihr <strong>Eigentum</strong> durch solche<br />
eigenmächtige Aneignung von <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur vorhan<strong>de</strong>nen Rohstoffen und Kräften erworben<br />
haben. Es hat e<strong>in</strong>e Zeit gegeben, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> es noch ke<strong>in</strong> <strong>Eigentum</strong> gab. Es wäre vergebliches<br />
Bemühen, nach e<strong>in</strong>em rechtlichen Ursprung <strong>de</strong>s <strong>Eigentum</strong>srechtes zu suchen. Je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Eigentum</strong>stitel ist von <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigenmacht e<strong>in</strong>es Aneigners o<strong><strong>de</strong>r</strong> Enteigners abgeleitet.<br />
<strong>Das</strong> ist die Lehre, die seit Jahrtausen<strong>de</strong>n allen Plänen zugrun<strong>de</strong> lag, die glaubten, e<strong>in</strong>e bessere<br />
und gerechtere Gesellschaftsordnung aufrichten zu können. Sie alle erblickten <strong>in</strong> <strong>de</strong>m<br />
Reichtum <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>en die Ursache <strong><strong>de</strong>r</strong> Armut <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Und sie for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Ausgleichung<br />
dieser Unterschie<strong>de</strong>.<br />
Die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung <strong>de</strong>s <strong>Eigentum</strong>s aus Eigenmacht und Gewalt ist nicht etwa<br />
geschichtsphilosophische Konstruktion. Sie beschreibt, was sich immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ereignet hat,<br />
nicht nur <strong>in</strong> vorgeschichtlicher Zeit, über die wir ke<strong>in</strong>e urkundlich belegten Zeugnisse haben,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch im vollen Licht historischer Berichte. Sie entspricht genau <strong>de</strong>m, was wir z. B.<br />
über die normannische Eroberung Englands o<strong><strong>de</strong>r</strong> über die Landnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Magyaren <strong>in</strong><br />
Ungarn wissen. Sie beschreibt im Wesen, was sich im Königreich Böhmen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht<br />
am Weißen Berge ereignete. Es war immer dasselbe: E<strong>in</strong> siegreicher Kriegsherr enteignete<br />
die besiegten e<strong>in</strong>gesessenen Besitzer und verteilte die Beute unter se<strong>in</strong> Gefolge. E<strong>in</strong>ige<br />
empf<strong>in</strong>gen mehr, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e weniger; die unterworfenen Massen g<strong>in</strong>gen leer aus.<br />
Die Grundherren solcher Gesellschaftsordnung, die wir die herrschaftliche nennen können,<br />
waren wahre Herren <strong>in</strong> <strong>de</strong>m S<strong>in</strong>ne, daß sie nichts und an niemand verkauften und daher von<br />
ke<strong>in</strong>en Verbrauchern und von ke<strong>in</strong>em Markte abhängig waren. Sie verwen<strong>de</strong>ten die<br />
Überschüsse ihres Reichtums zum Unterhalt e<strong>in</strong>es bewaffneten Gefolges und e<strong>in</strong>es fronen<strong>de</strong>n<br />
Ges<strong>in</strong><strong>de</strong>s. Ke<strong>in</strong>e Mißwirtschaft konnte sie um ihren Besitz br<strong>in</strong>gen. Sie hatten nichts zu<br />
fürchten als die Ungna<strong>de</strong> ihres Herrn, <strong>de</strong>s Königs.<br />
Wenn unter diesen Verhältnissen Arme die Ursache ihrer Armut <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ungleichen Verteilung<br />
<strong>de</strong>s Landbesitzes erblickten und von e<strong>in</strong>er gerechten Neuverteilung träumten, dachten sie<br />
folgerichtig im S<strong>in</strong>ne <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturalwirtschaft selbstgenügsamer Landwirte Ihre Not war die<br />
Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> ungleichen Verteilung <strong>de</strong>s eroberten, se<strong>in</strong>en früheren Besitzern entzogenen Bo<strong>de</strong>ns.<br />
Es gab offenbar nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges wirksames Heilmittel: Enteignung aller durch e<strong>in</strong>e neue<br />
Konfiskation und gerechte Neuverteilung.<br />
Doch solange die herrschaftliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung <strong>in</strong> Kraft war, war es<br />
zu gefährlich, solche Gedanken auszusprechen. Erst viel später, als die Schlagworte<br />
Konfiskation und Verteilung durch die Entwicklung zur <strong>Marktwirtschaft</strong> e<strong>in</strong>en ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
S<strong>in</strong>n erhalten hatten, wur<strong>de</strong>n sie volkstümlich und fan<strong>de</strong>n E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> das, was man heute<br />
vielfach als Gesellschaftswissenschaft ansieht.
Die Souveränität <strong>de</strong>s Verbrauchers<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> ist je<strong><strong>de</strong>r</strong> H<strong>in</strong>weis auf <strong>de</strong>n geschichtlichen Ursprung <strong>de</strong>s Rechts<strong>in</strong>stituts<br />
<strong>de</strong>s Son<strong><strong>de</strong>r</strong>eigentums aus Eigenmacht und Gewalt gegenstandslos. Denn auf <strong>de</strong>m Markte<br />
bestimmen die Verbraucher alle<strong>in</strong>, wer über die sachlichen Produktionsmittel verfügen soll.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> gibt es nur e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Weg, um <strong>Eigentum</strong> und Besitz zu erwerben<br />
und zu bewahren: Man muß <strong>de</strong>n Verbrauchern besser zu dienen wissen als an<strong><strong>de</strong>r</strong>e es tun. In<br />
e<strong>in</strong>em täglich und stündlich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holten Plebiszit entschei<strong>de</strong>n die Menschen <strong>in</strong> ihrer<br />
Eigenschaft als Verbraucher über die Stellung, die je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eigenschaft als<br />
Erzeuger e<strong>in</strong>zunehmen hat. Reichtum, <strong>Eigentum</strong>, Besitz s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong><br />
gesellschaftliche Funktionen, die <strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen durch Volksabstimmung zugewiesen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
entzogen wer<strong>de</strong>n. In ihrer Eigenschaft als Verbraucher s<strong>in</strong>d die Individuen souverän; <strong>in</strong> ihrer<br />
Eigenschaft als Erzeuger s<strong>in</strong>d sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Willkür <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher unterworfen. Als Erzeuger<br />
müssen sie selbst Launen und Unvernunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher über sich ergehen lassen, wenn sie<br />
nicht die Geisteskraft besitzen, ihre Herren umzustimmen.<br />
<strong>Eigentum</strong> an Produktionsmitteln muß <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> so verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, daß es <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Befriedigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedürfnisse dient, die von <strong>de</strong>n Verbrauchern als die dr<strong>in</strong>gendsten angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n. <strong>Eigentum</strong> kann <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> nur bewahrt wer<strong>de</strong>n, wenn man es täglich neu<br />
erwirbt durch Dienst am Kun<strong>de</strong>n, durch Anpassung an die immerfort im Flusse bef<strong>in</strong>dlichen<br />
Wünsche <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher. Der die beste, d. h. diesen Wünschen am besten entsprechen<strong>de</strong><br />
Anlage suchen<strong>de</strong> Kapitalist muß je<strong>de</strong>n Augenblick bereit se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e Pläne zu än<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Er muß<br />
trachten, die beständig wechseln<strong>de</strong>n Begehrungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher vorwegzunehmen und<br />
danach zu han<strong>de</strong>ln. <strong>Das</strong> Bestreben <strong><strong>de</strong>r</strong> Besitzen<strong>de</strong>n - <strong><strong>de</strong>r</strong> Kapitalisten -, die beste - d. h. die<br />
<strong>de</strong>n dr<strong>in</strong>gendsten Wünschen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher entsprechen<strong>de</strong> - Verwendung ihrer Mittel zu<br />
f<strong>in</strong><strong>de</strong>n, bestimmt die Kursgestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Börsen und aller an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Märkte.<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>eigentum an <strong>de</strong>n Produktionsmitteln be<strong>de</strong>utet <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> Souveränität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verbraucher, <strong><strong>de</strong>r</strong> Masse <strong>de</strong>s Volkes.<br />
E<strong>in</strong> Prozeß, <strong><strong>de</strong>r</strong> viele Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te <strong>in</strong> Anspruch nahm, hat die auf Gewalt und Unterjochung<br />
beruhen<strong>de</strong> herrschaftliche Wirtschaftsordnung schrittweise <strong>in</strong> die auf freiwilligem Tausch von<br />
Leistung und Gegenleistung beruhen<strong>de</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> umgewan<strong>de</strong>lt. Wo es sich um die<br />
Beseitigung von persönlichen Hörigkeitsverhältnissen wie Sklaverei und Leibeigenschaft<br />
han<strong>de</strong>lte, waren gewaltsame E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse oft nicht zu vermei<strong>de</strong>n.<br />
Doch im übrigen konnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang ohne Anwendung von Gewalt vollziehen. Die<br />
Enteignung kirchlichen und a<strong>de</strong>ligen Grundbesitzes, wie sie manchenorts vorgenommen<br />
wur<strong>de</strong>, störte nur <strong>de</strong>n ruhigen Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Umwandlung. Man konnte die D<strong>in</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entscheidung durch die Verbraucher überlassen. Den Erben e<strong>in</strong>stmalig herrschaftlichen<br />
Besitzes, die sich nicht <strong>de</strong>n Wünschen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher anzupassen wußten, konnte <strong><strong>de</strong>r</strong> Markt<br />
ihr <strong>Eigentum</strong> ohne Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgeber und <strong><strong>de</strong>r</strong> Polizei entziehen.<br />
Die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> mit ihrer Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftsrechnung brachte auch<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiete <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Verfassung e<strong>in</strong> Neues. Die mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Demokratie ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Versuch, die Souveränität, die <strong>de</strong>m Individuum auf <strong>de</strong>m Markte zukommt, soweit es möglich<br />
ist auch im Politischen zu verwirklichen. Der Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich auf <strong>de</strong>m Markte zur Geltung zu<br />
br<strong>in</strong>gen weiß, will im Staate nicht länger H<strong>in</strong>tersasse bleiben. Er for<strong><strong>de</strong>r</strong>t Stimme <strong>in</strong> allen<br />
Entscheidungen, er wird Wähler und damit auch im Politischen souverän. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung zur <strong>Marktwirtschaft</strong> entwickelte sich auch das parlamentarische
Regierungssystem. Es strebt danach, <strong>de</strong>m Individuum im Politischen die Vormacht zu<br />
gewähren, die ihm im Wirtschaftlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Markt zuweist. Und wo immer die<br />
<strong>Marktwirtschaft</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Geme<strong>in</strong>wirtschaft weicht, tritt die auf Bajonette gestützte Diktatur an die<br />
Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> gewählten Volksvertreter.<br />
Die Wurzeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheitsrechte<br />
Wenn man darauf h<strong>in</strong>weist, daß die <strong>de</strong>mokratische Regierungsform auf <strong>de</strong>m politischen Fel<strong>de</strong><br />
das vollbr<strong>in</strong>gen will, was die <strong>Marktwirtschaft</strong> auf <strong>de</strong>m wirtschaftlichen Fel<strong>de</strong> vollbr<strong>in</strong>gt, muß<br />
man beachten, daß sie als Mittel, <strong>de</strong>m Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger Geltung zu verschaffen, weniger<br />
leistungsfähig ist als das marktwirtschaftliche System. In <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong> wer<strong>de</strong>n nicht<br />
nur die Wünsche <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit berücksichtigt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die von M<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heiten, sofern sie<br />
zahlenmäßig nicht ganz und gar unbeträchtlich s<strong>in</strong>d. Die Industrien erzeugen nicht nur für <strong>de</strong>n<br />
Bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> Normalen und son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für die M<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heiten, die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kost, Kleidung<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesun<strong>de</strong>n, technische Hilfsmittel benötigen. Die Verleger veröffentlichen nicht nur<br />
Detektivgeschichten für die Massen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch lyrische Gedichte und philosophische<br />
Abhandlungen für e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heit. Doch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik gilt nur die Mehrheit, und die<br />
M<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>heit muß sich mit Kritik begnügen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> vorletzten amerikanischen Präsi<strong>de</strong>ntenwahl<br />
betrug die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> für die <strong>de</strong>mokratische Partei abgegebenen Stimmen zwei vom<br />
Tausend. Doch das genügte, um für vier Jahre <strong>de</strong>n Republikanern jeglichen E<strong>in</strong>fluß auf die<br />
Gestaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik ihres Lan<strong>de</strong>s zu nehmen.<br />
Man hat <strong>de</strong>m Markte <strong>de</strong>n <strong>de</strong>mokratischen Charakter absprechen wollen, weil doch <strong>de</strong>m<br />
Reichen mehr Geld - Stimmzettel - zur Verfügung stehen als <strong>de</strong>m M<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>bemittelten. Doch<br />
Reichtum kann <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kapitalistischen Wirtschaftsordnung nur durch Dienste, die <strong>de</strong>n<br />
Verbrauchern durch die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen<strong>de</strong> Verwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Produktionsmittel geleistet wur<strong>de</strong>n, erworben und bewahrt wer<strong>de</strong>n. Dar<strong>in</strong> besteht ja gera<strong>de</strong><br />
das Demokratische <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong>, daß <strong>in</strong> ihr die Unternehmer und Kapitalisten<br />
durchaus von <strong>de</strong>m gewöhnlich als eigennützig bezeichneten Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbraucher<br />
abhängen.<br />
Der schwerste politische Irrtum unserer Zeit ist die Verkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wurzeln <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Freiheitsrechte. Man glaubt, daß Re<strong>de</strong>-, Gedanken- und Pressefreiheit, Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsausübung, Versammlungsfreiheit und alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezeichnung<br />
Menschen- und Bürgerrechte zusammengefaßten Freiheiten ihren Ursprung und Bestand<br />
Staatsgesetzen verdanken. Doch was Gesetze <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht vollbr<strong>in</strong>gen können, ist alle<strong>in</strong><br />
das, daß sie die Freiheiten, die die freie - d. h. die nicht durch <strong>de</strong>n Zwangs- und<br />
Unterdrückungsapparat <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung manipulierte - <strong>Marktwirtschaft</strong> <strong>de</strong>n Bürgern gewährt,<br />
vor Angriffen seitens <strong>de</strong>s behördlichen Staatsapparates schützen. Wo es ke<strong>in</strong>e<br />
<strong>Marktwirtschaft</strong> gibt, s<strong>in</strong>d alle gesetzlichen Garantien <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheitsrechte wertlos. Was soll<br />
Pressefreiheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lan<strong>de</strong>, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m alle Druckereien von <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung verwaltet wer<strong>de</strong>n?<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlungsfreiheit, wenn alle Versammlungshallen Regierungseigentum s<strong>in</strong>d? Und<br />
so fort. <strong>Das</strong> wußten alle vernünftigen Leute schon lange, und <strong>de</strong>nen, die es nicht wußten, hat<br />
auch die Erfahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> jenseits <strong>de</strong>s Eisernen Vorhangs nicht die Augen geöffnet.<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelne Freund verstärkter Regierungsbetätigung auf wirtschaftlichem Gebiete nimmt<br />
es als selbstverständlich an, daß die Machthaber gera<strong>de</strong> so vorgehen wer<strong>de</strong>n, wie er selbst es<br />
für richtig hält. In <strong>de</strong>n Augen je<strong>de</strong>s Sozialisten ist nur <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige Sozialismus wahrer und<br />
echter Sozialismus, <strong><strong>de</strong>r</strong> se<strong>in</strong>en eigenen Wünschen entspricht. Alles an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Auffassung nicht nur nicht Sozialismus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das ärgste aller <strong>de</strong>nkbaren Übel.
<strong>Das</strong> Erstaunliche ist, daß die eklatanten Mißerfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen und<br />
<strong>in</strong>terventionistischen Wirtschaftspolitik die Volkstümlichkeit dieser I<strong>de</strong>ale im Westen nicht<br />
bee<strong>in</strong>trächtigt haben. Nicht nur die Massen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die Mehrzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebil<strong>de</strong>ten sehen<br />
nicht, was das Los <strong>de</strong>s e<strong>in</strong>zelnen im totalen Staat se<strong>in</strong> muß. Sie verstehen nicht, daß im<br />
sozialen Obrigkeitsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>zelne e<strong>in</strong> rechtloser Sklave ist mit <strong>de</strong>m die Obrigkeit nach<br />
Gutdünken verfährt, <strong>de</strong>m sie Arbeit und Wohnsitz zuweist, <strong>de</strong>ssen Lebenshaltung sie genau<br />
bestimmt und <strong>de</strong>m sie die Möglichkeit benimmt, sich über die ihm zuteil gewor<strong>de</strong>ne<br />
Behandlung zu beschweren.<br />
Der common man ist ke<strong>in</strong> Idiot<br />
Die antikapitalistische Propaganda kann heute, nahezu e<strong>in</strong> halbes Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t seit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Errichtung unumschränkter sozialistischer Herrschaft <strong>in</strong> <strong>de</strong>m räumlich größten und an<br />
Naturschätzen reichsten Lan<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt, nicht mehr e<strong>in</strong>fach die Schlagworte verwen<strong>de</strong>n, die<br />
ihr im viktorianischen Zeitalter Erfolg verschafft haben. Im Mittelpunkte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neu-sozialistischen Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> kapitalistischen Gesellschaftsordnung stehen heute zwei<br />
nachmarxistische Argumente: das Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Ohnmacht <strong>de</strong>s Verbrauchers gegenüber <strong>de</strong>n<br />
Werbekünsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Unternehmer und das Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> angeblich unaufhaltsamen<br />
Entwicklung zum Monopol. Bei<strong>de</strong>n Argumenten ist geme<strong>in</strong>sam, daß sie <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n<br />
Tatbestand <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Marktwirtschaft</strong>, die Vorrangstellung <strong>de</strong>s Verbrauchers, zu bestreiten suchen.<br />
Wie sie es sehen, ist Son<strong><strong>de</strong>r</strong>eigentum an <strong>de</strong>n Produktionsmitteln e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung, die es <strong>de</strong>n<br />
Eigentümern ermöglicht, die Verbraucher schrankenlos auszunützen und auszuplün<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Die kapitalistische Wirtschaft, sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> amerikanische Sachverständige von heute, dient nicht<br />
<strong>de</strong>n Verbrauchern, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausschließlich <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Spekulanten und Ausbeuter.<br />
Erzeugt wird nicht das, was die Leute wirklich brauchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das, das <strong>de</strong>n Unternehmern<br />
<strong>de</strong>n höchsten Gew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gt. <strong>Das</strong> Werbe- und Anzeigewesen hat die Aufgabe, die Nachfrage<br />
<strong>in</strong> jene Bahnen zu lenken, die <strong>de</strong>n Wünschen <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschäftswelt entsprechen.<br />
Die Industrie befriedige nicht die wahren Bedürfnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen. Sie wecke<br />
Sche<strong>in</strong>bedürfnisse, um an ihrer Befriedigung zu verdienen. Der e<strong>in</strong>zelne sei wehrlos<br />
gegenüber <strong>de</strong>n teuflischen Künsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Werbefachleute, ihrem „high pressure advertis<strong>in</strong>g“.<br />
Unentwegt arbeiten die Laboratorien <strong><strong>de</strong>r</strong> Groß<strong>in</strong>dustrie an neuen Erf<strong>in</strong>dungen, um <strong>de</strong>m armen<br />
Volke noch mehr Geld abzuzapfen.<br />
Es ist wohl überflüssig auf dieses Geschwätz näher e<strong>in</strong>zugehen. Doch se<strong>in</strong>e politische<br />
Be<strong>de</strong>utung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t Beachtung.<br />
<strong>Das</strong> täglich wachsen<strong>de</strong> Schrifttum über die Übel <strong>de</strong>s Werbewesens schil<strong><strong>de</strong>r</strong>t <strong>de</strong>n<br />
Durchschnittsamerikaner, <strong>de</strong>n vielberufenen „common man“, mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger als e<strong>in</strong>en<br />
Idioten. In e<strong>in</strong>em Buch, das e<strong>in</strong>en gewaltigen Absatz und Beifall fand, beschreibt Mr. Vance<br />
Packard das Verhalten <strong>de</strong>s typischen Käufers <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen amerikanischen<br />
Lebensmittelgeschäft. Wenn die Hausfrau nicht abkommen kann und <strong><strong>de</strong>r</strong> Gatte <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n<br />
aufsucht, um e<strong>in</strong>en Laib Brot zu besorgen, kehrt er heim bei<strong>de</strong> Arme vollbepackt mit<br />
überflüssigen und kostspieligen Leckerbissen. Doch die Gatt<strong>in</strong> ist nicht besser als ihr<br />
Gefährte. Sie achtet beim E<strong>in</strong>kauf nicht auf die Beschaffenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ware, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf die<br />
Schönheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpackung 1 .<br />
1 Vance Packard, The Hid<strong>de</strong>n Persua<strong><strong>de</strong>r</strong>s, 1957 (Pocket Books, Inc. New York, Seite 92 ff.).
Nun muß man beachten, daß dieser Mann und diese Frau, die sich beim Lebensmittele<strong>in</strong>kauf<br />
angeblich wie dumme K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong> benehmen, Wähler s<strong>in</strong>d und letzten En<strong>de</strong>s die Richtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Politik ihres Lan<strong>de</strong>s bestimmen. Die Nutzanwendung ist klar. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Souveränität <strong>de</strong>s<br />
Bürgers <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eigenschaft als Käufer und Verbraucher soll auch se<strong>in</strong>e Souveränität <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er Eigenschaft als Wähler beseitigt wer<strong>de</strong>n. Die Schriften, die <strong>de</strong>m<br />
Durchschnittsmenschen die Fähigkeit absprechen, vernünftig zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
zum Kaufe ausgebotenen Artikeln <strong>de</strong>s Bedarfs zu wählen, bereiten <strong>de</strong>n Weg für die<br />
Entrechtung <strong>de</strong>s Wählers durch e<strong>in</strong>e künftige Diktatur.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Aufsatz folgt; s. „Monopole – Dichtung und Wahrheit“ (1965).<br />
[Quelle: Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik 10:12(Dez. 1964) 725-29; PDF-<br />
Version: www.mises.<strong>de</strong>]