Geheimakte Regierungsbunker Umbruch - vh-buchshop.de
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6<br />
Im Technikraum <strong>de</strong>r<br />
Haupttore. Die sogenannten<br />
MAN-Tore fuhren auf<br />
speziellen Wagen in <strong>de</strong>n<br />
Tunnelzugang und verschlossen<br />
ihn so von <strong>de</strong>r<br />
Seite. Die Antriebstechnik<br />
funktionierte elektrisch<br />
wie auch mit Handbetrieb.<br />
En<strong>de</strong> Februar 2008 wur<strong>de</strong> ein bun<strong>de</strong>sweit<br />
einmaliges Zeugnis vergangener Zeiten seiner<br />
neuen Aufgabe übergeben: Aus <strong>de</strong>m ehemaligen<br />
<strong>Regierungsbunker</strong> im Ahrtal wur<strong>de</strong> ein<br />
Museum. Teilbereiche <strong>de</strong>r einst mehr als<br />
17 Kilometer langen Anlage stehen <strong>de</strong>m<br />
Publikumsverkehr offen, la<strong>de</strong>n Jung und Alt<br />
aus aller Welt ein. Das Interesse ist groß,<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Bunker wur<strong>de</strong> über ein halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
durch die Regierung zum Tabu-<br />
Thema für die Öffentlichkeit erklärt. Insofern<br />
erobert je<strong>de</strong>r Gast das Staatsgeheimnis a.D.<br />
Der neu gestaltete Zugangsbereich zur „Dokumentationsstätte <strong>Regierungsbunker</strong>“<br />
Im Obergeschoss lagen<br />
die Unterkunfts- sowie<br />
Waschräume. Spartanisch<br />
ausgestattet, verströmten<br />
sie Kasernen-Flair und verzichteten<br />
auf je<strong>de</strong>n Luxus.<br />
936 Schlafräume und 897<br />
Büros wur<strong>de</strong>n im Bunker<br />
errichtet.<br />
Zeitreise zurück in <strong>de</strong>n Kalten Krieg<br />
auf seine Art und kann in die Atmosphäre<br />
<strong>de</strong>s „Kalten Krieges“ eintauchen.<br />
Für <strong>de</strong>n Heimatverein „Alt-Ahrweiler“ als<br />
Träger <strong>de</strong>r Dokumentationsstätte <strong>Regierungsbunker</strong><br />
ist das eine Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
beson<strong>de</strong>rer Art, <strong>de</strong>nn die Mitarbeiter informieren<br />
über Inhalte und Hintergrün<strong>de</strong> einer<br />
unterirdischen Welt, die bis vor kurzem <strong>de</strong>r<br />
strikten Geheimhaltung unterlag.<br />
Dieses Buch gibt Einblicke in die Geschichte<br />
<strong>de</strong>s Bunkers, <strong>de</strong>r Baustein einer komplexen<br />
Notstandsplanung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik
mit Anbauten für Empfang, Kinosaal, Informationsfläche und Museumsverwaltung.<br />
Deutschland war. Dabei fiel <strong>de</strong>r Anlage eine<br />
Rolle zu, die weit über <strong>de</strong>n Status eines Verteidigungsbauwerks<br />
hinausging. Planung und<br />
Bau <strong>de</strong>s Bunkers waren geprägt von finanziellen,<br />
technischen und politischen Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />
die allesamt bis dahin in <strong>de</strong>r<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik einmalig waren und oft an<br />
die Grenzen <strong>de</strong>s Möglichen gingen – in Teilbereichen<br />
darüber hinaus.<br />
So ist <strong>de</strong>r „Ausweichsitz <strong>de</strong>r Verfassungsorgane<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in<br />
Krise und Krieg“ – so die amts<strong>de</strong>utsche Titulierung<br />
<strong>de</strong>s Bunkers während seiner Dienst-<br />
Verschlungene Bunkerpfa<strong>de</strong>:<br />
Umgehung <strong>de</strong>r<br />
25 Tonnen schweren<br />
Haupttore, von <strong>de</strong>nen<br />
immer eines geschlossen<br />
war. Für die Mitarbeiter<br />
gab es Wege, um trotz<strong>de</strong>m<br />
im Alltag in die Anlage zu<br />
kommen.<br />
jahre von 1972 bis 1997 – als teuerste Einzelinvestition<br />
in die <strong>de</strong>utsche Geschichte<br />
eingegangen. Über 10 Jahre wur<strong>de</strong> daran<br />
gebaut. Und rund 20.000 Menschen waren<br />
dafür im Einsatz, immer unter <strong>de</strong>m Siegel<br />
<strong>de</strong>r Geheimhaltung.<br />
Gehen wir also zurück in die Zeit <strong>de</strong>s Kalten<br />
Krieges im gespaltenen Europa, in die Zeit<br />
<strong>de</strong>r Bonner Republik. Und öffnen wir<br />
gemeinsam geheime Akten und Dokumente,<br />
die Zeitzeugen dieser vergangenen Epoche.<br />
7<br />
Aussichtsplattform am<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Museumsbereiches<br />
mit Blick in <strong>de</strong>n<br />
Kuxberg, in <strong>de</strong>m einst auf<br />
rund 6,5 Kilometern<br />
Länge nur <strong>de</strong>r östliche –<br />
und kleinere – Teilbereich<br />
<strong>de</strong>s Bunkers lag. Das<br />
Stollensystem ist immer<br />
noch vorhan<strong>de</strong>n. Für die<br />
Besucher <strong>de</strong>r Dokumentationsstätte<br />
ist am Gitter<br />
Schluss.
28<br />
Bei <strong>de</strong>r Errichtung <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utschen Bunker im<br />
amerikanischen Bo<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Wüste Nevadas<br />
begann die Zusammenarbeit<br />
bei<strong>de</strong>r Nationen erst<br />
richtig. Die USA machen<br />
ihren Atomtest-Partnern<br />
sehr schnell klar, dass<br />
nach ihren Regeln<br />
gebaut, gesprengt und<br />
ausgewertet wird. Die<br />
Deutschen liefern das<br />
Material, die Amerikaner<br />
erhalten die Baupläne,<br />
erstellen die Bunker und<br />
werten aus, was die<br />
Atombombe davon übrig<br />
lässt. Erst nach Monaten<br />
darf eine <strong>de</strong>utsche<br />
Delegation das streng<br />
abgeschirmte Testgelän<strong>de</strong><br />
betreten und eigene<br />
Untersuchungen<br />
anstellen.<br />
Deutschlands heimlicher Atomtest<br />
Bun<strong>de</strong>s-Bunker stellen sich<br />
in <strong>de</strong>r Wüste Nevadas <strong>de</strong>m<br />
großen Knall<br />
Flughafen Köln-Wahn, 1. Dezember 1957.<br />
In <strong>de</strong>n diesigen Dezemberhimmel hebt um<br />
Punkt 11.45 Uhr eine Maschine <strong>de</strong>r skandinavischen<br />
Fluggesellschaft SAS ab, Reiseziel<br />
Kopenhagen. An Bord sitzen in <strong>de</strong>r<br />
1. Klasse einige Deutsche mit einem Ziel,<br />
das garantiert kein an<strong>de</strong>rer Passagier teilt.<br />
Am 2. Dezember, 6 Uhr morgens, erreichen<br />
sie Winnipeg in Kanada, dann um<br />
11 Uhr Los Angeles, USA. Schließlich um<br />
16.30 Uhr Las Vegas. Am nächsten Morgen<br />
um 8 Uhr verlassen sie mit <strong>de</strong>m Bus<br />
<strong>de</strong>n Ort, <strong>de</strong>r noch längst kein Spielerparadies<br />
ist, in Richtung Nordwesten. Es geht<br />
100 Kilometer durch unbewohnte Wüste.<br />
Nach zwei Stun<strong>de</strong>n hält <strong>de</strong>r Bus, einge-<br />
setzt zu einer Son<strong>de</strong>rfahrt von <strong>de</strong>r amerikanischen<br />
Regierung, an einem Posten.<br />
Sicherheitsüberprüfung. Es geht weiter<br />
zum „Camp Mercury“, in <strong>de</strong>m die <strong>de</strong>utschen<br />
Gäste für eine Woche einchecken.<br />
Kein gewöhnliches Hotel, son<strong>de</strong>rn die<br />
Siedlung amerikanischer Atomforscher,<br />
mitten in <strong>de</strong>r Wüste Nevadas. Das Ziel ist<br />
erreicht: das streng abgeschirmte US-<br />
Atomtestgelän<strong>de</strong>.<br />
Am 3. Dezember geht es früh morgens<br />
weiter. Es ist noch dunkel, als die Fahrt<br />
durch eine unwirtliche Mondlandschaft<br />
beginnt, zerpflügt von <strong>de</strong>r atomaren Kraft<br />
einiger Bombentests. Am „Groom Lake“ in<br />
Area 2 en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Ausflug. Die neun Deutschen<br />
und ihr Dolmetscher sind am Ziel.<br />
Unter ihren Füßen liegt das, was Monate<br />
zuvor durch amerikanische Experten im<br />
Auftrag <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Regierung verbud<strong>de</strong>lt<br />
wur<strong>de</strong>: Bunker-Knowhow „ma<strong>de</strong> in<br />
germany“. Es sind neun Schutzbauten,<br />
durch <strong>de</strong>utsche Fachleute verschie<strong>de</strong>ner<br />
Unternehmen entworfen, gebaut, schließlich<br />
in Kisten verpackt Richtung USA verschifft.<br />
Das Testgelän<strong>de</strong> betreten und die Bunker<br />
bauen – das durften die Deutschen nicht!<br />
Das blieb <strong>de</strong>m US-Unternehmen „Smith &<br />
Ammann“ als Empfehlung <strong>de</strong>r US-Regierung<br />
an die Deutschen vorbehalten. Die<br />
Amerikaner organisierten <strong>de</strong>n Bau und<br />
hielten Kontakt zur US-Atomkommission<br />
als Hausherr.<br />
Zwischen die Bauzeit im Frühjahr 1957<br />
und die nun stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Dezembervisite
In <strong>de</strong>n frühen Morgenstun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s 31. August<br />
1957 zün<strong>de</strong>n die USA „Smoky“ – die stärkste<br />
bis dahin über <strong>de</strong>m amerikanischen Festland<br />
getestete Atomwaffe und lassen die Energie<br />
auf <strong>de</strong>utsche Bunker in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft los.<br />
fällt „Smoky“. Am 31. August 1957 zün<strong>de</strong>n<br />
die Amerikaner in <strong>de</strong>n frühen Morgenstun<strong>de</strong>n<br />
die stärkste bis dahin über<br />
<strong>de</strong>m amerikanischen Festland vorbereitete<br />
Atombombe. Mit 43 Kilotonnen (Sprengstoff<br />
TNT) entspricht „Smoky“ <strong>de</strong>r mehr<br />
als 2-fachen Kraft, die Hiroshima in Schutt<br />
und Asche legte. Der erste <strong>de</strong>utsche von<br />
neun vergrabenen Bunkern befin<strong>de</strong>t sich<br />
exakt 252 Meter von <strong>de</strong>m Punkt, an <strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r 213 Meter hohe Mast mit <strong>de</strong>r Kernwaffe<br />
steht. Von <strong>de</strong>m Gittermast sind nur<br />
noch einige Stahlstücke übrig, quer verteilt<br />
über die Wüste Nevadas. Doch die<br />
haben es in sich: Nicht umsonst mussten<br />
die Deutschen bis zu dieser Visite drei<br />
Monate warten. Es strahlt, was die Dosimeter<br />
hergeben. Im Schnitt, und das<br />
Protokoll verharmlost es später durch die<br />
Durchschnittsberechnung, nehmen die<br />
Teilnehmer etwa 430 Millirad Kernstrahlung<br />
auf.<br />
Unabhängig (und unwissend) davon dürften<br />
die Teilnehmer <strong>de</strong>r Delegation, die<br />
sich aus hochkarätigen Mitarbeitern <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sfinanzministeriums, <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverteidigungsministeriums,<br />
<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>swohnungsbauministeriums,<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sbaudirektion<br />
und zwei Sachverständigen sowie<br />
eines Vertreters <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Botschaft<br />
in Washington zusammensetzt, an diesem<br />
3. Dezember 1957 mitten in <strong>de</strong>r atomar<br />
stark belasteten Wüste Nevadas sehr<br />
zufrie<strong>de</strong>n ins Bett gestiegen sein. Die<br />
<strong>de</strong>utschen Bunker hatten <strong>de</strong>n Test besser<br />
überstan<strong>de</strong>n, als man das erhofft hatte.<br />
Einige leichte Beschädigungen im Außenbereich,<br />
nur Haarrisse innen. Die 30<br />
Mäuse, durch US-Experten in je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Bunker „exportiert“, hatten bis auf<br />
einen Schutzbau die Detonation unbescha<strong>de</strong>t<br />
überlebt. Im To<strong>de</strong>sbunker war aber<br />
nicht die Atombombe Schuld, son<strong>de</strong>rn die<br />
versehentlich eingeschaltete Stromerzeugung<br />
eines benzinbetriebenen Generators.<br />
Die Nager erlitten eine Kohlenmonoxidvergiftung<br />
im Abgasstrahl.<br />
Die US-Militärs schicken nicht zuletzt<br />
wegen dieser geringen <strong>de</strong>utschen Verluste<br />
in ihrer Wüste reihenweise Experten Richtung<br />
„german shelter“ als dort noch alles<br />
atomar verseucht ist. Lange bevor die Bonner<br />
Run<strong>de</strong> im Dezember eintrifft, ist man<br />
brennend interessiert am <strong>de</strong>utschen Bunker-Knowhow<br />
– einem Gebiet, in <strong>de</strong>m die<br />
Entwickler einen Vorteil dank umfangreicher<br />
praktischer Erfahrungen aus <strong>de</strong>m<br />
letzten Weltkrieg haben. Was sich zynisch<br />
anhört, wird unter Diplomaten sehr sachlich<br />
gesehen und öffnet <strong>de</strong>n Deutschen<br />
29
66<br />
Den MAN-Toren als Kern<br />
<strong>de</strong>r Eingangsbauwerke an<br />
allen vier Hauptzugängen<br />
kam eine Schlüsselrolle<br />
zu. Hier sollten atomare<br />
Druckwellen aufgehalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Gesetze <strong>de</strong>r<br />
Physik waren einfach:<br />
Masse will bewegt<br />
wer<strong>de</strong>n. Also entschloss<br />
man sich, Schwergewichte<br />
vor <strong>de</strong>n Tunnelzugang<br />
zu setzen und<br />
arbeitete sich dabei<br />
stückweise ans Ziel. Auf<br />
die Bo<strong>de</strong>nplatte wur<strong>de</strong><br />
ein Torrahmen gestellt.<br />
Dann wur<strong>de</strong> das mit<br />
Beton ausgegossene,<br />
25 Tonnen schwere Tor<br />
eingesetzt (im Hintergrund<br />
die hohen<br />
Sichtschutzzäune)<br />
Verschlußsache<br />
Patente I<strong>de</strong>e:<br />
Die MAN-Haupttore<br />
Faszination MAN-Tore. Bis zum heutigen<br />
Tag reicht <strong>de</strong>r Mythos. Er wur<strong>de</strong> nicht<br />
beseitigt – o<strong>de</strong>r konnte nicht abgerissen<br />
wer<strong>de</strong>n. In allen Hauptzugängen stehen<br />
die 25 Tonnen schweren Verschlüsse auf<br />
ihren Wagen, jeweils zwei Stück. Gegenläufig<br />
und in alter Zeit immer eines<br />
geschlossen – man wusste ja nie.<br />
Faszinierend nicht zuletzt <strong>de</strong>shalb, weil<br />
alle acht Tore auch nach <strong>de</strong>m Rückbau wie<br />
Mahnmale in ihren Betonnischen ruhen.<br />
Ewige Wächter an vergessen Orten.<br />
Nach <strong>de</strong>r Tormontage. Mit 30.000 Tonnen<br />
Beton und reichlich Stahl in <strong>de</strong>r Bewehrung<br />
wur<strong>de</strong>n die Tore im Eingangsbauwerk<br />
eingegossen.<br />
Schilfrohr(an)bau im Ahrtal<br />
Die MAN-Haupttore, je<strong>de</strong>s 25 Tonnen<br />
schwer, waren <strong>de</strong>r Kern eines sensiblen<br />
Bereiches. Eingegossen in ihrem Umfeld,<br />
<strong>de</strong>n Zugangsbauwerken, waren sie das<br />
erste, was aufgestellt wur<strong>de</strong>. Um die Stahlgerüste<br />
<strong>de</strong>r Führung wur<strong>de</strong>n die gesamten<br />
Eingangsbauwerke gebaut – monatelang.<br />
Die Umsetzung einer unglaublichen I<strong>de</strong>e,<br />
vergleichbar mit <strong>de</strong>m Haus, dass um die<br />
Haustür gebaut wird.<br />
Ein skurriler Anblick: Die abschotten<strong>de</strong>n<br />
Haupttore stan<strong>de</strong>n einsam und allein auf<br />
einer riesigen Betonfläche, <strong>de</strong>m Fundament<br />
für die Außenbauwerke. Ein Anblick,<br />
<strong>de</strong>r offensichtlich auch <strong>de</strong>m Bauherren ein<br />
wenig ungeheuerlich erschien. Es wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>shalb bis zu 20 Meter hohe Sichtschutzzäune<br />
um <strong>de</strong>n Torbau zu Marienthal, Dernau<br />
und Ahrweiler errichtet. Keine Himmelsrichtung<br />
blieb von <strong>de</strong>n Tarnnetzen<br />
(zum Stückpreis von 105.000 DM) und<br />
Schilfrohrzäunen verschont.
Die ursprünglich „weiche“ Lösung<br />
Die ursprüngliche Planung <strong>de</strong>s Zugangsbereichs<br />
sah eine „weiche“ Lösung vor. Hinter<br />
einer Parkschleuse im Eingang Marienthal<br />
Richtung Ahrweiler (es gab nur die<br />
Planung Ost) lagen Parkplätze für 20 PKW<br />
im Tunnel. Nach 60 Metern folgte ein 36<br />
Meter langes Eingangsbauwerk. An schwere<br />
Verschlüsse hatte niemand in dieser ersten<br />
Planung aus <strong>de</strong>m Juli 1959 gedacht.<br />
Hinter Drucktoren – sie ähnelten <strong>de</strong>n<br />
inneren Verschlüssen <strong>de</strong>r Anlage – folgten<br />
Technikräume und Unterkünfte für die<br />
Fahrer auf zwei Ebenen. Es folgten die<br />
Nassräume, dann das Bun<strong>de</strong>spräsidialamt.<br />
Doch man hatte schnell die Zugänge als<br />
Schwachstelle im Falle eines Angriffs<br />
ausgemacht. Die geradlinig verlaufen<strong>de</strong>n<br />
Tunnel Richtung Innenteil hätten einer<br />
durchschlagen<strong>de</strong>n Druckwelle nichts entgegenzusetzen.<br />
Also durfte sie erst gar<br />
nicht in <strong>de</strong>n Berg vordringen.<br />
Um das zu verhin<strong>de</strong>rn, boten sich zwei<br />
Lösungen an: Entwe<strong>de</strong>r verlässliche, hochstabile<br />
Tore und Außenbauwerke errichten,<br />
o<strong>de</strong>r die Tunnels an <strong>de</strong>ren En<strong>de</strong>n versiegeln.<br />
Für <strong>de</strong>n zweiten Fall waren die<br />
Hauptzugänge als seitliche Zugangsstollen<br />
durch <strong>de</strong>n Berg mit mehreren Knicken<br />
geplant – ähnlich <strong>de</strong>n späteren, großen<br />
Notausgängen.<br />
Man entschied sich, das Problem an <strong>de</strong>n<br />
Zugängen <strong>de</strong>r Haupttunnel mit viel Beton<br />
und Stahl zu lösen, <strong>de</strong>nn Seiteneingänge<br />
wur<strong>de</strong>n we<strong>de</strong>r technisch noch logistisch<br />
als vertretbare Alternative angesehen. Also<br />
begann die Suche nach einem Partner, <strong>de</strong>r<br />
hier mit Erfahrungen und technischem<br />
Sachverstand weiterhelfen konnte, „da<br />
entsprechen<strong>de</strong> Konstruktionen noch nicht<br />
auf <strong>de</strong>m Markt sind.“<br />
Die Wahl fiel auf die Firma MAN, die in<br />
ihrem Werk Gustavsburg Arbeiten für <strong>de</strong>n<br />
„schweren Wasserbau, d.h. Schleusentore<br />
und ähnliches, ausführt, die überaus<br />
hohen Druckbeanspruchungen entsprechen<br />
müssen. Zur Entwicklung <strong>de</strong>r Kon-<br />
67<br />
Blick auf die Baustelle<br />
<strong>de</strong>s Hauptzuganges<br />
Trotzenberg in<br />
Marienthal mit <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n eingesetzten<br />
MAN-Toren.<br />
Unter <strong>de</strong>r Haube:<br />
Die MAN-Tore sind<br />
als Teil <strong>de</strong>s Eingangsbauwerkes<br />
in diesem<br />
verschwun<strong>de</strong>n<br />
(Hauptzugang<br />
Dernau).
88<br />
Weg in <strong>de</strong>n Außenposten<br />
Marienthals. Auch hier<br />
hatte man stark<br />
dimensionierte Drucktore<br />
eingebaut, die eine<br />
Einsatzbereitschaft <strong>de</strong>s<br />
funken<strong>de</strong>n Bunker-<br />
Ablegers unter allen<br />
Bedingungen sicher<br />
stellen solle. In seiner<br />
Architektur war <strong>de</strong>r<br />
Bunker ein Unikum:<br />
Wur<strong>de</strong>n die in <strong>de</strong>r<br />
gleichen Zeit konzipierten<br />
zivilen Luftschutzwarnämter<br />
mehretagig<br />
gebaut, setzte man<br />
Marienthals Nebenstelle<br />
als Eingeschosser in die<br />
Heimater<strong>de</strong>.<br />
eigenen Tiefbrunnen hat. Und natürlich<br />
ein Klärwerk. Sollten alle Lichter ausgehen,<br />
schmeißt er <strong>de</strong>n großen Stromerzeuger<br />
an. Mit <strong>de</strong>m ließe sich nicht nur das<br />
unterirdische 2000 Quadratmeterareal<br />
wie<strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbar ausleuchten, Kirspenich<br />
eingeschlossen. Wären die werten Nachbarorte<br />
an dieses Notstromnetz angeschlossen,<br />
könnten sie alle so tun, als ob<br />
nichts wäre.<br />
Funkboje weitab <strong>de</strong>r Ahr<br />
Ging es um die Funkverbindung <strong>de</strong>r abgetauchten<br />
Regierung, sollte diese über<br />
einen Außenposten weitab <strong>de</strong>r Ahr sichergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Ein funken<strong>de</strong>s Rettungsboot,<br />
das gut ausgerüstet und ständig<br />
besetzt war. Mehrere Antennenmasten,<br />
riesige Kabelnetze in 15 Metern Höhe,<br />
Dipolanlagen – das alles steht sogar noch<br />
im Frühjahr 2008 auf <strong>de</strong>m gut eingezäunten<br />
und mit Nato-Draht gesicherten Areal,<br />
dass nun Hund Robin und seiner menschlichen<br />
Familie gehört.<br />
Der Außenposten hat sein Mutterschiff<br />
überlebt, nicht nur technisch: Die letzten<br />
Eintragungen in einem <strong>de</strong>r herumliegen-
<strong>de</strong>n Funkbücher datieren aus 2001 – <strong>de</strong>m<br />
Jahr, als in Marienthal <strong>de</strong>r Rückbau begann.<br />
Da war Paul Elbern bereits seit langem tot.<br />
Das galt auch für <strong>de</strong>n geplanten Zeitungsbericht,<br />
erstellt durch ihn und Kollegen<br />
Wil<strong>de</strong>nburg im Frühjahr 1964.<br />
Sie han<strong>de</strong>lten schließlich entschlossen.<br />
Und warfen alles in <strong>de</strong>n Mülleimer.<br />
Vorausgegangen war eine Anhörung durch<br />
das Bun<strong>de</strong>sinnenministerium. Es folgte<br />
eine Vorladung in das Ministerium <strong>de</strong>r Verteidigung.<br />
Mehrere hoch<strong>de</strong>korierte Soldaten<br />
warteten dort auf eine Begründung,<br />
warum dies ein Thema für die Öffentlichkeit<br />
sein sollte. Schließlich han<strong>de</strong>le es<br />
sich um eine „Verlegung <strong>de</strong>r Polizeihauptfunkstelle<br />
vom Stadtrand Bonn in eine<br />
Lage, die geografisch und elektrotechnisch<br />
weitaus besser <strong>de</strong>n Zwecken <strong>de</strong>s<br />
Polizeischutzes dienen kann“. Auf diese<br />
Version hatte man sich in mehreren Sitzungen<br />
vor <strong>de</strong>m Treff mit <strong>de</strong>n Journalisten<br />
geeinigt. Und auch <strong>de</strong>n Namen „Polizeihauptfunkstelle“<br />
kreiert. An dieser Schöpfung<br />
hält <strong>de</strong>r Bund fest, über Jahrzehnte.<br />
Selbst im Staatshaushalt 1998, <strong>de</strong>r im entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Kapitelansatz – so ganz im<br />
Gegensatz zu <strong>de</strong>n Vorjahren – recht redselig<br />
wirkt, fin<strong>de</strong>t sich neben <strong>de</strong>r Dienststelle<br />
Marienthal die „PHFS Kirspenich“ wie<strong>de</strong>r.<br />
Kosten für Reinigung, Müllabfuhr,<br />
Heizung gibt es da, und auch für die 24-<br />
Stun<strong>de</strong>n-Bewachung. Eine halbe Million<br />
Mark ließ sich das Bonn kosten. Ein<br />
Beweis <strong>de</strong>r gegenseitigen Zuneigung dieses<br />
Bunkertan<strong>de</strong>ms steht bis zum heuti-<br />
gen Tag im Kirspenicher Flur: Die Mülleimer<br />
sind mit „THW 3“ beschriftet.<br />
Auf <strong>de</strong>n Weg dorthin machen sich am<br />
7. Februar 1964 einige <strong>de</strong>r Bonner Herren.<br />
Aus Marienthal kommt die Bauleitung um<br />
Fritz Eichler. Es geht um Fertigstellungstermine.<br />
„Nach Mitteilung <strong>de</strong>r Lieferfirma<br />
kann (…) die Fertigstellung <strong>de</strong>r Antennen<br />
erst im Oktober/November 1964 beginnen.<br />
Die Notantenne (Papstfinger) kann<br />
erst später fertig gestellt wer<strong>de</strong>n. Für die<br />
Inbetriebnahme <strong>de</strong>r Sen<strong>de</strong>stelle ist die<br />
Notantenne zunächst ohne Be<strong>de</strong>utung“.<br />
Auch Hund Robin kennt die Notantenne<br />
inzwischen. Sie hat ein eigenes Dach,<br />
über das weiter unten am Bedienpult <strong>de</strong>r<br />
Menschen steht: „Achtung! Vor Öffnen<br />
<strong>de</strong>s Antennen<strong>de</strong>ckels Wetterschutzhaube<br />
entfernen!“ Auch das galt es zu beachten<br />
am „Tag X“.<br />
89<br />
Kirspenicher Steuerpult<br />
für <strong>de</strong>n „Papstfinger“ mit<br />
rot gerahmtem Zusatz-<br />
Schild: „Achtung! Vor<br />
Öffnen <strong>de</strong>s Antennen<strong>de</strong>ckelsWetterschutzhaube<br />
entfernen“.<br />
Wie damit im Ernstfall<br />
umgegangen wor<strong>de</strong>n<br />
wäre, bleibt offen.