IFT-Berichte Bd. 116
IFT-Berichte Bd. 116
IFT-Berichte Bd. 116
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Ludwig Kraus<br />
Rose Shaw<br />
Rita Augustin<br />
Frank Ritz<br />
Analyse der Drogentodesfälle in Bayern 1<br />
Drug-related deaths in Bavaria<br />
München 2001<br />
<strong>IFT</strong>-<strong>Berichte</strong> <strong>Bd</strong>. <strong>116</strong><br />
<strong>IFT</strong>-Reports Vol. <strong>116</strong><br />
1 Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbrau-<br />
cherschutz<br />
Institut für<br />
Therapieforschung<br />
Parzivalstr. 25<br />
80804 München
2<br />
Reihe <strong>IFT</strong>-<strong>Berichte</strong><br />
Band <strong>116</strong><br />
Herausgegeben vom <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung<br />
(Verantwortlich: Dr. Gerhard Bühringer)<br />
In der Reihe <strong>IFT</strong>-<strong>Berichte</strong> sind zuletzt erschienen:<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Küfner, H., Kümmler, P., Vogt, M. & Trunkò, S. (1999). Modellprogramm Betreuung<br />
von Drogenabhängigen auf dem Bauernhof. <strong>IFT</strong>-Bericht <strong>Bd</strong>. 110. (Publikation in der<br />
Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Band 130). Baden-Baden:<br />
Nomos.<br />
Vogt, M. & Simon, R. (1999). Jahresstatistik 1998 ambulanter und stationärer Einrichtungen<br />
für alleinstehende Wohnungslose in Deutschland (Berichtszeitraum: 1.1.1998 –<br />
31.12.1998). <strong>IFT</strong>-Bericht <strong>Bd</strong>. 111.<br />
Kümmler, P., Jünger,S. & Kraus, L. (2000) Comparative Alcohol Policy in Europe:<br />
Country report Germany. Vergleich der Alkoholpolitik in Europa: Länderbericht<br />
Deutschland. <strong>IFT</strong>-Bericht <strong>Bd</strong>. 112.<br />
Küfner, K., Vogt, M., Kümmler, P. (2000). Modellprojekt Betreuung im Handwerk. <strong>IFT</strong>-<br />
Bericht <strong>Bd</strong>. 113.<br />
Türk, D. & Künzel, J. (2000). Hat die Therapiedauer bei alkohol- und drogenabhängigen<br />
Patienten einen positiven Einfluß auf den Therapieerfolg? <strong>IFT</strong>-Bericht <strong>Bd</strong>. 114.<br />
Kraus, L., Domes, R. & Ritz, F. (2000). Früherkennungssystem für Drogentrends in<br />
Berlin (FESDT): Phase II- Hypothesenprüfung. <strong>IFT</strong>-Bericht <strong>Bd</strong>. 115.<br />
Die <strong>Berichte</strong> können von Fachinstitutionen kostenlos angefordert und von Studenten<br />
über die Universitätsbibliothek ausgeliehen werden.<br />
ISSN 0937-034X<br />
Copyright 1999 by <strong>IFT</strong> Institut für Therapieforschung, Parzivalstr. 25, 80804 München<br />
Tel.: 089/360804-0 (Zentrale), Fax: 089/360804-69, E-mail: ift@ift.de, Web-Site: http://www.ift.de<br />
Printed in Germany<br />
Fassung vom 17.01.2001
Vorwort<br />
Vorwort<br />
Die Zahl der jährlichen Drogentodesfälle spielt bei der gesundheitspolitischen Bewer-<br />
tung des Drogenproblems in Deutschland eine große Rolle. Häufig wird die Drogento-<br />
desrate auch als Indikator für eine erfolgreiche oder "gescheiterte" Drogenpolitik ver-<br />
wendet. Diese hohe Prioritätensetzung ist sowohl im europäischen Vergleich der Prä-<br />
valenzwerte wie im Vergleich mit den Todeszahlen im Zusammenhang mit dem schäd-<br />
lichen Gebrauch von Alkohol und Tabak aus rein wissenschaftlichen Gründen wenig<br />
nachvollziehbar. Dennoch müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die Zahl<br />
der Todesfälle im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch psychoaktiver Sub-<br />
stanzen zu reduzieren, nicht zuletzt auch in Hinblick auf das Leid der Partner und An-<br />
gehörigen.<br />
Es gibt wenige umfassende wissenschaftliche Analysen zum Phänomen des Drogen-<br />
todes und zur regionalen bzw. zeitlichen Verteilung nach der großen bundesweiten<br />
Studie von Heckmann und Kollegen (1993) 1 . Da aber einzelne Faktoren für die (ver-<br />
meintlich oder tatsächlich) unterschiedliche Entwicklung der Drogentodeszahlen im<br />
Zeitverlauf bzw. in einzelnen Regionen immer wieder in zumeist spekulativer Form in<br />
der Fachöffentlichkeit, der Gesundheitspolitik oder der Presse diskutiert werden, ohne<br />
dass dies auf der Grundlage neuerer Untersuchungen erfolgt, wurde in der hier vorge-<br />
stellten Studie für den Bereich des Freistaats Bayern versucht, das Phänomen des<br />
Drogentodes mit Hilfe unterschiedlicher methodischer Ansätze besser als bisher auf-<br />
zuklären.<br />
Methodisch wurden drei Studienansätze verfolgt:<br />
• Trendanalyse der Drogentodesfälle in ausgewählten Städten und Regionen in Bay-<br />
ern sowie in den vergleichbaren Flächenstaaten Baden-Württemberg und Nord-<br />
rhein-Westfalen über den Zeitraum 1988-1998 (Teilprojekt I).<br />
• Vergleich der Charakteristika der bayerischen Drogentodesfälle im Jahr 1994 und<br />
1998 (Teilprojekt II).<br />
• Analyse einer zeitlich aktuellen Gruppe von Drogentoten unter Zusammenführung<br />
aller verfügbaren Daten aus dem therapeutischen, polizeilichen und justiziellen Be-<br />
reich (Teilprojekt III).<br />
1 Heckmann, W. , Püschel, K., Schmoldt, A. et al. (1993): Drogennot- und todesfälle. Eine differentielle<br />
Untersuchung der Prävalenz und Ätiologie der Drogenmortalität. Band 28 Schriftenreihe<br />
des Bundesministeriums für Gesundheit. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft<br />
3
4<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Ziel der gesamten Studie war es, aus den Erkenntnissen Hinweise für die Prävention<br />
zukünftiger Drogentodesfälle zu erhalten.<br />
Das methodische Design der Studie erforderte die Einbeziehung eines breiten Perso-<br />
nenkreises. Ohne das große Engagement aller Beteiligten wäre die Durchführung nicht<br />
in dieser Form möglich gewesen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen im Anhang<br />
genannten Personen und Institutionen herzlich für die Unterstützung bedanken.<br />
München, September 2000<br />
Dr. Gerhard Bühringer<br />
Leiter des <strong>IFT</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... 7<br />
Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... 9<br />
Kurzfassung.................................................................................................................... 13<br />
Summary......................................................................................................................... 17<br />
1 Einführung ........................................................................................................... 21<br />
1.1 Definition von Drogentodesfällen........................................................................ 21<br />
1.2 Erfassung der Drogentodesfälle in Deutschland................................................ 22<br />
1.3 Morbidität und Mortalität bei Drogenabängigen ................................................. 23<br />
1.4 Todesursachen.................................................................................................... 24<br />
1.4.1 Überdosis Opiate................................................................................................. 24<br />
1.4.2 Überdosis anderer Substanzen .......................................................................... 25<br />
1.5 Entwicklung der Drogentodesfälle im internationalen Vergleich........................ 25<br />
1.6 Empirische Erkenntnisse zu Risiken für Drogennotfälle und Drogentod ........... 26<br />
1.7 Fragestellung und Zielsetzung............................................................................ 28<br />
1.8 Teilprojekte.......................................................................................................... 29<br />
2 Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998.............................. 31<br />
2.1 Einführung ........................................................................................................... 31<br />
2.2 Fragestellung....................................................................................................... 31<br />
2.3 Methodisches Vorgehen ..................................................................................... 31<br />
2.4 Ergebnisse........................................................................................................... 33<br />
2.4.1 Vergleich der Bundesländer................................................................................ 33<br />
2.4.2 Vergleich der Regierungsbezirke........................................................................ 42<br />
2.4.3 Städtevergleich.................................................................................................... 48<br />
2.5 Zusammenfassung.............................................................................................. 54<br />
3 Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern .......... 57<br />
3.1 Einführung ........................................................................................................... 57<br />
3.2 Fragestellung....................................................................................................... 57<br />
3.3 Methodisches Vorgehen ..................................................................................... 57<br />
3.4 Ergebnisse........................................................................................................... 58<br />
3.4.1 Soziodemographische Angaben......................................................................... 58<br />
3.4.2 Therapiedaten..................................................................................................... 61<br />
3.4.3 Todesumstände................................................................................................... 61<br />
3.4.4 Polizeiliche Erkenntnisse.................................................................................... 65<br />
3.4.5 Rechtsmedizinische Erkenntnisse...................................................................... 65<br />
3.5 Zusammenfassung.............................................................................................. 73<br />
4 Analyse der Drogentodesfälle 1999.................................................................... 77<br />
4.1 Fragestellung....................................................................................................... 77<br />
4.2 Methodisches Vorgehen ..................................................................................... 77<br />
4.2.1 Instrumente.......................................................................................................... 78<br />
4.2.2 Datenerhebung.................................................................................................... 79<br />
4.2.3 Datenzusammenführung und -auswertung ........................................................ 81<br />
4.3 Ergebnisse........................................................................................................... 84<br />
4.3.1 Soziodemographische Angaben......................................................................... 84<br />
4.3.2 Todesumstände................................................................................................... 86<br />
4.3.3 Delinquenz........................................................................................................... 91<br />
4.3.4 Gesundheit .......................................................................................................... 92<br />
4.3.5 Psychosoziale Situation ...................................................................................... 94<br />
4.3.6 Suizidalität ........................................................................................................... 96<br />
4.3.7 Drogenkarriere .................................................................................................... 98<br />
5
6<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
4.3.8 Kontakt zum Drogenhilfesystem .......................................................................103<br />
4.3.9 Chemisch-toxikologisches Gutachten...............................................................110<br />
4.3.10 Regionaler Vergleich.........................................................................................<strong>116</strong><br />
4.4 Zusammenfassung............................................................................................122<br />
5 Diskussion .........................................................................................................127<br />
6 Schlussfolgerungen und Vorschläge ................................................................137<br />
6.1 Schlussfolgerungen...........................................................................................137<br />
6.2 Vorschläge.........................................................................................................139<br />
7 Literatur..............................................................................................................143<br />
8 Anhang ..............................................................................................................147
Tabellenverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 3-1: Alters- und Geschlechtsverteilung.......................................................... 59<br />
Tabelle 3-2: Familienstand.......................................................................................... 60<br />
Tabelle 3-3: Höchster Schulabschluss........................................................................ 60<br />
Tabelle 3-4: Sterbeörtlichkeit....................................................................................... 63<br />
Tabelle 3-5: Chronische Erkrankungen (Mehrfachnennungen) ................................. 65<br />
Tabelle 3-6: Festgestellte Substanzen........................................................................ 66<br />
Tabelle 3-7: Chemisch-toxikologisch nachgewiesene Substanzen der Personen<br />
in Substitution.......................................................................................... 67<br />
Tabelle 3-8: Nachgewiesene Substanzen nach Altersgruppen und Zeitpunkt .......... 69<br />
Tabelle 3-9: Nachgewiesene Substanzen nach Geschlecht und Zeitpunkt............... 70<br />
Tabelle 3-10: Nachgewiesene Substanzen bei Drogentoten in München ................... 72<br />
Tabelle 3-11: Nachgewiesene Substanzen bei Drogentoten in Augsburg................... 73<br />
Tabelle 3-12: Nachgewiesenen Opiate......................................................................... 74<br />
Tabelle 4-1: Angeschriebene Institutionen.................................................................. 80<br />
Tabelle 4-2: Dokumentierte Fälle ................................................................................ 80<br />
Tabelle 4-3: Verteilung der Anzahl von Fragebogen pro Klient.................................. 81<br />
Tabelle 4-4: Schulabschluss ....................................................................................... 86<br />
Tabelle 4-5: Auffindungsort des Verstorbenen........................................................... 88<br />
Tabelle 4-6: Auffindesituation...................................................................................... 88<br />
Tabelle 4-7: Sichergestellte Drogen und Medikamente.............................................. 89<br />
Tabelle 4-8: Konsumsituation...................................................................................... 89<br />
Tabelle 4-9: Todesursache.......................................................................................... 90<br />
Tabelle 4-10: Todesart bei Suizid ................................................................................. 90<br />
Tabelle 4-11: Häufigkeit von Delikten nach dem BtmG................................................ 91<br />
Tabelle 4-12: Häufigkeit von Delikten außer Verstöße gegen das BtmG.................... 91<br />
Tabelle 4-13: Häufigkeit von Haftstrafen....................................................................... 91<br />
Tabelle 4-14: Somatische Krankheiten ......................................................................... 92<br />
Tabelle 4-15: Psychische Erkrankungen (außer Sucht)............................................... 93<br />
Tabelle 4-16: Art und Häufigkeit sozialer Kontakte in den letzten drei Monaten<br />
vor dem Tod ............................................................................................ 95<br />
Tabelle 4-17: Kritische Lebensereignisse in den letzten drei Monaten vor dem<br />
Tod........................................................................................................... 95<br />
Tabelle 4-18: Suizidversuche........................................................................................ 96<br />
Tabelle 4-19: Vermutete Motive für Suizid (bei vorliegendem Suizid) ......................... 96<br />
Tabelle 4-20: Mögliche Motive für Suizid (Todesfälle außer Suizid)............................ 97<br />
Tabelle 4-21: Erziehung der Verstorbenen................................................................... 98<br />
Tabelle 4-22: Lebenszeitkonsum verschiedener Substanzen...................................... 99<br />
7
8<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Tabelle 4-23: Konsum verschiedener Substanzen in den letzten 3 Monaten ............100<br />
Tabelle 4-24: Mischkonsum.........................................................................................100<br />
Tabelle 4-25: Notfälle...................................................................................................102<br />
Tabelle 4-26: Inanspruchnahme von Einrichtungen des Drogenhilfesystems...........103<br />
Tabelle 4-27: Prävalenz von Behandlungen und Nachsorge in den letzten 12<br />
Monaten vor Drogentod.........................................................................104<br />
Tabelle 4-28: Kontakte zum Drogenhilfesystem in den letzten 3 Monaten vor<br />
dem Drogentod......................................................................................104<br />
Tabelle 4-29: Letzte Behandlung vor dem Tod...........................................................105<br />
Tabelle 4-30: Beendigung der letzten Behandlung.....................................................105<br />
Tabelle 4-31: Häufigkeit von Entgiftungen (Lebenszeit).............................................105<br />
Tabelle 4-32: Geschehen nach Entgiftung (letzte 3 Monate) .....................................106<br />
Tabelle 4-33: Häufigkeit von Therapien (Lebenszeit).................................................106<br />
Tabelle 4-34: Häufigkeit von Substitutionen (Lebenszeit) ..........................................107<br />
Tabelle 4-35: Dauer der letzten Substitution als letzte Behandlung vor Drogentod ..107<br />
Tabelle 4-36: Kontakt bei letzter Drogenberatung vor Drogentod (letzte drei<br />
Monate)..................................................................................................108<br />
Tabelle 4-37: Mit Hilfe chemisch-toxikologischer Analysen festgestellte<br />
Substanzen (bei akzidentieller Überdosierung)....................................110<br />
Tabelle 4-38: Beendigung der letzten Behandlung bei Überdosierung und Suizid....115<br />
Tabelle 4-39: Todesursache nach Regionen..............................................................<strong>116</strong><br />
Tabelle 4-40: Nachweismethode.................................................................................118<br />
Tabelle 4-41: Bei akzidentieller Überdosierung durch quantitative Verfahren<br />
nachgewiesene Substanzen nach Region............................................118<br />
Tabelle 4-42: Prävalenz von Behandlungen und Nachsorge in den letzten 12<br />
Monaten vor Drogentod nach Region...................................................120<br />
Tabelle 4-43: Kontakte zum Drogenhilfesystem in den in den letzten 3 Monaten<br />
vor dem Drogentod nach Region ..........................................................120<br />
Tabelle 4-44: Letzte Behandlung in den letzten drei Monaten vor dem Tod nach<br />
Region ...................................................................................................121<br />
Tabelle 5-1: Durch chemisch-toxikologische Untersuchung nachgewiesene<br />
Substanzen............................................................................................130
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 2-1: Anzahl Drogentote in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-<br />
Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998 ................... 33<br />
Abbildung 2-2: Anzahl Drogentote pro 100.000 in Bayern, Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis<br />
1998 .................................................................................................... 35<br />
Abbildung 2-3: Anteile männlicher Drogentoter in Bayern, Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis<br />
1998 nach Geschlecht........................................................................ 35<br />
Abbildung 2-4: Anteile Drogentote in Bayern, Nordrhein-Westfalen und<br />
Deutschland gesamt von 1988 bis 1998 nach Alter (unter 18<br />
Jahre, 18-24 Jahre) ............................................................................ 37<br />
Abbildung 2-5: Anteile Drogentote in Bayern, Nordrhein-Westfalen und<br />
Deutschland gesamt von 1988 bis 1998 nach Alter (25-29<br />
Jahre, über 30 Jahre) ......................................................................... 38<br />
Abbildung 2-6: Durchschnittsalter Drogentoter in Bayern, Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis<br />
1998 .................................................................................................... 39<br />
Abbildung 2-7: Anteile nicht-deutscher Drogentoter in Bayern, Baden-<br />
Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt<br />
von 1988 bis 1998 .............................................................................. 39<br />
Abbildung 2-8: Anteile Drogentoter mit Todesursache Überdosis in Bayern,<br />
Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Deutschland<br />
gesamt von 1988 bis 1998 ................................................................. 40<br />
Abbildung 2-9: Anteile der Obduktionen in Bayern, Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt 1992 und 1995<br />
bis 1998............................................................................................... 41<br />
Abbildung 2-10: Anteile Drogentoter in Zusammenhang mit Überdosierung<br />
durch Heroin in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-<br />
Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998 ................... 42<br />
Abbildung 2-11: Anzahl Drogentote in den Regierungsbezirken Stuttgart,<br />
Karlsruhe, Freiburg und Tübingen (Baden-Württemberg) von<br />
1988 bis 1998 ..................................................................................... 43<br />
Abbildung 2-12: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den<br />
Regierungsbezirken Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und<br />
Tübingen (Baden-Württemberg) von 1988 bis 1998.......................... 44<br />
Abbildung 2-13: Anzahl Drogentoter in den Regierungsbezirken Oberbayern,<br />
Schwaben, Niederbayern-Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken<br />
und Unterfranken (Bayern) von 1988 bis 1998.................................. 45<br />
Abbildung 2-14: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den<br />
Regierungsbezirken Oberbayern, Schwaben, Niederbayern-<br />
Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken<br />
(Bayern) von 1988 bis 1998 ............................................................... 46<br />
Abbildung 2-15: Anzahl Drogentote in den Regierungsbezirken Arnsberg,<br />
Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster (Nordrhein-Westfalen) von<br />
1988 bis 1998 ..................................................................................... 47<br />
9
10<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Abbildung 2-16: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den<br />
Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln,<br />
Münster (Nordrhein-Westfalen) von 1988 bis 1998 ...........................48<br />
Abbildung 2-17: Anzahl Drogentote in den Städten Stuttgart, Mannheim,<br />
Freiburg und Heidelberg (Baden-Württemberg) von 1988 bis<br />
1998 ....................................................................................................49<br />
Abbildung 2-18: Anzahl Drogentote in den Städten München, Nürnberg und<br />
Augsburg (Bayern) von 1988 bis 1998...............................................49<br />
Abbildung 2-19: Anzahl Drogentote in den Städten Köln, Dortmund, Aachen und<br />
Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) von 1988 bis 1998 ..........................50<br />
Abbildung 2-20: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten<br />
Stuttgart, Mannheim, Freiburg und Heidelberg (Baden-<br />
Württemberg) von 1988 bis 1998 .......................................................51<br />
Abbildung 2-21: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten<br />
München, Nürnberg und Augsburg (Bayern) von 1988 bis 1998 ......51<br />
Abbildung 2-22: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten Köln,<br />
Dortmund, Aachen und Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) von<br />
1988 bis 1998......................................................................................52<br />
Abbildung 2-23: Vergleich der Belastungszahlen (Drogentote pro 100.000<br />
Einwohner) zwischen Köln und München ..........................................53<br />
Abbildung 2-24: Vergleich der Belastungszahlen (Drogentote pro 100.000<br />
Einwohner) zwischen Bielefeld und Augsburg...................................54<br />
Abbildung 3-1: Altersgruppen im Jahresvergleich......................................................59<br />
Abbildung 3-2: Todesursache nach Zeitpunkt ............................................................62<br />
Abbildung 3-3: Sterbeörtlichkeit (Kategorien) .............................................................64<br />
Abbildung 3-4: Todeszeit über den Tag......................................................................64<br />
Abbildung 4-1: Altersverteilung der Drogentoten........................................................84<br />
Abbildung 4-2: Verteilung der Todesfälle über Monate..............................................87<br />
Abbildung 4-3: Verteilung der Todesfälle über Wochentage......................................87<br />
Abbildung 4-4: Verteilung der Todesfälle nach Todeszeit..........................................88<br />
Abbildung 4-5: Alter des Beginns des Konsums von Alkohol, Heroin, Cannabis<br />
und Methadon ...................................................................................101<br />
Abbildung 4-6: Festgestellte Opiate bei Überdosierung ..........................................110<br />
Abbildung 4-7: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Verstorbenen mit Kontakt zum<br />
Drogenhilfesystem (letzte drei Monate vor Drogentod) ...................112<br />
Abbildung 4-8: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Verstorbenen ohne Kontakt zum<br />
Drogenhilfesystem (letzte drei Monate vor Drogentod) ...................113<br />
Abbildung 4-9: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Verstorbenen, die sich in den letzten drei<br />
Monaten vor Drogentod in Substitutionsbehandlung befanden.......114<br />
Abbildung 4-10: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Verstorbenen, die sich in den letzten drei
Abbildungsverzeichnis<br />
Monaten vor Drogentod nicht in Substitutionsbehandlung<br />
befanden. .......................................................................................... 114<br />
Abbildung 4-11: Verteilung des Todesalters von Überdosierungen nach<br />
Regionen........................................................................................... <strong>116</strong><br />
Abbildung 4-12: Kumulative monatliche Verteilung der Drogentodesfälle nach<br />
Region............................................................................................... 117<br />
Abbildung 4-13: Verteilung der nachgewiesenen Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Überdosierung in Augsburg .................................... 119<br />
Abbildung 4-14: Verteilung der nachgewiesenen Opiate (Morphin, DHC,<br />
Methadon) bei Überdosierung in München...................................... 119<br />
Abbildung 5-1: Wirkstoffgehalt in Restheroin, das bei Drogentoten<br />
sichergestellt wurde (Quelle: Bayerisches Landeskriminalamt)...... 131<br />
11
Kurzfassung<br />
Kurzfassung<br />
Fragestellung<br />
Die Zahl der Rauschgifttoten nimmt sowohl in der öffentlichen und politischen als auch<br />
in der wissenschaftlichen Diskussion zum Thema illegale Drogen einen großen<br />
Stellenwert ein. Der Bedeutung, die den Drogentodesfällen zugeschrieben wird, steht<br />
allerdings ein Mangel an empirischen Erkenntnissen über die Hintergründe gegenüber.<br />
Die vorliegende Studie versucht, durch drei verschiedene Untersuchungsansätze<br />
Faktoren zu identifizieren, die zum Verständnis des Phänomens Drogentod sowie zur<br />
Ableitung praxisrelevanter Maßnahmen beitragen können. Erkenntnisse über<br />
Risikofaktoren sind notwendig, um abgesicherte präventive Maßnahmen planen zu<br />
können. Erstes Ziel der Untersuchungen ist die Analyse von vorliegenden Daten im<br />
Zeitverlauf und der Vergleich zwischen verschiedenen Regionen in Bayern sowie mit<br />
vergleichbaren Regionen in anderen Bundesländern. Weiterhin sollen Faktoren<br />
identifiziert werden, die zu den verschiedenen Entwicklungen beigetragen haben<br />
könnten. Dazu werden zum einen bereits vorhandene Daten zu Drogentodesfällen<br />
detailliert analysiert, zum anderen werden Informationen aus verschiedenen Quellen<br />
zusammengetragen und verknüpft. Dazu zählen die individuelle Sichtung der<br />
polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, die Befragung von Institutionen<br />
des Drogenhilfesystems (Beratungsstellen, Entgiftungs- und Therapieeinrichtungen)<br />
und substituierenden niedergelassenen Ärzten sowie die Befragung der Angehörigen<br />
bzw. des sozialen Umfeldes des Verstorbenen.<br />
Methodisches Vorgehen<br />
Für Teilstudie 1 wurde die Entwicklung der Anzahl der Drogentodesfälle in Bayern über<br />
einen Zeitraum von elf Jahren verfolgt (1988-1998). Dabei wurden Verteilung von Ge-<br />
schlecht und Alter und Todesursachen analysiert. Den Daten wurden die entsprechen-<br />
den Zahlen aus den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen<br />
gegenübergestellt, die in Bezug auf Einwohnerzahl und Struktur Bayern am ähnlichs-<br />
ten sind. Für Teilstudie 2 wurden die vom Bayerischen Landeskriminalamt in einer Un-<br />
tersuchung der Drogentodesfälle 1993/1994 erhobenen Daten mit den Daten der Dro-<br />
gentodesfälle 1998 verglichen. Hierzu wurden die Akten der Todesfälle 1998 aus den<br />
Regionen Oberbayern mit München, Schwaben und Mittelfranken ausgewertet. Für<br />
Teilstudie 3 wurden durch eine Fragebogenerhebung und Interviews alle über die Dro-<br />
gentodesfälle 1999 (Teilstudie 3: München, Augsburg und Nürnberg mit jeweiligen<br />
Landkreisen) bekannten Informationen aus dem Drogenhilfesystem, den Polizeiakten<br />
und dem sozialen Umfeld zusammengetragen und auf das Vorliegen bestimmter, aus<br />
13
14<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
der empirischen Literatur als relevant bekannter Risikofaktoren untersucht. Es wurden<br />
die Bereiche soziodemographischer Hintergrund, Faktoren des Konsums und der Kon-<br />
sumvorgeschichte, Todesumstände, Ergebnisse der chemisch-toxikologischen Analy-<br />
sen und die Behandlungsvorgeschichte einbezogen.<br />
Ergebnisse<br />
Insgesamt zeigen sich zwischen den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und<br />
Nordrhein-Westfalen in der Entwicklung der Drogentodeszahlen zwischen 1988 und<br />
1998 nur geringfügige Unterschiede. Übereinstimmend ist die Zahl der Drogentoten<br />
zwischen 1988 und 1992 in allen Bundesländen deutlich angestiegen. Bezüglich des<br />
Alters der Drogentoten lassen sich zwei Tendenzen ausmachen: die Drogentoten wer-<br />
den über die Jahre in allen Bundesländern im Durchschnitt älter, sind in Bayern im<br />
Vergleich zum Bundesdurchschnitt aber jünger (Teilstudie 1).<br />
Unterschiede in der Charakteristik der bayerischen Drogentoten von 1994 und 1998<br />
zeigen sich insbesondere auf der stofflichen Seite. Hier sind deutliche Verschiebungen<br />
in den Anteilen der im Serum von Drogentoten nachgewiesenen Substanzen zu beo-<br />
bachten. Insgesamt zeigt sich eine Zunahme des Beikonsums von Alkohol und Benzo-<br />
diazepinen. Erwartungsgemäß ist im Zuge der Ausweitung von Substitutionsbehand-<br />
lungen der Anteil der Fälle, in denen Methadon nachgewiesen wurde, gestiegen. Keine<br />
Änderungen ergaben sich in Bezug auf DHC. Auffällig ist der gegenüber 1994 gestie-<br />
gene Anteil der festgestellten Mischintoxikationen (Teilstudie 2).<br />
Die Kontakte der 1999 Verstorbenen zum Hilfesystem waren vielfältig; in den letzten<br />
drei Monaten vor dem Tod befanden sich insgesamt etwas mehr als die Hälfte der Ver-<br />
storbenen in einer Behandlung. Es fanden sich bei den untersuchten Verstorbenen<br />
keine Hinweise auf eine Häufung formaler Merkmale einer broken-home Situation oder<br />
auf soziale Isolation, allerdings zeigt sich bei einem vergleichsweise sehr hohem Anteil<br />
von Eltern eine Abhängigkeitsproblematik oder eine anderen psychische Erkrankung.<br />
Auffällig war der hohe Anteil an Personen mit suizidaler Vorbelastung (27%) sowie<br />
psychischen Störungen (36%). Es fand sich außerdem eine Häufung kritischer Le-<br />
bensereignisse in den letzten Monaten vor dem Tod (48%). Über ein Drittel hatte be-<br />
reits einen Drogennotfall erlebt. Bei einem Großteil fanden sich Abstinenzphasen in der<br />
Zeit vor dem Tod (43%). Bei den nachgewiesenen Opiaten steht Heroin mit Abstand an<br />
erster Stelle, gefolgt von Methadon. Mischkonsum erfolgt in erster Linie mit Benzodia-<br />
zepien und Alkohol. Bei über zwei Drittel aller Verstorbenen wurde der besonders risi-
Kurzfassung<br />
koreiche Konsum von gleichzeitig drei oder mehr atemdepressiven Substanzgruppen<br />
(Opiate, Alkohol, Benzodiazepine) festgestellt (Teilstudie 3).<br />
Analysen von Drogentodesfällen geben Auskunft über Charakteristika der im Zusam-<br />
menhang mit Drogenkonsum Verstorbenen. Risiko- und protektive Faktoren lassen<br />
sich aber zuverlässig nur aus vergleichenden Studien ableiten, die Risikoprofile von<br />
Verstorbenen denen von lebenden Drogenabhängigen gegenüberstellen. Solche Un-<br />
tersuchungen fehlen in Deutschland.<br />
Schlussfolgerungen und Vorschläge<br />
Die Ergebnisse zeigen, dass es – wie in früheren Untersuchungen auch – keinen do-<br />
minierenden Faktor gibt, der für einen relevanten Anteil der Todesfälle verantwortlich<br />
ist und durch präventive Maßnahmen verändert werden könnte. Vielmehr lassen sich<br />
im Sinne eines komplexen Risikofaktorenmodells zwei Risikokonstellationen identifizie-<br />
ren, die (1.) die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Drogennotfalls erhöhen und<br />
(2.) die Wahrscheinlichkeit für einen letalen Verlauf des Notfalls erhöhen.<br />
Zur Reduzierung dieser Risiken und damit zur Senkung der Anzahl der Drogentodes-<br />
fälle werden zwei Strategien vorgeschlagen: (1.) Die Verbesserung der therapeuti-<br />
schen Versorgungsstruktur zum Zwecke der Minimierung des Risikos für das Auftreten<br />
eines Drogennotfalls und (2.) die Aufklärung im Umfeld von Drogenabhängigen zur<br />
Minimierung des Risikos eines tödlichen Ausgangs eines Drogennotfalls.<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Verbesserung der Datenlage wünschenswert.<br />
Hierzu wird die Einführung eines Monitoring-Systems und die Durchführung von Stu-<br />
dien vorgeschlagen, mit deren Hilfe Risiko- und Schutzfaktoren empirisch besser ab-<br />
gesichert werden könnten.<br />
15
Summary<br />
Summary<br />
The number of drug-related deaths plays a central role in the public and political as well<br />
as scientific discussion on illegal drugs. This emphasis on the importance of drug re-<br />
lated deaths is, however, not met by solid empirical knowledge. The objective of this<br />
report is therefore to highlight factors that might enhance our understanding of drug-<br />
related deaths by three different study designs. Knowledge on risk factors is the neces-<br />
sary basis for planning preventive interventions. First objective is to analyse exting data<br />
with regard to regional and time trends. Second objective is to compare data on drug<br />
related deaths from 1994 with those from 1998 in order to highlight important trends.<br />
Third and major objective is to analyse in detail data on drug-related deaths in 1999, by<br />
collecting and integrating data from different sources (police, institutions of the drug<br />
care system, substitution treatment and family/friends).<br />
Method<br />
In Study 1 we analysed the number of drug-related deaths in Bavaria over the last 10<br />
years with additional focus on gender and age. These data are compared to those from<br />
Nordrhein-Westfalen and Baden-Württemberg, two federal countries comparable to<br />
Bavaria as to size and number of inhabitants. In Study 2 we compared data that were<br />
collected by the Bayerische Landeskriminalamt in 1994 with data on drug related<br />
deaths from 1998. In Study 3 we collected data on drug related deaths in 1999 by<br />
questionnaire and interview from the drug care system, police and family/friends with<br />
regard to risk factors proposed by empirical literature. Questions include information on<br />
sociodemographic background, history of drug consumption, chemical-toxicological<br />
analyses, circumstances of death and previous drug treatment.<br />
Results<br />
There are few differences between Bavaria and Germany and the other federal coun-<br />
tries. The number of drug-related deaths has increased significantly between 1988 and<br />
1992 in all regions. Concerning age, there were two trends: age increased over time in<br />
all regions, with the age at time of death being lower in Bavaria.<br />
Differences between drug-related deaths in Bavaria in 1994 and 1998 mainly concern<br />
substances consumed before death. For certain substances we found significant<br />
changes: There was an increase in the number of deaths involving alcohol and benzo-<br />
diazepines and, as was to be expected by the spreading of methadone maintenance<br />
treatment, an increase in methadone-related deaths. No changes were registered for<br />
17
18<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
deaths involving DHC. There was a significant increase in number of cases with simul-<br />
taneous consumption of several substances.<br />
For 1999, we found that more than half of the deceased in 1999 had been in touch with<br />
the drug care system during the last three months before death and for the majority we<br />
found phases of abstinence shortly before death. We found no indication of an increase<br />
of broken-home situations or social isolation. There was, however, an alarmingly high<br />
percentage of drug addicts with a family history of substance dependency or other psy-<br />
chological disorders as well as a high number of suicide attempts and psychological<br />
disorders in the drug addicts themselves. We also found a high percentage of cases<br />
with critical life events during the last months before death. More than one third had<br />
previously experienced at least one non-fatal overdose. Morphine was the leading<br />
cause of death with more than half of the deceased having consumed it before death.<br />
Alcohol and methadone came second and third and were found in one fifth of all cases<br />
as cause of death. Fourth came benzodiazepines which were considered as cause of<br />
death in13%. More than two thirds of all cases had consumed three or more sub-<br />
stances with a depressing effect on respiration (opiates, alcohol, benzodiazepines)<br />
which is considered a high-risk consumption pattern.<br />
Analyses of death cases characterize and describe those dependents who died directly<br />
or indirectly related to drug use. Risk and protective factors, however, can only be de-<br />
rived from studies which compare the characteristics of drug-related death to those of<br />
living drug dependents.<br />
Conclusion and recommendations<br />
Our results, as those of other previous studies, did not identify a dominant factor re-<br />
sponsible for a significant percentage of drug-related deaths that could be the focus of<br />
preventive measures. Instead, two clusters of risk factors were identified that increase<br />
(1.) the risk of experiencing an overdose and (2.) the risk of a fatal outcome of an over-<br />
dose.<br />
In order to reduce these risks, we propose two strategies: (1.) Improvement of certain<br />
aspects of drug rehabilitation to minimize the risk of an oversdose and (2.) education of<br />
drug consumers to reduce the risk of a fatal outcome of an overdose.
Summary<br />
From a methodological perspective, it would be highly desirable to have valid data on<br />
drug-related deaths. We propose the implementation of a monitoring system and stud-<br />
ies that allow a detailed analysis of protective and risk factors for drug-related deaths.<br />
19
Einführung<br />
1 Einführung<br />
Die Zahl der Rauschgifttoten nimmt sowohl in der öffentlichen und politischen als auch<br />
in der wissenschaftlichen Diskussion zum Thema illegale Drogen einen zentralen<br />
Stellenwert ein. Aus individueller Sicht ist der Tod im Zusammenhang mit dem Konsum<br />
eines Suchtstoffes die schwerwiegendste Folge der Substanzabhängigkeit. Aus<br />
gesellschaftlicher Sicht können Drogentodesfälle als ein Indikator für das Ausmaß des<br />
Rauschgiftproblems herangezogen werden (Bühringer et al., 1993). Auch die<br />
Effektivität politischer Maßnahmen und die Qualität des therapeutischen Hilfesystems<br />
eines Landes oder einer Region werden vielfach an der Anzahl der Drogentodesfälle<br />
gemessen (Smart et al., 1997). Dieser enormen Bedeutung, die den Drogentodesfällen<br />
zugeschrieben wird, steht allerdings ein Mangel an empirischen Erkenntnissen über die<br />
Hintergründe gegenüber. Die vorliegende Studie versucht, durch drei verschiedene<br />
Untersuchungsansätze Faktoren zu identifizieren, die zum Verständnis des<br />
Phänomens Drogentod beitragen können.<br />
1.1 Definition von Drogentodesfällen<br />
Seit 1979 existiert eine bundesweit einheitliche Definition des Drogentodesfalles, die in<br />
der Polizeidienstverordnung PDV 386 ausgeführt wird. Eine Meldepflicht besteht für<br />
folgende Todesfälle:<br />
Todesfälle, die in einem kausalen Zusammenhang mit dem mißbräuchlichen Konsum<br />
von Betäubungs- oder Ausweichmitteln stehen. Darunter fallen insbesondere<br />
♦ Todesfälle infolge beabsichtigter oder unbeabsichtigter Überdosierung<br />
(Organversagen aufgrund einer akuten Vergiftung)<br />
♦ Todesfälle infolge langzeitigen Missbrauchs (Langzeitschäden, drogentoxische<br />
Schädigungen durch konsumierte Substanzen, verminderte körperliche<br />
Abwehrkräfte, Schädigungen durch Streckungsmittel, Erkrankungen und<br />
Infektionen durch i.v. Applikation, Hepatitis, HIV)<br />
♦ Selbsttötung aus Verzweiflung über die Lebensumstände oder unter Einwirkung<br />
von Entzugserscheinungen (außer durch Überdosiuerung)<br />
♦ tödliche Unfälle von unter Drogeneinfluss stehenden Personen (v.a.<br />
Straßenverkehr)<br />
21
22<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Nicht unter diese Definition fallen akzidentelle Intoxikationen, etwa wenn jemand (z.B.<br />
ein im Haushalt lebendes Kind) irrtümlich Drogen genommen hat. Dies scheint<br />
inbesondere bei Drogenersatzstoffen, die mit nach Hause genommen werden können,<br />
problematisch zu sein (Schmoldt et al., 1999). Diese Fälle werden nicht als Drogentote<br />
erfasst, weil die Substanz ohne oder gegen den eigenen Willen eingenommen wurde.<br />
Anhand dieser Definition wird deutlich, dass die Drogentodesfälle nur bedingt als<br />
Indikator für das "soziale Problem Sucht" geeignet sind, weil nur illegale Drogen erfaßt<br />
werden. Alkohol, Medikamente und Nikotin fallen nicht unter die Definition, weil sie als<br />
"legale Drogen" kriminalpolizeilich nicht von Interesse sind, obwohl die<br />
gesundheitlichen Auswirkungen bei weitem dramatischer sind (Bühringer et al., 2000).<br />
1.2 Erfassung der Drogentodesfälle in Deutschland<br />
Die Zahl der Drogentodesfälle wird jährlich vom Bundeskriminalamt für das Gebiet der<br />
Bundesrepublik Deutschland sowie von den Landeskriminalämtern für die einzelnen<br />
Bundesländer und örtlichen Polizeidienststellen für ihren Zuständigkeitsbereich<br />
vermeldet. Die Erfassung erfolgt auf der Ebene der Polizeibehörden anhand der o.g.<br />
bundeseinheitlichen Definition. Die Daten werden dann beim BKA zusammengeführt<br />
und zentral ausgewertet.<br />
Die Aussagekraft der Rauschgifttodesfallstatistik ist jedoch durch verschiedene<br />
Faktoren beeinträchtigt. Ein Vergleich sowohl im Längsschnitt, d.h. über die Zeit, als<br />
auch im Querschnitt, d.h. zwischen verschiedenen Regionen oder Ländern, ist damit<br />
nur eingeschränkt möglich. Ob ein Todesfall überhaupt als Drogentodesfall erkannt<br />
wird, hängt beispielsweise stark vom Wissen und von der Einstellung des zuständigen<br />
Polizeibeamten ab. So werden tödliche Verkehrsunfälle häufig nicht erkannt, weil der<br />
Beamte Indikatoren des Drogentodes nicht erkennt. Im privaten Bereich oder (seltener)<br />
im Krankenhaus wird je nach Ergebnis der ärztlichen Leichenschau unter Umständen<br />
die Polizei überhaupt nicht erst eingeschaltet. Auch der Umfang rechtsmedizinischer<br />
Untersuchungen, durch die gerade mittelbar auf Drogenkonsum zurückzuführende<br />
Todesfälle erst als solche erkannt werden können, schwankt beträchtlich zwischen<br />
verschiedenen Regionen und Bundesländern sowie über die Zeit. Darüber hinaus sind<br />
durch die weite Fassung des Begriffes Drogentod der Polizei große<br />
Beurteilungsspielräume geöffnet. Diese Faktoren müssen bei der Interpretation<br />
berücksichtigt werden (einen ausführlichen Überblick zu diesem Thema geben König &
Einführung<br />
Kreuzer, 1998). Gerade ein internationaler Vergleich von Drogentodesfällen ist aus<br />
Gründen der verschiedenen Definitionen und Registrierverfahren nur eingeschränkt<br />
möglich (EMCDDA, 1997).<br />
Aus wissenschaftlicher Sicht ist darüber hinaus die Heterogenität der Gruppe der<br />
Drogentoten problematisch: Sowohl der langjährige Heroinkonsument, der nach einer<br />
Überdosis mit einer Spritze im Arm gefunden wird, als auch der gelegentliche<br />
Haschischkonsument, der sich unter Drogeneinfluss suizidiert hat, werden als<br />
Drogentodesfälle gewertet.<br />
1.3 Morbidität und Mortalität bei Drogenabängigen<br />
Das Risiko einer körperlichen Erkrankung ist bei Drogenabhängigen gegenüber der<br />
Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht. Risiken ergeben sich zum einen aus der<br />
Wirkung der Substanz selbst, zum anderen aus den Konsumformen und<br />
Konsumumständen. Bei den illegalen Drogen, vor allem Heroin, stehen nach heutigem<br />
Wissensstand die Risiken durch Form und Umstände des Konsums, anders als bei<br />
Alkohol und Zigaretten, deutlich im Vordergrund gegenüber Schäden durch die<br />
Substanz selbst (Frank, 1997). Beimengungen von Streckmitteln und<br />
Verunreinigungen spielen jedoch häufig eine Rolle.<br />
Insbesondere finden sich gehäuft:<br />
Infektionskrankheiten (Hepatitis, HIV, Geschlechtskrankheiten, Hauterkrankungen,<br />
Abszesse, Thrombosen, Endocarditis, Myocarditis, Tetanus, Malaria, Sepsis)<br />
Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten<br />
Bagatelltraumen durch Stürze und Unfälle unter Drogeneinfluss<br />
internistische Erkrankungen (Leber-, Nieren-, Lungenkrankheiten,<br />
Verdauungsstörungen)<br />
neurologische Krankheitsbilder<br />
psychiatrische Komorbidität.<br />
Durch eine Vielzahl epidemiologischer Studien ist das gegenüber der<br />
Allgemeinbevölkerung relativ erhöhte Todesrisiko von Drogenabhängigen belegt. Je<br />
nach untersuchter Population wird das Risiko zwischen 10 und 30mal so hoch<br />
angegeben (Oppenheimer et al., 1994; Gohdse et al., 1998). In einigen Ländern gilt der<br />
Drogentod als eine der häufigsten Todesursachen in der Altersgruppe der 15-<br />
45Jährigen (z.B. für Spanien: Ortí et al., 1996). Die geschätzte jährliche Mortalität der<br />
23
24<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Drogenabhängigen in Deutschland liegt, ähnlich wie in anderen Ländern, bei 1-2%<br />
(Bschor & Wessel, 1983; Heckmann et al., 1993).<br />
1.4 Todesursachen<br />
Wie oben ausgeführt, fallen als Drogentote klassifizierte Todesfälle unter eine der vier<br />
Kategorien Überdosis, Langzeitschäden, Unfall oder Suizid. Während die letzten<br />
beiden Kategorien relativ eindeutig sind, bedürfen die beiden ersten Kategorien<br />
näherer Erläuterung. Nicht einheitlich wird beispielsweise gehandhabt, ob an AIDS<br />
verstorbene Drogenkonsumenten als Drogentote klassifiziert werden: Die BKA-<br />
Definition sieht dies eigentlich vor, aber normalerweise wird hier ein natürlicher Tod<br />
bescheinigt und keine rechtsmedizinische Untersuchung eingeleitet.<br />
Die Unterscheidung zwischen absichtlicher und unabsichtlicher Überdosierung ist<br />
naturgemäß schwierig, falls nicht durch einen Abschiedsbrief o.ä. die Suizidabsicht<br />
dokumentiert ist. Entsprechend werden in Deutschland beide Fälle pragmatisch als<br />
"Tod durch Überdosis" klassifiziert. Dabei wird geschätzt, dass ca. 8-10% auf Suizid<br />
zurückzuführen sind (Heinemann et al., 1999). Hierbei gibt es möglicherweise<br />
Geschlechterunterschiede in Form eines höheren Anteils der ÜD als Suizidabsicht bei<br />
Frauen (Franke, 1997). Es scheinen unterschiedliche Risikofaktoren für beide<br />
Kategorien von Überdosierung vorzuliegen, so dass die Gruppe inhomogen ist. So sind<br />
Risikofaktoren für Suizid durch Überdosierung das Vorliegen einer Depression und<br />
Suizidgedanken, Psychosen in der Vorgeschichte, familiäre Anamnese von Depression<br />
und Alkoholproblemen (Farrel et al., 1996).<br />
1.4.1 Überdosis Opiate<br />
Der Begriff "Überdosis" wird von manchen Autoren als irreführend bewertet (Darke &<br />
Zador, 1996), da es keine absolute "toxische" Dosis gibt; die bei Verstorbenen<br />
nachgewiesenen Morphin-Konzentration sind meist nicht höher, manchmal sogar<br />
niedriger als bei intoxikierten Opiatabhängigen. Die Wirkung der konsumierten<br />
Heroinmenge ist also von der individuellen, aktuellen Toleranzschwelle abhängig.<br />
Diese wiederum ist intra- und interindividuell verschieden und u.a. von der<br />
Metabolismusrate abhängig, d.h. der Geschwindigkeit, mit der Heroin abgebaut wird<br />
(White & Irvine, 1999). Einen Wechsel der Toleranzlage findet man nach<br />
vorhergehender Abstinenz (z.B. Haft, Entgiftung, Tharapie); ein weiterer Risikofaktor ist<br />
Unerfahrenheit bei Anfängern oder Gelegenheitskonsumenten, die ihre Toleranz falsch
Einführung<br />
einschätzen. Möglicherweise ist die Toleranz auch reduziert, wenn an Orten<br />
konsumiert wird, an denen bislang nicht konsumiert wurde (White & Irvine, 1999).<br />
Gut belegt ist inzwischen auch das erhöhte Risiko einer Überdosierung durch einen<br />
synergistischen Effekt mehrerer gleichzeitig genommener Substanzen (vor allem<br />
Opiate in Kombination mit anderen ZNS-Depressiva wie Alkohol und<br />
Benzodiazepinen). Ein weiterer Risikofaktor, der die Wirkung einer bestimmten Menge<br />
Heroins beeinflußt, ist ein wechselnder Reinheitsgehalt des Stoffes.<br />
Bei einer Überdosierung mit Opiaten findet sich die Trias Koma, Miosis<br />
(Pupillenverengung) und Atemdepression. Der Tod tritt in den meisten Fällen letztlich<br />
durch Atemstillstand ein (White & Irvine, 1999). Weitere Todesursachen können<br />
pharmakologische Interaktionen mit Alkohol oder anderen Stoffen oder, in seltenen<br />
Fällen, eine toxische Wirkung von Zusatzstoffen oder auch allergische Reaktionen auf<br />
bestimmte Komponenten der Heroinaufbereitung sein (Tagliaro et al., 1998). In<br />
manchen Fällen tritt der Tod auch als Folge von Ersticken an Erbrochenem ein (Henry,<br />
1999).<br />
1.4.2 Überdosis anderer Substanzen<br />
Kokain kann in seltenen Fällen zum plötzlichen Tod in Folge ischämischer<br />
Erkrankungen führen (Herzinfarkt, Hirnschlag). Amphetamine können in sehr seltenen<br />
Fällen durch kardiale oder zerebrale Arteriospasmen mit ischämischen Folgen zum<br />
Tod führen. Ebenfalls selten sind Tod durch Hyperthermie oder Exsikkose nach<br />
Ecstasykonsum.<br />
1.5 Entwicklung der Drogentodesfälle im internationalen Vergleich<br />
Insgesamt ist international ein deutlicher Anstieg der Drogentodesfälle über die letzten<br />
Jahrzehnte festzustellen, z.B.<br />
h Australien: Zwischen 1979 und 1995 deutlicher Anstieg von 0,007% auf 0,67%<br />
der Einwohner zwischen 15 und 44; besonders stark bei Männern und in der<br />
Altersgruppe 25 bis 44 Jahre (Hall & Darke, 1998)<br />
h Spanien: Anstieg 1985-1991, vor allem bei Männern und bei längerer<br />
Konsumdauer (Ortí et al., 1996)<br />
h Norwegen: Anstieg der jährlichen Sterberate von 0,4% auf 2,2% von 1985-1995<br />
(Ravndal & Vaglum, 1999)<br />
h Österreich: Anstieg 1985-1992 um 530% (Risser & Schneider, 1994).<br />
25
26<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
In Deutschland ist die Zahl der Drogentodesfälle zwischen 1988 und 1991 sehr stark<br />
angestiegen, bis 1993 wieder leicht gesunken und auf diesem Niveau mit leichten<br />
Schwankungen in etwa geblieben (BKA, 1999). 1998 lag die Belastungszahl bei 2,0<br />
Drogentoten pro 100.000 Einwohner, 1999 bei 2,2. In Bayern zeigt die Zahl der<br />
Drogentodesfälle zwischen 1997 und 1998 eine deutliche Zunahme, in einzelnen<br />
Regionen um Werte von bis zu 100%. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden,<br />
dass bei der regionalen Differenzierung der Daten teilweise sehr kleine Absolutwerte<br />
verglichen werden. Bereits Veränderungen von wenigen Fällen führen zu prozentual<br />
starken Veränderungen. Neben der allgemeinen Zunahme ist auffällig, dass sich die<br />
Veränderungen unterschiedlich auf die bayerischen Bezirke und Regionen verteilen.<br />
1.6 Empirische Erkenntnisse zu Risiken für Drogennotfälle und<br />
Drogentod<br />
Die weit überwiegende Mehrheit der Drogentoten ist männlich, mit einem<br />
Geschlechterverhältnis von ca. 5:1 (Zador et al., 1996, Frischer et al., 1993, Heckmann<br />
et al., 1993). Dies ist zu erwarten, da auch die weit überwiegende Mehrzahl der<br />
Drogenkonsumenten männlich ist (Kraus & Bauernfeind, 1998). Unklar ist, ob das<br />
Risiko für drogenabhängige Frauen, in Folge des Konsums zu sterben, höher ist als bei<br />
Männern: Frischer et al. (1993) und Ghodse et al. (1998) fanden ein erhöhtes Risiko für<br />
Frauen; Powis et al. (1999) fanden ebenfalls ein höheres Risiko für nicht-tödliche<br />
Drogennotfälle bei Frauen. Oppenheimer et al. (1994) und Franke (1997) fanden<br />
andererseits keine Unterschiede. Das Durchschnittsalter scheint insgesamt<br />
angestiegen zu sein (Heinemann et al., 1999) und liegt jetzt bei etwas über 30 Jahre<br />
(Zador et al., 1996). Das Risiko scheint erhöht zu sein für Personen mit langjährigem<br />
Heroinkonsum (Davoli et al., 1993; Ghodse et al., 1998; Darke et al., 1996 für<br />
Drogennotfälle). Frischer et al. (1997) fanden jedoch ein höheres Risiko für jüngere<br />
Konsumenten und Oppenheimer et al. (1994) fanden keinen Einfluss der<br />
Konsumdauer. Ein erhöhtes Risiko für einen Drogentod scheint übereinstimmend die<br />
Zeit nach einer Abstinenzphase, beispielsweise nach Haftentlassung oder Entlassung<br />
aus einer Entgiftungsbehandlung, darzustellen (Adamsson Wahren et al., 1997; Kohler<br />
et al., 1998; Tagliaro et al., 1998).<br />
Für nicht verheiratete Drogenkonsumenten scheint das Risiko ebenfalls erhöht zu sein<br />
(Davoli et al., 1993). In manchen Studien wurden erhöhte Todesraten an<br />
Wochenenden gefunden, andere lassen keine Trends bezüglich Tagen oder<br />
Jahreszeiten erkennen (Darke & Ross, 1999; Zador et al., 1996). Die weit
Einführung<br />
überwiegende Mehrzahl der Todesfälle ist trotz der Ausbreitung des HIV bei i.v.-<br />
Drogenkonsumenten als Überdosierung zu klassifizieren (bis zu 80%, Frischer et al.,<br />
1993; Frischer et al., 1997; Oppenheimer et al., 1994; Heinemann et al., 1999). Die<br />
Mehrzahl der Überdosierungen scheint in Begleitung anderer zu geschehen (Powis et<br />
al., 1999), die Zeit zwischen letzter Injektion von Heroin und Tod scheint in vielen<br />
Fällen mehrere Stunden zu betragen (Zador et al., 1996). Andererseits scheinen nur<br />
wenige der Mitkonsumenten bereit zu sein, Hilfe zu holen (Zador et al., 1996; Powis et<br />
al., 1999). Der Konsumort spielt möglicherweise ebenfalls eine Rolle für das Risiko,<br />
nach einer Überdosis zu sterben: Die überwiegende Mehrheit der Drogentoten wird im<br />
Privatbereich aufgefunden (Zador et al., 1996; Kohler et al., 1998; Franke, 1994;<br />
Heckmann et al., 1993; in Australien scheint es jedoch umgekehrt zu sein, Darke &<br />
Ross, 1999).<br />
Heroin oder andere Opiate werden nach wie vor bei der Obduktion am häufigsten<br />
nachgewiesen (Ghodse et al., 1998; Kohler et al., 1998; Risser & Schneider, 1994),<br />
jedoch scheint der Anteil insgesamt zurückgegangen zu sein (Heinemann et al., 1999).<br />
Besonders häufig wird der Konsum von Opiaten in Kombination mit Alkohol und/oder<br />
Benzodiazepinen beschrieben (Zador et al., 1996; Hammersley et al., 1995; Franke,<br />
1994). Der Reinheitsgrad des verfügbaren Heroins scheint ein weiterer Einflußfaktor zu<br />
sein (Trüg, 1992).<br />
Die bei Todesfällen nachgewiesene Konzentration von Morphin wird übereinstimmend<br />
als vergleichbar mit Überlebenden von Drogennotfällen oder auch Opfern anderer<br />
Todesursachen, wie Unfällen, beschrieben. Der alleinige Nachweis von Morphin findet<br />
sich nur bei einer Minderheit, bei den weitaus meisten Fällen finden sich zusätzlich<br />
weitere Substanzgruppen (Kohler et al., 1998; Risser & Schneider, 1994; Bratzke,<br />
1994).<br />
Diskutiert wird auch die Rolle von Substitutionsmittel, insbesondere Methadon, im<br />
Zusammenhang mit Drogentodesfällen. In der letzten Zeit ist die Anzahl von<br />
Todesfällen, bei denen Methadon nachgewiesen wurde, angestiegen (Ghodse et al.,<br />
1998; Heinemann et al., 1999). Werden Klienten in Methadonbehandlung mit i.v.-<br />
Heroinkonsumenten ohne Methadonbehandlung verglichen, scheint das Sterberisiko<br />
für die substituierten Klienten aber weitaus geringer zu sein (Caplehorn et al., 1996;<br />
Grönbladh et al., 1990; Poser et al., 1995; Raschke et al., 1999).<br />
27
28<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
In verschiedenen Studien wurden Hinweise darauf gefunden, dass der Tod nach einem<br />
Drogennotfall möglicherweise hätte verhindert werden können, wenn die<br />
Mitanwesenden erste Hilfe hätten leisten können oder rechtzeitig den Notarzt<br />
verständigt hätten (Darke & Ross, 1999; Darke et al., 1996).<br />
1.7 Fragestellung und Zielsetzung<br />
Erkenntnisse über Risikofaktoren sind notwendig, um sinnvolle präventive Maßnahmen<br />
planen zu können. Ein erhöhtes Risiko nach Abstinenzphasen könnte z.B. bedeuten,<br />
Konsumenten über ihr erhöhtes Risiko besser aufzuklären, aber auch den Übergang<br />
z.B. nach einer Entgiftungsbehandlung in eine Nachsorge lückenloser zu gestalten.<br />
Weitere denkbare Ansätze aufgrund der bisherigen empirischen Erkenntnisse könnten<br />
eine bessere Aufklärung über die synergistische Wirkung bestimmter<br />
Drogenkombinationen sein, eine Änderung der Verschreibungspraxis von<br />
Benzodiazepinen an Opiatabhängige oder auch die Schulung in der Anwendung von<br />
Erste-Hilfe-Maßnahmen; diskutiert wird auch die Mitgabe des Opiatantagonisten<br />
Naloxon (Strang et al., 1999).<br />
Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass es erhebliche<br />
Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern und Regionen in Hinblick auf<br />
Prävalenzen und Risikofaktoren gibt. Eine einfache Übertragung der Daten von einer<br />
auf andere Regionen ist daher nicht möglich. Unseres Wissens gibt es seit der<br />
großangelegten Studie von Heckmann und Kollegen (1993) in Berlin, Bremen und<br />
Hamburg keine Studie in Deutschland, die eine detaillierte Auswertung aller<br />
verfügbaren Informationen über aktuelle Drogentodesfälle vornimmt.<br />
Vorrangiges Ziel des Projekts ist die Analyse von bereits erhobenen Daten im<br />
Zeitverlauf und der Vergleich zwischen verschiedenen Regionen in Bayern sowie mit<br />
vergleichbaren Regionen in anderen Bundesländern. Weiterhin sollen Faktoren<br />
identifiziert werden, die zu den verschiedenen Entwicklungen in diesen Regionen<br />
beigetragen haben könnten. Dazu werden zum einen bereits vorhandene Daten zu<br />
Drogentodesfällen analysiert, zum anderen werden Informationen aus verschiedenen<br />
Quellen zusammengetragen und verknüpft. Dazu zählen die individuelle Sichtung der<br />
polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, die Befragung von Institutionen<br />
des Drogenhilfesystems (Beratungsstellen, Entgiftungs- und Therapieeinrichtungen)<br />
und von substituierenden niedergelassenen Ärzten sowie die Befragung der<br />
Angehörigen bzw. des sozialen Umfeldes des Verstorbenen. Aus den Ergebnissen
Einführung<br />
werden Vorschläge für präventive Maßnahmen zur Reduzierung der Anzahl der<br />
Drogentoten abgeleitet.<br />
1.8 Teilprojekte<br />
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998 in Bayern und ausge-<br />
wählten Bundesländern (Teilprojekt 1)<br />
Verglichen werden die Entwicklungen in Regierungsbezirken sowie ausgewählten<br />
Städten in Bayern. Zum Vergleich zwischen Bayern und anderen Bundesländern<br />
werden Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen herangezogen. Ziel ist es,<br />
Unterschiede zwischen den Bundesländern, aber auch die Varianzen innerhalb der<br />
Bundesländer auszuwerten (Kapitel 2).<br />
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994 und 1998 in Bayern (Teil-<br />
projekt 2)<br />
Weiterhin werden Faktoren identifiziert, die zu den verschiedenen Entwicklungen<br />
beigetragen haben könnten. Dazu werden alle Drogentodesfälle, die 1998 angefallen<br />
sind, detailliert analysiert im Hinblick auf mögliche Einflussfaktoren wie z.B.<br />
soziodemographische Daten, Todesumstände, medizinisch-toxikologische Daten,<br />
polizeiliche Erkenntnisse und Therapie. Zu diesem Zweck werden die Akten der<br />
Staatsanwaltschaft und der Polizei herangezogen. Durch einen Vergleich mit<br />
entsprechenden Daten, die für die Drogentoten in Bayern 1993/94 durch das<br />
Bayerische LKA erhoben wurden, sollen mögliche Hintergründe für den Anstieg bzw.<br />
für unterschiedliche Verläufe in einzelnen Teilen Bayerns erhellt werden (Kapitel 3).<br />
Analyse der staatsanwaltschaftlichen und therapeutischen Daten zu Drogento-<br />
desfällen 1999 in Bayern (Teilprojekt 3)<br />
Drittens werden in einer Detailanalyse alle 1999 anfallenden Drogentodesfälle in aus-<br />
gewählten Regionen Bayerns genauer untersucht. Dazu werden Daten zum soziode-<br />
mographischen Hintergrund, Todesumstände, medizinisch-toxikologische Daten, poli-<br />
zeiliche Erkenntnisse sowie Therapiedaten erhoben. Zu diesem Zweck werden Anga-<br />
ben von Polizei und Staatsanwaltschaft mit Angaben von Angehörigen der Toten sowie<br />
Einrichtungen der Drogenhilfe (Beratungsstellen, Entgiftungs- und Therapieeinrichtun-<br />
gen, substituierende Ärzte) zusammengeführt (Kapitel 4).<br />
29
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
2 Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
2.1 Einführung<br />
In der Drogentodesstatistik, die in Form von Jahresberichten für Deutschland vom<br />
Bundeskriminalamt und für die Länder von den Landeskriminalämtern regelmäßig he-<br />
rausgegeben werden, finden sich eine Reihe von Informationen, die zur Beurteilung<br />
regional unterschiedlicher Verläufe des Umfangs und zur Beschreibung der Charakte-<br />
ristik der im Zusammenhang mit Drogen Verstorbenen herangezogen werden können.<br />
Diese Statistik gibt Auskunft über Merkmale wie Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit<br />
und Todesursache definiert als Tod durch Überdosis, aufgrund von Langzeitschäden,<br />
infolge eines Unfalls unter Drogeneinfluss oder durch Suizid.<br />
2.2 Fragestellung<br />
Bei der Analyse der Drogentodesstatistiken ergeben sich zwei Fragenkomplexe. Zum<br />
einen muss geprüft werden, ob Unterschiede zwischen bayerischen Regionen bzw.<br />
Veränderungen im Laufe der Zeit (Trends) tatsächlich echte Veränderungen darstellen,<br />
oder Artefakte unterschiedlicher bzw. im Laufe der Zeit veränderter Erhebungsverfah-<br />
ren darstellen. Zwar gibt es in Deutschland eine einheitliche Definition für Drogentod,<br />
die für das gesamte Bundesgebiet verbindlich ist, doch gibt es auch - ungeprüfte -<br />
Hypothesen, dass die tatsächliche Wahrscheinlichkeit für die Entdeckung eines Dro-<br />
gentoten zwischen den Bundesländern bzw. zwischen einzelnen Regionen in Bayern<br />
unterschiedlich ist. Dabei spielt z.B. die Obduktionsrate eine wesentliche Rolle.<br />
Der zweite Bereich befasst sich mit Hypothesen für die Erklärung von (tatsächlichen)<br />
Trends im Zeitverlauf bzw. Unterschieden zwischen ähnlichen Regionen. Soweit die<br />
Unterschiede nicht durch örtliche Artefakte der Erhebungsmethodik bedingt sind, ist zu<br />
analysieren, inwieweit Erklärungen für Trends im Zeitverlauf bzw. für tatsächliche Un-<br />
terschiede zwischen Regionen gefunden werden können. Hierzu ist es zunächst ein-<br />
mal notwendig, die Drogentodeszahlen über längere Zeiträume sowie im Vergleich mit<br />
anderen Bundesländern zu analysieren.<br />
2.3 Methodisches Vorgehen<br />
Die Entwicklung der Anzahl der Drogentoten in Bayern wurde über einen Zeitraum von<br />
elf Jahren verfolgt. Dabei wurden Verteilung von Geschlecht und Alter, Todesursachen<br />
sowie der Anteil nichtdeutscher Rauschgifttoter analysiert. Den Daten wurden die ent-<br />
31
32<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
sprechenden Zahlen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegenüberge-<br />
stellt, den zwei Bundesländern, die in Bezug auf Einwohnerzahl und Größe Bayern am<br />
ähnlichsten sind. Außerdem wurden zum Vergleich noch die gesamtdeutschen Zahlen<br />
herangezogen. Um die Bundesländer besser vergleichen zu können, werden neben<br />
den Absolutzahlen auch die Belastungszahlen, d.h. die Anzahl Drogentoter pro<br />
100.000 Einwohnern dargestellt.<br />
Im Gegensatz zu anderen Trendanalysen können die westdeutschen Absolutzahlen<br />
der Drogentoten vor der Wiedervereinigung mit den gesamtdeutschen Zahlen nach der<br />
Wiedervereinigung verglichen werden, da illegale Drogen in der ehemaligen DDR so<br />
gut wie nicht erhältlich waren und die Anzahl der Drogentoten in den Neuen Bundes-<br />
ländern nach wie vor verschwindend gering ist. In den Graphiken sind daher bis 1990<br />
die westdeutschen und ab 1991 die gesamtdeutschen Zahlen dargestellt. Bei der Be-<br />
rechnung der Belastungszahlen wurde in allen Jahren des Vergleichszeitraums die<br />
Einwohnerzahl Gesamtdeutschlands verwendet.<br />
Dagegen traten andere Probleme auf, die die Vergleichbarkeit und damit die Interpre-<br />
tierbarkeit der Kurven beeinträchtigen. So liegen die Zahlen aus den <strong>Berichte</strong>n der<br />
Landeskriminalämter z.T. über den Zahlen für die entsprechenden Länder im Bericht<br />
des Bundeskriminalamtes. Da dies vermutlich auf Eingaberückstände zurückzuführen<br />
ist und somit die Zahlen aus den <strong>Berichte</strong>n der Landeskriminalämter valider sein müss-<br />
ten, wurden die <strong>Berichte</strong> der Landeskriminalämter verwendet. Die gesamtdeutsche<br />
Kurve stellt dagegen die Werte aus dem BKA-Bericht dar und ist damit zu niedrig. Da<br />
für Bayern die Daten zu Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Todesursache im<br />
Jahr 1988 fehlen, werden die Vergleiche zu diesen Punkten erst ab 1989 vorgenom-<br />
men.<br />
Weitere Schwierigkeiten traten bei der Analyse der Todesursachen auf. Drogentod ist<br />
in Deutschland definiert als Tod durch Überdosis, aufgrund von Langzeitschäden, in-<br />
folge eines Unfalls unter Drogeneinfluss oder durch Suizid. Vereinzelt wurde in den<br />
<strong>Berichte</strong>n noch eine Kategorie „sonstige Todesursachen“ eingeführt, die manchmal<br />
unter der Kategorie „Unfall“ (BKA, 1991) oder Überdosis (Baden-Württemberg) subsu-<br />
miert wurde. In manchen <strong>Berichte</strong>n fehlen bestimmte Todesursachen. Außerdem wur-<br />
de die Todesursache in einigen Fällen zwei oder mehr Kategorien zugeordnet. Da dar-<br />
über hinaus die Obduktionsrate in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich<br />
ist und deshalb die Todesursachen Unfall, Langzeitschäden oder Suizid in manchen<br />
Bundesländern mit geringerer Wahrscheinlichkeit erkannt wird, wurde nur der Anteil
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
der Drogenkonsumenten, die durch Überdosierung im Zusammenhang mit Heroin ver-<br />
starben, genauer untersucht.<br />
Zusätzlich zu den Länderzahlen wurden noch die Daten einzelner großer Städte in den<br />
Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie der Re-<br />
gierungsbezirke verglichen.<br />
2.4 Ergebnisse<br />
2.4.1 Vergleich der Bundesländer<br />
Bundesweit stieg im Verlauf von nur drei Jahren die Anzahl der Drogentoten von knapp<br />
700 im Jahr 1988 auf über 2100 im Jahr 1991. Im Jahr 1992 wurde der Wert von 1991<br />
nahezu wieder erreicht, seit 1993 schwankt die Anzahl der Drogentoten zwischen et-<br />
wa 1500 und 1750. Derselbe Kurvenverlauf – steiler Anstieg bis 1991, leichter Rück-<br />
gang von 1992 bis 1993 und gleichbleibendes Niveau seit 1993 – zeigt sich auch in<br />
Nordrhein-Westfalen. In Bayern und Baden-Württemberg ist zwar ebenfalls ein starker<br />
Anstieg in den ersten drei Jahren des Beobachtungszeitraums zu verzeichnen, die<br />
Kurve bleibt aber dann auf dem zu Beginn der 90er Jahre erreichten Niveau (Abbildung<br />
2-1).<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
0<br />
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998<br />
Abbildung 2-1: Anzahl Drogentote in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-<br />
Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998<br />
33
34<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Zum Vergleich der Bundesländer sind die Belastungszahlen, d.h. die Anzahl der Dro-<br />
gentoten pro 100.000 Einwohner, geeigneter als die Absolutzahlen. Im Bundesdurch-<br />
schnitt kamen 1988 auf 100.000 Einwohner 0,9 Drogentote. Bis 1991/92 stieg die Be-<br />
lastungszahl auf 2,6 Drogentote pro 100.000 Einwohner. Seit 1993 schwankt die<br />
Belastungszahl um etwa 2,0 (Abbildung 2-2). Einen sehr ähnlichen Kurvenverlauf, aber<br />
auf geringfügig höherem Niveau, weist Nordrhein-Westfalen auf. Wie bereits erwähnt,<br />
liegen die Zahlen aus den <strong>Berichte</strong>n der Landeskriminalämter – vermutlich aufgrund<br />
von Eingaberückständen – z.T. über den BKA-Werten. Die Anzahl der Drogentoten pro<br />
100.000 Einwohner in Nordrhein-Westfalen und in Gesamtdeutschland dürfte also in<br />
den letzten 10 Jahren vor 1998 nahezu identisch gewesen sein.<br />
Die Belastungszahlen in Baden-Württemberg liegen bis 1992 in etwa im gleichen Be-<br />
reich wie im Bundesdurchschnitt oder in Nordrhein-Westfalen. Der Rückgang nach<br />
1992 fällt jedoch wesentlich schwächer aus, die Belastungszahlen schwanken zwi-<br />
schen 1993 und 1996 um 2,4-2,5. In den letzten beiden Jahren fiel die Belastungszahl<br />
auf 2,2.<br />
In Bayern entwickelte sich die Belastungszahl etwas anders als in Gesamtdeutschland<br />
oder den anderen beiden Bundesländern. Mit 0,5 Drogentoten pro 100.000 Einwoh-<br />
nern weist Bayern 1988 eine vergleichsweise niedrige Belastungszahl auf. Bis 1992 ist<br />
der Kurvenverlauf in etwa parallel zur bundesweiten Kurve. 1993 wird dann der bun-<br />
desdeutsche Vergleichswert von 2,1 Drogentoten pro 100.000 Einwohnern erreicht, bis<br />
1997 sind dann der bundesdeutsche und der bayerische Belastungswert nahezu iden-<br />
tisch. Von 1997 auf 1998 stieg die bayerische Belastungszahl um 44,4% auf 2,6 Dro-<br />
gentote pro 100.000 Einwohner und übersteigt damit den bundesdeutschen Wert (2,0)<br />
und die Werte der Flächenstaaten von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen<br />
(beide 2,2).
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
3<br />
2,5<br />
2<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998<br />
Abbildung 2-2: Anzahl Drogentote pro 100.000 in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998<br />
%<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-3: Anteile männlicher Drogentoter in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998 nach Geschlecht<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
35
36<br />
Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
In den drei Bundesländern und auch bundesweit waren im gesamten Beobachtungs-<br />
zeitraum etwa 80-87% der Drogentoten männlich und entsprechend etwa 13-20%<br />
weiblich. In Nordrhein-Westfalen waren 1996 und 1998 sogar fast 90% der Drogento-<br />
ten männlich (Abbildung 2-3). Größere Unterschiede zeigen sich bei der Altersvertei-<br />
lung. Aus den Zahlen lassen sich grob zwei Tendenzen ablesen: Zum einen sind die<br />
Drogentoten in Bayern jünger als im Bundesdurchschnitt und zum anderen werden die<br />
Drogentoten tendenziell älter (Abbildung 2-4 und 2-5). 1998 waren in Bayern 1,6% der<br />
Drogentoten minderjährig, 33,3% zwischen 18 und 24 Jahren, 25,8% zwischen 25 und<br />
29 Jahren und schließlich 39,3% 30 Jahre oder älter. Dagegen waren im gleichen Jahr<br />
bundesweit 1,3% der Drogentoten minderjährig, 20,7% zwischen 18 und 24 Jahren,<br />
21,1% zwischen 25 und 29 Jahren und schließlich 56,0% 30 Jahre oder älter. Die Al-<br />
tersverteilung der Drogentoten in Nordrhein-Westfalen ist der bundesweiten Altersver-<br />
teilung sehr ähnlich, für Baden-Württemberg liegen keine Zahlen vor. Das gleiche Mus-<br />
ter – ähnliche Altersverteilungen in Nordrhein-Westfalen und Deutschland, deutlich<br />
größerer Anteil jüngerer Drogentoter in Bayern – zeigt sich in allen Jahren des Beo-<br />
bachtungszeitraums. Bundesweit stieg der Anteil der mindestens 30jährigen Drogento-<br />
ten von 41,6% im Jahr 1989 auf 56,0% im Jahr 1998. In Bayern stehen 37,0% im Jahr<br />
1989 39,3% im Jahr 1997 gegenüber. Dagegen gingen die Anteile der jüngeren Er-<br />
wachsenen zurück. Leichte Zunahmen zeigen sich jedoch in allen betrachteten Regio-<br />
nen bei den Minderjährigen.<br />
Das Durchschnittsalter stieg zwischen 1989 und 1998 in Bayern von 27,7 auf 28,4 Jah-<br />
re, in Baden-Württemberg von 28,4 auf 29,1 Jahre, in Nordrhein-Westfalen von 29,5<br />
auf 31,7 Jahre und bundesweit von 28 auf 31 Jahre (Abbildung 2-6). Die Angaben zum<br />
Durchschnittsalter in Baden-Württemberg und Deutschland wurden dabei aus den Be-<br />
richten des BKA oder des baden-württembergischen Landeskriminalamts übernom-<br />
men, die zum Durchschnittsalter in Bayern und in Nordrhein-Westfalen aus der Vertei-<br />
lung der Altersklassen approximiert. Dabei wurde bei den mittleren Altersklassen der<br />
Klassenmittelpunkt als Todesalter gewählt, bei der ersten Altersklasse (bis 14 Jahre)<br />
das Todesalter 13 Jahre, bei der letzten Alterklasse (40 Jahre oder älter) das Todesal-<br />
ter 44,5 Jahre.
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
%<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
%<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1989<br />
Bayern Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1990<br />
1991<br />
unter 18 Jahre<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
Bayern Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1990<br />
1991<br />
18-24 Jahre<br />
1992<br />
Abbildung 2-4: Anteile Drogentote in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Deutschland<br />
gesamt von 1988 bis 1998 nach Alter (unter 18 Jahre, 18-24 Jahre)<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1997<br />
1998<br />
1998<br />
37
38<br />
%<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
%<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Bayern Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
25-29 Jahre<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
Bayern Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1990<br />
1991<br />
30 Jahre und älter<br />
1992<br />
Abbildung 2-5: Anteile Drogentote in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Deutschland<br />
gesamt von 1988 bis 1998 nach Alter (25-29 Jahre, über 30 Jahre)<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1997<br />
1998<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
Alter<br />
33<br />
32<br />
31<br />
30<br />
29<br />
28<br />
27<br />
26<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-6: Durchschnittsalter Drogentoter in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998<br />
1993<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
%<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-7: Anteile nicht-deutscher Drogentoter in Bayern, Baden-Württemberg,<br />
Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt von 1988 bis 1998<br />
1993<br />
1994<br />
1994<br />
1995<br />
1995<br />
1996<br />
1996<br />
1997<br />
1997<br />
1998<br />
1998<br />
39
40<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der Anteil der Nichtdeutschen unter den Drogentoten wird in Bayern erst seit 1991<br />
berichtet. Seit diesem Zeitpunkt schwankt der Anteil der Nichtdeutschen in Bayern und<br />
bundesweit unregelmäßig um etwa 10%. Tendenziell etwas höher liegt er seit Mitte der<br />
90er Jahre in Baden-Württemberg, deutlich niedriger - vor allem in der ersten Hälfte<br />
der 90er Jahre - in Nordrhein-Westfalen (Abbildung 2-7).<br />
Tod durch Überdosis<br />
In den 90er Jahren blieb der Anteil der Rauschgifttoten, die an einer Überdosis gestor-<br />
ben waren, bundesweit ziemlich konstant bei etwa 80% (Abbildung 2-8). In Bayern lag<br />
dieser Anteil 1991-93 nur unwesentlich über dem bundesdeutschen Vergleichswert, in<br />
den letzten fünf Jahren des Beobachtungszeitraums erreichte er jedoch 86% bis knapp<br />
88%. Während dieser Anteil in Nordrhein-Westfalen in der ersten Hälfte der 90er Jahre<br />
z.T. die 95%-Marke erreichte und damit den bayerischen und den bundesdeutschen<br />
Wert deutlich überstieg, pendelte er sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in etwa<br />
auf dem bayerischen Niveau ein. In Baden-Württemberg war zwischen 1990 und 1996<br />
ein Anstieg von 79,7% auf 94,8% zu beobachten, 1998 betrug er jedoch nur noch<br />
88,1% und bewegt sich damit in der gleichen Größenordnung wie Bayern (86,6%) und<br />
Nordrhein-Westfalen (89,2%).<br />
Bayern Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
100<br />
%<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998<br />
Abbildung 2-8: Anteile Drogentoter mit Todesursache Überdosis in Bayern, Baden-<br />
Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Deutschland gesamt von 1988<br />
bis 1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
Wie bereits erwähnt, sind diese Unterschiede aus zwei Gründen schwierig zu interpre-<br />
tieren. Zum einen ist dies wegen der unterschiedlichen <strong>Berichte</strong>rstattung der verschie-<br />
denen Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes der Fall. So wurden bei-<br />
spielsweise „sonstige Todesursachen“ z.T. der Kategorie „Überdosis“ zugeordnet, z.T.<br />
unter „Unfälle“ subsumiert und z.T. als eigene Kategorie berichtet. Außerdem wurde<br />
manchmal ein und derselbe Todesfall mehreren Todesursachen zugeordnet. Es ist<br />
aber nicht klar, ob manche Behörden prinzipiell keine Doppelnennungen von Todesur-<br />
sachen vornehmen oder ob sich die Todesursachen wirklich von Jahr zu Jahr und zwi-<br />
schen den Ländern unterscheiden.<br />
Zum anderen unterscheiden sich die Obduktionsraten in den einzelnen Bundesländern<br />
deutlich voneinander. Während in Bayern zwischen 1995 und 1998 88,6% (1997) bis<br />
94,2% (1998) der Rauschgifttoten obduziert wurden, wurden bundesweit nur zwischen<br />
57,5% (1997) und 69,1% (1995) der Rauschgifttoten obduziert. Weit unter dem Bun-<br />
desdurchschnitt lag die Obduktionsrate in Nordrhein-Westfalen. Hier wurde an nur<br />
16,9% (1997) bis 59,7% (1995) der Rauschgifttoten eine Obduktion vorgenommen. In<br />
Baden-Württemberg sank die Obduktionsrate von 78,0% im Jahr 1995 auf 19,0% im<br />
Jahr 1998 (Abbildung 2-9).<br />
%<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1991<br />
1992<br />
Bayern Baden-Württemberg<br />
Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1993<br />
1994<br />
Abbildung 2-9: Anteile der Obduktionen in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-<br />
Westfalen und Deutschland gesamt 1992 und 1995 bis 1998<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
41
42<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der Anteil der Rauschgifttodesfälle durch eine Überdosis Heroin – eventuell auch zu-<br />
sammen mit anderen Substanzen - war jeweils in Nordrhein-Westfalen am höchsten<br />
und in den meisten Jahren in Bayern am niedrigsten. Die Kurven verlaufen annähernd<br />
ähnlich: Einem Anstieg bis 1992 (Ausnahme: Bayern) folgt ein Rückgang bis 1997 mit<br />
einem anschließenden Anstieg (Ausnahme: Baden-Württemberg). Im letzten Berichts-<br />
jahr waren in Baden-Württemberg 39,8% der Rauschgifttodesfälle auf eine Überdosis<br />
Heroin zurückzuführen, in Bayern 53,4%, in Nordrhein-Westfalen 73,3% und bundes-<br />
weit 65,5% (Abbildung 2-10).<br />
%<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
Bayern Baden-Württemberg<br />
Nordrhein-Westfalen Deutschland<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-10: Anteile Drogentoter in Zusammenhang mit Überdosierung durch Heroin<br />
in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und<br />
Deutschland gesamt von 1988 bis 1998<br />
2.4.2 Vergleich der Regierungsbezirke<br />
Bayern ist in die Regierungsbezirke Oberbayern (1998: 3.996.043 Einwohner), Nieder-<br />
bayern (1998: 1.162.972 Einwohner), Oberpfalz (1998: 1.069.121 Einwohner), Ober-<br />
franken (1998: 1.113.790 Einwohner), Mittelfranken (1998: 1.678.535 Einwohner), Un-<br />
terfranken (1998: 1.329.399 Einwohner) und Schwaben (1998: 1.736.688 Einwohner)<br />
aufgeteilt. Nordrhein-Westfalen weist die fünf Regierungsbezirke Arnsberg (1998:<br />
3.815.118 Einwohner), Detmold (1998: 2.041.343 Einwohner), Düsseldorf (1998:<br />
5.269.171 Einwohner), Köln (1998: 4.249.413 Einwohner) sowie Münster (1998:<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
2.600.471 Einwohner) auf. Die Regierungsbezirke von Baden-Württemberg sind Stutt-<br />
gart (1998: 3.996.043 Einwohner), Karlsruhe (1998: 3.996.043 Einwohner), Freiburg<br />
(1998: 3.996.043 Einwohner) und Tübingen (1998: 3.996.043 Einwohner).<br />
Bis auf wenige Ausnahmen waren in Baden-Württemberg die meisten Rauschgifttoten<br />
im Regierungsbezirk Stuttgart zu verzeichnen, dem folgte Karlsruhe und anschließend<br />
Freiburg. Die wenigsten Drogentoten wies jeweils der Regierungsbezirk Tübingen auf.<br />
In allen vier Regierungsbezirken stieg die Anzahl der Drogentoten bis 1991 an. Wäh-<br />
rend sie im Regierungsbezirk Stuttgart seitdem rückläufig ist, blieb sie in den anderen<br />
drei Regierungsbezirken in etwa auf dem 1991 erreichten Niveau. Im letzten Jahr des<br />
Vergleichszeitraums wurden im Regierungsbezirk Stuttgart 91 Drogentote registriert,<br />
im Regierungsbezirk Karlsruhe 67 Drogentote, im Regierungsbezirk Freiburg 47 Dro-<br />
gentote sowie im Regierungsbezirk Tübingen 21 Drogentote (Abbildung 2-11).<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
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40<br />
20<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
Stuttgart Karlsruhe Freiburg Tübingen<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-11: Anzahl Drogentote in den Regierungsbezirken Stuttgart, Karlsruhe,<br />
Freiburg und Tübingen (Baden-Württemberg) von 1988 bis 1998<br />
Die Verläufe der Belastungszahlen folgen dem gleichen Muster wie die Absolutzahlen<br />
mit einem Anstieg bis 1991, einem anschließenden Rückgang im Regierungsbezirk<br />
Stuttgart und Schwankungen um den 1991 erreichten Wert in den anderen Regie-<br />
rungsbezirken. Die Belastungszahlen der vier Regierungsbezirke unterscheiden sich in<br />
keinem Jahr des Vergleichszeitraums stark, die Anzahl der Drogentoten pro 100.000<br />
Einwohnern lag 1998 zwischen 1,2 in Tübingen und 2,5 in Karlsruhe (Abbildung 2-12).<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
43
44<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Stuttgart Karlsruhe Freiburg Tübingen<br />
1992<br />
Abbildung 2-12: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Regierungsbezirken<br />
Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen (Baden-Württemberg)<br />
von 1988 bis 1998<br />
Von allen bayerischen Regierungsbezirken weist Oberbayern jeweils die meisten Dro-<br />
gentoten auf, Oberfranken bis auf wenige Ausnahmen die wenigsten. Als Gemeinsam-<br />
keiten aller Regierungsbezirke kristallisieren sich ein Anstieg bis 1991 und zwischen<br />
1997 und 1998 sowie eine deutlich höhere Anzahl von Drogentoten im letzten Jahr des<br />
Vergleichszeitraums im Vergleich zu 1988 heraus. Eine Ausnahme bildet nur Schwa-<br />
ben, wo 1989 weniger Drogentote registriert wurden als ein Jahr zuvor. Im letzten Jahr<br />
des Vergleichszeitraums wurden in Oberbayern 113 Drogentote registriert, in Schwa-<br />
ben 77 Drogentote, in Niederbayern und der Oberpfalz insgesamt 53 Drogentote, in<br />
Oberfranken 11 Drogentote, in Mittelfranken 31 Drogentote und in Unterfranken<br />
schließlich 28 Drogentote. Im Jahr 1988 waren es noch 26 Drogentote in Oberbayern,<br />
5 Drogentote in Schwaben, 4 Drogentote in Niederbayern-Oberpfalz, je 1 Drogentoter<br />
in Unter- und Oberfranken sowie 13 Drogentote in Mittelfranken (Abbildung 2-13).<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
200<br />
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120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1988<br />
Oberbayern (mit München) Schwaben<br />
Niederbayern-Oberpfalz Oberfranken<br />
Mittelfranken Unterfranken<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-13: Anzahl Drogentoter in den Regierungsbezirken Oberbayern, Schwaben,<br />
Niederbayern-Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken<br />
(Bayern) von 1988 bis 1998<br />
Erwartungsgemäß waren die Belastungszahlen im Regierungsbezirk Oberbayern, in<br />
dem München liegt, in allen Jahren des Vergleichszeitraums relativ hoch. Sie werden<br />
jedoch 1998 von der schwäbischen Belastungszahl sowie in vier der ersten fünf Jahre<br />
des Vergleichszeitraums von den mittelfränkischen Belastungszahl übertroffen. Diese<br />
drei Regierungsbezirke – Oberbayern mit der Großstadt München, Schwaben mit der<br />
Großstadt Augsburg sowie Mittelfranken mit dem Ballungsraum Nürn-<br />
berg/Fürth/Erlangen – weisen in den 90er Jahren vergleichsweise hohe<br />
Belastungszahlen auf. Die Anzahl der Drogentoten pro 100.000 Einwohnern ist in<br />
Oberfranken sowie in Niederbayern-Oberpfalz in den meisten Jahren des<br />
Vergleichszeitraums am geringsten. Während jedoch auch Ende der 90er Jahre<br />
Oberfranken das Schlusslicht bildet, rangiert Niederbayern-Oberpfalz 1998 mit 2,4<br />
Drogentoten pro 100.000 Einwohnern nach Schwaben (4,4 Drogentote pro 100.000<br />
Einwohner) und Oberbayern (2,4 Drogentote pro 100.000 Einwohner) an dritter Stelle<br />
(Abbildung 2-14).<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
45
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5<br />
4<br />
3<br />
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1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Oberbayern (mit München) Schwaben<br />
Niederbayern-Oberpfalz Oberfranken<br />
Mittelfranken Unterfranken<br />
1992<br />
Abbildung 2-14: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Regierungsbezirken<br />
Oberbayern, Schwaben, Niederbayern-Oberpfalz, Oberfranken,<br />
Mittelfranken und Unterfranken (Bayern) von 1988 bis 1998<br />
Auch in den Regierungsbezirken Nordrhein-Westfalens stieg die Anzahl der Drogento-<br />
ten bis 1991 stark an. Mit Ausnahme von Köln wird das zu Beginn der 90er Jahre er-<br />
reichte Maximum später nicht überschritten, die Drogentotenzahlen fallen jedoch nicht<br />
mehr auf die Werte zu Beginn des Vergleichszeitraums zurück. Zu Beginn der 90er<br />
Jahre nahm Düsseldorf im Vergleich zu den anderen Regierungsbezirken eine Spit-<br />
zenposition ein, die wenigsten Drogentoten wurden in Münster sowie in Detmold regist-<br />
riert. In der Mitte rangierten Arnsberg und Köln. Ab 1994 wiesen Düsseldorf und Köln<br />
jeweils die höchsten und zweithöchsten Drogentotenzahlen auf. Arnsberg belegte eine<br />
mittlere Position, die wenigsten oder zweitwenigsten Drogentoten waren jeweils in<br />
Münster oder Detmold zu verzeichnen. Im Jahr 1998 verstarben in Düsseldorf 115<br />
Personen im Zusammenhang mit ihrem Drogengebrauch, in Köln 111 Personen, in<br />
Arnsberg 68 Personen, in Münster 38 Personen und schließlich in Detmold 28 Perso-<br />
nen (Abbildung 2-15).<br />
Die Belastungszahlen der fünf nordrhein-westfälischen Regierungsbezirke zeigen ein<br />
ähnliches Muster wie die Absolutzahlen mit einem Anstieg bis 1991 in allen fünf Regie-<br />
rungsbezirken, einem weiteren Anstieg bis 1994 in Köln und einer Stagnation oder ei-<br />
nem Rückgang ab 1994 mit Ausnahme von Düsseldorf. Die wenigsten Drogentoten pro<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
100.000 Einwohner fanden sich im gesamten Vergleichszeitraum jeweils in Detmold<br />
oder in Münster, die meisten in den ersten Jahren in Arnsberg oder Düsseldorf und ab<br />
1994 in Köln oder Düsseldorf. Die Unterschiede zwischen den Regierungsbezirken<br />
sind allerdings nicht sehr groß: 1998 lagen die Belastungszahlen zwischen 1,4 in Det-<br />
mold und 2,6 in Köln (Abbildung 2-16).<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1988<br />
Arnsberg Detmold Düsseldorf Köln Münster<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-15: Anzahl Drogentote in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold,<br />
Düsseldorf, Köln, Münster (Nordrhein-Westfalen) von 1988 bis 1998<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
47
48<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Arnsberg Detmold Düsseldorf Köln Münster<br />
1992<br />
Abbildung 2-16: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Regierungsbezirken<br />
Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster (Nordrhein-<br />
Westfalen) von 1988 bis 1998<br />
2.4.3 Städtevergleich<br />
Die Anzahl der Rauschgifttoten in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
und in Deutschland stieg bis 1991/92 stark an und stagnierte auf dem zu diesem Zeit-<br />
punkt erreichten (Bayern, Baden-Württemberg) oder einem etwas niedrigerem (Nord-<br />
rhein-Westfalen, Deutschland) Niveau. In den ausgewählten Städten – München<br />
(1998: 1.118.897 Einwohner), Nürnberg (1998: 487.145 Einwohner), Augsburg (1998:<br />
254.610 Einwohner), Stuttgart (1998: 581.961 Einwohner), Mannheim (1998: 308.903<br />
Einwohner), Freiburg (1998: 200.980 Einwohner), Heidelberg (1998: 139.285 Einwoh-<br />
ner), Köln (1998: 962.580 Einwohner), Dortmund (1998: 591.733 Einwohner), Aachen<br />
(1998: 244.429 Einwohner) und Bielefeld (1998: 321.831 Einwohner) – war ebenfalls<br />
bis 1991/92 eine starke Zunahme der Anzahl der Rauschgifttoten zu verzeichnen. Im<br />
weiteren Verlauf entwickeln sich die Drogentotenzahlen jedoch sehr unterschiedlich, es<br />
sind auch innerhalb der einzelnen Bundesländer keine Gemeinsamkeiten zu erkennen.<br />
Festhalten lässt sich jedoch auf alle Fälle, dass in allen Städten 1998 mehr Rauschgift-<br />
1993<br />
1994<br />
tote registriert wurden als elf Jahr zuvor (Abbildung 2-17 bis 2-19).<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
100<br />
90<br />
80<br />
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50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
Stuttgart Mannheim Freiburg Heidelberg<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-17: Anzahl Drogentote in den Städten Stuttgart, Mannheim, Freiburg und<br />
Heidelberg (Baden-Württemberg) von 1988 bis 1998<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
München Nürnberg Augsburg<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-18: Anzahl Drogentote in den Städten München, Nürnberg und Augsburg<br />
(Bayern) von 1988 bis 1998<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1996<br />
1997<br />
1997<br />
1998<br />
1998<br />
49
50<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
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50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Köln Dortmund Aachen Bielefeld<br />
1992<br />
Abbildung 2-19: Anzahl Drogentote in den Städten Köln, Dortmund, Aachen und<br />
Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) von 1988 bis 1998<br />
Die Belastungszahlen steigen ebenfalls bis 1991/92 stark an. Der weitere Verlauf ist<br />
wieder sehr unterschiedlich. In den bayerischen und baden-württembergischen Städten<br />
sowie in Köln und Aachen ist die Anzahl der Rauschgifttoten pro 100.000 Einwohnern<br />
1998 deutlich höher als zu Beginn des Beobachtungszeitraums, sie beträgt z.T. sogar<br />
ein Vielfaches des Vergleichswertes von 1988 oder 1989. In Bielefeld wurde 1998 mit<br />
1,9 Rauschgifttoten pro 100.000 Einwohnern dagegen wieder der Wert von 1989 er-<br />
reicht, in Dortmund wurde 1998 mit 3,4 Rauschgifttoten pro 100.000 Einwohnern der<br />
Vergleichswert von 5,4 im Jahr 1989 deutlich unterschritten. In den beiden anderen<br />
nordrhein-westfälischen Städten wurden 1998 4,1 (Köln) bzw. 7,4 (Aachen) Rauschgift-<br />
tote pro 100.000 Einwohner erfasst. Die Belastungszahlen der bayerischen Städte wa-<br />
ren im Jahr 1998 3,5 für Nürnberg, 5,6 für München sowie 11,8 für Augsburg. Dabei<br />
hat sich in Augsburg im Vergleich zum Vorjahr die Belastungszahl mehr als verdoppelt.<br />
Eine ähnlich hohe Belastungszahl wie Augsburg weist 1998 Mannheim mit 11,7 Dro-<br />
gentoten pro 100.000 Einwohnern auf. In den anderen baden-württembergischen Städ-<br />
ten rangiert die Belastungszahl in diesem Jahr zwischen 4,0 (Freiburg) und 4,3 (Mann-<br />
heim, Heidelberg) (Abbildung 2-20 bis 2-22).<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
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6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
Stuttgart Mannheim Freiburg Heidelberg<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-20: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten Stuttgart,<br />
Mannheim, Freiburg und Heidelberg (Baden-Württemberg) von 1988<br />
bis 1998<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
München Nürnberg Augsburg<br />
1991<br />
1992<br />
Abbildung 2-21: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten München,<br />
Nürnberg und Augsburg (Bayern) von 1988 bis 1998<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1996<br />
1997<br />
1997<br />
1998<br />
1998<br />
51
52<br />
100<br />
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80<br />
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50<br />
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30<br />
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10<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Köln Dortmund Aachen Bielefeld<br />
1992<br />
Abbildung 2-22: Anzahl Drogentote pro 100.000 Einwohner in den Städten Köln,<br />
Dortmund, Aachen und Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) von 1988 bis<br />
1998<br />
Vergleich ähnlicher Städte<br />
Betrachtet man das Verhältnis von Kern- zu Randgebieten nach der BIK-<br />
Stadtregionensystematik (Behrens, 1994), die Einwohnerzahl, das Verhältnis von poli-<br />
tischer Ortsgrößenklasse zu BIK-Ortsgrößenklasse sowie die Alters- und Geschlechts-<br />
verteilung, so sind einerseits Köln und München und andererseits Augsburg und Biele-<br />
feld sehr ähnlich.<br />
Insgesamt gesehen verläuft die Kurve der Belastungszahlen für München deutlich glat-<br />
ter als die für Köln (Abbildung 2-23). Gemeinsam ist beiden Städten, dass die Belas-<br />
tungszahlen bis 1993 (München) bzw. 1994 (Köln) tendenziell steigen und anschlie-<br />
ßend bis 1997 eher abnehmen. Im letzten Jahr des Vergleichszeitraums ist in beiden<br />
Städten ein Wiederanstieg der Belastungszahl zu beobachten; inwieweit es sich um<br />
eine kurzfristige Schwankung oder um eine tatsächliche Trendumkehrung handelt,<br />
kann noch nicht entschieden werden. Obwohl die Belastungszahlen im Jahr 1989 mit<br />
1,9 für München und 2,3 für Köln sehr ähnlich waren, unterschieden sie sich in den<br />
späteren Jahren deutlich. Das Maximum wurde in München mit 6,8 Drogentoten pro<br />
100.000 Einwohnern im Jahr 1993 erreicht, in Köln mit 9,9 Drogentoten pro 100.000<br />
Einwohnern ein Jahr später. Im letzten Jahr des Vergleichszeitraums stehen 5,6 Dro-<br />
gentoten pro 100.000 Einwohnern in München 4,1 in Köln gegenüber.<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
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6<br />
5<br />
4<br />
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1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Köln München<br />
1992<br />
Abbildung 2-23: Vergleich der Belastungszahlen (Drogentote pro 100.000 Einwohner)<br />
zwischen Köln und München<br />
In Bielefeld steigt die Belastungszahl von 1,9 im Jahr 1989 auf über 4,4 im Jahr 1990<br />
bis 7,4 im Jahr 1992 und fällt bis 1998 wieder auf den Ausgangswert 1,9 zurück (Abbil-<br />
dung 2-24). Die Belastungszahlen von Augsburg sind bis 1993 niedriger als die in Bie-<br />
lefeld, liegen aber im weiteren Verlauf deutlich über den Vergleichszahlen von Biele-<br />
feld. Im Jahr 1990 beträgt die Belastungszahl in Augsburg mit 1,2 nur 27% des Ver-<br />
gleichswerts von Bielefeld. Zwei Jahre später wurden dann in Augsburg bereits 6,4<br />
Drogentote pro 100.000 Einwohner registriert. Das bisherige Maximum war 1998 mit<br />
11,8 Drogentoten pro 100.000 Einwohnern zu verzeichnen, dies ist das 6,2fache des<br />
Vergleichswerts von Bielefeld. Im Vorjahr war der Unterschied zwischen beiden Städ-<br />
ten noch deutlich geringer, es standen 5,1 Drogentote pro 100.000 Einwohner in Augs-<br />
burg 3,1 in Bielefeld gegenüber.<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
53
54<br />
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7<br />
6<br />
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2<br />
1<br />
0<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Bielefeld Augsburg<br />
1992<br />
Abbildung 2-24: Vergleich der Belastungszahlen (Drogentote pro 100.000 Einwohner)<br />
zwischen Bielefeld und Augsburg<br />
2.5 Zusammenfassung<br />
Die Entwicklung der Anzahl der Drogentoten in Deutschland, Bayern, Baden-<br />
Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie in einigen ausgewählten Städten dieser<br />
Bundesländer wurde über einen Zeitraum von elf Jahren verfolgt. Dabei wurden Vertei-<br />
lung von Geschlecht und Alter, Todesursachen sowie der Anteil nichtdeutscher<br />
Rauschgifttoter analysiert. Erschwert wurde der Vergleich durch Eingaberückstände<br />
und unterschiedliche <strong>Berichte</strong>rstattung der Todesursachen. Zusammenfassend lassen<br />
sich jedoch folgende Punkte festhalten:<br />
• Zwischen 1988 und 1991/92 ist die Anzahl der Drogentoten in allen untersuchten<br />
Gebieten deutlich angestiegen.<br />
• Bundesweit und in den drei betrachteten Bundesländern stagniert die Anzahl der<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
Drogentoten ab 1993 auf einem im Vergleich zu 1988 hohem Niveau.<br />
• Die Anzahl der Drogentoten entwickelt sich ab 1993 in den einzelnen Städten sehr<br />
unterschiedlich.<br />
• Die Anzahl der Drogentoten ist in allen untersuchten Gebieten im Jahr 1998 deut-<br />
lich höher als elf Jahre zuvor.<br />
• Über 80% der Drogentoten sind männlich.<br />
1997<br />
1998
Analyse der Verläufe der Drogentodesstatistik 1988 - 1998<br />
• Tendenziell steigt das Alter der aufgefundenen Drogentoten.<br />
• Die Drogentoten in Bayern sind im Durchschnitt jünger als in den anderen beiden<br />
Bundesländern oder in Deutschland.<br />
• Mindestens 80% der Drogentoten verstarben an einer Überdosis.<br />
• Die Obduktionsraten in den einzelnen Bundesländern sind sehr unterschiedlich.<br />
Die epidemiologischen Länder- und Städtevergleich auf der Basis polizeilicher Statisti-<br />
ken sind einer Reihe von Einschränkungen unterworfen. Über die Dunkelziffer nicht<br />
unerkannter Fälle, die im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen verstorben<br />
sind, d.h. falsch negativer Todeszertifikate, liegen keine Erkenntnisse vor. Trotz<br />
einheitlicher Definition von Drogentod, ist die Kategorisierung, die in den<br />
verschiedenen Ländern vorgenommen wurde, nicht immer identisch. Zudem wurden<br />
unklare Fälle zuweilen in unterschiedlichen Kategorien registriert. Das wohl größte<br />
Problem stellen die unterschiedlichen Obduktionsraten sowohl über Bundesländer als<br />
auch über den Vergleichszeitraum dar.<br />
55
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
3 Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle<br />
1994/1998 in Bayern<br />
3.1 Einführung<br />
Die Zahl der Drogentodesfälle ist in Bayern zwischen 1994 und 1998 von 264 auf 313<br />
gestiegen. 1994 wurde durch das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) eine umfang-<br />
reiche Untersuchung der Rauschgifttodesfälle des zweiten Halbjahres 1993 und des<br />
ersten Halbjahres 1994 durchgeführt. Dazu wurden mittels eines standardisierten Er-<br />
fassungsbogens Erkenntnisse aus<br />
• RG-Sofortmeldung<br />
• Erhebungsbogen der todesermittlungsführenden Kriminaldienststelle<br />
• Obduktionsgutachten<br />
• Chemisch-toxikologisches Gutachten<br />
• Labortechnische Begutachtung von Heroinreststoffen und<br />
• Polizeilichen Datenbeständen<br />
erfasst und auf deskriptiver Ebene ausgewertet (BLKA, 1994). Die Ergebnisse sollen<br />
als Vergleichsgrundlage herangezogen werden und mit den Daten von 1998 verglichen<br />
werden.<br />
3.2 Fragestellung<br />
Durch den Vergleich von soziodemographischen Daten, Kenntnissen über die Todes-<br />
umstände, medizinisch-toxikologische Daten, polizeilichen Erkenntnisse und Therapie-<br />
daten zwischen den beiden Zeitpunkten soll versucht werden, Faktoren zu identifizie-<br />
ren, die zu dem Anstieg der Drogentodesfälle im Jahr 1998 beigetragen haben könn-<br />
ten. Besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die Analyse der toxikologischen Daten<br />
gelegt, um Hinweise auf veränderte Konsummuster zu erhalten. Die toxikologischen<br />
Daten beider Erhebungszeitpunkte werden auf Geschlechterunterschiede, Unterschie-<br />
de zwischen verschiedenen Altersgruppen sowie regionale Unterschiede hin unter-<br />
sucht.<br />
3.3 Methodisches Vorgehen<br />
Die Datenbasis waren alle 261 Drogentodesfälle im Zeitraum vom 01.07.1993 bis zum<br />
30.06.1994 (Erhebung des BLKA) sowie 221 Drogentodesfälle des Jahres 1998. Für<br />
57
58<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
die Datenerhebung 1998 wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit der Daten der vom<br />
BLKA entwickelte und 1994 verwendete standardisierte Erfassungsbogen eingesetzt.<br />
Alle aus den Polizeiakten verfügbaren Informationen wurden in diesen Erfassungsbo-<br />
gen übertragen. Als Untersuchungsregionen wurden die drei Regierungsbezirke Ober-<br />
bayern mit München, Schwaben und Mittelfranken ausgewählt, da mit dieser Auswahl<br />
die drei Städte München, Nürnberg und Augsburg erfasst werden konnten. Diese drei<br />
Städte werden in Hinblick auf die toxikologischen Daten detaillierter analysiert und ver-<br />
glichen und sind darüber hinaus die Untersuchungseinheiten der Detailanalyse 1999<br />
(Teilprojekt 3; vgl. Kapitel 4).<br />
Die 221 Todesfälle von 1998 teilten sich dabei wie folgt auf die ausgewählten Regio-<br />
nen auf:<br />
h Oberbayern mit München n = 113<br />
h Schwaben n = 77<br />
h Mittelfranken n = 31<br />
Die Auswertung erfolgte mit dem Auswertungsprogramm SPSS für Windows. Unter-<br />
schiede zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten wurden bei intervallskalierten<br />
Variablen mit dem T-Test für unabhängige Stichproben, bei nominalskalierten Variab-<br />
len mit dem Chi 2 -Test berechnet. Bei den Chi 2 -Tests wurden zusätzlich standardisierte<br />
Residuen berechnet, die die Differenz zwischen beobachteten und erwarteten Werten<br />
wiedergeben und darauf hinweisen, auf welche Merkmalsausprägung ein gefundener<br />
Gruppenunterschied zurückzuführen ist. Das Signifikanz-Niveau wurde auf 5% festge-<br />
legt. Da das Ziel der Teilstudie in einem Vergleich der Daten von 1994 und 1998 be-<br />
steht, werden im folgenden lediglich ausgewählte Ergebnisse ausführlicher dargestellt,<br />
bei denen sich Unterschiede zwischen den beiden Zeitpunkten fanden. Bezüglich der<br />
Ergebnisse der Erhebung 1994 sei nochmals auf den detaillierten Bericht des BLKA<br />
(1994) hingewiesen.<br />
3.4 Ergebnisse<br />
3.4.1 Soziodemographische Angaben<br />
Die überwiegende Mehrzahl der Drogentoten ist zu beiden Zeitpunkten männlich (Ta-<br />
belle 3-1). Das durchschnittlich erreichte Lebensalter liegt zu beiden Zeitpunkten bei 28<br />
Jahren mit einer Spanne von 17 bis 50 Jahren. Das Durchschnittsalter der Frauen liegt<br />
1998 mit 27 Jahren etwas unter dem der Männer mit 28,3 Jahren. Im Vergleich zu den<br />
Daten von 1994 zeigt sich für die Gesamtgruppe kein Altersunterschied; allerdings ist
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
bei den Frauen eine leichte Verschiebung des Durchschnittsalters zu beobachten (von<br />
28,1 auf 27,1 Jahre). Während 1994 insgesamt die Altersgruppen von 25-29 und von<br />
30-39 am stärksten betroffen waren (je 33,3%), war dies 1998 die Gruppe der 18-<br />
24Jährigen (36%; dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant; Abbildung<br />
3-1).<br />
Tabelle 3-1: Alters- und Geschlechtsverteilung<br />
1994 1998<br />
Anzahl ∅-Alter Anzahl ∅-Alter<br />
Männer 221 (85%) 28,3 185 (84%) 28,3<br />
Frauen 40 (15%) 28,1 36 (16%) 27,1<br />
Gesamt 261 28,3 221 28,1<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
16-17 18-24 25-29 30-39 >40<br />
Abbildung 3-1: Altersgruppen im Jahresvergleich<br />
Die Staatsangehörigkeit war zu beiden Zeitpunkten überwiegend deutsch (91% bzw.<br />
92%). Deutliche Unterschiede zwischen den Erhebungszeitpunkten zeigten sich in Be-<br />
zug auf den Familienstand (Tabelle 3-2): Der Anteil der Verstorbenen, die 1998 noch<br />
bei der Familie (26%) oder in einer festen Partnerschaft (14%) lebten, ist gegenüber<br />
59<br />
1994<br />
1998
60<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
1994 gestiegen (14% bzw. 11%); deutlich weniger lebten alleine in ihrer eigenen Woh-<br />
nung (53% vs. 61%) 1<br />
Tabelle 3-2: Familienstand<br />
1994 (n=256) 1998 (n=215)<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Ledig, eigene Wohnung 155 61% 113 53%<br />
Ledig, bei Familie 36 14% 56 26%<br />
Verheiratet/Eheähnlich 27 11% 29 14%<br />
Getrennt/ Geschieden 33 13% 16 7%<br />
Verwitwet/ Sonst 5 2% 1 1%<br />
Auch in Bezug auf die Schulbildung zeigten sich Unterschiede zwischen den Erhe-<br />
bungszeitpunkten 2 (Tabelle 3-3): Der Anteil der Verstorbenen, die keine weiterführende<br />
Schule besucht haben, ist gegenüber 1994 gesunken (65% vs. 77%); weiterhin war der<br />
Anteil an Berufs- und Fachschülern von 1% auf 23% gestiegen, jedoch der Anteil an<br />
Realschülern von 16% auf 9% gesunken. Deutlich weniger Verstorbene hatten 1998<br />
eine abgeschlossene Berufsausbildung (41% vs. 63%) 3 .<br />
Tabelle 3-3: Höchster Schulabschluss<br />
1994 (n=236) 1998 (n=169)<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Kein Abschluss 5 2% 1 1%<br />
Sonderschule 2 1% 1 1%<br />
Grund-/Hauptschule 174 74% 106 63%<br />
Berufs-/Fachschule 3 1% 39 23%<br />
Realschule 38 16% 15 9%<br />
Gymnasium 8 3% 7 4%<br />
Universität 6 3% 0 --<br />
Über einen Abbruch der Schulausbildung 1998 liegen zu wenig Angaben vor (in 61 von<br />
221 Fällen), um eine Aussage machen zu können. Lediglich 41% hatten eine abge-<br />
schlossene Berufsausbildung. 32% hatten nie eine Ausbildung begonnen und 27%<br />
hatten die Ausbildung abgebrochen oder erfolglos beendet. Die Mehrzahl der begon-<br />
nenen Berufsausbildungen (46%) lag im handwerklich-technischen Bereich. Bezüglich<br />
der Angaben zum Lebensunterhalt ist einschränkend zu sagen, dass für die überwie-<br />
gende Mehrzahl keine Angaben gemacht wurden. Mehrfachnennungen waren möglich.<br />
Von 11% der Verstorbenen ist bekannt, dass sie ihren Lebensunterhalt durch ihren<br />
1 Chi2 (4)=16,1; p
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
erlernten Beruf ausübten, 10% durch regelmäßige andere Anstellungen, 4% durch Ge-<br />
legenheitsjobs. Von 10% ist bekannt, dass sie Arbeitslosengeld erhielten, 12% Sozial-<br />
hilfe, 7% wurden durch Eltern oder Partner unterstützt. Lebensunterhalt durch Betteln,<br />
Dealen, Prostitution oder Beschaffungskriminalität wurde nur in Einzelfällen bekannt.<br />
Diese Angaben sind mit denen des Jahres 1994 vergleichbar.<br />
3.4.2 Therapiedaten<br />
Die Ergebnisse zu den durchgeführten Therapien beruhen auf Angaben der befragten<br />
Kontaktpersonen sowie Erkenntnissen der örtlichen Polizeidienststelle, soweit dies aus<br />
den polizeilichen Akten hervorging. Die Therapieeinrichtungen selbst wurden nicht be-<br />
fragt. Aufgrund dessen liegen nur über eine Minderheit der Verstorbenen überhaupt<br />
Hinweise auf Therapien vor (Entgiftung: 24%, Therapie (ambulant oder stationär):<br />
35%). Im Nachhinein läßt sich nicht trennen, ob jemand keine Therapie gemacht hat<br />
oder ob nur keine Kenntnis darüber vorliegt. Aus diesen Gründen wird auf eine Darstel-<br />
lung der Ergebnisse verzichtet.<br />
Lediglich die Angaben über Substitution sollen kurz vorgestellt werden, weil sich hier<br />
deutliche Unterschiede zwischen den Erhebungszeitpunkten zeigten. 1994 lagen Hin-<br />
weise für 85 Personen auf eine Substitution vor. Von diesen wurden 52 (61%) mit Co-<br />
dein/DHC substituiert, 15 (18%) mit Methadon und 18 (21%) mit sonstigen Drogener-<br />
satzstoffen. 1998 lagen ebenfalls von 85 Personen Hinweise auf eine Substitution vor.<br />
Es zeigte sich eine deutliche Verschiebung der verwendeten Ersatzstoffe von Co-<br />
dein/DHC zu Methadon: der Anteil der mit Codein/DHC Substituierten sank auf n=29<br />
(34%); der Anteil der Methadon-Substitution stieg auf n=51 (60%), der Anteil der mit<br />
sonstigen Ersatzstoffen behandelten Personen sank auf n=5 (6%). Zu beiden Erhe-<br />
bungszeitpunkten wurde in fast allen Fällen bei einem niedergelassenen Arzt substitu-<br />
iert. Bei diesen Angaben ist wiederum der hohe Anteil fehlender Angaben zu berück-<br />
sichtigen.<br />
3.4.3 Todesumstände<br />
Die 221 Todesfälle 1998 teilen sich auf die vier Kategorien wie folgt auf (Abbildung 3-<br />
2): Die weit überwiegende Mehrzahl (193 Todesfälle, 87%) wurde auf eine Überdosis<br />
zurückgeführt, davon 8 (4%) mit Suizidabsicht. Als Todesfall infolge Langzeitschäden<br />
wurden 6 Fälle (3%) klassifiziert, als Unfall 8 Fälle (4%) und als sonstiger Suizid 9 Fälle<br />
61
62<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
(4%). Diese Verteilung ist in etwa mit den Ergebnissen der Erhebung 1994 vergleich-<br />
bar. Ein direkter Vergleich ist jedoch schwierig, weil 1994 die Kategorien nicht aus-<br />
schließend definiert waren, d.h. ein Todesfall konnte z.B. gleichzeitig als Folge einer<br />
Überdosis und als Folge von Langzeitschäden definiert werden. 1998 wurden die Ka-<br />
tegorien dagegen als ausschließend definiert. Werden als Annäherung von den 1994-<br />
Daten nur diejenigen Fälle zu den Todesfällen infolge Unfall, Suizid oder Langzeit-<br />
schäden gezählt, bei denen nicht zusätzlich eine Überdosis als Todesursache angege-<br />
ben wurde, so findet man für 1994 eine Verteilung von 225 Fälle (86%) infolge von<br />
einer Überdosis, 11 Fälle (4%) infolge von Langzeitschäden, 2 Fälle (1%) infolge eines<br />
Unfalles und 17 Fälle (6%) infolge sonstiger Suizide.<br />
Überdosis<br />
Suizid<br />
Langzeit<br />
Unfall<br />
1994 1998<br />
Abbildung 3-2: Todesursache nach Zeitpunkt<br />
Zu Applikationssituation, Applikationsart, Applikationsuhrzeit sowie Abstinenzzeiten vor<br />
dem Tod kann aufgrund des hohen Anteils fehlender Angaben 1998 keine Aussage<br />
getroffen werden. Bezüglich der Sterbeörtlichkeit finden sich kaum Unterschiede zwi-<br />
schen den Erhebungszeitpunkten (Tabelle 3-4): Der überwiegende Teil ist ebenso wie<br />
1994 in der eigenen Wohnung verstorben (40%), gefolgt von fremder Wohnung (17%)<br />
und elterlicher Wohnung (15%). Auffällig in Bezug auf die Sterbeörtlichkeit ist, dass<br />
1998 14% in einer Klinik starben, während dies 1994 nur 8% waren.
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
Tabelle 3-4: Sterbeörtlichkeit<br />
Sterbeort 1994 (n=261) 1998 (n=221)<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Eigene Wohnung 110 42% 88 40%<br />
Elterl. Wohnung 36 14% 34 15%<br />
Fremde Wohnung 39 15% 37 17%<br />
Sonst. Wohnung 1 0,5% 3 1%<br />
Asylanten/Obdachlosen-Unterkunft 5 2% 1 0,5%<br />
Wohnheim 5 2% 3 1%<br />
Kaserne 2 1% 0 0<br />
Schule/Universität 2 1% 0 0<br />
Gaststätte 7 3% 2 1%<br />
Pension, Hotel 4 1,5% 5 2%<br />
In JVA-Zelle 5 2% 0 0<br />
Klinik 21 8% 31 14%<br />
Sonst. Institution 2 1% 1 0,5%<br />
Wald und Flur 6 2% 1 0,5%<br />
Park 5 2% 2 1%<br />
Gewässer 0 0 1 0,5%<br />
Bahnhof 1 0,5% 3 1%<br />
Sonst. Öffentliche Orte 2 1% 3 1%<br />
S-Bahn/U-Bahn 1 0,5% 2 1%<br />
Priv.KFZ 4 1,5% 1 0,5%<br />
Sonst. 2 1% 1 0,5%<br />
Fasst man die Sterbeörtlichkeit zusammen zu Wohnung (eigene, elterliche oder frem-<br />
de,), Wohnheim (Asylanten- oder Obdachlosenunterkunft, Wohnheim, Kaserne, Pensi-<br />
on/Hotel), Institutionen (JVA, Krankenhaus) und Öffentlichkeit (Wald, Flur, Park, Bahn-<br />
hof, öffentliche Verkehrsmittel), so stellt man fest, dass zu beiden Zeitpunkten über<br />
70% im privaten Bereich verstorben sind, nur ein geringer Teil in halböffentlichen Ein-<br />
richtungen oder Institutionen und nur ein verschwindend geringer Teil im öffentlich zu-<br />
gänglichen Raum (Abbildung 3-3). Zwischen den Jahren zeigt sich kein signifikanter<br />
Unterschied in den Kategorien.<br />
63
64<br />
Abbildung 3-3: Sterbeörtlichkeit (Kategorien)<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Bezüglich des Todeszeitpunktes wurde festgestellt, dass 1994 die meisten Personen in<br />
der Nacht und in den frühen Morgenstunden starben, während dies 1998 eher tags-<br />
über der Fall war (Abbildung 3-4). Insgesamt verteilen sich die Todesfälle aber zu bei-<br />
den Zeitpunkten relativ gleichmäßig über den Tag. Es ist auch hier zu berücksichtigen,<br />
dass der Anteil fehlender Werte sehr hoch war (25 bzw. 23%).<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
6.00-<br />
10.00<br />
10.00-<br />
14.00<br />
14.00-<br />
18.00<br />
Abbildung 3-4: Todeszeit über den Tag<br />
18.00-<br />
22.00<br />
22.00-<br />
2.00<br />
2.00-<br />
6.00<br />
1994<br />
1998<br />
1994<br />
1998
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
3.4.4 Polizeiliche Erkenntnisse<br />
Rauschgiftutensilien wurden 1998 etwas häufiger sichergestellt als 1994 (1994: 58%;<br />
1998: 66%). Rauschgift-Restmengen wurden wie folgt sichergestellt: Heroin in 21%<br />
bzw. 18% der Fälle; Kokain in 3% bzw. 5%, Amphetamine in 1 bzw. 4%, Synthetika<br />
1994 in keinem Fall, 1998 in 2%, Cannabis in 7% bzw. 11%, Ersatz- bzw. Ausweich-<br />
mittel in 13% bzw. 24%, sonstige Stoffe in1% bzw. 7%.<br />
3.4.5 Rechtsmedizinische Erkenntnisse<br />
Körperliche Verfassung<br />
In Bezug auf die körperliche Verfassung aufgrund der äußeren Leichenbesichtigung<br />
fanden sich keine wesentlichen Unterschiede zu den Daten von 1994. Auch hinsichtlich<br />
des Gesundheitszustandes zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen in<br />
Bezug auf Erkenntnisse zu HIV, AIDS, Zirrhose, Gehirnschädigung, Nierenschäden,<br />
Lungenschäden, Herz- oder sonstige chronische Schäden (Tabelle 3-5). Allerdings<br />
waren von den 1998 Verstorbenen signifikant mehr an Hepatitis erkrankt (14,8% vs.<br />
2,3%) 1 .<br />
Tabelle 3-5: Chronische Erkrankungen (Mehrfachnennungen)<br />
Befund 1994 (n=261) 1998 (n=221)<br />
Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
HIV -positiv 11 4% 6 3%<br />
AIDS 9 3% 2 1%<br />
Zirrhose 8 3% 5 2%<br />
Gehirn-Schädigung 1 0,5% 3 1%<br />
Hepatitis 6 2% 32 15%<br />
Nierenschäden 1 0,5% 4 2%<br />
Lungenschäden 9 3% 3 1,5%<br />
Herzschäden 4 2% 8 4%<br />
Sonst. Chron. Schäden 30 12% 31 14%<br />
Festgestellte Wirkstoffe<br />
Zur Auswertung der festgestellten Wirkstoffe wurden nur die Fälle in die Auswertung<br />
einbezogen, in denen ein chemisch-toxikologisches Gutachten vorlag (1994: 191 Fälle,<br />
1 Chi2 (1) = 25,3; p
66<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
1998: 181 Fälle). In den Tabellen wird angegeben, welche Substanzen durch che-<br />
misch-toxikologische Analysen um Leichenblut nachgewiesen wurden.<br />
Im Jahr 1998 wurde bei erheblich weniger Verstorbenen Morphin nachgewiesen (54%)<br />
als 1994 (76%). THC wurde 1998 mit 20% deutlich seltener festgestellt als 1994 (39%).<br />
Bei Kokain-Hydrochlorid ist ein leichter Rückgang von 18% (1994) auf 13% (1998) zu<br />
verzeichnen. Während 1994 noch bei 18% Barbiturate festgestellt wurden, war dies<br />
1998 nur noch bei 1% der Fall. Ein starker Anstieg, von 43% (1994) auf 73% (1998), ist<br />
hingegen bei den Benzodiazepinen festzustellen. Methadon ist 1998 ebenfalls wesent-<br />
lich häufiger erfasst worden (36% vs. 7%), wie Dihydrocodein (27% vs. 25%) (Tabelle<br />
3-6).<br />
Tabelle 3-6: Festgestellte Substanzen<br />
Substanzen 1994<br />
(n=191)<br />
1998<br />
(n=181)<br />
Opiate<br />
Morphin 76% 54%<br />
Methadon 7% 36%<br />
Dihydrocodein 25% 27%<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid 18% 13%<br />
Metamphetamin 5% 6%<br />
Cannabis<br />
THC 39% 20%<br />
Benzodiazepine<br />
Flunitrazepam o. Diazepam o. Bromzepan 43% 73%<br />
Barbiturate<br />
Phenobarbital o. Secobarbital o. Vinlybarbital 18% 1%<br />
Ethanol 33% 38%<br />
Keine Unterschiede wurden für die Substanzen Metamphetamin und Fenetyllin-HCI<br />
festgestellt. Der Begleitkonsum von Alkohol ist 1998 in 38% Fälle über den Wirkstoff<br />
Ethanol festgestellt worden. Bezüglich der Anzahl der konsumierten Substanzen hat<br />
sich 1998 die Tendenz zur Mischintoxikationen weiter verstärkt. Während 1994 in 50%<br />
der Fälle drei oder mehr Substanzen nachgewiesen wurden, war dies 1998 bei 61%<br />
der Fall. Der Mittelwert der Anzahl insgesamt nachgewiesener Substanzen stieg von<br />
2,8 auf 3,1.
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
Detailanalyse der Substituierten<br />
Tabelle 3-7: Chemisch-toxikologisch nachgewiesene Substanzen der Personen in<br />
Substitution<br />
Substitution mit<br />
Methadon Codein/DHC<br />
1994 (n=12) 1998 (n=35) 1994 (n=46) 1998 (n=24)<br />
Substanzen Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil Anzahl Anteil<br />
Methadon 12 100% 30 76% 0 0 4 17%<br />
Morphin 2 16% 15 43% 30 55% 15 62%<br />
Ethanol 3 25% 13 38% 14 30% 30 52%<br />
THC 6 50% 7 20% 19 41% 41 30%<br />
Benzodiazepine 9 50% 29 83% 29 63% 63 63%<br />
Barbiturate 5 42% 0 0 13 28% 1 4%<br />
Dihydrocodein 3 25% 9 26% 24 52% 12 50%<br />
Kokain-Hydrochlorid 1 8% 2 6% 3 6% 1 4%<br />
Metamphetamin 0 0 0 0 0 0% 2 8%<br />
1998 wurde bei den Methadon-Substituierten Morphin deutlich häufiger nachgewiesen<br />
als 1994; leichte Steigerungen zeigen sich bei Ethanol und Benzodiazepinen. Stark<br />
gesunken sind dagegen die festgestellten THC-Mengen. Barbiturate wurden nicht mehr<br />
nachgewiesen, Methamphetamin wurde zu keinem Zeitpunkt festgestellt. Festgestellte<br />
Kokain-Hydrochloridmengen sind gleichbleibend niedrig, ebenfalls nahezu unverändert<br />
blieb der Anteil derer, bei denen DHC nachgewiesen wurde (Tabelle 3-7).<br />
Im Vergleich der Substitution mit Methadon und Codein/DHC zeigen sich zu beiden<br />
Zeitpunkten deutlich höhere nachgewiesene Mengen fast aller Substanzen bei Substi-<br />
tution mit Codein/DHC. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Morphin und Dihydroco-<br />
dein. THC wurde 1994 häufiger bei den Methadon-Substituierten gefunden, 1998 da-<br />
gegen häufiger bei den mit Codein/DHC Substituierten; bei Benzodiazepinen war es<br />
gerade umgekehrt. Bei der Interpretation sind die geringen und in den Gruppen unter-<br />
schiedlich großen Fallzahlen zu berücksichtigen.<br />
Detailanalyse der Altersgruppen<br />
Aufgrund der teilweise sehr kleinen Gruppen wurde auf eine Angabe von Signifikanzen<br />
verzichtet. Die Ergebnisse sollen lediglich als mögliche Hinweise auf Altersunterschie-<br />
de verstanden werden (Tabelle 3-8).<br />
67
68<br />
Opiate<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der Anteil an chemisch-toxikologisch nachgewiesenem Morphin ist in allen Altersgrup-<br />
pen gesunken, am deutlichsten in der Altersgruppe der 40-50Jährigen, die 1994 den<br />
größten Anteil stellte, 1998 den kleinsten. Im Gegensatz dazu ist der Anteil festgestell-<br />
ten Methadons in allen Altersgruppen stark gestiegen, am ausgeprägtesten bei den 18-<br />
24jährigen, am geringsten bei den 40-50Jährigen. Der Anteil nachgewiesenem Di-<br />
hydrocodeins ist bei den 18-24Jährigen sowie den 25-29jährigen leicht gesunken. Der<br />
Anteil bei den 30-39Jährigen hat sich verdoppelt, während der Anteil bei den 40-<br />
50jährigen sich halbiert hat.<br />
Stimulantien<br />
Der Anteil Kokain-Hydrochlorids ist in drei von vier Altersgruppen gesunken und stieg<br />
lediglich bei den 25-29Jährigen an. In dieser Altersgruppe wurde 1998 auch der höchs-<br />
te Gesamtanteil festgestellt. Bei allen Altersgruppen konnte Metamphetamin im Ver-<br />
gleich von 1994 und 1998 auf dem gleich niedrigen Niveau nachgewiesen werden.<br />
Cannabis<br />
THC wurde in allen Altersgruppen weniger nachgewiesen. Am deutlichsten ist der<br />
Rückgang bei den 25-29jährigen um über zwei Drittel.<br />
Benzodiazepine<br />
Der Anteil der Drogentoten, bei denen Benzodiazepine nachgewiesen wurde, liegt in<br />
allen Altersgruppen auf einem hohen Niveau. Ausgenommen der Altersgruppe der 40-<br />
50jährigen, bei denen der Anteil nachgewiesenen Benzodiazepins leicht gesunken ist,<br />
ist über alle verbleibenden Altersgruppen ein starker Anstieg zu verzeichnen.<br />
Barbiturate<br />
1998 finden sich bei allen Altersgruppen so gut wie keine chemisch-toxikologisch<br />
nachgewiesenen Barbiturate.<br />
Alkohol<br />
Bei der Gruppe der 30-39Jährigen ist der Anteil der Todesfälle, bei denen Ethanol fest-<br />
gestellt wurde, zu beiden Zeitpunkten mit Abstand am größten. In allen Altersgruppen
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
ist der Anteil von 1994 bis 1998 deutlich gestiegen, lediglich bei den 18-24Jährigen ist<br />
ein Rückgang zu verzeichnen.<br />
Tabelle 3-8: Nachgewiesene Substanzen nach Altersgruppen und Zeitpunkt<br />
Sunstanzen 1994 1998<br />
18-24<br />
(n=58)<br />
25-29<br />
(n=62)<br />
30-39<br />
(n=59)<br />
40-50<br />
(n=9)<br />
18-24<br />
(n=68)<br />
25-29<br />
(n=42)<br />
30-39<br />
(n=51)<br />
69<br />
40-50<br />
(n=13)<br />
Opiate<br />
Morphin 79% 71% 76% 89% 57% 57% 50% 46%<br />
Methadon 3% 10% 7% 11% 33% 48% 34% 23%<br />
Dihydrocodein 28% 34% 14% 33% 26% 27% 29% 15%<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid 12% 13% 27% 33% 7% 21% 15% 15%<br />
Metamphetamin 3% 10% 2% 11% 6% 5% 4% 8%<br />
Cannabis<br />
THC 38% 42% 37% 22% 24% 11% 23% 12%<br />
Benzodiazepine<br />
Flunitrazepam o. Diazepam<br />
o. Bromzepan<br />
Barbiturate<br />
Phenobarbital o. Secobarbi-<br />
tal o. Vinlybarbital<br />
49% 37% 44% 67% 80% 75% 67% 62%<br />
3% 3% 2% 0% 0% 0% 0% 0%<br />
Ethanol 31% 28% 44% 22% 24% 38% 57% 31%<br />
Detailanalyse der Geschlechterunterschiede<br />
Opiate<br />
Bei beiden Geschlechtern ist der Anteil mit positivem Morphinnachweis gesunken, bei<br />
den Frauen jedoch deutlich stärker. Während 1994 der Anteil an chemisch-<br />
toxikologisch festgestelltem Morphin bei den weiblichen Drogentoten größer war, ist er<br />
1998 niedriger als bei den männlichen Drogentoten. Der Anteil an nachgewiesenem<br />
Methadon ist bei beiden Geschlechtern deutlich gestiegen, bei den Männern noch et-<br />
was mehr als bei den Frauen. Der Anteil an Dihydrocodein ist bei beiden Geschlech-<br />
tern leicht gestiegen.<br />
Stimulantien<br />
Der Anteil an nachgewiesenem Kokain-Hydrochlorid ist bei den Männern leicht und bei<br />
den Frauen stärker gesunken. Der Anteil an nachgewiesenem Metamphetamin ist bei<br />
den Männern unverändert niedrig geblieben und bei den Frauen ist Metamphetamin<br />
nicht mehr festgestellt worden.
70<br />
Cannabis<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der Anteil an chemisch-toxikologisch nachgewiesenem THC ist bei beiden Geschlech-<br />
tern gesunken, bei den Frauen jedoch stärker als bei den Männern.<br />
Benzodiazepine<br />
Die Menge an chemisch-toxikologisch nachgewiesenen Benzodiazepinen ist bei bei-<br />
den Geschlechtern auf ein gleich hohes Niveau stark angestiegen, bei den Männern ist<br />
der Anstieg stärker als bei den Frauen. 1998 liegt der Anteil an nachgewiesenem Ben-<br />
zodiazepin bei den Männern bei 75% bei den Frauen bei 68%.<br />
Barbiturate<br />
Barbituraten werden bei Männern wie Frauen 1998 so gut wie nicht mehr festgestellt.<br />
Alkohol<br />
Während der Anteil an Ethanol bei den Männern gleich hoch geblieben ist, hat er sich<br />
bei den Frauen verdoppelt (Tabelle 3-9).<br />
Tabelle 3-9: Nachgewiesene Substanzen nach Geschlecht und Zeitpunkt<br />
Substanzen 1994 1998<br />
Opiate<br />
Männer (n=159) Frauen (n=32) Männer (n=149) Frauen (n=31)<br />
Morphin 73% 91% 55% 50%<br />
Methadon 6% 9% 34% 47%<br />
Dihydrocodein 24% 31% 26% 32%<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid 18% 19% 14% 6%<br />
Metamphetamin 5% 6% 7% 0%<br />
Psychoanaleptika<br />
Fenetyllin-HCI 0,5% 0% 0% 0%<br />
Cannabis<br />
THC 39% 38% 23% 9%<br />
Benzodiazepine<br />
Flunitrazepam o. Diazepam o.<br />
Bromzepan<br />
Barbiturate<br />
Phenobarbital o. Secobarbital o.<br />
Vinlybarbital<br />
42% 50% 75% 68%<br />
19% 13% 1% 0%<br />
Ethanol 37% 16% 38% 33%
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
Detailanalyse der Städte<br />
Während in München und Nürnberg der Anteil der Drogentoten keine großen Verände-<br />
rungen zeigt, hat er sich in Augsburg fast verdoppelt. Aus diesem Grunde wurden die<br />
toxikologischen Daten für München und Augsburg getrennt ausgewertet und miteinan-<br />
der sowie mit dem Schnitt in Bayern verglichen. Methodisch ist dabei zu bedenken,<br />
dass die absoluten Zahlen speziell in Augsburg sehr klein sind, so dass hier bereits<br />
Zufallsschwankungen als große Veränderungen erscheinen (Tabellen 3-10 und 3-11).<br />
Wegen der geringen Fallzahlen in Nürnberg – für 1998 liegen nur sechs toxikologische<br />
Gutachten, für 1994 nur eines vor – wurde auf eine getrennte Auswertung dieser Stadt<br />
verzichtet.<br />
Opiate<br />
In Augsburg wurde im Vergleich zu Bayern oder München zu beiden Zeitpunkten sel-<br />
tener Morphin nachgewiesen. Die Veränderungen zwischen 1994 und 1998 bewegen<br />
sich in den verglichenen Regionen jedoch in der gleiche Größenordnung: Der Anteil<br />
derer, bei denen Morphin nachgewiesen wurde, erreichte 1998 sowohl in München und<br />
Augsburg als auch bayernweit nur noch etwa 70% des Werts von 1994. Der Anteil an<br />
nachgewiesenem Methadon hat sich in München und bayernweit in etwa verfünffacht,<br />
in Augsburg dagegen in etwa vervierfacht. 1998 wurde bei etwa jedem dritten Drogen-<br />
toten in den verglichenen Regionen Methadon nachgewiesen. Der Anteil der Personen,<br />
bei denen Dihydrocodein nachgewiesen wurde, verharrte in München und Bayern auf<br />
etwa 25% und sank in Augsburg von 50% auf 40%.<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid wurde in Augsburg zu beiden Zeitpunkten vergleichsweise selten<br />
nachgewiesen. Der Anteil der überhaupt nachgewiesenen Substanzen stagnierte nur in<br />
München, während in Augsburg und in ganz Bayern ein erheblicher Rückgang zu ver-<br />
zeichnen war. Nur bei etwa jedem Zwanzigsten – sowohl in ganz Bayern als auch in<br />
den beiden Städten – wurde 1998 überhaupt Metamphetamin gefunden. Hier ergaben<br />
sich so gut wie keine Änderungen im Vergleich zu 1994.<br />
Cannabis<br />
Der Anteil an nachgewiesenem THC hat sich im Verlauf von vier Jahren in den vergli-<br />
chenen Regionen halbiert. 1998 wurde bei jedem sechsten (München) bis fünften<br />
(Bayern) Drogentoten THC nachgewiesen.<br />
71
72<br />
Benzodiazepine<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der Anteil an nachgewiesenen Benzodiazepinen stieg 1998 in München auf das ein-<br />
einhalbfache des Werts von 1994, in Bayern und in Augsburg sogar auf das 1,7fache.<br />
Etwa 70% der Verstorbenen in München und in Bayern und über 80% der Drogentoten<br />
in Augsburg hatten kurz vor ihrem Tod Benzodiazepine genommen.<br />
Barbiturate<br />
Während Barbiturate 1994 noch eine bedeutende Rolle spielten, werden sie bei den in<br />
1998 Verstorbenen kaum mehr nachgewiesen.<br />
Alkohol<br />
Der Anteil an Ethanol ist in Augsburg und München in vergleichbarem Ausmaß gestie-<br />
gen, in Augsburg jedoch auf einem höheren Niveau. In Augsburg wurde Ethanol dage-<br />
gen deutlich häufiger nachgewiesen als im Bayern-Schnitt.<br />
Tabelle 3-10: Nachgewiesene Substanzen bei Drogentoten in München<br />
Substanzen 1994 (n=83) 1998 (n=65)<br />
Opiate<br />
Morphin 77% 53%<br />
Methadon 8% 38%<br />
Dihydrocodein 27% 24%<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid 19% 19%<br />
Metamphetamin 6% 4%<br />
Cannabis<br />
THC 33% 15%<br />
Benzodiazepine 47% 69%<br />
Barbiturate 21% 2%<br />
Ethanol 22% 42%
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
Tabelle 3-11: Nachgewiesene Substanzen bei Drogentoten in Augsburg<br />
Substanzen 1994 (n=24) 1998 (n=42)<br />
Opiate<br />
Morphin 68% 50%<br />
Methadon 9% 33%<br />
Dihydrocodein 50% 40%<br />
Stimulantien<br />
Kokain-Hydrochlorid 9% 5%<br />
Metamphetamin 0% 5%<br />
Cannabis<br />
THC 36% 18%<br />
Benzodiazepine 50% 83%<br />
Barbiturate 36% 0%<br />
Ethanol 27% 50%<br />
3.5 Zusammenfassung<br />
Soziodemographische Angaben<br />
Bezüglich der Geschlechter- und Altersverteilung lassen sich keine signifikanten Unter-<br />
schiede zwischen den Zeitpunkten erkennen. Es zeigte sich lediglich ein leichter Trend<br />
in die Richtung, dass die Frauen 1998 in jüngerem Alter verstarben und dass die<br />
Gruppe der unter 25-jährigen 1998 etwas stärker betroffen war als 1994. Die vorlie-<br />
genden Daten widersprechen der Hypothese, dass die erhöhte Zahl der Todesfälle<br />
1998 auf ein erhöhtes Ausmaß an sozialer Isolation zurückzuführen sein könnte. Im<br />
Gegenteil lebten deutlich mehr der 1998 Verstorbenen bei den Eltern oder mit einem<br />
festen Partner, deutlich weniger lebten alleine in einer eigenen Wohnung. Bezüglich<br />
der Bildung scheint sich das Muster abzuzeichnen, dass die 1998 Verstorbenen zwar<br />
eine höhere Schulbildung hatten, jedoch eine schlechtere Berufsausbildung.<br />
Todesumstände<br />
Zu beiden Zeitpunkten wurde die weit überwiegende Mehrzahl der Todesfälle auf (ab-<br />
sichtliche oder unabsichtliche) Überdosierung zurückgeführt. Bezüglich der Sterbeört-<br />
lichkeit zeigen sich wenig Unterschiede zwischen den Zeitpunkten; der weit überwie-<br />
gende Teil verstarb im privaten Raum. Gegenüber 1994 verstarben 1998 mehr Perso-<br />
nen in einem Krankenhaus; möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, dass von die-<br />
sen Personen mehr noch lebend gefunden wurden und dann im Krankenhaus starben.<br />
73
74<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
In Bezug auf den Todeszeitpunkt scheint eine leichte Verschiebung hin zu den Tages-<br />
stunden vorzuliegen.<br />
Körperliche Verfassung<br />
Es fand sich lediglich ein Unterschied im Anteil der an Hepatitiden erkrankten Perso-<br />
nen, der von 1994 bis 1998 deutlich gestiegen war. In Bezug auf andere chronische<br />
Erkrankungen finden sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Zeitpunkten.<br />
Nachgewiesene Substanzen<br />
Auffällig ist insbesondere der drastische Anstieg des Anteils nachgewiesener Benzodi-<br />
azepine. Während 1994 bei 43% der Verstorbenen Benzodiazepine nachgewiesen<br />
wurden, war dies 1998 bei 73% der Fall. Die Steigerung findet sich in verstärktem Maß<br />
bei den Männern und bei den jüngeren Altersgruppen.<br />
Weiterhin auffällig ist die deutliche Zunahme an Methadon. Während diese Substanze<br />
1994 mit 7% noch so gut wie keine Rolle spielte, wurde er 1998 in über einem Drittel<br />
der Fälle nachgewiesen (Tabelle 3-12).<br />
Tabelle 3-12: Nachgewiesene Opiate<br />
1994 1998<br />
Morphin<br />
76%<br />
DHC<br />
25%<br />
Methadon<br />
7%<br />
Morphin<br />
54%<br />
Methadon<br />
36%<br />
DHC<br />
27%<br />
Der Zuwachs an Personen, die bei denen Methadon nachgewiesen wurde, lässt sich<br />
zum einen mit der größeren Verbreitung von Methadon durch den absoluten Anstieg<br />
der mit Methadon Substituierten erklären, zum anderen ist aber auch zu beachten,<br />
dass der Anteil gleichzeitig chemisch-toxikologisch nachgewiesener Substanzen deut-<br />
lich größer geworden ist. Insbesondere der Mischkonsum von Heroin, Benzodiazepi-<br />
nen und Alkohol ist gegenüber 1994 deutlich gestiegen.<br />
Der Anteil von nachgewiesenem Morphin ist zwar von 1994 nach 1998 zurückgegan-<br />
gen spielt aber nach wie vor die größte Rolle als todesverursachende Substanze. 1998<br />
fand sich so gut wie keine nachgewiesene Barbiturate mehr; diese hatten jedoch auch
Analyse der Charakteristika der Drogentodesfälle 1994/1998 in Bayern<br />
1994 keinen signifikanten Einfluss. Verstärkt hat sich der Anteil an Mischintoxikation:<br />
Bei 61% der Drogentoten wurden drei oder mehr Substanzen, während dies 1994 nur<br />
bei 50% der Fall war. Diese Tendenzen spiegeln sich auch in den sichergestellten<br />
Restmengen wieder, bei denen ein Rückgang bei Heroin festzustellen war, jedoch eine<br />
deutliche Zunahme bei anderen Substanzen und Ersatzmitteln.<br />
Der Städtevergleich hat wenig Hinweise darauf gebracht, warum der Anteil der Drogen-<br />
toten in Augsburg im Vergleich zu München und Nürnberg so deutlich gestiegen ist.<br />
Leider konnten die Drogentodesfälle in Nürnberg aufgrund des niedrigen Anteils an<br />
chemisch-toxikologischen Gutachten nicht ausgewertet werden. Auffällig war für Augs-<br />
burg, dass der Anteil der Verstorbenen, bei denen Dihydrocodein nachgewiesen wur-<br />
de, im Vergleich zu München sowohl 1994 als auch 1998 deutlich höher lag. Bei den<br />
anderen Substanzen liegt der Anteil derjenigen, die am Konsum dieser Substanze ge-<br />
storben sind, 1998 in Augsburg nicht - oder im Fall von Ethanol nur unwesentlich - über<br />
dem bayrischen oder dem Münchner Vergleichswert.<br />
75
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
4 Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
4.1 Fragestellung<br />
1999 sind in Bayern insgesamt 268 Personen im Zusammenhang mit Drogenkonsum<br />
verstorben. In dieser Teilstudie sollten alle über die Drogentodesfälle in 1999 bekann-<br />
ten Informationen aus dem Drogenhilfesystem, den Polizeiakten und dem sozialen<br />
Umfeld zusammengetragen und auf das Vorliegen bestimmter, aus der empirischen<br />
Literatur als relevant bekannter Risikofaktoren untersucht werden. Es wurden die Be-<br />
reiche soziodemographischer Hintergrund, Faktoren des Konsums und der Konsum-<br />
vorgeschichte, Todesumstände, Ergebnisse der chemisch-toxikologischen Analysen<br />
und die Behandlungsvorgeschichte erfragt.<br />
4.2 Methodisches Vorgehen<br />
Als Untersuchungsregionen wurden die drei Städte München, Nürnberg und Augsburg<br />
ausgewählt. In diesen drei Städten waren 1999 insgesamt 107 Personen als Drogento-<br />
te klassifiziert worden, davon 62 in München (3 davon im Landkreis München), 23 in<br />
Augsburg (davon 4 im Landkreis) und 22 in Nürnberg. In diesen drei Städten sollten<br />
alle verfügbaren Informationen aus den Quellen Polizei, Drogenhilfe, Entgiftung, Sub-<br />
stitution und Angehörige zusammengetragen werden.<br />
In jeder der drei Städte musste ein Netzwerk aufgebaut werden, um die Zusammenfüh-<br />
rung der Daten zu ermöglichen. Dazu musste zunächst eine Kontaktaufnahme mit der<br />
jeweils zuständigen Kriminalpolizeiinspektion sowie einer koordinierenden Institution<br />
(Gesundheitsamt bzw. Sozialreferat) erfolgen. Die koordinierende Institution musste<br />
nach Absprache mit dem Bayerischen Datenschutzbeauftragten als Zwischenstelle<br />
fungieren, die von der Polizei über die Namen der Toten und Kontaktadressen der An-<br />
gehörigen informiert wurde. Im Anschluss wurden von der koordinierenden Institution<br />
die Namen der Drogentoten an die Einrichtungen der Drogenhilfe weitergegeben sowie<br />
die Angehörigen kontaktiert. Dieses Vorgehen war notwendig, damit dem <strong>IFT</strong> die Na-<br />
men und Adressen der Verstorbenen bzw. der Angehörigen nicht bzw. nur nach Kon-<br />
taktaufnahme durch die Angehörigen vorlagen. In Nürnberg wurde darüber hinaus ein<br />
Treffen organisiert, bei dem die jeweiligen Institutionen über das Projekt informiert und<br />
zur Teilnahme motiviert wurden.<br />
77
78<br />
4.2.1 Instrumente<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Es wurden Erhebungsinstrumente für die verschiedenen Datenquellen entwickelt und<br />
mit Vertretern der jeweiligen Einrichtungen inhaltlich abgestimmt.<br />
• Erhebungsbogen für die polizeilichen Akten<br />
• Fragebogen für die Drogenhilfeeinrichtungen<br />
• Fragebogen für die Entgiftungseinrichtungen<br />
• Fragebogen für die substituierenden Einrichtungen<br />
• Strukturiertes Interview für die Angehörigen<br />
In allen Fragebogen und dem Interview wurden mittels kategorisierter Antwortmöglich-<br />
keiten und zwei offenen Fragen Angaben zu folgenden Bereichen erhoben:<br />
• Allgemeine Fragen zur Person (Alter, Geschlecht, Familienstand, Berufsausbildung<br />
und Erwerbstätigkeit, Informationen zur Familie, kritische Lebensereignisse)<br />
• Konsum- und Therapieanamnese (Substanzen, Zeitpunkt, Dauer und Häufigkeit,<br />
Mischkonsum, Behandlungen, Komorbidität, Folgeerkrankungen)<br />
Lediglich im Fragebogen für die substituierenden Einrichtungen wurden die allgemei-<br />
nen Angaben zur Person nicht erfragt, weil hier der Schwerpunkt auf der Substitution<br />
selbst liegen sollte. Zusätzlich zu diesen allgemeinen “Modulen” wurden in den einzel-<br />
nen Fragebogen (bis auf den Bogen für die Drogenhilfeeinrichtungen) folgende spezi-<br />
fische Informationen erhoben:<br />
• Einrichtungen der Drogenhilfe<br />
Gesamt: 52 Items<br />
• Polizei<br />
Gesamt: 69 Items<br />
Zusätzlich Details zu den Todesumständen (Auffindesituation, letzte Konsumsitua-<br />
tion, Suizidvorgeschichte), strafrechtliche Erkenntnisse und Ergebnisse des che-<br />
misch-toxikologischen Gutachtens.<br />
• Interview für Angehörige<br />
Gesamt 55 Items<br />
Zusätzlich Details zu den Todesumständen, zwei offene Fragen zu weiteren Infor-<br />
mationen und Vorschlägen, wie das Risiko eines Drogentodes künftig reduziert<br />
werden kann.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
• Entgiftungseinrichtungen<br />
Gesamt: 58 Items<br />
Zusätzlich somatische Befunde, Laborbefunde, Drogenscreening, Medikamenten-<br />
empfehlung bei letzter Behandlung.<br />
• Substituierende Einrichtungen<br />
Gesamt: 37 Items<br />
Zusätzlich Details über Substitutionsbehandlung, somatische Befunde, Laborbe-<br />
funde, Drogenscreening.<br />
4.2.2 Datenerhebung<br />
Es wurde eine Adressenliste aller anzuschreibenden Einrichtungen in den drei Städten<br />
und der näheren Umgebung erstellt, d.h. aller Beratungsstellen, Therapieeinrichtungen,<br />
Entgiftungskliniken, Substitutionsambulanzen und substituierenden Ärzte (siehe An-<br />
hang). Diese Einrichtungen wurden vom <strong>IFT</strong> mit Informationen über das Projekt sowie<br />
den entsprechenden Unterlagen (Fragebogen) angeschrieben.<br />
Das jeweilige Gesundheitsamt/Sozialreferat der Stadt informierte die o.g. therapeuti-<br />
schen Einrichtungen in regelmäßigen Abständen über die Namen der neu registrierten<br />
Drogentoten (rückwirkend ab Januar 1999). Dazu wurde in Absprache mit dem jeweili-<br />
gen Gesundheitsamt/Sozialreferat ein entsprechendes Anschreiben formuliert. Die<br />
Fragebogen wurden von den Einrichtungen direkt codiert und ausgefüllt dem <strong>IFT</strong> zuge-<br />
schickt.<br />
Für die substituierenden niedergelassenen Ärzte wurde in einer zweiten Erhebungs-<br />
welle eine Aufwandsentschädigung in Höhe von DM 20 pro ausgefülltem Fragebogen<br />
angeboten, um die Rücklaufrate zu erhöhen. Für die anderen Institutionen und die An-<br />
gehörigen wurde keine Aufwandsentschädigung gezahlt.<br />
Die Angehörigen wurden durch das jeweilige Gesundheitsamt/Sozialreferat ange-<br />
schrieben mit Informationen über das Projekt und einer schriftlichen Einwilligungserklä-<br />
rung. Diese wurde im Falle einer Bereitschaft zum Interview unterschrieben an das <strong>IFT</strong><br />
geschickt, das daraufhin Kontakt mit den Angehörigen aufnahm und einen Gesprächs-<br />
termin vereinbarte. Für die Befragung der Angehörigen wurden Interviewer ausgewählt<br />
und geschult. Tabelle 4-1 gibt einen Überblick über die Anzahl angeschriebener Ein-<br />
79
80<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
richtungen und Ärzte. Von den Angehörigen wurden je nach Aktenlage einer oder meh-<br />
rere angeschrieben. Die Datenerhebung hat in Augsburg und Nürnberg im Oktober<br />
1999 begonnen, in München im Januar 2000. Ende der Datenerhebung war Juni 2000.<br />
Tabelle 4-1: Angeschriebene Institutionen<br />
Gesamt<br />
Augsburg München Nürnberg<br />
Drogenhilfeeinrichtungen 53 6 37 10<br />
Entgiftungseinrichtungen 12 1 6 5<br />
Substituierende Ärzte 99 16 71 12<br />
Sonst. substituierende Institutionen 12 1 5 6<br />
Gesamt 176 24 119 33<br />
Da die befragten Einrichtungen die Möglichkeit hatten, die Fragebogen anonym zu-<br />
rückzusenden, kann der Rücklauf bezogen auf teilnehmende Einrichtungen nicht be-<br />
stimmt werden. Es wird im folgenden beschrieben, wieviele Bogen insgesamt einge-<br />
gangen sind und wieviele Fälle insgesamt dokumentiert werden konnten (Anzahl der<br />
Fragebogen und Anzahl der dokumentierten Fälle unterscheiden sich, da für einen Fall<br />
mehrere Fragebogen vorliegen können).<br />
Insgesamt liegen von allen 107 Fällen die Polizeibogen vor. Von Drogenhilfeeinrich-<br />
tungen liegen 67 Fragebogen vor; insgesamt konnten 47 Fälle (44% der Gesamtgrup-<br />
pe) durch Drogenhilfeeinrichtungen dokumentiert werden. Von Entgiftungseinrichtun-<br />
gen liegen insgesamt 38 Bogen vor, durch die 34 Fälle dokumentiert werden. Von den<br />
substituierenden Ärzten liegen insgesamt 25 Bogen vor, durch die 21 Fälle dokumen-<br />
tiert werden. 21 Angehörige wurden interviewt (Tabelle 4-2).<br />
Tabelle 4-2: Dokumentierte Fälle<br />
Gesamt<br />
(n=107)<br />
Augsburg<br />
(n=23)<br />
München<br />
(n=62)<br />
Nürnberg<br />
(n=22)<br />
Drogenhilfeeinrichtungen 47 (44%) 11 (48%) 23 (37%) 13 (59%)<br />
Entgiftungseinrichtungen 34 (32%) 10 (43%) 19 (31%) 5 (23%)<br />
Substituierende Ärzte 21 (20%) 5 (21%) 13 (21%) 3 (14%)<br />
Angehörige 21 (20%) 7 (30%) 10 (16%) 4 (18%)<br />
Polizei 107 (100%) 23 (100%) 62 (100%) 22 (100%)
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Tabelle 4-3: Verteilung der Anzahl von Fragebogen pro Klient<br />
Anzahl Gesamt<br />
(n=107)<br />
Augsburg<br />
(n=23)<br />
München<br />
(n=62)<br />
Nürnberg<br />
(n=22)<br />
1 31 (29%) 5 (22%) 21 (34%) 5 (23%)<br />
2 43 (40%) 8 (35%) 22 (35%) 13 (59%)<br />
3 21(20%) 5 (22%) 15 (24%) 1 (4,5%)<br />
4 10 (9%) 5 (22%) 3 (5%) 2 (9%)<br />
5 2 (2%) - 1 (2%) 1(4,5%)<br />
Gesamt 107 23 62 22<br />
Wie aus Tabelle 4-3 hervorgeht, liegen für 76 (71%) der Drogentoten Informationen<br />
aus zwei und mehr Quellen vor. Bei einem Drittel konnten Daten aus mindestens drei<br />
Quellen integriert werden. Nur eine Quelle, d.h. der Polizeibogen steht für 31 Drogento-<br />
te (29%) zur Verfügung.<br />
4.2.3 Datenzusammenführung und -auswertung<br />
Lagen über einen Drogentoten Fragebogen aus mehreren Entgiftungseinrichtungen,<br />
mehreren Substitutionseinrichtungen und/oder mehreren Einrichtungen der Drogenhilfe<br />
vor, wurden bei Fragebogen aus Entgiftungseinrichtungen und substituierenden Ein-<br />
richtungen die Fragebogen mit dem aktuelleren Behandlungsendedatum gewählt. Die<br />
Fragebogen mit früheren Behandlungsendedaten enthielten keine relevante Informati-<br />
on, die nicht aus anderen Fragebogen erhältlich gewesen wäre. Viele Angaben bezo-<br />
gen sich auf Ereignisse oder Behandlungen, die Jahre vor dem Drogentod lagen. Nur<br />
bei einem Drogentoten lagen zwei Fragebogen aus substituierenden Einrichtungen vor,<br />
die sich beide auf die letzten Monate vor dem Drogentod bezogen. Dieser Bogen wur-<br />
de bei der Auswertung der Doppelsubstitution berücksichtigt.<br />
Erwartungsgemäß suchten einige Personen mehrere Einrichtungen der Drogenhilfe im<br />
gleichen Zeitraum auf. Daher war es hier nicht möglich, sich auf den Fragebogen mit<br />
dem aktuellsten Behandlungsdatum zu beschränken. In diesen Fällen wurden per<br />
Hand Informationen aus mehreren Einrichtungen der Drogenhilfe zu ein und derselben<br />
Person kombiniert.<br />
Die Fragebogen für die verschiedenen Institutionen und die Angehörigen waren in wei-<br />
ten Teilen identisch. Die Angaben aus den verschiedenen Arten von Fragebogen wur-<br />
den in einzelne Dateien eingegeben. Anschließend wurden für jede Frage die Angaben<br />
aus den verschiedenen Quellen zu einer Antwort kombiniert. Eine Ausnahme bildete<br />
81
82<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
die Auswertung der Doppelsubstitution: Hier wurden die Original-Fragebogen durchge-<br />
sehen, da dies weniger aufwendig war als die Erstellung eines Algorithmus.<br />
Beim Abgleich der Fragebogen aus den verschiedenen Institutionen wurde bei wider-<br />
sprüchlichen Angaben folgende Vorgehensweise gewählt:<br />
• Bei Fragen mit den Antwortalternativen „ja“ oder „nein“, wie z.B. der Lifetime-<br />
Erfahrung mit bestimmten Substanzen, Abhängigkeitserkrankungen der nächsten<br />
Angehörigen bzw. des Partners oder sozialen Kontakten in den letzten drei Mona-<br />
ten, wurde im Zweifelsfall „ja“ gewählt.<br />
• Bei Fragen mit mehreren Antwortalternativen wurde die Antwort der Quelle ge-<br />
wählt, die vermutlich bei dieser Frage am besten informiert ist. So wurden bei Fra-<br />
gen zur Soziodemographie die Angaben der Angehörigen oder, falls diese nicht<br />
vorlagen, die der Polizei/Staatsanwaltschaft übernommen.<br />
• Bei Zahlenangaben, wie z.B. der Anzahl bisheriger Behandlungen oder bisheriger<br />
Suizidversuche, wurde die höchste angegebene Zahl genommen.<br />
• Bei Fragen nach Daten, wie z.B. Ende der letzten Substitutionsbehandlung, wurde<br />
das am nächsten zum Todesdatum liegende Datum gewählt. Angaben zu Folge-<br />
fragen, wie z.B. Zusatzmedikation bei der letzten Substitutionsbehandlung, wurden<br />
dann ebenfalls aus der Quelle übernommen, deren Behandlungsendedatum am<br />
nächsten zum Todesdatum lag.<br />
Bei der Strategie, im Zweifelsfall „ja“ zu wählen, besteht die Gefahr, falsch positive<br />
Antworten zu erzeugen. Je mehr Fragebogen über einen bestimmten Drogentoten vor-<br />
liegen, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit für falsch positive Antworten. Abgese-<br />
hen davon, dass bei keiner Strategie die Wahl ausgerechnet der falschen Antwort aus-<br />
zuschließen ist, wäre eine andere Methode hier nicht sinnvoll gewesen: Bei vielen Fra-<br />
gen war die Antwortalternative „nein“ nur indirekt gegeben. So konnte bei der Frage<br />
nach den sozialen Kontakten in den letzten drei Monaten die Kästchen „Eltern“, „sons-<br />
tige Familie“, „Freunde außerhalb der Drogenszene“ etc. angekreuzt werden. Ein nicht<br />
angekreuztes Kästchen kann sowohl „nein“ als auch „unbekannt“ bedeuten. Diese<br />
Gestaltung des Fragebogens erschien plausibel, da vermutlich niemand mit Sicherheit<br />
weiß, dass der Verstorbene keinen Kontakt mehr mit z.B. Freunden außerhalb der<br />
Drogenszene hatte.<br />
Es kann bei der Interpretation der Daten nicht davon ausgegangen werden, dass die<br />
Angaben zu jedem Drogentoten vollständig sind. Es ist zu erwarten, dass die berech-<br />
neten Werte die wahre Prävalenz eher unter- als überschätzen, da z.B. vermutlich eher
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
über eine tatsächlich stattgefundene Behandlung keine Informationen vorliegen als<br />
dass fälschlicherweise von einer – in der Realität nicht stattgefundenen - Behandlung<br />
berichtet wird. Die Unsicherheit über die Angaben zu bestimmten Einrichtungen des<br />
Drogenhilfeesystems sind unterschiedlich ausgeprägt. So stammen beispielsweise die<br />
Informationen von 36% der in den letzten drei Monaten vor dem Drogentod angegebe-<br />
nen Substitutionsbehandlungen von niedergelassenen Ärzten bzw. Substitutionsein-<br />
richtungen. Die Angaben zu Entgiftungen in den letzten drei Monaten vor dem Drogen-<br />
tod stützen sich in 57% der Fälle auf Originalquellen und die Informationen über The-<br />
rapien im selben Zeitraum sind zu 43% auf ambulante bzw. stationäre therapeutische<br />
Einrichtungen zurückzuführen.<br />
Die Dateneingabe und -auswertung erfolgte mit dem Programm SPSS für Windows.<br />
83
84<br />
4.3 Ergebnisse<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Es werden im folgenden die Ergebnisse zu soziodemographischen Angaben, Todes-<br />
umständen, Delinquenz, Gesundheit, psychosozialer Situation, Suizidalität, Drogenkar-<br />
riere, Kontakten zum Drogenhilfesystem, chemisch-toxikologischen Gutachten und<br />
Unterschieden zwischen den Untersuchungsregionen dargestellt. Die Ergebnisse be-<br />
ziehen sich zunächst auf die Gesamtgruppe der 107 Drogentoten. Da sich diese<br />
Gruppe aus den vier verschiedenen Untergruppen der polizeilichen Definition zusam-<br />
mensetzt (Überdosis, Suizid, Langzeitschäden, Unfall), die sich höchstwahrscheinlich<br />
in ihren Charakteristika und Risikofaktoren unterscheiden, wurden bei verschiedenen<br />
Fragestellungen die Ergebnisse für die Untergruppe der an Überdosis Verstorbenen<br />
getrennt von den an Suizid Verstorbenen dargestellt. Die übrigen zwei Gruppen wur-<br />
den bei diesen Detail-Analysen aufgrund der geringen Fallzahl nicht berücksichtigt. Bei<br />
der Darstellung der nachgewiesenen Substanzen durch die chemisch-toxikologischen<br />
Gutachten wurden nur die Fälle berücksichtigt, in denen neben dem chemisch-<br />
toxikologischen Gutachten eine Obduktion durchgeführt worden war, um valide Aussa-<br />
gen machen zu können.<br />
4.3.1 Soziodemographische Angaben<br />
Geschlecht<br />
Mit 86% (n=92) ist der weit überwiegende Anteil der Drogentoten männlich.<br />
Alter<br />
H<br />
ä<br />
u<br />
f<br />
i<br />
g<br />
k<br />
e<br />
i<br />
t<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
10 20 30 40 50<br />
Abbildung 4-1: Altersverteilung der Drogentoten<br />
Todesalter
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Das Alter der Drogentoten erreicht bei einem Durchschnittsalter von 31 Jahren mit 15<br />
Jahren das Minimum und mit 51 Jahren das Maximum. Ein Drittel war höchstens 27<br />
Jahre alt, ein weiteres Drittel 35 Jahre und älter (Abbildung 4-1). Das durchschnittliche<br />
Todesalter bei Männern beträgt 31,5 Jahre (n=92, s=7,5), das der Frauen 29,7 Jahre<br />
(n=15, s=7,3). Teilt man die Verstorbenen in die Altersklassen 15-27, 28-34 und 35-51<br />
Jahre ein, so findet man bei den an Überdosis Verstorbenen eine ungefähre Gleichver-<br />
teilung auf die drei Altersgruppen, während bei den Suizidfällen ein Viertel (n=4) in die<br />
mittlere Altersgruppe fällt und jeweils 37,5% in die jüngste und älteste Gruppe.<br />
Familienstand<br />
Der überwiegende Teil der Verstorbenen war ledig (69%; n=74); 7% (n=8) waren ver-<br />
heiratet oder lebten in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft, 4% (n=4) waren ver-<br />
heiratet, lebten aber getrennt, 17% (n=18) waren geschieden, 3% (n=3) waren verwit-<br />
wet. 24% (n=26) hatten Kinder, davon 51% mehr als ein Kind.<br />
Wohnsituation<br />
Von den Verstorbenen lebten 43% (n=46) alleine in einer eigenen Wohnung, 22%<br />
(n=24) bei Angehörigen; 17% (n=18) lebten mit einem (Ehe-)Partner zusammen und<br />
8% (n=8) waren ohne festen Wohnsitz. Vier der Verstorbenen lebten in einem Wohn-<br />
heim, zwei lebten in einer Wohngemeinschaft, zwei waren zuletzt in einer stationären<br />
Einrichtung und einer in einer Nachsorgeeinrichtung untergebracht. Eine Person ist in<br />
Haft verstorben.<br />
Staatsangehörigkeit<br />
Die deutsche Staatsangehörigkeit hatten 84% (n=90) der Verstorbenen; 6% (n=6) ka-<br />
men aus anderen EU-Ländern (Österreich; Niederlande, Italien, Griechenland) und<br />
10% (n=11) aus nicht EU-Ländern (Türkei, Bosnien, Kroatien, Ukraine, Ungarn, USA).<br />
Bildung<br />
Die Mehrheit der Drogentoten, insgesamt 77 von 107, hatte Haupt- oder Sonderschul-<br />
abschluss (73% der Männer und 67% der Frauen); 13 Personen (12%) besaßen kei-<br />
nen Schulabschluss und nur drei Personen hatten (Fach-)Abitur (Tabelle 4-4).<br />
85
86<br />
Tabelle 4-4: Schulabschluss<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
In Ausbildung 1,9 (2) 2,2 (2) --<br />
Kein Schulabschluss 12,1 (13) 9,8 (9) 26,7 (4)<br />
Haupt-/Sonderschule (1 Pers.) 71,9 (77) 72,8 (67) 66,7 (10)<br />
Mittlere Reife 11,2 (12) 13,0 (12) --<br />
(Fach-) Abitur 2,8 (3) 2,2 (2) 6,7 (1)<br />
Beruf<br />
Der überwiegende Anteil der Drogentoten war vor dem Tod arbeitslos (60%; n=64).<br />
Von den Erwerbstätigen waren zwölf einfache/mittlere Angestellte; drei waren Hilfsar-<br />
beiter und zwei waren selbständig. Acht der Verstorbenen befanden sich in Berufsaus-<br />
bildung, vier waren Schüler und einer Student.<br />
Den Lebensunterhalt finanzierten 36% (n=39) durch Arbeitslosengeld, 44% (n=47)<br />
durch Sozialhilfe, 8% (n=8) erhielten BaföG, und drei Personen bezogen Rente.<br />
4.3.2 Todesumstände<br />
Todeszeitpunkt<br />
Die meisten Todesfälle wurden im Januar registriert (16%), gefolgt von August (13%)<br />
und September (12%). Über die übrigen Monate verteilen sich die Todesfälle relativ<br />
gleichmäßig. Im Frühjahr (März bis Mai) sind 20 Personen verstorben (19%), im Som-<br />
mer (Juni bis August) 28 (26%), im Herbst (September bis November) 26 (24%) und im<br />
Winter (Dezember bis Februar) 33 (31%). Ein jahreszeitlicher Trend lässt sich nicht<br />
feststellen (Abbildung 4-2).<br />
Eine Häufung von Todesfällen findet sich an Donnerstagen, an denen knapp ein Viertel<br />
aller Todesfälle erfolgte (Abbildung 4-3). Auch an Samstagen finden sich mit 18% pro-<br />
zentual etwas mehr Todesfälle als an den anderen Tagen. Über die restliche Woche<br />
verteilen sich die Todesfälle gleichmäßig. Am Wochenende (Freitag Mittag bis Sonntag<br />
Nacht) verstarben 37% (n=40).
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
H<br />
ä<br />
u<br />
f<br />
i<br />
g<br />
k<br />
e<br />
i<br />
t<br />
Abbildung 4-2: Verteilung der Todesfälle über Monate<br />
H<br />
ä<br />
u<br />
f<br />
i<br />
g<br />
k<br />
e<br />
i<br />
t<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
17<br />
11<br />
5<br />
8<br />
13<br />
Abbildung 4-3: Verteilung der Todesfälle über Wochentage<br />
9<br />
Knapp über die Hälfte der Todesfälle ereigneten sich tagsüber in der Zeit zwischen<br />
10.00 und 17.59 Uhr (52%). Die übrigen Todesfälle sind relativ gleichmäßig über den<br />
restlichen Tag verteilt, wobei in der Zeit zwischen 22.00 und 01.59 morgens weniger<br />
Personen verstarben als innerhalb anderer Zeiträume (Abbildung 4-4).<br />
14<br />
3<br />
5<br />
Jan Feb Mar Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez<br />
25<br />
Mo Di Mi Do Fr Sa So<br />
9<br />
14<br />
14<br />
13<br />
7<br />
19<br />
6<br />
11<br />
11<br />
87
88<br />
H<br />
ä<br />
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k<br />
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30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Abbildung 4-4: Verteilung der Todesfälle nach Todeszeit<br />
Auffindesituation<br />
14<br />
02.00-<br />
05.59<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Der überwiegende Teil der Drogentoten wurde in der eigenen Wohnung aufgefunden<br />
(41%, n=44), 32% (n=34) bei Freunden oder Angehörigen und 22% (n=24) an öffentli-<br />
chen Orten wie z.B. in Bahnhofs- oder Kaufhaustoiletten, Parkhäusern, Gaststätten<br />
oder in Parks (Tabelle 4-5).<br />
Tabelle 4-5: Auffindungsort des Verstorbenen<br />
Ort Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Eigene Wohnung 41,4 (44) 40,2 (37) 46,7 (7)<br />
Wohnung von Bekannten/Freunden/Angehörigen 31,8 (34) 34,8 (32) 13,3 (2)<br />
Wohnheim/Pension/Hotel 4,7 (5) 3,3 (3) 13,3 (2)<br />
Öffentliche Orte 22,4 (24) 21,7 (20) 26,7 (4)<br />
Die meisten Drogentoten wurden entweder von Freunden/Bekannten (28%, n=30) oder<br />
vom Partner (27%, n=29) aufgefunden, wobei festzuhalten ist, dass fast die Hälfte der<br />
weiblichen Drogenopfer vom Partner aufgefunden wurde (Tabelle 4-6).<br />
Tabelle 4-6: Auffindesituation<br />
12<br />
06.00-<br />
09.59<br />
Aufgefunden von .. Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Partner/in 27,1 (29) 23,9 (22) 46,7 (7)<br />
Freunde/Bekannte 28,0 (30) 30,4 (28) 13,3 (2)<br />
Angehörige 9,3 (10) 10,9 (10) --<br />
Fremde 20,6 (22) 19,6 (18) 26,7 (4)<br />
Polizei/Feuerwehr 15,0 (16) 15,2 (14) 13,3 (2)<br />
25<br />
10.00-<br />
13.59<br />
27<br />
14.00-<br />
17.59<br />
15<br />
18.00-<br />
21.59<br />
6<br />
22.00-<br />
01.59
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Über den Zustand der Wohnung liegen einschließlich der Personen ohne festen<br />
Wohnsitz (n=8) bei 23 Drogentoten keine Angaben vor. Bei den 84 Drogentoten, deren<br />
Wohnung von der Polizei besichtigt wurde, war die Wohnung in den meisten Fällen<br />
vernachlässigt (58%, n=49), in 32% (n=27) der Fälle war der Zustand normal und bei<br />
10% (n=8) machte sie einen verwahrlosten Eindruck.<br />
Bei 60% der Drogentoten wurden Utensilien, Drogen oder Medikamente sichergestellt.<br />
An Utensilien wurden vor allem Spritzen (n=45) vorgefunden. Die am häufigsten si-<br />
chergestellten Drogen und Medikamente waren Heroin, Benzodiazepine, Methadon,<br />
Cannabis, Codein und Sedativa (Tabelle 4-7)<br />
Tabelle 4-7: Sichergestellte Drogen und Medikamente<br />
Drogen/Medikamente Gesamt (n=107)<br />
Heroin 14,0 (15)<br />
Benzodiazepine 11,2 (12)<br />
Methadon 6,5 (7)<br />
Cannabis 4,7 (5)<br />
Codein 3,7 (4)<br />
Sedativa 3,7 (4)<br />
Kokain 2,8 (3)<br />
Ecstasy 1,9 (2)<br />
Doxepin 1,9 (2)<br />
Barbiturate 1,9 (2)<br />
Sonstige Medikamente 4,7 (5)<br />
Der Sterbeort war in 89% (n=95) der Fälle identisch mit dem Auffindungsort. 9% (n=10)<br />
der Drogenopfer starben im Krankenhaus (20% der weiblichen, 8% der männlichen<br />
Drogentoten); eine Person wurde an einem Parkplatz aufgefunden und in die Wohnung<br />
eines Freundes gebracht, in der sie schließlich verstarb.<br />
Konsumsituation<br />
Insgesamt ist bei 21% aller Fälle bekannt, dass der letzte Konsum alleine stattgefun-<br />
den hat (jedoch ist der Anteil der unbekannten Fälle ausgesprochen hoch; Tabelle 4-8).<br />
Tabelle 4-8: Konsumsituation<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Allein 20,6 (22) 19,6 (18) 26,7 (4)<br />
In Gesellschaft 20,6 (22) 20,7 (19) 20,0 (3)<br />
unbekannt 58,8 (63) 59,8 (55) 53,3 (8)<br />
89
90<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Von den Todesfällen durch Überdosis wurde in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle<br />
(78%, n=69) im privaten Bereich konsumiert. Bei 19% der durch eine Überdosis ver-<br />
storbenen ist bekannt, dass der letzte Konsum alleine stattgefunden hat.<br />
Todesart<br />
In 82% (n=88) der Fälle wurde als Todesursache eine unbeabsichtigte Überdosis diag-<br />
nostiziert. In 15% (n=16) der Fälle wurde als Todesursache Suizid ermittelt, wobei hier<br />
der Anteil bei Frauen mit 27% deutlich höher ist als bei Männern mit 13%. An Langzeit-<br />
folgen des Drogenkonsums verstarben zwei Personen und eine Person starb an einem<br />
Unfall unter Einfluss von Drogen (Tabelle 4-9).<br />
Tabelle 4-9: Todesursache<br />
Todesursache Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Überdosis 82,2 (88) 83,7 (77) 73,3 (11)<br />
Suizid 15,0 (16) 13,0 (12) 26,7 (4)<br />
Langzeitfolgen 1,9 (2) 2,2 (2) --<br />
Unfall unter Btm-Einfluss 0,9 (1) 1,1 (1) --<br />
Bei den Suiziden (n=16) handelt es sich in 50% der Fälle um letale Überdosierungen.<br />
Ein Viertel der Selbsttötungen (n=4) wurde durch einen Sprung aus großer Höhe her-<br />
beigeführt, zwei der Verstorbenen wählten den Freitod durch Erhängen und zwei durch<br />
Ertrinken (Tabelle 4-10).<br />
Tabelle 4-10: Todesart bei Suizid<br />
Todesart Gesamt (n=16) Männer (n=12 ) Frauen (n=4)<br />
Btm-Überdosis 50,0 (8) 58,3 (7) 25 (1)<br />
Sprung aus Höhe 25,0 (4) 25,0 (3) 25 (1)<br />
Erhängen 12,5 (2) 16,7 (2) --<br />
Ertrinken 12,5 (2) -- 50 (2)
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
4.3.3 Delinquenz<br />
Im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln sind 17 von 107 Drogentoten (16%) nicht<br />
straffällig geworden (16% der Männer, 13% der Frauen). Die meisten weiblichen Dro-<br />
gentoten hatten ein Delikt (n=4) oder zwei Delikte (n=3) vorzuweisen. Mehr als fünf<br />
Delikte wurden von 32% (n=29) der Männer, aber nur von zwei Frauen verübt (Tabelle<br />
4-11).<br />
Tabelle 4-11: Häufigkeit von Delikten nach dem BtmG<br />
Anzahl der Delikte Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Kein Delikt 15,9 (17) 16,3 (15) 13,3 (2)<br />
Ein Delikt 15,0 (16) 13,0 (12) 26,7 (4)<br />
Zwei bis fünf Delikte 40,1 (43) 39,2 (36) 46,6 (7)<br />
Sechs bis zehn Delikte 20,5 (22) 22,9 (21) 6,7 (1)<br />
Mehr als zehn Delikte 8,2 (9) 8,8 (8) 6,7 (1)<br />
Verstöße, die nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, wurden bei 88% der Ver-<br />
storbenen registriert (Tabelle 4-12). Elf bis zwanzig Delikte wurden von 20% (n=22)<br />
verübt. Bei den Männern sind dies 19% (n=17) und bei den Frauen 34% (n=5). Ein<br />
relativ hoher Prozentsatz, nämlich knapp 20% (n=18) der Männer, hatte sogar mehr als<br />
zwanzig Delikte vorzuweisen.<br />
Tabelle 4-12: Häufigkeit von Delikten außer Verstöße gegen das BtmG<br />
Anzahl der Delikte Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Kein Delikt 12,1 (13) 10,9 (10) 20,0 (3)<br />
Ein Delikt 5,6 (6) 6,5 (6) --<br />
Zwei bis fünf Delikte 27,1 (29) 28,3 (26) 20,0 (3)<br />
Sechs bis zehn Delikte 16,9 (18) 16,3 (15) 20,0 (3)<br />
Elf bis zwanzig Delikte 20,4 (22) 18,6 (17) 33,5 (5)<br />
Mehr als zwanzig Delikte 17,6 (19) 19,8 (18) 6,7 (1)<br />
Knapp die Hälfte der insgesamt 107 Drogentoten (47%) hat keine Haftstrafen verbüßt.<br />
Mehr als einmal waren 45% (n=48) inhaftiert. Mehr als fünf Haftstrafen haben 14% der<br />
Männer (n=13), aber keine der verstorbenen Frauen aufzuweisen (Tabelle 4-13).<br />
Tabelle 4-13: Häufigkeit von Haftstrafen<br />
Anzahl der Haftstrafen Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Keine Haftstrafe 46,7 (50) 47,8 (44) 40,0 (6)<br />
Eine Haftstrafe 8,4 (9) 6,5 (6) 20,0 (3)<br />
Zwei bis fünf Haftstrafen 32,7 (35) 31,5 (29) 40,0 (6)<br />
Mehr als fünf Haftstrafen 12,0 (13) 14,3 (13) --<br />
91
92<br />
4.3.4 Gesundheit<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
An Hepatitis litt mehr als die Hälfte (53%, n=56) der insgesamt 107 Drogentoten (64%<br />
der Frauen und 52% der Männer). An sonstigen chronischen Krankheiten litten 13%.<br />
Zirrhose war bei 11% diagnostiziert worden, Lungenschäden bei 8%, neurologische<br />
Schäden bei 6% und Schädigungen des Herzens bei 5%. HIV-positiv waren 6% der<br />
Drogentoten, dabei handelt es sich ausschließlich um Männer (7%, n=6). AIDS war bei<br />
zwei Personen ausgebrochen; betroffen waren hiervon wiederum nur Männer. Mindes-<br />
tens eine somatische Erkrankung liegt bei 60% der Verstorbenen vor, ein Unterschied<br />
zwischen den Geschlechtern ist hier nicht festzustellen (Tabelle 4-14).<br />
Von den sechs Personen, die HIV-positiv waren, sind drei (50%) an einer Überdosis<br />
gestorben, einer an Langzeitschäden und bei zwei (33%) liegt eine Selbsttötung vor.<br />
Von den Personen, die nicht als HIV-positiv klassifiziert wurden, war die Todesursache<br />
in 85% (n=84) eine Überdosis, in 13% (n=13) Suizid, und in jeweils einem Fall Lang-<br />
zeitschäden oder Unfall.<br />
Tabelle 4-14: Somatische Krankheiten<br />
Krankheiten Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
HIV -positiv 5,7 (6) 6,6 (6) --<br />
AIDS 1,9 (2) 2,2 (2) --<br />
Zirrhose 10,5 (11) 9,9 (9) 14,3 (2)<br />
Hepatitis 53,3 (56) 51,6 (47) 64,3 (9)<br />
Neurologische Schäden 5,7 (6) 5,5 (5) 7,1 (1)<br />
Herzschäden 4,8 (5) 5,5 (5) --<br />
Nierenschäden 1,9 (2) 1,1 (1) 7,1 (1)<br />
Lungenschäden 7,6 (8) 7,7 (7) 7,1 (1)<br />
Sonstige chronische Erkrankungen 13,3 (14) 14,3 (13) 7,1 (1)<br />
Bei den psychischen Erkrankungen überwiegen mit 21% depressive Störungen, gefolgt<br />
von Persönlichkeitsstörungen (12%), Angststörungen (7%) und Psychosen (6%). Die<br />
Hälfte aller Frauen (53%) war von mindestens einer psychischen Erkrankung betroffen.<br />
Bei den Männer lagen bei einem Drittel (33%) psychische Erkrankungen vor. Insge-<br />
samt wurden bei 36% der Drogentoten von mindestens einer psychischen Erkrankung<br />
berichtet. Damit zeigt sich eine hohe Belastung durch komorbide Störungen, die zu-<br />
sätzlich zur Suchtproblematik bei einem Großteil der Verstorbenen vorliegt (Tabelle 4-<br />
15).
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Tabelle 4-15: Psychische Erkrankungen (außer Sucht)<br />
Erkrankungen Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Angsterkrankung 6,5 (7) 4,3 (4) 20,0 (3)<br />
Depressive Erkrankung 20,6 (22) 17,4 (16) 40,0 (6)<br />
Psychotische Erkrankung 5,6 (6) 6,5 (6) --<br />
Persönlichkeitsstörung 12,1 (13) 10,9 (10) 20,0 (3)<br />
Essstörung 2,8 (3) 1,1 (1) 13,3 (2)<br />
Sonstige Störung 3,7 (4) 4,3 (4) --<br />
In den letzten 12 Monaten vor Drogentod waren 15 Verstorbene wegen psychischer<br />
Störungen in Behandlung, 13 der Verstorbenen innerhalb der letzten drei Monate. Von<br />
den 13 Drogentoten, die in den letzten drei Monaten vor Drogentod in psychischer Be-<br />
handlung waren, wurden sechs ambulant und sieben stationär behandelt. Indikationen<br />
für die Behandlungen waren in jeweils drei Fällen Suizidalität und Psychosen, in zwei<br />
Fällen Depression und in einem Fall eine Persönlichkeitsstörung. Der Grund für die<br />
übrigen Behandlungen ist unbekannt.<br />
Es ist davon auszugehen, dass der Anteil zusätzlicher Störungen bei den Verstorbenen<br />
höher liegt, als hier ermittelt werden konnte. Zum einen lässt sich aus den Angaben<br />
über psychische Störungen nicht entnehmen, auf welcher Grundlage die Diagnose<br />
vorgenommen wurde, zum anderen liegen über einen Teil der Verstorbenen keine An-<br />
gaben aus dem Hilfesystem bzw. von Angehörigen vor und damit auch keine Informa-<br />
tion über psychische Störungen. Bezieht man die Häufigkeit psychischer Störungen nur<br />
auf die Personen mit Kontakt zum Drogenhilfesystem im letzten Jahr, ergibt sich ein<br />
Anteil von 44% bei denen zusätzlich zur Drogenabhängigkeit eine oder mehrerer psy-<br />
chische Störungen bekannt sind, wobei von denen, die in den letzten der Monaten vor<br />
Drogentod Kontakt hatten, 49% Störungen aufwiesen gegenüber 10% von denen, die<br />
keinen Kontakt hatten.<br />
93
94<br />
4.3.5 Psychosoziale Situation<br />
Partnerschaft<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Von 66 der Drogentoten (62%) ist bekannt, dass sie eine feste Partnerschaft hatten; in<br />
39 Fällen (36%) kann davon ausgegangen werden, dass der Partner ebenfalls drogen-<br />
abhängig ist oder war, davon waren bzw. sind zwölf der Partner zusätzlich alkoholab-<br />
hängig, sieben zusätzlich medikamentenabhängig und drei zusätzlich psychisch krank.<br />
Soziale Integration<br />
Insgesamt waren bei allen Todesursachen (Überdosis, Suizid, Langzeitschäden, Un-<br />
fall) jeweils ungefähr die Hälfte aller Verstorbenen allein lebend, die Hälfte wohnte mit<br />
Partner, Familie oder mit anderen zusammen.<br />
In nur fünf Fällen (5%) wurde ermittelt, dass die Personen allein lebten und keinerlei<br />
soziale Kontakte in den letzten drei Monaten bekannt waren. Unter den allein Leben-<br />
den hatten 32 (30% der Gesamtgruppe) wenigstens einmal in den letzten drei Monaten<br />
Kontakt zu den Eltern (davon 60% maximal eine Woche vor ihrem Tod), 18 (17%) zur<br />
sonstigen Familie (davon 37% maximal eine Woche vor ihrem Tod), 23 (22%) zu Part-<br />
ner/Partnerin (davon 73% maximal eine Woche vor ihrem Tod), 20 (19%) zu Freunden<br />
außerhalb der Drogenszene (davon 80% maximal eine Woche vor ihrem Tod) und 33<br />
(31%) zu Freunden innerhalb der Drogenszene (davon 78% maximal eine Woche vor<br />
ihrem Tod).<br />
In den letzten drei Monaten vor dem Tod hatten 46% der Gesamtgruppe (n=49) Kon-<br />
takt zu Freunden/Bekannten aus der Drogenszene, 41% noch am Todestag oder am<br />
Tag davor. Fast ebenso viele, nämlich 48 (45%), hatten in dieser Zeit Kontakt zu den<br />
Eltern, allerdings nur 31, also 29%, am Todestag oder dem Tag zuvor. Mit dem Partner<br />
standen 39% (n=42) in den letzten drei Monaten in Kontakt, 31% (n=33) am letzten<br />
oder vorletzten Tag vor dem Tod. Freundschaften und Bekanntschaften außerhalb der<br />
Drogenszene unterhielten nur 23% (n=25) der Drogentoten im letzten Vierteljahr vor<br />
dem Tod (Tabelle 4-16)
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Tabelle 4-16: Art und Häufigkeit sozialer Kontakte in den letzten drei Monaten vor dem<br />
Tod<br />
Gesamt<br />
(n=107)<br />
Selber<br />
Tag/Tag vorher<br />
Zwei Tage<br />
- 1 Woche<br />
Mehr als 1<br />
Woche<br />
Mehr als 1<br />
Monat<br />
Eltern 44,9 (48) 29,0 (31) 6,5 (7) 3,7 (4) 5,6 (6)<br />
Sonstige Familie 33,6 (36) 13,1 (14) 16,8 (18) 1,9 (2) 1,9 (2)<br />
Partner/in 39,3 (42) 30,8 (33) 3,7 (4) 2,8 (3) 1,9 (2)<br />
Freunde/Bekannte außerhalb der Drogenszene<br />
23,4 (25) 16,8 (18) 4,7 (5) 1,9 (2) --<br />
Freunde/Bekannte aus der Drogenszene 45,8 (49) 41,1 (44) 3,7 (4) 0,9 (1) --<br />
Kritische Lebensereignisse<br />
In den letzten drei Monaten vor dem Tod fand in 48% der Fälle (n=51) mindestens eine<br />
kritische Veränderung der Lebenssituation statt. Dabei handelte es sich hauptsächlich<br />
um Veränderungen, die mit der Drogenabhängigkeit in Verbindung stehen: 24% (n=26)<br />
erlitten im letzten Vierteljahr vor dem Tod einen Rückfall und 11% (n=12) erwarteten<br />
eine bevorstehende Entgiftung, Haft, Therapie oder Substitutionsbehandlung (Tabelle<br />
4-17).<br />
Tabelle 4-17: Kritische Lebensereignisse in den letzten drei Monaten vor dem Tod<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Rückfall 24,3 (26) 22,8 (21) 33,3 (5)<br />
Bevorstehende Entgiftung/Haft/Therapie/ Substitution<br />
11,2 (12) 12,0 (11) 6,7 (1)<br />
Entlassung aus der JVA 7,5 (8) 7,6 (7) 6,7 (1)<br />
Wohnungswechsel 7,5 (8) 6,5 (6) 13,3 (2)<br />
Gerichtsverhandlung 5,7 (6) 5,4 (5) 6,7 (1)<br />
Tod von Angehörigen/Freund/Partner 4,7 (5) 4,3 (4) 6,7 (1)<br />
Trennung vom Partner 4,7 (5) 5,4 (5) --<br />
Wohnungsverlust 3,7 (4) 4,3 (4) --<br />
Unfall/Krankheit 3,7 (4) 3,3 (3) 6,7 (1)<br />
Angaben zu kritischen Lebensereignissen liegen allerdings nur dann vor, wenn die<br />
Verstorbenen im Drogenhilfesystem bekannt waren, oder wenn die Angehörigen be-<br />
fragt werden konnten. Bezieht man die Häufigkeit kritischen Lebensereignissen auf den<br />
Personenkreis, der dem Drogenhilfesystem in den letzten drei Monaten vor Drogentod<br />
bekannt war, zeigt sich, dass in 63% der Fälle davon auszugehen ist, dass mindestens<br />
ein kritisches Ereignis stattgefunden hat.<br />
95
96<br />
4.3.6 Suizidalität<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Mindestens einen Suizidversuch in der Vergangenheit hatten 27% (n=29) der Drogen-<br />
toten, 24% (n=22) der Männer und 47% (n=7) der Frauen unternommen. In den letzten<br />
12 Monaten versuchten 40% der Frauen, sich das Leben zu nehmen. Bei den Männern<br />
ist in diesem Zeitraum von acht Personen ein Suizidversuch bekannt. Von den Ver-<br />
storbenen, bei denen Suizidversuche bekannt sind, haben 34% (n=10) zwei und mehr<br />
Selbsttötungsversuche überlebt (Tabelle 4-18).<br />
Tabelle 4-18: Suizidversuche<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Lebenszeit 27,1 (29) 23,9 (22) 46,7 (7)<br />
Letzte 12 Monate 13,1 (14) 8,7 (8) 40,0 (6)<br />
Anzahl der Suizidversuche (Lebenszeit) Gesamt (n=29) Männer (n=22) Frauen (n=7)<br />
Einer 65,5 (19) 63,6 (14) (5)<br />
Zwei 17,2 (5) 22,7 (5) --<br />
Drei 13,8 (4) 9,1 (2) (2)<br />
Sieben 3,4 (1) 4,5 (1) --<br />
In den meisten Suizidfällen wird vermutet, dass sie auf ein Gefühl der Verzweiflung<br />
wegen privater Umstände (63% der Selbstmorde, n=10) oder auf Verzweiflung wegen<br />
Abhängigkeit (56%, n=9) zurückgehen. Allgemeiner Lebensüberdruss wird in (n=7)<br />
44% der Fälle als möglicher Suizidauslöser angegeben. Die Angst vor erwarteter Stra-<br />
fe spielte den Angaben zufolge nur für einen Drogentoten eine Rolle (Tabelle 4-19).<br />
Tabelle 4-19: Vermutete Motive für Suizid (bei vorliegendem Suizid)<br />
Gesamt (n=16) Männer (n=12) Frauen (n=4)<br />
Verzweiflung über Abhängigkeit 56,3 (9) 58,3 (7) (2)<br />
Verzweiflung über andere Krankheit 6,3 (1) -- (1)<br />
Verzweiflung wegen privater Umstände 62,5 (10) 66,7 (8) (2)<br />
Angst vor erwarteter Strafe 6,3 (1) 8,3 (1) --<br />
Allgemeiner Lebensüberdruss 43,8 (7) 33,3 (4) (3)<br />
Sonstiges 25,0 (4) 25,0 (3) (1)<br />
Die Frage, ob Verdacht auf Suizid besteht und was einen Suizid ausgelöst haben<br />
könnte, wurde den Beratern, Therapeuten, Ärzten und Angehörigen in allen Fällen ge-<br />
stellt. Daher wurden auch bei Drogentoten, bei denen kein Suizid vorliegt, mögliche<br />
Motive für eine Selbsttötung genannt. In 10% der Fälle wird Verzweiflung über die Ab-<br />
hängigkeit als potentieller Auslöser angegeben (Tabelle 4-20).
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Tabelle 4-20: Mögliche Motive für Suizid (Todesfälle außer Suizid)<br />
Gesamt (n=91) Männer (n=80) Frauen (n=11)<br />
Verzweiflung über Abhängigkeit 9,9 (9) 7,5 (6) 27,3 (3)<br />
Verzweiflung über andere Krankheit 4,4 (4) 2,5 (2) 18,2 (2)<br />
Verzweiflung wegen privater Umstände 8,8 (8) 8,8 (7) 9,1 (1)<br />
Allgemeiner Lebensüberdruss 5,5 (5) 5,0 (4) 9,1 (1)<br />
Sonstiges 2,2 (2) 2,5 (2)<br />
Das Auftreten mindestens eines Suizidmotives bei den Todesfällen außer Suizid wird<br />
bei 15% der Männer vermutet, bei Frauen jedoch in 46% der Fälle.<br />
97
98<br />
4.3.7 Drogenkarriere<br />
Aspekte der Suchtgenese<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Fast zwei Drittel der Drogentoten (63%, n=58) sind überwiegend bei beiden Eltern auf-<br />
gewachsen, 22% (n=29) bei einem Elternteil. Über 14% (n=15) der Drogentoten liegen<br />
keine Angaben vor (Tabelle 4-21).<br />
Tabelle 4-21: Erziehung der Verstorbenen<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Bei den Eltern 63,0 (58) 47,7 (51) 6,5 (7)<br />
Bei einem Elternteil 21,7 (20) 16,8 (18) 1,9 (2)<br />
Bei den Großeltern 7,6 (7) 3,7 (4) 2,8 (3)<br />
Im Heim 6,5 (6) 4,6 (5) 0,9 (1)<br />
Mehrfacher Wechsel 1,1 (1) 0,9 (1) --<br />
Unbekannt 14,0 (15) 11,2 (12) 2,8 (3)<br />
Die berufliche Stellung des Vaters ist nur von 46% der Drogentoten bekannt (einfa-<br />
che/mittlere Angestellte (29%, n=14); Rentner (20%, n=10); selbständig (18%, n=9),<br />
Hilfsarbeiter (10% n=5)). Angaben zur beruflichen Stellung der Mutter liegen nur bei<br />
43% der Drogentoten vor (Hausfrau (46%, n=21); einfache/mittlere Angestellte (20%,<br />
n=9); Rentnerin (15 %, n=7)).<br />
Suchtspezifische Vorbelastungen durch die Eltern sind bei 15% (n=16) der Verstorbe-<br />
nen bekannt. Psychische Störungen wurden dagegen nur über Eltern von vier Verstor-<br />
benen berichtet. In zwölf Fällen (11%) wird von einer Alkoholabhängigkeit des Vaters<br />
berichtet, wobei in einem Fall zusätzlich eine Medikamentenabhängigkeit vorliegt. Dro-<br />
genabhängigkeit des Vaters wird nur in einem Fall angegeben. Psychische Krankhei-<br />
ten sind von den Vätern dreier Drogentoter bekannt. Alkoholabhängigkeit der Mutter<br />
wurde bei sechs Fällen angegeben. In einem dieser Fälle lag zusätzlich Medikamen-<br />
tenabhängigkeit, in einem Fall Drogenabhängigkeit und in einem weiteren Fall eine<br />
psychische Störung vor. Psychische Krankheiten der Mutter wurden insgesamt in drei<br />
Fällen berichtet.<br />
Bei elf Drogentoten ist Drogenabhängigkeit von Geschwistern bekannt, wobei in drei<br />
Fällen zusätzlich eine Alkoholabhängigkeit angegeben wurde. In fünf weiteren Fällen<br />
waren Geschwister der Drogentoten alkoholabhängig, in einem Fall lag zusätzlich Me-<br />
dikamentenabhängigkeit vor.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Konsumverhalten<br />
Die Substanz, die von den meisten Drogentoten bereits irgendwann einmal bzw. re-<br />
gelmäßig konsumiert wurde, ist Heroin, mit dem insgesamt 93% (n=99) und 100% der<br />
weiblichen Drogentoten (n=15) Erfahrung gemacht hatten, gefolgt von Alkohol, der von<br />
91% (n=97) konsumiert wurde. Cannabis nahmen 88% (n=94) der Drogentoten, davon<br />
93% der Frauen und 87% der Männer. Benzodiazepine, die insgesamt ca. 84% (n=90)<br />
der Drogentoten zu sich nahmen, wurden von einem Großteil der weiblichen Drogento-<br />
ten gebraucht (93% der Frauen, n=14). Auch Kokain wurde mit 73% (n=11) von einem<br />
relativ großen Teil der Frauen konsumiert verglichen mit einer Lebenszeiterfahrung von<br />
55% (n=51) der Männer. Umgekehrt verhält es sich bei Ecstasy: Nur zwei der 15 weib-<br />
lichen Drogentoten hatten Erfahrungen mit Ecstasy (13%), aber 31 der 92 männlichen<br />
Drogentoten (34%). Drogenersatzstoffe wurden von prozentual mehr Frauen konsu-<br />
miert: 73% (n=11) der Frauen und ca. 64% der Männer (n=59) nahmen Codein/DHC,<br />
55% (n=6) der Frauen und 42% (n=26) der Männer nahmen Methadon (Tabelle 4-22).<br />
Tabelle 4-22: Lebenszeitkonsum verschiedener Substanzen<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Heroin 92,5 (99) 91,3 (84) 100,0 (15)<br />
Alkohol 90,7 (97) 91,3 (84) 86,7 (13)<br />
Cannabis 87,9 (94) 87,0 (80) 93,3 (14)<br />
Benzodiazepine 84,1 (90) 82,6 (76) 93,3 (14)<br />
Codein 65,4 (70) 64,1 (59) 73,3 (11)<br />
Kokain 57,9 (62) 55,4 (51) 73,3 (11)<br />
Amphetamine 48,6 (52) 47,8 (44) 53,3 (8)<br />
Barbiturate 41,1 (44) 41,3 (38) 40,0 (6)<br />
LSD 33,6 (36) 33,7 (31) 33,3 (5)<br />
Ecstasy 30,8 (33) 33,7 (31) 13,3 (2)<br />
Methadon 43,8 (32) 41,9 (26) 54,5 (6)<br />
Schnüffelstoffe 8,4 (9) 9,8 (9) --<br />
Sonstige Substanzen 4,7 (5) 5,4 (5) --<br />
Die Mehrheit der Drogentoten (80%, n=86) konsumierte in den letzten drei Monaten<br />
vor dem Tod Heroin, gefolgt von Benzodiazepinen (72%, n=77), Alkohol (68%, n=73)<br />
und Cannabis (57%, n=61). Codein/DHC wurde von 54% (n=58) und Methadon von ca.<br />
56% (n=60) der Drogentoten im letzten Vierteljahr vor dem Tod konsumiert, dabei pro-<br />
zentual in stärkerem Maße von Frauen (Tabelle 4-23).<br />
99
100<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Tabelle 4-23: Konsum verschiedener Substanzen in den letzten 3 Monaten<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Heroin 80,4 (86) 80,4 (74) 80,0 (12)<br />
Benzodiazepine 72,0 (77) 70,7 (65) 80,0 (12)<br />
Alkohol 68,2 (73) 69,6 (64) 60,0 (9)<br />
Cannabis 57,0 (61) 58,7 (54) 46,7 (7)<br />
Methadon 56,1 (60) 54,3 (50) 66,7 (10)<br />
Codein/DHC 54,2 (58) 53,3 (49) 60,0 (9)<br />
Kokain 39,3 (42) 39,1 (36) 40,0 (6)<br />
Barbiturate 23,6 (25) 20,9 (19) 40,0 (6)<br />
Amphetamine 22,4 (24) 23,9 (22) 13,3 (2)<br />
Ecstasy 14,0 (15) 15,2 (14) 6,7 (1)<br />
LSD 9,3 (10) 9,8 (9) 6,7 (1)<br />
Schnüffelstoffe 4,7 (5)<br />
Sonstige Substanzen 2,8 (3) 3,3 (3) --<br />
Mischkonsum<br />
Nur bei etwa einem Viertel der Drogentoten (26%, n=28) wurde kein Mischkonsum<br />
angegeben. Ein Mischkonsum von drei und mehr Substanzen trat bei knapp der Hälfte<br />
der Männer (48%) und bei über der Hälfte der Frauen (53%) auf (Tabelle 4-24). Als<br />
häufigste Kombinationen wurden Alkohol, Heroin und/oder Benzodiazepine einge-<br />
nommen.<br />
Tabelle 4-24: Mischkonsum<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Kein Mischkonsum 26,1 (28) 27,2 (25) 20,0 (3)<br />
Zwei Substanzen 25,2 (27) 25,0 (23) 26,7 (4)<br />
Drei Substanzen 23,4 (25) 23,9 (22) 20,0 (3)<br />
Vier Substanzen 13,1 (14) 13,0 (12) 13,3 (2)<br />
Fünf Substanzen und mehr 12,2 (13) 10,9 (10) 20,0 (3)<br />
Einstiegsalter<br />
Cannabis ist die Substanz, die von den meisten Drogentoten bereits sehr früh im Alter<br />
von bis zu 14 Jahren konsumiert wurde (38%, n=10). Nach dem Alter von 17 Jahren<br />
geht die Inzidenz des Erstkonsums deutlich zurück. Der Erstkonsum von Heroin er-<br />
reicht sein Maximum dagegen im Alter zwischen 15 und 17 Jahre, die Inzidenz ist aber<br />
über die Altersgruppen nur langsam rückläufig. Deutlich anders ist der Verlauf des<br />
Erstkonsums von Methadon. Die Inzidenz steigt über die Altersgruppen langsam an<br />
und erreicht ihr Maximum im Alter von 25-29 Jahre. Vor der Erfahrung mit Drogen wird<br />
in der Regel Erfahrung mit Alkohol gemacht. Knapp bei der Hälfte der Verstorbenen
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
wird der Beginn der Alkoholkonsums vor dem 15. Lebensjahr angegeben. Die<br />
durchschnittliche Dauer des Opiatkonsums beträgt 9 Jahre und 4 Monate, bei einer<br />
Spannweite von einem halben Jahr bis zu 29 Jahren (Abbildung 4-5).<br />
Abbildung 4-5: Alter des Beginns des Konsums von Alkohol, Heroin, Cannabis und<br />
Methadon<br />
Drogenbedingte Notfälle<br />
Von 40 Drogentoten (37%) wird bereits mindestens einmal eine Überdosierung berich-<br />
tet. In den letzten 12 Monaten hatten insgesamt 13 Verstorbene (12%) einen Drogen-<br />
notfall. Davon hatten drei den letzten Notfall vor weniger als einer Woche, weitere drei<br />
im Zeitraum von zwei bis vier Wochen vor Drogentod, einer zwischen zwei und sechs<br />
Monaten und sechs zwischen einem halben und einem Jahr vor Drogentod (Tabelle 4-<br />
25).<br />
50%<br />
45%<br />
40%<br />
35%<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
Alkohol<br />
Cannabis<br />
Methadon<br />
Heroin<br />
Bis 14 J. 15-17 J. 18-20 J. 21-24 J. 25-29 J. 30 J. und älter<br />
Von den Todesfällen durch Überdosis hatten 36% (n=32) bereits einen Drogennotfall<br />
gehabt, 14% (n=12) in den letzten 12 Monaten. Von den Suizidfällen hatten 44% (n=7)<br />
bereits einmal einen Notfall gehabt, in einem Fall in den letzten 12 Monaten.<br />
101
102<br />
Tabelle 4-25: Notfälle<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Jemals Überdosis 37,4 (40) 33,7 (31) 60,0 (9)<br />
Überdosis in den letzten 12 Monaten 12,1 (13) 9,8 (9) 26,7 (4)<br />
Letzte Überdosis<br />
Vor weniger als einer Woche (3) (2) (1)<br />
In den letzten 2-4 Wochen (3) (1) (2<br />
In den letzten 2-6 Monaten (1) (1) --<br />
In den letzten 7-12 Monaten (6) (5) (1)<br />
Abstinenzphasen<br />
Unter Abstinenz in den letzten drei Monaten wurden Haftentlassung, Therapieen-<br />
de/Abbruch, Entgiftungsende/Abbruch, oder sonstige bekannte Abstinenzphasen ge-<br />
rechnet. Insgesamt hatten 43% (n=46) in den letzten 3 Monaten zumindest eine kurz-<br />
fristige Abstinenzphase. Von den Personen, die als Todesfälle durch Überdosis klassi-<br />
fiziert waren, hatten 41% Abstinenzphasen, bei den Personen, die durch Suizid ver-<br />
storben sind, waren es 50% (n=8). Umgekehrt wurden von den Personen ohne Absti-<br />
nenzphase 85% als Todesfälle durch Überdosis klassifiziert, von den Personen mit<br />
Abstinenzphasen 78%. Von den Personen mit Abstinenzphasen sind 41% (n=19) am<br />
Wochenende verstorben (zwischen Freitag Mittag und Sonntag Nacht), von den Per-<br />
sonen ohne Abstinenzphasen 34% (n=21). Innerhalb von vier Wochen vor dem Dro-<br />
gentod sind von 22% der Verstorbenen (n=24) Abstinenzphasen bekannt, bis zwei<br />
Wochen vor Drogentod bei 11% (n=12) und innerhalb der letzten Woche bei acht Ver-<br />
storbenen.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
4.3.8 Kontakt zum Drogenhilfesystem<br />
Insgesamt zeigt sich bei den Verstorbenen ein hoher Grad an Kontakt zum Drogenhil-<br />
fesystem. Nur in 25% der Fälle ist davon auszugehen, dass abgesehen von Beratun-<br />
gen durch die Drogenhilfe Einrichtungen des Drogenhilfesystems nie in Anspruch ge-<br />
nommen wurden. Die höchste Lebenszeitrate weisen Entgiftungen (59%) auf, gefolgt<br />
von Substitutionsbehandlungen (49%) und Entwöhnungstherapien (46%). In den letz-<br />
ten 12 Monaten bestand bei 39% kein Kontakt zu einer Behandlungs- oder Nachsor-<br />
geeinrichtung. In den letzten drei Monaten vor dem Drogentod befanden sich 63% der<br />
Verstorbenen in Behandlung, Beratung oder Nachsorge. Eine Substitutionsbehandlung<br />
lag bei 29% vor, Entgiftungen wurden bei 27% durchgeführt und 17% hatten Kontakt<br />
zu einer therapeutischen Einrichtung. Kontakte zu Drogenberatungsstellen wurden bei<br />
22% der Drogentoten berichtet (Tabelle 4-26).<br />
Tabelle 4-26: Inanspruchnahme von Einrichtungen des Drogenhilfesystems<br />
Behandlung/Beratung Lebenszeit letzte 12 Monate letzte 3 M onate<br />
Gesamt 74,8 (80) *) 60,7 (65) *) 62,6 (67)<br />
Entgiftung 58,9 (63) 39,3 (42) 27,1 (29)<br />
ambulant 13,1 (14) 7,5 (8) 3,7 (4)<br />
stationär 57,9 (63) 36,4 (39) 23,4 (25)<br />
Therapie 45,8 (49) 26,2 (28) 16,8 (18)<br />
ambulant 15,0 (16) 9,3 (10) 7,5 (8)<br />
stationär 41,1 (44) 18,7 (20) 9,3 (10)<br />
Substitution 48,6 (52) 37,4 (40) 29,0 (31)<br />
Nachsorge 11,2 (12) 4,7 (5) 3,7 (4)<br />
Drogenberatung -- -- 21,5 (23)<br />
*) Lebenszeit- und 12-Monatsprävalenz gesamt ohne Drogenberatung<br />
Das Muster von Behandlungen und Nachsorge in den letzten 12 Monaten vor Drogen-<br />
tod zeigt auffällig höhere Anteile an Therapien bei Frauen (Tabelle 4-27). Auch nah-<br />
men insgesamt mehr Frauen (67%) als Männer (60%) in den letzten 12 Monaten Be-<br />
handlungen des Drogenhilfesystems in Anspruch.<br />
Frauen hatten nicht nur auf die Lebenszeit bezogen und im letzten Jahr häufiger Kon-<br />
takt zum Drogenhilfesystem, der Anteil von Frauen mit einer Behandlung oder Bera-<br />
tung in den letzten drei Monaten vor dem Drogentod war mit 80% auch deutlich höher<br />
als der Anteil der Männer (60%). Insgesamt bestand bei 63% innerhalb der letzten drei<br />
Monate Kontakt zu Einrichtungen der Drogenhilfe (Tabelle 4-28).<br />
103
104<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Tabelle 4-27: Prävalenz von Behandlungen und Nachsorge in den letzten 12 Monaten<br />
vor Drogentod<br />
Behandlung Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Gesamt 59,8 (55) 66,7 (10)<br />
Entgiftung 39,1 (36) 40,0 (6)<br />
ambulant 7,6 (7) 6,7 (1)<br />
stationär 35,9 (33) 40,0 (6)<br />
Therapie 23,9 (22) 40,0 (6)<br />
ambulant 6,5 (6) 26,7 (4)<br />
stationär 18,5 (17) 20,0 (3)<br />
Substitution 38,0 (35) 33,3 (5)<br />
Nachsorge 4,3 (4) 6,7 (1)<br />
In eine reine Substitutionsbehandlung waren 19% (n=20) eingebunden, 9% (n=10)<br />
unterzogen sich ausschließlich einer Entgiftung, 8% waren nur in Therapie. Mit mehr<br />
als einer Einrichtung hatten 23% (n=25) der Drogentoten in den letzten drei Monaten<br />
Kontakt.<br />
Tabelle 4-28: Kontakte zum Drogenhilfesystem in den letzten 3 Monaten vor dem<br />
Drogentod<br />
Behandlungen Zusätzlich<br />
Drogenberatung<br />
oder Nachsorge<br />
Gesamt (n=107) Männer (n=92) Frauen (n=15)<br />
Keine 37,4 (40) 40,2 (37) 20,0 (3)<br />
Entgiftung (stat./amb.) Drogenberatung (3) 9,3 (10) 10,9 (10) --<br />
Therapie (stat./amb.) Drogenberatung (2) 7,5 (8) 6,5 (6) 13,4 (2)<br />
Entgiftung und Therapie Drogenberatung (2)<br />
Nachsorge (1)<br />
7,5 (8) 4,4 (4) 26,7 (4)<br />
Substitution Drogenberatung (3) 18,7 (20) 18,5 (17) 20,0 (3)<br />
Entgiftung und Substitution Drogenberatung (3) 8,4 (9) 8,7 (8) 6,7 (1)<br />
Entgiftung, Therapie und<br />
Substitution<br />
Drogenberatung und<br />
Nachsorge (1)<br />
1,8 (2) 2,2 (2) --<br />
Nachsorge 0,9 (1) 1,1 (1) --<br />
Drogenberatung 8,4 (9) 7,6 (7) 13,3 (2)<br />
Bezieht man sich nur auf Behandlungen (ohne Drogenberatung), ergeben sich als letz-<br />
te Behandlung in den letzten drei Monaten vor Drogentod bei 26% (n=28) eine Substi-<br />
tutionsbehandlung, in 12% (n=13) der Fälle eine stationäre Entgiftung, bei acht Perso-<br />
nen eine stationäre und bei sechs Personen eine ambulante Therapie. Eine Person<br />
befand sich zuletzt in ambulanter Entgiftung und zwei Personen in einer Nachsorgeein-<br />
richtung. Insgesamt liegen von 74 Drogentoten (69%) Erkenntnisse über die letzte Be-<br />
handlung und deren Zeitpunkt der Beendigung vor. Bei 58 Personen (54%) fand die<br />
letzten Behandlung noch innerhalb von drei Monaten vor Drogentod statt. Bei 16 Per-<br />
sonen liegt die letzte Behandlung länger als 3 Monate zurück (Tabelle 4-29).
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Tabelle 4-29: Letzte Behandlung vor dem Tod<br />
Letzte Behandlung bis 3 Monate 3 bis 6 M onate 7 bis 12 M onate mehr als 12 Monate<br />
Ambulante Entgiftung 0,9 (1) -- -- --<br />
Stationäre Entgiftung 12,1 (13) 0,9 (1) 0,9 (1) 4,7 (5)<br />
Ambulante Therapie 5,6 (6) -- -- --<br />
Stationäre Therapie 7,5 (8) 0,9 (1) 0,9 (1) 2,8 (3)<br />
Substitution 26,2 (28) 1,9 (2) -- 0,9 (1)<br />
Nachsorge 1,9 (2) -- 0,9 (1) --<br />
Wie aus Tabelle 4-30 hervorgeht wurden insgesamt 12 Behandlungen (21%) vor dem<br />
Drogentod regulär beendet, 18 Behandlungen (31%) wurden abgebrochen und in 28<br />
Fällen (48%) verstarb der Klient während der Behandlung.<br />
Tabelle 4-30: Beendigung der letzten Behandlung<br />
Letzte Behandlung (letzte 3 Monate) Regulär Abbruch Verstorben<br />
Entgiftung<br />
Therapie<br />
ambulant -- 100,0 (1) --<br />
stationär 38,5 (5) 53,8 (7) 7,7 (1)<br />
ambulant 16,7 (1) 33,3 (2) 50,0 (3)<br />
stationär 37,5 (3) 37,5 (3) 25,0 (2)<br />
Substitution 7,1 (2) 14,3 (4) 78,6 (22)<br />
Nachsorge 50,0 (1) 50,0 (1) --<br />
Insgesamt 20,7 (12) 31,0 (18) 48,3 (28)<br />
Entgiftung<br />
Von insgesamt 14 Personen (13%) ist bekannt, dass jemals eine ambulante Entgiftung<br />
durchgeführt wurde, bei mehr als der Hälfte der Drogentoten (58%, n=63) liegen Anga-<br />
ben zu stationären Entgiftungen vor (vgl. Tabelle 4-26). Aus Tabelle 4-28 geht die Ver-<br />
teilung der Häufigkeit der Entgiftungen hervor. Von denen, die stationär entgiftet ha-<br />
ben, haben sich 60% bereits drei und mehr Entgiftungen unterzogen.<br />
Tabelle 4-31: Häufigkeit von Entgiftungen (Lebenszeit)<br />
Ambulante Entgiftung (n=14) 71,4 (10) 28,6 (4)<br />
1x 2x 3x 4x >4x<br />
Stationäre Entgiftung (n=62) 25,8 (16) 14,5 (9) 16,1 (10) 11,3 (7) 32,3 (20)<br />
Nach den in den letzten drei Monaten vor Drogentod durchgeführten Entgiftungen wur-<br />
den lediglich vier Personen in stationäre und eine in ambulante Therapie vermittelt.<br />
105
106<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Von der Mehrheit der Entgifteten ist bekannt, dass sie einen Rückfall hatten. In der<br />
überwiegenden Zahl der Fälle (70%) ereignete sich der Rückfall innerhalb der ersten<br />
Woche nach Beendigung der Behandlung (Tabelle 4-32).<br />
Tabelle 4-32: Geschehen nach Entgiftung (letzte 3 Monate)<br />
Gesamt<br />
(n=29)<br />
am gle ichen Tag in der gleichen<br />
Woche<br />
innerhalb<br />
eines Monats<br />
später als<br />
nach einem<br />
Monat<br />
Rückfall 58,6 (17) 11,8 (2) 58,8 (10) 17,6 (3) 11,8 (2)<br />
Therapie stationär 13,8 (4) 75,0 (3) 25,0 (1)<br />
Therapie ambulant 3,4 (1) 100,0 (1)<br />
Sonstiges 10,3 (3)<br />
Unbekannt 13,8 (4)<br />
Zum Zeitpunkt des Drogentodes war lediglich in einem Fall die Entzugsbehandlung<br />
(stationär) nicht abgeschlossen. Acht haben die Therapie abgebrochen und in fünf Fäl-<br />
len wurde die Behandlung regulär beendet (vgl. Tabelle 4-30).<br />
Nicht medikamentengestützter Entzug<br />
Insgesamt 85 (79%) der Drogentoten hatten bereits ein- oder mehrmals einen nicht<br />
medikamentengestützten Entzug durchgeführt, davon 11 (10%) allein in den letzten 12<br />
Monaten vor dem Tod (10 Männer, eine Frau).<br />
Abstinenzorientierte Therapie<br />
Ambulante oder stationäre Therapien mit dem Ziel der dauerhaften Abstinenz sind bei<br />
49 (46%) der Drogentoten bekannt (vgl. Tabelle 4-26). In fünf Fällen wurden bereits<br />
zwei und mehr ambulante und in 24 Fällen zwei und mehr stationäre Therapien durch-<br />
geführt (Tabelle 4-33).<br />
Tabelle 4-33: Häufigkeit von Therapien (Lebenszeit)<br />
1x 2x 3x 4x >4x<br />
Ambulante Therapien (n=16) 68,8 (11) 6,3 (1) 6,3 (1) 6,3 (1) 12,5 (2)<br />
Stationäre Therapien (n=44) 45,5 (20) 36,4 (16) 15,9 (7) 2,3 (1)<br />
Von den Therapien, die als letzte Behandlung vor Drogentod durchgeführt wurden,<br />
sind drei regulär beendet worden. Fünf der Verstorbenen haben die Therapie abgebro-<br />
chen und ebenso viele sind während der Therapie verstorben (vgl. Tabelle 4-30).
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Substitution<br />
Insgesamt liegen von 52 der 107 Drogentoten (49%) Angaben über eine Substitution<br />
vor. Von 15 (29%) Drogentoten sind zwei und mehr Substitutionsbehandlungen be-<br />
kannt (Tabelle 4-34). Von den Substitutionen, die als letzte Behandlung vor dem Tod<br />
angegeben wurden (28 Personen, vgl. Tabelle 4-29), konnte bei einem Viertel (n=7)<br />
festgestellt werden, dass sie nach NUB-Richtlinien erfolgten. Von zwei Personen war<br />
bekannt, dass sie nicht in einer qualifizierten Substitution waren. Bei den übrigen<br />
(n=19) konnte nicht festgestellt werden, ob die Substitution nach NUB erfolgte.<br />
Tabelle 4-34: Häufigkeit von Substitutionen (Lebenszeit)<br />
1x 2x 3x 4x >4x<br />
Substitution (n=52) 71,2 (37) 19,2 (10) 1,9 (1) -- 7,7 (4)<br />
Substitution als letzte Behandlung vor Drogentod wurde bei einem Großteil der Behan-<br />
delten (57%, n=16) von einem niedergelassenen Arzt durchgeführt. Zwei hatten eine<br />
Substitutionsambulanz aufgesucht. Bei zehn lagen keine Angaben vor. Substituiert<br />
wurde bei der letzten Behandlung vor dem Tod hauptsächlich (39% der Fälle) mit Me-<br />
thadon. Nur eine Person erhielt Codein, einer Dihydrocodein und zwei L-Polamidon. In<br />
13 Fällen waren dazu keine Angaben erhältlich. Zusätzlich zum Substitut wurden in<br />
fünf Fällen (18%) sowohl Benzodiazepine, Antidepressiva als auch Schmerzmittel ver-<br />
schrieben. Lediglich in zwei Fällen (7%) wurden nur Benzodiazepine und in einem Fall<br />
(4%) nur Antidepressiva verschrieben. Weitere sieben Fälle (25%) erhielten keine Zu-<br />
satzmedikation und über 13 Personen liegen keine Angaben vor.<br />
In 25% der insgesamt 28 Fälle, die sich in den letzten drei Monaten vor dem Tod als<br />
letzte Behandlung in einer Substitutionsbehandlung befanden, erstreckte sich die letzte<br />
Substitutionsbehandlung auf einen Zeitraum von höchstens einem Vierteljahr. Zwi-<br />
schen einem Viertel- und einem ganzen Jahr waren 21% (n=6) und über ein Jahr 14%<br />
(n=4) in Behandlung (Tabelle 4-35).<br />
Tabelle 4-35: Dauer der letzten Substitution als letzte Behandlung vor Drogentod<br />
Bis 3 Monate 25,0 (7)<br />
3-6 Monate 10,7 (3)<br />
6-12 Monate 10,7 (3)<br />
Mehr als 12 Monate 14,3 (4)<br />
Gesamt (n= 28)<br />
unbekannt 39,3 (11)<br />
107
108<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Die Substitution als letzte Behandlung vor dem Drogentod wurde in zwei Fällen regulär<br />
beendet. In vier Fällen wurde die Behandlung abgebrochen. Während der Behandlung<br />
verstorben sind 22 Klienten (vgl. Tabelle 4-30). Von den Drogentoten, deren letzte Be-<br />
handlung eine Substitution war, war von 15 (54%) bekannt, dass sie auch in psychoso-<br />
zialer Betreuung waren.<br />
In fünf Fällen (von 52 Substituierten) ergibt sich der Verdacht einer Doppel- oder Mehr-<br />
fachsubstitution. Aufgrund der nicht vollständigen Datenlage kann diesem Verdacht<br />
nicht nachgegangen werden und somit ist eine darüber hinausgehende Verifizierung<br />
oder Falsifizierung nicht möglich. Die vorliegenden Daten aus unterschiedlichen Quel-<br />
len, z.B. verschiedenen Substitutionseinrichtungen und/oder von Polizei und Staatsan-<br />
waltschaft, Drogenhilfe oder therapeutischen Einrichtungen können aufgrund ihres ein-<br />
geschränkten und oftmals widersprüchlichen Informationsgehalts nur als Indikator für<br />
den Verdacht auf Doppelsubstitution herangezogen werden.<br />
Drogenberatung<br />
Insgesamt hatten 23 der Verstorbenen in den letzten drei Monaten Kontakt zu Drogen-<br />
beratungsstellen. In neun Fällen war der letzte Kontakt noch innerhalb einer Woche vor<br />
Drogentod (Tabelle 4-36)<br />
Tabelle 4-36: Kontakt bei letzter Drogenberatung vor Drogentod (letzte drei Monate)<br />
Letzter Kontakt 1. Woche 2. Woche 3. Woche 4. Woche 2-3 Monate<br />
Drogenberatung (n=23) 39,1 (9) 17,4 (4) 13,0 (3) 13,0 (3) 17,4 (4)<br />
Behandlung/Beratung in den letzten drei Monaten<br />
Insgesamt waren etwas mehr als die Hälfte aller Verstorbenen (63%, n=67) in den letz-<br />
ten 3 Monaten in einer Behandlung oder Beratung (Drogenberatung, Nachsorge, Sub-<br />
stitution, Therapie, Entgiftung). Von den Personen, die als Todesfälle durch Überdosis<br />
klassifiziert waren, waren 60% (n=53) in Behandlung/Beratung, bei den Personen, die<br />
durch Suizid verstorben sind, waren es 69% (n=11). Umgekehrt wurden von den Per-<br />
sonen ohne Behandlung/Beratung in den letzten drei Monaten 87% als Todesfälle<br />
durch Überdosis klassifiziert, von den Personen mit Behandlung/Beratung 79%.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Von den an Überdosis Verstorbenen hatten in den letzten drei Monaten vor dem Tod<br />
40% (n=35) keinen Kontakt zum Drogenhilfesystem, in 24% (n=21) der Fälle war die<br />
letzte Behandlung eine Substitutionsbehandlung, in 14% (n=12) eine Therapie, in je-<br />
weils 10% (n=9) eine Beratung oder eine Entgiftung. Bei den durch Suizid Verstorbe-<br />
nen waren 31% (n=5) in den letzten drei Monaten in keiner Behandlung, bei 37% (n=6)<br />
war die letzte Behandlung eine Substitution, bei 25% (n=4) eine Entgiftung und bei<br />
einem eine Therapie. Von den Suizid-Fällen war in den letzten drei Monaten keiner in<br />
einer Beratung oder Nachsorge.<br />
Von den Fällen, die keinen Kontakt zum Drogenhilfesystem hatten, starben 88%<br />
(n=35) an Überdosis und 13% (n=5) durch Suizid. Von den Fällen mit einer Beratung<br />
(n=9) oder Nachsorge (n=2) war die Todesursache in allen Fällen eine Überdosis. Von<br />
den Fällen mit Substitution starben 75% an einer Überdosis (n=21), 21% durch Suizid<br />
(n=6) und eine Person an Langzeitfolgen. War die letzte Behandlung eine Therapie,<br />
war die Todesursache in 86% eine Überdosis (n=12), in jeweils einem Fall lag ein Un-<br />
fall oder ein Suizid vor. War eine Entgiftung die letzte Therapie, starben 64% (n=9)<br />
durch Überdosis, 29% (n=4) durch Suizid und eine Person an Langzeitschäden.<br />
Von den Verstorbenen, die in den letzten drei Monaten vor Drogentod in Therapie<br />
(71%) oder Entgiftung (57%) waren, hatten überdurchschnittlich viele zusätzliche psy-<br />
chische Störungen. Von denen, die in Substitution waren, hatte 36% und von denen<br />
ohne Behandlung 29% zusätzlich psychische Störungen. Kritische Lebensereignisse in<br />
den letzten drei Monaten überwogen bei denen in Entgiftung mit 93% gegenüber de-<br />
nen in anderen Behandlungen (Therapie 50%, Substitution 54%).<br />
109
110<br />
4.3.9 Chemisch-toxikologisches Gutachten<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
In den toxikologischen Nachweisen sind sehr selten hohe bzw. latente Drogen-<br />
Blutspiegel vorzufinden. Die meisten Drogentoten standen unter der Wechselwirkung<br />
mehrerer Substanzgruppen, so dass nur wenige an einem akuten Atemstillstand in<br />
Folge der Drogeneinnahme starben. Die überwiegende Mehrheit verstarb nach stun-<br />
denlangem, seltener tagelangem Koma mit Aspiration, Schock- und Hirndruckbefun-<br />
den.<br />
Bei 61% (n=42) der mit chemisch-toxikologischen Analysen untersuchten Fällen mit<br />
akzidentieller Überdosierung (n=69) wurde Morphin nachgewiesen. Methadon wurde in<br />
38% der Fälle festgestellt. Alkohol fand sich bei 62% der Drogentoten und über zwei<br />
Drittel (68%) hatten Benzodiazepine zu sich genommen, wobei der Anteil bei den<br />
Frauen mit 100% wesentlich höher ist als bei den Männern mit 64%. Dihydrocodein<br />
wurde in 22% der Fälle festgestellt (Tabelle 4-37).<br />
Tabelle 4-37: Mit Hilfe chemisch-toxikologischer Analysen festgestellte Substanzen<br />
(bei akzidentieller Überdosierung)<br />
Substanzen Gesamt (n=69) Männer (n=62) Frauen (n=7)<br />
Alkohol 62,3 (43) 66,1 (41) 28,6 (2)<br />
Cannabis 21,7 (15) 21,0 (13) 28,6 (2)<br />
Morphin 60,9 (42) 59,7 (37) 71,4 (5)<br />
Dihydrocodein 21,7 (15) 21,0 (13) 28,6 (2)<br />
Methadon 37,7 (26) 40,3 (25) 14,3 (1)<br />
Kokain 7,2 (5) 8,1 (5) --<br />
Amphetamin 1,4 (1) 1,6 (1) --<br />
Halluzinogene 4,3 (3) 4,8 (3) --<br />
Benzodiazepine 68,1 (47) 64,5 (40) 100,0(7)<br />
Antidepressiva 11,6 (8) 12,9 (8) --<br />
Neuroleptika 5,8 (4) 6,5 (4) --<br />
Analgetika 4,3 (3) 4,8 (3) --<br />
Antiepileptika 5,8 (4) 6,5 (4) --<br />
Abbildung 4-6 zeigt die Kombinationen der Opiate, die bei Fällen mit Überdosierung<br />
nachgewiesen wurden. Ohne Beikonsum der jeweiligen anderen Opiate wurde in 42%<br />
der Fälle Morphin festgestellt, in 6% der Fälle DHC und in 22% Methadon. In 23% der<br />
Fälle wurden zwei Opiate und in einem Fall Morphin, Methadon und DHC nachgewie-<br />
sen.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
In den meisten Fällen ist der Tod auf Mischkonsum verschiedener Substanzgruppen<br />
zurückzuführen. Beikonsum mit Alkohol, Benzodiazepinen und Doxepin konnte insge-<br />
samt bei 88% der Überdosierungen festgestellt werden. 17% hatten zusätzlich zu den<br />
Opiaten nur Alkohol, 25% zusätzlich nur Benzodiazepine, 35% zusätzlich Alkohol und<br />
Benzodiazepine und weitere 12% hatten zusätzlich Doxepin und/oder Alkohol oder<br />
Benzodiazepine eingenommen. Insgesamt finden sich bei nur vier Fällen der an einer<br />
Überdosis Verstorbenen eine reine Morphinintoxikation und in zwei Fällen eine reine<br />
Methadonintoxikation.<br />
unbekannt<br />
5,8%<br />
Morphin/Methadon/DHC<br />
1,4%<br />
Morphin/Methadon<br />
8,7%<br />
Morphin/DHC<br />
8,7%<br />
DHC<br />
5,8%<br />
Methadon/DHC<br />
5,8%<br />
Methadon<br />
21,7%<br />
Abbildung 4-6: Festgestellte Opiate bei Überdosierung<br />
Morphin<br />
Der Konsum von mehreren atemdepressiven Substanzen (Heroin, Methadon, Alkohol,<br />
Benzodiazepine) stellt ein besonders hohes Risiko dar. Drei oder mehr atemdepressive<br />
Substanzen wurden insgesamt bei zwei Drittel der durch eine Überdosis Verstorbenen<br />
nachgewiesen. Bezogen auf Altersgruppen zeigt sich bei den 28-34Jährigen ein be-<br />
sonders hoher Anteil von drei oder mehr atemdepressiven Substanzen (78%), während<br />
der Anteil bei den 15-27Jährigen bei 58% und bei den über 35Jährigen bei 64% liegt.<br />
42,0%<br />
Bei den Frauen ist der Anteil höher (71%) als bei den Männern (66%).<br />
111
112<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Kontakte zum Drogenhilfesystem und nachgewiesene Substanzen<br />
Bezüglich der im Blut der Drogentoten nachgewiesenen Opiate unterscheiden sich die<br />
Verstorbenen, die in den letzten drei Monaten vor Drogentod Kontakt zum Drogenhilfe-<br />
system hatten von denen ohne Kontakt, insbesondere dadurch, dass bei Verstorbenen<br />
ohne Kontakt weniger Methadon, aber in höherem Maße Morphin gefunden wird (Ab-<br />
bildung 4-7 und 4-8). Von den Personen, die in den letzten drei Monaten Kontakt zum<br />
Drogenhilfesystem hatten, wurde bei 29% Morphin in Kombination mit anderen Sub-<br />
stanzen (außer Methadon und/oder DHC) nachgewiesen, bei genau so vielen Metha-<br />
don in Verbindung mit anderen Substanzen (ohne Morphin und/oder DHC). Dem ste-<br />
hen 58% Morphin (außer Methadon und/oder DHC) sowie 13% Methadon (ohne Mor-<br />
phin und/oder DHC) bei denen ohne Kontakt zum Drogenhilfesystem in den letzten 3<br />
Monaten gegenüber. Insgesamt wurden bei je 55% derer mit Kontakt zum Drogenhil-<br />
fesystem in den letzten drei Monaten Methadon bzw. Morphin nachgewiesen, beim<br />
Rest waren es in 68% der Fälle Morphin und in 16% Methadon.<br />
Morphin<br />
28,9%<br />
Methadon/DHC<br />
7,9%<br />
Morphin/DHC<br />
7,9%<br />
Methadon<br />
28,9%<br />
Morphin/Methadon<br />
unbekannt<br />
Abbildung 4-7: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Verstorbenen mit Kontakt zum Drogenhilfesystem (letzte drei Monate<br />
vor Drogentod)<br />
15,8%<br />
Morphin/Methadon/DHC<br />
DHC<br />
7,9%<br />
0,0%<br />
2,6%
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Methadon/DHC<br />
3,2%<br />
Morphin/DHC<br />
9,7%<br />
Morphin<br />
58,1%<br />
Abbildung 4-8: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Verstorbenen ohne Kontakt zum Drogenhilfesystem (letzte drei<br />
Monate vor Drogentod)<br />
Substitution in den letzten drei Monaten vor Drogentod<br />
In Abbildung 4-9 und 4-10 sind die bei den an einer Überdosis Verstorbenen nachge-<br />
wiesenen Opiate und Kombinationen von Opiaten wiedergegeben. Die in den letzten<br />
drei Monaten Substituierten zeigen einen hohen Anteil an Methadon, nur bei 35% wur-<br />
de kein Methadon nachgewiesen. Bei den Personen mit Überdosierung, bei denen in<br />
den letzten drei Monaten vor dem Drogentod keine Substitution bekannt war, wurde in<br />
26% (n=13) der Fälle Methadon nachgewiesen. Erwartungsgemäß wird Morphin bei<br />
weniger Substituierten (47%) als bei den übrigen Überdosierten (66%) festgestellt. Be-<br />
züglich DHC sind die Anteile bei den beiden Gruppen zwar ähnlich (Substituierte: 26%;<br />
übrige Fälle: 20%) (Abbildung 4-9 und 4-10).<br />
unbekannt<br />
12,9% DHC<br />
3,2%<br />
Methadon<br />
12,9%<br />
113
114<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Abbildung 4-9: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Verstorbenen, die sich in den letzten drei Monaten vor Drogentod<br />
in Substitutionsbehandlung befanden.<br />
Morphin<br />
50,0%<br />
Morphin<br />
21,1%<br />
Methadon<br />
42,1%<br />
Methadon<br />
Methadon/DHC<br />
10,5% Morphin/DHC<br />
Abbildung 4-10: Bei Überdosierung nachgewiesene Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Verstorbenen, die sich in den letzten drei Monaten vor Drogentod<br />
nicht in Substitutionsbehandlung befanden.<br />
Während einer Behandlung verstarben ungefähr genauso viele Klienten an einer Über-<br />
dosis (50%) wie an Suizid (45%). Die Suizidrate während einer Substitutionsbehand-<br />
14,0%<br />
10,5%<br />
Methadon/DHC<br />
4,0%<br />
DHC<br />
8,0%<br />
Morphin/Methadon<br />
10,5%<br />
Morphin/Methadon/DHC<br />
5,3%<br />
Morphin/DHC<br />
8,0%<br />
Morphin/Methadon<br />
unbekannt<br />
8,0%<br />
8,0%
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
lung ist dagegen etwas höher als der entsprechende Anteil bei Überdosierungen (Ta-<br />
belle 4-38).<br />
Tabelle 4-38: Beendigung der letzten Behandlung bei Überdosierung und Suizid<br />
Letzte Behandlung Überdosierung Suizid<br />
Regulär Abbruch Verstorben Regulär Abbruch Verstorben<br />
Entgiftung 44,4 (4) 44,4 (4) 11,1(1) 25,0 (1) 75,0 (3)<br />
Therapie 25,0 (3) 33,3 (4) 41,7 (5) 100,0 (1)<br />
Substitution 4,8 (1) 19,0 (4) 76,2 (16) 16;7 (1) -- 83,3 (5)<br />
Nachsorge 50,0 (1) 50,0 (1) -- -- -- --<br />
Gesamt 20,5 (12) 29,5 (13) 50,0 (22) 18,2 (2) 36,4 (4) 45,5 (5)<br />
115
<strong>116</strong><br />
4.3.10 Regionaler Vergleich<br />
Todesart<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Insgesamt wird Überdosis mit 82% als die Haupttodesursache (n=88) für Drogentod<br />
festgestellt; wobei dieser Anteil in München mit 86% geringfügig höher ausfällt. Durch<br />
Suizid kam der höchste Anteil in der Region Augsburg ums Leben (26%, n=6). An<br />
Langzeitfolgen des Drogenkonsums starben zwei Betroffene aus der Region Nürnberg,<br />
der einzige durch einen Unfall unter dem Einfluss von Betäubungsmittel Verstorbene<br />
wurde in München registriert (Tabelle 4-39).<br />
Tabelle 4-39: Todesursache nach Regionen<br />
München (n=62) Nürnberg (n=22) Augsburg (n=23)<br />
Überdosis 85,5 (53) 81,8 (18) 73,9 (17)<br />
Suizid 12,9 (8) 9,1 (2) 26,1 (6)<br />
Langzeitfolgen -- 9,1 (2) --<br />
Unfall unter Btm Einfluss 1,6 (1) -- --<br />
Vergleicht man die Verteilung des Todesalters der durch Überdosierung Verstorbenen<br />
nach Region, ergeben sich deutliche Unterschiede. Während in Augsburg das Maxi-<br />
mum der Überdosierungen mit 47% in der Altersgruppe der 15-27jährigen liegt, starben<br />
50% der Fälle in Nürnberg mit 28 bis 34 Jahren, nur 3 Drogentote waren dort 27 Jahre<br />
oder jünger. In München verteilen sich die Überdosierungen zu je einem Drittel gleich-<br />
mäßig auf die Altersklassen (Abbildung 4-11).<br />
60,0%<br />
50,0%<br />
40,0%<br />
30,0%<br />
20,0%<br />
10,0%<br />
0,0%<br />
Augsburg München Nürnberg<br />
15-27 Jahre 28-34 Jahre 35-51 Jahre<br />
Abbildung 4-11: Verteilung des Todesalters von Überdosierungen nach Regionen
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Die Anteil von Frauen, die an einer Überdosis verstorben sind, unterscheiden sich nur<br />
geringfügig zwischen den Regionen. Der durchschnittliche Anteil liegt bei 12% (Augs-<br />
burg 11% und Nürnberg 13%). Während sich die Suizidfälle in Augsburg (n=6) gleich-<br />
mäßig über die drei Altersgruppen verteilen, waren in München vier von acht der durch<br />
Suizid verstorbenen jünger als 27 Jahre, die anderen vier Fälle waren älter als 34 Jah-<br />
re. In Nürnberg wurden nur zwei Suizide festgestellt. Der Anteil von Frauen an den<br />
Suiziden ist in München (n=3) höher als in Augsburg (n=1), die beiden Suizidfälle in<br />
Nürnberg waren männlich.<br />
Abbildung 4-12 zeigt die kumulative Inzidenz der Drogentodesfälle nach Region. Die<br />
jahreszeitlichen Verläufe unterscheiden sich insbesondere zwischen Nürnberg und<br />
Augsburg. Während ca. 20% der Augsburger Drogentoten in den Monaten Mai bis Juli<br />
starben, waren es in den anderen beiden Städten jeweils ca. 10%. In Nürnberg wurden<br />
in den ersten drei Monaten des Jahres bereits 40% der Drogentoten registriert. Dem<br />
stehen 25% in München und Augsburg gegenüber.<br />
%<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Jan<br />
Feb<br />
Mar<br />
Abbildung 4-12: Kumulative monatliche Verteilung der Drogentodesfälle nach Region<br />
Nachgewiesene Substanzen<br />
Augsburg München Nürnberg<br />
Apr<br />
Mai<br />
Jun<br />
Chemisch-toxikologische Untersuchungen sowie Obduktionen wurden in Nürnberg<br />
wesentlich seltener durchgeführt als im Raum München und Augsburg, wo in über 90%<br />
Jul<br />
Monat<br />
Aug<br />
Sep<br />
Okt<br />
Nov<br />
Dez<br />
117
118<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
der Fälle eine Obduktion und/oder eine chemisch-toxikologische Analyse durchgeführt<br />
wurde (Tabelle 4-40).<br />
Tabelle 4-40: Nachweismethode<br />
München (n=62) Nürnberg (n=22) Augsburg (n=23)<br />
Toxikologisches Gutachten 91,3 (56) 27,3 (6) 91,3 (21)<br />
Obduktion 90,3 (56) 59,1 (13)) 95,7 (22)<br />
Schnelltest 79,0 (49) 31,8 (7) 52,2 (12)<br />
Sonstiger Nachweis -- 40,9 (9) 4,3 (1)<br />
Aufgrund der geringen Anzahl von chemisch-toxikologischen Analysen im Nürnberger<br />
Raum lässt sich ein regionaler Vergleich nur zwischen München und Augsburg vor-<br />
nehmen. Bezüglich der nach Überdosierung nachgewiesenen Substanzen unterschei-<br />
den sich die beiden Städte insbesondere hinsichtlich Opiaten. Während in Augsburg<br />
bei den an einer Überdosis Verstorbenen häufiger Morphin und DHC festgestellt wur-<br />
de, werden in München häufiger Fälle mit Methadon vorgefunden (Tabelle 4-41).<br />
Tabelle 4-41: Bei akzidentieller Überdosierung durch quantitative Verfahren nachgewiesene<br />
Substanzen nach Region<br />
Substanzen Augsburg (n=16) München (n=48)<br />
Alkohol 50,0 (8) 68,8 (33)<br />
Cannabis 37,5 (6) 14,6 (7)<br />
Morphin 75,0 (12) 58,3 (28)<br />
Dihydrocodein 37,5 (6) 14,6 (7)<br />
Methadon 25,0 (4) 39,6 (19)<br />
Kokain 6,3 (1) 8,3 (4)<br />
Amphetamin 6,3 (1) --<br />
Halluzinogene 6,3 (1) 4,2 (2)<br />
Benzodiazepine 68,8 (11) 66,7 (32)<br />
Antidepressiva 18,8 (3) 8,3 (4)<br />
Neuroleptika 6,3 (1) 6,3 (3)<br />
Analgetika -- 6,3 (3)<br />
Antiepileptika 6,7 (1) 4,3 (2)
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Vergleicht man den Anteil der im Körper nachgewiesenen Opiate der an einer Über-<br />
dosis Verstorbenen in Augsburg und München, fällt auf, dass in Augsburg der Anteil<br />
von Morphin mit 75% (darunter 44% nur Morphin) im Vergleich zu München mit 59%<br />
(darunter 44% nur Morphin) deutlich höher liegt. In München starben hingegen ein Drit-<br />
tel der Überdosierten rein an einem oder einer Kombination von Substitutionsmitteln, in<br />
Augsburg hingegen nur ein Viertel (Abbildung 4-13 und 4-14).<br />
Abbildung 4-13: Verteilung der nachgewiesenen Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Überdosierung in Augsburg<br />
Morphin<br />
43,7%<br />
Morphin<br />
43,7%<br />
Methadon<br />
6,3%<br />
Methadon<br />
27,0%<br />
Methadon/DHC<br />
unbekannt<br />
Abbildung 4-14: Verteilung der nachgewiesenen Opiate (Morphin, DHC, Methadon)<br />
bei Überdosierung in München<br />
DHC<br />
12,5%<br />
4,2%<br />
DHC<br />
2,1%<br />
Methadon/DHC<br />
6,3%<br />
Morphin/DHC<br />
6,3%<br />
Morphin/Methadon<br />
8,3%<br />
6,3%<br />
Morphin/Methadon/DHC<br />
Morphin/DHC<br />
18,8%<br />
2,1%<br />
Morphin/Methadon<br />
12,5%<br />
Morphin/Methadon/DHC<br />
0,0%<br />
119
120<br />
Kontakt zum Drogenhilfesystem<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Die Prävalenzen der Inanspruchnahme von Einrichtungen der Drogenhilfe durch die<br />
Verstorbenen in den letzten 12 Monaten vor Drogentod unterscheiden sich nur gering-<br />
fügig und sollten aufgrund der geringen Fallzahlen nicht überinterpretiert werden (Ta-<br />
belle 4-42).<br />
Tabelle 4-42: Prävalenz von Behandlungen und Nachsorge in den letzten 12 Monaten<br />
vor Drogentod nach Region<br />
Behandlungen München (n=62) Nürnberg (n=22) Augsburg (n=23)<br />
Gesamt 61,3 (38) 54,5 (12) 65,2 (15)<br />
Entgiftung 37,1 (23) 36,4 (8) 47,8 (11)<br />
ambulant 6,5 (4) 9,1 (2) 8,7 (2)<br />
stationär 33,9 (21) 36,4 (8) 43,5 (10)<br />
Therapie 24,2 (15) 22,7 (5) 34,8 (8)<br />
ambulant 6,5 (4) 18,2 (4) 8,7 (2)<br />
stationär 17,7 (11) 13,6 (3) 26,1 (6)<br />
Substitution 38,7 (24) 36,4 (8) 34,8 (8)<br />
Nachsorge 4,8 (3) 9,1 (2) --<br />
Hinsichtlich der Kontakte in den letzten drei Monaten vor dem Drogentod zeigt sich,<br />
dass in Nürnberg mit 77% deutlich mehr Personen vom Hilfesystem erreicht wurden<br />
als in München oder Augsburg (58% bzw. 61%, Tabelle 4-43). In Nürnberg hatten<br />
deutlich mehr Personen Kontakt zu Einrichtungen der Drogenberatungsstelle (z.B.<br />
Kontaktladen). Hatten in München nur 13% (n=8) und in Augsburg 26% (n=6) in den<br />
letzten drei Monaten vor Drogentod Kontakt zu einer Drogenberatungsstelle, waren<br />
dies in Nürnberg 41% (n=9).<br />
Tabelle 4-43: Kontakte zum Drogenhilfesystem in den in den letzten 3 Monaten vor<br />
dem Drogentod nach Region<br />
Behandlungen München (n=62) Nürnberg (n=22) Augsburg (n=23)<br />
Keine 41,9 (26) 22,7 (5) 39,1 (9)<br />
Entgiftung (stat./amb.) 8,1 (5) D (1) 9,1 (2) 13,0 (3) D (2)<br />
Therapie (stat./amb.) 8,1 (5) D (1) 4,5 (1) N (1) 8,7 (2) D (1)<br />
Entgiftung und Therapie 4,8 (3) N (1) 9,1 (2) D (1) 13,0 (3) D (1)<br />
Substitution 19,4 (12) D (1) 22,7 (5) D (2) 13,0 (3)<br />
Entgiftung und Substitution 8,1 (5) D (1) 4,5 (1) 13,0 (3) D (2)<br />
Entgiftung, Therapie und Substitution 1,6 (1) 4,5 (1) DN (1) -- --<br />
Nachsorge 1,6 (1) -- -- -- --<br />
Drogenberatung 6,5 (4) 22,7 (5) -- --<br />
Unter dem Vorbehalt kleiner Fallzahlen läßt sich lediglich eine höherer Anteil von Ent-<br />
giftungen als letzte Behandlung vor Drogentod in Augsburg, ein geringerer Anteil von
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Therapie, aber ein höherer Anteil von Substitution in Nürnberg feststellen. Insgesamt<br />
befand sich in Augsburg ein geringfügig niedrigerer Anteil in den letzten drei Monaten<br />
vor Drogentod in einer Behandlung (Tabelle 4-44).<br />
Tabelle 4-44: Letzte Behandlung in den letzten drei Monaten vor dem Tod nach Region<br />
Behandlungen München (n=62) Nürnberg (n=22) Augsburg (n=23)<br />
keine 51,6 (32) 54,5 (12) 60,9 (14)<br />
Entgiftung 11,3 (7) 13,6 (3) 17,4 (4)<br />
Therapie 12,9 (8) 4,5 (1) 21,7 (5)<br />
Substitution 25,8 (16) 31,8 (7) 21,7 (5)<br />
Nachsorge 1,6 (1) 4,5 (1) --<br />
121
122<br />
4.4 Zusammenfassung<br />
Zielsetzung<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
1999 sind in Bayern insgesamt 268 Personen im Zusammenhang mit Drogenkonsum<br />
verstorben. In dieser Teilstudie sollten alle über die Drogentodesfälle in 1999 bekann-<br />
ten Informationen aus dem Drogenhilfesystem, den Polizeiakten und dem sozialen<br />
Umfeld zusammengetragen und auf das Vorliegen bestimmter, aus der empirischen<br />
Literatur als relevant bekannter Risikofaktoren untersucht werden. Es wurden die Be-<br />
reiche soziodemographischer Hintergrund, Faktoren des Konsums und der Konsum-<br />
vorgeschichte, Todesumstände, Ergebnisse der chemisch-toxikologischen Analysen<br />
und die Behandlungsvorgeschichte erfragt. Es existiert unseres Wissens keine jüngere<br />
Studie in Deutschland, die zeitnahe und umfassende Informationen über eine große<br />
Gruppe von Drogentodesfällen aus verschiedenen Quellen erhoben hat.<br />
Methodische Anmerkungen<br />
Eine Aussage über Risikofaktoren würde erfordern, dass eine Vergleichsgruppe von<br />
Drogenkonsumenten herangezogen wird, die nicht infolge des Drogenkonsums ver-<br />
storben ist, so dass Unterschiede zwischen den beiden Gruppen untersucht werden<br />
können. Da dies nicht möglich war, sind sämtliche Aussagen rein deskriptiv zu verste-<br />
hen. Es sollte versucht werden, in einer weiteren Untersuchung einen solchen Ver-<br />
gleich vorzunehmen. Bei allen Aussagen zu Geschlechterunterschieden muss berück-<br />
sichtigt werden, dass die Gruppe der Frauen mit n=15 sehr klein ist.<br />
Obwohl bei den Angaben der verschiedenen Einrichtungen des Drogenhilfesystems<br />
eine hohe Erreichbarkeit erzielt werden konnte, stehen nicht immer alle gewünschten<br />
Informationen über alle Verstorbenen vollständig zur Verfügung. So liegen über dieje-<br />
nigen Verstorbenen, die keinen Kontakt zum Drogenhilfesystem hatten, nur die Infor-<br />
mationen aus den polizeilichen Ermittlungen vor. Die angegebenen Prävalenzwerte,<br />
z.B. psychische Störungen oder kritische Lebensereignisse in den letzten drei Monaten<br />
vor Drogentod, sind daher als untere Grenzwerte anzusehen.<br />
Soziodemographische Variablen<br />
Der „durchschnittliche Drogentote“ in der vorliegenden Studie war männlich, 31 Jahre<br />
alt, konsumierte seit 9 Jahren Opiate, war ledig, lebte alleine in seiner eigenen Woh-<br />
nung und hatte die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hatte Hauptschulabschluss und
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
war vor seinem Tod arbeitslos. Seinen Lebensunterhalt hat er durch Sozialhilfe bestrit-<br />
ten. Unsere Ergebnisse decken sich hier mit Erkenntnissen anderer Studien.<br />
Die Daten geben keine Hinweise auf eine Häufung von sog. Broken-home-<br />
Erfahrungen: Die meisten der Verstorbenen sind bei beiden Eltern aufgewachsen, ein<br />
Fünftel bei einem Elternteil und nur 8% im Heim oder mit mehrfachem Betreuungs-<br />
wechsel. Allerdings fand sich ein sehr hoher Anteil von Personen (15%) mit einer Ab-<br />
hängigkeitserkrankung bei wenigstens einem Elternteil.<br />
Todesumstände und Todesursachen<br />
Es lässt sich kein jahreszeitlicher Trend feststellen. In Bezug auf die Wochentage<br />
scheint ein leicht erhöhtes Risiko am Donnerstag und am Wochenende zu bestehen,<br />
an denen prozentual mehr Personen verstorben sind. Die meisten Todesfälle ereignen<br />
sich tagsüber. Nur ein knappes Viertel der Todesfälle ereignete sich im öffentlichen<br />
Raum, die überwiegende Mehrzahl im Privatbereich.<br />
Bei über 80% der Fälle handelte es sich um Tod durch unbeabsichtigte Überdosis. In<br />
15% wurden sichere Hinweise auf Suizid gefunden, davon die Hälfte durch beabsich-<br />
tigte Überdosierung, die Hälfte durch andere Todesarten. Dabei war der Anteil an Sui-<br />
ziden bei den Frauen mit über einem Viertel deutlich höher als bei den Männern.<br />
Krankheiten und körperliche Spätfolgen spielten kaum eine Rolle (bei 2%, n=2), eben-<br />
so wie Tod durch Unfall (1%, n=1). Einschränkend ist hierzu anzumerken, dass die<br />
Anteile von Suizid und Langzeitschäden wahrscheinlich eher untererfasst werden.<br />
Psychosoziale Situation vor dem Tod<br />
Es fanden sich keine Hinweise auf eine Häufung sozialer Isolation; die Mehrzahl der<br />
Verstorbenen war sozial soweit integriert, dass sie entweder mit einer anderen Person<br />
zusammenlebte oder noch in der Woche vor dem Tod Kontakt zu anderen Personen<br />
hatte. Auffallend war, dass bei einem Großteil der Verstorbenen in den drei Monaten<br />
vor dem Tod ein oder mehrere kritische Lebensereignisse beobachtet wurden; insge-<br />
samt fand in fast der Hälfte der Fälle eine Veränderung der Lebenssituation statt. Am<br />
häufigsten war dies ein Rückfall, aber auch eine bevorstehende Haft, Entgiftung oder<br />
Therapie, Entlassung aus der JVA oder ein Wohnungswechsel. Immerhin sechs Per-<br />
sonen hatten in den letzten drei Monaten einen Angehörigen, Freund oder Lebenspart-<br />
ner durch Tod verloren. Bezieht man die Häufigkeit kritischen Lebensereignissen auf<br />
123
124<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
den Personenkreis, der dem Drogenhilfesystem in den letzten drei Monaten vor Dro-<br />
gentod bekannt war, zeigt sich, dass in 63% der Fälle davon auszugehen ist, dass<br />
mindestens ein kritisches Ereignis stattgefunden hat.<br />
Auffällig ist weiterhin der hohe Anteil an Personen, die einen oder mehrere Suizidver-<br />
suche in der Vergangenheit aufwies; dies traf auf knapp ein Viertel der Männer und fast<br />
die Hälfte der Frauen zu. Auch der Anteil an Personen, die an psychischen Störungen<br />
litt, ist groß: bei über einem Drittel, bei den Frauen sogar über der Hälfte, lag mindes-<br />
tens eine psychische Störung vor, in den meisten Fällen eine depressive Erkrankung.<br />
Nur 15% der Verstorbenen waren jedoch wegen psychischer Störungen in Behandlung<br />
gewesen. Bezieht man die Häufigkeit psychischer Störungen nur auf die Personen mit<br />
Kontakt zum Drogenhilfesystem im letzten Jahr, ergibt sich ein Anteil von 44%, bei<br />
denen zusätzlich zur Drogenabhängigkeit eine oder mehrerer psychische Störungen<br />
bekannt sind.<br />
Über ein Drittel der Verstorbenen hatte bereits mindestens einen Drogennotfall erlebt;<br />
von den Frauen waren es sogar 60%. Bei mehr als 10% aller Drogentoten lag der letz-<br />
te Notfall weniger als ein Jahr zurück, bei den weiblichen Drogentoten sogar bei über<br />
einem Viertel.<br />
Konsumvorgeschichte<br />
Bei drei Viertel aller Drogentoten wurde ein Mischkonsum von mindestens zwei Sub-<br />
stanzen angegeben, die Hälfte konsumierte sogar drei oder mehr Substanzen gleich-<br />
zeitig. Das Einstiegsalter lag für Cannabis in über einem Drittel der Fälle bereits vor<br />
dem 14. Lebensjahr. Heroin wurde von den meisten erstmals im Alter von 15-17 Jah-<br />
ren konsumiert, Methadon im Alter von 25-30 Jahren. Im Durchschnitt betrug die Dauer<br />
des Opiatkonsums etwas über 9 Jahre, mit einer Spanne von einem halben Jahr bis 29<br />
Jahre. Bei der Mehrzahl der Fälle handelt es sich demnach, wie auch das relativ hohe<br />
Durchschnittsalter zeigt, nicht um „Anfänger“, sondern um Personen, die bereits seit<br />
mehreren Jahren regelmäßig Opiate konsumierten.<br />
Bei einem großen Teil der Verstorbenen waren Abstinenzphasen wie Haft, Entgiftung<br />
oder Therapie in der Zeit vor dem Tod bekannt. Knapp die Hälfte hatte mindestens<br />
eine kurze Abstinenzphase in den letzten drei Monaten, ein knappes Viertel im letzten<br />
Monat und immerhin 8 Personen (8%) in der letzten Woche vor ihrem Tod.
Analyse der Drogentodesfälle 1999<br />
Kontakt zum Drogenhilfesystem<br />
Über drei Viertel der Verstorbenen waren dem Drogenhilfesystem bekannt, fast alle<br />
davon hatten auch im letzten Jahr vor dem Tod Kontakt zu mindestens einer Einrich-<br />
tung, knapp zwei Drittel noch in den letzten 3 Monaten vor dem Tod. Mit mehr als einer<br />
Einrichtung hatte nur etwa ein Viertel der Verstorbenen innerhalb der letzten drei Mo-<br />
nate Kontakt. Über ein Viertel (28 Personen) befanden sich zum Zeitpunkt des Todes<br />
in einer Behandlung, in den meisten Fällen in einer Substitutionsbehandlung. Mehr<br />
Frauen als Männer hatten Kontakt zum Drogenhilfesystem, sowohl auf die Lebenszeit<br />
bezogen als auch in den letzten 12 bzw. 3 Monaten vor dem Tod.<br />
Die häufigste Behandlung war eine Entgiftung, der sich über die Hälfte irgendwann<br />
einmal unterzogen hatten, über ein Viertel in den letzten drei Monaten vor dem Tod.<br />
Von diesen Personen hatten etwa 40% einen Rückfall innerhalb der ersten Woche<br />
nach Entlassung. Eine Weitervermittlung in eine Therapie fand nur in wenigen Fällen<br />
statt. Am zweithäufigsten hatten die Verstorbenen eine Substitutionsbehandlung<br />
durchgeführt, knapp die Hälfte jemals in ihrem Leben, über ein Drittel im letzten Jahr<br />
und ein knappes Drittel in den letzten drei Monaten. Die Mehrzahl der Substitutionsbe-<br />
handlungen wurde bei einem niedergelassenen Arzt durchgeführt, in den meisten Fäl-<br />
len mit Methadon. Benzodiazepine, Antidepressiva oder Schmerzmittel wurden jeweils<br />
bei einem Viertel der Fälle als Zusatzmedikation verschrieben. Knapp die Hälfte aller<br />
Verstorbenen hatte bereits mindestens eine ambulante oder stationäre Therapie hinter<br />
sich, über ein Viertel zwei oder mehr.<br />
Chemisch-Toxikologisches Gutachten<br />
Die Angaben zu den nachgewiesenen Substanzkombinationen beziehen sich auf eine<br />
Untergruppe von 69 Personen, bei denen eine chemisch-toxikologische Untersuchung<br />
vorlag und bei denen akzidentielle Überdosierung als Todesursache angegeben wur-<br />
de. Die am häufigsten nachgewiesenen Substanzen waren (in dieser Reihenfolge)<br />
Benzodiazepine, Alkohol und Heroin, die jeweils in ca. 2/3 aller Fälle konsumiert wur-<br />
den. Methadon wurde bei 38% nachgewiesen. In immerhin 26% aller Fälle wurde Me-<br />
thadon nachgewiesen, obwohl keine Substitution in den letzten drei Monaten bekannt<br />
war, was darauf hinweist, dass ein beträchtlicher Anteil an Methadon über den<br />
Schwarzmarkt kommt. Das gleiche gilt sicherlich für DHC, da nach der Änderung der<br />
10. BtMÄndV ein solch hoher Anteil an DHC-Konsumenten mit einer „legalen“ Substitu-<br />
tion kaum zu erwarten war. Offensichtlich besorgen sich die meisten Konsumenten<br />
125
126<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
zusätzlich DHC auf dem Schwarzmarkt bzw. ein Teil der Substituierten wurde noch<br />
nicht von DHC auf andere Drogenersatzstoffe umgestellt.<br />
In den meisten Fällen ist der Tod auf Mischkonsum verschiedener Substanzgruppen<br />
zurückzuführen. Beikonsum mit Alkohol, Benzodiazepinen und Doxepin konnte insge-<br />
samt bei 88% der Überdosierungen festgestellt werden. Bei über zwei Drittel aller Ver-<br />
storbenen wurde der besonders risikoreiche Konsum von gleichzeitig drei oder mehr<br />
atemdepressiven Substanzgruppen (Opiate, Alkohol, Benzodiazepine) festgestellt.<br />
Ein Vergleich zwischen Männern und Frauen ist nur schwer möglich, weil sich in dieser<br />
Untergruppe nur sieben Frauen befanden. Auffällig ist jedoch, dass alle Frauen Benzo-<br />
diazepine konsumiert hatten. Bei fünf Frauen wurde Heroin und bei einer DHC und bei<br />
einer Methadon.<br />
Regionaler Vergleich<br />
In allen drei Regionen steht als Todesursache Überdosis an erster Stelle; der Anteil an<br />
Todesfällen durch Suizid ist in Augsburg höher als in München oder Nürnberg. In<br />
Augsburg ist auch der Anteil an jüngeren Drogentoten höher. Besondere Geschlech-<br />
terunterschiede zeigten sich nicht. Bezüglich der konsumierten Substanzen kann für<br />
Nürnberg keine zuverlässige Aussage getroffen werden, da nur in etwas mehr als ei-<br />
nem Viertel der Fälle ein chemisch-toxikologisches Gutachten vorlag, während dies in<br />
München und Augsburg bei über 90% der Fall war. In Augsburg wurden deutlich häufi-<br />
ger Morphin und DHC sowie Antidepressiva nachgewiesen als in München, umgekehrt<br />
war in München der Anteil von Methadon und Alkohol höher. In München starben mehr<br />
Personen an einem oder einer Kombination von Substitutionsmitteln. Bezüglich der<br />
Kontakte zum Drogenhilfesystem zeigte sich, dass in Nürnberg deutlich mehr Perso-<br />
nen als in Augsburg oder München vom Hilfesystem erreicht werden konnten.
Diskussion<br />
5 Diskussion<br />
Die vorliegende Untersuchung gibt einen epidemiologischen Überblick über die Ent-<br />
wicklung der Drogentodeszahlen in ausgewählten Städten und Regionen in Bayern<br />
sowie in den vergleichbaren Flächenstaaten Baden-Württemberg und Nordrhein-<br />
Westfalen über einen Zeitraum von 10 Jahren (1988-1998), vergleicht die Charakteris-<br />
tika der bayerischen Drogentodesfälle im Jahr 1994 mit denen der 1998 an Drogen<br />
Verstorbenen, und beschreibt schließlich die gesundheitliche, psychosoziale und the-<br />
rapeutische Situation der Drogentoten des Jahres 1999 in München, Nürnberg und<br />
Augsburg. Im folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der drei Teilstudien noch<br />
einmal kurz dargestellt und anschließend Erklärungsansätze für den Anstieg der Dro-<br />
gentodesfälle in Bayern auf der Basis dieser Ergebnisse diskutiert.<br />
Insgesamt zeigen sich zwischen den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und<br />
Nordrhein-Westfalen in der Entwicklung der Drogentodeszahlen nur geringfügige Un-<br />
terschiede. Übereinstimmend ist die Zahl der Drogentoten zwischen 1988 und 1992 in<br />
allen Bundesländen deutlich angestiegen. Nach dem bundesdeutschen Maximum von<br />
über 2100 Drogentoten im Jahre 1991 (2,6 pro 100.000 Einwohner) schwankt die Dro-<br />
gentodeszahl um 1600 Fälle pro Jahr (2,1 pro 100.000). Im Vergleich zum Bundes-<br />
durchschnitt hat sich der Verlauf der Drogentodeszahlen in Bayern etwas anders ent-<br />
wickelt. Nach einem Anstieg der Belastungszahl pro 100.000 Einwohner von 0,5 auf<br />
2,0 zwischen 1988 und 1993 pendelte sich der Belastungsindex auf dem Niveau von<br />
2,0 Drogentoten pro 100.000 Einwohner ein, stieg aber 1998 um 44% auf 2,6 und da-<br />
mit über den Bundesdurchschnitt.<br />
Bezüglich des Alters der Drogentoten lassen sich zwei Tendenzen ausmachen: die<br />
Drogentoten sind in Bayern im Vergleich zum Bundesdurchschnitt jünger, wobei die<br />
Drogentoten über die Jahre in allen Bundesländern im Durchschnitt älter werden. Die<br />
auffälligsten Unterschiede sind auf der Ebene der Regierungsbezirke und der Städte<br />
zu beobachten. Deutlich unterschiedliche Belastungszahlen in den Regierungsbezirken<br />
Oberbayern, Schwaben, Niederbayern-Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken und Un-<br />
terfranken sind zu allen Zeitpunkten zwischen 1988 und 1998 zu beobachten, wobei in<br />
jüngster Zeit bei einer generellen Zunahme zwischen 1997 und 1998 der Anstieg im<br />
Regierungsbezirk Schwaben am höchsten ausfiel. Dem Anstieg in Augsburg zwischen<br />
1997 und 1998 von 5,0 auf 11,5 Drogentote pro 100.000 Einwohner (Augsburg Stadt)<br />
folgte 1999 ein Rückgang auf 8,7 Drogentote pro 100.000 Einwohner, im Jahr 2000<br />
waren es jedoch 10,9 Drogentote pro 100.000 Einwohner (Augsburg Stadt). Eine ähnli-<br />
127
128<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
che Entwicklung wie in Augsburg zwischen 1997 und 1998 zeichnet sich nach Halbjah-<br />
resvergleichen zwischen 1999 und 2000 in München ab. Hier hat sich die Absolutzahl<br />
der Drogentoten im Vergleich zum 1. Halbjahr des Vorjahres bereits verdoppelt. Ein<br />
Trendwende der generellen Zunahme der Drogentodeszahlen in Bayern scheint somit<br />
nicht in Sicht.<br />
Unterschiede in der Charakteristik der bayerischen Drogentoten von 1994 und 1998<br />
zeigen sich insbesondere auf der stofflichen Seite. Hier sind deutliche Verschiebungen<br />
in den Anteilen der im Serum von Drogentoten nachgewiesenen Substanzen zu beo-<br />
bachten. Insgesamt zeigt sich eine Zunahme des Beikonsums von Alkohol und Benzo-<br />
diazepinen. Erwartungsgemäß ist im Zuge der Ausweitung von Substitutionsbehand-<br />
lungen der Anteil der Fälle, in denen Methadon nachgewiesen wurde, gestiegen. Keine<br />
Änderungen ergaben sich in Bezug auf DHC. Auffällig ist der gegenüber 1994 gestie-<br />
gene Anteil der festgestellten Mischintoxikationen.<br />
Ziel der Zusammenführung der polizeilichen Daten der 1999 verstorbenen Drogenkon-<br />
sumenten mit den Informationen aus dem Drogenhilfesystem ist es, Einblick in die psy-<br />
chosoziale und therapeutische Situation der Patienten/Klienten vor dem Drogentod zu<br />
erhalten. Es finden sich bei den untersuchten Verstorbenen keine Hinweise auf eine<br />
Häufung sogenannter broken-home Erfahrungen oder auf soziale Isolation. Jedoch ist<br />
bei einem sehr hohen Anteil eine familiäre Vorbelastung durch Abhängigkeitserkran-<br />
kungen oder andere psychische Erkrankungen der Eltern zu verzeichnen. Auffällig ist<br />
weiterhin der hohe Anteil an Personen mit suizidaler Vorbelastung sowie psychischen<br />
Störungen. Die Kontakte der Verstorbenen zum Hilfesystem waren vielfältig: knapp<br />
60% waren jemals in einer Entgiftungsbehandlung, 46% waren jemals in Therapie und<br />
von knapp der Hälfte wird angegeben, jemals mit einer Substitutionsbehandlung be-<br />
gonnen zu haben. In den letzten drei Monaten vor dem Tod befanden sich insgesamt<br />
etwas mehr als die Hälfte der Verstorbenen in einer Behandlung, davon waren 48% in<br />
Substitution, 24% in Therapie, 24% in Entgiftung, und 2% in einer Nachsorgeeinrich-<br />
tung.<br />
Die zunehmende Drogentodesrate in Bayern sind unter verschiedenen Gesichtspunk-<br />
ten zu diskutieren.<br />
Epidemiologie. Die Drogentodesrate zwischen den untersuchten bayerischen Groß-<br />
städten ist deutlichen Schwankungen unterworfen. Ein Erklärungsansatz für diese<br />
Schwankungen könnte in strukturellen regionalen Unterschieden des Drogenhilfesys-
Diskussion<br />
tems liegen. Jedoch lassen sich innerhalb der einzelnen Regionen die mitunter starken<br />
Schwankungen wie z.B. in Augsburg zwischen 1997 und 1999 damit nicht erklären, da<br />
im Hilfesystem keine entsprechenden dramatischen Veränderungen zu beobachten<br />
waren, die eine Verdoppelung der Drogentodesrate bzw. deutliche Rückgänge inner-<br />
halb von zwei Jahren verständlich erscheinen lassen würde. Regionale Unterschiede in<br />
den Strukturen der Drogenhilfe müssten in ihrer Auswirkung auf die Drogentodesrate<br />
sichtbar werden. Dies lässt sich anhand der vorliegenden Daten ausschließen, da sich<br />
in keiner Region ein singulärer Trend beobachten lässt, der auf ein effizientes Drogen-<br />
hilfemodell im Sinne einer Reduzierung bzw. Vermeidung von Drogentod hinweisen<br />
würde. Eine eingehendere Klärung der Frage, inwieweit sich regionale Unterschiede in<br />
der Entwicklung der Drogentodeszahlen auf regionale Unterschiede im Drogenhilfesys-<br />
tem zurückführen lassen, erforderte eine gezielte Untersuchung der Versorgungs-<br />
Struktur der jeweiligen Region, was im Rahmen der vorliegenden Studie nicht möglich<br />
war.<br />
Aus epidemiologischer Sicht stellt sich die Frage, in wie weit regionale Unterschiede<br />
der Drogentodesrate in Zusammenhang mit der Gesamtprävalenz von<br />
Opiatkonsumenten und unterschiedlichen Altersverteilungen stehen. Diese Hypothese<br />
ist unseres Wissen bisher nicht untersucht worden, da kaum zuverlässige Schätzungen<br />
der regionalen Prävalenz von Opiatkonsumenten und deren Altersverteilung vorliegen.<br />
Alter. Das Durchschnittsalter der 1994, 1998 und 1999 untersuchten Drogentoten in<br />
Bayern hat sich innerhalb von fünf Jahren in der Gesamtgruppe um zwei Jahre erhöht.<br />
Für diese Altersverschiebung lassen sich zwei Erklärungen anführen. Das Alter der<br />
Opiatkonsumenten ist insgesamt gestiegen, z.B. durch eine höhere Einstiegsinzidenz-<br />
rate älterer Personen, so dass sich bei gleichem Mortalitätsrisiko das Alter der Drogen-<br />
toten insgesamt erhöht hat. Für eine Verschiebung des Einstiegsalters in den Opiat-<br />
konsum gibt es jedoch keine neueren Untersuchungen. Eine Simulationsstudie zur<br />
Schätzung der Opiatkonsumenten auf der Basis der Polizeistatistik erstauffälliger He-<br />
roinkonsumenten entwickelte zur Optimierung der Anpassung an die in den 80er Jah-<br />
ren rückläufige Zahl der registrierten Opiatkonsumenten ein Modell, das die Erhöhung<br />
des Einstiegsalters in den Opiatkonsum um zwei Jahre annimmt, die sich mit steigen-<br />
der Prävalenz erstauffälliger Konsumenten Anfang der 90er Jahre wieder zurückentwi-<br />
ckelt (Herbst & Kraus, 1995). Selbst wenn eine Verschiebung theoretisch auch kurzfris-<br />
tig denkbar ist, spricht einiges für die Alternativerklärung: Die Intensivierung des Dro-<br />
genhilfesystems, z.B. durch eine signifikante Erhöhung des Anteils von Substitutions-<br />
behandlungen, hat unmittelbar Auswirkungen auf das Durchschnittsalter. Insbesondere<br />
129
130<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Maßnahmen der Überlebenshilfe wirken lebensverlängernd, ohne dass notwendiger-<br />
weise eine Reduktion der Todesrate damit verbunden sein muss.<br />
Nachgewiesene Substanzen. Die im Serum der Verstorbenen mit Hilfe chemisch-<br />
toxikologischer Verfahren nachgewiesenen Substanzen zeigen in ihrer Häufigkeit auf-<br />
fällige zeitliche Veränderungen, die in ihrer Gesamtheit gewisse Trends widerspiegeln.<br />
Der Anteil des im Serum von Drogentoten nachgewiesenem Ethanols hat sich im Ver-<br />
lauf von 5 Jahren deutlich erhöht, während der Anteil von Morphin im gleichen Zeit-<br />
raum abgenommen hat. Die Anteile mit positivem DHC-Nachweis waren von 1994 auf<br />
1998 leicht ansteigend, die zwischen 1998 und 1999 zu beobachtende rückläufige<br />
Entwicklung auf den Stand von 1994 dürfte mit der 10. Betäubungsmittelrechts-<br />
Änderungsverordnung mit Wirkung vom 1.2.1998 zusammenhängen und der Verlänge-<br />
rung der Übergangsregelung für die Umstellung von Codein bzw. DHC in der 11.<br />
BtMÄndV bis zum 31.12.1998, die anschließend bis zum 31.12.1999 verlängert wurde.<br />
Methadon-Intoxikationen nahmen zwischen 1994 und 1998 zu. 1999 ist kaum ein Ver-<br />
änderung der Todesfälle mit Methadonnachweis festzustellen. Der Anteil der Fälle mit<br />
positivem Nachweis bei den in den bayerischen Großstädten München, Nürnberg und<br />
Augsburg an einer Überdosis Methadon Verstorbenen bleibt aber selbst 1999 (38%)<br />
hinter der in Hamburg 1998 gefundenen Häufigkeit von 49% zurück. Die ebenfalls er-<br />
hebliche Zunahme eines positiven Benzodiazepinnachweises ist nach 1998 wieder<br />
etwas zurückgegangen (Tabelle 5-1).<br />
Tabelle 5-1: Durch chemisch-toxikologische Untersuchung nachgewiesene Substanzen<br />
1994 (n=191) 1998 (n=181) 1999 (n=69)<br />
Morphin 76% 54% 61%<br />
Methadon 7% 36% 38%<br />
Dihydrocodein 25% 27% 22%<br />
Alkohol 33% 38% 62%<br />
Benzodiazepine 43% 73% 68%
Diskussion<br />
Anteil Morphin in %<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Abbildung 5-1: Wirkstoffgehalt in Restheroin, das bei Drogentoten sichergestellt wurde<br />
(Quelle: Bayerisches Landeskriminalamt)<br />
Heroinqualität. Häufig wird im Zusammenhang mit Drogentod die Hypothese geäußert,<br />
ein Teil der akzidentiellen Überdosierungen sei auf eine unerwartet hohe Qualität des<br />
verkauften Straßenheroins zurückzuführen. Die bei Verstorbenen gefundenen Rest-<br />
mengen von Heroin zeigen erhebliche Schwankungen der Konzentration selbst inner-<br />
halb kurzer Zeiträume. Insgesamt weist die selektive Stichprobe des bei Drogentoten<br />
zwischen 1991 und 1998 sichergestellten Restheroins auf eine Abnahme der Konzent-<br />
ration hin (Abbildung 5-1). In der Tendenz unterstützt die zu beobachtende Abnahme<br />
der Heroinqualität die These, schlechtes Heroin führe zu erhöhtem Beigebrauch, da<br />
der geringe Wirkungsgrad des Heroin kompensiert werden müsse. Erhöhter Beige-<br />
brauch wiederum stellt ein erhöhtes Risiko für einen Drogennotfall mit tödlichem Aus-<br />
gang dar.<br />
Begutachtung sichergestellter Heroin-Restmengen bei Verstorbenen (1992-1998) in Mittelwerten je Monat<br />
Dez 91 Okt 92 Aug 93 Jun 94 Apr 95 Feb 96 Dez 96 Sep 97 Jul 98<br />
Substitution. Untersuchungen zur Sterblichkeit von Patienten nach einer Substitutions-<br />
behandlung legen eine positiven Effekt der substitutionsgestützten Behandlung nahe.<br />
Zanis und Woody (1998) finden nach einem Jahr nach Entlassung aus einer Substituti-<br />
onsbehandlung bei den Patienten, die die Behandlung abgebrochen haben oder die<br />
131
132<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
vorzeitig aus disziplinarischen Gründen entlassen wurden. ein höheres Sterberisiko im<br />
Vergleich zu denen, die die Behandlung regulär beendet haben.<br />
Weitreichender sind die Ergebnisse von Raschke, Püschel und Heinemann (2000), die<br />
einen positive Effekte der Substitutionsbehandlung auf der Mortalität von Drogenab-<br />
hängigen in Hamburg ermitteln konnten. Diese Ergebnisse lassen sich für Bayern auf<br />
der Grundlage der vorliegenden Daten aus methodischen Gründen nicht replizieren.<br />
Zur Absicherung dieser Befunde benötigt man Mortalitätsschätzungen von substituier-<br />
ten im Vergleich zu nicht substituierten Opiatabhängigen. Eine zur Zeit für Augsburg<br />
durchgeführte Auswertung sämtlicher Btm-Rezepte über einen Zeitraum von mehreren<br />
Jahren kann in Verbindung mit Erkenntnissen über den Drogentod derartige Mortali-<br />
tätsschätzungen liefern. Eine Capture/Recapture Schätzung der Anzahl der Opiatkon-<br />
sumenten liefert die Basis für diese Schätzung.<br />
Raschke, Püschel und Heinemann (2000) konnten anhand der ihnen vorliegenden Da-<br />
ten Mortalitätsschätzungen von substituierten und nicht substituierten Opiatabhängigen<br />
im Zeitraum 1990-1998 vornehmen. Die Ergebnisse zeigen ein deutlich reduziertes<br />
Mortalitätsrisiko von jemals Substituierten gegenüber Nicht-Substituierten, wobei das<br />
Sterberisiko unter den Substituierten für regulär Substituierte geringer ist als das von<br />
Patienten mit gestörtem Substitutionsverlauf wie Abbruch oder Unterbrechung der<br />
Substitution. Nach Berücksichtigung erfolgreicher Rehabilitation nach Substitution stel-<br />
len sie für diese Gruppe die geringste jährliche Sterblichkeitsrate fest.<br />
Die von ihnen als wesentliche Ursache für spätere Mortalität während oder nach der<br />
Substitution festgestellte vorbestehende Suizidalität zeigt sich auch in unserer Unter-<br />
suchung. Von den verstorbenen Patienten, die sich in den letzten drei Monaten in Sub-<br />
stitutionsbehandlung befunden haben, liegt in 29% der Fälle ein Suizid vor. Aus der<br />
Hamburger Untersuchung geht hervor, dass die suizidale Vorbelastung durch Substitu-<br />
tionsbehandlung erheblich gemindert werden konnte. Die suizidale Vorbelastung der<br />
jemals Substituierten in unserer Untersuchung liegt bei 37% gegenüber 18% bei den<br />
Nicht-Substituierten.<br />
Aus den toxikologischen Untersuchungen der im südbayerischen Raum Verstorbenen<br />
Drogenkonsumenten konnten zu erwartende Änderungen bezüglich der in Leichen-<br />
blutproben nachgewiesenen Substanzen beobachtet werden, die in einem Zusammen-<br />
hang mit der Änderung der 10. BtMÄndV zu sehen sind (Schmidt-Kittler & von Meyer,<br />
2000). Die Verordnung sieht vor, dass ab dem 1.2.1998 Codein, Dihydrocodein und
Diskussion<br />
Flunitrazepam an drogenabhängige Patienten nur noch auf Betäubungsmittel-Rezept<br />
verschrieben werden dürfen, und Codein und Dihydrocodein nur noch in nicht anders<br />
zu behandelnden Ausnahmefällen als Substitutionsmittel angewendet werden dürfen<br />
(§5 Abs. 3 BtMVV). Schmidt-Kittler und von Meyer (2000) finden zwar keinen Hinweis<br />
auf eine jahreszeitliche Häufigkeitsverschiebung von Fällen mit positivem Methadon-<br />
nachweis, jedoch sind die Fälle mit DHC-Beteiligung im 2. Halbjahr 1998 weniger ge-<br />
worden. Im Vergleich zum Vorjahr beobachten sie eine signifikante Zunahme der Fälle<br />
mit Methadonnachweis (1997: 19%; 1998: 34%) bei gleichzeitiger Abnahme der Fälle<br />
mit DHC-Nachweis (1997: 68%, 1998: 30%). In ihrer abschließenden Beurteilung wei-<br />
sen sie darauf hin, dass sich aus toxikologischer Sicht der Anstieg der Drogentodesra-<br />
te in Bayern mit der beschriebenen Verschiebung der nachgewiesenen Ersatzstoffe<br />
nicht erklären lässt.<br />
Ein Vergleich mit den 1999 an einer Überdosis Verstorbenen aus unserer Untersu-<br />
chung zeigt erwartungsgemäß eine leichte Zunahme der Häufigkeit der Fälle mit Me-<br />
thadonnachweis (38%) und einen weiteren Rückgang der Fälle mit DHC-Nachweis<br />
(24%). Regionale Unterschiede der Häufigkeit des Nachweises von Methadon und<br />
DHC weisen auf einen höheren Grad der Umstellung der Patienten von DHC auf Me-<br />
thadon/L-Polamidon in München im Vergleich zu Augsburg hin. Obwohl sich die Präva-<br />
lenzen von Drogentoten, die in den letzten drei Monaten in Substitutionsbehandlung<br />
waren, zwischen Augsburg und München nicht unterscheiden, finden sich bei den Ü-<br />
berdosierten in München häufiger Methadon/L-Polamidon (40% vs 25%) und seltener<br />
DHC (15% vs 38%) aber auch seltener Morphin (75 vs. 58%). Alternativ lässt der höhe-<br />
re Anteil von Fällen mit DHC-Nachweis in Augsburg eine hohe Verfügbarkeit von DHC,<br />
sei es durch Verschreibungen oder auf dem Schwarzmarkt, vermuten.<br />
Ein Vergleich der bei Verstorbenen nachgewiesenen Substanzen, die sich in den letz-<br />
ten drei Monaten vor dem Tod in einer Substitutionsbehandlung befanden mit Nicht-<br />
Substituierten, zeigt auch, dass von Substituierten deutlich häufiger Kombinationen von<br />
Opiaten und Medikamenten eingenommen wurden und bei ihnen deutlich häufiger als<br />
Beikonsum Benzodiazepine nachgewiesen wurden. Dem von Raschke, Puschel und<br />
Heinemann (2000) festgestellten positiven Effekt der Substitutionsbehandlung steht<br />
eine erhöhtes Mortalitätsrisiko durch unkontrollierten Beigebrauch gegenüber. Die Bei-<br />
gebrauchsproblematik besteht aber seit Beginn der Substitutionsbehandlung, und da<br />
ein dramatischer Anstieg der Mischintoxikationen mit Methadonbeteiligung nicht zu<br />
beobachten ist, lässt sich eine Zunahme der Drogentodesrate daraus nicht ableiten.<br />
133
134<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Drogentod nach Phasen der Abstinenz. Bei der Betrachtung von Serumkonzentration<br />
und Todesursache ist zu berücksichtigen, dass die Konzentration alleine wenig aussa-<br />
gekräftig ist (Schmidt-Kittler & von Meyer, 2000). Zu berücksichtigen sind die<br />
individuelle Opiattoleranz, die nach Haftstrafen, Entgiftungen und<br />
Entwöhnungsbehandlungen aufgehoben ist, und die Interaktion mit anderen Drogen.<br />
Nach fünf Tagen ohne Opiateinnahme ist davon auszugehen, dass eine bestehende<br />
Opiattoleranz aufgehoben ist (BAS, 1999). Bei knapp 50% der untersuchten<br />
Drogentoten konnte in den letzten drei Monaten vor Drogentod eine Abstinenzphase<br />
beobachtet werden. Dieser hohe Anteil, der bei der Betrachtung des Zeitraums von bis<br />
zu vier Wochen vor Drogentod noch 22% beträgt, weist deutlich auf einen<br />
Zusammenhang zwischen reduzierter bzw. aufgehobener Opiattoleranz und letaler<br />
Überdosierung hin. In wie weit letale Intoxikationen im Zusammenhang mit<br />
aufgehobener Opiattoleranz gegenüber den Vorjahren zugenommen haben, muss<br />
offen bleiben.<br />
Vergleich mit Daten aus Bremen. Für einen Vergleich der Entwicklung der Drogento-<br />
deszahlen sowie der Hintergrundinformation in Bremen mit den Erkenntnissen aus<br />
Bayern stehen Daten von 19991/92 (Heckmann et al, 1993), 1998 und 1999 (Bartling &<br />
Guba, 2000) zur Verfügung. In Bremen ist die absolute Zahl der Drogentoten von 1997<br />
(n=43) auf 1999 (n=64) um 49% gestiegen. Der Anteil der Verstorbenen, die sich vor<br />
Drogentod aktuell in einer Substitutionsbehandlung befanden ist von 13% in 1991/92<br />
auf 48% in 1999 gestiegen. Ebenso hat die Erreichbarkeit der Verstorbenen durch das<br />
Drogenhilfesystem zugenommen. Der Anteil der vor Drogentod vom Drogenhilfesystem<br />
Betreuten ist von 37% in 1991/92 auf 50% in 1999 gestiegen. Gleichzeitig hat der An-<br />
teil der Personen, bei denen krisenhafte Situationen vor Drogentod auftraten im glei-<br />
chen Zeitraum von 36% auf 45% zugenommen. Diese Entwicklung ist durchaus in Ü-<br />
bereinstimmung mit der in Bayern. Deutlich höhere Belastungszahlen finden sich je-<br />
doch in Bremen in Bezug auf somatische Begleiterkrankungen sowie psychische Stö-<br />
rungen. Der Anteil HIV/AIDS Infektionen wird mit 17% bei männlichen Drogentoten und<br />
66% bei weiblichen Drogentoten angegeben. Erkrankungen mit Hepatitiden werden mit<br />
96% bei Männern und 77% bei Frauen berichtet. Psychische Störungen lagen bei 60%<br />
der Männer und 88% der Frauen vor. Aus den Erfahrungen in Bayern zeigt sich, dass<br />
die Prävalenzwerte Minimalschätzungen darstellen, da sich die Angaben zu psychi-<br />
schen Störungen nur in wenigen Fällen auf diagnostische Kriterien wie ICD oder DSM<br />
beziehen. Die Daten sind daher vorsichtig zu interpretieren und es ist davon auszuge-<br />
hen, dass ein Großteil der Störungen nicht erkannt wird (Krausz, Verthein & Degkwitz,<br />
2000).
Diskussion<br />
Comorbidität. Für die These, dass ein sehr hoher Anteil der Drogenabhängigen comor-<br />
bide psychische Störungen aufweist, und die zunehmend therapeutische Relevanz der<br />
Koinzidenz psychischer Störungen und Drogenabhängigkeit sprechen die Ergebnisse<br />
einer Reihe epidemiologischer Studien. Bei 40% von Patienten verschiedener Metha-<br />
donprogramme in den Niederlande wurden nach Limbeek et al. (1991) aktuelle Persön-<br />
lichkeitsstörungen festgestellt. In Deutschland sind die Ergebnisse einer Hamburger<br />
Studie bei Drogenabhängigen mit Kontakt zum Drogenhilfesystem von Interesse<br />
(Krausz et al., 1999). Die Lebenszeitprävalenzen von 351 Drogenabhängigen mit einer<br />
weiteren psychischen Störung ohne Persönlichkeitsstörungen werden mit 55% ange-<br />
geben. Am häufigsten finden sich depressive Episoden (16%) und affektive Störungen<br />
(32%). Ein deutlicher Geschlechtsunterschied zeigt sich darin, dass bei 50% der Män-<br />
ner aber nur bei 31% der Frauen keine Störungen diagnostiziert wurden. Mehrfachdi-<br />
agnosen fanden sich in 32% der Fälle.<br />
Weiterhin wurden bei 34% der untersuchten Abhängigen mindestens eine Persönlich-<br />
keitsstörung festgestellt. Betrachtet man psychische Störungen und Persönlichkeitsstö-<br />
rungen zusammen, fand sich bei nur einem Drittel der Opiatabhängigen keine weitere<br />
psychiatrische Störung. Insgesamt konnte bei der Hälfte der untersuchten Fälle eine<br />
Mehrfachdiagnose festgestellt werden.<br />
Die Prävalenzwerte in der Hamburger Untersuchung bei Drogenabhängigen mit Kon-<br />
takt zum Drogenhilfesystem sowie die Hinweise auf psychische Störungen in der vor-<br />
liegenden Analyse bei Drogentoten in Bayern weisen auf eine deutlich hohe Belastung<br />
hin, aus der eine erhebliche praktische Relevanz für das Behandlungssystem abzulei-<br />
ten ist. Aus verschiedenen Studien bei psychiatrischen Patienten geht hervor, dass je<br />
nach Studie und diagnostischen Verfahren bei bis zu 65% der Patienten Störungen<br />
durch psychotrope Substanzen vorliegen (Regier et al., 1990; Krausz, 1990; Schwoon<br />
& Krausz, 1992). Aus der These über die Selbstmedikation zur Vermeidung der Nega-<br />
tivsymtomatik leiten sich aufgrund der Problematik eines erhöhten Begleitkonsums von<br />
einerseits Medikamenten und andererseits psychotroper Substanzen unmittelbar ein<br />
erhöhtes Risiko für Therapieversagen, eine schlechtere Compliance, ein erhöhtes Mo-<br />
bidititäts- und Mortalitätsrisiko, sowie ein erhöhtes Risiko bezüglich sozialer Desinteg-<br />
ration und Kriminalität ab (Soyka, 1994, Krausz, Schwoon & Degkwitz, 1992). In erster<br />
Linie besteht aber aufgrund unerkannter psychischer Störungen die Gefahr einer nicht<br />
adäquaten Behandlung comorbider Klienten (Gold & Slaby, 1991). So weisen Krausz<br />
und Kollegen (1999) darauf hin, dass in der Psychiatrie aufgrund der Trennung der<br />
135
136<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Hilfesysteme selbst interessierte Psychiater keine Erfahrung mit einer differenzierten<br />
Diagnostik bei Drogenabhängigen haben.<br />
Aus der hohen Koinzidenz von psychischen Störungen und Drogenabhängigkeit erge-<br />
ben sich folgende Schlussfolgerungen: (1) die Verbesserung differenzieller Diagnostik<br />
bei Drogenabhängigen insbesondere bei solchen in substitutionsgestützter Behandlung<br />
und (2) eine Spezialisierung des Hilfeangebots, da dies Patienten bisher weder in der<br />
Allgemeinpsychiatrie noch im Drogenhilfesystem adäquat versorgt wurden. Der ersten<br />
Folgerung ist mit Qualifikations- und Spezialisierungsangeboten durch Fort- und Wei-<br />
terbildung zu begegnen, die zweite These erfordert eine weitgehende Diskussion über<br />
die strukturelle Veränderungen des Versorgungssystems, mit weitreichenden Konse-<br />
quenzen für die erforderliche Verzahnung von Medizin, Psychologie und Sozialarbeit.
Schlussfolgerungen und Vorschläge<br />
6 Schlussfolgerungen und Vorschläge<br />
6.1 Schlussfolgerungen<br />
Durch die im Zuge der vorliegenden Untersuchungen erhobenen Daten ließen sich<br />
keine für den Anstieg der Drogentodesfälle in Bayern spezifischen Erklärungsmuster<br />
finden. Jedoch konnte eine Reihe von potentiellen Risikofaktoren identifiziert werden,<br />
die zum Drogentod zumindest beitragen. Unsere Untersuchung – wie auch frühere<br />
Studien – haben keinen generellen Faktor gefunden, auf den das Auftreten des Phä-<br />
nomens Drogentod allein zurückgeführt werden kann. Vielmehr erscheint uns das Kon-<br />
zept von Schutz- und Risikofaktoren hilfreich, die jeder für sich die Wahrscheinlichkeit<br />
für einen Drogentod senken oder erhöhen. Bei diesen kontribuierenden Faktoren oder<br />
Risikofaktoren handelt es sich in diesem Zusammenhang um verschiedene Bedingun-<br />
gen, die bei gleichzeitigem oder zeitnahem gemeinsamen Auftreten – also über ihrer<br />
Interaktion oder Kumulation - zu dem Ereignis Drogentod als auslösende Determinan-<br />
ten beitragen. Im Rahmen dieses multikausalen Ansatzes lassen sich zwei auffällige<br />
Risikokonstellationen beschreiben: (1.) Risiken für das Auftreten von Drogennotfällen,<br />
die durch Faktoren wie z.B. den Trend zum Mischkonsum, die Gefahr einer Überdosie-<br />
rung nach einer Abstinenzphase, Belastung durch psychische Störungen und/oder<br />
durch kritische Lebensereignisse hervorgerufen werden, und (2.) Risiken für den tödli-<br />
chen Ausgang von Drogennotfällen, die auf das Zusammentreffen von individuellen,<br />
körperlichen und psychischen Faktoren mit Fehlinterpretationen und Fehlhandlungen<br />
des sozialen Umfeldes der Drogenabhängigen in der direkten Notfallsituation zurückzu-<br />
führen sind.<br />
Risikokonstellationen für das Auftreten von Drogennotfällen<br />
Die psychische Situation von Drogenabhängigen ist, verursacht durch bestehende oder<br />
im Zuge des Drogenkonsums erworbene somatische Erkrankungen und komorbide<br />
psychische Störungen wie Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen, die sich bei<br />
einem großen Teil der untersuchten Drogentoten finden, für sich genommen bereits<br />
äußerst labil. In der Vorgeschichte finden sich häufig weitere psychische Störungen,<br />
Suizidversuche, nicht-tödliche Drogenotfälle und eine familiäre Vorbelastung durch<br />
Abhängigkeits- oder andere psychische Erkrankungen. Neben der hohen psychischen<br />
und körperlichen Belastung stellen äußere Lebenseinflüsse im psychosozialen Bereich<br />
einen zusätzlichen kritischen Faktor dar. Die Befunde weisen in den letzen Wochen vor<br />
Drogentod auf einen hohen Anteil von kritischen Lebensereignissen wie Rückfall nach<br />
Therapie oder Entgiftung, die als Rückschläge und Versagen empfunden werden, Be-<br />
137
138<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
ziehungskonflikte, Konflikte im täglichen Umgang mit Behörden und Ämtern, sowie<br />
finanzielle Probleme hin.<br />
Weitere Risikofaktoren für das Auftreten von Drogennotfällen sind (1.) der Mischkon-<br />
sum, vor allem die Kombination verschiedener atemdepressiver Substanzen wie Opia-<br />
te, Alkohol und Benzodiazepinen, und (2.) die Überdosierung nach einer Abstinenz-<br />
phase, bedingt durch die Aufhebung der Opiattoleranz.<br />
Risikokonstellationen für den tödlichen Ausgang von Drogennotfällen<br />
Zu den unmittelbaren Umständen, die zum Drogentod geführt haben, werden von der<br />
Polizei in der Regel die Partner der Verstorbenen, in einigen Fällen anwesende Freun-<br />
de oder Bekannte und in seltenen Fällen hilfsbereite Nachbarn befragt. Aus den Schil-<br />
derungen der Zeugen zu den unmittelbaren zeitlichen Geschehnissen vor dem Drogen-<br />
tod geht bei einem Teil der in Augsburg vorgefundenen Fälle, bei denen ein Todesfall<br />
in Folge von Überdosierung durch Drogen und Medikamente vorliegt, hervor, dass die<br />
später Verstorbenen nach dem Drogenkonsum in einen tiefen Schlaf fallen. Die durch<br />
Opiate, Alkohol und/oder Benzodiazepine verursachte Atemdepression führt zu einer<br />
Verringerung der Lungendurchblutung und Vermehrung der Sekretion und einem Sau-<br />
erstoffmangel. Die in Folge der Intoxikation zunehmende Atemlähmung ruft bei den<br />
Schlafenden eine sogenannte Schnappatmung hervor („Biot’sche Atmung“, gleich tiefe<br />
Atemzüge, die durch vollständige Pausen ohne Atmung unterbrochen werden). Die<br />
dabei erzeugten Geräusche werden von den Partnern, Freunden, Bekannten oder<br />
Nachbarn irrtümlich als Schnarchen interpretiert und leiten sie zu der Annahme, dass<br />
mit dem Betroffenen alles in Ordnung sei. Die Symptome des in Folge von Atemde-<br />
pression und Sauerstoffmangel Sterbenden werden von den Anwesenden verkannt<br />
und eine umgehend erforderliche Hilfe nicht eingeleitet.<br />
Ein zweiter Risikofaktor ist im Bereich der Notfallhilfe vor Ort zu erkennen. Die Angst<br />
vor Strafverfolgung durch die Polizei scheint in einigen Fällen eine sofortige Information<br />
des Notarztes durch Mitkonsumenten zu verhindern. Dieser wird dann häufig zu spät<br />
oder gar nicht gerufen, wodurch die Überlebenschancen des Betroffenen in der Notfall-<br />
situation deutlich sinken. Diese Schlussfolgerung wird durch Ergebnisse einer Befra-<br />
gung unter Drogenabhängigen in Augsburg gestützt (Qammou, Beloch & Kraus, in<br />
Druck).<br />
Da in der vorliegenden Studie nur bereits verstorbenen Drogenkonsumenten unter-<br />
sucht wurden, lässt sich nicht klären inwieweit die gefundenen Risikofaktoren tatsäch-
Schlussfolgerungen und Vorschläge<br />
lich alle spezifisch für den Drogentod sind. Zur Absicherung sind Vergleiche mit leben-<br />
den Drogenkonsumenten notwendig (siehe unten).<br />
6.2 Vorschläge<br />
Die Vorschläge für Maßnahmen zur Reduzierung der Drogentodesrate orientieren sich<br />
an den zwei Risikokonstellationen. Abschließend werden noch Vorschläge zum weite-<br />
ren Forschungsbedarf vorgelegt.<br />
Abbau der Risiken für das Auftreten von Drogennotfällen<br />
Die Ergebnisse weisen auf spezifische Risikofaktoren in der individuellen Vorgeschich-<br />
te der Verstorbenen hin, die zumeist nicht „über Nacht“ entstehen, sondern sich über<br />
längere Zeiträume entwickeln. Zum frühzeitigen Erkennen dieser Risikofaktoren ist<br />
eine Verbesserung der Qualifikation des therapeutischen Personals, der substituieren-<br />
den Ärzte und aller darüber hinaus beteiligten Berufsgruppen erforderlich. Dazu gehört<br />
der Ausbau der diagnostischen Kompetenz in Bezug auf psychiatrische Komorbidität,<br />
Suizidrisiken sowie die Bedeutung weiterer kritischer Lebensereignisse für Drogennot-<br />
fälle. Weiterhin sind die therapeutischen Kompetenzen zu verbessern, vor allem in<br />
Hinblick auf die Förderung der aktiven Beschäftigung des Patienten mit seiner kriti-<br />
schen Situation, auf motivierende Verfahren zur Lebensbewältigung bzw. zunächst zu<br />
einem risikoreduzierten Verhalten.<br />
Comorbide Störungen. Aus der hohen Koinzidenz von psychischen Störungen und<br />
Drogenabhängigkeit ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: (1) die Verbesserung<br />
differenzieller Diagnostik bei Drogenabhängigen insbesondere bei solchen in substitu-<br />
tionsgestützter Behandlung und (2) eine Spezialisierung des Hilfeangebots, da dies<br />
Patienten bisher weder in der Allgemeinpsychiatrie noch im Drogenhilfesystem adä-<br />
quat versorgt wurden. Der ersten Folgerung ist mit Qualifikations- und Spezialisie-<br />
rungsangeboten durch Fort- und Weiterbildung zu begegnen, die zweite These erfor-<br />
dert eine weitgehende Diskussion über die strukturelle Veränderungen des Versor-<br />
gungssystems, mit weitreichenden Konsequenzen für die erforderliche Verzahnung<br />
von Medizin, Psychologie und Sozialarbeit.<br />
Beratung / niedrigschwellige Angebote. In der Beratungssituation und in Einrichtungen,<br />
die niedrigschwellige Angebote vorhalten (z.B. Tagescafés, Notfallsituationen), wird im<br />
Gespräch und bei den vorgeschlagenen Maßnahmen vorwiegend auf das eingegan-<br />
gen, was der Klient thematisch aufgreift bzw. unmittelbar an Hilfeleistungen wünscht.<br />
139
140<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Es handelt sich zumeist um Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags. Hier ist es<br />
notwendig, dass die Mitarbeiter sich nicht nur auf die Erfüllung der Klientenwünsche<br />
konzentrieren, sondern auf die aktuelle Lebenssituation des Drogenabhängigen in Hin-<br />
blick auf die oben erwähnten Risikofaktoren für das Auftreten eines Notfalls mit Todes-<br />
folge zu analysieren. Bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren sollten diese soweit als<br />
möglich thematisiert und bearbeitet werden.<br />
Substitution. Aus den Ergebnissen zur Mortalität bei Substituierten lässt sich unmittel-<br />
bar die Notwendigkeit zur Qualitätsverbesserung bei der Durchführung der Substitution<br />
ableiten. Trotz der unvollständigen Informationen über die Art der Substitution bei den<br />
in den letzten drei Monaten während oder nach einer Substitution Verstorbenen zeigen<br />
die Daten, dass lediglich ein Viertel nach AUB substituiert wurde. Das heißt, dass der<br />
Anteil derer, die während oder nach einer qualifizierten Substitution an einer Überdosis<br />
verstorben sind (bei einem Teil liegt Suizid vor) wesentlich geringer ist als der Anteil<br />
derer, die nicht qualifiziert substituiert wurden. Einschränkend sei an dieser Stelle je-<br />
doch erwähnt, dass es sich bei einem Teil der nicht qualifizierten Substituierten evt. um<br />
Fälle handelt, bei denen eine Substitution nach AUB mit größeren Schwierigkeiten –<br />
etwa aufgrund ihrer extrem weit fortgeschrittenen somatischen oder psychischen Er-<br />
krankung – verbunden gewesen wäre.<br />
Zum anderen ist ersichtlich, dass sich damit auch nur ein Teil der Fälle in einer nach<br />
den AUB-Richtlinien vorgesehenen psychosozialen Betreuung befunden hatte. Die<br />
Notwendigkeit psychosozialer und psychotherapeutischer Maßnahmen während der<br />
Substitution wird auch von Drogenabhängigen betont, die im Rahmen einer parallelen<br />
Studie in Augsburg befragt wurden (Qammou, Beloch & Kraus, in Druck). Nur mit dem<br />
Ausbau der qualifizierten Substitution (mit entsprechender Kostenübernahme) ließe<br />
sich die sogenannte graue Substitution oder Versorgung auf dem Schwarzmarkt weiter<br />
zurückdrängen.<br />
Entgiftung. Der geringe Anteil der Drogenabhängigen, bei dem nach Entgiftung eine<br />
anschließende therapeutische Maßnahme erfolgte, macht die Lücken in diesem Be-<br />
reich offensichtlich. Erste Bemühungen, Patienten, die keine Langzeitbehandlung wün-<br />
schen, durch nachgehende Sozialarbeit und eine stärkere „Gehstruktur“ von Seiten der<br />
Drogenhilfe nach der Entgiftung an das Drogenhilfesystem anzubinden, wurden in<br />
Augsburg (Qammou, Beloch & Kraus, in Druck) eingeleitet. Eine schnelle Anbindung<br />
erscheint erforderlich, da ein Grossteil der Patienten nach einer Entgiftung bereits in-<br />
nerhalb der ersten Woche rückfällig wird (vgl. Tabelle 4-32). Studien zur Situation nach
Schlussfolgerungen und Vorschläge<br />
einer Entgiftung weisen auch auf eine hohe Mortalitätsrate nach erfolgter Entgiftung hin<br />
(Zinkler et al., 1998). Verschiedene Aspekte spielen hierbei eine Rolle: zum einen die<br />
bereits erwähnte aufgehobene bzw. verminderte Opiattoleranz nach einer erfolgten<br />
Entgiftung, aber auch nach erfolgter Therapie oder Haft, die von den Abhängigen bei<br />
der Dosierung oft nicht oder nur zu wenig berücksichtigt wird. Zum anderen spielt die<br />
Rückkehr der Abhängigen in das selbe Umfeld, ohne jedoch die Abstinenzentschei-<br />
dung durch geeignete Maßnahmen stabilisiert zu haben, eine große Rolle. Die Gründe,<br />
aus denen Opiatabhängige eine Entwöhnungsbehandlung nicht in Anspruch nehmen,<br />
sind vielfältig. Dazu gehören neben einer möglichen mangelnden Motivation, Selbst-<br />
überschätzung der eigenen Problemlöse- und Abstinenzfähigkeiten auch die Angst vor<br />
vermeintlich strikten und strengen Regelungen in Facheinrichtungen. Hier wäre eine<br />
Anbindung im Sinne eines Case-Managers oder nachgehende Sozialarbeit dringend<br />
erforderlich, die den Kontakt zu den Abhängigen weiterhin hält und diese wenn nötig<br />
aufsucht.<br />
Abstinenzorientierte Rehabilitation. Abhängige, die eine Entwöhnungsbehandlung<br />
regulär beendet haben, besitzen ein geringeres Risiko als Abbrecher, erneut rückfällig<br />
zu werden. Auch hier stehen die Betroffenen unter Umständen vor dem oben bereits<br />
geschilderten Problem, nach dem Aufenthalt in einer beschützenden Umgebung ihr<br />
altes Umfeld wieder aufzusuchen, und sich dort mit Strukturen konfrontieren zu<br />
müssen, die bislang mit dem Suchtmittelkonsum verknüpft waren. Hier ist eine<br />
Anbindung an das Drogenhilfesystem im Sinne einer Nachsorge, die den Betroffenen<br />
über die therapeutischen Maßnahmen hinaus den Übergang und die<br />
Wiedereingliederung erleichtert, notwendig.<br />
Aufklärung über riskante Konsummuster. Die Verbreitung von Information über die ex-<br />
tremen Risiken des Mischkonsums verschiedener atemdepressiver Substanzen wie<br />
Morphine, Alkohol und Benzodiazepinen ist dringend notwendig, um ein Problembe-<br />
wusstsein für dieses Konsummuster, das die Atemdepression einen letalen Ausgang<br />
nehmen kann, sowohl auf Konsumenten- als auch auf Therapeutenseite zu schaffen.<br />
Abbau der Risiken für den letalen Ausgang von Drogennotfällen<br />
Der zweiter Ansatz liegt in Maßnahmen der direkten Überlebenshilfe in der konkreten<br />
Notfallsituation, die es ermöglichen einen Drogennotfall als solchen zu erkennen und<br />
adäquat darauf reagieren zu können. Dazu gehört:<br />
141
142<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
• Die Aufklärung von Drogenkonsumenten über die Symptome der Schnappatmung<br />
in Folge von Atemdepression und Sauerstoffmangel sowie die Verbreitung von In-<br />
formationen über Erste-Hilfe-Maßnahmen.<br />
• Eine Trennung des Notdienstes von der Polizei sowie Information über die Notfall-<br />
telefonnummer, bei der ausschließlich der Notarzt gerufen wird. Dieser Ansatz wird<br />
im Rahmen des Modellprojekts "Verbesserung der therapeutischen Situation für<br />
Drogenkonsumenten in Augsburg unter besonderer Berücksichtigung von Maß-<br />
nahmen zur Reduzierung der Zahl der Todesfälle" (Quammou, Beloch & Kraus; in<br />
Vorb.) derzeit bereits verwirklicht und evaluiert.<br />
Vorschläge zur weiteren Forschung<br />
Es wird eine Verbesserung der Datenlage empfohlen, um die dargestellten Ergebnisse,<br />
die sich ausschließlich auf Drogentote beziehen, absichern zu können.<br />
Wünschenswerte wäre eine Analysen der Prävalenzraten von Opiatkonsumenten und<br />
deren Alters- und Geschlechterverteilung sowie der Relationen zu den<br />
Drogentodeszahlen in den jeweiligen Regionen wäre hierzu erforderlich.<br />
Weiterhin wird eine Analyse der hier diskutierten Risikoparameter bei einer Gruppe von<br />
lebenden Drogenabhängigen empfohlen. Eine solche Studie könnte Aufschluss dar-<br />
über geben, ob bedeutsame Unterschiede zwischen den Drogenkonsumenten, die in<br />
Folge ihres Konsums sterben und denen, die trotz langen Konsum keinen tödlichen<br />
Drogennotfall erleiden, bestehen.<br />
Zur Verbesserung der Datenlage ist die Durchführung von Obduktionen und chemisch-<br />
toxikologischen Analysen sowie die Erfassung wesentlicher psychosozialer Merkmale<br />
für alle Drogentodesfälle notwendig. Sollte dies aus organisatorischen und/oder finan-<br />
ziellen Gründen nicht möglich sein, schlagen wir vor, im Sinne eines Monitoring-<br />
Systems, pro Jahr zwei Zeitfenster (z.B. 2 x 2 Monate) auszuwählen, während derer<br />
alle Drogentodesfälle vollständig und nach bestimmten Standards untersucht werden.<br />
Somit könnte dem Zweck einer Verbesserung der Datenlage ein entscheidender Bei-<br />
trag geleistet werden. Eine solche Datenbasis wäre eine Grundlage für gesicherte Er-<br />
kenntnisse über die Hintergründe von Drogentodesfällen, aus denen evt. weitere ge-<br />
zielte Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos für ein Drogentodesfall abgeleitet wer-<br />
den könnten.
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Anhang<br />
8 Anhang<br />
Koordinatoren der Städte<br />
Michael Lubinski, Suchthilfekoordinator, Referat für Gesundheit und Umwelt, Stadt<br />
München<br />
Georg Hopfengärtner, Suchthilfekoordinator, Referat für Jugend, Familie und Soziales,<br />
Stadt Nürnberg<br />
Prof. Dr. Johannes Gostomzyk, Drogenbeauftragter der Stadt Augsburg<br />
Mitarbeiter der Landeskriminalämter bzw. der Polizei<br />
Herr Bernhard Egger, Bayerisches Landeskriminalamt, Sachgebiet 611 (RG), München<br />
Herr Lothar Elsner, Bayerisches Landeskriminalamt, Sachgebiet 611 (RG), München<br />
Herr Erich Elsner, Bayerisches Landeskriminalamt, Kriminologische Forschungsgruppe,<br />
München<br />
Herr Steinherr, K112, München<br />
Herr Zebisch und Herr Grimm, KPI Nürnberg, Sachgebiet Einsatz, Nürnberg<br />
Herr Horst Heinrich, Kriminalpolizeiinspektion Augsburg<br />
Herr Rüenpohl, Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf<br />
Herr Manfred Wittner, Landeskriminalamt Baden-Württemberg, Stuttgart<br />
Angeschriebene Institutionen<br />
Beratungs- und Kontaktzentrum Extra e. V., München<br />
Beratungszentrum für Suchtgefährdete und Abhängige, München<br />
Bezirksklinik an der Uhlandstraße, München<br />
Bezirkskrankenhaus Haar Entzugsstation, München-Haar<br />
Con-Action, München<br />
Condrobs e.V., München<br />
Fachambulanz für erwachsene Suchtkranke (Caritas-Verband), München<br />
Fachambulanz für junge Suchtkranke, München<br />
Fachklinik für Drogenabhängige, München<br />
Frauentherapiezentrum München e. V., München<br />
Haus Kieferngarten, München<br />
Inizio, München<br />
Klinik Fasanenhof, München<br />
Klinikum Rechts der Isar, Toxikologische Abteilung/Entzugsstation, München<br />
Kontaktladen L43 des Prop e.V., München<br />
Nachsorgeeinrichtung der PROP e.V., München<br />
Off-Kontaktladen, München<br />
Pedro-Perlacher Drogenhilfe, München<br />
Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Universität, Station C4, München<br />
Psychosoziale Beratungsstelle für Alkohol- und Medikamentenprobleme, München<br />
Psychosoziale Beratungs-und Behandlungsstelle (Blaues Kreuz), München<br />
Städtisches Krankenhaus Schwabing, 4. Medizinische Abteilung, München<br />
Städtische Drogenberatungsstelle, München<br />
147
148<br />
„Therapie Sofort“ Therapie-Schnellvermittlung, München<br />
Tagesklinik für Suchtkranke, München<br />
„Villa“ im Krankenhaus Schwabing, München<br />
Zentrale Vermittlungsstelle des PROP e.V., München<br />
Kraus, Shaw, Augustin & Ritz, Analyse der Drogentodesfälle in Bayern<br />
Bezirkskrankenhaus Gabersee, Abt. Entgiftung, Reitmehring/Wasserburg<br />
Bezirkskrankenhaus Taufkirchen, Abt. Entgiftung, Taufkirchen<br />
Daytop-Fachkrankenhaus „Am Gleißental“, Deisenhofen b. München<br />
Fachambulanz für Suchterkrankungen, Dachau<br />
Fachklinik Ammersee, Herrsching a. Ammersee<br />
Jugend-, Drogen- und Suchtberatung, Starnberg<br />
Klinik am Eichenhain, Emmering/FFB<br />
Prop Shop, Erding<br />
Prop Shop, Freising<br />
Therapiezentrum Bischofsried, Dießen a. Ammersee<br />
Therapiezentrum Grafrath, Grafrath<br />
Würmtal-Klinik, Gräfelfing<br />
AIDS-Hilfe N-FÜ-E, Nürnberg<br />
Hängematte e.V., Notschlafstelle und Krisenhilfe, Nürnberg<br />
Gesundheitsamt Nürnberg, Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft, Nürnberg<br />
Jugendamt der Stadt Nürnberg, Suchtberatung, Nürnberg<br />
Junkie-Bund Nürnberg c/o Mudra, Nürnberg<br />
Klinik für Psychiatrie der Stadt Nürnberg, Nürnberg<br />
Lilith e.V., Nürnberg<br />
MUDRA, Nürnberg<br />
Stadtmission Nürnberg e.V. Suchtberatung, Nürnberg<br />
Suchtberatungsstelle der Caritas e.V., Nürnberg<br />
Bezirkskrankenhaus Ansbach, Ansbach<br />
Frankenalb-Klinik-Engelthal (BKH), Engelthal<br />
Klinikum am Europakanal, Erlangen<br />
Therapiezentrum Wolkersdorf, Schwabach<br />
Bezirkskrankenhaus Augsburg<br />
Condrobs STATTHAUS, Augsburg<br />
Drogenhilfe Schwaben e. V., Augsburg<br />
Fachklinik JUMP, Augsburg<br />
KOMPASS Kompakt Therapie Drogenhilfe GmbH, Augsburg<br />
Suchtberatungsstelle der Caritas, Augsburg<br />
Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren
Anhang<br />
Substituierende Ärzte<br />
Alle Ärzte mit KV-Genehmigung zur Substitution in München, Nürnberg und Augsburg<br />
Sonstige Personen<br />
Herr Dr. Gruber, Landgerichtsarzt Augsburg<br />
Herr Hubatschek, Kassenärztliche Vereinigung Bayern<br />
Herr Dr. Lothar Lindstedt, Gesundheitsamt Augsburg, Sozialpsychiatrie<br />
Frau Dr. Rahlf-Martin, BKH Augsburg<br />
Herr Dr. Musselmann, München<br />
Frau Ranner, Referat für Gesundheit und Umwelt (Clearingstelle), München<br />
Herr Dr. Schmidt, BKH Kaufbeuren<br />
Herr Dr. Tretter, BKH Haar<br />
Herr Tuchan, Kassenärztliche Vereinigung Bayern<br />
Herr Dr. Walcher, München<br />
Alle Angehörigen, die zu Interviews bereit waren<br />
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