Ein Sarg ohne Leiche - Pegasus Spiele
Ein Sarg ohne Leiche - Pegasus Spiele
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<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong><br />
<strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Solo- und Gruppenabenteuer<br />
von Bernhard Bihler
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong><br />
Willkommen in Arkham.<br />
Impressum<br />
Autor Bernhard Bihler<br />
Karte Chris Schlicht<br />
Bildredaktion Sabrina Litzbarski<br />
Lektorat Frank Heller<br />
Korrektorat Thorsten Erker,<br />
Christina Wessel-Heller<br />
Satzkontrolle Frank Heller<br />
Design & Layout Christian Hanisch<br />
Chefredaktion Cthulhu Frank Heller<br />
Verlagsleitung Jan Christoph Steines<br />
<strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Teil 1: Das Soloabenteuer<br />
von Bernhard Bihler<br />
Vorwort<br />
„<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>“ ist ein Abenteuer<br />
in zwei Teilen. Teil 1 ist ein Soloabenteuer.<br />
In diesem Soloabenteuer<br />
übernehmen Sie die Rolle des jungen<br />
Studenten Harold Simms. Harold ist<br />
24 Jahre alt und studiert derzeit am<br />
MIT Physik, das in Cambridge bei<br />
Boston gelegen ist. Um Harold Ihren<br />
individuellen Vorstellungen anzupassen,<br />
stehen Ihnen noch 100 Hobbypunkte<br />
zur Verfügung, die Sie frei auf<br />
seine Fertigkeiten verteilen können.<br />
Auf den Charakterbogen wird diesbezüglich<br />
verwiesen. Sie beginnen das<br />
Abenteuer bei Abschnitt 1.<br />
Teil 2 ist ein Gruppenabenteuer,<br />
das an der Stelle beginnt, an der das<br />
Soloabenteuer aufhört. Es sollte also<br />
im Anschluss an das Soloabenteuer<br />
erlebt werden. Da das Gruppenabenteuer Informationen<br />
enthält, deren Kenntnis den Spielspaß des Soloabenteuers<br />
mindern könnte, sollte es erst gelesen werden, nachdem<br />
das Soloabenteuer in seinen Varianten durchgespielt<br />
wurde. Wer plant, das Gruppenabenteuer als <strong>Spiele</strong>r zu<br />
erleben, lässt natürlich vollständig seine Finger davon.<br />
1<br />
Es ist der triste, regnerische Morgen des 14. November<br />
1928 und ein sehr trauriger Anlass hat dich in das verschlafene<br />
Städtchen Arkham in Massachusetts geführt.<br />
Dein Onkel Harvey, ein früher weit gerühmter Orientalist,<br />
der sich vor Jahren hier niedergelassen hatte, ist vor<br />
wenigen Tagen verstorben und nun ist es deine Pfl icht,<br />
ihm die letzte Ehre zu erweisen. Du hattest in den letzten<br />
Jahren zwar nur sehr wenig Kontakt zu dem alten<br />
Herren, aber als dich die Nachricht von seinem Ableben<br />
erreicht hat, kamen in dir viele alte Erinnerungen an den<br />
liebenswerten, schrulligen Büchernarren hoch und dein<br />
Bedauern war tief und aufrichtig.<br />
Nun stehst du auf dem grauen, windschiefen Christchurch-Friedhof<br />
in diesem alten, düsteren Städtchen mit<br />
2 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
© 2006 bei <strong>Pegasus</strong> <strong>Spiele</strong> GmbH unter Lizenz von Chaosium Inc.<br />
Diese Seite darf zum persönlichen Gebrauch fotokopiert werden.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu<br />
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Name des Charakters Harold Simms<br />
Name des <strong>Spiele</strong>rs<br />
Beruf Student der Physik<br />
Ausbildung, Titel<br />
Geburtsort<br />
Geisteskrankheiten<br />
Geschlecht m Alter 24<br />
Stabilitätspunkte<br />
Wahnsinn 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9<br />
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22<br />
23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35<br />
36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48<br />
49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61<br />
62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74<br />
75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87<br />
88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99<br />
Fertigkeiten<br />
Ansehen (15%) 45 %<br />
Anthropologie (01%)<br />
Archäologie (01%)<br />
Astronomie (01%)<br />
Ausweichen (GE x 2%) 30 %<br />
Bibliotheksnutzung (25%) 60 %<br />
Biologie (01%)<br />
Buchführung (10%)<br />
Chemie (01%) 50 %<br />
Cthulhu-Mythos (00%)<br />
Elektrische Reparaturen (10%)<br />
Erste Hilfe (30%)<br />
Fahren (20%)<br />
________________<br />
________________<br />
________________<br />
Feilschen (05%)<br />
Fotografie (10%)<br />
Fremdsprache (01%)<br />
________________<br />
________________<br />
________________<br />
________________<br />
Geologie (01%) 30 %<br />
Geschichtskenntnisse (20%)<br />
Gesetzeskenntnisse (05%)<br />
Handwerk (05%)<br />
________________<br />
Horchen (25%)<br />
Attribute und Rettungswürfe<br />
ST 11 GE 15 IN 14 Idee 70<br />
KO 12 ER 14 MA 12 Glück 60<br />
GR 11 gS 60 BI 15 Wissen 75<br />
Maximalstabilität 99 Schadensbonus -<br />
99-Cthulhu-Mythos<br />
Magiepunkte<br />
Bewusstlos 0 1 2<br />
3 4 5 6 7 8<br />
9 10 11 12 13 14<br />
15 16 17 18 19 20<br />
21 22 23 24 25 26<br />
27 28 29 30 31 32<br />
33 34 35 36 37 38<br />
39 40 41 42 43 44<br />
Kampfsportart (01%)<br />
Klettern (ST+GE %)<br />
Kunst (05%)<br />
________________<br />
________________<br />
Mechanische<br />
Reparaturen (20%)<br />
Medizin (05%)<br />
Muttersprache (BI x 05%)<br />
Englisch 80 %<br />
Naturkunde (10%)<br />
Okkultismus (05%)<br />
Orientierung (10%) 40 %<br />
Pharmazie (01%)<br />
Physik (01%) 60 %<br />
Pilot (01%)<br />
________________<br />
________________<br />
Psychoanalyse (01%)<br />
Psychologie (05%)<br />
Reiten (05%)<br />
Schleichen (10%)<br />
Schlosserarbeiten (01%)<br />
Schweres Gerät (01%)<br />
________________<br />
________________<br />
Schwimmen (25%)<br />
Springen (25%)<br />
Spurensuche (10%)<br />
Tarnen (15%)<br />
Überreden (05%) 25 %<br />
Trefferpunkte<br />
Tot -2 -1 0 1 2<br />
3 4 5 6 7 8<br />
9 10 11 12 13 14<br />
15 16 17 18 19 20<br />
21 22 23 24 25 26<br />
27 28 29 30 31 32<br />
33 34 35 36 37 38<br />
39 40 41 42 43 44<br />
Überzeugen (15%) 65 %<br />
Verbergen (10%)<br />
Verborgenes erkennen (25%) 45 %<br />
Verkleiden (01%)<br />
Werfen (25%)<br />
________________<br />
________________<br />
________________<br />
Schusswaffen<br />
Faustfeuerwaffe (20%)<br />
Gewehr (25%)<br />
Maschinengewehr (15%)<br />
Maschinenpistole (15%)<br />
Schrotflinte (30%)<br />
________________<br />
________________<br />
Waffen<br />
Nahkampf % Schaden Hände Rw #Angriffe TP Waffe % Schaden Fehlf. Reichw. #Angriffe Schuss TP<br />
Faustschlag (50%) 1W3+Sb 1 Berührung 1 —<br />
Kopfstoß (10%) 1W4+Sb 2 Berührung 1 —<br />
Fußtritt (25%) 1W6+Sb 0 Berührung 1 —<br />
Ringen (25%) spezial 2 Berührung 1 —
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
seinen fi nsteren Häusern und gebeugten Giebeln und<br />
fragst dich ernsthaft, ob dein Onkel in den letzten Jahren<br />
seines Lebens wirklich so wenig Freunde gehabt hat.<br />
Außer dir sind nur sein Anwalt Dr. Saltonstall, ein zwielichtiger<br />
Kollege von der Miskatonic-Universität namens<br />
Dr. Shalad, der Pastor und zwei gelangweilte Totengräber<br />
anwesend — eine wahrhaft armselige Trauergemeinde<br />
für so einen großen Mann der Wissenschaft!<br />
Dein Blick schweift über das offene Grab, in dem sich<br />
trüb der kalte Regen sammelt, über die stummen, halb<br />
toten Bäume und verwitterten Grabsteine und bleibt<br />
schließlich an dem einfachen Kiefernsarg hängen, der<br />
den Leib deines Onkels enthält und nun seine letzte<br />
Ruhestatt darstellt. Das monotone Genäsel des Pastors<br />
geht beinahe im Prasseln der eisigen Regentropfen unter<br />
und es dauert einen Moment, bis du realisierst, dass<br />
nun der Moment des Abschiednehmens gekommen ist.<br />
Die Totengräber heben den <strong>Sarg</strong> an und schlurfen um die<br />
Grube herum, um deinen Onkel in die Erde zu legen, als<br />
plötzlich der dürrere der beiden <strong>Sarg</strong>träger im klatschnassen<br />
Gras ausrutscht, das Gleichgewicht verliert und in die<br />
offene Grube fällt. Mit einem dumpfen Rumpeln schlägt<br />
der <strong>Sarg</strong> an der Kante des Loches auf, der Deckel springt<br />
ab, doch statt des Leichnams deines verblichenen Oheims<br />
rollen mit lautem Poltern mehrere große Felsbrocken aus<br />
dem offenen <strong>Sarg</strong> und stürzen auf den ungeschickten Totengräber.<br />
Nach einem kurzen Moment der geschockten Stille<br />
stößt Dr. Shalad einen unverständlichen Fluch aus und<br />
wendet sich mit schnellem Schritt ab, während dein ungläubiger<br />
Blick noch immer an dem offenen <strong>Sarg</strong> hängt —<br />
von deinem Onkel fehlt jede Spur! Während der zweite<br />
Totengräber seinem Kollegen aus der Grube hilft und der<br />
schreckensbleiche Pastor noch versucht, die Anwesenden<br />
mit hohlen Plattitüden zu beruhigen, nimmt Anwalt Saltonstall<br />
dich sanft am Arm, drückt sein Bedauern über<br />
das ungeheuerliche Geschehen aus und bittet dich in sein<br />
Büro, um die unerwartete Wendung des Schicksals zu besprechen.<br />
Weiter geht es in Abschnitt 30.<br />
2<br />
Mit einem lang gezogenen Quietschen, das deine Nerven<br />
entzündet und schmerzhaft in deinen Ohren sticht,<br />
schwingt die von der Feuchtigkeit verzogene Haustüre<br />
auf und gibt den Blick auf eine düstere, enge Diele frei.<br />
Zahllose Dämonen und Untiere starren dir von Gemälden,<br />
Statuetten und Wandbehängen entgegen, und aus<br />
einer staubigen Vitrine scheinen die leeren Höhlen alter<br />
Schädel jeder deiner Bewegungen zu folgen. Mit einem<br />
fl auen Gefühl im Magen und schweißnassen Händen betrittst<br />
du vorsichtig dieses Refugium vergangener Zeiten<br />
und unbekannter Welten.<br />
<strong>Ein</strong> frostiger Windhauch streift deine Wange und mit<br />
einem markerschütternden Krachen fällt die Tür ins<br />
Schloss. Bevor du rational darüber nachdenken kannst,<br />
schlägt instinktive Furcht ihre brennenden Krallen in deinen<br />
Magen und du reißt die Tür panisch wieder auf, nur<br />
um sicher zu gehen, dass du nicht in dem schreckenserfüllten<br />
Haus gefangen bist. Mit tiefer Erleichterung stellst<br />
du fest, dass die <strong>Ein</strong>gangstür sich leicht wieder öffnen<br />
lässt und entscheidest, dass wohl nur ein starker Luftzug<br />
für ihr Zufallen verantwortlich war. Sobald du dich wie-<br />
Abschreckend und faszinierend zugleich: indische Gottheiten.<br />
der voll im Griff hast, wendest du dich erneut der Menagerie<br />
von Scheusalen zu.<br />
Auf den zweiten Blick wirken die meisten der abgebildeten<br />
Teufel nur noch halb so Furcht einfl ößend, und es<br />
ist dir dann doch etwas peinlich, dass du so leicht in abergläubische<br />
Furcht verfallen bist. Nach kurzer Inspektion<br />
kommst du zu dem Schluss, dass die hier aufgestellten<br />
Exponate nur Mitbringsel deines Onkels von seinen frühen<br />
Forschungsreisen nach Indien und in den Orient sind<br />
und nicht mit seinen morbiden Forschungen der letzten<br />
Zeit in Zusammenhang stehen. So beschließt du, dein<br />
Glück in den anderen Räumen des Hauses zu versuchen.<br />
Die Tür zur Linken führt in die Küche und zu Abschnitt<br />
40.<br />
Zur Rechten öffnet sich das Wohnzimmer in Ab schnitt<br />
14.<br />
Geradeaus fi ndet sich das Studierzimmer mit Bibliothek<br />
in Abschnitt 24.<br />
Du kannst auch die Treppe hinaufsteigen und in Abschnitt<br />
4 das Schlafzimmer untersuchen.<br />
Unter der Treppe geht es in Abschnitt 65 hinunter in<br />
den Keller.<br />
War der erste Schreck bereits zu viel für deine Nerven,<br />
so kannst du dich wieder ins Freie und zu Abschnitt 45<br />
begeben.<br />
3<br />
Mit steigender Panik wird dir klar, dass du vollkommen<br />
die Orientierung verloren hast. Dein Herz beginnt zu ra-<br />
4 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
sen, deine Brust krampft sich schmerzhaft zusammen,<br />
deine Schläfen pochen, vor deinen Augen malt die Dunkelheit<br />
feurige Kreise und Punkte auf deine Netzhaut.<br />
Immer schneller kriechst und stolperst du durch die Finsternis,<br />
der Atem geht immer schwerer, zum wiederholten<br />
Mal reißt du an deiner Krawatte, doch das Gefühl, gleich<br />
zu ersticken, wird immer stärker.<br />
Nach einer halben Ewigkeit spürst du plötzlich kalte,<br />
geborstene Steinfliesen unter deinen zerschundenen<br />
Händen. Mit einem heiseren Freudenschrei wird dir klar,<br />
dass du aus dem Alptraumlabyrinth wieder näher an die<br />
Zivilisation gekommen bist, und lässt dich völlig entkräftet<br />
auf den Steinboden niedersacken.<br />
Dein hektischer Atem beruhigt sich langsam wieder<br />
und auch das gewaltige Rauschen des Blutes in deinen<br />
Ohren wird leiser, als dein überfordertes Gehirn die leisen<br />
Anzeichen dafür wahrnimmt, dass du nicht mehr allein<br />
bist. Aus der Dunkelheit um dich herum dringt verstohlenes<br />
Hecheln und gieriges Sabbern, das leise Kratzen<br />
von Krallen und das Scharren von Hufen ist ringsum zu<br />
vernehmen.<br />
Die Panik kehrt mit Urgewalt zurück, du springst auf<br />
und stürzt dich kopflos in die erstickende Schwärze. Deine<br />
Flucht dauert nur wenige Herzschläge, bis sich mit<br />
heiserem Bellen mehrere stinkende, kräftige Kreaturen<br />
auf dich stürzen — scharfe Krallen reißen deinen Bauch<br />
auf, dolchartige Fangzähne bohren sich in deinen Nacken<br />
und das Letzte, was du vernimmst, ist das Splittern und<br />
Bersten deiner eigenen Knochen unter den Kiefern der<br />
Kreaturen, die die wahren Herren dieses lichtlosen Labyrinths<br />
sind.<br />
ENDE<br />
4<br />
Du steigst die knarrende Treppe in den ersten Stock hinauf,<br />
steckst kurz den Kopf ins Badezimmer, das außer<br />
Bergen schmutziger Wäsche nichts Interessantes enthält,<br />
und wendest dich schließlich dem Schlafzimmer zu.<br />
Im Halbdunkel — die Fensterläden sind geschlossen —<br />
kannst du nur undeutliche Schemen von Bett, Kleiderschrank<br />
und Lesesessel ausmachen. Du tastest noch nach<br />
dem Lichtschalter, als du eine undeutliche Bewegung<br />
im Sessel bemerkst. Mit einem Schrei der Überraschung<br />
starrst du die unförmige, süßlich riechende Gestalt an,<br />
die sich gerade erhoben hat und dich aus dem Halbdunkel<br />
feindselig anstarrt.<br />
Möchtest du den merkwürdigen <strong>Ein</strong>brecher angreifen,<br />
so schlage Abschnitt 28 auf.<br />
Willst du abwarten, was die Gestalt vorhat, so geht es<br />
in Abschnitt 35 weiter.<br />
5<br />
Die rechte Abzweigung beginnt schon nach wenigen Kurven<br />
langsam, aber stetig weiter nach unten zu führen. Je<br />
weiter du dem Gang folgst, desto feuchter wird er und die<br />
kalten Pfützen werden immer tiefer. Die vereinzelten Seitentunnel<br />
riechen stark nach Moder und Schimmel und<br />
schließlich gibt es kein Fortkommen mehr, als der Tunnel<br />
gänzlich in eiskaltem Wasser endet, das bis zur Decke<br />
steht. Du stößt einen saftigen Fluch aus, kratzt dich an<br />
der Nase und beschließt nach kurzer Überlegung, dein<br />
Glück in einem der Seitentunnel zu versuchen.<br />
Nachdem du mehrfach wieder bis zu den Knien im<br />
eisigen Wasser gestanden hast und frustriert aufgeben<br />
musstest, entdeckst du schließlich zu deiner Überraschung<br />
eine grob behauene Treppe, die nach oben ins<br />
Ungewisse führt.<br />
Willst du die Treppe nach oben steigen, um zu sehen,<br />
wohin sie führt, so gehe zu Abschnitt 44.<br />
Versuchst du dein Glück weiter in den feuchten,<br />
schimmligen Stollen, so lies weiter bei Abschnitt 55.<br />
6<br />
<strong>Ein</strong> lautes Krachen erklingt, als die altersschwache<br />
Schuppentür bei deinem Versuch, sie zu öffnen, unter<br />
deinen Händen zerbricht und in einzelnen, wurmstichigen<br />
Planken zu Boden fällt. Im stygischen Halbdunkel<br />
des kleinen, muffigen Raums dahinter huschen Schatten,<br />
kleinen Tieren gleich, in die entferntesten Winkel<br />
des Schuppens und ein intensiver Geruch von gärender<br />
Fäulnis und schimmligem Sprießen und Wachsen steigt<br />
dir in die Nase. Halb sehend, halb tastend versuchst du<br />
dir einen Überblick über den Inhalt des Schuppens zu<br />
verschaffen, der etliche bizarr anmutende Gerätschaften,<br />
aufgeplatzte Säcke, deren schwärender Inhalt sich über<br />
den Boden ergossen hat und von bleichen Maden und<br />
Würmern wimmelt, und Regale voll altem, rostigem,<br />
verstaubtem Unrat umfasst. Deine vorsichtig forschenden<br />
Finger schließen sich endlich um den kalten, harten<br />
Schaft einer alten Taschenlampe, die erstaunlicherweise<br />
noch zu funktionieren scheint. Du schaltest sie an und<br />
der fahle, gelbliche Lichtkegel nimmt den bedrohlichen<br />
Schatten ihren undeutlich verhüllten Schrecken. Du atmest<br />
einmal tief durch und betrachtest erneut das Innere<br />
des Schuppens, nur um fast enttäuscht festzustellen, dass<br />
er wirklich nur mit alten Gartenwerkzeugen und verdorbenem<br />
Saatgut vollgestellt ist. Falls du die Taschenlampe<br />
mitnehmen möchtest, mache dir bitte eine entsprechende<br />
Notiz. Wenn du den Schuppen doch noch genauer<br />
untersuchen willst, dann lege einen Fertigkeitswurf auf<br />
Verborgenes erkennen ab.<br />
Gelingt dieser, gehe zu Abschnitt 53.<br />
Misslingt er oder möchtest du lieber gleich das Haus<br />
untersuchen, so gehst du in Abschnitt 45 zurück in den<br />
Vorgarten.<br />
7<br />
Du spürst einen kleinen Stich, als die Schwarze Witwe<br />
ihre Giftzähne in deine Haut schlägt. Reflexartig schleuderst<br />
du das kleine Tier weit von dir und stolperst geschockt<br />
nach draußen in den kalten Regen. Mache eine<br />
Kraftprobe mit deiner KO von 12 gegen die POT des Spinnengiftes<br />
von 7.<br />
Gelingt diese, so lies bitte bei Abschnitt 64 weiter.<br />
Misslingt sie, so geht es bei Abschnitt 31 weiter.<br />
8<br />
<strong>Ein</strong>en kurzen Moment überlegst du, welche Antwort du<br />
deinem Onkel geben sollst, bis dein rationaler Verstand<br />
die Oberhand gewinnt. Wie konntest du auch nur einen<br />
kurzen Moment in Erwägung ziehen, dich diesen leichenfressenden<br />
Monstern anzuschließen und deine restliche<br />
Existenz in finsteren Katakomben zu verbringen?<br />
Du richtest dich kerzengerade auf, blickst dem Monstrum,<br />
das einmal dein Onkel war, tief in die Augen und<br />
zischst „Fahr zur Hölle, du Missgeburt!“<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 5
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Harvey taumelt zurück, als hättest du ihn körperlich<br />
geschlagen, blickt dich einen Moment völlig verwirrt an<br />
und dann entgleisen seine Züge in nichtmenschlichem<br />
Zorn — das Monster zeigt endlich sein wahres Gesicht!<br />
„Zerfetzt ihn, meine Brüder!“, faucht er und duckt sich<br />
selbst zum Sprung.<br />
Wenn du Prinns Crux Ansata besitzt, gehe zu Abschnitt<br />
51.<br />
Andernfalls lies weiter in Abschnitt 23.<br />
9<br />
Nachdem du mit entsprechend eindeutigen Worten den<br />
wachhabenden Offi cer O’Bannion in seine Schranken<br />
verwiesen hast, öffnet er dir wortlos und mürrisch die<br />
Tür in den hinteren Teil der Polizeiwache und deutet auf<br />
die letzte Tür auf der rechten Seite des düsteren, muffi gen<br />
Korridors. Stockfl ecken malen ein leicht beunruhigendes<br />
Muster in grauen und grünen Schlieren auf den Putz,<br />
Spinnweben hängen wie altersverblasste Trauerschleier<br />
von der Decke und ein fast stoffl icher Hauch von saurem<br />
Schweiß, kaltem Zigarettenrauch und Gleichgültigkeit<br />
schlägt dir entgegen, als du die Tür mit dem abblätternden<br />
Anstrich öffnest und das Büro von Detective Stuckey<br />
betrittst. Ray Stuckey schreckt aus seinem Mittagsschläfchen<br />
auf. Der verknitterte, abgehalfterte Cop mustert<br />
dich feindselig aus blutunterlaufenen Augen, schiebt<br />
einen abgekauten Zahnstocher von einem Mundwinkel<br />
in den anderen und stößt mit alkoholschwangerem<br />
Atem ein kaum verständliches „Ja,<br />
was is’? Wer sind Sie denn?“ aus. Du<br />
schluckst eine unfreundliche Entgegnung<br />
herunter und sparst dir einen<br />
Kommentar zu seinem Äußeren —<br />
schließlich ist er ja ein „schwer<br />
beschäftigter“ Ermittler —<br />
und trägst so höfl ich wie möglich<br />
dein Anliegen vor.<br />
Er grunzt etwas völlig Unverständliches,<br />
vermutlich einen Fluch<br />
oder eine Beleidigung, wühlt kurz in<br />
einem beeindruckend großen Aktenstapel,<br />
der so aussieht, als würde er<br />
jeden Moment zusammenfallen, und<br />
zieht einen kaffeefl eckigen Aktendeckel<br />
heraus. Nach kurzem Studium Ray Stuckey.<br />
der wenigen Blätter darin räuspert er<br />
sich laut und gibt dir gelangweilt eine Zusammenfassung<br />
des Ermittlungsstandes. Dein Onkel Harvey wurde vor einer<br />
Woche in seinem Haus vom örtlichen Briefträger tot<br />
aufgefunden. Dieser war misstrauisch geworden, nachdem<br />
Harvey seit einer Woche seinen Briefkasten nicht<br />
mehr geleert hatte, und betrat das Haus durch die offene<br />
Haustür. Er fand den Leichnam auf dem Bett liegend vor<br />
und alarmierte die Polizei. Detective Stuckey untersuchte<br />
das Haus und fand keine Anzeichen für ein gewaltsames<br />
<strong>Ein</strong>dringen oder einen Kampf. Der Tote wurde daraufhin<br />
dem Coroner zur <strong>Leiche</strong>nbeschau übergeben. Dieser<br />
vermerkte als offi zielle Todesursache Herzversagen,<br />
eine Obduktion wurde nicht durchgeführt. Die <strong>Leiche</strong><br />
wurde an das Bestattungsunternehmen Eleazar’s Funeral<br />
Home übergeben, Dr. Saltonstall eingeschaltet, um etwaige<br />
Erben ausfi ndig zu machen, und der Fall wurde daraufhin<br />
als abgeschlossen angesehen. Detective Stuckey<br />
wirft die Akte zurück auf den Stapel, kneift mürrisch die<br />
Augen zu und mustert dich feindselig: „Tja, mehr gibt’s<br />
dazu wohl nich’ zu sagen. Hören Sie, Mister, wenn Sie<br />
wissen, was gut für Sie ist, dann vergessen Sie die ganze<br />
Sache einfach. Ihr feiner Onkel hatte nicht gerade den<br />
besten Leumund in dieser Stadt. Die Leute haben sich<br />
ständig das Maul zerrissen über seine morbiden Interessen,<br />
seine nächtlichen Spaziergänge auf den Friedhöfen<br />
und seine ständigen Fragen über alte Beerdigungen und<br />
anderes komisches Zeug. Dann waren da auch noch diese<br />
ganzen seltsamen Besucher, die er nur nachts hatte, und<br />
mehrere Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen<br />
und so. Is’ besser, wenn Sie Ihre Angelegenheiten hier<br />
regeln, ihren alten Herren in guter Erinnerung behalten<br />
und schnell wieder verschwinden. So, ich hab’ noch zu<br />
tun, schönen Tag auch! Ach ja, mein herzliches Beileid!“<br />
Mit diesen Worten schiebt Detective Stuckey dich in den<br />
Korridor, und bevor du noch eine wütende Entgegnung<br />
hervorbringen kannst, knallt er dir die Tür vor der Nase<br />
zu. Trotz aller Empörung und gerechtem Zorn musst du<br />
wohl einsehen, dass du hier nicht weiterkommst. Vielleicht<br />
fi ndet Velma für dich ein paar tröstende Worte in<br />
Abschnitt 10.<br />
10<br />
Velma’s Diner ist ein typisches Etablissement der Kategorie<br />
Imbissstube: lange Theke mit Hockern, Sitzecken<br />
entlang der Wände und eine große Auswahl an Pies unter<br />
leicht schmierigen Käseglocken.<br />
Mit einem wohligen Seufzen, dankbar,<br />
endlich wieder im Warmen und<br />
Trockenen zu sein, lässt du dich auf<br />
einem der Hocker nieder und winkst<br />
der ältlichen Bedienung. „<strong>Ein</strong> übles<br />
Wetter, nich’ wahr, Sir? Was darf<br />
ich Ihnen denn bringen? Kaffee und<br />
’n Steak?“, nuschelt Velma um die<br />
Kippe in ihrem Mundwinkel herum<br />
und schenkt dir ein ganz und<br />
gar nicht unfreundliches Lächeln.<br />
„Zum Nachtisch kann ich heute den<br />
Aprikosenkuchen empfehlen, vom<br />
Kirschkuchen würde ich die Finger<br />
lassen, wenn Sie noch etwas älter<br />
werden wollen, der stammt wohl<br />
noch von meiner lieben Mutter, Gott<br />
hab’ sie selig!“ Du entgegnest ihr Lächeln und bestellst<br />
das empfohlene Menü.<br />
Während der Mahlzeit widmest du dich der ausliegenden<br />
Ausgabe des Arkham Advertiser, einer der zwei Lokalzeitungen.<br />
Neben etlichen uninteressanten Artikeln<br />
über das gesellschaftliche Leben der örtlichen Land- und<br />
Stadtbevölkerung fi nden sich aber auch Berichte über<br />
seltsame Lichterscheinungen in Billingtons Wäldern,<br />
Viehverstümmelungen bei Dunwich und verschwundene<br />
<strong>Leiche</strong>n auf den örtlichen Friedhöfen, was vermutlich<br />
auf das Konto von <strong>Leiche</strong>ndieben geht. Die Vorstellung,<br />
dass der Leichnam deines Onkels vielleicht auch von<br />
<strong>Leiche</strong>ndieben entwendet worden sein könnte und nun<br />
möglicherweise von einem skrupellosen Medizinstudenten<br />
im fl ackernden Schein einer Petroleumlampe heimlich<br />
seziert wird, jagt dir Schauder über den Rücken und<br />
lässt dich gänzlich den Appetit verlieren. In was für eine<br />
6 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
Immer wieder willkommen.<br />
Stadt ist Onkel Harvey da nur gezogen? Du begleichst die<br />
Rechnung, lobst Velma noch ob des vorzüglichen Steaks<br />
und überlegst dann konkret, welche Optionen du hast,<br />
um dem Mysterium auf den Grund zu gehen.<br />
Die Polizeiwache kannst du in Abschnitt 21 besuchen.<br />
Das Bestattungsinstitut erwartet dich in Abschnitt 38.<br />
Dr. Shalad empfängt dich in Abschnitt 34.<br />
Das Haus des Onkels fi ndet sich in Abschnitt 45.<br />
11<br />
Der Anblick der alptraumhaften Monstrosität vor dir<br />
ist einfach zu viel für dich und dein gequälter Verstand<br />
entscheidet sich dafür, eine wohlverdiente Auszeit zu<br />
nehmen. Seltsam detachiert, als wärest du jemand ganz<br />
anderes, beobachtest du, <strong>ohne</strong> dass du zu einer Regung<br />
fähig wärest, wie die Kreatur ihre Mahlzeit fallen lässt<br />
und langsam mit ungelenken Bewegungen auf dich zukommt.<br />
Das unförmige Wesen beschnüffelt dich ausgiebig<br />
und öffnet dann weit die sabbertriefenden Kiefer. Du<br />
wunderst dich noch, wie kristallklar<br />
du wahrnimmst, dass in<br />
dem rötlichen Schlund mehrere<br />
der gelblichen Reißzähne bereits<br />
herausgefault zu sein scheinen,<br />
und betrachtest innerlich hysterisch<br />
kichernd, wie sich die brutalen<br />
Fänge mit lautem Schnappen<br />
um deine Kehle schließen<br />
und diese mit einem feuchten<br />
Gurgeln herausreißen. Gnädige<br />
Ohnmacht umfängt endlich<br />
deinen Geist, und so musst du<br />
zumindest nicht mehr mit ansehen,<br />
wie du bei lebendigem Leib<br />
aufgefressen wirst.<br />
ENDE<br />
Dein Onkel Harvey in besseren Zeiten.<br />
12<br />
In der Schublade des Nachttischchens wirst du schließlich<br />
doch noch fündig. Unter benutzten Taschentüchern stößt<br />
du auf einen geladenen Revolver Kaliber .38. Möchtest<br />
du ihn an dich nehmen, so mache dir bitte eine entsprechende<br />
Notiz. Im Kampf beträgt die Trefferchance mit<br />
dieser Waffe 20% und sie richtet 1W10 Punkte Schaden<br />
an. Du darfst zwei Schüsse pro Kampfrunde abgeben; geladen<br />
ist die Waffe aber mit nur vier Patronen, die anderen<br />
beiden Kammern sind leer. Leider fi nden sich keine<br />
weiteren Patronen für den Revolver.<br />
Da es hier nichts weiter zu entdecken gibt, steigst du<br />
wieder die Treppe ins Erdgeschoss hinab und fi ndest dich<br />
in der Diele wieder — in Abschnitt 2.<br />
13<br />
Nach einigen Biegungen bemerkst du voraus das gleichmäßige<br />
Leuchten elektrischen Lichtes. Vorsichtig näherst<br />
du dich der Quelle des Lichts und kannst kaum<br />
deinen Augen trauen, als du ein Mausoleum betrittst. In<br />
der weitläufi gen Gruft stapeln sich massenhaft Bücher<br />
und auf einem steinernen Sarkophag steht eine moderne<br />
Schreibmaschine, hinter der eine graue Monstrosität<br />
kauert, die den auffällig geblümten Morgenmantel deines<br />
Onkels trägt. Nur am Rande nimmst du die anderen hundeartigen<br />
Kreaturen war, die in den düsteren Ecken der<br />
Gruft lauern, zu groß ist deine Bestürzung, als das Wesen<br />
aufblickt und seine Lefzen zu einer höhnischen Karikatur<br />
eines Lächelns verzerrt. Auch wenn seine Züge ihm kaum<br />
noch ähneln, so erkennst du dennoch in den schwefelgelben<br />
Augen deinen geliebten Onkel Harvey wieder! Mach<br />
einen Stabilitätswurf für die gesamte Szenerie. Gelingt er,<br />
verlierst du einen Punkt, andernfalls sind es 6 Punkte. Im<br />
letzteren Fall mach einen Ideenwurf. Misslingt er, schützt<br />
dich dein Hirn vor der Realisierung, welchem Grauen du<br />
gegenüberstehst, und du bleibst ruhig. Gelingt er, heißt<br />
das, dass du kurzzeitig durchdrehst und die Flucht zu Abschnitt<br />
33 ergreifst, wo du dich dann auch wieder fängst.<br />
Bleibst du bei Verstand, hast du die Wahl:<br />
Vertraust du darauf, dass die Kreatur vor dir im Kern<br />
doch noch dein geliebter Onkel ist, so kannst du ruhig<br />
verharren und ihn in Abschnitt 39 ansprechen.<br />
Möchtest du der Monstrosität vor dir ein schnelles<br />
Ende bereiten und unverzüglich angreifen, so lies weiter<br />
in Abschnitt 52.<br />
Suchst du dein Heil in der Flucht, so geht es weiter in<br />
Abschnitt 33.<br />
14<br />
Das Wohnzimmer liegt in ruhigem Dornröschenschlaf<br />
und erinnert dich an glücklichere<br />
Jahre der Kindheit, in denen du oft<br />
den Sommer bei Onkel Harvey verbracht<br />
hast. Auf dem abgewetzten Ledersofa<br />
hast du dann gesessen und seinen Erzählungen<br />
von Lampengeistern, Kalifen und<br />
Riesen gelauscht. Das alte Schaukelpferd<br />
neben dem Kamin hat auch schon deinem<br />
Vater bei seinen kindlichen Ausritten treu<br />
gedient und die verblichenen Fotografi en<br />
auf dem Kaminsims zeigen den alten Herren<br />
in guten Zeiten, an die du dich nur zu<br />
gerne zurückerinnerst.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 7
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Du verweilst einen Moment in stiller <strong>Ein</strong>kehr. Harvey<br />
hatte immer Verständnis für deine Ambitionen, eine akademische<br />
Laufbahn einzuschlagen, und hat sich deswegen<br />
oft mit deinem Vater gestritten, der unbedingt wollte,<br />
dass du ihm in seinen Fußstapfen als Buchhalter folgst.<br />
Er war dir immer eine Leitfi gur und scheute sich nie,<br />
dir eine helfende Hand zu reichen oder ein freundliches<br />
Wort zu schenken, wenn du glaubtest, mit dem Druck<br />
des Studiums nicht mehr fertig zu werden.<br />
Du wischst diese sentimentalen Gedanken beiseite und<br />
siehst dich im Raum um, ob es etwas zu entdecken gibt,<br />
was dich der Lösung des Rätsels ein Stück näher bringen<br />
könnte. Würfele auf Verborgenes erkennen.<br />
Gelingt der Wurf, so geht es bei Abschnitt 41 weiter.<br />
Misslingt er, so begibst du dich <strong>ohne</strong> etwas Interessantes<br />
entdeckt zu haben wieder in die Diele bei Abschnitt 2.<br />
15<br />
Mit leicht mulmigem Gefühl ziehst du das Tagebuch deines<br />
Onkels aus der Tasche und reichst es Dr. Armitage. Er<br />
nimmt es mit einem Stirnrunzeln entgegen und überfl iegt<br />
die letzten <strong>Ein</strong>träge. Sein Gesichtsausdruck wird immer<br />
ernster, je mehr er darin liest, und von Minute zu Minute<br />
scheint er älter und müder zu werden. Schließlich<br />
schließt er das Buch, reibt sich die Augen und wendet<br />
sich mit einem tiefen Seufzen an dich: „Die Sache scheint<br />
ernster zu sein, als ich dachte. Dr. Simms hatte offensichtlich<br />
Kontakt zu Kreaturen, die man Ghoule nennt.<br />
Diese hundeartigen <strong>Leiche</strong>nfresser werden in mehreren<br />
blasphemischen Manuskripten erwähnt, die auch von<br />
Ihrem Onkel eingesehen wurden. Diese schriftlichen<br />
Quellen sagen, dass die Ghoule unter der Erde leben und<br />
häufi g auf alten Friedhöfen zu fi nden sind, die ihnen sowohl<br />
Lebensraum als auch Nahrungsquellen bieten. Ich<br />
habe Berichte gefunden, die diese abscheulichen Wesen<br />
mit den Katakomben unter dem antiken Rom und dem<br />
frühneuzeitlichen Paris in Verbindung bringen und auch<br />
von menschlichen Kulten erzählen, die diese widerlichen<br />
Nekrophagen verehren und ihnen dienen. Aus den Aufzeichnungen<br />
Ihres Onkels lässt sich schließen, dass diese<br />
Monster auch in Arkham hausen! Sollte der Leichnam<br />
Ihres Onkels in die Hände dieser Abscheulichkeiten gefallen<br />
sein, so ist gar nicht auszudenken, was sie mit ihm<br />
anstellen werden! Sollten Sie wirklich willens sein, sich<br />
mit diesen Wesen anzulegen, um ihnen die sterblichen<br />
Überreste von Dr. Simms abzujagen, so kann ich Ihnen<br />
behilfl ich sein. Was sagen Sie?“<br />
Wenn du Dr. Armitages Hilfe in Anspruch nimmst,<br />
geht es in Abschnitt 17 weiter.<br />
Sollte dir die ganze Sache zu heiß werden, so kannst du<br />
in Abschnitt 59 immer noch den Nachtzug nach Boston<br />
nehmen und die ganze Angelegenheit hinter dir lassen.<br />
16<br />
Du holst die alte Taschenlampe aus deiner Manteltasche<br />
hervor und schaltest sie an. Ihr gelblicher Lichtstrahl ist<br />
zwar schwach und diffus, erhellt aber den engen Tunnel<br />
ausreichend, um sich orientieren zu können. Du schickst<br />
ein stummes Gebet gen Himmel, dass die Batterien der<br />
alten Lampe lange genug halten mögen, um dich wieder<br />
bis zur Oberfl äche zu bringen, und trittst mit klopfendem<br />
Herzen in den modrigen Stollen.<br />
Schon nach kurzem Fußmarsch zweigen die ersten<br />
niedrigen Tunnel vom Hauptstollen ab, und dir wird klar,<br />
dass du es nicht mit einem einzelnen Gang zu tun hast,<br />
sondern mit einem weitverzweigten Netz von Kriechgängen,<br />
das sich labyrinthartig unter einem großen Teil<br />
der Stadt Arkham erstreckt. Um nicht die Orientierung<br />
zu verlieren, meidest du alle Seitengänge und folgst dem<br />
Hauptgang, der leicht abschüssig immer weiter in die<br />
Tiefe führt. Nach einiger Zeit allerdings gabelt sich der<br />
Hauptgang. Du untersuchst die beiden weiterführenden<br />
Stollen gründlich, kannst aber keinerlei Hinweise darauf<br />
fi nden, wohin sie führen. Auch anhand der Spuren im<br />
weichen Boden lässt sich kein Rückschluss darauf ziehen,<br />
welcher Gang mehr frequentiert ist. Du kratzt dich frustriert<br />
hinter dem Ohr, schiebst den Hut in den Nacken und<br />
triffst eine reine Bauchentscheidung.<br />
Gehst du nach links, dann lies bitte in Abschnitt 32<br />
weiter.<br />
Nimmst du den rechten Abzweig, dann schlage bitte<br />
Abschnitt 5 auf.<br />
17<br />
Du nimmst all deinen Mut zusammen, schluckst den dicken<br />
Kloß in deinem Hals herunter und verkündest deine<br />
Zustimmung zu dem waghalsigen Plan. Dr. Armitage lächelt<br />
wohlwollend und entschlossen, geht zu einem kleinen<br />
Kästchen in einem der Bücherregale und entnimmt<br />
diesem ein silbernes Henkelkreuz. „Dieses Kreuz nennt<br />
man Prinns Crux Ansata. Es ist ein mächtiges Artefakt,<br />
das in der Lage ist, die fi nsteren Kreaturen zu vertreiben,<br />
die sich Ihres Onkels bemächtigt<br />
haben. Ich kann Ihnen leider nicht<br />
garantieren, dass seine Macht ausreicht,<br />
um diese Bedrohung zu überwinden,<br />
aber es dürfte die stärkste<br />
Waffe sein, die Sie hier fi nden werden.“<br />
Mit diesen Worten reicht er dir<br />
das kleine Kreuz. Es liegt erstaunlich<br />
schwer in der Hand und seine kalte,<br />
solide Form und die verschlungenen<br />
Symbole darauf geben dir Zuversicht.<br />
Dr. Armitage erklärt dir, wie man das<br />
Artefakt anwendet und bringt dir einen<br />
kurzen Sprechgesang bei, den<br />
du intonieren musst, um die Macht<br />
des Kreuzes zu entfesseln.<br />
Lebensrettendes Arte fakt<br />
„Wenn Sie ihrem Onkel noch hel- oder unnützer Tand?<br />
fen wollen, dann sollten Sie keine<br />
weitere Zeit mehr verlieren. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich<br />
Gute und viel Erfolg bei Ihrer Unternehmung.<br />
Bei den alten Ägyptern galt das Henkelkreuz als Zeichen<br />
des Lebens — möge es Ihr Leben schützen!“ Mit diesen<br />
ermutigenden Worten bittet Dr. Armitage dich aus seinem<br />
Büro und drückt noch einmal kräftig zum Abschied<br />
deine schweißnasse Hand. Deine innige Hoffnung ist es,<br />
dass dies kein Abschied für immer ist.<br />
Du kehrst nun in Abschnitt 10 zu Velma zurück, um<br />
deine Nachforschungen zu einem Abschluss zu bringen.<br />
18<br />
Nach einem kurzen Moment des Schweigens lehnt Dr.<br />
Shalad sich vor und blickt dir fest in die Augen. „Ihr Onkel<br />
Harvey war ein guter Mann und mir selbst ein teurer<br />
Freund. Wie Sie sicher wissen, hatte er in den letzten<br />
8 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
Dr. Shalad berichtet von düsteren Geheimnissen<br />
Jahren seiner akademischen Laufbahn seine Studien auf<br />
einen Teilbereich der Orientalistik verlegt, der von vielen<br />
Fachkollegen als sehr kontrovers betrachtet wird. Er<br />
hat sich mit alten Mythen und Kulturen beschäftigt, deren<br />
Wahrheitsgehalt und Existenz in Fachkreisen heftig<br />
umstritten sind, und diese Streitigkeiten haben auch zu<br />
seinem Entschluss geführt, sich nach Arkham zurückzuziehen.<br />
Hier beschäftigte er sich vorrangig mit den Bestattungsriten<br />
untergegangener Kulturen und den Praktiken<br />
dunkler Kulte, die von <strong>Leiche</strong>nraub und dem Diebstahl<br />
von Grabbeigaben bis hin zur Nekrophagie reichten. In<br />
letzter Zeit musste ich mit großer Besorgnis mit ansehen,<br />
wie sich sein wissenschaftliches Forscherinteresse zur<br />
Obsession steigerte. Er war jedoch bereits über den Punkt<br />
hinaus, an dem er noch auf die Stimme der Vernunft gehört<br />
hätte.<br />
Als ich von seinem Tod erfuhr, bestärkte dies nur meine<br />
Sorge, dass seine Studien eine fi nstere Wendung genommen<br />
haben. Die Beerdigung heute Morgen mit dem<br />
leeren <strong>Sarg</strong> voller Steine lässt mich fürchten, dass ihn ein<br />
noch schlimmeres Schicksal als der Tod ereilt hat!“<br />
Hier stockt seine Rede und alle Bemühungen, ihn zum<br />
Weiterreden zu bringen, scheitern. Bevor er dich mit müdem<br />
Blick aus seinem Büro bittet, gibt er dir lediglich den<br />
Ratschlag, die Orne-Bibliothek hier am Campus aufzusuchen,<br />
da dein Onkel hier den Großteil seiner theoretischen<br />
Studien betrieben habe. Als du schon fast zur Türe<br />
hinaus bist, hält er dich noch einmal mit den Worten auf:<br />
„Ich würde Ihnen viel Glück für Ihre Suche nach der<br />
Wahrheit wünschen, glaube aber, dass dies mehr Fluch<br />
als Segen wäre. Wenn Sie einen gut gemeinten Ratschlag<br />
annehmen wollen, so sage ich Ihnen, dass es das Beste<br />
wäre, wenn Sie Ihre Suche aufgeben. Manche Dinge<br />
sollten besser begraben bleiben und jeder Versuch, sie<br />
ans Licht des Tages zu bringen, wird nur unsagbares Leid<br />
verursachen. Leben Sie wohl, mein junger Freund!“ Er<br />
reicht dir zum Abschied die Hand und bittet dich endgültig<br />
aus seinem Büro hinaus. Du stehst auf einem Flur<br />
voll lärmender, fröhlicher Studenten und vor diesem Anblick<br />
vibrierenden, realen Lebens erscheinen dir die gerade<br />
vernommenen Geschichten von dunklen Kulten und<br />
<strong>Leiche</strong>nfressern doch sehr weit hergeholt.<br />
Willst du Dr. Shalads Geschichten dennoch auf ihren<br />
Wahrheitsgehalt überprüfen, so fi ndest du die Orne-Bibliothek<br />
in Abschnitt 46.<br />
Ist dir eher nach einem kräftigen Abendessen, so hat<br />
Velma’s Diner immer noch geöffnet, in Abschnitt 10.<br />
19<br />
Du musst einsehen, dass sich nicht jeder zum Helden eignet.<br />
Nüchtern betrachtet ist es auch einfach Wahnsinn,<br />
im Alleingang durch diese grauenhaften unterirdischen<br />
Tunnel zu stolpern und nur darauf zu warten, von seltsamen<br />
Kreaturen gefressen zu werden. Schweren Herzens<br />
öffnest du die Tür der Krypta und begibst dich auf<br />
schnellstem Weg zum Bahnhof.<br />
Als du endlich mit dem Morgenzug Arkham verlässt,<br />
schwörst du dir, ein paar gute Freunde zusammenzutrommeln<br />
und mit ihnen zur Aufklärung des Verschwindens<br />
der <strong>Leiche</strong> deines Onkels zurückzukehren.<br />
ENDE<br />
20<br />
Nach hartem Ringen gewinnt die größere Stärke und Zähigkeit<br />
der Kreatur die Oberhand. Aus mehreren Wunden<br />
blutend, erlahmen deine Kräfte und du weichst nicht<br />
mehr schnell genug aus, als seine Kiefer zum wiederholten<br />
Male nach dir schnappen und sich um deine Kehle<br />
schließen. Begleitet von einem unerträglichen Schmerz,<br />
der dir durch Mark und Bein fährt, reißt er dir mit einem<br />
feuchten Gurgeln den Hals auf. Heiß spritzt dein Blut<br />
über seine triumphierende Fratze und rinnt seinen bellenden<br />
Schlund hinunter. Kurz bevor dir endgültig die<br />
Sinne schwinden, gilt dein letzter Gedanke deinem geliebten<br />
Onkel Harvey, und die bittere Erkenntnis, versagt<br />
zu haben, wiegt schwerer als der Schmerz.<br />
ENDE<br />
21<br />
Schon von außen macht das niedrige, gedrungene Backsteingebäude<br />
der Polizeistation den beunruhigenden <strong>Ein</strong>druck<br />
eines zum Sprung geduckten Raubtieres. Das Gefühl,<br />
hier nicht willkommen zu sein, verstärkt sich noch,<br />
als dich der vierschrötige, irischstämmige Polizeibeamte,<br />
an den man dich verwiesen hat, herrisch anblafft: „Ja,<br />
was wollen Sie?!?“ Leicht eingeschüchtert stellst du dich<br />
vor, schilderst den Fall des verschwundenen Onkels und<br />
bittest darum, mit dem Kollegen zu sprechen, der den<br />
Fall bearbeitet. Noch bevor du dein Anliegen ganz vorgebracht<br />
hast, wird dir von Offi cer O’Bannion das Wort<br />
abgeschnitten: „Hören Sie mal, Mister. Tut mir ja echt leid<br />
mit Ihrem Onkel, aber so weit uns das Ganze angeht, war<br />
am Ableben ihres Onkels gar nichts merkwürdig. Der alte<br />
Herr wurde vom Briefträger gefunden, nachdem er eine<br />
Woche lang seinen Briefkasten nicht mehr geleert hatte,<br />
und der <strong>Leiche</strong>nbeschauer hat als Todesursache Herzversagen<br />
festgestellt. Wir sind sehr beschäftigte Leute und<br />
haben deshalb nur wenig Zeit, und schon gar keine, um<br />
Fälle zu diskutieren, die gar keine sind. Wenn Sie die <strong>Leiche</strong><br />
Ihres Onkels als gestohlen melden wollen, dann kann<br />
ich gerne ’ne Anzeige aufnehmen, aber ansonsten kann<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 9
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
ich nichts für Sie tun!“<br />
An der heftigen Reaktion des<br />
Wachtmeisters merkst du schnell,<br />
dass er dich nur abwimmeln will und<br />
du mit Freundlichkeit hier nicht weiterkommst.<br />
Falls du auf dein Recht<br />
pochen willst und mit Nachdruck<br />
verlangen willst, den Detective zu<br />
sprechen, der den Fall deines Onkels<br />
bearbeitet, musst du einen Fertigkeitswurf<br />
auf Ansehen, Gesetzeskenntnisse<br />
oder Überzeugen ablegen. Suche<br />
dir eine der Fertigkeiten aus; du hast<br />
insgesamt nur einen Versuch.<br />
Falls der Wurf gelingt, kannst du<br />
mit Detective Stuckey in Abschnitt 9<br />
sprechen.<br />
Andernfalls musst du dir wohl bei<br />
einem Kaffee etwas anderes einfallen<br />
lassen, in Abschnitt 10.<br />
22<br />
Nach einiger Zeit bemerkst du zwi-<br />
schen Schreibtisch und Papierkorb eine ledergebundene<br />
Kladde, die scheinbar bei der Durchsuchung des Arbeitszimmers<br />
heruntergefallen ist und von dem unbekannten<br />
Plünderer übersehen wurde. Du bückst dich, fi schst das<br />
Büchlein aus seinem unfreiwilligen Versteck heraus und<br />
stellst mit Freude fest, dass es sich offensichtlich um das<br />
Tagebuch deines Onkels handelt.<br />
Du machst es dir wieder in einem der Ohrensessel<br />
bequem und studierst die handschriftlichen Aufzeichnungen.<br />
Die Lektüre des Tagebuches erweist sich als<br />
schwieriger als erwartet, da die früher penibel ordentliche<br />
Handschrift deines Onkels gerade in den letzten<br />
<strong>Ein</strong>trägen immer unleserlicher und schlampiger wird.<br />
Der Inhalt seiner Aufzeichnungen lässt Zweifel an seiner<br />
geistigen Gesundheit aufkommen. Er beschreibt seine<br />
Studien über die Begräbnisriten in Neuengland von der<br />
Siedlerzeit bis in die heutigen Tage und entspinnt morbide<br />
Theorien über Kannibalismus und noch abartigere<br />
Praktiken der Menschen dieser Region sowie ihre Kontakte<br />
zu leichenfressenden Ghoulen, hundeartigen Karikaturen<br />
menschlicher Wesen, die auf Friedhöfen hausen<br />
und sich an den Verstorbenen gütlich tun. Er scheint eine<br />
immer stärkere Faszination für diese Legenden zu entwickeln<br />
und behauptet gegen Ende sogar, mit diesen Kreaturen<br />
Kontakt gehabt und mit ihnen Gespräche geführt<br />
zu haben, nachdem er ihre irrsinnige Sprache von Miep-<br />
und Fieplauten erlernt hatte.<br />
In den letzten Monaten seines Lebens sinniert er oft<br />
über das Ende seiner eigenen sterblichen Existenz und<br />
entwirft komplexe Pläne für ein Leben nach dem Tod. Er<br />
scheint keine Angst vor dem Tod zu haben, sondern ihn<br />
sogar herbeizusehnen, wobei er über das Sterben und die<br />
Zeit danach beiläufi g schreibt wie über den Umzug von<br />
einer Stadt in eine andere und nicht wie über den fi nalen<br />
Übertritt in eine jenseitige Existenz. Mit wachsendem<br />
Grauen liest du im letzten <strong>Ein</strong>trag, dass er nochmals mit<br />
den Ghoulen gesprochen hat und diese ihm angekündigt<br />
haben, dass sie ihn nach seinem Tode holen und unter die<br />
Erde bringen werden!<br />
O’Bannion nimmt seine Pfl ichten<br />
sehr ernst.<br />
Entsetzt schlägst du das Buch zu<br />
und springst aus dem Sessel auf. Der<br />
Leichnam deines geliebten Onkels in<br />
den Händen leichenfressender Kreaturen,<br />
die vielleicht gerade in diesem<br />
Moment die Fänge schärfen, um sich<br />
an ihm zu laben — absolut undenkbar<br />
und hirnrissig! Dein Onkel muss<br />
in seinen letzten Tagen geistig umnachtet<br />
gewesen sein. Oder?<br />
Im Arbeitszimmer scheint sonst<br />
nichts Interessantes mehr zu fi nden<br />
zu sein, und so wendest du dich<br />
wieder den anderen Räumlichkeiten<br />
zu. Wenn du das Tagebuch behalten<br />
willst, mache bitte eine entsprechende<br />
Notiz und gehe dann weiter zu<br />
Abschnitt 2.<br />
23<br />
Dein Akt des Widerstandes mag zwar<br />
äußerst heroisch und moralisch einwandfrei<br />
sein, aber wie sagt schon<br />
das Sprichwort: Helden sterben einsam.<br />
Du versuchst noch eine verzweifelte Gegenwehr, aber<br />
die geifernde Meute überwältigt dich schon allein durch<br />
ihre Masse mit Leichtigkeit. Die stinkenden Bestien beißen<br />
sich in deinen Armen und Beinen fest und drücken dich mit<br />
roher Gewalt zu Boden. Durch den rötlichen Schleier von<br />
Schmerzen siehst du Harvey langsam auf dich zukommen<br />
und mit hasserfüllten Tieraugen auf dich herabstarren. Mit<br />
einer schnellen Bewegung stürzt er sich auf deinen wehrlosen<br />
Leib, bricht mit seinen Klauen deine Rippenbögen auf<br />
und vergräbt seine Schnauze tief in deinem Brustkasten.<br />
<strong>Ein</strong> unbeschreiblicher Schmerz fährt durch deinen ganzen<br />
Körper und das Letzte, was deine Augen in dieser Welt sehen,<br />
ist dein zuckendes Herz, das im Rachen deines Onkels<br />
verschwindet. Dann bricht dein Blick.<br />
ENDE<br />
24<br />
Das Arbeitszimmer sieht auf den ersten Blick wie ein<br />
Schlachtfeld aus. Wo einst Bücher standen, klaffen in<br />
den Bücherregalen große Lücken, die Schubladen des<br />
Schreibtisches stehen offen und wurden offensichtlich<br />
durchwühlt und teilweise entleert, an den Wänden zeigen<br />
helle Stellen, wo noch vor kurzem Bilder hingen,<br />
und auf dem dicken Perserteppich liegen zahllose Papiere<br />
und kleine Objekte wahllos verstreut. Du setzt dich<br />
kurz in einen der bequemen Ohrensessel und nimmst die<br />
Verwüstung stumm in dich auf, bis dir ein paar Details<br />
auffallen, die den ersten <strong>Ein</strong>druck einer lieblosen Durchsuchung<br />
durch <strong>Ein</strong>brecher in Frage stellen.<br />
Nur sehr wenige der herumliegenden Objekte sind<br />
beschädigt, wertvolle Antiquitäten stehen nach wie vor<br />
an ihrem Platz, während wertlose Dinge wie Schreibmaschinenpapier<br />
und Tintenfässchen fehlen — und welcher<br />
Dieb stiehlt schon alte Familienfotos von den Wänden?<br />
Deine Verwirrung steigt noch, als du dich den Bücherregalen<br />
zuwendest. Zahlreiche wertvolle Erstausgaben<br />
der Klassiker der Weltliteratur stehen noch unberührt<br />
an ihrem Platz, während alle Wörterbücher und mehrere<br />
Lexika zu fehlen scheinen. Die größte Anzahl an Werken<br />
10 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
fehlt in den Regalfächern, die die okkulten und ethnografi<br />
schen Bücher beherbergten, und alle Ausgaben der<br />
Schriften deines Onkels sind verschwunden.<br />
Du setzt dich an den Schreibtisch und lässt weiter deinen<br />
Blick kritisch über den ganzen Raum und die offensichtlich<br />
gezielte Plünderung schweifen. Du suchst nach<br />
einem Hinweis, der dir Aufschluss darüber liefern könnte,<br />
was sich hier abgespielt hat. Mache einen Fertigkeitswurf<br />
auf Verborgenes erkennen.<br />
Gelingt er, so lies bitte in Abschnitt 22 weiter.<br />
Andernfalls kehrst du in Abschnitt 2 in die Diele zurück,<br />
um deine Untersuchung des Hauses fortzusetzen.<br />
25<br />
Du schleichst vorsichtig auf das fl ackernde Licht zu und<br />
versuchst dich seelisch auf alles Mögliche einzustellen,<br />
das dir gleich begegnen könnte. Als du das Ende des Tunnels<br />
erreichst, schlägt dir ein unbeschreiblich übler Gestank<br />
entgegen und du hörst ein widerwärtiges Schmatzen<br />
und Schlürfen. Du schiebst vorsichtig den Kopf um<br />
die Ecke und wirst im fl ackernden Schein einer einzelnen<br />
Kerze einer bizarren Szene gewahr, die dir das Blut in den<br />
Adern stocken lässt. Inmitten der Gruft siehst du einen<br />
offenen <strong>Sarg</strong>, in dem eine junge Frau im Totenhemd liegt.<br />
Ihr Schädel wurde vorsichtig aufgemeißelt und über die<br />
entblößte Hirnmasse beugt sich eine klobige humanoide<br />
Gestalt, die am Hirn frisst.<br />
Unbeschreibliche Furcht greift nach deinem Herzen und<br />
du versuchst, dich leise wieder zurückzuziehen. Deine Beine<br />
wollen dir aber nicht recht gehorchen,<br />
und so stößt du mit dem Absatz<br />
gegen einen kleinen Stein, der mit<br />
verräterischem Poltern in die Gruft<br />
rollt. Die Gestalt wirbelt mit einem<br />
tiefen Knurren herum und du starrst<br />
in gelbliche, bösartige Augen, die dich<br />
über eine blutverschmierte, hundeartige<br />
Schnauze hinweg, in deren Lefzen<br />
noch kleine Bröckchen grauer<br />
Masse kleben, fi xieren.<br />
Mache einen Stabilitätswurf. Gelingt<br />
er, so verkraftest du den Anblick<br />
erstaunlich gut und verlierst<br />
keine Stabilitätspunkte, andernfalls<br />
kostet dich diese Begegnung 1W6<br />
Punkte.<br />
Ist der Wurf gelungen oder hast<br />
du weniger als 5 Punkte verloren, so<br />
lies bei Abschnitt 37 weiter.<br />
Hat dich der Anblick so schwer erschüttert,<br />
dass du 5 oder mehr Punkte<br />
verloren hast, mache einen Ideenwurf.<br />
Misslingt er, verschließt sich dein Verstand vor dem,<br />
was er wahrgenommen hat, und du kannst ebenfalls zu<br />
Abschnitt 37 gehen.<br />
Andernfalls gehe zu Abschnitt 11.<br />
Leb wohl, schöne Welt.<br />
26<br />
Du rennst und rennst, bis deine Lungen in Flammen<br />
stehen und deine Beine schwerer sind als Blei. Die geifernde<br />
Meute kommt immer näher, in ihrem Bellen und<br />
Fiepen schwingen unmenschliche Blutlust und Gier mit.<br />
Du wirfst einen verzweifelten Blick über deine Schulter,<br />
um einzuschätzen, wie groß dein Vorsprung noch ist,<br />
wendest dich wieder zur Flucht und stellst mit blankem<br />
Entsetzen fest, dass du gerade eine falsche Abzweigung<br />
genommen hast und vor dir der Gang in ein totes Ende<br />
mündet. Es gelingt dir nicht mehr rechtzeitig zu bremsen<br />
und Du rutschst in die lehmige Wand der Sackgasse. Benommen<br />
prallst du zurück und schlägst so hart auf den<br />
Boden auf, dass du japsend in einer kalten Pfütze liegen<br />
bleibst.<br />
Bevor du wieder richtig Luft bekommst, bricht auch<br />
schon die Woge der ekstatisch aufheulenden Monster<br />
über dich herein. Deine schwachen Versuche zur Gegenwehr<br />
werden von der Meute wie nichts weggewischt und<br />
die rasenden <strong>Leiche</strong>nfresser reißen dir raubtierhaft das<br />
Fleisch von den Knochen. In dem fetzenden Mahlstrom<br />
von Krallen und Reißzähnen brüllst du noch lange vor<br />
Schmerz, bis dir schließlich die Kehle herausgerissen<br />
wird und du in gnädige Bewusstlosigkeit fällst, aus der<br />
du nicht mehr aufwachst.<br />
ENDE<br />
27<br />
Irgendwie hat er ja Recht, der gute Onkel, was hat dir<br />
die grausame Welt da oben schon zu bieten, außer Arbeit,<br />
Stress und einem frühen Tod? Du blickst noch einmal tief in<br />
seine freundlichen Augen und triffst deine Entscheidung.<br />
Nach wenigen Wochen hat sich dein rational zweifelnder<br />
Verstand endgültig in tiefste geistige Umnachtung<br />
verabschiedet, und als kurz darauf die ersten Anzeichen<br />
deiner körperlichen Verwandlung eintreten, bist du überglücklich.<br />
Und sind wir mal ehrlich — Fleisch ist doch<br />
nur wirklich delikat, wenn es richtig hautgoût ist, oder?<br />
ENDE<br />
28<br />
Urinstinkte treten auf den Plan, Adrenalin schießt in einer<br />
alles ertränkenden Woge durch deinen Körper, du nimmst<br />
die Fäuste hoch und willst dich gerade auf den <strong>Ein</strong>dringling<br />
stürzen, als er mit einer ruckartigen Bewegung ein metallenes<br />
Objekt aus seiner Manteltasche reißt und mit einem<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 11
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
tierhaften Knurren auf dich richtet. Im letzten Moment<br />
erkennst du das Objekt als Pistole und versuchst, dich zu<br />
Boden zu werfen. Mache einen Wurf auf Ausweichen.<br />
Gelingt er, geht es bei Abschnitt 68 weiter.<br />
Andernfalls lies Abschnitt 69.<br />
29<br />
Nach einem kurzen Moment des Schweigens lehnt sich<br />
Dr. Shalad in seinem Sessel zurück und schließt die Augen,<br />
bevor er antwortet: „Entschuldigen Sie, mein junger<br />
Freund, aber die Beerdigung ihres Onkels hat mich wohl<br />
mehr mitgenommen, als ich gedacht hatte, und jetzt rede<br />
ich schon wirres Zeug. Harvey war mir ein guter Freund<br />
und ich bedauere seinen Verlust sehr. Leider kann ich Ihnen<br />
auch nicht mehr dazu sagen.“<br />
Trotz deines eindeutigen Verdachtes, dass der gute Doktor<br />
mehr weiß, als er dir sagen will, gelingt es dir nicht,<br />
noch mehr aus ihm herauszubekommen. Sobald du deinen<br />
Tee ausgetrunken hast, bittet er dich zu gehen, da er<br />
noch viel zu tun habe. Als er die Tür seines Büros hinter<br />
dir schließt, bleibt das nagende Gefühl, eine gute Gelegenheit<br />
verpasst zu haben, mehr über das merkwürdige<br />
Verschwinden deines Onkels in Erfahrung zu bringen.<br />
Frustriert entscheidest du dich, bei einer Tasse Kaffee<br />
deine Strategie noch einmal zu überdenken. Gehe zurück<br />
zu Velma’s Diner in Abschnitt 10.<br />
30<br />
Dr. Saltonstalls Büro liegt in seinem angestammten Familiensitz<br />
in der Gedney Street, einem alten Herrenhaus mit<br />
Dr. Saltonstall.<br />
der für Arkham typischen Mischung von dunklen, verwinkelten<br />
Ecken und verschlossenem Äußeren, das tief<br />
vergrabene Geheimnisse und blasphemische Wahrheiten<br />
vermuten lässt. Nachdem der alte Herr dir einen Tee hat<br />
bringen lassen und noch einmal sein Bedauern über die<br />
scheußliche und peinliche „Beerdigung“ zum Ausdruck<br />
gebracht hat, kommt er zur Sache:<br />
„Mein Lieber, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ihr<br />
Onkel war mir ein gern gesehener Mandant, fast schon<br />
ein Freund, und an seinem Ableben hatte ich keinerlei<br />
Grund zu zweifeln. Ich bin mir zwar eigentlich sicher,<br />
dass die Polizei ordentlich gearbeitet hat, aber vielleicht<br />
würde es sich l<strong>ohne</strong>n, dort noch einmal nachzufragen<br />
und um den Bericht des <strong>Leiche</strong>nbeschauers zu bitten.<br />
Vermutlich ist das Ganze nur eine höchst peinliche und<br />
ärgerliche Verwechslung beim Bestattungsinstitut, allerdings<br />
kann ich mir nicht recht erklären, warum jemand<br />
Steine in einen <strong>Sarg</strong> füllen sollte, außer um vorzutäuschen,<br />
dass der Verstorbene sich darin befi ndet. Wenn<br />
ich Ihnen bei der Aufklärung dieses ungeheuerlichen<br />
Schlamassels behilfl ich sein kann, so zögern Sie bitte<br />
nicht zu fragen!“<br />
Nach kurzem Überlegen entgegnest du: „Vielen Dank<br />
für Ihr großzügiges Angebot. In der Tat könnten Sie mir<br />
mit ein paar Auskünften behilfl ich sein. Mein Onkel und<br />
ich standen uns früher zwar sehr nahe, doch in den letzten<br />
Jahren hatten wir ob meines Studiums bei Boston<br />
und seines Ruhestands hier in Arkham nur wenig Kontakt.<br />
Können Sie mir bitte Näheres über seine Lebensumstände<br />
in den letzten Jahren sagen und mich an seine<br />
Freunde und Bekannten verweisen?“<br />
Dr. Saltonstall überlegt kurz, zündet sich eine Zigarre<br />
an und antwortet dann: „Nun ja, ich fürchte, dass ich<br />
Ihnen da nur wenig sagen kann. Ihr Onkel lebte sehr zurückgezogen<br />
und war die meiste Zeit mit seinen Studien<br />
beschäftigt. Seine Nachbarn betrachteten ihn wohl als<br />
ein wenig ... exzentrisch, vor allem auch aufgrund seiner<br />
ausgedehnten nächtlichen Spaziergänge auf den örtlichen<br />
Friedhöfen. Meine Geschäftspolitik ist sehr strikt,<br />
indem ich mich nicht in die persönlichen Belange meiner<br />
Mandanten einmische, darum gebe ich auch nicht viel<br />
auf das Gerede der Leute. An Freunden Ihres Onkels ist<br />
mir eigentlich nur einer bekannt, ein Kollege von der<br />
Orientalistischen Fakultät der Miskatonic-Universität. Er<br />
war auch heute auf der Beisetzung. Sein Name ist Dr.<br />
Moamar Shalad; er ist ein türkischer Gastprofessor, der<br />
seit zwei Jahren den Lehrstuhl innehat. Ich kann Ihnen<br />
gerne seine Adresse geben. Vielleicht möchten Sie auch<br />
das Haus Ihres Oheims in Augenschein nehmen? Hier ist<br />
der Zweitschlüssel.“<br />
Du bedankst dich bei dem Anwalt, nimmst Adresse<br />
und Zweitschlüssel an dich und verlässt die Kanzlei. Auf<br />
der Straße angekommen, stellst du fest, dass es immer<br />
noch regnet. Graue Schleier von fallenden, eisigen Tropfen<br />
lassen das düstere Arkham noch abweisender erscheinen<br />
und der schneidende Novemberwind versucht,<br />
dir den Hut vom Kopf zu reißen und deine Glieder bis auf<br />
die Knochen einzufrieren. Nach einem kurzen Moment<br />
der Ratlosigkeit ob des Rätsels, das vor dir liegt, entscheidest<br />
du dich für ein Mittagessen und eine Tasse Kaffee<br />
im nahe gelegenen Velma’s Diner. Dieses fi ndest du in<br />
Abschnitt 10.<br />
12 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
31<br />
Starr vor Schrecken kannst du den Blick kaum von den<br />
zwei feurig-roten Punkten auf deinem Handrücken lösen.<br />
Kalter Schweiß bricht aus, die Glieder krampfen von<br />
brennendem Schmerz, dein Kopf scheint regelrecht zu<br />
platzen und eine nie gekannte Übelkeit, die wie ein glühender<br />
Haken deine <strong>Ein</strong>geweide zerwühlt, zwingt dich in<br />
die Knie. Auf Händen und Füßen kriechst du zum Gartentor<br />
und greifst mit letzter Kraft nach der Klinke.<br />
Das Atmen fällt dir immer schwerer<br />
und deine Brust fühlt sich an, als<br />
würde sie von stählernen Bändern<br />
langsam zerquetscht. Der unerträgliche<br />
Schmerz wächst immer weiter an<br />
und droht, dich deiner Sinne zu berauben.<br />
Keuchend und hustend taumelst<br />
du die Straße entlang, bis dir<br />
die bleischweren Beine den Dienst<br />
versagen und du schwer in eine öligschwarze<br />
Pfütze schlägst. Das Letzte,<br />
was deine trüb werdenden Augen<br />
erblicken, ist der Trauer tragende<br />
Die Schwarze Witwe, ihr<br />
Biss kann tödlich sein.<br />
Himmel, der ob deiner gescheiterten<br />
Suche kalte Tränen vergießt.<br />
ENDE<br />
32<br />
Der linke Tunnel steigt nach wenigen Biegungen leicht an<br />
und es zeigen sich immer mehr Anzeichen menschlicher<br />
Bearbeitung — von alten Tonscherben im Bodenschlamm<br />
bis zu Ziegelsteinen an den Wänden, die immer wieder<br />
zwischen Schlamm und hervorhängenden Wurzeln herausstehen.<br />
Nach wenigen Minuten kannst du voraus<br />
ein schwach fl ackerndes Licht ausmachen, das scheinbar<br />
eine alte Gruft erhellt. Du schaltest deine Taschenlampe<br />
aus, um deine Anwesenheit nicht durch den Lichtkegel<br />
zu verraten, und schleichst so leise wie möglich auf das<br />
Licht zu.<br />
Gehe zu Abschnitt 25.<br />
33<br />
Bevor die Kreatur die Gelegenheit hat, irgendetwas zu<br />
unternehmen, wirbelst du herum und ergreifst in kopfl oser<br />
Panik die Flucht. Mit Bellen und geiferndem Hecheln<br />
setzt sich die Meute der <strong>Leiche</strong>nfresser in Bewegung und<br />
heftet sich an deine Fersen. Die Angst verleiht dir die<br />
sprichwörtlichen Flügel und nach wenigen Biegungen<br />
keimt in dir die Hoffnung auf, dass du die Meute doch<br />
noch abhängen kannst, wenn du nur die richtige Route<br />
zur Oberfl äche wählst. Mache einen schweren Fertigkeitswurf<br />
auf Orientierung, also gegen den halben Wert.<br />
Gelingt er, so lies weiter in Abschnitt 62.<br />
Verlierst du die Orientierung, so schlage Abschnitt<br />
26 auf.<br />
34<br />
Das Büro von Dr. Moamar Shalad zu fi nden, stellt sich<br />
als deutlich schwieriger heraus, als du zunächst angenommen<br />
hattest, obwohl die Adresse, die dir Dr. Saltonstall<br />
gegeben hat, eindeutig auf dem Campus der Miskatonic-Universität<br />
liegt und das Gebäude, in dem sich<br />
sein Büro befi ndet, auch schnell gefunden ist. Die Robert<br />
Carter Memorial Hall ist ein neogotischer Alptraum von<br />
verwinkelten Korridoren, unleserlichen Türschildern<br />
und schnatternden Studenten der Sprach- und Literaturwissenschaften,<br />
die sich ebenfalls nicht in dem Labyrinth<br />
von Klassenzimmern, Auditorien und Dozentenbüros<br />
auszukennen scheinen.<br />
Nachdem du zunächst in eine dissonante Probe der<br />
Miskatonic-Miskies gestolpert bist, zahllose falsche Wegbeschreibungen<br />
von Erstsemestern erhalten hast und<br />
schon fast an dem Punkt angelangt warst, frustriert aufzugeben,<br />
fi ndest du mehr durch Zufall endlich eine Tür<br />
mit dem Schild „Dr. Moamar Shalad, Leiter des Instituts<br />
für Orientalistik“. Auf dein Klopfen hin öffnet dir der<br />
kleine Mann, den du auch schon auf der Beerdigung<br />
deines Onkels gesehen hast, die Tür und bittet dich in<br />
sein vollgestopftes, kleines Büro. Während er dir einen<br />
orientalischen Tee zubereitet, lässt du deinen Blick durch<br />
das Refugium des wortkargen Doktors schweifen. Zwischen<br />
Stapeln und Bergen von Büchern in dir unbekannten<br />
Sprachen fi nden sich allerlei merkwürdige Statuetten<br />
und Gerätschaften, deren Zweck sich dir, trotz aller<br />
Fantasie, nicht offenbaren will. Als du gerade eine abstoßende<br />
Figur eines indisch wirkenden Elefantengottes<br />
näher in Augenschein nehmen willst, wendet sich der<br />
vollbärtige Türke dir zu und streckt dir eine würzig riechende,<br />
dampfende Tasse entgegen mit den Worten: „Auf<br />
Ihre Gesundheit! Bei diesem grauenhaften Wetter können<br />
Sie dringend etwas Warmes gebrauchen.“ Er mustert<br />
dich aufmerksam, während du den Tee schlürfst, fast so,<br />
als suche er etwas Bestimmtes in deinen Gesichtszügen.<br />
Bevor du ihn jedoch darauf ansprechen kannst, kommt<br />
er dir zuvor: „Mein herzliches Beileid für Ihren schmerzlichen<br />
Verlust, die Welt ist ärmer <strong>ohne</strong> Ihren Onkel. Ich<br />
habe etwas Derartiges aber schon fast befürchtet.“<br />
Bei diesen Worten fällt dir beinahe die Tasse aus den<br />
Händen. „Wie meinen Sie das — fast schon befürchtet?<br />
Was ist passiert mit meinem Onkel? Sie scheinen der Erste<br />
zu sein, der Näheres über diese merkwürdigen Vorfälle<br />
weiß. Ich bitte Sie inständig, mir die Wahrheit zu<br />
sagen!“<br />
Dr. Shalad blickt dich schweigend mit halb geschlossenen<br />
Augen über den Rand seiner Tasse hinweg an und<br />
scheint abzuwägen, was er dir erzählen soll. Mache einen<br />
Fertigkeitswurf auf Überzeugen.<br />
Gelingt dieser, so lies bitte weiter bei Abschnitt 18.<br />
Misslingt dieser, so lies bitte weiter bei Abschnitt 29.<br />
35<br />
Vor dir steht ein kleiner, hässlicher Mann mit schmierigen<br />
schwarzen Haaren, der einen unförmigen, viel zu<br />
großen Trenchcoat trägt und dich mit unverhohlener Abscheu<br />
mustert. Seine rechte Hand scheint in der Tasche<br />
seines Mantels ein längliches Objekt zu umfassen und<br />
sein ganzer Körper steht unter Spannung, die jeden Moment<br />
in Gewalt zu explodieren droht. Als er dich endlich<br />
anspricht, fallen dir seine gelblichen, spitz zugefeilten<br />
Zähne auf, zwischen denen undefi nierbare Fasern hängen,<br />
und sein süßlich-faulig stinkender Atem dreht dir<br />
den Magen um.<br />
„So, du bist dann wohl der Neffe. Hör mir gut zu, Jungchen,<br />
es wär’ besser für alle Beteiligten, wenn du schleunigst<br />
deine Beine in die Hand nimmst und nach Boston<br />
zurückläufst. Niemand will dich hier und die Friedhöfe<br />
von Arkham sind voll mit Typen, die niemand mehr woll-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 13
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
te, kapiert? Dein Onkel ist tot und damit is’ gut, klar?“<br />
Mit diesen Worten drückt sich der Fremde an dir vorbei,<br />
starrt dir noch einmal feindselig in die Augen und<br />
verschwindet die Treppe hinunter. Du wendest dich nach<br />
dieser merkwürdigen Begegnung wieder dem Schlafzimmer<br />
zu. Lies weiter in Abschnitt 47.<br />
36<br />
Gezwungenermaßen bleibst du stehen und verfl uchst die<br />
Tatsache, dass du keine Lichtquelle bei dir hast — aber<br />
wer nimmt schon eine Taschenlampe auf eine Beerdigung<br />
mit? Unsicher schwankst du an der Grenze zwischen totaler<br />
Dunkelheit und dimmem Licht und versuchst, dir<br />
über deine Optionen an diesem Punkt klar zu werden.<br />
Willst du das Risiko eingehen, dich im Dunkeln weiter<br />
voranzutasten, so gehe zu Abschnitt 43.<br />
Möchtest du lieber umkehren und erst noch nach einer<br />
Lichtquelle suchen, so schlage Abschnitt 2 auf.<br />
37<br />
Die Kreatur lässt ihre grausige Mahlzeit fallen, stößt<br />
einen nervenaufreibenden Laut aus, der irgendwo<br />
zwischen Bellen und Fiepen liegt, und duckt sich zum<br />
Sprung. Beim Anblick seiner kräftigen Beinmuskeln wird<br />
dir klar, dass es zur Flucht zu spät ist — du musst dich<br />
dem <strong>Leiche</strong>nfresser stellen.<br />
Hast du Prinns Crux Ansata bei dir, so gehe zu Abschnitt<br />
60.<br />
Besitzt du dieses Artefakt nicht, so musst du dich in<br />
Abschnitt 50 zum Kampf stellen.<br />
38<br />
Eleazar’s Funeral Home liegt im heruntergekommenen Süden<br />
der Stadt, und du bist fast froh, als du nach einem<br />
kurzen Fußmarsch durch verwinkelte Gassen, vorbei an<br />
dunklen Hauseingängen, aus denen sich die fi nsteren Blicke<br />
zwielichtiger Gestalten in deinen Rücken bohren, das<br />
schäbige Bestattungsinstitut vor dir erblickst.<br />
Jasper Eleazar, der anämische Besitzer, öffnet dir persönlich<br />
die Türe und bittet dich in einen dunklen Vorraum,<br />
der stark nach verwelkten Lilien und etwas undefi<br />
nierbar Süßlichem riecht. Seine tief liegenden, trüben<br />
Augen scheinen bereits deine Maße für einen <strong>Sarg</strong> zu<br />
Arkhams Süden ist kein Touristenziel<br />
.<br />
nehmen, als er dich mit hohl klingender Stimme nach<br />
deinem Begehr fragt. Du schluckst einen dicken Kloß<br />
herunter, versuchst, den widerwärtigen Geruch aus deiner<br />
Wahrnehmung zu verbannen und erklärst dem ausgemergelten<br />
Mann, der beinahe wie einer seiner eigenen<br />
Kunden wirkt, wer du bist und was dich zu ihm führt.<br />
Er wirkt fast enttäuscht, als ihm klar wird, dass du nicht<br />
die Vorbereitungen für dein eigenes Ableben besprechen<br />
willst, kommt dann aber rasch zur Sache: „Ich möchte<br />
zunächst einmal meine tiefste Anteilnahme an Ihrem<br />
schmerzlichen Verlust zum Ausdruck bringen, möchte<br />
Ihnen aber gleich versichern, dass die traurige Angelegenheit<br />
nicht unsere Schuld ist. Die sterbliche Hülle Ihres<br />
lieben Dahingeschiedenen wurde uns von der Polizei<br />
übergeben, woraufhin wir, in Absprache mit seinem Anwalt<br />
Dr. Saltonstall, die nötigen Vorbereitungen trafen,<br />
um ihn würdevoll in die ewige Ruhe zu geleiten. Nachdem<br />
er vorbereitet war, wurde er in den <strong>Sarg</strong> gebettet<br />
und in die Aussegnungshalle des Christchurch-Friedhofs<br />
gebracht. Gemäß den Anweisungen in seinem letzten<br />
Willen und Testament wurde er nicht einbalsamiert<br />
und der <strong>Sarg</strong> wurde geschlossen aufgebahrt. Wir haben<br />
selbstverständlich keine Steine in den <strong>Sarg</strong> gelegt und<br />
alle gesetzlichen Bestimmungen wurden peinlich genau<br />
beachtet. Der abscheuliche Diebstahl des Leichnams Ihres<br />
Onkels muss also stattgefunden haben, als er bereits in<br />
der Aussegnungshalle aufgebahrt war. Es tut mir schrecklich<br />
leid, dass der Leichnam verschwunden ist, und ich<br />
hoffe sehr, dass die Schuldigen bald gefunden und ihrer<br />
gerechten Strafe überantwortet werden.“<br />
Lege eine Probe auf Psychologie ab. Gelingt sie, gehe zu<br />
Abschnitt 66. Andernfalls geht es bei Abschnitt 67 weiter.<br />
39<br />
Du rückst deine verrutschte Krawatte zurecht, streichst<br />
dir noch einmal das zerzauste Haar glatt und trittst mit<br />
einen grimassenhaften Lächeln voll ins Licht: „Hallo<br />
Onkel Harvey! Bin ich froh, dich zu sehen, ich dachte<br />
schon, du wärst tot!“ Selbst in deinen Ohren klingt diese<br />
gezwungen freundliche Anrede hohl und falsch, doch<br />
die tierhaften Gesichtszüge des Scheusals vor dir scheinen<br />
sich in wahrer Freude aufzuhellen. Die monströsen<br />
Ghoulbestien an Rande deines Gesichtsfeldes schnüffeln<br />
und wittern misstrauisch in deine<br />
Richtung, das Harvey-Ding wackelt<br />
jedoch mit unsicheren Schritten um<br />
den Sarkophag herum und schließt<br />
dich in die Arme. „Mein geliebter<br />
Neffe, ich wusste, dass du mich fi nden<br />
würdest. Jetzt wird alles wieder<br />
gut und wir können wieder eine<br />
Familie sein!“ Als sich die gummiartigen<br />
Arme um dich schließen und<br />
der süßliche Geruch der Verwesung,<br />
der von ihm ausgeht, in deine Nase<br />
steigt, musst du alle Willenskraft<br />
aufbringen, um dich nicht sofort zu<br />
übergeben.<br />
„Komm, Harold, ich zeige dir meine<br />
Welt und deinen angestammten<br />
Platz darin!“ brabbelt das Ding, das<br />
einmal dein Onkel war. Die lange<br />
rosa Zunge hängt sabbertropfend aus<br />
14 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
seinem reißzahnbestückten Maul heraus, als er mit einer<br />
ausschweifenden Geste auf das schimmelige Mausoleum<br />
und die fi epende Horde seiner Artgenossen deutet.<br />
Willst du sein großzügiges Angebot annehmen, so lies<br />
weiter in Abschnitt 27.<br />
Ist dir nicht wirklich danach, so kannst du versuchen,<br />
in Abschnitt 8 einen anderen Ausweg zu fi nden.<br />
40<br />
Dein Atem stockt, als dir beim Betreten der Küche der<br />
süßlich-faulige Gestank von Verwesung entgegenschlägt<br />
und dir salzige Tränen in die Augen treibt. In der Spüle<br />
und auf jeder freien Stellfl äche stapelt sich dreckiges Geschirr,<br />
undefi nierbare verkrustete Substanzen bedecken<br />
den Tisch und den dunkel-fl eckigen Hackblock. Beim<br />
Anblick der feuchten, härchenbedeckten, breiigen Masse<br />
in den Kochtöpfen auf dem Herd hebt sich unfreiwillig<br />
dein Magen und der bittere Geschmack von Galle breitet<br />
sich in deinem Mund aus.<br />
Nur mit der größten Disziplin und Überwindung hältst<br />
du es lange genug in dieser miasmatischen Atmosphäre<br />
aus, um dich gründlich umzuschauen. Der übelste Geruch<br />
von Verfall und fauliger Verwesung scheint vom<br />
Eisschrank in der Ecke auszugehen. Du streckst die Hand<br />
nach einem der Türgriffe aus und ... zögerst.<br />
Willst du den Eisschrank öffnen,<br />
so lies bitte in Abschnitt 58 weiter.<br />
Hat dir der Anblick der verdreckten<br />
Küche schon gereicht, so kehre<br />
in Abschnitt 2 in die Diele zurück.<br />
41<br />
Auf dem Teppich vor dem Lieblingssessel<br />
von Onkel Harvey fallen dir<br />
merkwürdige Schmutzspuren auf.<br />
Bei näherem Betrachten sehen sie<br />
aus wie Fußabdrücke, die aber merkwürdig<br />
hufartig wirken. Da hier ansonsten<br />
nichts weiter zu fi nden ist,<br />
kehrst du in die Diele bei Abschnitt<br />
2 zurück.<br />
42<br />
43<br />
Du gehst auf die Knie und tastest dich mit den Händen<br />
langsam durch die absolute Dunkelheit vorwärts. Nach<br />
wenigen Minuten werden deine Hände vom eisigen Wasser<br />
der Sickerpfützen taub, durch die du kriechst, aber<br />
die Vorstellung, unvermittelt auf ein Loch im Boden zu<br />
stoßen und Kopf voran ins Ungewisse zu stürzen, lässt<br />
dich die Zähne zusammenbeißen und stur weitermachen.<br />
Die Dunkelheit drückt wie eine gewaltige Faust auf dein<br />
Gemüt und fremdartige Gerüche und verzerrte Geräusche<br />
dringen an dein Ohr, ein schrilles Fiepen und Bellen,<br />
bei dem sich dir die Haare aufstellen und der Magen<br />
zusammenkrampft. Du verlierst langsam das Zeitgefühl<br />
und fragst dich plötzlich in einem Anfall blinder Panik,<br />
ob du überhaupt noch den Weg zurück fi nden könntest.<br />
Du bist dir nicht mehr sicher, welche der Windungen des<br />
Tunnels wirklich Kurven waren und welche Abzweigungen<br />
— das Gewirr von Seitentunneln, Sackgassen und<br />
kleinen Kammern scheint sich ständig zu verändern und<br />
deinen Orientierungssinn zu lähmen. Bevor deine Panik<br />
zu groß wird, mache einen schweren Fertigkeitswurf auf<br />
Orientierung, also gegen den halben Wert.<br />
Gelingt er, so lies weiter in Abschnitt 49.<br />
Verlierst du die Orientierung, schlage Abschnitt 3 auf.<br />
44<br />
Die primitive Treppe führt in mehreren spiralförmigen<br />
Windungen nach oben, bis sie schließlich hinter einer<br />
grauen Engelsstatue in einer dunklen Gruft endet. <strong>Ein</strong><br />
herrlicher kühler Windhauch trägt frische Luft herbei<br />
und unwillkürlich erleichtert sich dein Herz bei der Vorstellung,<br />
dieser fi nsteren, bizarren Unterwelt zu entfl iehen<br />
und den ganzen Schlamassel hinter dir zu lassen.<br />
Unbehagen bereitet dir die Tatsache,<br />
dass die Decke des Tunnels von kei- Der Weg aus dem Abgrund.<br />
nerlei Stützbalken oder anderen Sicherungsvorkehrungen<br />
gehalten wird. Du bist dir auch Du trittst um die Statue herum, schenkst dem stillen<br />
nicht sicher, wie alt die Ausschachtungsarbeiten sind<br />
Mausoleum nur einen oberfl ächlichen Blick, greifst das<br />
und ob der lose Erdtunnel wirklich einsturzsicher ist. Das Gitter, das den <strong>Ein</strong>gang verschließt, und starrst sehn-<br />
stetige Tropfen von einsickerndem Grundwasser, das aus suchtsvoll in den wolkenverhangenen Himmel über dem<br />
den Tiefen des Tunnels hervorhallt, dient auch nicht ge- Christchurch-Friedhof. Es hat aufgehört zu regnen und<br />
rade dazu, deine Zuversicht für einen erfolgreichen Aus- der inzwischen aufgegangene Vollmond taucht den alten<br />
fl ug in erdige Schwärze zu steigern.<br />
Friedhof in sanftes, silbernes Licht.<br />
Schlage bitte Abschnitt 57 auf.<br />
Willst du aufgeben, Arkham entfl iehen und die ganze<br />
Sache auf sich beruhen lassen, so lies weiter in Abschnitt<br />
19.<br />
Reißt du dich zusammen und suchst weiter nach deinem<br />
Onkel, so gehe zu Abschnitt 55.<br />
45<br />
Im strömenden Regen wirkt das kleine Häuschen deines<br />
Onkels am nördlichen Ende der Stadt noch winziger und<br />
altersschwächer, als du es in Erinnerung hattest. Der ein-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 15
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
same Schrei einer Krähe, die über dem Armenfriedhof<br />
Potter’s Field hinter dem Haus kreist, mischt sich schrill<br />
mit dem Quietschen der Gartentüre. Der saure Geruch<br />
von faulendem Mulch steigt in deine Nase und droht dir<br />
den Atem zu nehmen, als du den kurzen Weg zur Frontveranda<br />
durch den überwucherten Vorgarten beschreitest.<br />
Aus der Nähe sind die Zeichen der Nachlässigkeit und<br />
des Verfalls noch deutlicher zu erkennen: Die Farbe blättert<br />
von den Holzwänden, in denen ein schwarz glänzender<br />
Schwammpilz seine glibberigen Fäden gezogen hat,<br />
die trüben Fensterscheiben sind stumpf vor Schmutz und<br />
reichlich mit den Überresten toter Insekten bedeckt, die<br />
wurmstichige Türe des kleinen Gartenschuppens hängt<br />
mit letzter Kraft an rostigen Angeln. Das ganze Anwesen<br />
scheint unter dem bleiernen Griff des Todes gefangen zu<br />
liegen und im Rauschen des eisigen Regens scheinen die<br />
Stimmen gequälter Seelen mitzuschwingen.<br />
Mit einem Ruck reißt du dich von diesen morbiden Gedanken<br />
und Empfi ndungen los und nimmst das Grundstück<br />
noch einmal genauer in Augenschein.<br />
Wenn du gleich das Haus betreten willst, öffnest du die<br />
Haustür mit dem Zweitschlüssel und betrittst die Diele in<br />
Abschnitt 2.<br />
Möchtest du vorher noch den kleinen Gartenschuppen<br />
inspizieren, so lies bitte in Abschnitt 6 weiter.<br />
Ist dir das Haus doch zu unheimlich, so könnte dir eine<br />
kleine Stärkung in Velma’s Diner vielleicht die nötige<br />
Kraft geben, in Abschnitt 10.<br />
46<br />
Du stellst erfreut fest, dass der Regen etwas nachgelassen<br />
hat und nutzt dies dazu, den Campus der Miskatonic-Universität<br />
aufzusuchen. Am Glockenturm und den<br />
Wohnheimen der Studenten vorbei führt dich dein Weg<br />
zum neogotischen Gebäude der Orne-Bibliothek. Schon<br />
von außen wirkt dieser Tempel des Wissens mit seinen<br />
Schmuckfriesen und mittelalterlichen Buntglasscheiben<br />
wie eine alte gotische Kathedrale. Im Inneren angelangt,<br />
schweift dein Blick über lange Regalreihen voll ordentlich<br />
sortierter Bücher, über die Statuen der wichtigsten Geistesgrößen<br />
des angloamerikanischen<br />
Sprachraums wachen. Im Schatten<br />
von Milton und Shakespeare fi ndet<br />
sich schließlich der Auskunftsschalter,<br />
hinter dem mit wachem Auge die<br />
diensthabende Bibliothekarin, eine<br />
gestrenge Dame Anfang fünfzig, dich<br />
bereits auffordernd anblickt. „Kann<br />
ich Ihnen helfen, junger Mann?“<br />
lautet ihre Frage.<br />
Du stellst dich kurz vor, verweist<br />
auf deinen Onkel und seine Studien<br />
vor Ort und bittest um <strong>Ein</strong>sichtnahme<br />
in die Bücher, die er zuletzt<br />
konsultiert hat. Sie runzelt kurz die<br />
Stirn, rückt ihre Lesebrille mit den<br />
halbmondförmigen Gläsern zurecht,<br />
schaut in ihre Belegliste für die Lesesaalplätze<br />
und verweist dich an<br />
Leseplatz 31 im ersten Stock. Du<br />
bedankst dich freundlich und steigst<br />
die große Freitreppe nach oben.<br />
Im ersten Stock erwartet dich eine<br />
düstere Atmosphäre. Die schwarzen<br />
Regenwolken lassen kaum einen<br />
Lichtstrahl durch die stumpfen Fensterscheiben,<br />
die dicken, staubigen<br />
Teppiche schlucken jedes Geräusch<br />
deiner Schritte, die wenigen Studenten,<br />
die sich an diesem kalten Novembernachmittag in<br />
die Bibliothek verirrt haben, wirken wächsern und tot im<br />
fahlen, kränklichen Schein der Leselampen. Nach kurzer<br />
Suche fi ndest du den gesuchten Leseplatz, lässt dich nieder<br />
und widmest dich dem kleinen Stapel abgegriffener<br />
Bücher, die dort auf dem Tisch liegen. Als erstes fällt dir<br />
eine kurze Notiz der Bibliotheksleitung an deinen Onkel<br />
in die Hände, die oben auf dem Stapel liegt. Sie lautet:<br />
„Sehr geehrter Dr. Simms,<br />
mit großem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass<br />
mehrere der Bücher, die Sie zu konsultieren wünschten,<br />
aus Gründen des Bestandsschutzes aus der allgemeinen<br />
Benutzung entfernt und in eine Sondersammlung eingestellt<br />
werden mussten. Sollten Sie dennoch in die betroffenen<br />
Titel <strong>Ein</strong>sicht wünschen, so wenden Sie sich bitte<br />
für eine Sondergenehmigung an den Bibliotheksleiter Dr.<br />
Armitage. Ich hoffe auf Ihr Verständnis für diese Maßnahme<br />
und bitte Sie, die entstandenen Unannehmlichkeiten<br />
zu entschuldigen.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Diane Long<br />
Leiterin der Benutzungsabteilung.“<br />
Du schüttelst kurz irritiert den Kopf und siehst die<br />
Bücher im Stapel durch, nur um festzustellen, dass es<br />
sich dabei ausschließlich um Wörterbücher und Lexika<br />
zu Mythologie, Symbolik und Volkskunde handelt. Die<br />
16 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
Die Orne-Bibliothek.<br />
Werke scheinen zwar interessant, sind aber offensichtlich<br />
nicht die brisanten okkulten Werke, die Dr. Shalad<br />
erwähnte.<br />
Du beschließt, diesem neuen Mysterium auf den Grund<br />
zu gehen, greifst dir die Mitteilung der Bibliothek und<br />
machst dich wieder auf den Weg zum Auskunftsschalter.<br />
Die Bibliothekarin scheint dich bereits erwartet zu haben<br />
und nimmt mit unbewegter Miene deine Bitte um<br />
ein Gespräch mit dem Bibliotheksleiter entgegen. Mache<br />
eine Probe auf Ansehen oder Überzeugen. Du kannst nur<br />
auf eines von beiden würfeln und hast insgesamt nur einen<br />
Versuch.<br />
Gelingt der Wurf, so wirst du zu Dr. Armitage vorgelassen.<br />
Weiter geht es bei Abschnitt 54.<br />
Misslingt er, so teilt dir die Bibliothekarin höfl ich mit,<br />
dass Dr. Armitage heute leider nicht zu sprechen ist und<br />
gibt dir einen Termin in einer Woche. Frustriert bleibt dir<br />
nichts anderes übrig, als Velma in Abschnitt 10 von deinem<br />
neuesten Rückschlag zu erzählen.<br />
47<br />
Endlich fi ndest du den Lichtschalter und betrachtest im<br />
fahlen Licht der nackten Glühbirne die ehemalige Schlafstatt<br />
deines Onkels. Das Bett ist zerwühlt, die Laken sind<br />
mit merkwürdigen Flecken übersät und riechen streng<br />
nach sämiger, gärender Fäulnis. Nach einer schnellen<br />
oberfl ächlichen Suche fällt dir auf, dass etliche Kleidungsstücke<br />
Harveys verschwunden sind, darunter auch<br />
sein geliebter Morgenrock, der innerhalb seiner eigenen<br />
vier Wände eine Art Markenzeichen für ihn war. Neben<br />
Essensresten, Unrat und toten Fliegenmaden fi ndest du<br />
auf Anhieb nichts Weiteres von Interesse. Mache trotzdem<br />
einen Fertigkeitswurf auf Verborgenes erkennen.<br />
Gelingt dieser, so lies bitte in Abschnitt 12 weiter.<br />
Andernfalls solltest du in Abschnitt 2 eine neue Entscheidung<br />
treffen, wie es weitergehen soll.<br />
48<br />
Du bist zwar kein Experte für Ausschachtungsarbeiten,<br />
aber dieser Tunnel sieht defi nitiv seltsam aus. Das lehmige<br />
Erdreich glänzt feucht und hat sich noch kaum<br />
abgesetzt, woraus du schließt, dass er erst vor Kurzem<br />
angelegt wurde. Verwundert musst du erkennen, dass es<br />
keinerlei Stützbalken oder andere Sicherungen gegen das<br />
<strong>Ein</strong>stürzen gibt und dass die Erde offensichtlich nicht mit<br />
Spitzhacken und Schaufeln bewegt, sondern mit scharfen<br />
Krallen herausgekratzt wurde. Als dir obendrein anhand<br />
der Richtung der Kratzspuren klar wird, dass der Tunnel<br />
von außen in den Keller gegraben wurde, wird dir ganz anders.<br />
Mache einen Stabilitätswurf. Gelingt dieser, so steckst<br />
du diese grausige Erkenntnis gut weg und verlierst keine<br />
Stabilitätspunkte. Andernfalls verlierst du einen Punkt<br />
und fragst dich ernsthaft, ob du der mysteriösen Kreatur<br />
wirklich begegnen willst, die diesen niedrigen Kriechtunnel<br />
angelegt hat. Solltest du sogar schon das Tagebuch<br />
deines Onkels gelesen haben, verlierst du 1W3 Punkte<br />
Stabilität, weil gewisse unglaubliche Dinge sich gar nicht<br />
mehr so unglaublich anhören ...<br />
Weiter geht es in Abschnitt 57.<br />
49<br />
Unter Aufbietung all deiner geistigen Reserven drängst du<br />
die blinde Panik wieder zurück, setzt dich einen Moment<br />
ruhig hin und gehst im Geist noch einmal den Weg durch,<br />
den du bislang durch das lichtlose Labyrinth zurückgelegt<br />
hast. Du hast eine grobe Vorstellung, in welcher Richtung<br />
der Keller liegt, und diese beruhigende Erkenntnis gibt dir<br />
die Kraft, die Gegenrichtung einzuschlagen und dich tiefer<br />
in den Irrgarten von verschlungenen Tunneln vorzutasten.<br />
Wer oder was auch immer diese Stollen gegraben<br />
hat, hatte kein menschliches Gehirn und seine Denkweise<br />
war eindeutig chaotisch und kaum durchschaubar, da<br />
bist du dir absolut sicher. <strong>Ein</strong>e halbe Ewigkeit später hellt<br />
sich die Schwärze vor deinen Augen zu dem diffusen Rotlila<br />
eines frischen Blutergusses auf. Du hältst einen Augenblick<br />
inne und versicherst dich, dass dir deine Sinne<br />
keinen Streich spielen. Nein, es ist eindeutig — vor dir<br />
erhellt ein schwaches Flackern einen kleinen, steingefl iesten<br />
Raum. Vorsichtig richtest du dich so weit wie möglich<br />
auf, massierst wieder ein wenig Leben in deine geschundenen<br />
Glieder und bewegst dich so leise wie möglich auf<br />
das Licht zu. Weiter in Abschnitt 25.<br />
50<br />
Der <strong>Leiche</strong>nfresser springt dich an und versucht, dich<br />
mit seinen Krallen und Fangzähnen in Stücke zu reißen.<br />
Du musst dich nun dem Kampf stellen. Besitzt du<br />
eine Schusswaffe, so kannst du einmal feuern, bevor das<br />
Wesen dich erreicht. Aufgrund der geringen Distanz gilt<br />
die Schussdistanz als Kernschussweite, die deine Trefferchance<br />
verdoppelt. Die gummiartige Konsistenz des<br />
Wesens hat allerdings zur Folge, dass du den durch die<br />
Schusswaffe angerichteten Schaden halbieren musst.<br />
Im Nahkampf kannst du auch auf andere Waffen zugreifen,<br />
falls du welche bei dir hast, ansonsten musst du<br />
dich leider auf Faustschläge und Ausweichen beschrän-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 17
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
ken. Da du etwas geschickter bist, kannst du den Ghoul<br />
schlagen, bevor er selbst an der Reihe ist. Du hast in jeder<br />
Runde nur eine Attacke.<br />
Der Ghoul greift, sobald er an der Reihe ist, mit zwei<br />
Klauenschlägen und einem Biss an, für die er jeweils eine<br />
Trefferchance von 30% hat und mit denen er bei einem<br />
gelungenen Treffer 1W6+1W4 Punkte Schaden anrichtet.<br />
Er wird bis zum Tod kämpfen und auch für dich ist Flucht<br />
leider keine Option. Der Ghoul hat zu Kampfbeginn 13<br />
Trefferpunkte.<br />
Gelingt es dir, die Monstrosität zu töten, so lies weiter<br />
bei Abschnitt 56.<br />
Gewinnt der Ghoul, so gehe zu Abschnitt 20.<br />
51<br />
Mit dem Mut der Verzweiflung reißt du das Henkelkreuz<br />
unter deinem Hemd hervor und streckst es der sabbernden<br />
Horde entgegen. Schnell rezitierst du den Sprechgesang<br />
und erwartest eine beeindruckende Zurschaustellung<br />
übernatürlicher Macht. Die Ghoulmeute zuckt<br />
jedoch kurz zurück und beobachtet dich aufmerksam.<br />
Irgendetwas stimmt nicht! Deine geistigen Reserven sind<br />
fast aufgebraucht und der gewaltige Sog, der von dem<br />
Kreuz ausgeht, ist ein schwarzer Strudel, der deinen Verstand<br />
auslöscht und in die Tiefen des Vergessens hinabreißt.<br />
Zumindest bekommst du nicht mehr mit, wie die<br />
Bestien dich bei lebendigem Leib auffressen.<br />
ENDE<br />
52<br />
Unbändiger Zorn wallt in dir auf — für diese Abscheulichkeit<br />
hast du Kopf und Kragen riskiert und diese ganzen<br />
Qualen auf dich genommen! Mit einem unartikulierten<br />
Schrei stürzt du dich auf das Ding, das einmal dein Onkel<br />
war, und versuchst, es mit bloßen Händen zu zerfetzen.<br />
Das Wesen ist offensichtlich so überrascht von deinem<br />
Angriff, dass es noch nicht einmal den Versuch der Gegenwehr<br />
unternimmt. Die anderen Monster sind allerdings<br />
nicht so zurückhaltend. In einer unaufhaltsamen<br />
Woge stürzen sie sich, einem Rudel ausgehungerter Ratten<br />
gleich, auf dich, scharfe Krallen fahren in dein Fleisch,<br />
lange Fangzähne beißen ganze Klumpen aus deinem Leib<br />
und die zwei größten der Kreaturen greifen deine Beine<br />
und versuchen, dich in der Mitte entzweizureißen. Das<br />
Scheusal, das an allem Schuld ist, schaut mit traurigen<br />
Augen dem Massaker zu, macht aber keinerlei Anstalten<br />
einzugreifen. Das Letzte, was du vernimmst, sind seine<br />
Worte: „Mein armer Neffe, es hätte nicht so enden müssen.<br />
Aber bald werden wir wieder vereint sein.“ Dann<br />
packt es mit festem Griff deinen Kopf und macht sich<br />
daran, mit seinen scharfen Fangzähnen deinen Schädel<br />
wie eine Nuss aufzuknacken. Deine Schmerzensschreie<br />
verstummen erst, als es mit kleinen, sorgfältigen Bissen<br />
anfängt, dein Gehirn zu verspeisen.<br />
ENDE<br />
53<br />
Der Schuppen scheint zwar kaum noch etwas Brauchbares<br />
zu enthalten, aber du entschließt dich, nicht ganz<br />
so schnell aufzugeben. Nach einigen Minuten intensiver<br />
Suche entdeckst du in der hintersten Ecke, fast verdeckt<br />
von dicken Spinnweben, eine große Holzfälleraxt, die<br />
sich sicherlich als Waffe gebrauchen ließe. Als du die Axt<br />
ergreifen willst, fällt dir zu spät eine huschende Bewegung<br />
auf und mit Entsetzen siehst du eine Spinne mit<br />
einem sanduhrförmigen, roten Fleck auf dem schwarzen<br />
Leib über deinen Handrücken huschen. Mache einen<br />
Glückswurf.<br />
Gelingt er, so lies bitte in Abschnitt 63 weiter.<br />
Andernfalls schlage bitte Abschnitt 7 auf.<br />
54<br />
Dr. Armitage bittet dich freundlich in sein Büro, das in<br />
einem Zustand kontrollierten Chaos’ auf seine Persönlichkeit<br />
als besessener Arbeiter, der zu viel Zeit in seiner<br />
Bibliothek verbringt, schließen lässt. Der ältere, distinguierte<br />
Herr erinnert dich mit seinem weißen Mundbart,<br />
schütteren Haupthaar und altmodischen Anzug ein wenig<br />
an Sigmund Freud.<br />
Er bietet dir einen Sitzplatz an, lauscht aufmerksam<br />
deiner Erzählung und der Bitte um <strong>Ein</strong>sichtnahme in die<br />
gesperrten Werke, faltet schließlich die Hände und gibt<br />
dir nach einer ausgiebigen Kondolenzbezeugung seine<br />
Antwort: „Ihr Onkel Dr. Simms ist mir wohlbekannt. Er<br />
hat in den letzten Jahren hier ausgiebige Studien in Bereichen<br />
des Okkulten betrieben, die ich zuletzt mit wachsender<br />
Sorge betrachtet habe. Wie ich in letzter Zeit selbst<br />
schmerzlich erleben musste, gibt es in der Tat mehr Ding’<br />
im Himmel und auf Erden, als unsere Schulweisheit sich<br />
träumt, um es mit den Worten des großen Barden auszudrücken.<br />
Ich möchte Sie nicht bevormunden, dennoch<br />
möchte ich Ihnen dringlichst raten, von Ihrer Suche nach<br />
den Geheimnissen Ihres Onkels Abstand zu nehmen.<br />
Wenn Sie trotzdem entschlossen sind, der Sache auf den<br />
Grund zu gehen, so sollten Sie wissen, dass Sie sich einer<br />
großen Gefahr aussetzen. Ich bin gerne bereit, Ihnen zu<br />
helfen, doch zuerst müssen Sie mir mehr über die Studien<br />
ihres Onkels berichten. Ich kenne zwar die Werke, die<br />
er studiert hat, weiß aber nicht, was genau er entdeckt<br />
hat.“ Dr. Armitage blickt dich auffordernd an und scheint<br />
gespannt auf deine Antwort zu warten.<br />
Wenn du das Tagebuch deines Onkels in deinem Besitz<br />
hast, so kannst du es Dr. Armitage vorlegen und seine<br />
Reaktion in Abschnitt 15 nachlesen.<br />
Solltest du das Tagebuch nicht besitzen oder es Dr. Armitage<br />
nicht zeigen wollen, so musst du dir in Abschnitt<br />
10 eine andere Vorgehensweise überlegen.<br />
Bitte notiere die Abschnittsnummer 15. Solltest du das Tagebuch<br />
zu einem späteren Zeitpunkt finden, so kannst du direkt zu<br />
Dr. Armitage zurückkehren und es ihm zeigen.<br />
55<br />
Du wendest dich wieder dem Gewirr von Stollen und<br />
Gängen zu. Systematisch folgst du den Quergängen, zuerst<br />
auf der einen Seite, dann auf der anderen, nur um<br />
immer wieder vor eiskalten Tümpeln zu stehen, an denen<br />
<strong>ohne</strong> Tauchausrüstung kein Weiterkommen ist. Immer<br />
tiefer arbeitest du dich in das Labyrinth vor. Immer<br />
unwirklicher werden die vielfarbigen Pilze und Schimmelgeflechte,<br />
auf die du stößt. Nach Stunden des Herumwanderns,<br />
kurz bevor deine immer trüber leuchtende Taschenlampe<br />
endgültig den Geist aufgibt, kommst du aus<br />
den halb versunkenen Stollen wieder in einen Bereich,<br />
der befestigt wirkt. Wenige Ecken weiter werden aus den<br />
Gängen verbundene Katakomben, in denen sich wahllos<br />
Gebeine stapeln, von denen viele die Spuren von na-<br />
18 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
genden Fangzähnen tragen! Mache einen Stabilitätswurf;<br />
misslingt er, verlierst du einen Punkt.<br />
Mit jedem Schritt wächst deine Anspannung — du hast<br />
das Gefühl, kurz vor dem Ziel zu stehen.<br />
Lies weiter in Abschnitt 13.<br />
56<br />
Nach hartem, fast aussichtslosem Kampf weicht endlich<br />
das bösartige Funkeln aus den Augen der Kreatur und<br />
mit einem letzten rasselnden Keuchen bricht der <strong>Leiche</strong>nfresser<br />
zusammen. Am Ende deiner Kräfte sinkst<br />
du neben dem stinkenden Kadaver nieder und ringst um<br />
Atem, bis das Klirren in deinen Ohren verklingt und die<br />
Sternchen vor deinen Augen verblassen.<br />
Du zwingst deinen geschundenen Leib, sich wieder zu<br />
erheben, und stolperst mit müden Schritten weiter in den<br />
Tunnel auf der anderen Seite der Gruft.<br />
Gehe zu Abschnitt 13.<br />
57<br />
Nach längerem Zögern und Überlegen kommst du zu dem<br />
Schluss, dass dich der unheimliche Tunnel sehr wahrscheinlich<br />
näher an das Rätsel um deinen verschwundenen<br />
Onkel bringen wird. Du fasst all deinen Mut zusammen<br />
und betrittst die ersten Meter in gebückter Haltung,<br />
da der Tunnel sehr niedrig ist — seine Erbauer müssen<br />
sich fast auf allen Vieren fortbewegt haben. Deine Schuhe<br />
sinken fast bis zu den Knöcheln im schlammigen<br />
Erdreich ein, die Luft ist abgestanden und stickig und<br />
dein Rücken ist schnell von einsickerndem Grundwasser<br />
durchnässt, das beständig auf dich herabtropft und dir in<br />
die Augen läuft. Bereits nach wenigen Schritten verliert<br />
sich das schwache Licht der Kellerlampe, und die Dunkelheit<br />
wird so undurchdringlich, dass du die Hand vor<br />
Augen nicht mehr sehen kannst. <strong>Ein</strong>e tragbare Lichtquelle<br />
wäre jetzt ein wahrer Segen!<br />
Eilige Flucht aus Arkham!<br />
Hast du eine Taschenlampe bei dir, so gehe zu Abschnitt<br />
16.<br />
Andernfalls geht es weiter in Abschnitt 36.<br />
58<br />
Du fasst dir ein Herz und öffnest mit einem Ruck die Tür<br />
des Eisschranks. Dein Blick fällt auf eine undefi nierbare,<br />
längliche Masse, die fast vollständig von Maden bedeckt<br />
ist. An einem Ende des Objekts sticht dir ein goldenes<br />
Schimmern ins Auge, das sich deutlich von den Grün-<br />
und Gelbtönen des restlichen Fleischklumpens abhebt.<br />
Erst nach einiger Zeit wird dir bewusst, was da vor dir<br />
liegt — ein verwesender menschlicher Arm, der deutliche<br />
Bissspuren zeigt und an einem der verkrümmten Finger<br />
noch einen Ehering trägt! Dein Körper reagiert schneller<br />
als dein Geist und mit einem mächtigen Würgen entledigst<br />
du dich des letzten Restes von Velmas Kochkunst,<br />
und auch so mancher von dir heute konsumierter Kaffee<br />
benetzt nun den Küchenboden. Du schlägst hastig die<br />
Türe des Eisschranks wieder zu und stolperst auf weichen<br />
Knien zurück in die Diele.<br />
Mache einen Stabilitätswurf. Gelingt dieser, so kostet<br />
der widerwärtige Anblick keinen Punkt, bei einem misslungenen<br />
Wurf 1W3 Punkte.<br />
Nachdem du mehrfach kräftig durchgeatmet hast, geht<br />
es in Abschnitt 2 weiter.<br />
59<br />
<strong>Leiche</strong>nfresser, dunkle Kulte und fi nstere Riten — nein,<br />
das ist dir defi nitiv alles eine Nummer zu groß! Du entschuldigst<br />
dich höfl ich bei Dr. Armitage und verlässt auf<br />
schnellstem Weg die Bibliothek. Bald fi ndest du dich am<br />
Bahnhof wieder und wartest ungeduldig auf den Nachtzug<br />
nach Boston. Als er endlich eintrifft, bist du bis auf<br />
die Knochen durchgefroren, aber glücklich, diesem kranken<br />
Ort endlich den Rücken zu kehren.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 19
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Mit Fauchen und Dampfen verlässt der altersschwache<br />
Zug die Stadt. An der regenverschmierten Scheibe ziehen<br />
die grauen Häuser Arkhams mit ihren durchsackenden<br />
Giebeln und verhangenen Fenstern vorbei, die mehr<br />
unaussprechliche Geheimnisse bergen, als du jemals<br />
erfahren wollen würdest. Mit einem letzten Schaudern<br />
starrst du in die trägen Fluten des grüngrauen Miskatonic<br />
— die Farbe des undurchsichtigen Wassers erinnert dich<br />
an altes, faulig-schwärendes Fleisch, und nur mit größter<br />
Mühe gelingt es dir, die vor deinem inneren Auge auftauchenden<br />
Bilder deines geliebten Onkels in den Händen<br />
schattenhafter <strong>Leiche</strong>nfresser aus deinem Bewusstsein zu<br />
drängen. Als du kurz darauf aus einem unruhigen Schlaf<br />
hochschreckst, wird dir klar, dass du zwar dein Leben gerettet<br />
hast, aber dafür für lange Zeit mit Alpträumen und<br />
der bohrenden Ungewissheit über das Schicksal deines<br />
Onkels wirst leben müssen ...<br />
ENDE<br />
60<br />
Mit zitternden Fingern reißt du das silberne Henkelkreuz<br />
unter deinem Hemd hervor und streckst es dem<br />
stinkenden Wesen entgegen. Der Sprechgesang, der seine<br />
Kraft aktiviert, kommt in einem hektisch gepressten<br />
Schwall über deine Lippen, und die Wirkung zeigt sich<br />
schnell. Die Kreatur wird von dir weggeschleudert, als<br />
wäre sie von einer riesigen Faust in den Leib geschlagen<br />
worden. Mit einem dumpfen Krachen schlägt sie in die<br />
rückwärtige Wand der Gruft und fällt hart zu Boden. Du<br />
merkst, wie deine Kraft anfängt zu versiegen und durch<br />
das Kreuz in die Umgebung abfl ießt. Dein Blick zieht sich<br />
langsam zu einem dunklen Tunnel zusammen und völlig<br />
entkräftet sinkst du auf die Knie. Mit der Ohnmacht<br />
kämpfend, nimmst du nur noch am Rande wahr, wie sich<br />
das Monster leise winselnd an dem leeren <strong>Sarg</strong> hochzieht<br />
und ängstlich fi epend aus der Gruft kriecht, dann<br />
schwinden dir die Sinne.<br />
Du weißt nicht, wie lange du bewusstlos in der kalten<br />
Gruft gelegen hast, und deine Sinne kehren nur langsam<br />
wieder zurück. Du dankst leise Dr. Armitage für sein<br />
wertvolles Geschenk, das dir das Leben gerettet hat, und<br />
gönnst dir noch ein paar Minuten der Ruhe, bis dir plötzlich<br />
siedend heiß ein Gedanke durch den Kopf schießt.<br />
Die Kreatur hat sich davongeschleppt und wird sicher<br />
versuchen, andere ihrer Art zu Hilfe zu holen. Du kannst<br />
hier nicht bleiben!<br />
Deine Glieder schreien in lautem Protest, als du dich<br />
mühsam wieder erhebst und kraftlos aus dem Mausoleum<br />
schleppst. Du folgst den Spuren des Wesens in der<br />
Hoffnung, es noch zu erreichen, bevor es Alarm schlagen<br />
kann, und wankst den gemauerten Tunnel mit grimmiger<br />
Entschlossenheit entlang, einem ungewissen Schicksal<br />
entgegen.<br />
Gehe zu Abschnitt 13.<br />
61<br />
„Sie verheimlichen mir doch etwas, Mr. Eleazar! Was<br />
war mit meinem Onkel los, das Sie so nervös gemacht<br />
hat?“ Du setzt dein entschlossenstes Gesicht auf und<br />
starrst dem blass gewordenen, dürren Kerl fest ins Auge.<br />
Er schluckt nervös, versucht beruhigend zu lächeln und<br />
entgegnet mit einem leichten Zittern in der Stimme: „Wie<br />
ich bereits sagte, war alles soweit normal und wir ...“ Du<br />
wendest dich mitten im Satz ab, setzt deinen Hut auf und<br />
lässt die Bemerkung fallen: „Vielleicht möchten Sie lieber<br />
mit der Polizei sprechen, Mr. Eleazar? Ich vermute allerdings,<br />
dass das nicht allzu gut für Ihre Geschäfte wäre ...<br />
die Leute könnten ja fast annehmen, dass Sie etwas mit<br />
den verschwundenen <strong>Leiche</strong>n zu tun haben, von denen<br />
man in der Zeitung liest. <strong>Ein</strong>en schönen Tag noch!“<br />
Jasper Eleazar war Augenzeuge seltsamer Begebenheiten.<br />
Du gehst einige Schritte auf die Tür zu und wie erwartet,<br />
tritt der Bestatter dir händeringend in den Weg.<br />
„Bitte, so warten Sie doch! Sie sollten wirklich keine voreiligen<br />
Schlüsse ziehen. Ich führe ein respektables Traditionsunternehmen.<br />
Ich habe defi nitiv nichts mit dem<br />
Verschwinden ihres Onkels zu tun! Es ist nur ...“<br />
Du hältst inne, blickst ihn auffordernd an und meinst:<br />
„Ja bitte? Was war los mit meinem Onkel? Nun sagen<br />
Sie’s schon.“ Er ringt kurz mit sich, seine dürren Schultern<br />
sacken merklich ab und mit zum Boden gesenktem<br />
Blick murmelt er leise: „Sie werden mich für verrückt<br />
halten, aber Sie wollen es ja unbedingt hören! Als ich<br />
Ihren Onkel wusch, fi el mir auf, dass er etwas ... merkwürdig<br />
... war. Seine Haut war aschgrau und fühlte sich<br />
irgendwie gummiartig an. Und dann war da noch sein<br />
Gesicht ... seine Züge wirkten fast ... hundeartig. Ich<br />
dachte mir zunächst: Jasper, du spinnst! Ich machte kurz<br />
Pause, um Luft zu schnappen, aber als ich zurückkam,<br />
sah er noch genauso aus, bis auf seine Gesichtszüge — es<br />
sah fast aus, als würde er grinsen! Er war aber ganz sicher<br />
tot, ich habe seinen Puls gefühlt und ihm einen Spiegel<br />
vor den Mund gehalten, der nicht beschlug. Ich habe ihn<br />
dann schnell gewaschen, ihm seinen Sonntagsanzug angezogen<br />
und den <strong>Sarg</strong> sofort zugenagelt. Ich habe sogar<br />
ein paar Nägel mehr als sonst in den Deckel geschlagen<br />
— mir war die ganze Sache einfach unheimlich! Wissen<br />
Sie, als Bestatter sieht man so einige Sachen, die einem<br />
keiner glauben würde, aber das war wirklich unheimlich.<br />
Sie müssen mir glauben, dass das alles ist!“ Er nimmt mit<br />
20 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
feuchtem, klammem Griff deine Hand und blickt dich<br />
fl ehend an. Du bist dir nicht sicher, ob der gute Mann<br />
noch ganz bei Verstand ist, er scheint aber wirklich an<br />
das zu glauben, was er dir gerade erzählt hat. Du löst mit<br />
sanfter Gewalt seine Hände von den deinen, versicherst<br />
ihm, dass du ihm glaubst, und verlässt schnell das düstere<br />
Bestattungsinstitut. Auf der Straße atmest du erst einmal<br />
tief durch und beschließt, dass du bei einer Tasse Kaffee<br />
bei Velma überlegen solltest, wie es weitergeht. Unter<br />
Abschnitt 10.<br />
62<br />
Du rennst und rennst, bis deine Lungen in Flammen stehen<br />
und deine Beine schwerer sind als Blei — und immer<br />
noch rennst du weiter. Das schrille Fiepen und kehlige<br />
Bellen der Monsterrotte, die mehrmals nahe genug<br />
kommt, um nach deinen Beinen zu schnappen, droht<br />
deinen Verstand endgültig zerbrechen zu lassen. Irgendwann,<br />
als der Drang aufzugeben und sich hinzulegen fast<br />
übermächtig geworden ist, erblickst du voraus das gelbliche<br />
Glühen der Kellerlampe unter Harveys Haus. Du<br />
weißt nicht, woher du die Kraft für einen letzten verzweifelten<br />
Spurt noch nimmst, aber tief in deinem Inneren<br />
fi ndest du noch ein letztes Quäntchen Entschlossenheit,<br />
hetzt die Kellertreppe hinauf und hinaus in den<br />
Vorgarten. Im strömenden Regen<br />
brichst du zusammen und blickst mit<br />
schwindenden Sinnen in den grauen<br />
Himmel, der erste Anzeichen des<br />
hereinbrechenden Tages zeigt. Aus<br />
dem Haus vernimmst du die frustrierten<br />
Mieplaute der Kreaturen, die<br />
sich offensichtlich nicht ins fahle Tageslicht<br />
hinaustrauen.<br />
Du hast die Wahrheit herausgefunden,<br />
aber dafür einen hohen<br />
Preis bezahlt. Auch wenn ein Aufenthalt<br />
im Sanatorium deine geistige<br />
Verfassung wiederherstellen kann,<br />
so bleibt dir doch die bohrende Gewissheit,<br />
dass es unter Arkham und<br />
mit Sicherheit noch vielen weiteren<br />
Städten Kreaturen gibt, die sich von<br />
den Toten ernähren, und dass eine<br />
davon alles über dich weiß. Du wirst<br />
wohl nie wieder richtig ruhig schlafen<br />
können ...<br />
ENDE<br />
63<br />
Refl exartig lässt du die Axt fallen und schleuderst mit einer<br />
schnellen Bewegung die Schwarze Witwe weit von<br />
dir. Mit hämmerndem Herzen untersuchst du hektisch<br />
deine Hand und stellst erleichtert fest, dass du die Spinne<br />
losgeworden bist, bevor sie beißen und ihr todbringendes<br />
Gift in deinen Körper pumpen konnte. Du greifst<br />
die Axt, verlässt auf schnellstem Weg den Schuppen und<br />
untersuchst gründlich die ganze Kleidung, um mögliche<br />
weitere Krabbeltiere aufzuspüren. Sobald du sicher bist,<br />
dass du keine weiteren blinden Passagiere aufgenommen<br />
hast, wendest du dich wieder dem Haus zu. Notiere die<br />
Axt als Nahkampfwaffe auf dem Charakterblatt. Solltest<br />
Du sie in einem Kampf verwenden wollen, so hast du<br />
mit ihr eine Grundtrefferchance von 25% und richtest<br />
1W8+2+Sb Schaden mit ihr an.<br />
Schlage nun bitte Abschnitt 45 auf und entscheide<br />
dich, wie es weitergehen soll.<br />
64<br />
Mit hämmerndem Herzen starrst du auf die zwei winzigen,<br />
roten Punkte auf deinem Handrücken. Als sich auch nach<br />
einigen Minuten keine Symptome einstellen, atmest du<br />
tief durch, schnappst dir die Axt und wendest dich wieder<br />
dem Haus zu. Notiere die Axt als Nahkampfwaffe auf dem<br />
Charakterblatt. Solltest du sie in einem Kampf verwenden<br />
wollen, so hast du mit ihr eine Grundtrefferchance von<br />
25% und richtest 1W8+Sb Schaden mit ihr an.<br />
Schlage nun bitte Abschnitt 45 auf und entscheide<br />
dich, wie es weitergehen soll.<br />
65<br />
Du ziehst die kleine Kette an der Deckenlampe und fi ndest<br />
dich vor einer schmutzigen Holzstiege, die in den<br />
düsteren Keller hinunterführt. Mit einem vagen Gefühl<br />
der Bedrohung in der Magengrube steigst du vorsichtig<br />
die wackelige Treppe hinunter, die unter jedem deiner<br />
Schritte erzittert und ominöse knarrende Laute von sich<br />
gibt, so als würde sie jeden Moment unter dir zusam-<br />
Welche Geheimnisse birgt dieser Keller?<br />
menbrechen und du in unkontrolliertem Fall in die halbdunkle<br />
Tiefe stürzen.<br />
<strong>Ein</strong> Gefühl der Erleichterung macht sich bei dir breit,<br />
als du wohlbehalten unten ankommst.<br />
Dieses wandelt sich aber schnell zu ungläubiger Überraschung.<br />
Zwischen Regalen voll <strong>Ein</strong>machgläsern und Stapeln<br />
von Feuerholz öffnet sich gähnend der fi nstere Schlund eines<br />
nach erdigem Verfall stinkenden Tunnels, der sich nach<br />
wenigen Metern in der Dunkelheit verliert. Sobald du deine<br />
erste Verwunderung überwunden und dich noch einmal<br />
kräftig gekniffen hast, um sicherzustellen, dass du das Ganze<br />
nicht nur träumst, näherst du dich vorsichtig der unregelmäßigen<br />
Öffnung und nimmst sie in Augenschein.<br />
Mache einen Ideenwurf.<br />
Gelingt der Wurf, so gehe zu Abschnitt 48.<br />
Hast du keine Idee, so lies weiter in Abschnitt 42.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 21
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
66<br />
Während seines Monologs ist dir aufgefallen, dass der Beerdigungsunternehmer,<br />
besonders bei der Beschreibung<br />
der Bestattungsvorbereitungen, sehr nervös wirkte und<br />
scheinbar bemüht war, dir etwas zu verheimlichen. Du<br />
kannst noch einmal nachhaken und mit einem Fertigkeitswurf<br />
auf Überzeugen versuchen, dem halbseidenen<br />
Bestatter die Wahrheit aus der Nase zu ziehen.<br />
Gelingt der Wurf, gehe zu Abschnitt 61.<br />
Andernfalls kannst du dich bei Velma erst einmal etwas<br />
stärken, in Abschnitt 10.<br />
67<br />
Du merkst, dass du hier nicht weiterkommst. Vielleicht<br />
fällt dir bei einer Tasse Kaffe etwas Besseres ein. Gehe zu<br />
Abschnitt 10.<br />
68<br />
Mit ohrenbetäubendem Knallen löst sich ein Schuss —<br />
und schlägt in die Wand über deinem Kopf ein. Holzsplitter<br />
und Putzbröckchen regnen auf dich nieder, der<br />
beißende Geruch von Pulver macht sich breit und dei-<br />
ne Welt zieht sich auf einen kleinen schmalen Bereich<br />
zusammen, als deine Wut in panische Angst umschlägt.<br />
Auf allen Vieren suchst du Schutz hinter dem Bett, bis du<br />
einige Momente später realisierst, dass der Fremde gefl<br />
ohen ist und du außer Gefahr bist. Vorsichtig reckst du<br />
den Kopf über das Bett und versicherst dich mit einigen<br />
Blicken, dass der Angreifer wirklich verschwunden ist.<br />
Dein Blick fällt auf das pockennarbige <strong>Ein</strong>schussloch in<br />
der Wand, und begleitet von einer Welle der ungläubigen<br />
Erleichterung wird dir klar, dass die Kugel deinen Kopf<br />
nur um wenige Zentimeter verfehlt hat.<br />
Du dankst im Stillen deinem Schutzengel und siehst<br />
dich vorsichtig im Schlafzimmer um. Lies bitte weiter in<br />
Abschnitt 47.<br />
69<br />
Das Letzte, was du wahrnimmst, ist der grelle Lichtblitz<br />
des Mündungsfeuers. Du spürst nicht mehr, wie dein<br />
Kopf von der Kugel nach hinten gerissen wird, die genau<br />
zwischen deinen Augen in deinen Schädel dringt. Lautlos<br />
sackst du zusammen. Dies ist dein<br />
ENDE.<br />
22 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong><br />
<strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Teil 2: Das Gruppenabenteuer<br />
von Bernhard Bihler<br />
Vorbemerkung<br />
Dieser Teil enthält alle wesentlichen Informationen für<br />
ein Gruppenabenteuer, in dem Sie die Ereignisse des Soloabenteuers<br />
zu einem erfolgreichen Abschluss bringen<br />
können. Sollten Sie das Soloabenteuer noch nicht durchgespielt<br />
haben, so gehen Sie bitte an den Anfang zurück<br />
und spielen es jetzt. Andernfalls nehmen Sie sich nur<br />
den Spielspaß, die wahren Hintergründe des Abenteuers<br />
selbst zu ergründen. Wenn Sie „<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>“<br />
nicht als Spielleiter leiten, sondern als <strong>Spiele</strong>r erleben<br />
wollen, dann hören Sie bitte hier auf zu lesen.<br />
Als <strong>Ein</strong>stieg der <strong>Spiele</strong>r in das Abenteuer bieten sich<br />
drei einfache Ansätze:<br />
b Sie geben einem Ihrer <strong>Spiele</strong>r das Soloabenteuer vorab<br />
und lassen ihn die Handlung als Harold Simms erleben.<br />
Wählen Sie als Anfangspunkt für das Gruppenabenteuer<br />
einen Endabschnitt, bei dem Harold Arkham<br />
lebend verlässt und lassen Sie Ihren <strong>Spiele</strong>r auch für<br />
das Gruppenabenteuer Harold weiterspielen. In diesem<br />
Fall ist es an Harold, ein paar wackere Mitstreiter<br />
aufzutreiben, die mit ihm nach Arkham zurückkehren,<br />
um Onkel Harvey das Handwerk zu legen.<br />
b Möchten Sie Ihre <strong>Spiele</strong>r weitgehend unvorbereitet in<br />
das Abenteuer starten lassen, so gehen Sie davon aus,<br />
dass Harold auf seinen Onkel gestoßen ist, dabei den<br />
Verstand verloren hat und mit Glück die Flucht ergreifen<br />
konnte (entsprechend Endabschnitt 62). Nachdem<br />
er in ein Sanatorium in Boston eingewiesen wurde,<br />
kontaktiert er ein paar alte Freunde (die <strong>Spiele</strong>rcharaktere),<br />
erzählt ihnen seine Geschichte und bittet sie<br />
um ihre Hilfe. Sie sollten die <strong>Ein</strong>führungsszene in der<br />
Anstalt entsprechend unangenehm gestalten und sich<br />
vorher entscheiden, wie klar Harolds Verstand ist und<br />
wie viel er bereits bei seinem Besuch in Arkham in Erfahrung<br />
bringen konnte. Als <strong>Spiele</strong>rcharaktere bieten<br />
sich ehemalige Kommilitonen an und möglicherweise<br />
der Nervenarzt, der Harold behandelt und mehr über<br />
die haarsträubende Geschichte seines Patienten in Erfahrung<br />
bringen will. Sie sollten sich auch überlegen,<br />
ob Harold den Charakteren Prinns Crux Ansata übergibt<br />
und ob er in der Lage ist, ihnen den Sprechgesang<br />
zur Aktivierung des Artefakts beizubringen (Details zu<br />
diesem Artefakt fi nden sich im Spielleiter-Handbuch).<br />
b Die dritte Möglichkeit geht davon aus, dass Harold bei<br />
seiner waghalsigen Suche leider ums Leben gekommen<br />
ist, zuvor aber das Tagebuch seines Onkels gefunden<br />
und Dr. Armitage übergeben hat. Nachdem Dr.<br />
Armitage mehrere Tage nichts mehr von Harold gehört<br />
hat, geht er von dem Schlimmsten aus und sucht<br />
ein paar vertrauenswürdige Leute, die sich des Problems<br />
annehmen. Er selbst wird sie nicht begleiten, da<br />
er sich von den Ereignissen in Dunwich vor ein paar<br />
Wochen noch nicht recht erholt hat, und sein Vorrat<br />
an magischen Artefakten ist leider auch aufgebraucht.<br />
Er kann aber den Charakteren mit gutem Rat zur Seite<br />
stehen und ihnen wertvolle Informationen über<br />
Ghoule zukommen lassen. Für diese Variante wären<br />
als <strong>Spiele</strong>rcharaktere am ehesten Studenten und Dozenten<br />
der Miskatonic-Universität geeignet, denen Dr.<br />
Armitage vertraut.<br />
Hintergrundinformationen<br />
Um dem Spielleiter die nötigen Hintergründe in konzentrierter<br />
Form an die Hand zu geben und noch vorhandene<br />
Lücken zu schließen, rollen wir noch einmal<br />
kurz die Vorgeschichte auf. Dr. Harvey Simms war ein<br />
angesehener Orientalist und Spezialist für die Kulturen<br />
des Mittleren Orients und Vorderasiens. Nach einer<br />
langen und angesehenen Karriere in Harvard und Cambridge,<br />
die neben Forschung und Lehre auch zahlreiche<br />
Expeditionen umfasste, stieß er in den letzten Jahren<br />
vermehrt auf düstere Mythen und Legenden von seltsamen<br />
Totenkulten und unaussprechlichen Riten, die ihn<br />
immer mehr faszinierten, zumal diese offensichtlich von<br />
der Fachgemeinschaft der renommierten Wissenschaftler<br />
entweder totgeschwiegen oder ins Lächerliche gezogen<br />
wurden. Er veröffentlichte in kleinen Fachzeitschriften<br />
mehrere Artikel zu seinen neuen Forschungen und setzte<br />
sich so dem Spott seiner Kollegen aus. Verbittert ob der<br />
negativen Reaktionen zog er sich in die kleine Universitätsstadt<br />
Arkham zurück und widmete sich im Geheimen<br />
seinen Studien. Wider Erwarten stellte sich die örtliche<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 23
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Orne-Bibliothek als wahrer Hort des verborgenen Wissens<br />
heraus, und schon nach wenigen Monaten hatte<br />
er im blasphemischen „Cultes des Goules“ einen Zauber<br />
gefunden, der es ihm ermöglichte, mit den örtlichen<br />
Ghoulen in Kontakt zu treten. Die erste Begegnung mit<br />
den <strong>Leiche</strong>nfressern war wie eine Offenbarung für ihn,<br />
bestätigte sie doch alles, was er bislang vermutet hatte<br />
und weswegen er ins Mark gedemütigt worden war. Die<br />
Ghoule ihrerseits wussten zunächst nicht genau, was sie<br />
mit dem wunderlichen alten Kauz anfangen sollten. Ihre<br />
bisherigen Beziehungen zu Menschen hatten sich auf<br />
die Essenszeiten und die Verehrung durch wenige völlig<br />
wahnsinnige Kultisten beschränkt. Auch schien er keiner<br />
der mächtigen Magier zu sein, mit denen sie in der Frühphase<br />
der Kolonialisierung von Massachusetts zu tun<br />
hatten. Nach längerem Palaver einigten sie sich darauf,<br />
ihn fürs Erste gewähren zu lassen. Harvey hingegen war<br />
hin und weg von der fremdartigen Kultur der Nekrophagen<br />
und verbrachte immer mehr Zeit mit ihnen. Mehr<br />
und mehr rutschte sein zerrütteter Verstand in die endgültige<br />
geistige Umnachtung und sein Interesse steigerte<br />
sich zur Obsession. Er erlernte die Sprache der Ghoule<br />
und nahm auch immer mehr von ihrem Verhalten an.<br />
Als er damit begann, auch selbst menschliche <strong>Leiche</strong>n zu<br />
verspeisen, stellten sich die ersten körperlichen Veränderungen<br />
schnell ein. Er war verzückt, als er erkannte,<br />
dass er sich in einen Ghoul verwandelte, machte sich<br />
aber schnell klar, dass er so nicht weiter unter Menschen<br />
leben konnte — und plante sein eigenes Ableben. Er änderte<br />
sein Testament und bestimmte, dass sein Leichnam<br />
nicht einbalsamiert werden sollte, da Formaldehyd giftig<br />
für Ghoule ist, und verfügte, dass er im geschlossenen<br />
<strong>Sarg</strong> aufgebahrt werden möge — damit niemand der<br />
Trauernden seine körperliche Veränderung bemerken<br />
würde. Seiner eigenen Beisetzung wohnte er aus den<br />
Schatten des Mausoleums heraus bei und musste zu seiner<br />
großen Bestürzung miterleben, wie seine Scharade in<br />
sich zusammenfi el, als der <strong>Sarg</strong> aufbrach und statt seines<br />
Leichnams nur Steine zum Vorschein kamen. <strong>Ein</strong> Blick in<br />
die Augen seines Neffen Harold machte ihm klar, dass er<br />
schnell handeln musste, um zu retten, was noch zu retten<br />
war. Er sammelte in seinem Haus alle Schriftstücke und<br />
Besitztümer ein, die er in sein neues Leben mitnehmen<br />
wollte, wobei ihm aber in seiner Eile das Tagebuch unbemerkt<br />
neben den Schreibtisch fi el, und kontaktierte ein<br />
menschliches Mitglied des Ghoulkultes, das im Haus Stellung<br />
bezog und den übereifrigen Neffen davon abbringen<br />
sollte, tiefer in das Geheimnis um das Verschwinden des<br />
Onkels einzudringen. Ab diesem Zeitpunkt nimmt die<br />
Handlung des Soloabenteuers ihren Verlauf.<br />
Die Ghoule Arkhams<br />
Ghoule sind schon seit Jahrhunderten in der Gegend<br />
Arkhams ansässig. Ursprünglich wurden sie von den Indianern<br />
des Stamms der Misquat verehrt, doch mit dem<br />
Beginn der Kolonialisierung verschlechterte sich ihr Status<br />
beständig. Dies gipfelte in einem Angriff der puritanischen<br />
Stadtbevölkerung im Jahre 1704, dem viele der<br />
<strong>Leiche</strong>nfresser zum Opfer fi elen. Seitdem bemühen sich<br />
die Ghoule, im Verborgenen zu bleiben und alle Spuren<br />
ihrer Anwesenheit zu verwischen. Der Großteil von ihnen<br />
haust in Grüften und Tunneln im Old Wooded Graveyard,<br />
einem alten Friedhof auf der Südseite des Miskatonic, der<br />
seit 1818 nicht mehr für Bestattungen genutzt wird und<br />
um den sich allerlei Gerüchte und Aberglauben ranken.<br />
Angeblich soll auf dem Galgenhügel in seiner Mitte der<br />
Geist von Goody Fowler umgehen, einer Hexe, die 1704<br />
dort hingerichtet wurde. Dieser üble Ruf sorgt dafür, dass<br />
sich nur selten Menschen auf den Friedhof verirren, und<br />
somit können die Ghoule dort weitgehend ungestört<br />
ihrem Treiben nachgehen. Ihre Hauptnahrungsquelle<br />
ist der Christchurch-Friedhof im Stadtteil French Hill<br />
im Südwesten von Arkham, der dem weit verzweigten<br />
Stollensystem angeschlossen ist, das die Ghoule über die<br />
Jahrhunderte hinweg angelegt haben, um ungesehen an<br />
fast jeden Ort in der Stadt gelangen zu können. In der<br />
letzten Zeit ist ihre Nahrungsversorgung allerdings massiv<br />
bedroht. Moderne Techniken der <strong>Ein</strong>balsamierung, vor<br />
allem die Verwendung von giftigem Formaldehyd, haben<br />
dafür gesorgt, dass ein großer Teil der frisch bestatteten<br />
<strong>Leiche</strong>n für die Ghoule ungenießbar wurde und einige<br />
von ihnen sind an der „vergifteten“ Nahrung bereits gestorben.<br />
In der Folge hat sich unter den Ghoulen großer<br />
Hunger breitgemacht, der sie zu immer verzweifelteren<br />
Maßnahmen treibt und langsam auch vor Mord nicht zurückschrecken<br />
lässt. Wurden früher Kanalarbeiter oder<br />
wagemutige Studenten, die die Tunnel erkunden wollten,<br />
nur mit Fieplauten vergrault, so wächst nun immer mehr<br />
das Risiko, dass derart Unglückliche von ausgehungerten<br />
Ghoulen angefallen, zerfetzt und verspeist werden.<br />
Nachforschungen<br />
Je nachdem, welchen <strong>Ein</strong>stieg der Spielleiter für das<br />
Abenteuer wählt, kann dieser Abschnitt unterschiedlich<br />
lang sein oder sogar ganz entfallen, falls Harold Simms<br />
einer der <strong>Spiele</strong>rcharaktere ist oder sie vorab gründlich<br />
informiert. Die wichtigsten Handlungsschauplätze sind<br />
im Soloabenteuer eingehend beschrieben, deshalb werden<br />
hier nur noch einmal kurz die Orte aufgeführt und<br />
die Abschnitte angegeben, die sich mit ihnen befassen:<br />
q Dr. Saltonstalls Büro — Abschnitt 30<br />
q Polizeiwache — Abschnitt 21<br />
q Eleazar’s Funeral Home, Bestattungsinstitut —<br />
Abschnitt 38<br />
q Dr. Shalads Büro — Abschnitt 34<br />
q Orne-Bibliothek der Miskatonic-University —<br />
Abschnitt 46<br />
q Haus des Onkels — Abschnitt 45<br />
Bitte bedenken Sie, dass sich durch Harold Simms’<br />
Nachforschungen im Soloabenteuer an mehreren Stellen<br />
Veränderungen ergeben haben können. Falls Sie einen<br />
Ihrer <strong>Spiele</strong>r das Soloabenteuer vorab spielen lassen,<br />
sollten Sie sich von ihm genau berichten lassen, was er<br />
bereits gefunden und mitgenommen hat. Die wichtigsten<br />
Fundstücke sind Prinns Crux Ansata aus Dr. Armitages Besitz<br />
(Abschnitt 17) und das Tagebuch des Onkels aus dem<br />
Arbeitszimmer in seinem Haus (Abschnitt 22).<br />
Machen sich die <strong>Spiele</strong>r die Mühe, noch einmal gründlich<br />
nachzuforschen, so sollte der Spielleiter dies bel<strong>ohne</strong>n,<br />
indem er ihnen den menschlichen Handlanger der<br />
Ghoule auf den Hals hetzt. Der schmierige, rattenartige<br />
Kerl im abgetragenen Trenchcoat wird ihnen in einer<br />
24 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
dunklen Ecke aufl auern und versuchen, ihnen ihre Untersuchungen<br />
mit vorgehaltener Waffe abzunehmen —<br />
und gegebenenfalls das Feuer auf sie eröffnen. Seine<br />
Spielwerte fi nden sich im Anhang.<br />
Die <strong>Spiele</strong>r sollten am Ende ihrer Nachforschungen<br />
über folgende Informationen verfügen:<br />
a Onkel Harvey hat in Folge seiner okkulten Studien<br />
die Verwandlung zum Ghoul durchgemacht, haust<br />
nun unter Arkham und stellt eine große Gefahr für<br />
die Stadt dar (Details siehe im Abschnitt Hintergrundinformationen).<br />
a Die Ghoule leben in einem weitverzweigten Tunnelsystem<br />
unter der Stadt, das Verbindungen zu den<br />
Friedhöfen aufweist. Im Keller unter Harveys Haus<br />
befi ndet sich ein Zugang zu den Tunneln. Der Zugang<br />
in der Gruft unter dem Christchurch-Friedhof könnte<br />
den <strong>Spiele</strong>rn ebenfalls bekannt sein, dies ist aber nicht<br />
zwingend erforderlich.<br />
a Die Behörden Arkhams, allen voran die Polizei, haben<br />
kein sonderliches Interesse daran, das Verschwinden<br />
von Onkel Harvey aufzuklären.<br />
a In letzter Zeit häufen sich die <strong>Leiche</strong>ndiebstähle, hin<br />
und wieder verschwinden auch Kanalarbeiter oder<br />
Studenten, die sich bei Mutproben in die Kanalisation<br />
begeben haben. Entsprechende Artikel fi nden sich in<br />
den Ausgaben der Lokalzeitungen der letzten Monate.<br />
a Dr. Henry Armitage, Leiter der Orne-Bibliothek der<br />
Miskatonic-Universität, kennt sich nicht nur in seinen<br />
Bibliothekskatalogen sehr gut aus, sondern verfügt<br />
auch über Kenntnisse des Übernatürlichen, die den<br />
Charakteren sehr nützlich sein könnten.<br />
a Velma’s Diner hat den besten Kaffee in Arkham.<br />
Die Ghoul-Halle unter Potter’s Field.<br />
In die Tunnel<br />
Egal, wie lange die Charaktere mit Nachforschungen<br />
verbringen, irgendwann müssen sie in die Tunnel der<br />
Ghoule unter Arkham vordringen, um Onkel Harvey<br />
den Garaus zu machen. Im Anhang fi ndet sich eine grobe<br />
Übersichtskarte der Tunnel, auf der nur die größten und<br />
am häufi gsten genutzten Tunnel verzeichnet sind. Neben<br />
diesen Haupttunneln gibt es unzählige Nebenstollen,<br />
die entweder in alte Keller führen, auf die Kanalisation<br />
der Stadt stoßen oder nach wenigen Metern verschüttet<br />
sind. Der Großteil dieser Stollen ist hand- oder besser<br />
krallengegraben, nicht abgestützt und dementsprechend<br />
zum Teil einsturzgefährdet. Je länger ein Tunnel nicht gewartet<br />
wird, desto größer wird die Anzahl der Haarrisse<br />
in den Wänden und Decken, durch die das Grundwasser<br />
einsickert, bis schließlich eine kritische Grenze erreicht<br />
wird und es zum Wassereinbruch kommt, der innerhalb<br />
weniger Augenblicke große Bereiche überfl utet. Als<br />
Schutzmaßnahme gegen die Überschwemmungsgefahr<br />
haben die Tunnel die Eigenart, nicht in einer waagerechten<br />
Ebene zu verlaufen, sondern ständig anzusteigen und<br />
wieder zu fallen, damit im Falle eines Wassereinbruchs<br />
nur die tiefer gelegenen Stollenabschnitte mit Wasser<br />
volllaufen und nicht weite Bereiche des Tunnelnetzes<br />
überfl utet werden.<br />
Der Streckenverlauf der Gänge wirkt sehr willkürlich<br />
und ist von ständigen Richtungswechseln, Kurven und<br />
Biegungen geprägt, was daran liegt, dass die Ghoule beim<br />
Anlegen ihrer Tunnel Felsen oder alte Fundamente einfach<br />
umgraben, anstatt sich die Mühe zu machen, durch<br />
Hindernisse hindurchzugraben. Aufgrund dieser Bequemlichkeit<br />
sind die meisten Tunnel auch sehr niedrig<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 25
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
und beengt, nur in den wenigsten Abschnitten kann ein<br />
Mensch aufrecht stehen — und nur an Kreuzungen, in<br />
natürlichen Hohlräumen oder Grüften können sich zwei<br />
Personen problemlos aneinander vorbeibewegen.<br />
Diese räumliche Enge stellt in den Gängen ein großes<br />
Problem für die Charaktere dar. Sperrige Gegenstände<br />
und Waffen wie Gewehre oder Fotostative behindern<br />
das Fortkommen enorm und können kaum effi zient<br />
eingesetzt werden, entsprechende Fertigkeitswürfe sind<br />
mindestens schwer oder völlig aussichtslos, beispielsweise<br />
ist es unmöglich, eine Holzfälleraxt in den Tunneln zu<br />
schwingen. Sollte es zum Kampf kommen, so kann sich<br />
immer nur der vorderste Charakter daran beteiligen, die<br />
hinter ihm befi ndlichen Charaktere können höchstens<br />
indirekt ins Geschehen eingreifen oder darauf warten,<br />
dass ihr Vordermann zusammenbricht oder sich fl ach auf<br />
den Tunnelboden presst, um den Weg freizugeben.<br />
Der <strong>Ein</strong>satz von Schuss- oder Explosivwaffen bringt noch<br />
weitere Probleme mit sich. In der Enge der Tunnel werden<br />
Pulverdampf und Gewehrknall schnell überwältigend und<br />
die Erschütterungen durch das Abfeuern großkalibriger<br />
Schusswaffen oder das Zünden von Dynamit können leicht<br />
zu katastrophalen Tunneleinstürzen führen.<br />
Neben der Enge und dem chaotischen Verlauf der Tunnel<br />
fi nden sich nur an ganz wenigen Stellen phosphoreszierende<br />
Pilze oder andere natürliche Lichtquellen,<br />
ansonsten ist es so dunkel, dass man <strong>ohne</strong> eigene Lichtquelle<br />
die Hand vor Augen nicht sieht. Die Luft ist stickig<br />
und abgestanden, ein übler Moder- und Schimmelgeruch<br />
steigt in die Nase, der stellenweise von starkem, süßlichen<br />
Verwesungsgeruch überlagert wird. Überall sickert<br />
Wasser durch die Decke, das schnell die Kleidung durchnässt<br />
und die Charaktere frieren lässt.<br />
Die Akustik in den Gängen ist ungewohnt — zumeist<br />
schluckt das Erdreich selbst lautere Geräusche, während<br />
an anderen Stellen seltsame Echos, Fiepen, Kratzen und<br />
Sabbern ans Ohr hallen. Die Orientierung ist unter diesen<br />
Umständen mehr als schwer und es ist so gut wie unmöglich,<br />
die Tunnel zu kartografi eren.<br />
Zu allem Überfl uss wimmeln die Tunnel natürlich auch<br />
noch vor Ghoulen, die hier zu Hause sind und jeden Winkel<br />
der Gänge wie ihre Westentasche kennen.<br />
Das <strong>Ein</strong>dringen der Investigatoren wird nicht lange unbemerkt<br />
bleiben, zumal die Ghoule nach Harolds Stippvisite<br />
mit weiterem Ärger rechnen und besonders aufmerksam<br />
durch ihr Reich schlurfen. Sobald die <strong>Ein</strong>dringlinge<br />
entdeckt worden sind, werden sich drei Ghoule an ihre<br />
Fersen heften und sie verfolgen. Die Ghoule sind noch<br />
nicht so hungrig und verzweifelt, dass sie direkt angreifen,<br />
sie werden zunächst versuchen, die Charaktere zu<br />
verängstigen und zu verjagen. Als Erstes wird ein Ghoul<br />
über parallel verlaufende Stollen die Gruppe überholen<br />
und sich in einem Stichgang verstecken. Sobald der erste<br />
Charakter an dem Gang vorbeikommt, nimmt der Ghoul<br />
Maß und wirft ihm einen halb abgenagten Schädel an den<br />
Kopf. Das eklige Wurfgeschoss richtet einen Punkt Schaden<br />
an, kratzt aber für 0/1W3 Punkte an der Stabilität des<br />
Angegriffenen. Daraufhin bemühen sich die Ghoule mit<br />
unheimlichen Geräuschen wie Fiepen, Sabbern, Schlürfen,<br />
Wimmern und Knochenklappern die Investigatoren<br />
in die Knie zu zwingen. Diese Kakophonie, zusammen<br />
mit der gelegentlichen, huschenden Bewegung im Augenwinkel,<br />
kostet noch einmal 0/1W3 STA. Reicht dies auch<br />
noch nicht aus, um die lästigen Menschen in die Flucht<br />
zu schlagen, legen die Ghoule einen Hinterhalt. Zwei von<br />
ihnen umgehen wiederum die Gruppe und verbergen<br />
sich an einer geeigneten Stelle, an der ein Stichgang auf<br />
den Tunnel stößt. <strong>Ein</strong> Ghoul versteckt sich im Seitengang,<br />
der zweite im Gang voraus und der letzte schleicht hinter<br />
der Gruppe her. Sobald die Gruppe den Seitengang passiert,<br />
greifen die Ghoule von vorne, hinten und von der<br />
Seite an. Sie werden nicht bis zum Tod kämpfen, sondern<br />
nach der ersten schwereren Verletzung ihren Angriff abbrechen<br />
und sich zurückziehen. Idealerweise werden sie<br />
noch versuchen, den schwächsten Charakter zu packen<br />
und zu verschleppen, um ihn auszuhorchen und dann<br />
zu verspeisen. Diese Guerillaangriffe werden sie so lange<br />
fortsetzen, bis die Charaktere sich zurückziehen, tot sind<br />
oder die drei Ghoule erledigt haben.<br />
Die Vorteile der Ghoule liegen in ihrer weit überlegenen<br />
Ortskenntnis, ihrer hohen Schadensresistenz und<br />
der Tatsache, dass sie sich in den Gängen leichter und<br />
schneller fortbewegen können als ihre Gegner. Sie sind<br />
aber an helles Licht nicht gewohnt. Der Lichtstrahl starker<br />
Taschenlampen, direkt in die Augen gerichtet, wird<br />
einen Ghoul erst einmal vertreiben, bis ihm klar wird,<br />
dass es ihm nicht schaden kann. Nutzen die Charaktere<br />
ihre Lichtquellen, um die Ghoule zu blenden, so erhalten<br />
diese einen Abzug von 20 Prozentpunkten auf ihre Werte,<br />
werden aber bevorzugt die Menschen angreifen, die<br />
die Lichtquellen tragen.<br />
Lassen die verbliebenen Charaktere von einer weiteren<br />
Erforschung der Tunnel ab, nachdem einer von ihnen gefressen<br />
wurde, so werden die Ghoule ihrerseits aktiv und<br />
stellen ihnen nach. Ihre Hotelzimmer werden durchsucht<br />
und wertvolle Waffen oder Artefakte gestohlen, die <strong>Ein</strong>brecher<br />
lassen einen Gruß in Form der angenagten Hand<br />
des Verstorbenen mit seinem Ehering daran zurück, ein<br />
menschlicher Diener der Ghoule belästigt sie an Orten,<br />
an denen sie sich sicher glauben, etc. Die Ghoule werden<br />
nicht locker lassen, bis die Charaktere tot sind oder ArkArkham verlassen haben.<br />
Die Schlüsselstellen der Ghoultunnel<br />
1 — Potter’s Field: Der Tunnel, der in dieses Gebiet führt,<br />
verzweigt sich schnell in ein unübersichtliches Gewirr<br />
von kleinen Stollen. Über den Tunneln liegt Potter’s Field,<br />
der Armenfriedhof von Arkham, auf dem Landstreicher,<br />
mittellose Alleinstehende und Fremde <strong>ohne</strong> großes Zeremoniell<br />
bestattet werden. Die kleinen Stollen enden<br />
meist nach wenigen Metern in einer aufwärtsführenden<br />
Sackgasse am aufgebrochenen Boden eines einfachen,<br />
leeren Kiefernsarges.<br />
Inmitten des Ganglabyrinths befi ndet sich eine Halle,<br />
in der ein kleines Rudel von Ghoulen haust, die sich den<br />
Armenfriedhof als Nahrungsquelle erschlossen haben.<br />
Bestattungen sind zwar etwas seltener in Potter’s Field als<br />
auf dem Christchurch-Friedhof, dafür sind die <strong>Leiche</strong>n in<br />
der Regel aber gut genießbar, da sie aus Kostengründen<br />
nicht einbalsamiert werden. Die Wände der Halle bestehen<br />
aus aufgestapelten Knochen und Schädeln, und in<br />
ihrer Mitte befi ndet sich ein grobes Nest aus alten <strong>Leiche</strong>ntüchern,<br />
schmutzigen Kleidungsstücken und leeren<br />
Schnapsfl aschen. Die fünf Ghoule, die sich hier regelmäßig<br />
aufhalten, sind besonders degeneriert und verschlagen.<br />
Sie kennen sich sehr gut in den Gassen Arkhams<br />
26 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
aus und wissen sehr genau, wie man sich unbemerkt dort<br />
herumtreiben kann und wo man nützlichen Kleinkram<br />
finden kann, den die wohlhabenderen Bürger einfach<br />
wegwerfen. Beim ersten Anzeichen von Gefahr machen<br />
die „Pennerghoule“ sich aus dem Staub und verstecken<br />
sich, mit Ausnahme eines Ghouls, der so betrunken ist,<br />
dass er nichts mitbekommt. Die geflohenen Ghoule sind<br />
neben ihrer Feigheit aber auch sehr revierverbunden und<br />
machen sich bald daran, den <strong>Ein</strong>dringlingen nachzustellen<br />
— schließlich wollen sie nicht, dass ihr bequemes<br />
Nest und ihre gute Nahrungsquelle verloren gehen.<br />
Die Charaktere werden schon bald an der Oberfläche<br />
von Gestalten in Schlapphüten und dreckigen Trenchcoats<br />
verfolgt, die nach einer üblen Mischung von Verwesung<br />
und Fusel stinken. Direkte Konfrontationen scheuen die<br />
Pennerghoule allerdings, vielmehr werden sie die Charaktere<br />
bespitzeln und ihnen indirekt schaden, indem sie<br />
die anderen Ghoule über ihre Aktivitäten auf dem Laufenden<br />
halten. Sollten die Ghoule beobachten, wie die<br />
Charaktere Dinge verstecken oder <strong>Leiche</strong>n verschwinden<br />
lassen, so nutzen sie die Gelegenheit, um die versteckten<br />
Sachen selbst zu stehlen oder kompromittierende Beweise<br />
wieder hervorzuholen und so zu platzieren, dass sie<br />
mit den Charakteren in Verbindung gebracht werden.<br />
2 — Onkel Harveys Haus: Das Haus des verschwundenen<br />
Onkels wird im Soloabenteuer ausführlich beschrieben.<br />
Hier noch einmal die relevanten Abschnitte zur<br />
schnellen Übersicht:<br />
c Gartenschuppen — Abschnitt 6<br />
c <strong>Ein</strong>gangshalle — Abschnitt 2<br />
c Küche — Abschnitt 40<br />
c Wohnzimmer — Abschnitt 14<br />
c Studierzimmer und Bibliothek — Abschnitt 24<br />
c Schlafzimmer im Obergeschoss — Abschnitt 4<br />
c Keller — Abschnitt 65<br />
Im Keller hat sich seit Harolds Besuch allerdings eine<br />
Veränderung ergeben. Die Ghoule haben den Gang, der<br />
zu ihrem Tunnellabyrinth führt, zum <strong>Ein</strong>sturz gebracht,<br />
um ihre Spuren zu verwischen. Die Charaktere können<br />
entweder den <strong>Ein</strong>gang im Christchurch-Friedhof benutzen,<br />
sofern sie ihn kennen, oder sich mit Spitzhacke und<br />
Spaten ans Werk machen. Mit dem richtigen Werkzeug<br />
braucht es etwa 100 Mannstunden, um den Zugang zu<br />
den Tunneln freizulegen. Die Arbeiten erzeugen allerdings<br />
genug Lärm und Bodenbewegungen, um die Aufmerksamkeit<br />
der Ghoule zu wecken. Sobald die Charaktere<br />
den Durchbruch schaffen, erwartet sie bereits ein<br />
kleines Begrüßungskomitee von einem halben Dutzend<br />
Ghoulen. Der Anblick der sabbernden Ghoulhorde kostet<br />
0/6 STA, sie lassen sich allerdings relativ leicht mit grellem<br />
Licht und Schusswaffen verscheuchen. Versuchen<br />
die Charaktere dennoch, diesen Weg zu nehmen, obwohl<br />
die Ghoule von Anfang an von ihrem <strong>Ein</strong>dringen wissen,<br />
so werden sie es extrem schwer haben und werden auf<br />
Schritt und Tritt von hungrigen <strong>Leiche</strong>nfressern verfolgt<br />
und angegriffen. Der Widerstand der Ghoule wird immer<br />
heftiger, je weiter sie in die Tunnel eindringen, und mit<br />
jedem zurückgelegten Meter wächst die Gefahr, dass sie<br />
nie wieder das Tageslicht erblicken. Die Charaktere sollten<br />
schnell erkennen, dass sie hier nicht weiterkommen<br />
und besser einen anderen Weg wählen sollten, der sie mit<br />
Heimlichkeit ans Ziel bringt.<br />
3 — Christchurch-Friedhof: Dieser Friedhof ist die letzte<br />
Ruhestätte für Arm und Reich. Das Areal ist von einer<br />
2,5 m hohen Steinmauer umgeben, die mit rostigen Eisenspitzen<br />
besetzt ist, und wird nachts von einem Friedhofswärter<br />
bewacht, der in einem kleinen Gebäude beim<br />
Haupteingang wohnt. Die Ghoultunnel erstrecken sich<br />
unter dem gesamten Gelände, konzentrieren sich aber<br />
unter den Mausoleen entlang der Mauer. Im Mausoleum<br />
der Familie Cotton findet sich ein Zugang zu den<br />
Tunneln. Auch wer ihn nicht gezielt sucht, kann ihn mit<br />
Verborgenes erkennen finden. Hinter einer Engelsstatue an<br />
der Rückwand des Mausoleums führt eine grob behauene<br />
Wendeltreppe nach unten und geht dann in einen<br />
der Tunnel über. Schmale Seitengänge zweigen in regelmäßigen<br />
Abständen vom Hauptstollen ab und führen zu<br />
den Grüften unter den anderen Familienmausoleen, die<br />
teilweise von einzelnen Ghoulen bewohnt werden. Unter<br />
dem Christchurch-Friedhof hausen allerdings relativ<br />
wenige Ghoule, da die häufigen Beisetzungen sie stören<br />
und die Gefahr, durch einen Friedhofsbesucher entdeckt<br />
zu werden, relativ hoch ist. Den älteren Ghoulen ist auch<br />
das moderne Ambiente des ökumenischen Friedhofs zuwider<br />
und somit ist der Christchurch-Friedhof ein idealer<br />
Ausgangspunkt für ein <strong>Ein</strong>dringen in die Ghoultunnel.<br />
Sollten die Charaktere noch nicht vom <strong>Ein</strong>gang im Cotton-Mausoleum<br />
wissen, so sollte der Spielleiter ihnen<br />
eine Möglichkeit geben, darauf zu stoßen. Am einfachsten<br />
wäre ein erster Hinweis über die Zeitungsartikel der<br />
letzten Zeit, die den Friedhof mit dem Verschwinden von<br />
<strong>Leiche</strong>n in Verbindung bringen, und auch Onkel Harvey<br />
sollte ja hier bestattet werden. <strong>Ein</strong> Gespräch mit Friedhofswärter<br />
Martin Pickering könnte den entscheidenden<br />
Hinweis geben. Der alte Kauz ist immer durstig, und ein<br />
paar Schluck Whiskey in Verbindung mit vorsichtigen<br />
Fragen (Überzeugen) bringen den Tipp, dass es nachts immer<br />
wieder komische Geräusche aus Richtung der Cotton-Gruft<br />
gibt. Sein Alkoholismus macht es auch leicht,<br />
nachts unbemerkt auf das Friedhofsgelände zu gelangen.<br />
Geben die Charaktere ihm am späten Nachmittag eine<br />
Flasche Schnaps, so wird er diese in kürzester Zeit leeren<br />
und die ganze Nacht im Vollrausch durchschlafen.<br />
4 — Old Wooded Graveyard: Unter dem alten Waldfriedhof<br />
liegt die Hauptbehausung der Ghoule Arkhams. An<br />
der Oberfläche bietet sich dem Besucher der leicht unheimliche,<br />
aber idyllische Anblick eines alten Friedhofs<br />
der Kolonialzeit, auf dem seit über 100 Jahren keine Bestattungen<br />
mehr stattgefunden haben. Zwischen verwitterten,<br />
efeuüberwucherten Grabsteinen und baufälligen<br />
Mausoleen erhebt sich ein kleiner Hügel, der von einer<br />
uralten Weide bestanden ist, die um einen unleserlichen,<br />
geborstenen Grabstein herum gewachsen ist — der Galgenhügel,<br />
auf dem 1704 die Hexe Goody Fowler von den<br />
guten Bürgern Arkhams hingerichtet wurde. Das Gelände<br />
wird von einem niedrigen, schmiedeeisernen Zaun<br />
umfasst und ist nachts unbeleuchtet.<br />
Unter der Erde bietet sich ein eindeutig weniger idyllischer<br />
Anblick. In den halbversunkenen Grüften tummelt<br />
sich die große Ghoulgemeinde Arkhams und geht ungestört<br />
ihrem unbeschreiblichen Treiben nach. Die meisten<br />
der Ghoule hier sind schon mehrere Hundert Jahre alt<br />
und trauern immer noch ihren goldenen Jahren in der<br />
Zeit vor der Kolonialisierung nach, als sie von den India-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 27
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
nern des Misquat-Stammes wie Götter verehrt und regelmäßig<br />
mit Menschenopfern gefüttert wurden. Im Laufe<br />
der Jahre hat sich unter ihnen eine schwere Niedergeschlagenheit<br />
und lähmende Inaktivität breitgemacht, gefördert<br />
durch ihre Angst vor Entdeckung und erneuter<br />
Verfolgung. Seit kurzem weicht diese depressive Untätigkeit<br />
aber einer neuen, energetischen Hoffnung. In der<br />
größten Gruft, direkt unter der Galgenweide, wohnt seit<br />
kurzem der Grund für diesen Stimmungswandel — Onkel<br />
Harvey. Er erkannte sehr schnell, dass sich bei seiner<br />
neuen Familie etwas ändern muss, um die Stasis der entmutigten<br />
<strong>Leiche</strong>nfresser zu brechen und sie in eine neue,<br />
glorreiche Zukunft zu führen. Seine Ansprachen vor der<br />
versammelten Ghoulgemeinde finden regen Zulauf und<br />
er verspricht ihnen eine neue goldene Ära, in der sie keinen<br />
Hunger mehr leiden müssen und wieder ihren angestammten<br />
Platz in der Welt einnehmen können. Noch<br />
sind seine Versprechungen und Pläne eher vage, aber<br />
erste konkrete Schritte sind nur noch eine Frage der Zeit.<br />
Seine Planungen laufen derzeit in verschiedene Richtungen,<br />
mit den folgenden Hauptaspekten:<br />
d Mehrung des Wissens der Ghoule über die moderne<br />
Welt.<br />
d Stärkung des menschlichen Ghoulkultes. Harvey hat<br />
erkannt, dass er Agenten braucht, die unerkannt an<br />
der Oberfläche seine Pläne ausführen können. Insbesondere<br />
möchte er Sympathisanten in Schlüsselstellungen<br />
in der Stadtverwaltung und ihren Exekutivorganen<br />
platzieren, die so die Geheimhaltung der<br />
Ghoule gewährleisten können.<br />
d <strong>Ein</strong>flussnahme auf die örtlichen Bestattungsunternehmen,<br />
um zu erreichen, dass weniger <strong>Leiche</strong>n einbalsamiert<br />
werden und die Verwendung von giftigem<br />
Formaldehyd aufhört. Als ersten Schritt hat er Ghoule<br />
abgestellt, die die Bestatter beobachten und ihre Lebensgewohnheiten<br />
und Geschäftspraktiken ausspionieren,<br />
um Erpressungsmaterial zu sammeln. Die<br />
Tunnel werden derzeit um Stichtunnel in die einzelnen<br />
Bestattungsinstitute erweitert, die einen schnellen<br />
und ungesehenen Zugang jederzeit möglich machen.<br />
d Erweiterung des Mythoswissens der Ghoule. Harvey<br />
plant derzeit seinen größten Coup: einen <strong>Ein</strong>bruch in<br />
die Orne-Bibliothek der Miskatonic-Universität. Als<br />
Mensch hatte er dort seine ersten größeren <strong>Ein</strong>blicke in<br />
den Mythos und er hat eine Vorstellung davon, welche<br />
Schätze in den Magazinbeständen der Bücherei lagern.<br />
Kurz vor seiner Transformation wurde aber der Zugang<br />
zu den entsprechenden Werken verschärft und Harvey<br />
ist sich bewusst, dass der Bibliotheksleiter Dr. Armitage<br />
den Braten gerochen hat. Er will deshalb besonders<br />
vorsichtig vorgehen und keine Fehler machen, die<br />
eine Spur zu den Ghoulen legen könnten, und somit<br />
sind diese Pläne nur etwas für die fernere Zukunft —<br />
möglicherweise wird er warten, bis Dr. Armitage eines<br />
natürlichen Todes gestorben ist.<br />
d Verbesserung der Ernährungssituation der Ghoule.<br />
Harvey hat einige extreme Pläne in dieser Hinsicht.<br />
Diese reichen von <strong>Ein</strong>flussnahme auf die Medizinische<br />
Fakultät der Universität, um in den Forschungslaboratorien<br />
einen neuen, tödlichen Stamm von Grippeviren<br />
züchten zu lassen, der zahlreiche Menschen tötet, bis<br />
zu Plänen, die Fundamente von Wohnblocks derart<br />
von unten zu unterhöhlen, dass sie einstürzen und<br />
auf einen Schlag Dutzende Neuzugänge für die Speisekammern<br />
der Ghoule zur Verfügung stehen — Arkham<br />
stehen interessante Zeiten ins Haus, falls Harvey<br />
nicht aufgehalten wird!<br />
Harveys Gruft gleicht mittlerweile einer Mischung aus<br />
unsortierter Bibliothek, Beinhaus und Militärhauptquartier.<br />
Inmitten von Bücherstapeln und halb abgenagten<br />
Gliedmaßen steht auf einem steinernen Sarkophag seine<br />
alte Schreibmaschine, auf der er seine Pläne herunterhackt<br />
und nebenbei ein Manifest über die glorreiche<br />
Zukunft der <strong>Leiche</strong>nfresser schreibt. An den Wänden<br />
hängen Planungsskizzen und Stadtpläne mit bunten<br />
Fähnchen, ein halbfertiger Plan der Kanalisation und der<br />
Ghoultunnel zeugt von seinem Ordnungssinn und vermerkt<br />
Punkte, an denen l<strong>ohne</strong>nde Ziele für seine Hausabbruchspläne<br />
stehen. Harvey ist fast immer hier zu finden,<br />
wie er in seinem alten, geblümten Hausmantel vor<br />
seiner Schreibmaschine hockt und Pläne schmiedet. In<br />
den Ecken und Winkeln der Gruft drückt sich ein halbes<br />
Dutzend seiner loyalsten Ghoulbrüder herum, die stets<br />
ein wachsames Auge auf ihn haben. Seine Gruft ist einer<br />
der wenigen Räume in den Tunneln, die über elektrisches<br />
Licht verfügen. Liebend gerne hätte Harvey in seinem<br />
Domizil einen Radioempfänger, um auf dem Laufenden<br />
zu bleiben, bislang hat er aber noch keine Möglichkeit<br />
gefunden, in der Tiefe einen entsprechenden Empfang zu<br />
bekommen.<br />
Um die Zentralgruft herum befinden sich weitere alte<br />
Grüfte, in denen sich die abgenagten Gebeine vergangener<br />
Generationen Arkhams stapeln und weiteren Ghoulen<br />
als Wohnstatt dienen.<br />
5 — Hauptsammler unter dem Independence Square:<br />
Unter dem Stadtplatz von Arkham befindet sich eines der<br />
beeindruckendsten Bauelemente der Kanalisation, der<br />
große Hauptsammler auf der Nordseite des Miskatonic.<br />
Die riesige Halle ähnelt mit ihren mächtigen Stützsäulen<br />
und ihrer hallenden Akustik einer unterirdischen Kathedrale.<br />
Hier laufen die Hauptkanäle unter der Federal,<br />
Whateley und Armitage Street zusammen und lenken<br />
die Abwässer über den Hauptkanal unter der Peabody<br />
Avenue in den Miskatonic. Der Hauptsammler dient aber<br />
vor allem als Rückhaltebecken, das bei starkem Regenfall<br />
verhindert, dass die Kanalisation überläuft und Straßen<br />
und Keller überschwemmt. Die Ghoule haben ihre eigene<br />
Verwendung für die „Kathedrale“ gefunden. Sie dient<br />
ihnen als Tempel und Versammlungshalle, in der sie den<br />
Schwarzen Mann anbeten und in der Harvey seine großen<br />
„Volksreden“ schwingt. An den Stützsäulen in den<br />
hinteren Ecken des gewaltigen Raumes hängen die meiste<br />
Zeit mehrere <strong>Leiche</strong>n, die in der feuchten und kühlen<br />
Luft die richtige Reife erreichen und somit besonders<br />
lieblich schmecken. <strong>Ein</strong>e Entdeckung durch Kanalarbeiter<br />
ist relativ unwahrscheinlich, da diese nur selten zu<br />
Wartungsarbeiten hierher kommen und die Ghoule über<br />
einen Kanalarbeiter, der dem Ghoulkult angehört, normalerweise<br />
bereits im Voraus Bescheid wissen.<br />
Harveys Ansprachen finden einmal die Woche hier<br />
statt und ziehen einen Großteil der Ghoule an. <strong>Ein</strong>e dieser<br />
Versammlungen wäre die ideale Gelegenheit, um viele<br />
Ghoule auf einmal zu erledigen, beispielsweise indem<br />
man während der Ansprache die Stützpfeiler sprengt<br />
und somit den Hauptsammler zum <strong>Ein</strong>sturz bringt und<br />
28 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
die <strong>Leiche</strong>nfresser unter zig Tonnen Gestein begräbt. Die<br />
Charaktere könnten bei ihren Erkundungen der Tunnel<br />
auf die Versammlungen aufmerksam werden, wenn sie<br />
mehrere Gruppen Ghoule sehen, die in dieselbe Richtung<br />
laufen.<br />
Onkel Harvey und seine Leibwache.<br />
6 — Ritualhöhle der Misquat-Indianer: Der Tunnel öffnet<br />
sich hier in eine natürliche Höhle in der bewaldeten<br />
Uferböschung des Miskatonic. Der Zugang von außen<br />
ist schon lange nicht mehr möglich, seit der Pfad zum<br />
Höhleneingang bei einem Unwetter weggespült wurde<br />
und dichter Pfl anzenbewuchs die Höhlenöffnung vor<br />
neugierigen Blicken verbirgt. In dieser Höhle wurden die<br />
Ghoule vor der Kolonialisierung von den Misquat-Indianern<br />
angebetet und gefüttert, wovon noch zahlreiche<br />
verstörende Malereien an den Höhlenwänden zeugen.<br />
Die Ghoule kommen nur noch selten hierher, deshalb<br />
eignet sich die Höhle hervorragend als zeitweiliger Stützpunkt<br />
und Ruheplatz für die Investigatoren. Die Wandmalereien<br />
zeigen in einer Abfolge von Szenen die Riten,<br />
mit denen die Ghoule verehrt wurden, von der Kontaktaufnahme<br />
durch den Schamanen über die Vorbereitung<br />
des Opfers bis hin zu seiner rituellen Verspeisung durch<br />
die herbeigerufenen Ghoule. <strong>Ein</strong> eingehendes Studium<br />
der Malereien kostet 1/1W4 STA, erlaubt es aber dem<br />
in Anthropologie Kundigen, interessante Rückschlüsse zu<br />
ziehen. Diese sind:<br />
e Die Ghoule wurden vor der Kolonialisierung von den<br />
ortsansässigen Indianern verehrt und rituell gefüttert.<br />
e Die Schamanen hatten einen speziellen Zauber, mit<br />
dem sie die <strong>Leiche</strong>nfresser rufen und milde stimmen<br />
konnten, sofern für ein <strong>Leiche</strong>nmahl gesorgt war. Mit<br />
einem gelungenen Wurf auf INx3 kann der Anthropologe<br />
den Zauber Kontakt zu Ghoulen aus den Malereien<br />
ableiten und lernen.<br />
e Das <strong>Leiche</strong>nmahl hat einen festen Ablauf, die Ghoule<br />
speisen streng nach ihrer internen Hierarchie, Herz<br />
und Hirn stehen nur dem Anführer der Ghoule zu.<br />
e Das letzte Bild zeigt den Anführer der Ghoule nach<br />
dem Ende des <strong>Leiche</strong>nmahls. Die Kreatur hat die Körperhaltung<br />
und Symbolik des verspeisten Indianers<br />
angenommen und die versammelten Indianer feiern<br />
das Ereignis. Anthropologie liefert auch hier eine Erklärung:<br />
Die Szene lässt darauf schließen, dass der Ghoul<br />
die Seele des Opfers verspeist und somit für sein Weiterleben<br />
nach dem Tod gesorgt hat.<br />
7 — Eleazars Bestattungsunternehmen: Der Tunnel<br />
mündet hier im Keller des Bestattungsunternehmens<br />
von Jasper Eleazar, den wir schon aus Teil 1 (dem Soloabenteuer)<br />
kennen. Gestapelte Kisten und Särge verbergen<br />
die Öffnung des Ganges von der Kellerseite aus. Der<br />
Raum dahinter dient zum Waschen der <strong>Leiche</strong>n und ihrer<br />
<strong>Ein</strong>balsamierung. In Regalen, Schränken und auf Tischen<br />
fi nden sich zahlreiche Flaschen und Tiegel mit Flüssigkeiten,<br />
Salben und Pasten, und in der Mitte des Raums liegt<br />
auf einem Tisch mit Metallplatte die <strong>Leiche</strong> einer alten<br />
Dame, die gerade in Arbeit ist. In einem der Schränke fi nden<br />
sich 30 Flaschen Formalin, eine 35-prozentige wässrige<br />
Lösung von Formaldehyd, die bei der <strong>Ein</strong>balsamierung<br />
von <strong>Leiche</strong>n Verwendung fi ndet. Diese Chemikalie<br />
ist für Menschen nur milde haut- und augenreizend, für<br />
Ghoule jedoch ein potentiell tödliches Gift. Hautkontakt<br />
bewirkt bei den <strong>Leiche</strong>nfressern einen irritierenden, stark<br />
juckenden Ausschlag, der sie extrem gereizt und wütend<br />
macht, aber ansonsten kaum behindert. Wird das Formalin<br />
jedoch injiziert oder in ihrer Nahrung verborgen, so<br />
zeigen sich schnell Vergiftungssymptome, die von Augenreizungen<br />
über Lähmungen der Extremitäten bis hin zum<br />
Exitus führen. Die Potenz des Giftes richtet sich nach der<br />
injizierten Menge Formalin: Pro cm³ (Milliliter) beträgt<br />
sie POT 6. Unter den Gerätschaften im Keller fi nden sich<br />
auch 5 Spritzen mit einem Fassungsvermögen von je 5<br />
cm³. Diese lassen sich im Kampf gegen einen Ghoul verwenden.<br />
Um die aufgezogene Spritze in den Gegner zu<br />
rammen und ihren Inhalt zu injizieren, muss man erfolgreich<br />
Ringen. Gelingt das Manöver, so zeigt sich schnell<br />
die verheerende Wirkung, die das Formalin mit POT 30<br />
hervorruft — der Tod stellt sich nach etwa 6 Sekunden<br />
ein. Mit Glück hat die Spritze diese missbräuchliche Verwendung<br />
unbeschadet überstanden und kann wiederverwendet<br />
werden.<br />
Jasper Eleazar weiß nichts von der Existenz der Ghoule<br />
und ihrem Tunnel, der in seinen Keller mündet. Seit er<br />
Onkel Harvey auf seinem Tisch hatte, vermutet er allerdings,<br />
dass es mehr Ding’ im Himmel und auf Erden gibt,<br />
als ihn die Highschool gelehrt hat. Der Bestatter hat es<br />
in der Vergangenheit mit seinem Berufsethos oft nicht<br />
so genau genommen und für die entsprechende Summe<br />
auch mal eine <strong>Leiche</strong> verschwinden lassen oder einen<br />
Medizinstudenten mit Forschungsmaterial versorgt. Nun<br />
fragt er sich aber, ob diese <strong>Leiche</strong>n wirklich nur für anatomische<br />
Studien verwendet wurden ...<br />
Sein Gehilfe Stephen Whitmarsh ist allerdings nicht so<br />
unwissend wie sein Arbeitgeber. Der hässliche Mittzwanziger<br />
macht die ganzen Drecksarbeiten, für die sich sein<br />
Chef zu fein ist, und ist vor ein paar Monaten beim Aufräumen<br />
auf den Tunnel im Keller gestoßen. Seine Neugier<br />
hat ihn in Kontakt mit den Ghoulen gebracht, zu seiner<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 29
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Erleichterung haben sie aber sein Leben verschont und<br />
ihn stattdessen in den Ghoulkult initiiert. In der letzten<br />
Zeit hat Stephen im Kult Karriere gemacht. Seine Arbeit<br />
im Bestattungsunternehmen macht ihn für Harvey sehr<br />
interessant und zu einer Schlüsselfi gur für seine Pläne,<br />
auf die Bestatter Arkhams <strong>Ein</strong>fl uss zu nehmen und die<br />
Verwendung von Formalin zu unterbinden.<br />
Sollten die Charaktere auf Stephen aufmerksam werden,<br />
so stellt er eine wertvolle Informationsquelle für sie<br />
dar. Er kennt in groben Zügen die Pläne Harveys und weiß,<br />
dass Formalin für Ghoule extrem giftig ist. Man muss allerdings<br />
schon sehr hart mit ihm umspringen, um diese<br />
Informationen aus ihm herauszuholen. Stephen war der<br />
Kultist, der Harold im Haus seines Onkels aufgelauert hat.<br />
Ist Harold bei der Gruppe und hatte er im Soloabenteuer<br />
Kontakt mit dem Kultisten im Schlafzimmer, so wird er<br />
Stephen sofort wiedererkennen, sobald er ihn sieht.<br />
8 — Tunnel unter der Miskatonic-Universität: Die<br />
Ghoultunnel gehen hier in einen verwirrenden Komplex<br />
von Wartungsschächten, Heizungskanälen und Kellerräumen<br />
über, der sich unter dem Campus der Miskatonic-<br />
Universität erstreckt. Neben dem Hausmeister und den<br />
Handwerkern der Uni werden diese Gänge auch intensiv<br />
von den abenteuerlustigeren Studenten der ehrenwerten<br />
Alma Mater genutzt. In den größeren Kellern fi nden in<br />
unregelmäßigen Abständen wilde Studentenpartys statt,<br />
und unter den männlichen Erstsemestern gilt es als Mutprobe,<br />
die Tunnel allein zu erkunden — zwei der Studentenverbindungen<br />
greifen auch gerne bei der Auswahl<br />
ihrer neuen Mitglieder auf diese Mutproben zurück. Über<br />
die Jahre haben die Architektur- und Bauingenieursstudenten<br />
die regulären Schächte sogar noch um zahlreiche<br />
von Hand gegrabene Stollen erweitert, so dass mittlerweile<br />
alle Gebäude am Campus mindestens einen unterirdischen<br />
Zugang haben. Die Ghoule kommen nur selten<br />
hierher, da ihnen in den Gängen eindeutig zu viel Betrieb<br />
ist. Seit Onkel Harvey aber das Ruder übernommen hat,<br />
treiben sich hier mehr Ghoule herum, die in den Tunneln<br />
nach einem Zugang zu den Magazinen der Orne-Bibliothek<br />
suchen. <strong>Ein</strong>en derartigen Zugang gibt es in der Tat,<br />
er ist jedoch nur schwer zu fi nden. Sollten die Charaktere<br />
sich mit einem Studenten anfreunden, der sich in den<br />
Tunneln auskennt, so könnten sie auf diesem Weg Zugang<br />
zu den Schätzen der Bibliothek erhalten, <strong>ohne</strong> von<br />
Dr. Armitage die Erlaubnis zu haben. Im schlimmsten Fall<br />
könnten sie dadurch natürlich die Ghoule auf die richtige<br />
Fährte bringen und Harvey unwillentlich mit dem Mythoswissen<br />
versorgen, nach dem er sucht ...<br />
Optionale Szenen<br />
Die folgenden kurz umrissenen Szenen sollen dazu dienen<br />
die Handlung auszubauen. Sie sind für die Primärhandlung<br />
nicht notwendig, stellen aber eine Bereicherung<br />
dar. Verwenden Sie einfach, was ihnen gefällt und<br />
ignorieren Sie den Rest.<br />
Mein armer Mann!<br />
Dieses Handlungselement kann entweder als alternativer<br />
Handlungsbeginn eingesetzt werden oder den Charakteren<br />
helfen, falls sie mit dem Gesetz in Konfl ikt kommen<br />
oder bei den Behörden nicht weiterkommen.<br />
Amelia Hartwell ist äußerst unzufrieden mit ihrer Situation<br />
und den Behörden Arkhams. Die resolute Witwe<br />
eines ehemaligen Stadtrates von Arkham hat vor wenigen<br />
Wochen ihren geliebten Ehemann Benjamin zu<br />
Grabe getragen und sich in Trauer auf ihren Familiensitz<br />
zurückgezogen, bis ihr ein ungeheuerlicher Umstand<br />
das Korn verhagelt hat. Ihr Dienstmädchen entdeckte<br />
in der Auslage eines örtlichen Pfandleihers den Ehering<br />
und die Krawattennadel, mit denen ihr geliebter Mann<br />
beerdigt wurde, woraufhin Amelia sich umgehend an<br />
die Polizei wandte und den Vorfall meldete. Detective<br />
Stuckey erwies sich aber als wenig kooperativ und es<br />
brauchte einen handfesten Gerichtsbeschluss, bis ihr<br />
Mann exhumiert wurde. Leider fanden die Beamten nur<br />
noch einen leeren, aufgebrochenen <strong>Sarg</strong> vor — von der<br />
<strong>Leiche</strong> und ihren Besitztümern fehlte jede Spur. Die folgenden<br />
Ermittlungen verliefen im Sand. Amelia ist sehr<br />
aufgebracht und bereit, Himmel und Hölle in Bewegung<br />
zu setzen, um ihren Benjamin wiederzubekommen und<br />
ihn endgültig zur ewigen Ruhe zu betten.<br />
Die Witwe genießt aufgrund ihrer vornehmen Abstammung<br />
aus altem Arkhamer Geschlecht, ihres beträchtlichen<br />
Vermögens und der Stellung ihres verstorbenen<br />
Ehemannes hohes Ansehen in Arkham. Sie kann<br />
entweder selbst auf den Plan treten und den Charakteren<br />
aus einer prekären Situation mit dem langen Arm<br />
des Gesetzes heraushelfen oder als Auftraggeberin und<br />
Gönnerin fungieren. Die Charaktere könnten auch bei<br />
ihren Nachforschungen von selbst auf sie stoßen. Der<br />
Fall des Verschwindens ihres Ehemanns machte schließlich<br />
Schlagzeilen. Stellen sich die Charaktere gut mit<br />
ihr, so gewinnen sie eine wertvolle Verbündete, die<br />
über großen <strong>Ein</strong>fluss in den besseren Kreisen Arkhams<br />
verfügt und auch bereit ist, die Nachforschungen der<br />
Charaktere finanziell zu unterstützen. Benjamins <strong>Leiche</strong><br />
werden sie allerdings leider nicht finden, da diese<br />
schon vor Wochen von den Ghoulen verspeist wurde. In<br />
Harveys Gruft finden sich allerdings noch sein silberner<br />
Flachmann mit Widmung und sein Abschlussring mit<br />
dem Wappen der Miskatonic-Universität und Namensgravur.<br />
Gehen die Charaktere der Spur der gestohlenen<br />
Schmuckstücke nach, so könnten sie über den Pfandleiher<br />
auch eine Spur zum Ghoulkult in der Stadt finden,<br />
allerdings ist es sehr schwer, dem Hehler Informationen<br />
über seine Lieferanten zu entlocken, da er Todesangst<br />
vor den Kultisten hat.<br />
Not macht erfinderisch<br />
Nicht alle Ghoule sind von Harveys überzogener Heilsbotschaft<br />
begeistert. Die Lebensumstände der Ghoule waren<br />
zwar vor seinem Kommen alles andere als paradiesisch,<br />
aber die strenge Geheimhaltung ihrer Existenz erwies sich<br />
als hervorragender Schutz vor den deutlich zahlreicheren<br />
Menschen. <strong>Ein</strong> Ghoul aus seinem inneren Zirkel fürchtet<br />
vor allem die Folgen seiner extremen Pläne. Suzanne<br />
Checkley ist nach Harvey der „neuste“ Ghoul Arkhams. Die<br />
junge Frau hatte das Missvergnügen, vor wenigen Jahren<br />
dem exzentrischen Maler Richard Upton Pickman Modell<br />
zu stehen — und kurz darauf begann ihre Transformation<br />
zum Ghoul. Sie trauert sehr ihrem menschlichen Dasein<br />
nach und hat auch nach Jahren immer noch große<br />
Anpassungsschwierigkeiten. Als Harvey auftauchte, war<br />
30 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
sie zunächst sehr erfreut, einen Leidensgenossen gefunden<br />
zu haben, der sich auch noch gut an die Welt oben<br />
erinnert. Schnell erkannte sie jedoch, dass Harvey noch<br />
verrückter ist als alle anderen Ghoule zusammen. Harvey<br />
seinerseits vertraut ihr fast vollständig und spricht oft seine<br />
Pläne mit ihr durch, um mögliche Schwachstellen zu<br />
erkennen. Bislang gelang es ihr noch, seine extremsten<br />
Pläne durch logische Gegenargumente zu entkräften, aber<br />
sie muss leider erkennen, dass die Stimme der Vernunft<br />
immer weniger Gewicht bei ihm hat.<br />
Sobald die Charaktere anfangen, in den Tunneln Ärger<br />
zu machen, wird sich Suzanne für sie interessieren, in<br />
der Hoffnung, dass sie ihr helfen können, Harvey aufzuhalten.<br />
Sie wird allerdings zögern, sich ihnen zu zeigen,<br />
aus Furcht vor ihrer Reaktion, sobald sie ihre verzerrte<br />
Ghoulgestalt zu Gesicht bekommen. Zunächst wird<br />
sie versuchen, ihnen Botschaften in schriftlicher Form<br />
zukommen zu lassen. Sollten die Charaktere sich von<br />
Briefen in gebrochenem Englisch, die mit Graberde und<br />
verklumptem Blut beschmiert sind, nicht beeindrucken<br />
lassen, so wird sie versuchen, sie in den Tunneln abzupassen<br />
und ihnen aus einem dunklen Seitengang in einer<br />
Mischung aus halb vergessenem Englisch und Ghoulgefi<br />
epe zufl üstern. Nur im allergrößten Notfall wird sie sich<br />
zeigen und den Charakteren direkt gegenübertreten.<br />
Suzanne ist ein ideales Mittel, um den Charakteren genauere<br />
Informationen über Harveys größenwahnsinnige<br />
Pläne zukommen zu lassen und sie im Notfall auch aus<br />
einem aussichtslosen Kampf zu retten.<br />
<strong>Ein</strong>stürzende Neubauten<br />
Harveys Pläne, die Speisekammern der Ghoule zu füllen,<br />
haben sich doch schneller entwickelt als zunächst angenommen.<br />
<strong>Ein</strong> erster Feldversuch für das „Operation Abbruch“<br />
steht kurz bevor. Für diesen Feldtest hat Harvey<br />
das Terrace Building in der Gedney Street 611 vorgesehen,<br />
ein 5-stöckiges Apartmenthaus mitten in der Stadt, das<br />
erst vor 10 Jahren gebaut wurde und voll belegt ist. Gemäß<br />
seinen Plänen haben Ghoule die Fundamente des<br />
Gebäudes untergraben und große Hohlräume angelegt, in<br />
denen nur noch wenige Erdpfeiler dem Fundament Halt<br />
geben. In der nächsten Nacht um 3 Uhr sollen die Ghoule<br />
eine nahe gelegene Wasserader anstechen, das Wasser<br />
in die Hohlräume leiten und dann auf den <strong>Ein</strong>sturz der<br />
durchweichten Erdpfeiler warten. Kurz nach dem Wegsacken<br />
der letzten Stützelemente wird das Fundament<br />
auseinanderbrechen, die tragenden Mauern werden ihre<br />
Integrität verlieren und das Gebäude wie ein Kartenhaus<br />
in sich zusammenfallen. Die Bew<strong>ohne</strong>r des Hauses werden<br />
von fallenden Trümmern erschlagen und im Schutt<br />
eingeschlossen und sind somit reif für die Ernte.<br />
Die Charaktere können von diesem perfi den Plan aus<br />
verschiedenen Quellen erfahren. Am besten eignen sich<br />
dafür Suzanne der Ghoul oder Stephen Whitmarsh, der<br />
Kultistenhandlanger von Jasper Eleazar, die diese Informationen<br />
aber erst kurz vor dem geplanten Zusammenbruch<br />
erhalten. In einem verzweifelten Wettlauf mit der<br />
Zeit müssen die Charaktere die Ghoule aufhalten und<br />
das geschwächte Fundament abstützen oder, sollten sie<br />
zu spät kommen und die Hohlräume bereits gefl utet sein,<br />
die Hausbew<strong>ohne</strong>r evakuieren, bevor das Terrace Building<br />
einstürzt.<br />
Dieses Handlungselement eignet sich besonders dann,<br />
wenn die Spannung am Spieltisch nachlässt oder die<br />
Charaktere die Bedrohung durch Onkel Harvey nicht besonders<br />
ernst nehmen.<br />
Alternativ könnte der Plan auch eingesetzt werden,<br />
um allzu lästige Charaktere indirekt zu beseitigen. In diesem<br />
Falle wird nicht das Terrace Building unterminiert,<br />
sondern die Unterkunft der Charaktere, vermutlich also<br />
eines der Arkhamer Hotels oder ein Studentenwohnheim.<br />
Die Charaktere sollten auch in diesem Fall gewarnt<br />
werden oder zumindest im Vorfeld die Gelegenheit erhalten,<br />
merkwürdige Kratzgeräusche im Keller ihres Hauses<br />
zu hören.<br />
Allein im Dunkeln<br />
Dieses Handlungselement kommt ins Spiel, sobald die<br />
Charaktere die Tunnel unter der Miskatonic-Universität<br />
erforschen. Als sie sich einer Biegung nähern, zerreißt<br />
ein hysterischer Schrei die Stille, auf den Wimmern und<br />
Fiepen folgen. Umrunden die Charaktere die Biegung,<br />
so sehen sie einen jungen Mann im zerfetzten Jackett,<br />
der gerade von zwei sehr hungrig wirkenden Ghoulen in<br />
eine Ecke gedrängt wird und vor den Augen der näher<br />
kommenden Investigatoren in gnädige Ohnmacht fällt.<br />
Retten die Charaktere ihn aus den Klauen der sabbernden<br />
<strong>Leiche</strong>nfresser, so können sie einen Freund fürs Leben<br />
gewinnen, der sich noch als sehr nützlich erweisen<br />
wird. Nach einer guten Prise Riechsalz oder ein paar saftigen<br />
Ohrfeigen kommt der junge Student auch schnell<br />
wieder auf die Beine und erzählt seine Geschichte. Es<br />
handelt sich bei ihm um den 22-jährigen Gerald Fowler,<br />
einen Geschichtsstudenten der Miskatonic-Universität<br />
im ersten Semester. Er wollte in die Sigma-Delta-Kappa-Studentenverbindung<br />
aufgenommen werden und ist<br />
deshalb in die Tunnel hinabgestiegen, um im Rahmen<br />
des Aufnahmerituals zu beweisen, dass er ein ganzer<br />
Kerl ist. Eigentlich sollte er nur einen Tunnel vom Keller<br />
des Verbindungshauses zum Heizungskeller des Verwaltungsgebäudes<br />
nehmen, um von den dort wartenden<br />
Burschenschaftlern eine kräftige Bierdusche zu bekommen,<br />
leider hat er aber eine falsche Abzweigung genommen<br />
und ist prompt den Ghoulen in die Arme gelaufen,<br />
die hier in der Gegend nach den Kellermagazinen der<br />
Orne-Bibliothek suchen. Die ganze Angelegenheit ist<br />
ihm sichtlich peinlich und er ist seinen Rettern zutiefst<br />
dankbar. Gerald kennt sich ein wenig in den Tunneln<br />
unter der Uni aus und kann den Charakteren den Zugang<br />
zur Orne-Bibliothek zeigen, wenn sie ihn danach<br />
fragen. Er ist auch in der Geschichte Nordamerikas bewandert<br />
und hat vor seiner Immatrikulation an der örtlichen<br />
Hochschule ein paar Semester Anthropologie in<br />
Boston studiert. Zeigt man ihm die Wandmalereien in<br />
der Ritualhöhle der Misquat-Indianer, so kann er eine<br />
volle Interpretation liefern und auch den Zauber ableiten.<br />
Sollte es zu diesem Zeitpunkt bereits zu Todesfällen<br />
unter den Investigatoren gekommen sein, wäre Gerald<br />
ein möglicher Ersatzcharakter. Seine Spielwerte finden<br />
sich im Anhang.<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 31
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Spielleitertipps<br />
„<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>“ ist kein Gruppenabenteuer<br />
im herkömmlichen Sinn, das die Handlung von A bis<br />
Z vorgibt, vielmehr versteht es sich als eine Art Baukasten,<br />
der dem Spielleiter die wichtigen Hintergründe,<br />
Ortsbeschreibungen und Spielwerte an die Hand<br />
gibt, um selbst das Abenteuer gestalten zu können.<br />
Die wichtigsten Fragen werden beantwortet, einige<br />
entscheidende Punkte muss der Spielleiter aber selbst<br />
festlegen. Beispielsweise wird nicht die Frage beantwortet,<br />
wie viele Ghoule überhaupt unter Arkham<br />
leben. Die Antwort: so viele, wie benötigt werden!<br />
Jedenfalls sollte die Zahl der Ghoule die Fähigkeiten<br />
jeder Spielgruppe übersteigen, die Ghoule unter Arkham<br />
vollständig auszurotten, es geht nur darum, die<br />
aktuelle Gefahr durch die Kreaturen abzuwenden.<br />
Diese Gefahr ist gebannt, wenn die <strong>Spiele</strong>r Onkel<br />
Harvey erledigen und die Ghoule somit schnell wieder<br />
in ihre gewohnte Lethargie zurückfallen.<br />
Wenn Sie sich fragen, wie die Handlungselemente<br />
und Bausteine ein harmonisches Ganzes ergeben sollen,<br />
so wird im Folgenden ein möglicher Handlungsablauf<br />
exemplarisch dargestellt. Wir wählen als <strong>Ein</strong>stiegsvariante<br />
die erste Möglichkeit, bei der Harold<br />
Simms von einem der <strong>Spiele</strong>r durch das Soloabenteuer<br />
geführt wurde und nun ein paar gute Freunde zusammengetrommelt<br />
hat, um Onkel Harvey endgültig<br />
den Garaus zu machen. Gehen wir davon aus, dass<br />
sich Harold gründlich in Arkham umgesehen hat, das<br />
Tagebuch erbeutet und Dr. Armitage um Hilfe gebeten<br />
hat. Nach einem nervenzerfetzenden Besuch der<br />
Ghoultunnel hat er seinen Onkel gefunden, gerade<br />
noch rechtzeitig die Flucht angetreten und das Soloabenteuer<br />
in Abschnitt 62 beendet.<br />
Die Charaktere kommen frohgemut in Arkham an<br />
und begeben sich umgehend zu Onkel Harveys Haus,<br />
um in die Tunnel hinabzusteigen, nur um festzustellen,<br />
dass der Zugangstunnel eingestürzt ist. Unbeeindruckt<br />
von diesem kleinen Rückschlag besorgt man<br />
Schaufeln und Spitzhacken, spuckt in die Hände und<br />
geht ans Werk. Nach einem Tag fl eißigen Buddelns<br />
bricht man endlich durch, nur um in ein Begrüßungskomitee<br />
von Ghoulen zu stolpern, das sich aber leicht<br />
in die Flucht schlagen lässt. Suzanne wird auf die Investigatoren<br />
aufmerksam und beginnt sie zu beobachten.<br />
Die Charaktere dringen tiefer in die Tunnel ein,<br />
bis der immer heftigere Widerstand der Ghoule ein<br />
erstes Opfer fordert und man sich zur Flucht wendet.<br />
Dreckig und blutend stolpern sie aus Onkel Harveys<br />
Haus heraus und laufen prompt der Arkhamer Polizei<br />
in die Arme, die sie umgehend wegen nächtlicher<br />
Ruhestörung, unbefugtem Betreten, Landstreicherei<br />
oder unter irgendeinem anderen vorgeschobenen<br />
Verdacht festnimmt. Als sich die Charaktere im Knast<br />
noch das Mütchen kühlen und über die Ungerechtigkeit<br />
der Welt philosophieren, schaltet sich Amelia<br />
Hartwell ein und bewirkt ihre Freilassung. Sie lädt<br />
sie zu sich ein, erzählt ihnen von ihrem Mann und<br />
bittet sie, sich um den Fall zu kümmern. Langsam<br />
zeichnet sich ab, dass das Treiben der Ghoule weitere<br />
Kreise zieht als bislang angenommen. Die Charaktere<br />
nehmen sich den zwielichtigen Pfandleiher vor und<br />
quetschen aus ihm den Namen seines Lieferanten<br />
für Grabbeigaben heraus, der sich als Totengräber<br />
auf dem Christchurch-Friedhof entpuppt. Suzanne<br />
verfolgt ihre Nachforschungen und lässt ihnen eine<br />
erste fast unleserliche Notiz zukommen, die sie vor<br />
dem Ghoulkult in der Stadt warnt. Man beobachtet<br />
den Totengräber und kommt dabei mit Friedhofswärter<br />
Pickering ins Gespräch, der bei einem Gläschen<br />
Selbstgebranntem von den seltsamen Geräuschen<br />
aus der Cotton-Gruft erzählt. Danach greift man sich<br />
den Totengräber und prügelt aus ihm den Namen<br />
seines Kultistenchefs heraus: Stephen Whitmarsh,<br />
Gehilfe von Bestatter Eleazar.<br />
Man begibt sich umgehend zum Bestattungsinstitut.<br />
Als Stephen jedoch Harold sieht, riecht er sofort<br />
den Braten, fl ieht in den <strong>Ein</strong>balsamierungsraum im<br />
Keller, reißt den Kistenstapel um und fl ieht in die<br />
Ghoultunnel. Dank seiner überlegenen Ortskenntnis<br />
schüttelt er leicht seine Verfolger ab und warnt Onkel<br />
Harvey. Dieser ist langsam aber sicher von den<br />
lästigen Ermittlern genervt, setzt die Pennerghoule<br />
von Potter’s Field auf sie an und gibt den Befehl,<br />
„Operation Abbruch“ vorzubereiten. Suzanne wird<br />
langsam nervös und schickt den Charakteren eine<br />
zweite schwer verständliche Botschaft, in der sie sie<br />
davor warnt, dass am Zugang zu den Tunneln im Bestattungsinstitut<br />
Ghoule auf sie warten und dass sie<br />
beobachtet werden. Des Weiteren deutet sie an, dass<br />
Harvey etwas Großes und sehr Gefährliches plant.<br />
Die Charaktere wenden sich mit der Bitte um <strong>Ein</strong>sichtnahme<br />
in die Mythoswerke der Bibliothek an Dr.<br />
Armitage. Er zeigt zwar viel Verständnis für ihre prekäre<br />
Lage, lehnt aber ab und hat außer ein paar guten<br />
Ratschlägen und einer Tasse Tee leider keine weitere<br />
Hilfsstellung für sie. Man entschließt sich, einen<br />
weiteren Ausfl ug in die Tunnel zu unternehmen und<br />
wählt diesmal den <strong>Ein</strong>gang auf dem Christchurch-<br />
Friedhof. Nach längerer Suche kommen die Charaktere<br />
in die Nähe des Ghoulhauptquartiers unter<br />
dem Old Wooded Graveyard, schrecken aber vor der<br />
großen Anzahl an Ghoulen in diesem Bereich zurück<br />
und fi nden stattdessen die Ritualhöhle der Misquat-<br />
Indianer. Sie erkennen zwar die wichtige Bedeutung<br />
der Wandmalereien, da aber kein Anthropologe unter<br />
ihnen ist, können sie keine genaue Deutung vornehmen<br />
und begnügen sich damit, die Wände der Höhle<br />
gründlich zu fotografi eren. Auf dem Rückweg verlaufen<br />
sie sich im Tunnellabyrinth und geraten in die<br />
Gänge unter der Miskatonic-Universität. Dort stoßen<br />
sie auf Gerald Fowler und retten ihn vor den Ghoulen.<br />
Sie unterhalten sich mit ihm und erfahren, dass<br />
er sowohl einen Zugang zur Orne-Bibliothek kennt<br />
32 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
als auch über anthropologisches Wissen verfügt.<br />
Man verabredet sich für die nächste Nacht, um die<br />
dann entwickelten Fotos zu analysieren und sich im<br />
Anschluss in die Bibliothek zu schleichen. Auf dem<br />
Rückweg zu ihrer Wohnung fallen den Charakteren<br />
zum ersten Mal die Pennerghoule auf.<br />
Inzwischen unterhöhlen die Ghoule das Terrace<br />
Building und bereiten „Operation Abbruch“ für die<br />
kommende Nacht vor. Onkel Harvey kündigt seinen<br />
Ghoulbrüdern ein großes Festmahl für die Morgenstunden<br />
an und beraumt für den Morgen eine große<br />
Versammlung im Hauptsammler unter dem Independence<br />
Square an. Suzanne wird richtig nervös und<br />
macht sich verstärkt daran, aus Harvey herauszukitzeln,<br />
was er vorhat, erfährt aber erst kurz nach ein<br />
Uhr von „Operation Abbruch“.<br />
Am Abend treffen sich die Charaktere mit Gerald,<br />
lassen von ihm die Fotos interpretieren und schleichen<br />
sich dann in die Orne-Bibliothek. Sie werden<br />
allerdings von den Ghoulen dabei beobachtet, die<br />
ihnen in die Bibliothek folgen. Als die Charaktere<br />
gerade das „Cultes des Goules“ im Magazin gefunden<br />
haben, greifen die Ghoule an, zerfetzen Gerald und<br />
stehlen das Buch. Der Kampfl ärm zieht Aufmerksamkeit<br />
auf sich und die Charaktere müssen fl iehen.<br />
Entmutigt in ihrer Unterkunft angekommen, wartet<br />
dort bereits die hysterische Suzanne auf sie. Gewalttätigkeiten<br />
können gerade noch vermieden werden<br />
und Suzanne kann sie davon überzeugen, dass sie<br />
die mysteriöse Briefschreiberin ist und ihnen gegen<br />
Harvey helfen will. Sie erzählt ihnen von „Operation<br />
Abbruch“ und eilt mit den Charakteren zum Terrace<br />
Building. Mit vereinten Kräften kann gerade noch<br />
eine Katastrophe verhindert werden. Man beratschlagt<br />
kurz und fasst einen wagemutigen Plan. Die<br />
Versammlung in den Morgenstunden stellt eine gute<br />
Gelegenheit dar, Chaos zu stiften und so Suzanne die<br />
Gelegenheit zu geben, an Harvey heranzukommen<br />
und ihn mit einer Spritze Formalin zu vergiften.<br />
Am Morgen setzt man den Plan in die Tat um. Die<br />
Ghoule sind im Hauptsammler zusammengekommen,<br />
Harvey schwingt eine große Rede, alle Blicke sind<br />
auf ihn gerichtet. Die Charaktere greifen mit starken<br />
Karbidlampen und lauten Schüssen an. Panik bricht<br />
unter den Ghoulen aus, Harveys Leibwächter drängen<br />
nach vorne, um die Angreifer zu erledigen, und<br />
im allgemeinen Chaos zieht Suzanne die Spritze und<br />
jagt sie Harvey in den Rücken. Ob die todesmutigen<br />
Charaktere aus dem Hexenkessel des Hauptsammlers<br />
lebend entkommen können?<br />
Soviel zur Theorie. Der oben kurz dargestellte<br />
Handlungsablauf stellt nur einen möglichen Verlauf<br />
von vielen dar und es ist unwahrscheinlich, dass sich<br />
das Abenteuer genau so entwickeln wird, wenn Sie<br />
es leiten. Dennoch lassen sich ein paar allgemeingültige<br />
Punkte daraus ableiten. Am entscheidendsten<br />
sind die Querverbindungen zwischen den einzelnen<br />
Handlungselementen — Element A führt zu B, dann<br />
zu C etc. Verpassen die <strong>Spiele</strong>r aber Element B, so<br />
bringen Sie Element F ins Spiel, das stattdessen zu<br />
Element C führt. <strong>Ein</strong> konkretes Beispiel: Schaffen die<br />
Charaktere es nicht, den Pfandleiher auszuquetschen,<br />
so erwähnt Amelia, dass sie den Bestatter Eleazar,<br />
der die Beerdigung ihres Ehemannes organisierte,<br />
sehr zwielichtig fi ndet und bittet die Charaktere, ihn<br />
unter die Lupe zu nehmen. Als sie dort ankommen,<br />
erkennt Stephen Harold und gibt Fersengeld — die<br />
Handlung läuft wieder.<br />
Liegt Ihnen das Improvisieren nicht so sehr, dann<br />
sollten Sie sich vor dem Spiel einen roten Faden zurechtlegen,<br />
ähnlich dem Handlungsablauf wie oben<br />
dargestellt. Kein Abenteuerautor kennt Ihre <strong>Spiele</strong>r<br />
so gut wie Sie und darum sollte es Ihnen leicht fallen<br />
abzuschätzen, wie Ihre <strong>Spiele</strong>r an das Abenteuer<br />
herangehen werden und wo sie Schwierigkeiten haben<br />
werden. Sind ihre <strong>Spiele</strong>r beispielsweise extrem<br />
misstrauisch und haben die Angewohnheit, jeden<br />
potentiellen Informanten erst einmal auf Verdacht<br />
zu erschießen, so wird Suzanne vermutlich keine<br />
Chance haben, ihnen die wichtigen Informationen<br />
zukommen zu lassen. Wenn Sie ein derartiges Problem<br />
bereits im Vorfeld erkennen, können Sie Suzanne<br />
natürlich trotzdem so einsetzen wie vorgeschlagen,<br />
haben dann aber bereits Notfallplan B im Ärmel,<br />
wenn die Charaktere Suzannes Innereien über den<br />
Tunnel verteilen.<br />
Die Vorlieben und Eigenarten Ihrer <strong>Spiele</strong>r zu kennen,<br />
ist das A und O eines Erfolg versprechenden<br />
<strong>Spiele</strong>abends. Lieben Ihre <strong>Spiele</strong>r das actionlastige<br />
Spiel mit Tommyguns und Explosionen, so lässt sich<br />
„<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>“ leicht als Pulp-Adventure<br />
Marke Indiana Jones spielen. Genauso gut eignen<br />
sich die Ghoultunnel Arkhams für düstere Verfolgungsjagden<br />
im Stil von „Der dritte Mann“ oder für<br />
fi nstere Intrigenspiele, bei denen Onkel Harvey die<br />
Rolle eines Dr. No oder Auric Goldfi nger zufällt. Die<br />
Leinwand ist bereitet, nun ist es an Ihnen und Ihren<br />
<strong>Spiele</strong>rn, eine Handlung hineinzubringen.<br />
<strong>Ein</strong>e letzte Schlussbemerkung zu den Ghoulen sei<br />
aber noch gestattet. Abgesehen von ihrer merkwürdigen<br />
Physiognomie und ihren abartigen kulinarischen<br />
Gewohnheiten liegt der wahre Horror der Ghoule<br />
darin, dass sie uns Menschen so ähnlich sind. Das<br />
ist es aber auch, was sie wirklich gefährlich macht.<br />
Sie sind zu intelligenten Strategien fähig, werden<br />
sich nicht hirnlos in die Schusslinie der Charaktere<br />
werfen und lernen aus ihren Fehlern. <strong>Spiele</strong>n Sie die<br />
Ghoule fremdartig, aber intelligent, und Ihre <strong>Spiele</strong>r<br />
werden vor ihnen Respekt haben. In diesem Sinne<br />
kann auch Suzanne zu deutlich mehr als einem praktischen<br />
Informationslieferanten werden. Bringen Sie<br />
in ihrer Darstellung herüber, dass sie zwar noch viele<br />
menschliche Eigenarten hat, aber im Kern trotzdem<br />
ein leichenfressendes Monster ist — dann wird sie<br />
den <strong>Spiele</strong>rn im Gedächtnis bleiben.-<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 33
H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong><br />
Detective Ray Stuckey, 37,<br />
korrupter Bulle<br />
1,82 m groß, schlank, schwarze Haare, Dreitagebart, kaut<br />
immer auf einem Zahnstocher herum<br />
ST 15 KO 15 GR 15 IN 15 MA 11<br />
GE 15 ER 12 BI 9 gS 45<br />
Trefferpunkte: 15<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 65%, Schaden 1W3+Sb<br />
- Ringen 55%, Schaden speziell<br />
- Schlagstock 50%, Schaden 1W6+Sb;<br />
- .45er Revolver 55%, Schaden 1W10+2<br />
Fertigkeiten: Ansehen 35%, Ausweichen 54%, Bibliotheks<br />
nutzung 35%, Fahren (Auto) 45%, Feilschen<br />
45%, Fotografi e 12%, Gesetzeskenntnisse 25%,<br />
Horchen 50%, Klettern 60%, Persönlichen Vorteil<br />
erkennen 40%, Poker <strong>Spiele</strong>n 49%, Psychologie 60%,<br />
Schleichen 20%, Springen 35%, Spurensuche 15%,<br />
Überreden 55%, Überzeugen 40%, Verbergen 29%,<br />
Verborgenes erkennen 50%<br />
Besitz: Dienstrevolver, Handschellen, zerknitterter<br />
Trenchcoat, billiger Anzug, Zahnstocher<br />
Dr. Henry Armitage, 65,<br />
Leiter der Orne-Bibliothek<br />
1,68 m, schlank, weißer Mundbart, stets ordentlich gekleidet<br />
ST 11 KO 8 GR 12 IN 18 MA 16<br />
GE 10 ER 13 BI 24 gS 55<br />
Trefferpunkte: 10<br />
Schadensbonus: —<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 50%, Schaden 1W3<br />
Fertigkeiten: Bibliotheksnutzung 95%, Buchführung<br />
40%, Cthulhu-Mythos 18%, Englische Literatur 75%,<br />
Fremdsprache (Deutsch) 70%, Fremdsprache (Französisch)<br />
80%, Fremdsprache (Griechisch) 68%, Fremdsprache<br />
(Latein) 75%, Geschichtskenntnisse 65%,<br />
Kryptografi e 75%, Muttersprache (Englisch) 98%,<br />
Okkultismus 29%, Psychologie 48%, Überzeugen 75%<br />
Zauber: Banne Sohn des Yog-Sothoth, Pulver des<br />
Ibn-Ghazi<br />
Besitz: Füllfederhalter, Pfeife, Schlüssel zur Orne-<br />
Bibliothek, Beutel mit vier Älteren Zeichen<br />
Werte eines typischen Ghouls<br />
ST 17 KO 13 GR 13<br />
IN 13 MA 13 GE 13<br />
Bewegungsweite: 9<br />
Trefferpunkte: 13<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Biss 30%, Schaden 1W6+Festbeißen<br />
- Klauen 30%, Schaden 1W6+Sb<br />
Panzerung: Schusswaffen und Projektile richten nur<br />
den halben (aufgerundeten) Schaden an<br />
Fertigkeiten: Graben 75%, Horchen 70%, Klettern 85%,<br />
Schleichen 80%, Springen 75%, Verbergen 60%, Verborgenes<br />
erkennen 50%, Verwesungsgeruch wittern 65%<br />
Stabilitätsverlust: 0/1W6 Stabilitätspunkte<br />
Anhang<br />
1. Daten und Werte<br />
Martin Pickering, 58, Friedhofswärter<br />
des Christchurch-Friedhofs<br />
1,64 m, schlaksig mit Bauchansatz, graue dünne Haarsträhnen,<br />
ungepfl egt, Alkoholfahne<br />
ST 12 KO 8 GR 12 IN 11 MA 10<br />
GE 14 ER 8 BI 9 gS 34<br />
Trefferpunkte: 10<br />
Schadensbonus: —<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 60%, Schaden 1W3<br />
- Schaufel 45%, Schaden 1W6<br />
Fertigkeiten: Elektrische Reparaturen 25%,<br />
Geschichts kenntnisse 30%, Horchen 45%,<br />
Mechanische Reparaturen 50%, Okkultismus 15%<br />
Besitz: billiger Anzug, Schlüssel zum Friedhof, Flachmann<br />
mit Selbstgebranntem<br />
Stephen Whitmarsh, 26, Bestattergehilfe<br />
und aufstrebender Kultist<br />
1,84 m, kräftig, schwarze schmierige Haare,<br />
Tick im linken Auge<br />
ST 14 KO 13 GR 15 IN 12 MA 8<br />
GE 13 ER 6 BI 9 gS 0<br />
Trefferpunkte: 14<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 65%, Schaden 1W3+Sb<br />
- .45er Revolver 50%, Schaden 1W10+2<br />
Fertigkeiten: Buchführung 15%, Chemie 20%,<br />
Cthulhu-Mythos 08%, Fremdsprache (Ghoul) 18%,<br />
Handwerk (Bestatter) 30%, Horchen 40%,<br />
Mecha nische Reparaturen 40%, Schleichen 30%,<br />
Verbergen 40%<br />
Zauber: Kontakt zu Ghoulen<br />
Besitz: Arbeitskleidung, Revolver, Knochenamulett,<br />
gestohlene Eheringe und Schmuck<br />
Typischer Ghoulkultist, gesichtsloser<br />
Handlanger der <strong>Leiche</strong>nfresser<br />
schmierig und abgerissen<br />
ST 13 KO 12 GR 13 IN 10 MA 9<br />
GE 12 ER 5 BI 9 gS 0<br />
Trefferpunkte: 13<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 60%, Schaden 1W3+Sb<br />
- Klappmesser 45%, Schaden 1W4+Sb<br />
- .38er Revolver 40%, Schaden 1W10<br />
Fertigkeiten: Ausweichen 30%, Cthulhu-Mythos 05%,<br />
Fremdsprache (Ghoul) 10%, Horchen 40%, Mechanische<br />
Reparaturen 30%, Schleichen 40%, Verbergen 50%<br />
Besitz: Arbeitskleidung, dunkler Mantel, Schlapphut,<br />
Revolver, Klappmesser, Knochenamulett<br />
34 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> H. P. Lovecrafts Cthulhu — das Rollenspiel<br />
Onkel Harvey Simms, ehemaliger Professor<br />
für Orientalistik, jetzt angehender Ghoulmessias<br />
1,74 m, schlaksig, gummiartige Haut, lange Zähne und Klauen,<br />
geblümter Morgenmantel<br />
ST 16 KO 12 GR 11<br />
IN 18 MA 16 GE 12<br />
Bewegungsweite: 9<br />
Trefferpunkte: 12<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Biss 30%, Schaden 1W6+Festbeißen<br />
- Klauen 25%, Schaden 1W6+Sb<br />
Panzerung: Schusswaffen und Projektile richten nur<br />
den halben (aufgerundeten) Schaden an<br />
Fertigkeiten: Anthropologie 85%, Archäologie 25%,<br />
Bibliotheksnutzung 70%, Cthulhu-Mythos 24%,<br />
Fremdsprache (Arabisch) 84%, Fremdsprache (Farsi)<br />
62%, Fremdsprache (Hindi) 58%, Fremdsprache<br />
(Latein) 54%, Fremdsprache (Paschtu) 48%, Fremdsprache<br />
(Sanskrit) 82%, Graben 60%, Horchen 65%,<br />
Klettern 60%, Muttersprache (Englisch) 85%, Muttersprache<br />
(Ghoul) 85%, Okkultismus 40%, Schleichen<br />
75%, Springen 65%, Überzeugen 68%, Verbergen<br />
60%, Verborgenes erkennen 70%, Verwesungsgeruch<br />
wittern 50%<br />
Zauber: Kontakt zu Ghoulen, Rufe/Vertreibe Nyogtha,<br />
Schwarze Wandlung, Verschrumpeln, Voorisches<br />
Zeichen<br />
Besitz: geblümter Morgenmantel, Schreibmaschine,<br />
unsortierte Bibliothek<br />
Stabilitätsverlust: 0/1W6 Stabilitätspunkte<br />
Suzanne Checkley, 28,<br />
Ghoul wider Willen<br />
1,68 m, schlank, gummiartige Haut, kurze Zähne und lange<br />
Klauen<br />
ST 14 KO 15 GR 11<br />
IN 14 MA 16 GE 15<br />
Bewegungsweite: 9<br />
Trefferpunkte: 13<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Biss 35%, Schaden 1W4+Festbeißen<br />
- Klauen 45%, Schaden 1W6+Sb<br />
Panzerung: Schusswaffen und Projektile richten nur<br />
den halben (aufgerundeten) Schaden an<br />
Fertigkeiten: Buchführung 60%, Graben 60%,<br />
Horchen 84%, Klettern 78%, Kunst (Singen) 18%,<br />
Muttersprache (Englisch) 40%, Muttersprache (Ghoul)<br />
65%, Psychologie 20%, Schleichen 88%, Springen<br />
75%, Stenographie 64%, Überreden 34%, Verbergen<br />
60%, Verborgenes erkennen 60%, Verwesungsgeruch<br />
wittern 65%<br />
Besitz: Stenoblock, Bleistift, zerfl edderte Modemagazine<br />
Stabilitätsverlust: 0/1W6 Stabilitätspunkte<br />
Amelia Hartwell, 64,<br />
einflussreiche Witwe<br />
1,54 m, gebaut wie ein Schlachtschiff, grauer Dutt, schwarze<br />
Trauerkleidung<br />
ST 9 KO 14 GR 9 IN 15 MA 17<br />
GE 7 ER 12 BI 16 gS 78<br />
Trefferpunkte: 12<br />
Schadensbonus: —<br />
Angriff:<br />
- scharfe verbale Zurechtweisung 99%,<br />
Schaden Egoverlust<br />
Fertigkeiten: Ansehen 75%, Buchführung 55%,<br />
Feilschen 35%, Gesetzeskenntnisse 40%, Horchen<br />
60%, Kunst (Klavier spielen) 35%, Psychologie 45%,<br />
Überreden 40%, Überzeugen 60%, Verborgenes erkennen<br />
40%<br />
Besitz: feine Trauerkleidung, Medaillon mit Bild ihres<br />
verstorbenen Mannes, erhebliches Privatvermögen<br />
Werte eines typischen<br />
Pennerghouls von Potter’s Field<br />
ST 15 KO 16 GR 13<br />
IN 11 MA 13 GE 10<br />
Bewegungsweite: 9<br />
Trefferpunkte: 15<br />
Schadensbonus: +1W4<br />
Angriff:<br />
- Biss 30%, Schaden 1W6+Festbeißen<br />
- Klauen 30%, Schaden 1W6+Sb<br />
Panzerung: Schusswaffen und Projektile richten nur<br />
den halben (aufgerundeten) Schaden an<br />
Fertigkeiten: Alkohol wittern 90%, Graben 50%, Horchen<br />
75%, Klettern 60%, Schleichen 70%, Springen<br />
75%, Verbergen 85%, Verborgenes erkennen 50%,<br />
Verkleiden 30%, Verwesungsgeruch wittern 30%<br />
Besitz: dreckiger Trenchcoat, Schlapphut, Flasche mit<br />
üblem Fusel<br />
Stabilitätsverlust: 0/1W6 Stabilitätspunkte<br />
Gerald Fowler, 22,<br />
glückloser Geschichtsstudent<br />
1,76 m, schlaksig, braune Haare, schwaches Kinn<br />
ST 11 KO 14 GR 12 IN 15 MA 10<br />
GE 8 ER 10 BI 15 gS 50 (46 nach seiner<br />
Begegnung mit den Ghoulen)<br />
Trefferpunkte: 13<br />
Schadensbonus: —<br />
Angriff:<br />
- Faustschlag 50%, Schaden 1W3<br />
Fertigkeiten: Ansehen 20%, Anthropologie 38%,<br />
Archäologie 23%, Bibliotheksnutzung 62%, Fremdsprache<br />
(Französisch) 39%, Fremdsprache (Latein)<br />
42%, Geschichtskenntnisse 57%, Horchen 45%, Okkultismus<br />
35%, Orientierung 45%, Schleichen 25%,<br />
Schwimmen 60%, Überreden 35%, Überzeugen 64%,<br />
Verborgenes erkennen 52%<br />
Besitz: Anzug, Taschenlampe, Benutzerausweis der<br />
Orne-Bibliothek<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong> 35
2. Plan der Ghoultunnel unter Arkham<br />
36 <strong>Ein</strong> <strong>Sarg</strong> <strong>ohne</strong> <strong>Leiche</strong>