Download - Lebenshilfe Wien
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MIT<br />
Zeitschrift der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> – Winter 2012<br />
Wohnhaus, WG<br />
oder eigene Wohnung?<br />
Wie wohnen Menschen mit<br />
intellektueller Beeinträchtigung<br />
MACHEN<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
1
Foto: Dagmar Pratsch<br />
Wilma Umschaden<br />
fühlt sich im Senior/<br />
innenhaus Nauschgasse<br />
sichtlich wohl<br />
MITMACHEN Winter 2012<br />
Impressum und Offenlegung<br />
Herausgeber/Verleger:<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>, Verein für Menschen<br />
mit intellektueller Beeinträchtigung<br />
ZVR 87010504<br />
Schönbrunner Straße 179<br />
1120 <strong>Wien</strong><br />
Tel.: 01-812 26 35<br />
Fax: 01-812 26 35-30<br />
E-Mail: office@lebenshilfe-wien.at<br />
www.lebenshilfe-wien.at<br />
Redaktion:<br />
Nicole Reiter<br />
Mag. Bernhard Schmid<br />
Mag. a Ingrid Wick<br />
Grafisches Konzept:<br />
G&D Susanne Fahringer<br />
Druck:<br />
Holzhausen Druck GmbH, 1140 <strong>Wien</strong><br />
Vorstand:<br />
Präsident Univ.-Prof. Dr. Meinhard Regler<br />
Vizepräsident DI Stefan Sedlitz<br />
Vizepräsidentin Brigitta Weiss<br />
Kassier Wolfgang J. Kraus<br />
Schriftführerin Rosa Prinz<br />
Vereinzweck:<br />
Der Verein, dessen Tätigkeit überkonfessionell,<br />
überparteilich und nicht auf<br />
Gewinn gerichtet ist, bezweckt den<br />
Schutz und die Förderung der sozialen,<br />
wirtschaftlichen, beruflichen, gesundheitlichen<br />
und kulturellen Interessen der<br />
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung;<br />
sowie der Interessen der von<br />
dieser Beeinträchtigung mitbetroffenen<br />
Angehörigen, außer diese sind mit den<br />
Interessen des Menschen mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung nicht vereinbar.<br />
Blattlinie und Erscheinungsweise:<br />
Die Zeitschrift MITMACHEN erscheint<br />
vier Mal jährlich und ist eine Zusammenstellung<br />
aktueller Informationen rund<br />
um Arbeit und Services der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> sowie sozialpolitischer Themen, die<br />
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung<br />
und ihre Angehörigen betreffen.<br />
Inhalt<br />
Fonds Soziales <strong>Wien</strong> lobt:<br />
Höchste Qualität in unseren Werkstätten ................. Seite 3<br />
Blut-Gentest –<br />
neue Variante der Suche nach Perfektion? ................ Seite 4<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> Österreich zur Zivildienst-Debatte .......... Seite 5<br />
Wohnen wie’s gefällt ............................................. Seite 6<br />
Seit 33 Jahren: Wohnen bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> ...... Seite 8<br />
Wohnen: so selbstbestimmt und inklusiv wie möglich . Seite 12<br />
Peter Prochaska im Männerhaushalt ........................ Seite 16<br />
„Bin gern da“ sagt Gabriele Bazelt ........................... Seite 18<br />
Zwei sind nach Kaiserebersdorf gezogen .................. Seite 20<br />
Selbstständig durch’s Leben tanzen ......................... Seite 22<br />
In Würde alt werden ............................................. Seite 24<br />
Ein Beispiel aus Deutschland:<br />
Selbstbestimmt Leben mit hohem Hilfebedarf ........... Seite 28<br />
Rechtliche Fragen und Antworten zum Wohnen ......... Seite 29<br />
Wenn der Sohn aus dem „Hotel Mama“ auszieht ....... Seite 30<br />
Ausziehen von zu Hause – ein wichtiger Schritt ......... Seite 32<br />
Wenn ein Geschäftsführer geht ............................... Seite 34<br />
Farbenfrohe Spende von Hausmann Multikauf .......... Seite 37<br />
„Musch’t Du habba“ rockte in <strong>Wien</strong> .......................... Seite 37<br />
Lebensläufer im Prater ........................................... Seite 38<br />
Nachruf und Jubiläen ............................................ Seite 39<br />
Wir sind für Sie da!<br />
Frau Elisabeth Panzer, Assistentin der Geschäftsführung,<br />
vereinbart für Sie gerne persönliche Gesprächstermine:<br />
mit unserem Präsidenten<br />
Univ.-Prof. Dr. Meinhard Regler<br />
mit unserem kaufmännischen Geschäftsführer<br />
Mag. Joachim Mair<br />
mit unserem pädagogischen Geschäftsführer<br />
Mag. Werner Trojer<br />
mit unserem Sozialarbeiter<br />
Karl Neuhold<br />
mit unserem Generalsekretär<br />
Mag. Bernhard Schmid<br />
mit unserer Expertin für Beratung und Mitgliederservice<br />
Mag. a Ingrid Wick<br />
Tel.: 01-812 26 35<br />
Mail: office@lebenshilfe-wien.at<br />
2 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
Mag. Bernhard Schmid<br />
Fonds Soziales <strong>Wien</strong> lobt:<br />
Höchste Qualität in unseren Werkstätten<br />
Erfreuliche Ergebnisse brachten die sogenannten „Qualitätsaudits“, die der<br />
FSW im Sommer 2012 in vier unserer sechs Werkstätten durchgeführt hat.<br />
Vier Werkstätten der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> – 1., Schottengasse,<br />
2., Rueppgasse, 12.,<br />
Schönbrunner Straße, und<br />
20., Dresdner Straße – wurden<br />
von zwei Mitarbeiterinnen<br />
des Fonds Soziales <strong>Wien</strong> auf<br />
die Einhaltung von definierten<br />
Qualitätsstandards überprüft.<br />
Unsere Einrichtungen konnten<br />
in puncto Infrastruktur, Konzept,Betreuer/innenqualifikation,<br />
interne Kommunikationsstrukturen<br />
und Umsetzung<br />
von Qualitätsprozessen mehr<br />
als überzeugen.<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> bietet<br />
seit 33 Jahren Menschen mit<br />
intellektueller Beeinträchtigung<br />
Wohnmöglichkeiten mit<br />
unterschiedlicher Betreuungsintensität<br />
an.<br />
Dieses Angebot, das bis heute<br />
stets weiter entwickelt wird<br />
und sich nach den jeweiligen<br />
Bedürfnissen und persönlichen<br />
Wünschen der Bewohnerinnen<br />
und Bewohner ausrichtet, wird<br />
in diesem Heft vorgestellt.<br />
Lassen Sie sich erzählen, welche<br />
persönlichen Erfahrungen<br />
unsere Bewohner/innen machen<br />
und wie Eltern den Umzug<br />
ihrer Kinder vom Eltern-<br />
„Man kann von einem insgesamt<br />
äußerst positiven Ergebnis<br />
des Einrichtungsaudits<br />
sprechen, da eine sehr hohe<br />
Übereinstimmung sowohl hinsichtlich<br />
der Qualitätsstandards<br />
als auch hinsichtlich<br />
der Umsetzung von Vereinbarungen<br />
mit dem Fonds Soziales<br />
<strong>Wien</strong> gegeben ist. Die Qualitätsaudits<br />
fanden in einem<br />
angenehmen und freundlichen<br />
Klima statt, das von höchster<br />
Kompetenz und großem Engagement<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
geprägt war“, wurde vom<br />
haus in eine betreute Wohngemeinschaft<br />
erleben und begleiten.<br />
Außerdem blickt Mag. Hannes<br />
Traxler auf 15 Jahre Tätigkeit<br />
als kaufmännischer Geschäftsführer<br />
zurück, wird über Freud<br />
und Leid in der <strong>Lebenshilfe</strong>-<br />
Familie berichtet, und über<br />
den neuen Down-Syndrom-<br />
Bluttest und den möglicherweise<br />
bevorstehenden Ersatz<br />
des Zivildienstes informiert.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen<br />
und frohe Festtage<br />
wünscht Ihnen ihr<br />
Bernhard Schmid<br />
Fonds Soziales <strong>Wien</strong> in dem<br />
uns übermittelten Bericht betont.<br />
Vorstand und Geschäftsführung<br />
freuen sich natürlich<br />
über dieses Lob und danken<br />
allen Mitarbeiter/innen der<br />
vier Werkstätten für ihre hervorragende<br />
Arbeit.<br />
Ein Audit ist eine unabhängige und genaue<br />
Überprüfung von Aufzeichnungen und<br />
Aktivitäten, um festzustellen, ob bestehende<br />
Richtlinien und vorgegebene Verfahrensweisen<br />
eingehalten werden, und um<br />
notwendige Veränderungen zu empfehlen.<br />
(Quelle: www.wiktionary.org)<br />
3
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> Österreich<br />
Blut-Gentest –<br />
neue Variante der Suche nach Perfektion?<br />
Durch immer mehr verfeinerte Diagnosen wie den neuen Blut-Gentest soll die<br />
Geburt von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen verhindert werden.<br />
Über die dahinter stehende exklusive, aussondernde Ethik muss debattiert<br />
werden, findet Albert Brandstätter, <strong>Lebenshilfe</strong> Österreich.<br />
Mag. Albert Brandstätter<br />
Ein neuer Blut-Gentest ist auf<br />
dem Markt, der zumindest bei<br />
Schwangerschaften mit Verdacht<br />
auf Behinderung, nach<br />
den Vorstellungen einiger<br />
Ärzte auch in Reihenuntersuchungen,<br />
vorgenommen werden<br />
soll und gegebenenfalls<br />
die Abtreibung in der 12-Wochen<br />
Frist ermöglicht. Frauen<br />
wird mit diesem Test eine<br />
nicht-invasive Untersuchung<br />
mit einer vergleichsweise hohen<br />
Diagnosesicherheit versprochen.<br />
Dahinter stehen mehrere Vorstellungen:<br />
Einerseits sollen<br />
invasive, also innerhalb des<br />
Körpers vorgenommene Untersuchungen,<br />
durch die der<br />
Embryo verletzt werden kann,<br />
wegfallen. Das ist tatsächlich<br />
ein Fortschritt für Eltern,<br />
wenn sie eine genauere Untersuchung<br />
etwa nach einer<br />
Nackenfaltenmessung haben<br />
möchten.<br />
Gleichzeitig aber lässt dieser<br />
Test das ungeborene Leben<br />
mit Down-Syndrom vollständig<br />
verfügbar werden, nährt<br />
den Perfektions- und Machbarkeits-<br />
(bzw. den Vermeidbarkeits-)wahn<br />
in der Medizin und<br />
droht in der Folge den Druck<br />
auf Frauen zu erhöhen, im<br />
Zweifelsfall einen Embryo mit<br />
Verdacht auf Down-Syndrom<br />
abzutreiben, „da das ja heute<br />
nicht mehr notwendig“ sei.<br />
Aber: Erstens sind Beeinträchtigungen<br />
in der Regel<br />
nicht durch genetische Untersuchungen<br />
vermeidbar. Das<br />
ist ein Mythos! In den allermeisten<br />
Fällen entstehen Beeinträchtigungen<br />
durch den<br />
freien Prozess der Chromosomenzusammensetzung,<br />
durch<br />
den Geburtsvorgang oder in<br />
der Zeit nach der Geburt. Das<br />
zweite Problem ist die Aussage<br />
des Gentests, dass ein Le-<br />
ben mit Down-Syndrom oder<br />
mit Beeinträchtigung in der<br />
Gesellschaft möglicherweise<br />
nicht erwünscht ist, da es<br />
einen medizinischen Mangel<br />
darstellt. Vorgeburtliche Untersuchungsmethoden<br />
wie der<br />
Blut-Gentest tragen dazu bei,<br />
dass Behinderung in unserer<br />
Gesellschaft weiter nur als Defizit<br />
gesehen und ausgegrenzt<br />
wird und betroffene Familien<br />
mit ihren Kindern Entsolidarisierung<br />
erfahren.<br />
Einerseits will die Republik<br />
im Nationalen Aktionsplan in<br />
Inklusion investieren, also in<br />
die selbstverständliche Einbeziehung<br />
von behinderten<br />
Menschen in alle Bereiche des<br />
Lebens. Gleichzeitig bestehen<br />
aber Überlegungen, in die Vermeidung<br />
von möglichem Leben<br />
mit Beeinträchtigungen<br />
zu investieren. Hier sieht die<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> Österreich einen<br />
fundamentalen Widerspruch!<br />
Hier brauchen wir langfristige<br />
Bewusstseinsbildung, gesellschaftliche<br />
Diskurse, Bildungsprozesse<br />
– und vor allem gute<br />
Beratung für die nötigen Entscheidungen<br />
der Eltern.<br />
Mag. Albert Brandstätter<br />
Generalsekretär, <strong>Lebenshilfe</strong> Österreich<br />
4 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
<strong>Lebenshilfe</strong> Österreich<br />
zur aktuellen Zivildienst-Debatte<br />
In einer Presseaussendung am 15.11.2012 sieht die <strong>Lebenshilfe</strong> Österreich<br />
einige Fragen zu Zivildienst und Sozialem Jahr weiterhin ungeklärt und fordert<br />
die Weiterarbeit an den Modellen und Rahmenbedingungen nach der Volksbefragung<br />
am 20.1.2013.<br />
Die <strong>Lebenshilfe</strong> als drittgrößter<br />
Anbieter für Zivildienst mit<br />
derzeit über 800 Zivildienstleistenden<br />
in ganz Österreich<br />
sieht der Richtungsentscheidung<br />
in der Volksbefragung<br />
über die Wehrpflicht gelassen<br />
entgegen. Sorge bereitet der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> aber, dass bis zum<br />
20. Jänner viele Fragen nicht<br />
seriös behandelt werden können.<br />
Dafür ist die Zeit einfach<br />
zu kurz. Daher fordert die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
danach im Parlament<br />
und in der Öffentlichkeit eine<br />
intensive Debatte über den Zivildienst<br />
oder über die Umsetzung<br />
des Sozialen Jahres.<br />
„Viele in den <strong>Lebenshilfe</strong>n würden<br />
einen Wegfall des Zivildienstes<br />
sehr bedauern. Er ist<br />
derzeit eine wesentliche Hilfestellung<br />
für die qualitätvolle<br />
Begleitung behinderter Menschen<br />
in ihrem Lebensalltag“,<br />
meint Generalsekretär Albert<br />
Brandstätter. Der Zivildienst<br />
ist in der Behindertenarbeit einerseits<br />
eine wertvolle Unterstützung<br />
in der Gestaltung von<br />
Inklusion. Gleichzeitig bietet<br />
er jungen Männern eine gute<br />
Orientierung: Viele hauptamtliche<br />
oder ehrenamtliche Mitarbeiter<br />
in der <strong>Lebenshilfe</strong> begannen<br />
einmal als Zivildiener.<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Bei der Einführung eines kollektivvertraglich<br />
bezahlten<br />
Sozialen Jahres sieht die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
durchaus Chancen.<br />
Es böte nicht nur Männern,<br />
sondern auch Frauen aller Altersstufen<br />
eine Gelegenheit<br />
zur Berufsorientierung oder<br />
den Erwerb sozialer Kompetenzen.<br />
Interessierte Menschen<br />
könnten sich in der Behindertenhilfe<br />
orientieren und<br />
sich für eine weitere haupt-<br />
oder ehrenamtliche Tätigkeit<br />
darin entscheiden. Eine gut<br />
geförderte Grundausbildung<br />
in pflegerischen oder assistierenden<br />
Kompetenzen für die<br />
Sozialjahrleistenden wäre ein<br />
wichtiges gesellschaftliches<br />
Gut. Anreize wie etwa Anrechnungen<br />
für den Studienbeginn<br />
oder als Praktikumszeit sind<br />
sicher hilfreich.<br />
Allerdings sind laut Brandstätter<br />
einige Fragen weiterhin<br />
offen: „Jedenfalls muss die<br />
Qualität des Sozialen Jahres<br />
der des jetzigen Zivildienstes<br />
entsprechen. Es darf für die<br />
Träger angesichts sich verknappender<br />
öffentlicher Mittel<br />
nicht teurer werden. Wichtiger<br />
offener Punkt ist eine<br />
Beschreibung dieses neuen<br />
Berufsfeldes und die dafür nö-<br />
tigen Ausbildungen. Die Bezeichnung<br />
„freiwillig“ sollte<br />
aus der Bezeichnung dieses<br />
Jahres herausgehalten werden.<br />
Gleichzeitig sollte die<br />
wirkliche Freiwilligentätigkeit<br />
wie das Freiwillige Soziale<br />
Jahr (FSJ) zusätzlich gefördert<br />
werden.“<br />
Soziales Jahr:<br />
Was ist geplant<br />
Für Männer und<br />
Frauen ab 18<br />
8.000 Personen<br />
pro Jahr<br />
Beschäftigungsverhältnis<br />
+ Entlohnung<br />
(14 x 1.386,- brutto)<br />
Sozialversicherungsrechtliche<br />
Absicherung<br />
Verwertbare Qualifizierung/Ausbildung<br />
(mind. 180 Stunden)<br />
Einsatzschwerpunkt<br />
Sozial- und Gesundheitswesen<br />
Abwicklung über<br />
Agentur<br />
5
Foto: Birgit Primig<br />
Wohnen wie’s gefällt<br />
Die eigenen vier Wände sind Grundvoraussetzung für gelungenes Leben.<br />
Sie bieten Privat- und Intimsphäre, Raum für persönliche Entfaltung. Sie sind<br />
ebenso Rückzugsmöglichkeit und Ausgangspunkt für Arbeit und Freizeitbeschäftigungen,<br />
– für Menschen mit Lernbehinderung wie für alle anderen,<br />
betont Birgit Primig.<br />
Birgit Primig<br />
Wer heute eine Wohnung<br />
sucht, steht vor unzähligen<br />
Möglichkeiten. Jeder Wunsch<br />
kann scheinbar erfüllt, jedes<br />
Bedürfnis befriedigt werden.<br />
Die einzige Einschränkung:<br />
Das Geldbörsel muss gut genug<br />
gefüllt sein. Immer öfter<br />
trifft das auch für jene Menschen<br />
zu, die als behindert<br />
wahrgenommen werden. Aber<br />
noch längst nicht für alle.<br />
Jeder Mensch hat das Recht<br />
zu wohnen. Schon in der Allgemeinen<br />
Erklärung der Menschenrechte<br />
der Vereinten Nationen<br />
aus dem Jahr 1948 ist<br />
das Recht auf einen Lebensstandard<br />
festgehalten, der<br />
Gesundheit und Wohl gewährleistet,<br />
wozu auch Wohnen<br />
gehört. In der UN-Konvention<br />
über die Rechte von Menschen<br />
mit Behinderung, der Österreich<br />
2008 beigetreten ist, ist<br />
nach Artikel 19 die freie Entscheidung<br />
über die Wohnform<br />
wesentlicher Bestandteil zur<br />
Teilhabe am gemeinschaftlichen<br />
Leben. Darin festgehalten<br />
ist auch die Sicherung der<br />
notwendigen Unterstützungsmaßnahmen.<br />
Große Institutionen, in denen<br />
Frauen und Männer, die sich<br />
das nicht ausgesucht haben,<br />
„untergebracht“ und „versorgt“<br />
wurden, sollten daher<br />
ausgedient haben. Theoretisch.<br />
Praktisch gibt es in<br />
Österreich einen derart hohen<br />
Nachholbedarf dabei, die<br />
Wohnformen für Menschen<br />
mit Beeinträchtigungen zu individualisieren,<br />
dass die Bundesregierung„De-Institutionalisierung“<br />
im Nationalen<br />
Aktionsplan als Ziel definiert<br />
(siehe Textbox).<br />
Die Stadt <strong>Wien</strong> war beim gemeinwesenorientiertenWohnen<br />
Vorreiterin, weil sie in<br />
Zusammenarbeit mit privaten,<br />
nicht gewinnorientierten<br />
Dienstleistern wie der<br />
Nationaler<br />
Aktionsplan<br />
Behinderung<br />
2012–2020<br />
Strategie der Bundesregierung<br />
zur Umsetzung<br />
der UN-Behindertenrechtskonvention:<br />
Im Bereich des Wohnens<br />
ist ein umfassendes<br />
Programm der<br />
De-Institutionalisierung<br />
in allen neun Bundesländern<br />
notwendig.<br />
Dabei müssen Großeinrichtungen<br />
abgebaut<br />
und gleichzeitig Unterstützungsleistungen<br />
geschaffen werden,<br />
die auch für Menschen<br />
mit einem hohen Unterstützungsbedarf<br />
ein selbstbestimmtes<br />
Leben in der eigenen<br />
Wohnung ermöglichen.<br />
Grundsatz muss dabei<br />
sein, dass die betroffenen<br />
Menschen die für<br />
sie passende Wohnform<br />
und die für sie notwendigenUnterstützungsleistungen<br />
auswählen<br />
können.<br />
6 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> schon 1986<br />
die ArGe Wohnplätze gegründet<br />
hat. Seit damals wurden<br />
die Konzepte auf immer mehr<br />
Zielgruppen ausgedehnt und<br />
verfeinert. Über alle diese<br />
Wohnformen ist auf der Internetseitewww.lebenshilfewien.at<br />
unter dem Direktlink<br />
„MITMACHEN – Winterausgabe<br />
2012“ ein Video des Dachverbands<br />
<strong>Wien</strong>er Sozialeinrichtungen<br />
aus dem Jahr 2011<br />
zu sehen.<br />
Auch in diesem Video wird davon<br />
gesprochen, dass die Entwicklung<br />
weitergehen muss.<br />
Eine Protagonistin bringt es<br />
auf den Punkt: „Liebe Politiker,<br />
zaht’s bitte a bissl an.“<br />
Je höher der Unterstützungsbedarf<br />
einer Person ist, desto<br />
schwieriger lässt sich die freie<br />
Wahl der Wohnform an. Immer<br />
mehr Beispiele aus In- und<br />
Ausland zeigen, dass und wie<br />
es möglich ist. Dabei werden<br />
auch Tabus gebrochen: Alpha<br />
Nova bietet in der Steiermark<br />
„Leben als Paar“ bereits als<br />
eigene Wohnform an (siehe<br />
Textbox). Grundvoraussetzungen<br />
dieser wie aller anderen<br />
inklusiven Wohnmodelle<br />
sind persönliche Assistenz und<br />
Barrierefreiheit.<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Es werden auch deshalb immer<br />
mehr inklusive Wohnmodelle<br />
entwickelt, weil Interessenten<br />
die politischen Entscheidungsträger<br />
über die Dienstleister<br />
immer wieder dazu drängen.<br />
Beispielgebend für Europa war<br />
die Independent-Living-Bewegung<br />
in Kanada, in der sich von<br />
Anfang an auch Menschen mit<br />
Lernbehinderung engagierten.<br />
Inclusion International, der<br />
Weltverband der Organisationen<br />
für und von lernbehinderten<br />
Menschen, hat seine<br />
Weltkongresse schon vor 15<br />
Jahren inklusiv abgehalten,<br />
– lang bevor in Europa der<br />
Slogan „Nichts über uns ohne<br />
uns!“ zum Motto der Selbstvertretungen<br />
wurde.<br />
Neben dem Interesse der<br />
Menschen selbst hat inklusives<br />
Wohnen auch ein übergeordnetes<br />
Ziel: dass Menschen mit<br />
Behinderung in der Öffentlichkeit<br />
wahrgenommen werden.<br />
Nur wer sichtbar ist, kann irgendwann<br />
als selbstverständlich<br />
erkannt werden.<br />
Es genügt aber nicht, eine<br />
Wohnung in irgendeinem netten<br />
Haus zu beziehen. Wer<br />
kennt schon seine Nachbarn?<br />
Wohnen, das tatsächlich zu<br />
Inklusion führt, braucht mehr.<br />
Die Wohnumgebung mit allen<br />
Bereichen der Infrastruktur<br />
und des gesellschaftlichen Lebens<br />
muss barrierefrei gestaltet<br />
sein. Die persönliche Assistenz<br />
muss soweit ausgebaut<br />
sein, dass es möglich wird, alle<br />
Angebote aktiv zu nützen. Erst<br />
dann ist der Schritt vom „da<br />
sein“ zum „dabei sein“ getan.<br />
Birgit Primig<br />
Das Paar: erwünscht<br />
und gefördert<br />
„best.friends!“ und „together<br />
– Leben als Paar“<br />
werden von alpha nova in<br />
der Steiermark als Dienstleistungen<br />
angeboten.<br />
Die „best friends“ sind gut<br />
befreundete Menschen mit<br />
Behinderung, die sich eine<br />
Wohnung teilen wollen.<br />
Einen Schritt weiter geht<br />
„together“. Für alpha nova<br />
wird damit das Menschenrecht<br />
auf Partnerschaft<br />
gezielt unterstützt.<br />
Die ersten beiden Paare<br />
stehen derzeit am Beginn<br />
ihres gemeinsamen Lebens.<br />
Reinhold Wagner,<br />
zuständig für diese Wohnform,<br />
meint, es wäre für<br />
die Paare nicht nur schön,<br />
sondern auch sehr aufregend.<br />
„Sie sind damit so<br />
ganz offiziell ein Paar, und<br />
das wird hier auch noch<br />
als Merkmal gewünscht<br />
und gefördert.“<br />
Schon etabliert sind integrativeWohngemeinschaften.<br />
Je zwei Menschen<br />
mit Behinderung und zwei<br />
Studierende teilen eine<br />
Wohnung. Wagner: „Das<br />
ist eine gesellschaftsübliche<br />
Größe für eine WG.“<br />
Wird ein Platz frei, haben<br />
alle Bewohner/innen ein<br />
Mitspracherecht bei der<br />
Neubesetzung. „Die Chemie<br />
muss stimmen“,<br />
meint Wagner.<br />
Einen ausführlicheren<br />
Bericht lesen Sie auf<br />
www.lebenshilfe-wien.at.<br />
7
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Seit 33 Jahren: Wohnen bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
1979 haben wir unser erstes Wohnhaus für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung<br />
eröffnet. 33 Jahre später steht, mehr als damals, der einzelne<br />
betreute Mensch mit seinen Wünschen im Mittelpunkt. Mag. Werner Trojer,<br />
pädagogischer Geschäftsführer der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>, fasst zusammen.<br />
Mag. Werner Trojer<br />
Am 11. September 2009 haben<br />
wir im Kardinal-König-<br />
Haus „30 Jahre Wohnen bei<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>“ gefeiert<br />
und in „MITmachen“ 12 / 2009<br />
ausführlich darüber berichtet.<br />
Drei Jahre später könnten wir<br />
ein Fest zu „33 Jahren Wohnen<br />
bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>“<br />
ausrichten. Denn selbst in der<br />
kurzen Zeit seit 2009 hat sich<br />
viel getan. Bei der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> wohnen heute an zwölf<br />
Adressen 203 Menschen.<br />
Dreißig Jahre<br />
Auf- und Ausbau<br />
Im September 1979 nahm das<br />
erste Wohnhaus der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> in der Krenngasse<br />
in Gersthof (18. Bezirk) den<br />
Betrieb auf. Für die damalige<br />
Zeit eine kleine Revolution:<br />
Frauen und Männer, vorwiegend<br />
in Einzelzimmern, unter<br />
einem Dach. Es folgten dann<br />
bald die Wohnhäuser am Franzosenweg<br />
in Rothneusiedl (10.<br />
Bezirk), an der Don-Bosco-<br />
Gasse in Alterlaa (23. Bezirk)<br />
und an der Hubergasse (16.<br />
Bezirk). Den Wohnhäusern am<br />
Franzosenweg und an der Hubergasse<br />
waren „Tagesheimkleingruppen“angeschlossen,<br />
wo Bewohner/innen auf<br />
„Werkstattreife“ hin trainiert<br />
wurden. Allesamt Schmuckstücke<br />
für die damalige Zeit, –<br />
aus heutiger Sicht würde man<br />
anmerken: nicht barrierefrei<br />
und für Personen mit zusätzlichem<br />
Pflegebedarf nicht ausreichend<br />
ausgestattet bzw.<br />
ausstattbar. Deshalb wurde<br />
das Wohnhaus Don-Bosco-<br />
Gasse 2011 aufgelassen.<br />
Das Wohnhaus Krenngasse<br />
soll ebenfalls bald durch<br />
Neues ersetzt werden (siehe<br />
Seite 14).<br />
1986 nahm die <strong>Wien</strong>er Stadtverwaltung<br />
mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
Wohnplätze, der<br />
die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> als Gründungsmitglied<br />
angehörte, ein<br />
ambitioniertes Ausbaupro-<br />
gramm auf. Wir konnten rasch<br />
die Wohnhäuser in der Schlöglgasse<br />
in Hetzendorf (12. Bezirk)<br />
und in der Kaingasse in<br />
Strebersdorf (21. Bezirk) sowie<br />
das „Sonderwohnhaus“ in<br />
der Hetzendorfer Straße (12.<br />
Bezirk) eröffnen. Alle waren<br />
barrierefrei (im Wohnhaus<br />
Schlöglgasse wurde nachträglich<br />
ein Lift eingebaut, damit<br />
auch der 1. Stock für mobilitätsbeeinträchtigte<br />
Personen<br />
zugänglich wurde).<br />
Das „Sonderwohnhaus“ in der<br />
Hetzendorfer Straße war insofern<br />
ein Novum, als es für<br />
Menschen mit schwerer Beeinträchtigung<br />
und intensivem<br />
Betreuungsbedarf geschaffen<br />
wurde. Die 20 bzw. 21 Bewohner/innen<br />
teilten sich auf drei<br />
voneinander im täglichen Betrieb<br />
unabhängige Stockwerke<br />
auf. Es gab von Anbeginn an<br />
einen wachenden Nachtdienst.<br />
Im Erdgeschoß wurde eine Tagesheimkleingruppe<br />
(THK)<br />
für sieben Bewohner/innen<br />
des Hauses eingerichtet. Dem<br />
Wohnhaus Schlöglgasse hingegen<br />
waren vier Garconnieren<br />
– mit eigenem Eingang –<br />
angeschlossen. Diese „Übergangswohnungen“<br />
waren für<br />
Menschen gedacht, die nach<br />
einer Trainingsphase selbstständiger<br />
wohnen sollten. Die-<br />
8 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Philip Stiegler genießt es, sich in sein Zimmer im Wohnhaus Krenngasse zurück zu ziehen<br />
und Musik zu hören (laut natürlich nur mit Kopfhörer!)<br />
se Übergangswohnungen waren<br />
für manche/n Bewohner/<br />
in Sprungbrett ins teilbetreute<br />
Wohnen.<br />
Anfang der 90er Jahre folgten<br />
die Wohngemeinschaft Rollingergasse<br />
(12. Bezirk, siehe<br />
Seite 12) und das Wohnhaus<br />
in der Rinnböckstraße (11.<br />
Bezirk). Beide mitten in der<br />
Stadt. Parallel dazu wurde bei<br />
uns das teilbetreute Wohnen<br />
ausgebaut (siehe Seite 14).<br />
Ende der 90er Jahre konnten<br />
wir die Wohngemeinschaft<br />
Rosa-Jochmann-Ring in Kaiserebersdorf<br />
(11. Bezirk) und<br />
das „Sonderwohnhaus“ Pronaygasse<br />
in Hetzendorf (12.<br />
Bezirk) in Betrieb nehmen.<br />
Dieses ist für Menschen mit<br />
hohem Unterstützungsbedarf<br />
gedacht und war Teil des<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
„Anstaltenausgliederungsprogramms“<br />
der Gemeinde <strong>Wien</strong><br />
für Menschen, die oft Jahrzehnte<br />
in einer Anstalt (z.B.<br />
dem „Steinhof“) zubringen<br />
mussten und nunmehr einer<br />
„gemeinwesenintegrierten“<br />
Zukunft entgegensehen konnten.<br />
Unsere Bewohner/innen<br />
werden alt<br />
Von der Jahrtausendwende an<br />
stellten sich immer häufiger<br />
Fragen, wie wir den Bedürfnissen<br />
alt werdender Menschen<br />
gerecht werden können. Einzelne<br />
Bewohner/innen wollten<br />
oder konnten altersbedingt<br />
nicht mehr jeden Arbeitstag<br />
von der Wohneinrichtung in<br />
die Werkstätte wechseln. Sie<br />
brauchten ein Untertagsbetreuungsangebot<br />
im Wohn-<br />
haus. In Anlehnung an die<br />
Tagesheimkleingruppe im<br />
Wohnhaus Hetzendorfer Straße<br />
wurde das Konzept der Untertagsbetreuung<br />
für Senior/<br />
innen im Wohnhaus entwickelt<br />
und erstmals im Wohnhaus<br />
Kaingasse umgesetzt. Bald<br />
folgte das Wohnhaus Schlöglgasse.<br />
Im Wohnhaus Pezzlgasse in<br />
Hernals wurden eigene Räumlichkeiten<br />
für die Untertagsbetreuung<br />
für Senior/innen bereits<br />
in die Bauplanung einbezogen.<br />
Im Frühjahr 2011 haben<br />
wir, wie in „MITmachen“<br />
berichtet, in der Donaustadt<br />
nahe der UNO-City und der<br />
Alten Donau in der Nauschgasse<br />
das erste Haus für alte<br />
Menschen mit intellektueller<br />
ä<br />
Foto: Martina Schildendorfer<br />
9
Foto: Martina Schildendorfer<br />
Beeinträchtigung und erhöhtem<br />
Betreuungs- und Pflegebedarf<br />
im 24-Stunden-Betrieb<br />
eröffnet.<br />
Probleme und<br />
Herausforderungen<br />
Wenn wir zufrieden auf das Erreichte<br />
zurückschauen, dürfen<br />
Hinweise auf Probleme nicht<br />
fehlen:<br />
Wirtschaftlich sehr knappe<br />
Ressourcen und eine Häufung<br />
von Notfällen haben<br />
uns – wie alle anderen<br />
Anbieter von Wohnplätzen<br />
für behinderte Personen<br />
in <strong>Wien</strong> – gezwungen,<br />
über viele Jahre hinweg<br />
bestehende Kurzzeitunterbringungsmöglichkeiten<br />
(„Kurzzeitzimmer“) in Dauerplätze<br />
umzuwandeln.<br />
Dadurch sind sehr wichtige<br />
Ulrike Petutschnig<br />
entspannt sich gerne im<br />
Garten des Wohnhauses<br />
Franzosenweg<br />
Hildegard Puxbaum freut sich über ihr Häferl Kaffee<br />
im Wohnhaus Nauschgasse<br />
und sinnvolle Entlastungs-<br />
(für die Angehörigen; vor<br />
allem auch bei Notfällen)<br />
und Erlebnismöglichkeiten<br />
(für Menschen mit Behinderung:<br />
in betreutes Wohnen<br />
„hineinschnuppern“ zu<br />
können) weitgehend weggefallen.<br />
Es ist notwendig,<br />
wieder solche Wohnplätze<br />
in ausreichender Anzahl<br />
zur Verfügung stellen zu<br />
können.<br />
Gefahr der Vereinsamung<br />
bei Personen im teilbetreuten<br />
Wohnen: Viele<br />
sind in alltagspraktischen<br />
Angelegenheiten recht<br />
selbstständig, in psychosozialer<br />
Hinsicht brauchen<br />
sie dennoch immer wieder<br />
– und vor allem auch sehr<br />
intensive – Unterstützung.<br />
Hier gilt es, entsprechende<br />
Betreuungsangebote zu<br />
entwickeln und finanziert<br />
zu bekommen.<br />
Sicherstellung der Betreuung<br />
von alten Menschen<br />
mit intellektueller Beeinträchtigung<br />
im Rahmen<br />
von Senior/innenhäusern,<br />
so lang es medizinischpflegerisch<br />
verantwortbar<br />
ist. Kein Abschiebenmüssen<br />
in Pflegeheime nur auf<br />
Grund des Alters.<br />
Die menschenrechtliche<br />
Zielvorstellung der Inklusion<br />
stellt uns allen die<br />
Aufgabe, für viel mehr der<br />
derzeit in Wohngemeinschaften<br />
vollbetreuten<br />
Menschen als bisher individualisierte<br />
Betreuung in<br />
eigenen Wohnungen anzubieten.<br />
Entwicklungschancen<br />
Abgesehen vom Heimvertrag<br />
(bei uns: „Betreuungsvertrag“),<br />
in dem die Rechte (und<br />
Pflichten) der Bewohner/innen<br />
10 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012<br />
Foto: Angelika Löffler
Foto: Angelika Löffler<br />
Alfred Wernhart, Angelina Marinov und Anton Steinböck<br />
macht der <strong>Wien</strong>erlied Abend im Wohnhaus Schlöglgasse<br />
viel Spaß<br />
beschrieben sind, geht es in<br />
der Wohnbetreuung darum,<br />
allgemein gültige Regelungen<br />
nur soweit zu definieren, als<br />
sie einem gedeihlichen Zusammenleben<br />
förderlich sind.<br />
Ansonsten aber gilt es, den<br />
einzelnen Bewohner, die einzelne<br />
Bewohnerin in den Mittelpunkt<br />
zu stellen. Das eigene<br />
Leben soll möglichst selbstbestimmt<br />
gestaltet werden, und<br />
die Betreuer/innen sollen dabei<br />
Wegbegleiter sein.<br />
Die Bewohner/innen werden<br />
also in die Gestaltung der<br />
Wohnbetreuung aktiv einbezogen:<br />
sei es im Rahmen der<br />
„Individuellen Entwicklungsplanung“<br />
für jeden einzelnen<br />
Menschen, der Hauskonferenzen<br />
oder – zukünftig –<br />
durch Beteiligung als „Wohnhaussprecher/in“,<br />
aber auch<br />
in ganz alltäglichen Belangen,<br />
wie der Essens- oder Freizeitplanung.<br />
Bei der Freizeit-<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
planung ist es wichtig, auch<br />
Personen von „außen“ – sogenannte<br />
„Besuchs- oder Begleitdienste“<br />
– zu haben, die<br />
nach den Wünschen der betreffenden<br />
Person mit ihr / ihm<br />
Aktivitäten machen.<br />
Unsere Zielsetzungen gelten<br />
auch für Menschen mit schwerer<br />
Beeinträchtigung. Sie haben<br />
genau so wie alle anderen<br />
die Fähigkeit zur Selbstbestimmung,<br />
auch wenn ihre<br />
Wünsche oft nicht leicht zu<br />
erkunden sind. Es mag für<br />
Betreuer/innen oftmals nicht<br />
einfach sein, mit diesen Menschen<br />
neue Möglichkeiten zu<br />
einem selbstbestimmteren Leben<br />
herauszuarbeiten, aber es<br />
bleibt ständige Aufgabe.<br />
Mag. Werner Trojer<br />
Pädagogischer Geschäftsführer<br />
Kurz gesagt<br />
Mit Stand Herbst<br />
2012 gibt es in der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>:<br />
12 Wohneinrichtungen<br />
für erwachsene<br />
Menschen mit<br />
intellektueller Beeinträchtigung<br />
5 davon haben Untertagsbetreuung<br />
für<br />
Senior/innen<br />
Teilbetreutes Wohnen<br />
– Übergangswohnungen<br />
(9 Einzelwohnungen,<br />
2 Zweier-<br />
WGs)<br />
– Mobil begleites<br />
Wohnen (1 Zweier-<br />
WG für ein Paar, 13<br />
Einzelwohnungen)<br />
Insgesamt wohnen<br />
bei uns 203 Frauen<br />
und Männer<br />
Unsere Wohnangebote<br />
werden zunehmend<br />
differenziert<br />
und individualisiert<br />
Nicht mehr zeitgemäße<br />
Angebote<br />
werden sukzessive<br />
durch neue ersetzt<br />
(Stichwort: „Wohnverbund“)<br />
Alter allein ist kein<br />
Grund mehr, nicht in<br />
einer gemeinwesenintegriertenWohngemeinschaft<br />
verbleiben<br />
zu können<br />
11
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Wohnen: so selbstbestimmt<br />
und inklusiv wie möglich<br />
Kein Heim, sondern eine Wohnung in einem normalen Wohnhaus. Und möglichst<br />
oft entscheidet die Bewohnerin, der Bewohner selbst, wie sie oder er<br />
lebt. Unsere Bereichsleiterin Mag. a Marlies Doujak präsentiert aktuelle Wohnformen<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>.<br />
Mag. a Marlies Doujak,<br />
Bereichsleitung Wohnen<br />
Wohnverbund in Meidling:<br />
mit der Gruppe leben –<br />
oder fast allein<br />
Den Wohnverbund in der Rollingergasse<br />
im 12. Bezirk,<br />
nahe der Philadelphiabrücke,<br />
haben wir vor fünf Jahren, im<br />
Dezember 2007, gestartet.<br />
Er besteht aus der früheren<br />
Wohngemeinschaft Rollingergasse,<br />
die jetzt als „Stamm-<br />
WG“ (WG = Wohngemeinschaft)<br />
bezeichnet wird, und<br />
angeschlossenen „Außenwohnungen“<br />
auf den Nachbarstiegen.<br />
Die Stamm-WG ist eine sehr<br />
große Wohnung in einem Gemeindebau,<br />
in der acht Bewohner/innen<br />
miteinander<br />
leben. Hier gibt es auch noch<br />
eine Trainingswohnung, in der<br />
frau/man sich auf ein selbstständigeres<br />
Leben vorbereiten<br />
kann. Die kleinen Außenwohnungen<br />
findet man auf den<br />
Nachbarstiegen des Gemeindebaus.<br />
Sie sind innerhalb einer<br />
Gehminute erreichbar. Es<br />
gibt eine Einzelwohnung, eine<br />
Wohnung für zwei Personen<br />
und eine Wohnung, die sich<br />
drei Männer miteinander teilen.<br />
Die Außenwohnungen ermöglichen<br />
ihren Bewohner/innen,<br />
ein selbstständiger gestaltetes<br />
Leben zu führen. Die unmittelbare<br />
Nähe zur Stamm-WG<br />
macht es für sie einfach, je<br />
nach Bedarf auf Angebote und<br />
Infrastruktur der WG zurückzugreifen.<br />
In den Außenwohnungen<br />
können sich die Bewohner/innen<br />
z. B. ihr Abendessen<br />
selbst zubereiten und<br />
können dabei nachmittags von<br />
einer/m Mitarbeiter/in aus der<br />
Stamm-WG unterstützt werden.<br />
Es gibt aber auch immer<br />
die Möglichkeit, das Abendes-<br />
sen in der Stamm-WG zu bekommen.<br />
So bietet diese Wohnform den<br />
Bewohner/innen viele Entfaltungsmöglichkeiten<br />
und die<br />
Gelegenheit, sich jederzeit in<br />
die eigenen vier Wände zurückzuziehen.<br />
In einer größeren<br />
Gruppe herrscht ganz<br />
automatisch oft Unruhe. Für<br />
einige Menschen ist es dann<br />
ganz fein, sich dem Trubel der<br />
Gruppe – der ja z. B. bei Festen<br />
auch durchaus nett sein kann<br />
– zu entziehen, wann immer<br />
sie wollen.<br />
Ohne dabei auf die Sicherheit,<br />
die gemeinsames Wohnen bietet,<br />
ganz zu verzichten.<br />
Wenn die Theorie<br />
Praxis wird …<br />
Inklusives Wohnen mitten im<br />
normalen Gemeindebau bietet<br />
nicht immer nur Vorteile. Da<br />
kann es schon einmal passieren,<br />
dass sich ein betrunkener<br />
Nachbar in der Tür irrt oder<br />
dass es andere Konflikte gibt …<br />
In solchen Situationen auf die<br />
Hilfe des Nachtdienstes in der<br />
Stamm-WG zurückgreifen zu<br />
können und den Nachtdienst<br />
12 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Foto: Martina Schildendorfer<br />
Sonja Schmal fühlt sich seit 22 Jahren im Wohnhaus<br />
Krenngasse zu Hause<br />
per Telefon rufen zu können,<br />
gibt viel Sicherheit.<br />
Die Bewohner/innen der Außenwohnungen<br />
können auch<br />
an den Aktionen, die die<br />
Stamm-WG an Wochenenden<br />
und Feiertagen bietet, teilnehmen:<br />
ein großer Vorteil,<br />
denn viele können ihren Alltag<br />
zwar teilweise selbstständig<br />
bewältigen, sich selbst Ausflüge<br />
oder andere Freizeitaktivitäten<br />
zu organisieren, ist<br />
für viele allein nicht vorstellbar.<br />
Wenn man etwa ins Kino<br />
gehen will, tauchen dann Fragen<br />
auf wie „Wie komm’ ich<br />
dort hin?“ „Brauch’ ich einen<br />
Fahrtendienst oder kann ich<br />
selbst mit den öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln fahren?“ „Wo<br />
kriege ich eine Eintrittskarte<br />
her? Und was kostet die?“ und<br />
nicht zuletzt „Habe ich vielleicht<br />
Angst, das alles allein zu<br />
versuchen?“ Wenn sich solche<br />
Fragen stellen, ist es gut, sich<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
bei einer Wochenendaktion<br />
der Stamm-WG „anhängen“<br />
zu können. Vielleicht geht’s ja<br />
beim nächsten Mal allein oder<br />
gemeinsam mit einer/m zweiten<br />
Mitbewohner/in?<br />
Für die Betreuer/innen des<br />
Wohnverbundes ist es oft<br />
nicht einfach, alle Bedürfnisse<br />
und Wünsche aus der Stamm-<br />
WG und den Außenwohnungen<br />
zu erfüllen. Da würde man oft<br />
mehr Personal brauchen als<br />
vorhanden. Außerdem haben in<br />
den letzten Jahren die bürokratischen<br />
Aufgaben wie schriftliche<br />
Tätigkeitsnachweise etc.<br />
immer mehr zugenommen, und<br />
die Mitarbeiter/innen wünschen<br />
sich sehr oft, mehr Zeit und<br />
Ressourcen für die eigentliche<br />
Betreuungsarbeit zu haben.<br />
Und doch ist der Wohnverbund<br />
neben all seinen vielfältigen<br />
Aufgaben auch noch das<br />
Sicherheits- und Notfallsnetz<br />
und Ansprechpartner für manche<br />
Klient/innen des Teilbetreuten<br />
Wohnens (siehe unten)<br />
außerhalb der Öffnungszeiten<br />
des für sie um die Ecke, in der<br />
Tanbruckgasse, eingerichteten<br />
Büros. Der Nachtdienst darf<br />
zwar den Wohnverbund nicht<br />
verlassen, um in eine der teilbetreuten<br />
Wohnungen in der<br />
Umgebung zu gehen, aber es<br />
kann zumindest telefonisch<br />
um Rat und Hilfe gefragt werden.<br />
Oder der/die Bewohner/<br />
in einer teilbetreuten Wohnung<br />
kann in der Stamm-WG<br />
vorbeikommen und sich Hilfe<br />
holen.<br />
Außenwohnungen in<br />
Simmering und Ottakring<br />
Außenwohnungen bestehen<br />
nicht nur im Wohnverbund<br />
12., Rollingergasse. Seit März<br />
2010 wird eine solche Wohnung<br />
auf einer Nachbarstiege<br />
des LHW-Wohnhauses Leberberg<br />
am Rosa-Jochmann-Ring<br />
in Simmering von einem Paar<br />
bewohnt, das vorher schon<br />
gemeinsam im Wohnhaus 23.,<br />
Don-Bosco-Gasse, gewohnt<br />
hat. Dieses Wohnhaus wurde,<br />
vor allem, weil es nicht barrierefrei<br />
und damit nicht mehr<br />
zeitgemäß war, geschlossen.<br />
Es war sehr schön, dass wir<br />
diesem Paar eine Wohnung<br />
anbieten konnten, in der es<br />
weiterhin zusammen leben<br />
kann.<br />
Mit der Unterstützung der Mitarbeiter/innen<br />
des benachbarten<br />
Wohnhauses schaffen es<br />
die Zwei ganz gut, in ihren vier<br />
Wänden recht eigenständig zu<br />
leben.<br />
ä<br />
13
Anfangsschwierigkeiten und<br />
-unsicherheiten konnten überwunden<br />
werden. (Lesen Sie<br />
mehr darüber auf Seite 20!)<br />
Ein weiteres Beispiel findet<br />
man in unserem Wohnhaus<br />
Hubergasse im 16. Bezirk.<br />
Hier bewohnt ein Paar eine<br />
Wohnung, die zwar über die<br />
Hofeinfahrt des Hauses mit<br />
der Gemeinschaft des Wohnhauses<br />
verbunden ist, aber<br />
eine völlig eigenständige<br />
Wohneinheit darstellt. Auch<br />
dieses Paar kann jeweils zwischen<br />
Eigenständigkeit und<br />
Gruppenbesuch wählen.<br />
Projekt in Währing<br />
in Vorbereitung<br />
Unser Wohnhaus Krenngasse<br />
im 18. Bezirk ist das älteste<br />
Wohnhaus der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong>. Der Vorstand hat daher<br />
Mag. Hannes Traxler, der die<br />
kaufmännische Geschäftsführung<br />
mit Jahresende 2012<br />
abgibt, beauftragt, ab 2013<br />
als Projektleiter am Ersatz<br />
dieses Wohnhauses durch einen<br />
zeitgemäßen Wohnverbund<br />
zu arbeiten. Wie in der<br />
Rollingergasse wird es darum<br />
gehen, eine Stamm-WG<br />
barrierefrei unterzubringen<br />
und in der Umgebung Außenwohnungen<br />
einzurichten. Die<br />
Bewohner/innen des Wohnhauses<br />
Krenngasse freuen<br />
sich schon auf diese inklusive<br />
Wohnform.<br />
Teilbetreutes Wohnen:<br />
noch mehr Selbstständigkeit<br />
Für einige unserer Bewohner/<br />
innen ist das so genannte teil-<br />
Freundschaft, Liebe? – alles ist möglich, so wie hier<br />
zwischen Gabriele Cunat und Markus Lenzbauer<br />
im Wohnhaus Hubergasse<br />
betreute Wohnen der nächste<br />
mögliche Schritt zu noch mehr<br />
Selbstständigkeit. Jede/r hat<br />
eine eigene Wohnung. Von<br />
einem Stützpunkt – Büro und<br />
Kommunikationszentrum –<br />
aus werden die Klient/innen<br />
vom Team des teilbetreuten<br />
Wohnens unterstützt. Wir haben<br />
im 12. Bezirk zwei Stützpunkte<br />
eingerichtet: in der<br />
Tanbruckgasse in Meidling und<br />
in der Pronaygasse in Hetzendorf.<br />
Die Öffnungszeiten der Stützpunkte<br />
sind montags bis freitags<br />
nachmittags. Die Klient/<br />
innen des teilbetreuten Wohnens<br />
müssen also so selbstständig<br />
sein, dass sie in der<br />
Nacht, an Wochenenden und<br />
an Feiertagen allein zurecht<br />
kommen. Die Kontakte zwischen<br />
den Klient/innen und<br />
ihren Unterstützer/innen sind<br />
hier sehr variabel. Es gibt die<br />
Möglichkeit, zu Terminen in<br />
den Stützpunkt zu kommen,<br />
um sich das Wirtschaftsgeld<br />
zu holen und andere Notwendigkeiten<br />
wie z. B. Arzttermine<br />
zu klären. Oder aber die<br />
Unterstützer/innen besuchen<br />
die Klient/innen in ihren Wohnungen.<br />
Manchmal, um nach<br />
dem Rechten zu sehen, oder<br />
aber auch, um bei der einen<br />
oder anderen Tätigkeit zu unterstützen.<br />
14 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>
Foto: Martina Schildendorfer<br />
Marcus Müller ist ein sportlicher Herr, im Garten im Wohnhaus<br />
Franzosenweg spielt er gern mit seinen Freunden Ball<br />
Manchmal ist es auch nötig,<br />
Reinigungsdienste zuzukaufen.<br />
Zusätzlich gibt es mittwochs<br />
das „Kaffeehaus“. Da kann<br />
jede/r im Stützpunkt vorbeischauen,<br />
um zu tratschen, andere<br />
kennenzulernen, Gesellschaft<br />
zu haben. Das Kaffeehaus<br />
steht auch allen Klient/<br />
innen der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> offen,<br />
die vielleicht schon erste<br />
Kontakte aufnehmen wollen,<br />
wenn sie sich für selbstständigeres<br />
Wohnen interessieren.<br />
Freizeitangebote gefragt<br />
Ab und zu werden von den<br />
Mitarbeiter/innen des teilbetreuten<br />
Wohnens auch Wochenendaktionen<br />
angeboten.<br />
Denn manche unserer Klient/<br />
innen im teilbetreuten Wohnen<br />
können sich zwar den<br />
Alltag sehr gut organisieren,<br />
wissen dann aber nicht, was<br />
sie mit ihrer Freizeit anfangen<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
sollen. Auf andere Menschen<br />
zuzugehen ist mit einer intellektuellen<br />
Beeinträchtigung<br />
nicht so einfach.<br />
Unsere Klient/innen haben im<br />
Kontakt mit anderen Menschen<br />
oft nicht die angenehmsten<br />
Erfahrungen gemacht, denn<br />
unsere Gesellschaft ist meistens<br />
nicht so inklusiv, wie wir<br />
uns das wünschen würden.<br />
Im Alltag begegnen unseren<br />
Klient/innen daher auch Ablehnung<br />
und manchmal sogar<br />
Aggression. Mit diesen Erfahrungen<br />
ist es nicht so leicht,<br />
Kontakte mit Menschen ohne<br />
Beeinträchtigung zu knüpfen.<br />
Deshalb wollen wir noch mehr<br />
tun, um der möglichen Vereinsamung<br />
am Wochenende entgegenzuwirken.<br />
Die Klient/innen aus dem teilbetreuten<br />
Wohnen wünschen<br />
sich oft Besuchsdienste für<br />
individuelle Aktionen, die sie<br />
sich aber selbst oft nicht leis-<br />
ten können. Auch so etwas<br />
wie ein „Clubbetrieb“ am Wochenende,<br />
wo man sich treffen<br />
und vielleicht gemeinsam etwas<br />
unternehmen kann, bleibt<br />
vorerst nur einer von vielen<br />
Wünschen.<br />
Unsere Projektgruppe „Krea-<br />
Roll“ arbeitet bereits seit<br />
Jahren daran, einiger dieser<br />
Wünsche zu erfüllen. Sie organisiert<br />
Workshops und Kulturreisen<br />
und bietet mit ihrem<br />
Programm eine gute Möglichkeit<br />
zur Gestaltung der Freizeit<br />
und der Urlaube.<br />
Selbstständigkeit im Alter?!<br />
Eine weitere Herausforderung<br />
wird für uns das seniorengerechte<br />
Wohnen für selbständigere<br />
Klient/innen.<br />
Unser 2011 eröffnetes Seniorenwohnhaus<br />
in der Nauschgasse<br />
im 22. Bezirk ist ebenso<br />
wie die an unsere Wohnhäuser<br />
angeschlossenen Seniorengruppen<br />
für betreuungs- und<br />
pflegeintensivere Klient/innen<br />
vorgesehen. Aber auch wer<br />
teilbetreut wohnt, hat im Alter<br />
zusätzliche Bedürfnisse.<br />
Doch sie oder er will möglichst<br />
viel Selbstständigkeit behalten<br />
und nicht in ein vollbetreutes<br />
Wohnhaus der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> zurück. Wir werden daher<br />
in den nächsten Jahren unser<br />
Angebot für die Klient/innen<br />
aus dem teilbetreuten Wohnen<br />
so erweitern müssen, dass sie<br />
auch als betagte Menschen so<br />
eigenständig wie möglich leben<br />
können.<br />
Mag. a Marlies Doujak<br />
Bereichsleiterin Wohnen<br />
15
Peter Prochaska im Männerhaushalt<br />
Die Ruhe zuhause genießen, auf ein Tiramisu und einen kleinen Braunen ins<br />
Kaffeehaus, Bummeln und Zigaretten – das sind Peter Prochaskas Leidenschaften.<br />
Der 48-Jährige lebt in einer Wohnung, die zu unserem Wohnverbund in<br />
der Rollingergasse in Meidling gehört. Nicole Reiter hat ihn besucht.<br />
Peter wohnt mit seinen besten<br />
Freunden Christian und Philipp<br />
seit fünf Jahren in einer Dreier-WG<br />
in der Rollingergasse.<br />
Sie alle kennen sich schon aus<br />
dem ehemaligen Wohnhaus<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> im 14. Bezirk.<br />
Der Umzug in eine „Außenwohnung“,<br />
wie das im Fachjargon<br />
heißt, war für alle drei Männer<br />
ein wichtiger Schritt zu mehr<br />
Selbstständigkeit. Sie fahren<br />
allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
in die Werkstatt<br />
zur Arbeit, finden sich in ihrer<br />
Nachbarschaft gut zurecht,<br />
schupfen den Haushalt, ergänzen<br />
und verstehen einander gut<br />
und kommen mit der täglichen<br />
Körperpflege allein zurecht.<br />
Unterstützung und<br />
Gesellschaft sind nah<br />
Nur wenige Schritte auf die<br />
Nachbarstiege trennen die<br />
Männer-WG von der Hauptwohnung<br />
des Wohnverbundes<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> in der<br />
Rollingergasse. Sehnt sich Peter<br />
nach Gesellschaft, braucht<br />
er Hilfe oder einen Rat, dann<br />
findet er hier immer Gesprächspartner<br />
für seine Anliegen.<br />
Feste werden gemeinsam<br />
gefeiert, Urlaube und<br />
Ausflüge gemeinsam geplant<br />
und durchgeführt.<br />
Peter kennt sich in seiner nahen<br />
Umgebung gut aus. Es<br />
gibt freundliche und weniger<br />
freundliche Begegnungen mit<br />
den Nachbarn, die Geschäfte<br />
und die Kaffeehäuser auf der<br />
Meidlinger Hauptstraße gleich<br />
um die Ecke besucht er gerne.<br />
Er kauft sich bei Billa täglich<br />
ein Fertiggericht, das er sich<br />
dann im gemeinsamen Wohnraum<br />
in seiner WG in der Mikrowelle<br />
wärmt und genießt.<br />
Auch sein persönliches Ziel,<br />
regelmäßig allein zum Frisör<br />
zu gehen, hat er heuer erfolgreich<br />
geschafft. Er hat eine<br />
große Stereoanlage, ein Geschenk<br />
seiner Mutter, in seinem<br />
Zimmer. Am liebsten hört<br />
er Volksmusik. Bei der Gelegenheit<br />
deponiert Peter gleich<br />
seinen Weihnachtswunsch:<br />
„Eine neue CD und ein Packerl<br />
Zigaretten.“<br />
Fragen, die Peter<br />
beschäftigen<br />
Das kleine Taschengeld ist bei<br />
einem Raucher wie Peter sehr<br />
schnell aufgebraucht. Es reicht<br />
oft nur für ein Packerl Zigaretten<br />
und einen Kaffee am<br />
Wochenende. Auf sein heißgeliebtes<br />
Tiramisu dazu muss<br />
er oft verzichten. Das gibt es<br />
dann zu besonderen Anlässen<br />
wie zu seinem Geburtstag.<br />
Auch für einen Begleitdienst,<br />
mit dem er in seiner Freizeit<br />
hin und wieder etwas unternehmen<br />
könnte, hat er kein<br />
Geld. Vielleicht ergibt sich für<br />
ihn die Gelegenheit, sich solch<br />
ein Angebot mit seinen zwei<br />
Mitbewohnern zu teilen, dann<br />
käme es für ihn billiger.<br />
Bei meinem Besuch bei ihm<br />
ist plötzlich auch die Frage<br />
„Außenwohnungen“ in Kombination mit einer<br />
Stammwohnung, die nahe Unterstützungsmöglichkeit<br />
bietet, sind meiner Erfahrung<br />
nach eine ideale Wohnform für alle Menschen<br />
mit Behinderung, die selbstständig, selbstbestimmt<br />
wohnen können und möchten!<br />
Stefan Schwarz<br />
16 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Peter Prochaska (links) versteht sich gut mit seinem Betreuer Stefan Schwarz,<br />
der ihn bei wichtigen Alltagsfragen unterstützt und begleitet und sein Vertrauen genießt<br />
aufgetaucht: „Was mach ich,<br />
wenn meine Mama nicht mehr<br />
da ist, nicht mehr lebt?“ Peter<br />
besucht sie regelmäßig am<br />
Wochenende. Das Alter macht<br />
Frau Prochaska zunehmend zu<br />
schaffen, die Sachwalterschaft<br />
für Peter hat sie jetzt an das<br />
Vertretungsnetz abgegeben.<br />
Stefan Schwarz, bei der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> Peters Bezugsbetreuer,<br />
findet die richtigen<br />
Worte zu diesen Zukunftsängs-<br />
ten, und Peter erzählt mir<br />
schon wieder von seiner Arbeit<br />
in der Holzgruppe in der<br />
Werkstatt der <strong>Lebenshilfe</strong> in<br />
der Schönbrunner Straße.<br />
Nicole Reiter<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Öffentlichkeitarbeit<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Ein Kaffeehaus für alle! Schön wäre es,<br />
wenn es zum Beispiel von der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
in Meidling einen Treffpunkt für alle gäbe.<br />
Besonders für unsere Klientinnen und Klienten<br />
aus dem Wohnverbund und dem<br />
teilbetreuten Wohnen wäre es eine gute<br />
Möglichkeit, außerhalb der Werkstattzeiten<br />
und des Wohnhauses Gesellschaft<br />
zu haben, zu moderaten Preisen essen und<br />
trinken zu können, – Kaffee und Kuchen<br />
sollten natürlich von Menschen mit Beeinträchtigung<br />
serviert werden.<br />
Stefan Schwarz<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
17
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
„Bin gern da“ sagt Gabriele Bazelt<br />
Seit 15 Jahren wohnt Gabriele Bazelt in der Rollingergasse in Meidling. Ursprünglich<br />
eine Wohngemeinschaft, heute die „Stamm-Wohngemeinschaft“<br />
eines Wohnverbundes, zu dem einige „Außenwohnungen“ für selbstständiger<br />
lebende Bewohner/innen gehören. Ingrid Wick berichtet.<br />
Gabriele Bazelt, von ihren<br />
Freund/innen Gabi genannt,<br />
wurde im Oktober 50 Jahre<br />
alt. Ein Riesengeburtstagsfest<br />
machte ihr Freude.<br />
Im großen Wohnzimmer sitzen<br />
Bewohnerinnen und Bewohner,<br />
trinken Kaffee und essen<br />
Kuchen. Gabriele Bazelt, Rollstuhlfahrerin,<br />
sitzt dabei und<br />
genießt das gesellige Treiben.<br />
Ihre beste Freundin ist auch in<br />
der Runde und sie erzählen einander<br />
Ereignisse des Tages.<br />
Gemeinsam mit ihr fährt sie<br />
jeden Freitag mit dem Fahrtendienst<br />
in die Disco im Club<br />
21 des <strong>Wien</strong>er Hilfswerks in<br />
der Schottenfeldgasse im 7.<br />
Bezirk.<br />
Frau Bazelt hat auch Pflichten<br />
in der WG: Jeden Sonntag hat<br />
sie Küchendienst. Am Samstag<br />
wird gemeinsam eingekauft,<br />
am Sonntag miteinander<br />
gekocht. Am liebsten isst<br />
sie Putenfrankfurter. Gemeinsam<br />
mit ihrem Bezugsbetreuer<br />
hat sie einen Diätplan erstellt,<br />
10 Kilo hat sie schon<br />
abgenommen.<br />
In ihrer Freizeit geht Gabi<br />
Bazelt gern ins Kaffeehaus<br />
oder ins Kino. Von ihren zwei<br />
Schwestern wird sie regelmäßig<br />
besucht, und alle 14 Tage<br />
kommt ein Besuchsdienst. Mit<br />
dem fährt sie gern in die Stadt<br />
(wie die <strong>Wien</strong>er/innen ihren<br />
1. Bezirk nennen) zum Stephansdom.<br />
„Viel Gefühl für andere<br />
Menschen“<br />
Andreas Thayenthal, Gabriele<br />
Bazelts Bezugsbetreuer, hebt<br />
hervor: „Sie ist sehr gesellig<br />
und hat viel Gefühl für andere<br />
Menschen.“ Sie braucht viel<br />
Hilfe bei der Pflege. Um sieben<br />
Uhr früh kommt eine Pflegehelferin<br />
und unterstützt Frau<br />
Bazelt bei ihrer täglichen Morgentoilette,<br />
es wird geduscht,<br />
es werden Haare gewaschen,<br />
Nägel geschnitten und es wird<br />
alles getan, was Frau Bazelt<br />
braucht, um in den neuen Tag<br />
starten zu können. Diese Pflegerin<br />
kommt für 1 ½ Stunden<br />
ausschließlich zu Frau Bazelt.<br />
Leistbar wird diese zusätzliche<br />
Pflegekraft auf Grund eines<br />
erhöhten „Tagsatzes“. Dieser<br />
wird vom FSW – nach Antrag<br />
und befristet – Personen gewährt,<br />
die einen deutlich erhöhten<br />
Betreuungs- und Pflegeaufwand<br />
haben.<br />
Wohnverbund 12.,<br />
Rollingergasse<br />
Stamm-Wohngemeinschaft<br />
mit acht<br />
Bewohner/innen in<br />
einem Gemeindebau<br />
drei sehr nahe gelegene„Außenwohnungen“<br />
mit insgesamt<br />
sechs Bewohner/<br />
innen<br />
Mehr über den Wohnverbund<br />
lesen Sie<br />
im Text „Wohnen: so<br />
selbstbestimmt und<br />
inklusiv wie möglich“<br />
auf Seite 12<br />
18 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Besonders in der Früh ist diese<br />
Hilfe wesentlich. „In der<br />
Morgenzeit müssen wir“, sagt<br />
Thayenthal, „fast alle Bewohnerinnen<br />
und Bewohner<br />
gleichzeitig bei der Morgentoilette<br />
unterstützen. Allein<br />
würden wir das nicht schaffen.<br />
Ohne den Zukauf von<br />
Pflegezeit hätte Frau Bazelt<br />
nicht in der WG bleiben können.“<br />
Andreas Thayenthal ist<br />
Bezugsbetreuer von Frau<br />
Bazelt und Leiter des Wohnverbundes<br />
12., Rollingergasse:<br />
„Es soll noch flexibleres<br />
Wohnen angeboten werden<br />
für alle, die es wollen. Wir<br />
möchten neben den schon<br />
vorhandenen auch Außenwohnungen<br />
für Menschen<br />
einrichten, die schwerer<br />
beeinträchtigt sind.“<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
„Sie wird gefördert und gefordert<br />
und beides tut ihr gut!“<br />
Charlotte Haderer,<br />
Schwester und Sachwalterin<br />
von Gabi Bazelt:<br />
„Alles läuft bestens. Wir<br />
sind mit der Wohngemeinschaft<br />
sehr zufrieden! Sie ist<br />
in den letzten Jahren auch<br />
immer wieder durch betreutes<br />
Wohnen im gleichen<br />
Haus erweitert worden und<br />
auch das ist für Gabi – da<br />
sie sehr gerne plaudert und<br />
Leute um sich hat – sehr<br />
positiv! Jeder hat sein eigenes<br />
Zimmer, das er nach<br />
Wunsch gestalten kann, und<br />
so gibt es bei Gabi z.B. jede<br />
Menge Plüschtiere.<br />
Der Kontakt mit Gabi ist<br />
sehr intensiv. Wir telefonieren<br />
eigentlich täglich und<br />
sehen uns einmal im Monat<br />
an einem Sonntag. Gabi<br />
kann leider nicht mehr zu<br />
uns nach Hause kommen,<br />
da der Rollstuhl in keinen<br />
Aufzug mehr passt. Ich<br />
komme seitdem meist mit<br />
dem Laptop, mache viele<br />
Fotos, die wir dann gemeinsam<br />
anschauen.<br />
Der Kontakt mit dem Betreuerteam<br />
ist sehr gut und<br />
es finden regelmäßig auch<br />
Veranstaltungen in der WG<br />
statt. Auch nach schweren<br />
Erkrankungen mit Spitalsaufenthalt<br />
wurde alles<br />
getan, um Gabi weiterhin<br />
den Aufenthalt in der Wohngemeinschaft<br />
zu ermöglichen.<br />
Charlotte Haderer und Gabi<br />
Bazelt, zwei Schwestern,<br />
die sich gut verstehen<br />
Gabi wohnt nun schon seit<br />
ca. 24 Jahren bei der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong>, zuerst in der<br />
Hetzendorfer Straße und<br />
jetzt schon seit vielen Jahren<br />
in der Rollingergasse.<br />
Sie ist in diesen Jahren sehr<br />
viel selbstständiger geworden<br />
und hat sich in ihrer<br />
Persönlichkeit sehr gut weiterentwickelt.<br />
Mir ist es sehr wichtig,<br />
Gabi bei der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
gut aufgehoben zu wissen.<br />
Sie kann ihre Persönlichkeit<br />
entwickeln und es wird auch<br />
auf ihre eigenen Wünsche<br />
und Bedürfnisse Rücksicht<br />
genommen, es werden aber<br />
auch Leistungen von ihr<br />
eingefordert.<br />
Ich wünsche mir eigentlich<br />
nur, dass das Angebot weiter<br />
ausgebaut wird.“<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
19
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Zwei sind nach Kaiserebersdorf gezogen<br />
Regina Lazar und Franz Rudel leben seit 2010 gemeinsam in einer Wohnung<br />
im 11. Bezirk. Ein Paar zu sein und die Interessen und Bedürfnisse des Anderen<br />
wichtig zu nehmen, – darauf kommt es ihnen an. Die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
unterstützt sie dabei. Ingrid Wick besuchte das Paar.<br />
Regina Lazar redet mit Gesten, Mimik und mit Hilfe von<br />
Karten. In der Küche hängen welche mit Lebensmitteln und<br />
in der Garderobe welche mit Fotos von den Betreuerinnen.<br />
Kennen und lieben gelernt haben<br />
sich die Beiden, als sie<br />
noch gemeinsam in einem<br />
Wohnhaus der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> lebten. Jeder hatte dort<br />
sein eigenes Zimmer. Bald<br />
entstand der Wunsch nach einer<br />
gemeinsamen Wohnung.<br />
Beide sind selbstständig, und<br />
doch brauchen sie tägliche<br />
Unterstützung bei der Pflege<br />
und beim Zubereiten von<br />
Mahlzeiten.<br />
Eine „Außenwohnung“ in Kaiserebersdorf,<br />
kombiniert mit<br />
der Unterstützung und den<br />
Vorteilen des nur drei Gehminuten<br />
entfernten Wohnhauses<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> am Rosa-<br />
Jochmann-Ring, war nun für<br />
beide die beste Möglichkeit,<br />
ihren Wunsch zu realisieren.<br />
Die Betreuerin hat mit ihnen<br />
die Wohnung angeschaut, die<br />
Möbel gekauft und ihnen beim<br />
Umzug geholfen.<br />
Regina Lazar ist sehr kommunikativ.<br />
Sie spricht mit<br />
Gesten und Mimik. Karten und<br />
Tafeln unterstützen sie dabei.<br />
Franz Rudel tut sich bei der<br />
Kommunikation leichter. Ich<br />
habe die Beiden in ihrer gemütlichen<br />
Wohnung besucht.<br />
Große Gastfreundlichkeit kam<br />
mir entgegen, und sie haben<br />
mir gemeinsam mit ihren Bezugsbetreuerinnen<br />
über ihr<br />
Leben berichtet.<br />
Was hat sich seit dem<br />
Umzug geändert?<br />
Auf meine Frage holt Franz<br />
Rudel aus: „Es ist viel schöner<br />
als vorher. Wir genießen das<br />
Alleinsein. Frühstück machen<br />
wir allein, es wird gemeinsam<br />
mit den Betreuern am Vorabend<br />
hergerichtet, sodass<br />
wir am Morgen ohne Betreuer<br />
frühstücken können. Wir haben<br />
auch ein großes eigenes<br />
Bad mit einer Waschmaschine.<br />
Ich kann jederzeit in das<br />
Wohnhaus gehen. Ich esse<br />
gerne mit den anderen in der<br />
Gruppe und fahre auch gerne<br />
mit der Wohnhausgruppe auf<br />
einen Ausflug. Regina bleibt<br />
allein zu Hause und hat dann<br />
ihre Ruhe. Ich habe auch eine<br />
Schwester, ich besuche sie alle<br />
zwei Wochen und wir gehen<br />
gerne auf Flohmärkte.“<br />
Regina Lazar zeigt mir ihre<br />
vielen Puzzles: Sie liebt es,<br />
Puzzles zu bauen. Mit Hilfe<br />
eines Fotoalbums erzählt sie<br />
20 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Weiteres von ihrem Leben.<br />
Sie zeigt mir Bilder von ihrem<br />
Bruder – er ist ihr sehr wichtig.<br />
Weil sie nun eine eigene<br />
Wohnung haben, konnte ein<br />
Freund von beiden bei ihnen<br />
im Gästezimmer übernachten.<br />
Das wäre vorher nicht<br />
möglich gewesen. Frau Lazar<br />
isst gerne Eis und liebt<br />
es zu tanzen. Ins Kaffeehaus<br />
ums Eck gehen beide gerne.<br />
Dort sind sie sehr beliebt,<br />
und in der ganzen Nachbarschaft<br />
haben sie bis jetzt nur<br />
gute Erfahrungen gemacht.<br />
Herr Rudel besucht regelmäßig<br />
den Club 21 des <strong>Wien</strong>er<br />
Hilfswerks in der Schottenfeldgasse<br />
im 7. Bezirk; Frau<br />
Lazar will das nicht, es ist ihr<br />
dort zuviel los.<br />
Wie wird das tägliche<br />
Leben unterstützt?<br />
Jeder der beiden hat eine eigene<br />
Bezugsbetreuerin. Von<br />
diesen werden sie mit den<br />
jeweiligen Bedürfnissen und<br />
Wünschen vor allem als Einzelpersonen<br />
gesehen. Gibt es<br />
als Paar Wünsche oder Probleme,<br />
setzen sich die beiden<br />
Betreuerinnen Maria Pöcherstorfer<br />
und Jasmin Walzog<br />
mit dem Paar zusammen.<br />
„Wir rufen sie an, wenn es Essen<br />
in der Wohngruppe gibt“,<br />
höre ich von den Betreuerinnen.<br />
„Herr Rudel isst in der<br />
Gruppe und mag das gesellige<br />
Beisammensein. Frau Lazar<br />
holt sich das Essen, isst gerne<br />
allein in der Wohnung und<br />
mag die Ruhe. Jeden Abend<br />
kommt eine zusätzliche Kraft<br />
und hilft beim Haarewaschen<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Franz Rudel denkt immer an seine Partnerin Regina Lazar,<br />
wenn er unterwegs ist, und nimmt ihr kleine Geschenke mit.<br />
Die Beiden strahlen Harmonie und Zufriedenheit aus.<br />
oder Rasieren. Zwei- bis dreimal<br />
in der Woche kommt eine<br />
Reinigungskraft und hilft den<br />
Beiden beim Putzen der Wohnung.<br />
Gemeinsam mit den anderen<br />
vom Wohnhaus sind sie<br />
heuer in die Türkei auf Urlaub<br />
gefahren.“<br />
Haben Sie einen<br />
Weihnachtswunsch?<br />
Auf meine Frage erhalte ich<br />
sofort Antwort: Regina Lazar<br />
wünscht sich zu Weihnachten<br />
ein Puzzle mit Hunden als Motiv,<br />
Franz Rudel Kopfhörer für<br />
Radio und Fernseher, damit er<br />
seine Lebensgefährtin nicht<br />
stört.<br />
Ingrid Wick<br />
Richtigstellung<br />
In der Ausgabe Herbst<br />
2012 haben wir Ihnen<br />
unsere neue MIT-Gruppe<br />
vorgestellt. Dabei sind uns<br />
bei der Bildunterschrift auf<br />
Seite 33 gleich zwei Fehler<br />
unterlaufen: Nicht Barbara<br />
Willeger, sondern Manuela<br />
Fuchs (3. von links) stellt<br />
sich vor! Und Herr Schwerter<br />
heißt nicht Robert,<br />
sondern Martin Schwerter<br />
(ganz rechts)! Die Redaktion<br />
entschuldigt sich bei<br />
den genannten Personen.<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
21
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Selbstständig durch’s Leben tanzen<br />
Irene Marek werkt seit 1999 bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>. Seit vier Jahren lebt sie<br />
allein in einer Gemeindewohnung am <strong>Wien</strong>erberg. Anita Schüller begleitet<br />
und unterstützt sie dabei, das Leben in den eigenen vier Wänden gut zu meistern.<br />
Nicole Reiter berichtet.<br />
Irene Marek (links) und ihre<br />
Betreuerin Anita Schüller<br />
sind ein gutes Team und<br />
bewältigen gemeinsam die<br />
wichtigsten Alltagsfragen<br />
Frau Mareks Tag beginnt um<br />
halb fünf Uhr früh: Sie braucht<br />
keinen Wecker, wacht ganz<br />
von allein auf und macht sich<br />
in ihrer Küche Frühstück. Wochentags<br />
arbeitet sie in der<br />
Holzgruppe der Werkstatt der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> in der Schottengasse<br />
im 1. Bezirk. Kurz<br />
vor sechs Uhr startet sie ihren<br />
Arbeitsweg und fährt mit<br />
U-Bahn und Straßenbahn in<br />
die Werkstatt. Am Weg wird<br />
zweimal eine Kaffeepause eingelegt.<br />
Irene schwört auf guten Kaffee<br />
und Süßigkeiten. „Es ist<br />
sicher nicht meine letzte Nascherei<br />
für heute“, zwinkert<br />
mir die Hobbytänzerin auch<br />
bei unserem Gespräch am frühen<br />
Nachmittag in der Bäckerei<br />
Mann vis-à-vis ihrer Wohnung<br />
in der <strong>Wien</strong>erbergstraße<br />
im 12. Bezirk zu.<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> im Alltag<br />
Nach der Arbeit fährt Irene<br />
Marek drei bis vier Mal pro<br />
Woche zu ihrer Bezugsbetreuerin<br />
Anita Schüller in das<br />
Büro in der Tanbruckgasse im<br />
12. Bezirk, von wo aus die<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> mobile Betreuung<br />
organisiert und teilbetreutes<br />
Wohnen unterstützt.<br />
Mit ihr bespricht sie wichtige<br />
Alltagsfragen. Anita hilft Irene<br />
beim Vereinbaren von Arztterminen,<br />
bei der Medikamentenaufteilung,<br />
in finanziellen<br />
Angelegenheiten, bei der Urlaubs-<br />
und Freizeitplanung<br />
und der bei Besorgung wichtiger<br />
Haushaltsutensilien.<br />
Das Büro ist Treffpunkt für all<br />
jene Klientinnen und Klienten<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong>, die in eigenen<br />
Wohnungen leben. Jeden<br />
Mittwoch findet hier ein<br />
„Kaffeehaus“ statt. Feste wie<br />
Geburtstage, Fasching, Weihnachten<br />
werden hier gefeiert,<br />
und ein Mal im Monat kommt<br />
ein Frisör. Die rubinrote Haarfarbe<br />
hat Irene Marek auf dem<br />
Weg nach Hause gerade eingekauft.<br />
Frau Marek putzt, kocht und<br />
erledigt ihre täglichen Einkäufe<br />
selbst. Mit ihrer Nähmaschine<br />
kürzt sie sich Hosen<br />
und springt auch ab und<br />
zu für andere Klient/innen als<br />
Hobbyschneiderin ein. Einmal<br />
monatlich kommt Anita Schüller<br />
zu ihr in die Wohnung und<br />
versichert sich, dass alles in<br />
Ordnung ist.<br />
Mit der Einsamkeit<br />
zurecht kommen<br />
Irenes Eltern sind gestorben.<br />
Zu ihren Geschwistern hat sie<br />
keinen Kontakt, die Nachbarn<br />
kennt sie und grüßt sie zwar,<br />
doch mehr Beziehung zu ihnen<br />
hat sie nicht. Die große Liebe<br />
im Leben ist bisher ausgeblieben.<br />
Nach zwei unglücklichen<br />
Beziehungen genießt Frau Marek<br />
jetzt ihr Singleleben, tun<br />
und lassen zu können, was<br />
und wann sie möchte. Mit ihrer<br />
besten Freundin telefoniert<br />
sie oft und trifft sich mit ihr, so<br />
oft es möglich ist. Jeden zwei-<br />
22 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
ten Samstag leistet sie sich für<br />
zwei Stunden einen Besuchsdienst,<br />
um ins Kaffeehaus zu<br />
gehen. „An Sonntagen fühle<br />
ich mich oft einsam“, erzählt<br />
mir Irene Marek. „Es fehlt wer<br />
zum Reden und für gemeinsame<br />
Unternehmungen.“<br />
Wachsendes<br />
Selbstvertrauen<br />
An gemeinsamen Urlaubsaktionen<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
nimmt Irene gerne teil. Im Juli<br />
2012 hat sie sich das erste Mal<br />
getraut, mit ihrer Freundin allein<br />
auf Urlaub nach Podersdorf<br />
im Burgenland zu fahren. Die<br />
beiden haben sich im Seehotel<br />
Herlinde schöne Tage gemacht<br />
und sind ein bisschen spazieren<br />
gegangen. Schwimmen zu<br />
gehen oder den Tag beim Heurigen<br />
ausklingen zu lassen,<br />
haben sie sich noch nicht zugetraut.<br />
Doch der nächste Urlaub<br />
kommt bestimmt; wichtig<br />
ist für Irene nur, dass sie<br />
im Urlaub mit Euro bezahlen<br />
kann, denn das Umrechnen<br />
in fremde Währungen bereitet<br />
ihr Probleme.<br />
Tanzen ist Irenes große<br />
Leidenschaft. Noch heute<br />
schwärmt sie vom <strong>Lebenshilfe</strong>-Ball,<br />
den sie 2007 besucht<br />
hat. „Hoffentlich gibt es bald<br />
wieder einen Ball, denn das<br />
Walzer Tanzen hat mir so viel<br />
Spaß gemacht“, wünscht sich<br />
Irene und bittet mich, in der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong>zentrale nachzufragen.<br />
Um nicht aus der<br />
Übung zu kommen, besucht<br />
sie seit Herbst einen Tanzkurs<br />
an der Volkshochschule in der<br />
Längenfeldgasse.<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Herausforderungen für die Betreuung<br />
Das Leben von Klient/<br />
innen in eigenen Wohnungen<br />
stellt die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> auch vor Herausforderungen.<br />
Anita<br />
Schüller, die neben Irene<br />
Marek noch vier weitere<br />
Klient/innen betreut und<br />
begleitet, beantwortete<br />
meine Fragen dazu.<br />
? Wohin können sich<br />
einsame Klient/innen am<br />
Wochenende wenden,<br />
wenn das Büro in der<br />
Tanbruckgasse geschlossen<br />
ist und ihr frei habt?<br />
Der Wohnverbund in der<br />
Rollingergasse im 12. Bezirk<br />
ist dann eine wichtige<br />
Notanlaufstelle. Dort finden<br />
die Klient/innen Gesellschaft<br />
und Gesprächspartner/<br />
innen für ihre Probleme.<br />
Selbstständig zu leben und<br />
zu wohnen bedeutet nicht<br />
unbedingt sich alles gut allein<br />
zuzutrauen. Gerade bei<br />
Freizeitaktivitäten braucht es<br />
oft einen Anstoß und in der<br />
Gruppe fällt Vieles einfach<br />
leichter.<br />
Schön wäre es, wenn wir es<br />
uns leisten könnten, auch<br />
einen Wochenendbesuchsdienst<br />
anzubieten, um z. B.<br />
kranke oder einsame Klient/<br />
innen zu besuchen. Auch<br />
regelmäßige Singeltreffs zu<br />
organisieren könnte helfen,<br />
dass sich Gleichgesinnte für<br />
gemeinsame Freizeitaktivitäten<br />
leichter finden.<br />
? Was passiert, wenn Klient/innen<br />
krank werden<br />
und sie keine Angehörigen<br />
haben, die sich um sie<br />
kümmern können?<br />
Wir hatten erst unlängst so<br />
eine Situation. Ein Klient<br />
musste für längere Zeit ins<br />
Krankenhaus. Wir haben uns<br />
darum gekümmert, dass er<br />
jeden Tag Besuch bekommt.<br />
Alle Betreuer/innen und Klient/innen<br />
haben zusammengeholfen.<br />
Nach dem Krankenhaus<br />
konnte der Betreffende<br />
nicht gleich zurück in die<br />
eigene Wohnung. Übergangsweise<br />
kam er in unserem<br />
Wohnhaus am Leberberg unter.<br />
Wir haben gemeinsam nachgedacht<br />
und eine maßgeschneiderte<br />
Lösung gefunden.<br />
Aber natürlich hätten wir<br />
einen Engpass, wenn solche<br />
Situationen öfter bzw. bei<br />
mehren Klienten zeitgleich<br />
auftreten.<br />
? Viele unserer Klient/<br />
innen werden zunehmend<br />
älter. Können sie dann<br />
noch gut allein wohnen?<br />
Dieses Thema beschäftigt<br />
uns sehr. Im Alter kommt<br />
es zunehmend auch zu körperlichen<br />
Beschwerden und<br />
Beeinträchtigungen, wie dem<br />
Verlust der Sehstärke etc.<br />
… Klient/innen fällt es dann<br />
schwerer, allein zu wohnen,<br />
und sich das auch selbst einzugestehen.<br />
23
Foto: Angelika Löffler<br />
In Würde alt werden<br />
Im Alter ändert sich vieles. Man braucht mehr Pflege und möchte den Tag im<br />
eigenen Tempo verbringen können. Wie das bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> geht,<br />
beschreiben hier unser Bereichsleiter Thomas Kremshuber und Nicole Reiter.<br />
Ruth Schüller genießt ihr Leben im neuen Senior/innenhaus –<br />
mit allen Höhen und Tiefen, die das Alter mit sich bringt<br />
Es gibt immer mehr Klientinnen<br />
und Klienten, denen<br />
der täglichen Wechsel vom<br />
Wohnhaus in die Werkstatt<br />
aufgrund ihres Alters und der<br />
damit verbundenen Begleiterscheinungen<br />
nicht mehr so<br />
leicht fällt. Der Tagesrhythmus<br />
ändert sich, die Belastbarkeit<br />
wird geringer. Das Aufstehen,<br />
die Pflege, das Anziehen<br />
braucht mehr Zeit, altersbedingte<br />
Krankheiten häufen<br />
sich.<br />
Und es gibt natürlich auch für<br />
Menschen mit Behinderung<br />
das Recht, in den Ruhestand<br />
zu treten: Viele Klientinnen<br />
und Klienten in der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
haben das Pensionsalter<br />
erreicht und wollen deshalb<br />
nicht mehr eine Werkstatt besuchen.<br />
Unterstützung, Hilfe und Förderung<br />
von Menschen mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung<br />
darf aber kein Ablaufdatum<br />
haben. Solche Menschen greifen<br />
im Alter meist nicht wie<br />
andere Senior/innen auf Ersparnisse,<br />
eine Pension, Hilfe<br />
ihrer Familienangehörigen zurück.<br />
Sie sind häufig auf sich<br />
allein gestellt und benötigen<br />
gerade deshalb unsere besondere<br />
Unterstützung.<br />
Mit der Untertagsbetreuung<br />
in vier Wohnhäusern und dem<br />
Senior/innenhaus in der<br />
Nauschgasse im 22. Bezirk<br />
machen wir ihnen altersgerechte<br />
Angebote. Derzeit<br />
bietet die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
29 Plätze in der Untertagsbetreuung<br />
(auch Tagesheimkleingruppe<br />
oder Senior/innengruppe<br />
genannt) in vier<br />
unserer zwölf Wohnhäuser an,<br />
die vom Fonds Soziales <strong>Wien</strong><br />
gemäß § 25 <strong>Wien</strong>er Behindertengesetz<br />
(„Persönliche Hilfe“)<br />
gefördert werden.<br />
Nachfragen nach Senior/<br />
innenbetreuung steigt<br />
Die Plätze in den Senior/innengruppen<br />
in unseren Wohnhäusern<br />
sind heute voll belegt.<br />
Auf Grund der steigenden<br />
Nachfrage und des steigenden<br />
Alters der Klient/innen arbeiten<br />
wir derzeit intensiv an der<br />
Weiterentwicklung des Angebots.<br />
Wir planen weitere Senior/innen-Kleingruppen<br />
in<br />
Wohnhäusern und wir wollen<br />
für rüstige Menschen auch<br />
einen Klubbetrieb einrichten,<br />
wie sich ihn gesellige Senior/<br />
innen wünschen.<br />
Strukturierter Tagesablauf<br />
zur besseren Orientierung<br />
Seniorinnen und Senioren<br />
können in ihrem Wohnhaus in<br />
24 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
den Ruhestand treten, ihren<br />
Tagesablauf selbst bestimmen<br />
und erhalten im Alltag und in<br />
der Pflege die nötige Unterstützung<br />
durch Betreuer. Klare<br />
Strukturen und Abläufe, die in<br />
einer Tages- und Wochenplanung<br />
festgehalten sind, helfen,<br />
sich in den Kleingruppen<br />
von fünf bis neun Teilnehmer/<br />
innen gut zu orientieren.<br />
Die Schwerpunkte der<br />
Senior/innengruppen sind:<br />
Erhalten der vorhanden<br />
Fähigkeiten<br />
Freizeit im und außer<br />
Haus gestalten<br />
Mithelfen im Haushalt<br />
(Essen zubereiten,<br />
einkaufen, Tisch decken)<br />
und bei der Gestaltung<br />
der Räumlichkeiten<br />
Unterstützung in der<br />
Basisversorgung<br />
Biografiearbeit („Was<br />
habe ich bisher erlebt?“)<br />
Auseinandersetzen mit<br />
dem Thema Alter<br />
kreative Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
Feste feiern<br />
Zusatzangebote<br />
(Rhythmik, Tiertherapie<br />
usw.)<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Wolfgang Tempfer (links) und Gerhard Lenker freuen sich<br />
über eine Fiakerfahrt durch die <strong>Wien</strong>er Innenstadt<br />
Je nach persönlichen Fähigkeiten<br />
und Wünschen gehen die<br />
Senior/innen in den Wohnhäusern<br />
in die Kirche, zum nächstgelegen<br />
Markt einkaufen, die<br />
Tageszeitung in der Trafik holen<br />
und sie unternehmen auch<br />
Kulturausflüge und Kaffeehausbesuche<br />
gemeinsam.<br />
Pionierprojekt Senior/innenhaus<br />
Nauschgasse<br />
Unser Senior/innenhaus<br />
Nauschgasse im 22. Bezirk<br />
ist das jüngste Haus der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> und seit Februar<br />
2011 in Betrieb. 19 Seniorinnen<br />
und Senioren mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung<br />
und höherem Pflegebedarf<br />
finden in dem altersgerechten,<br />
barrierefrei und ökologisch<br />
gebauten Haus ein Zuhause.<br />
Die Errichtung einer maßgeschneiderten<br />
Betreuungs- und<br />
Wohnform für Senior/innen<br />
mit intellektueller Beeinträchä<br />
Doris Stachl und Viktor<br />
Werner starten gemütlich<br />
in ihren Tag. Schauen,<br />
was es Neues gibt in der<br />
Zeitung, gehört für die<br />
beiden zum täglichen<br />
Morgenritual<br />
Foto: Angelika Löffler<br />
Foto: Dagmar Pratsch<br />
25
Der barrierefrei gestaltete Garten des<br />
Senior/innenhauses lädt zum Verweilen ein<br />
tigung ist das erste Projekt<br />
dieser Art in <strong>Wien</strong> und konnte<br />
dank hervorragender Kooperation<br />
mit der Stadt <strong>Wien</strong> verwirklicht<br />
werden.<br />
Das Haus erfüllt alle personellen,<br />
pflegerischen und<br />
räumlichen Voraussetzungen<br />
für ältere Menschen mit Behinderung.Behindertenfachkräfte<br />
mit teilweise zusätzlicher<br />
Pflegehilfeausbildung haben<br />
Zeit für individuelle Betreuung<br />
sowie für Aktivitäten in Kleingruppen.<br />
Eine diplomierte<br />
Krankenschwester übernimmt<br />
die Erhebung und Feststellung<br />
der Pflegebedürfnisse sowie<br />
die Überwachung der pflegerischen<br />
Hilfeleistung, es gibt<br />
auch einen wachenden Nachtdienst.<br />
Freizeitgestaltung im und außer<br />
Haus, aktive Mitgestaltung<br />
und Mithilfe im Haus,<br />
Rhythmik-, Bewegungs- und<br />
Tiertherapie unterstützen die<br />
Bewohner/innen, ihre vorhandenen<br />
Fähigkeiten lange zu<br />
erhalten<br />
Gut angekommen<br />
und gut eingelebt<br />
Die 19 Senior/innen haben<br />
sich seit der Eröffnung in ihrem<br />
neuen Wohnhaus bestens<br />
eingelebt und finden sich gut<br />
zurecht. Das Konzept hat<br />
sich somit bewährt. Untertags<br />
werden die Klient/innen<br />
im Dach- und im Erdgeschoß<br />
in zwei Kleingruppen betreut.<br />
Spezielle Therapieangebote,<br />
wie z.B. die Tiertherapie, finden<br />
großen Anklang. Saisonale<br />
Feiern helfen den Bewohner/innen,<br />
sich über das Jahr<br />
hinweg gut zu orientieren, und<br />
machen auch im Alter noch<br />
viel Spaß. Der Garten wird genützt,<br />
um sich zu entspannen,<br />
die Füße zu vertreten und zu<br />
grillen. Mit unserem Firmen-<br />
partner Aegis Media wurden<br />
zu Weihnachten Adventkränze<br />
und -gestecke gebastelt und<br />
Kekse gebacken. Selbstständigere<br />
Klient/innen können<br />
die Umgebung erkunden und<br />
Spaziergänge unternehmen.<br />
Natürlich macht sich das zunehmende<br />
Alter der Bewohner/innen<br />
Monat für Monat bemerkbar<br />
und die Betreuungsleistungen<br />
werden intensiver.<br />
Am Beispiel der Klientin Ruth<br />
Schüller können wir gut beobachten,<br />
wie positiv sich ein<br />
optimales Betreuungsumfeld<br />
auf einen Menschen auswirken<br />
kann. Sie kam im Februar<br />
2011 aus einem Pflegeheim zu<br />
uns und wurde über eine sog.<br />
PEG-Sonde ernährt. In der<br />
Nauschgasse konnte sie wieder<br />
weitgehend normal essen,<br />
ihr Bett verlassen und ihre<br />
Tage genießen. Heute hat sich<br />
ihre Situation altersbedingt<br />
wieder verändert.<br />
26 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012<br />
Foto. Nikki Harris<br />
Franz Laska bei der Tiertherapie<br />
in der Nauschgasse<br />
Foto: Angelika Löffler
Seniorin Hilde Puxbaum<br />
studiert die Zeitung<br />
Wir bemühen uns, unsere Bewohner/innen<br />
so lange wie<br />
möglich in unseren Wohnhäusern<br />
zu begleiten und zu betreuen.<br />
Wir können nach Bedarf<br />
auch auf externe Hilfe,<br />
wie Heimhilfe, zurückgreifen.<br />
Sollten wir medizinisch an unsere<br />
Grenzen stoßen, suchen<br />
wir mit Betroffenen, Betreuern<br />
und Angehörigen gemeinsam<br />
und zeitgerecht nach einer Lösung.<br />
Thomas Kremshuber,<br />
Bereichsleiter Wohnen<br />
Nicole Reiter,<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Foto: Markus Hippmann<br />
Wolfgang, wie gefällt’s Dir<br />
in der Senior/innengruppe?<br />
Eveline und Wolfgang Tempfer bei einer Vernissage<br />
der Fotoschule <strong>Wien</strong><br />
Dr. Eveline Tempfer, Schwester und Sachwalterin<br />
eines aktiven Mitglieds der Senior/innengruppe in<br />
unserem Wohnhaus Pezzlgasse im 17. Bezirk und bis<br />
2011 Jahrzehnte lang Vorstandsmitglied der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong>, hat ihren Bruder gefragt:<br />
Wolfgang Tempfer sagt:<br />
Ich bin gerne in der<br />
Senior/innengruppe!<br />
Dort kann ich Besorgungen<br />
und Einkäufe<br />
machen.<br />
Ich mache auch gerne<br />
Botendienste.<br />
Zum Interspar gehe ich<br />
oft allein.<br />
Ich liebe die Musik-<br />
therapie bei Karola.<br />
Sehr gerne gehe ich<br />
kegeln.<br />
Wir haben auch viele<br />
Feste.<br />
Ich helfe gerne beim<br />
Organisieren.<br />
In das Nachbarschaftszentrum<br />
gehe ich jeden<br />
Mittwoch zum Gedächtnistraining.<br />
Ich bin auch schon mit<br />
dem Nachbarschaftszentrum<br />
ins Theater und in<br />
Ausstellungen gegangen.<br />
Der Unterschied zu früher<br />
ist, ich kann machen,<br />
was ich will.<br />
Ich darf auch am Tag<br />
fernsehen.<br />
Foto: Fotoschule <strong>Wien</strong><br />
27
Selbstbestimmt Leben mit hohem Hilfebedarf<br />
Beispiel aus Deutschland: Der Verein zur Förderung der Integration Behinderter<br />
(fib) in der Universitätsstadt Marburg in Hessen.<br />
Der fib hat es sich seit seiner<br />
Gründung 1982 zur Aufgabe<br />
gemacht, Menschen mit Behinderung<br />
unabhängig von Art und<br />
Umfang der Beeinträchtigung<br />
durch individuelle Hilfe selbstbestimmtes<br />
Leben im eigenen<br />
Wohnraum zu ermöglichen und<br />
die Unterbringung in Heimen<br />
und anderen (teil)stationären<br />
Einrichtungen überflüssig zu<br />
machen.<br />
Für Menschen mit Bedarf an<br />
durchgängigen Unterstützungsleistungen<br />
bis zu 24 Stunden<br />
am Tag werden pädagogische<br />
Hilfen, Assistent/innen, Pflegekräfte<br />
sowie begleitende Dienste<br />
zusammengebracht. Vorhandene<br />
Netzwerke, vor allem aus<br />
Angehörigen und Nachbarn,<br />
werden aktiv eingebunden,<br />
ohne diese zu überfordern.<br />
Trotz der hohen Anforderungen<br />
bringt der fib seine Kundinnen<br />
und Kunden, die intensiven<br />
Pflegebedarf, massive Epilepsieerkrankungen<br />
oder herausfordernde<br />
Verhaltensweisen<br />
haben, in „normalen“ Wohnumgebungen<br />
unter.<br />
Gemeinsam Wohnen<br />
Der Verein regt immer wieder<br />
an, dass Menschen mit und<br />
ohne Beeinträchtigungen in gemeinschaftlichen<br />
Wohnformen<br />
zusammenleben. Dadurch,<br />
dass Mitarbeiter/innen des Vereins<br />
zum Teil in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft oder sogar innerhalb<br />
einer Wohngemeinschaft<br />
wohnen, können unbedingt<br />
notwendige professionelle<br />
Dienste vor allem in Notsituationen<br />
schnell abgerufen werden.<br />
Aber nicht alle Dienste müssen<br />
professionalisiert werden: z.B.<br />
kann eine funktionierende WG-<br />
Struktur eine Nachtbereitschaft<br />
überflüssig machen.<br />
Weitere wichtige Erfolgsfaktoren:<br />
Der Mensch mit hohem<br />
Hilfebedarf bestimmt die Ausgestaltung<br />
seiner Dienstleistungen<br />
und seiner persönlichen<br />
Wohnumgebung selbst. Und<br />
sein soziales Umfeld, vor allem<br />
die Mitbewohner/innen und die<br />
Nachbarn, müssen so zusammengesetzt<br />
bzw. instruiert sein,<br />
dass sie mit besonderen Verhaltensweisen<br />
umgehen können<br />
und sich nicht vor alltäglichen<br />
kleinen Hilfeleistungen scheuen.<br />
Das Beispiel der Frau F.<br />
Frau F. ist Mitte 30, mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung, Verhaltensauffälligkeiten<br />
und dem<br />
Bedarf ständiger Begleitung im<br />
Alltag. Es ist ihr unmöglich, selektiv<br />
wahrzunehmen. Die ständige<br />
Reizüberflutung löst bei ihr<br />
Hyperaktivität und Kontrollverlust<br />
aus. Durch die permanent<br />
drohende Überlastung neigt sie<br />
zu aggressiven Ausbrüchen und<br />
Selbstbestrafungen.<br />
Frau F. wohnt seit über 15 Jahren<br />
in einer von fib betreuten<br />
WG mit insgesamt sieben Mitbewohner/innen<br />
ohne Beeinträchtigungen.<br />
Sie bekommt eine Hilfe von<br />
durchschnittlich 45 Wochenstunden,<br />
die alle ihre Handlungsabläufe<br />
geduldig durchstrukturiert<br />
und Abläufe und<br />
erreichbare Ziele verständlich<br />
erklärt. Eine pädagogische<br />
Fachkraft aus der Nachbarfamilie<br />
kümmert sich mit 15 Wochenstunden<br />
um Wäsche, Arzt<br />
und Geld. Frau F. nimmt dank<br />
Assistenz drei Mal pro Woche<br />
an integrativen Freizeitangeboten<br />
teil. Das hilfreiche Umfeld<br />
der Wohn- und Hausgemeinschaft<br />
geben ihr Hilfe und Halt<br />
und öffnen ihr Leben in Richtung<br />
Gemeinde.<br />
Das Beispiel der Frau F. zeigt,<br />
wie selbstbestimmtes Leben<br />
auch für Menschen mit hohem<br />
Hilfebedarf möglich werden<br />
kann: nämlich durch Teams mit<br />
hoher Flexibilität und verschiedensten<br />
professionellen Zugängen<br />
und Kenntnissen, aber auch<br />
durch die Nutzung persönlicher<br />
Netzwerke, wodurch die sozialen<br />
Beziehungen und die Teilhabe<br />
an der Gemeinschaft intensiv<br />
gepflegt werden können.<br />
Wolfgang Urban<br />
Mehr unter www.lebenshilfe-wien.at<br />
28 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Rechtliche Fragen und Antworten<br />
zum Wohnen<br />
? Wer bestimmt über<br />
den Wohnort eines<br />
Menschen mit intellektuellerBeeinträchtigung?<br />
Jeder entscheidet über<br />
den Wohnort selbst, sofern<br />
er einsichts- und urteilsfähig<br />
ist. Die Sachwalterin<br />
oder der Sachwalter ist<br />
nur zuständig, wenn die<br />
Person nicht (mehr) einsichts-<br />
und urteilfähig ist<br />
und die Entscheidung über<br />
den Wohnort entweder<br />
ausdrücklich im Bestellungsbeschluss<br />
des Sachwalters<br />
als Angelegenheit<br />
aufgenommen oder wenn<br />
der Sachwalter (wie das<br />
bei intellektueller Beeinträchtigung<br />
oft der Fall ist)<br />
für alle Angelegenheiten<br />
bestellt ist.<br />
Bei einer dauerhaften Veränderung<br />
des Wohnortes,<br />
wie eine Übersiedelung in<br />
eine Wohngemeinschaft,<br />
bedarf die Entscheidung<br />
des Sachwalters der Genehmigung<br />
durch das<br />
Pflegschaftsgericht.<br />
? Verliert man beim<br />
Umzug in eine Wohngemeinschaft<br />
oder in ein<br />
Wohnhaus die erhöhte<br />
Familienbeihilfe?<br />
Nein, der Erwachsene, der<br />
in einer Einrichtung lebt,<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
hat selbst Anspruch auf<br />
erhöhte Familienbeihilfe,<br />
wenn er einen Beitrag<br />
zur Unterbringung leisten<br />
kann. Sobald die Person<br />
mit Behinderung auf irgendeine<br />
Weise durch<br />
eigene Einnahmen wie<br />
Pension, Pflegegeld oder<br />
Unterhalt zu den Kosten<br />
beiträgt, steht ihr die erhöhte<br />
Familienbeihilfe zu.<br />
Sie wird in der Regel auf<br />
das vom Sachwalter betreute<br />
Girokonto der Person<br />
überwiesen.<br />
Wenn noch die Eltern die<br />
Familienbeihilfe beziehen,<br />
haben sie trotz Vollunterbringung<br />
weiterhin Anspruch<br />
auf erhöhte Familienbeihilfe,<br />
wenn ihr Kind<br />
regelmäßig nach Hause<br />
auf Besuch kommt. Dafür<br />
müssen die Eltern eine Bestätigung<br />
der Wohnstätte<br />
des Kindes mit Behinderung<br />
beim Finanzamt vorlegen.<br />
Für Fragen zum Wohnen<br />
und zur Ablöse von zu<br />
Hause:<br />
Mag. a Ingrid Wick<br />
Telefon:<br />
01-812 26 35-22<br />
E-Mail:<br />
i.wick@lebenshilfe-wien.at<br />
? Wie komme ich zu<br />
einem Wohnplatz?<br />
Bitte lesen Sie auf der<br />
Website des Fonds Soziales<br />
<strong>Wien</strong> nach:<br />
wohnen.fsw.at/behinderung/<br />
Oder bestellen Sie die<br />
Wohnbroschüre des FSW.<br />
Und dann stellen Sie einen<br />
Antrag an:<br />
Fonds Soziales <strong>Wien</strong> –<br />
Beratungszentrum<br />
Behindertenhilfe<br />
1030 <strong>Wien</strong>,<br />
Guglgasse 7-9<br />
U3, Station Gasometer<br />
Tel. 01-24 5 24<br />
Für Fragen zum Wohnen<br />
in Einrichtungen der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>:<br />
Karl Neuhold<br />
Telefon:<br />
01-812 26 35-18<br />
E-Mail:<br />
k.neuhold@lebenshilfe-wien.at<br />
29
Foto: I. Bosse<br />
Wenn der Sohn aus dem „Hotel Mama“ auszieht<br />
Philipp, inzwischen 33, genießt seine WG und besucht uns zum Wochenende,<br />
berichtet Isabelle Bosse. Mit 17 ist er ausgezogen.<br />
Philipp Sperl mit Mutter Isabelle Bosse (links)<br />
und Großmutter (rechts)<br />
Mit Ende des Polytechnikums<br />
(integrativ und mit Halbinternatsbetreuung)<br />
ergab sich für<br />
meinen Sohn Philipp (Down-<br />
Syndrom, damals 16-17 Jahre<br />
alt) eine neue Situation. Es<br />
musste eine neue Tagesstruktur<br />
gefunden werden, – in seinem<br />
Fall eine geeignete Werkstatt<br />
und anschließend eine<br />
Anlaufstelle für den Rest des<br />
Tages. Meine Berufstätigkeit<br />
und die nötige ruhige Lernzeit<br />
am Nachmittag für Philipps<br />
Geschwister haben ein neues<br />
Konzept erforderlich gemacht.<br />
Zunächst schnupperte Philipp<br />
in einem Wohnhaus der <strong>Lebenshilfe</strong>,<br />
doch nach erfolgreichem<br />
Kennenlernen wurde<br />
es ernst. Da Philipp schon oft<br />
ohne Eltern auf Urlaub war,<br />
hat er diese neue Situation<br />
als solche eingestuft – bis er<br />
verstand, dass das Wohnhaus<br />
sein neues Zuhause sein wird.<br />
Neue Lebensumstände<br />
Mit großem Einsatz und Hilfe<br />
der Betreuer wurden die<br />
neue Lebensumstände und<br />
der neue Tagesablauf geübt<br />
und gefestigt (Fahrtentraining,<br />
Eigenständigkeit, neue<br />
Gemeinschaft). Für Philipp,<br />
der damals der Jüngste im<br />
Wohnhaus Hadikgasse im 14.<br />
Bezirk war, hieß es Einiges zu<br />
bewältigen, auch auf sozialer<br />
Ebene: ältere Mitbewohner/<br />
innen, neue Betreuer/innen,<br />
raus aus dem Familienalltag.<br />
Dank der Überzeugungsarbeit<br />
der Betreuer/innen nahm er<br />
die Umstellung durchaus an:<br />
Er war nicht begeistert, aber<br />
auch nicht ablehnend. Schnell<br />
schloss er Freundschaft mit<br />
den ihm altersgleichen Zivildienern,<br />
was ihm den Einstieg<br />
erleichterte.<br />
Für uns Eltern war diese Anfangszeit<br />
auch nicht leicht. Wir<br />
wurden gebeten, Philipp ca.<br />
sechs Wochen nicht zu besuchen,<br />
um die Eingewöhnung<br />
nicht zu stören. Immer wieder<br />
stellten mein Mann und ich<br />
uns die Frage, ob diese Entscheidung<br />
richtig war, – hat<br />
man doch über den Kopf eines<br />
17-Jährigen hinweg eine lebensverändernde<br />
Wendung in<br />
Gang gesetzt, die man mit ihm<br />
nicht zur Gänze verständlich<br />
besprechen konnte.<br />
Na endlich – oder zu jung?<br />
Zusätzlich belastend waren<br />
Kommentare aus der Umwelt<br />
wie „Na endlich ist er in einem<br />
Heim, da gehört er ja schon<br />
lange hin!“ oder „Ist er nicht<br />
zu jung, um in ein Heim gesteckt<br />
zu werden?“ wie auch<br />
„Jetzt wird der arme Bub auch<br />
noch abgeschoben!“ etc. Es<br />
war nicht immer leicht, diesen<br />
30 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Schritt zum Selbstständigwerden<br />
als positiven Loslösungsprozess<br />
vom Elternhaus zu argumentieren<br />
und auch selbst<br />
daran zu glauben.<br />
Doch nach diesen sechs Wochen<br />
der quälenden Gedanken<br />
war das erste Besuchswochenende<br />
gekommen. Philipp<br />
freute sich, seine Geschwister<br />
wieder zu sehen. Beim Zurückbringen<br />
ins Wohnhaus hat<br />
er etwas gezögert, – wurde<br />
ihm doch der gemütliche Familienalltag<br />
wieder vor Augen<br />
geführt. Demgegenüber stand<br />
die Herausforderung des möglichst<br />
selbstständigen Wohnens.<br />
Nach gutem Zureden<br />
akzeptierte er diese Situation<br />
und lebte sich gut ein. Mit der<br />
Perspektive, alle 14 Tage das<br />
Wochenende als willkommene<br />
Abwechslung in der Familie zu<br />
verbringen, gewöhnte er sich<br />
sehr schnell an diesen Rhythmus.<br />
WG statt<br />
Trainingswohnung<br />
In kürzester Zeit wurde er seinen<br />
Anforderungen gerecht.<br />
So entschied man sich zu<br />
einem weiteren Schritt. Eine<br />
Trainingswohnung im Haus<br />
wurde frei, und Philipp bekam<br />
die Chance, sich mit seiner<br />
Selbstständigkeit zu beweisen.<br />
Der Versuch dauerte nicht<br />
allzu lang, denn Philipp als geselliger<br />
Bursche empfand die<br />
Trainingswohnung eher als<br />
Abgrenzung zur Gruppe denn<br />
als Fortschritt. Das überforderte<br />
ihn, er zog sich in sein<br />
Schneckenhaus zurück.<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Es ergab sich dann eine neue<br />
Situation, weil die <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> das veraltete Wohnhaus<br />
Hadikgasse aufließ. Mit einigen<br />
Mitbewohnern und dem<br />
Wohnhausleiter übersiedelte<br />
Philipp in den Wohnverbund<br />
Rollingergasse in Meidling. Mit<br />
zwei ihm vertrauten Kollegen<br />
bezog er eine separate Dreier-<br />
Wohngemeinschaft, die vom<br />
Haupthaus mitbetreut wird:<br />
An- und Abmeldung, Medikamentengabe,<br />
gesellschaftliche<br />
Kontakte, Freizeitgestaltung,<br />
Gemeinschaft. Diese Form des<br />
An-der-langen-Leine-Geführtwerdens<br />
ist für Philipp jetzt<br />
adäquat. Inzwischen ist er 33<br />
Jahre alt.<br />
Nach wie vor freut er sich auf<br />
die Wochenenden bei uns Eltern<br />
und bestätigt das mit den<br />
Worten „Danke für abgeholt,<br />
freu mich dich zu sehen!“.<br />
Wenn er seine Ruhe haben<br />
will von den Anforderungen,<br />
die die Mutter zu Hause stellt<br />
– „Tempo, wasch dich, schnell,<br />
hopp, hopp, komm jetzt“ –<br />
dann hilft er sich mit dem Ausspruch<br />
„Bitte Wohnhaus“. Das<br />
ist sein „Leo“. Alles in allem<br />
habe ich den Eindruck, dass<br />
sich mein Sohn im Wohnverbund<br />
wohl fühlt, genauso wie<br />
er sich im Elternhaus nach wie<br />
vor heimisch fühlt.<br />
kinderhilfe_anzeige_210x75 07.04.2004 13:06 Uhr Seite 1<br />
Großzügiger und gesellig<br />
Selbst in meiner jetzigen Situation<br />
– nicht mehr berufstätig<br />
– wäre ich nicht in der Lage,<br />
meinen erwachsenen Sohn<br />
täglich zu betreuen, geschweige<br />
denn das gesellige Umfeld<br />
einer WG zu bieten. Wenn es<br />
auch in einer WG etwas großzügiger<br />
zugehen muss als es in<br />
einer Einzelbetreuung zu Hause<br />
möglich wäre, überwiegen<br />
für mich die überaus positiven<br />
Aspekte: frühe Eingewöhnung<br />
an Betreuung außerhalb der<br />
Familie, erhöhte Selbstständigkeit,<br />
soziales Umfeld, pädagogisch<br />
professionelle Betreuung<br />
und schließlich auch<br />
die Perspektive, Philipp im Alter<br />
gut aufgehoben zu wissen.<br />
Eltern, die es noch nicht probiert<br />
haben, kann ich daher<br />
nur raten, ihre erwachsenen<br />
Kinder nicht erst „loszulassen“,<br />
wenn sie deren Betreuung<br />
altersbedingt nicht mehr<br />
schaffen. Nach den individuellen<br />
und altersgemäßen Bedürfnissen<br />
kann für jede/n<br />
Angehörige/n das passende<br />
Umfeld zum möglichst selbstbestimmten<br />
Leben gefunden<br />
werden.<br />
Isabelle Bosse<br />
Vorstandsmitglied <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Österreichische<br />
Kinderhilfe<br />
P.S.K. 1.111.235<br />
Wir danken den österreichischen LottospielerInnen.<br />
31
Foto: Stefan Sedlitz<br />
Ausziehen von zu Hause –<br />
ein wichtiger Schritt für die ganze Familie<br />
Dipl.-Ing. Stefan Sedlitz, unser Vizepräsident, berichtet darüber, wie sein Sohn<br />
von zu Hause ausgezogen ist. Die Fragen stellte Ingrid Wick.<br />
Dipl.-Ing. Stefan Sedlitz<br />
? Ab wann haben sie an<br />
den Auszug Ihres Sohnes<br />
Martin gedacht?<br />
Wir haben sicher schon fünf<br />
Jahre vorher an das Thema<br />
„betreute Wohngemeinschaft“<br />
gedacht. Wir wollten in Ruhe<br />
und ohne Stress eine für<br />
unseren Sohn optimale Umgebung<br />
zum Leben finden,<br />
und auch für uns selbst sollte<br />
dieser Schritt eine Entlastung<br />
werden. Martin war damals<br />
20 Jahre alt. Es hat dann<br />
doch noch vier Jahre gedauert,<br />
bis wir überzeugt waren,<br />
jetzt ist der richtige Zeitpunkt<br />
zum Suchen gekommen.<br />
Martin hat von sich aus nie<br />
den Wunsch geäußert, von<br />
zu Hause auszuziehen, aber<br />
beim Suchen hat er bereitwil-<br />
lig mitgemacht und ist gut in<br />
die neue Situation hineingewachsen.<br />
? Wie haben Sie gesucht?<br />
Ich habe bei allen „Trägern“<br />
in <strong>Wien</strong>, das sind Vereine, die<br />
betreutes Wohnen anbieten,<br />
einmal vorab geklärt, meist<br />
telefonisch, ob unser Sohn<br />
zum jeweiligen Schwerpunkt<br />
und Konzept des Vereins<br />
passt. Dann habe ich mit den<br />
jeweiligen für das Wohnen<br />
Zuständigen einen Gesprächstermin<br />
zum Kennenlernen<br />
ausgemacht. Bei diesem Gespräch<br />
war auch immer Martin<br />
dabei, damit gegenseitiges<br />
Kennenlernen möglich war.<br />
Damit konnte abgeschätzt<br />
werden, ob und in welche betreute<br />
WGs er passen könnte.<br />
Der nächste Schritt waren<br />
Besuche in den in Frage kommenden<br />
WGs. Wir haben gemeinsam<br />
mindestens 15 verschiedene<br />
WGs besucht. Bei<br />
den ersten Besuchen wussten<br />
wir noch nicht, worauf wir besonders<br />
schauen sollen, was<br />
wir alles fragen sollen, wie<br />
wir die Bedürfnisse unseres<br />
Sohnes genau beschreiben<br />
können. Aber mit der Zeit<br />
gewöhnt man sich daran und<br />
man lernt doch viele Unterschiede<br />
erkennen.<br />
Meine Frau und ich haben<br />
dann nach ca. fünf Monaten<br />
zwei WGs ausgewählt, die<br />
für Martin passend waren.<br />
Bei dieser Entscheidung war<br />
auch das „Bauchgefühl“ sehr<br />
wichtig. Wir haben bei allen<br />
Vereinen sehr engagierte Betreuer/innen<br />
kennengelernt.<br />
Es ist für uns bei der Auswahl<br />
hauptsächlich darauf angekommen,<br />
ob genau bei der<br />
konkreten WG die Betreuer,<br />
die Klienten, die „Chemie“ und<br />
das Umfeld zu den Bedürfnissen<br />
unseres Sohnes passen.<br />
? Wie kam es dann zur<br />
endgültigen Entscheidung?<br />
In <strong>Wien</strong> gibt es derzeit zu wenige<br />
Plätze in betreuten WGs,<br />
das heißt, auch wenn man<br />
eine optimale WG gefunden<br />
hat, muss man oft lange auf<br />
einen freien Platz warten. Wir<br />
hatten Glück, Anfang Sommer<br />
kam von unserer Wunsch-WG<br />
der Anruf, dass im Herbst ein<br />
Platz frei wird und Martin auch<br />
ihr Wunschkandidat wäre.<br />
Das zeigt übrigens, dass die<br />
WGs auch aus Eigeninteresse<br />
genau darauf schauen,<br />
ob der neue Klient gut in die<br />
WG passt. Wir haben dann fix<br />
zugesagt und unser Sohn ist<br />
Ende Oktober (die ganze Suche<br />
begann im Februar) eingezogen.<br />
32 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
? Wie ist es Ihnen als<br />
Eltern nach dem Auszug<br />
gegangen?<br />
Der Auszug selbst ist natürlich<br />
auch anstrengend, das<br />
neue Zimmer muss eingerichtet<br />
werden und von Zuhause<br />
alles Wichtige übersiedelt<br />
werden. Wenn das erledigt<br />
ist, ist man zunächst erleichtert.<br />
Dann kommen natürlich<br />
auch Zweifel, war das die<br />
richtige Entscheidung, können<br />
die Betreuer mit Martin<br />
gut umgehen und seine Bedürfnisse<br />
erkennen, geht es<br />
ihm gut ... Wir sind da vom<br />
ganzen WG-Team bestens<br />
unterstützt worden. Bei allen<br />
Anfragen, Wünschen, Sorgen<br />
haben wir immer ein offenes<br />
Ohr gefunden und nie den<br />
Eindruck erhalten, wir sind<br />
überbesorgte Eltern.<br />
Natürlich ist der Alltag in einer<br />
WG anders als im Elternhaus<br />
und es läuft nicht alles<br />
so perfekt wie Zuhause. Es<br />
gibt einfach andere Randbedingungen,<br />
aber die Bewohner/innen<br />
haben dort auch<br />
die Chance, Neues dazuzulernen<br />
und selbstständiger<br />
zu werden und auch andere<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
jüngere Menschen kennenzulernen<br />
(und nicht nur uns alte<br />
Eltern). Wenn manchmal ein<br />
Socken verschwindet oder die<br />
Nägel nicht immer regelmäßig<br />
geschnitten sind, sind das<br />
vernachlässigbare Probleme.<br />
Viel wichtiger ist, dass sich<br />
Martin dort wohl fühlt und die<br />
Chemie stimmt.<br />
? Was hat sich<br />
verändert?<br />
Nach einem Jahr kann ich<br />
sagen, Martin hat sich an die<br />
neue Situation gewöhnt, er<br />
ist auch in einigen Bereichen<br />
selbstständiger geworden.<br />
Am Wochenende ist er immer<br />
bei uns zu Besuch, das ist für<br />
ihn noch immer wichtig. Er<br />
wirkt zufrieden, auch wenn<br />
wir am Sonntagabend wieder<br />
mit ihm in die WG zurück<br />
fahren. Für meine Frau und<br />
mich hat der Alltag deutlich<br />
an Lebensqualität gewonnen.<br />
Wir haben mehr Zeit für uns<br />
und können am Wochenende<br />
bewusst etwas mit Martin<br />
unternehmen. Wir wissen ihn<br />
in der WG gut aufgehoben,<br />
das heißt, auch später, wenn<br />
wir nicht mehr so fit sind, ist<br />
er gut versorgt und es muss<br />
nicht aus der Not heraus der<br />
nächstbeste freie Platz genommen<br />
werden.<br />
Unser Leben ist einfach entspannter<br />
geworden.<br />
? Welchen Tipp haben<br />
Sie für andere Eltern?<br />
Zeitig genug anfangen, sich<br />
zu informieren. Das heißt<br />
ja nicht, dass der junge Erwachse<br />
sofort ausziehen soll.<br />
Aber je mehr Informationen<br />
man hat, umso eher kann<br />
man guten Gewissens abschätzen,<br />
ja hier passt es,<br />
das ist die geeignete WG für<br />
meine Tochter, meinen Sohn.<br />
Als Elternteil ist man auch<br />
oft betriebsblind, man sollte<br />
sich auch die Meinungen andere<br />
Leute, die den jungen<br />
Menschen kennen (Lehrer,<br />
Betreuer in Werkstätten etc.),<br />
anhören, ob diese dem jungen<br />
Menschen schon einen<br />
Wechsel in eine WG zutrauen.<br />
Und nochmals, früh genug<br />
anfangen zu suchen, damit<br />
man wirklich Zeit hat, die<br />
optimale WG zu finden und<br />
nicht in einer Notsituation die<br />
nächstbeste nehmen muss.<br />
Fotos: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>, Martina Schildendorfer, Dagmar Pratsch<br />
33
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Wenn ein Geschäftsführer geht<br />
15 Jahre nach seinem Eintritt in die <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> geht Mag. Hannes<br />
Traxler als kaufmännischer Geschäftsführer in Pension. Hier blickt er auf sein<br />
Berufsleben zurück, das noch ein Stück weitergehen wird.<br />
Mag. Hannes Traxler war in den letzten 15 Jahren als Geschäftsführer<br />
für die kaufmännischen Belange der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> verantwortlich. Als Projektmanager für die Erneuerung<br />
drei unserer Einrichtungen bleibt er der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> noch weitere Jahre erhalten.<br />
In der „MITmachen“-Ausgabe<br />
Nr. 5 / 1998 findet sich ein<br />
Interview mit mir als neuem<br />
Verwaltungsleiter. 15 Jahre<br />
sind seit meinem Eintritt bei<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> im November<br />
1997 vergangen. Mit<br />
Jahresende 2012 beende ich<br />
anlässlich meiner Pensionierung<br />
die Funktion als kaufmännischer<br />
Geschäftsführer.<br />
Meine Nachfolge wird mit<br />
1. Jänner 2013 Mag. Joachim<br />
Mair antreten, der im Herbst<br />
2011 vom Vorstand aus mehreren<br />
Bewerbern ausgewählt<br />
worden ist. Er hat in Graz<br />
sein Studium der Betriebswirtschaftslehre<br />
und den Zivildienst<br />
bei Alpha Nova absolviert.<br />
Zuletzt war er sieben<br />
Jahre bei der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
Berchtesgaden als Verwaltungsleiter<br />
tätig. Er ist also<br />
mit viel Erfahrung in unserer<br />
„Branche“ ausgestattet, und<br />
ich wünsche Mag. Mair viel<br />
Freude und Erfolg für seine<br />
neue Tätigkeit.<br />
Multinational, dann sozial<br />
Im Rückblick auf mehr als 40<br />
Jahre Berufsleben finden sich<br />
zwei Geschäftsfelder, die mein<br />
Leben außerordentlich geprägt<br />
haben. Einmal die Aufgaben,<br />
die ich im internationalen<br />
Umfeld eines multinationalen<br />
Konzerns der Privatwirtschaft<br />
erfüllen musste, und sodann<br />
der Einstieg in die Welt eines<br />
sozialen Dienstleisters, der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>.<br />
Unvergesslich bleiben mir die<br />
Informationsgespräche mit<br />
dem damaligen Geschäftsführer<br />
Dr. Walter Eigner und den<br />
Vereinspräsidenten Dr. Karl<br />
Müller und Dr. Egon Prinz, in<br />
denen ich Wertvorstellungen<br />
eines gemeinnützigen Vereins,<br />
wirtschaftliche Herausforderungen<br />
des Betriebes und<br />
Perspektiven von betroffenen<br />
Angehörigen in Verbindung<br />
mit der großen Verantwortung<br />
für eine Solidargemeinschaft<br />
persönlich erfahren durfte.<br />
Dieses Grundverständnis galt<br />
es somit für mich mit kaufmännischen,<br />
organisatorischen<br />
und bedürfnisorientierten Aufgaben<br />
in Einklang zu bringen<br />
und weiter zu entwickeln. Ich<br />
habe dabei den Stellenwert<br />
und die Qualität des Vereins<br />
im Innenbereich, aber auch<br />
34 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
nach außen in vielerlei Dimensionen<br />
kennengelernt und<br />
durfte dazu beitragen, dass<br />
diese fundamentalen Elemente<br />
sichergestellt und gefördert<br />
werden konnten.<br />
Ein Mittelbetrieb mit mehr als<br />
200 Beschäftigten, wie es die<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> ist, braucht<br />
Strukturen, Richtlinien und<br />
eine stabile, ausgewogene<br />
Personalpolitik, die auch mit<br />
dem Betriebsrat gut abgestimmt<br />
ist. Es freut mich besonders,<br />
dass es vor einigen<br />
Jahren nach intensiven Bemühungen<br />
und schwierigen Verhandlungen<br />
gelungen ist, für<br />
das Personal einen eigenen<br />
Kollektivvertrag der Sozialbranche<br />
zu schaffen, der der<br />
finanziellen und rechtlichen<br />
Sicherung der Arbeitnehmer/<br />
innen dient.<br />
Es geht immer wieder<br />
ums Geld<br />
Fachkompetenz und persönliches<br />
Engagement der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter –<br />
viele sind schon lang bei der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> tätig – sind Garanten<br />
für gute Betreuungsarbeit<br />
im Ausgleich mit den sich<br />
stets ändernden Bedürfnissen<br />
der Klientinnen und Klienten.<br />
Für mich persönlich lag eine<br />
große Herausforderung in<br />
dem neu geschaffenen Fördersystem<br />
des Fonds Soziales<br />
<strong>Wien</strong>, womit das Verhältnis<br />
Klientin / Klient – öffentliche<br />
Hand – <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> neu<br />
geregelt wurde. Dies veränderte<br />
einerseits die Finanzierung<br />
unserer Dienstleistungen<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Stadträtin Sonja Wehsely überreicht Hannes Traxler die<br />
Urkunde der Stadt <strong>Wien</strong>. Das neue Senorenhaus Nauschgasse<br />
zählt somit zu den geförderten Einrichtungen des<br />
Fonds Soziales <strong>Wien</strong><br />
und erforderte anderseits den<br />
Abschluss von Betreuungsverträgen<br />
mit den Klienten/<br />
innen bzw. deren Vertreter/<br />
innen. Damit war ein neues<br />
Kalkulationsschema verbunden,<br />
das die Grundlage für die<br />
jährlichen Tarifverhandlungen<br />
bildet.<br />
Die gesicherte und ausreichende<br />
Finanzierung unserer<br />
Dienstleistungen stellt ebenso<br />
wie die Schaffung notwendiger<br />
Reserven für Zukunftsprojekte<br />
wohl die größte kaufmännische<br />
Herausforderung dar. Denn<br />
die Qualität, die wir unseren<br />
Klient/innen bieten wollen<br />
und müssen, wenn ihre Menschenwürde<br />
und ihr Recht auf<br />
Selbstbestimmung gewahrt<br />
werden sollen, lässt sich nicht<br />
so einfach finanzieren, wie es<br />
manchmal scheint. Die Mittel<br />
der öffentlichen Hand sind zunehmend<br />
beschränkt und das<br />
führt zu Sparmaßnahmen, die<br />
auch den Sozialbereich treffen.<br />
Ich bin überzeugt, dass<br />
wir nur durch ständige intensive<br />
Zusammenarbeit mit der<br />
Stadt <strong>Wien</strong> vermeiden können,<br />
dass vermeintlich selbstverständliche<br />
Verpflichtungen<br />
der öffentlichen Hand für unsere<br />
Klient/innen relativiert<br />
bzw. reduziert werden.<br />
Eröffnen und schließen<br />
Strukturelle Bedürfnisse erforderten<br />
aber auch Veränderungen<br />
in unseren Angeboten.<br />
So haben wir in den letzten<br />
Jahren neue Einrichtungen<br />
geschaffen und in Betrieb genommen:<br />
z. B. das Wohnhaus<br />
in der Pronaygasse in Hetzendorf<br />
(12. Bezirk) und die Tagesstruktur<br />
in der Schuhfabrikgasse<br />
in Atzgersdorf (23.<br />
ä<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
35
Bezirk). Andere haben den<br />
Anforderungen nicht mehr<br />
entsprochen und wurden geschlossen,<br />
nämlich die Wohnhäuser<br />
in der Don-Bosco-Gasse<br />
in Alterlaa (23. Bezirk) und<br />
Hadikgasse (14. Bezirk) sowie<br />
die Tagesstruktur in der Effingergasse<br />
(16. Bezirk). Es war<br />
mir auch immer wichtig, bei<br />
Arbeitnehmer- und Klientensicherheit,<br />
was Brandschutz<br />
und Hygiene betrifft, in unseren<br />
Einrichtungen einen anerkannt<br />
hohen Standard zu<br />
erreichen.<br />
Unser Ziel, unsere Klientinnen<br />
und Klienten, auch jene mit<br />
schwerster Beeinträchtigung<br />
und hohem Betreuungsbedarf,<br />
ein Leben lang so zu betreuen,<br />
wie sie es brauchen und wie<br />
wir es vermögen, drückt sich<br />
im 2011 eröffneten ersten Seniorenhaus<br />
für Menschen mit<br />
intellektueller Beeinträchtigung<br />
in <strong>Wien</strong> in der Nauschgasse<br />
bei der UNO-City (22.<br />
Bezirk) besonders gut aus. Mir<br />
als Projektleiter hat diese Aufgabe<br />
besonders viel Freude<br />
gemacht.<br />
Offen reden,<br />
Erfahrungen austauschen<br />
Interne und externe Kommunikation<br />
sind heutzutage aus<br />
keinem Tätigkeitsfeld mehr<br />
wegzudenken. Deshalb habe<br />
ich mich bemüht, dass auch<br />
bei der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> die<br />
EDV in vielen Anwendungen<br />
Einzug hält. Die Präsenz in<br />
der Öffentlichkeit durch unsere<br />
Website, verschiedene Publikationen<br />
und die Öffentlichkeitsarbeit<br />
haben die Anliegen<br />
der Menschen mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung allen Bürgerinnen<br />
und Bürgern verstärkt<br />
ins Bewusstsein gebracht.<br />
Dieser Bereich wurde vom Vorstand<br />
für so wichtig gehalten,<br />
dass vor ein paar Jahren ein<br />
Generalsekretär, Mag. Bernhard<br />
Schmid, bestellt wurde,<br />
der nun für unsere Öffentlichkeitsarbeit<br />
verantwortlich ist<br />
und mit der Geschäftsführung<br />
ständig zusammenarbeitet.<br />
Durch Erfahrungsaustausch<br />
mit anderen Trägerorganisationen<br />
in <strong>Wien</strong>, mit allen<br />
<strong>Lebenshilfe</strong>-Landesorganisationen<br />
in Österreich und mit<br />
unserer europäischen Dachorganisation<br />
Inclusion Europe<br />
habe ich die europäische und<br />
weltweite Dimension verstehen<br />
gelernt. Es ging und geht<br />
um den Weg von der Pionierphase<br />
der Elternbewegung<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
bis zur UN-Konvention über<br />
die Rechte von Menschen mit<br />
Behinderungen und deren vielerorts<br />
und in vielen Bereichen<br />
noch ausstehenden praktischen<br />
Durchsetzung. Auch<br />
das Wirken unserer Selbstvertreter/innen<br />
findet durch diese<br />
Vernetzungen eine europäische<br />
Plattform, in der sie für<br />
ihre Aktivitäten und Anliegen<br />
Anregungen erhalten.<br />
Dank und Ausblick<br />
Zuletzt möchte ich mich beim<br />
Vorstand, bei allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern und<br />
bei allen Angehörigen für die<br />
gute Zusammenarbeit in allen<br />
kaufmännischen und organisatorischen<br />
Angelegenheiten<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> bedanken.<br />
Meinen Dank richte ich<br />
auch an alle Klientinnen und<br />
Klienten für die vielen Begegnungen<br />
und Gelegenheiten,<br />
aktuelle Aufgaben gemeinsam<br />
zu besprechen. Besonderer<br />
Dank gilt meinem Team in<br />
der Verwaltung, das mir stets<br />
mit großem Einsatz zur Seite<br />
gestanden ist. Und danken<br />
möchte ich vor allem meinem<br />
Kollegen, unserem pädagogischen<br />
Geschäftsführer Mag.<br />
Werner Trojer, mit dem mich<br />
langjährige, kreative und konstruktive<br />
Zusammenarbeit<br />
verbindet.<br />
Viele und neue Aufgaben sind<br />
in Zukunft zu erwarten. Wohnen<br />
und Arbeit werden sich<br />
verändern. Auf die Betreuung<br />
und Begleitung unserer Klientinnen<br />
und Klienten – ob jung<br />
oder alt – kommt es aber weiterhin<br />
an. Mit dem Vorstand<br />
habe ich daher vereinbart, in<br />
den kommenden drei Jahren<br />
teilzeitbeschäftigt die Weichen<br />
für die Erneuerung dreier unserer<br />
Standorte zu stellen und<br />
diese so wie im Fall Nauschgasse<br />
als Projektleiter zu betreuen.<br />
Auch wenn ich meine Funktion<br />
als Geschäftsführer beende,<br />
muss ich von der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> nicht Abschied nehmen,<br />
sondern kann mich darauf<br />
freuen, für unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter und für<br />
unsere Klientinnen und Klienten<br />
noch etwas tun zu können.<br />
Mag. Hannes Traxler<br />
36 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Farbenfrohe Spende von Hausmann Multikauf<br />
Der Großhändler Hausmann<br />
Multikauf unterstützt das<br />
künstlerische Schaffen in unserem<br />
Wohnhaus Hetzendorf<br />
mit Malfarben um 4000 Euro.<br />
Die Bewohnerinnen und Bewohner<br />
des Wohnhauses der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> in der Hetzendorfer<br />
Straße im 12. Bezirk<br />
freuen sich auf bunte<br />
Wintertage. Mit der großzügigen<br />
Malfarbenspende der<br />
Firma Hausmann Multikauf<br />
können die Künster/innen des<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
Wohnhauses ihrer Kreativität<br />
freien Lauf lassen. Wir sind<br />
schon gespannt auf die neuen<br />
Kunstwerke und bedanken<br />
uns herzlich bei Geschäftsführer<br />
Gerhard Merdonik, der<br />
die Farben mit vollbeladenem<br />
Bus persönlich ins Wohnhaus<br />
brachte. Hausmann ist ein<br />
Familienbetrieb, der Handel,<br />
Gewerbe, Gastronomie und<br />
Industrie als Großhändler mit<br />
fast allem, was sich nicht essen<br />
lässt, beliefert.<br />
„Musch’t Du habba“ rockte in <strong>Wien</strong><br />
Gerhard Merdonik, Geschäftsführer<br />
der Firma Hausmann<br />
Multikauf, brachte Buntheit<br />
ins Wohnhaus Hetzendorf<br />
Die integrative Band der <strong>Lebenshilfe</strong> Dillingen in Bayern begeisterte<br />
mit zwei Konzerten<br />
„Musch’t Du habba“<br />
sorgten bei ihren <strong>Wien</strong>er<br />
Gastkonzerten für gute<br />
Stimmung<br />
250 Gäste drängelten sich am<br />
Nationalfeiertag an die Bühne<br />
im „Schutzhaus Zukunft“ im<br />
15. Bezirk, als Conny Türk, der<br />
Schlagzeuger von „Musch`t<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Du habba“, die Stecken auf<br />
seinen Trommeln wirbeln lies.<br />
Ein Bandmitglied nach dem anderen<br />
betrat dann die Bühne,<br />
griff nach seinem Instrument<br />
und ließ die rockige Musik immer<br />
kräftiger anschwellen.<br />
Vom ersten Lied an sprang<br />
der Funke auf das Publikum<br />
über. „Musch`t Du habba“<br />
packten alle Hits ihrer beiden<br />
CDs aus und brachten mit ihren<br />
Rockliedern im typisch<br />
schwäbischen Dialekt den Saal<br />
zum Kochen. Die Freude und<br />
Begeisterung, die die Dillinger<br />
Band ausstrahlte, erfasste<br />
das <strong>Wien</strong>er Publikum so sehr,<br />
dass „das Abschlusslied“ von<br />
„Musch`t Du habba“ nicht ak-<br />
zeptiert wurde und noch fünf<br />
Zugaben gefordert wurden.<br />
Die beiden Tage Pause bis<br />
zum zweiten Konzert bei der<br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> nutzten die<br />
Bandmitglieder, um sich auf<br />
die Spuren der Kaiserin Elisabeth<br />
zu machen. (Die einstige<br />
Bayerin Sisi ist weltbekannt.)<br />
Spätestens bei ihrer Heimreise<br />
wusste die Band „Musch`t<br />
Du habba“ dann, dass sie<br />
viele neue Fans in Österreichs<br />
Hauptstadt zurückgelassen<br />
hat. Einige von ihnen haben<br />
sich schon für die Premiere<br />
des Musicals der <strong>Lebenshilfe</strong>-<br />
Band im März nächsten Jahres<br />
in Dillingen angekündigt.<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
37
Foto: Aegis Media Austria<br />
Lebensläufer im Prater<br />
Aegis Media und <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> haben zum „<strong>Wien</strong> Energie Business Run“<br />
acht gemischte Teams starten lassen.<br />
Lebensläufer in Startposition<br />
Aegis Media nimmt als Werbeunternehmen<br />
seine soziale<br />
Verantwortung ernst und ist<br />
dazu im Dezember 2011 eine<br />
Partnerschaft mit der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> eingegangen.<br />
Die Firma hat uns daher eingeladen,<br />
am so genannten<br />
Business Run (wörtlich:<br />
Geschäftslauf), den die <strong>Wien</strong>er-Stadtwerke-Firma<br />
<strong>Wien</strong><br />
Energie (unser fast aller<br />
Gas- und Stromlieferant) am<br />
6. September im Prater veranstaltet<br />
hat, gemeinsam teilzunehmen.<br />
Insgesamt 28 sportbegeisterte<br />
Mitarbeiter/innen der<br />
Agenturgruppe Aegis Media<br />
und der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
sind in acht gemischten Teams<br />
als „Lebensläufer/innen“ an<br />
den Start gegangen und haben<br />
sich unter die über 21.000 (!)<br />
Teilnehmer/innen gemischt.<br />
„Mit unserer gemeinsamen<br />
Teilnahme beim Business Run<br />
und den von adidas gesponserten,<br />
auffälligen Leiberln<br />
für unsere Läufer/innen haben<br />
wir betont, wie wichtig in<br />
unserer Gesellschaft Vielfalt<br />
und Miteinander sind“, betont<br />
Andreas Weiss, Geschäftsführer<br />
von Aegis Media.<br />
Bisher wichtigstes Resultat der<br />
Partnerschaft von Aegis Media<br />
und <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> war die<br />
im Mai gestartete Werbekampagne<br />
„Das ist Inklusion“, bei<br />
der drei unserer Klient/innen –<br />
teilweise auf riesigen Plakaten<br />
– im Originalton sagen, wie sie<br />
Einbeziehen statt Ausschließen<br />
verstehen. Agenturchef<br />
Weiss dazu: „Inklusion von<br />
Menschen mit intellektueller<br />
Beeinträchtigung lohnt sich<br />
für alle!“<br />
38 www.lebenshilfe-wien.at >>> MITMACHEN Winter 2012
Nobert Svoboda:<br />
„Am Schluss<br />
ist alles gut“<br />
Dieser Titel seines Lieblingsbuches<br />
war auch sein<br />
Lebensmotto.<br />
Überzeugt, dass zum<br />
Schluss alles gut ist,<br />
liebte er das Leben und<br />
feierte besonders gern<br />
Feste.<br />
Jetzt nehmen wir Abschied<br />
von Herrn Svoboda.<br />
Er ist am 5. Oktober<br />
im 71. Lebensjahr<br />
verstorben.<br />
Rudolf Smudits<br />
40 Jahre bei uns<br />
Es sind nunmehr 40 Jahre,<br />
dass Rudolf Smudits bei<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong> werkt.<br />
Von 1972 an war er in der<br />
Werkstatt 2., Rueppgasse,<br />
tätig. 1996 wechselte er in<br />
die damals neu eröffnete<br />
Werkstatt 20., Dresdner<br />
Straße, wo er in verschiedenen<br />
Gruppen gearbeitet<br />
hat: zuerst in der Gartengruppe,<br />
dann in der Industriearbeitsgruppe.<br />
Seit 2006 nimmt er in der<br />
Dresdner Straße an der<br />
Kreativgruppe teil. Er hat<br />
schöne Dinge gestaltet, sei<br />
es aus Speckstein, Pappmaché<br />
oder anderen Materialien.<br />
Rudolf Smudits ist<br />
auch unser Spezialist für<br />
Tischdekoration: Mit viel<br />
MITMACHEN Winter 2012 >>> www.lebenshilfe-wien.at<br />
„Ich gehe<br />
gern in die<br />
Werkstatt.<br />
Es ist eine<br />
schöne<br />
Arbeit. Ich bastle gern und<br />
bin sehr gern im Chor.“<br />
Freude und Geschmack<br />
deckt er den Tisch für unsere<br />
Feste und Geburtstagsfeiern.<br />
Viel Spaß bereitet ihm das<br />
Fotografieren auf den Straßen<br />
<strong>Wien</strong>s. Die Bilder zahlreicher<br />
Sehenswürdigkeiten<br />
werden nun für das von der<br />
Kreativgruppe gestaltete<br />
<strong>Wien</strong>-Spiel verwendet, ein<br />
Spiel mit Würfeln für mehrere<br />
Teilnehmer/innen.<br />
Foto: Angelika Löffler<br />
Foto: <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
Mit 70 Jahren zurück<br />
im vertrauten<br />
Kaisermühlen<br />
„Oba mit Pfeffa!“ könnte<br />
fast das Lebensmotto<br />
von Doris Stachl sein, die<br />
in der Nauschgasse mit<br />
Würde alt wird.<br />
Für Doris Stachl schließt<br />
sich ein Kreis: War sie vor<br />
vielen Jahren in unserem<br />
alten Haus in der Nauschgasse<br />
beschäftigt, so genießt<br />
sie seit 2011 im neuen<br />
Haus im 22. Bezirk ihr<br />
Seniorinnendasein. Dabei<br />
hat sie sich ihren Humor,<br />
ihre Höflichkeit, Bestimmtheit<br />
und philosophische<br />
Natur bewahrt und weiß<br />
viel zu erzählen.<br />
Ihre aktuellen Wünsche<br />
sind bescheiden, wollen jedoch<br />
in „Blockbuchschrift“<br />
festgehalten werden: ein<br />
gelber Pullover, weil „meiner<br />
is so morsch“; ein „frisches“<br />
Buch, denn ihres<br />
„geht aus“; „a Fleisch ohne<br />
Soiz und ohne Zucka, oba<br />
mit Pfeffa!“<br />
In diesem Sinn prägt und<br />
beglückt Doris Stachl seit<br />
28 Jahren bei der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Wien</strong> ihr Umfeld durch<br />
ihre sprachliche Kreativität,<br />
– hoffentlich noch etliche<br />
Jahre weiter.<br />
Foto: Dagmar Pratsch<br />
39
Weihnachten<br />
Es ist so bald die Weihnachtszeit.<br />
Jedes Kind freut sich so sehr,<br />
es rieselt schon der Schnee.<br />
Und das ist eine Pracht.<br />
Wir singen Lieder zur Weihnachtszeit.<br />
Hörst du schon die Glocken?<br />
Es knirscht der Schnee, mir ist so kalt,<br />
mir frieren die Hände.<br />
Es ist so kalt im Winterwald.<br />
Wir machen eine Schneeballschlacht,<br />
es war ein Spaß!<br />
Wir gingen schon Geschenke kaufen,<br />
denn es ist ja bald soweit!<br />
In den Gassen ist es wunderschön,<br />
es gibt Sterne und noch mehr,<br />
die Lichter, die brennen so hell.<br />
Von einem Dichter in der Werkstatt 20.,<br />
Dresner Straße, der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
(er wollte uns seinen Namen nicht nennen).<br />
Wir wünschen Ihnen<br />
frohe Weihnachten,<br />
erholsame Feiertage<br />
und alles Gute<br />
für das neue Jahr!<br />
Das Team<br />
der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong><br />
<strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Wien</strong>, Schönbrunner Straße 179, 1120 <strong>Wien</strong><br />
Österreichische Post AG/Sponsoring Post<br />
40 ZLNR: GZ02Z030167 www.lebenshilfe-wien.at S, Ausgabe 4/12; DVR: >>> MITMACHEN 0445851; ZVR: Winter 870109504 2012