28.10.2013 Aufrufe

Olivia Die Frau liebt nur einmal

Auch wenn das Bedürfnis nach sexueller Befriedigung nicht aus sozialen Zusammenhängen resultiert, stört es die Liebe doch nicht sondern erweitert sie eher.“ argumentierte ich. Olivia hörte mir stumm zu und fixierte mich. „Ich mag dich, Henry, sehr.“ sagte sie nach längerer Pause. Die dunklen Augen suchten meine. Ernst schaute sie mich an, aber ihre Lippen umspielte doch ein Ausdruck von Freundlichkeit. Die geöffneten Finger der linken Hand fuhren leicht streichend über ihre linke Wange. Worüber dachte Olivia nach? Plötzlich erklärte sie: „Ein Geheimnis habe ich auch, aber es ist wohl besser, das nicht zu erzählen.“ Ich scherzte und wollte es ihr entlocken, aber Olivia blieb ganz ernst. „Erzählen möchte ich es im Grunde schon, und wem sonst, wenn nicht dir.“ erklärte sie, die immer lächelte oder lachte, mit ernster Mimik. „Ich kann es dir aber nur unter der Bedingung erzählen, dass wir es anschließend sofort wieder vergessen, als ob wir nichts gehört hätten, wie ein Bild, das nach dem Anschauen ausgewischt wird.“ forderte Olivia. „Ja, natürlich.“ stimmte ich hastig zu in Spannung auf das, was ich zu hören bekäme. „Henry, ich habe zu niemandem so enge soziale Beziehungen wie zu dir, wir treffen uns häufig, du lässt mich an allem Möglichen teilhaben und besprichst alles mit mir. Das gefällt mir sehr. Ich freue mich schon vorher darauf, mit dir zusammen zu sein. Eine Wohlfühlatmosphäre verspüre ich. Die milde Sonne von Jericoacoara erwärmt uns leicht. Ich suche deine Nähe, Henry, und ich weiß, dass ich dir nicht fern bin. Du trägst mich gern in deinen Gedanken.

Auch wenn das Bedürfnis nach sexueller Befriedigung nicht aus sozialen Zusammenhängen resultiert, stört es die Liebe doch nicht sondern erweitert sie eher.“ argumentierte ich. Olivia hörte mir stumm zu und fixierte mich. „Ich mag dich, Henry, sehr.“ sagte sie nach längerer Pause. Die dunklen Augen suchten meine. Ernst schaute sie mich an, aber ihre Lippen umspielte doch ein Ausdruck von Freundlichkeit. Die geöffneten Finger der linken Hand fuhren leicht streichend über ihre linke Wange. Worüber dachte Olivia nach? Plötzlich erklärte sie: „Ein Geheimnis habe ich auch, aber es ist wohl besser, das nicht zu erzählen.“ Ich scherzte und wollte es ihr entlocken, aber Olivia blieb ganz ernst. „Erzählen möchte ich es im Grunde schon, und wem sonst, wenn nicht dir.“ erklärte sie, die immer lächelte oder lachte, mit ernster Mimik. „Ich kann es dir aber nur unter der Bedingung erzählen, dass wir es anschließend sofort wieder vergessen, als ob wir nichts gehört hätten, wie ein Bild, das nach dem Anschauen ausgewischt wird.“ forderte Olivia. „Ja, natürlich.“ stimmte ich hastig zu in Spannung auf das, was ich zu hören bekäme. „Henry, ich habe zu niemandem so enge soziale Beziehungen wie zu dir, wir treffen uns häufig, du lässt mich an allem Möglichen teilhaben und besprichst alles mit mir. Das gefällt mir sehr. Ich freue mich schon vorher darauf, mit dir zusammen zu sein. Eine Wohlfühlatmosphäre verspüre ich. Die milde Sonne von Jericoacoara erwärmt uns leicht. Ich suche deine Nähe, Henry, und ich weiß, dass ich dir nicht fern bin. Du trägst mich gern in deinen Gedanken.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gen, und küssten uns auch auf den Mund. Es war still. Wir starrten beide auf<br />

unsere Teller und dann wieder wie verabredet uns gegenseitig an. „Ich habe<br />

mich gefragt, ob du manchmal wirklich weinst. Traurig sein ist doch ein originär<br />

menschliches Gefühl und Weinen der Ausdruck davon.“ unterbrach ich das<br />

stumme Anschauen. <strong>Olivia</strong> schmunzelte. „Obwohl ich es selber wollte, hatte ich<br />

ein wenig Angst, wieder zurückzukommen. Du kannst dir soviel Unangenehmes<br />

ausmalen, aber der erste Tag war gut und jeder weitere wurde besser. Gedanken<br />

an mögliche üble Entwicklungen waren fast sofort verschwunden, und das<br />

lag nicht zuletzt an dir, beziehungsweise euch. Als ob mir schon nichts passieren<br />

könne. Warum und worüber sollte ich da traurig sein und weinen. Aber in<br />

Brasilien habe ich öfter geweint. Ich war permanent beschäftigt, es war spannend<br />

und trotzdem spürst du, dass etwas in dir unbefriedigt ist. Ja, die Campesina<br />

hat in die Gegend gestarrt und dann machte ihr die Traurigkeit die Augen<br />

nass. Warum? Genau wusste ich es nicht. Ich hatte gedacht, durch die anderen<br />

Verhältnisse, eine normale <strong>Frau</strong> zu werden, die Lust auf Männer hat, aber da<br />

war eher das Gegenteil der Fall. Ob ich deshalb traurig war? Andererseits war<br />

alles sehr interessant in meinem Beruf und es forderte mich voll, aber das war<br />

ich gar nicht, die <strong>Frau</strong>, die ihr Ego aus Reportagen aufbaut. Vieles in mir wurde<br />

nicht berührt und lag brach. Was ich beruflich machte, lag außerhalb von mir.<br />

So kam es mir vor. Ob mir deshalb die Tränen kamen? Im Nachhinein bin ich<br />

sicher.“ erklärte <strong>Olivia</strong>. „Womit ich mich jetzt beschäftige, das bin ich, das lässt<br />

mich frei fühlen. So wie du in deiner Welt der Klänge lebst, bin ich in meiner<br />

Welt der Literatur zu Hause. Nicht anders als ein Lied oder eine Oper können<br />

sie sein, die Romane und Erzählungen. Ich lebe ganz hier, direkt und originär,<br />

die Campesina in Berlin. Eine Auslandskorrespondentin <strong>Olivia</strong> ist gestorben.“<br />

„Dass du keine normale <strong>Frau</strong>, die Lust auf Männer hat, geworden bist, stört<br />

dich jetzt hier nicht mehr?“ fragte ich grinsend nach. <strong>Olivia</strong> schmunzelte. „Soll<br />

ich zum Therapeuten gehen? Ich empfinde doch keinerlei Leidensdruck. Eine<br />

<strong>Frau</strong>, die sich einen Partner wünscht, sucht fast immer in erster Linie Liebe.<br />

Wie könnte es daran bei mir mangeln. Ich liebe meine Mutter und Leos Mutter,<br />

ich liebe Maria, Dich und Ruth und vor allem natürlich Leo. Also Liebe im Übermaß.<br />

Was kann mir da fehlen?“ bekam ich als Antwort. „Ich liebe auch meine<br />

Mutter und meinen Vater. Meinen Großvater habe ich überschwänglich ge<strong>liebt</strong>,<br />

trotzdem habe ich mich in Ruth ver<strong>liebt</strong>, denn erotische Empfindungen zeigten<br />

sich <strong>nur</strong> bei ihr.“ erklärte ich, und <strong>Olivia</strong> lachte. „Männer empfinden eben anders,“<br />

wusste <strong>Olivia</strong>, „ihnen reicht es, wenn sie ficken können.“ „Nein, nein,<br />

nein,“ protestierte ich, „keine Frage, dass Männer und <strong>Frau</strong>en sexuell anders<br />

strukturiert sind, aber das Soziale dominiert bei Männern nicht minder. Sie sind<br />

genauso auf Anerkennung, Zuneigung und Liebe angewiesen wie <strong>Frau</strong>en. Bei<br />

Männern, die an einer Trennung zerbrechen, liegt es bestimmt nicht am Sex.<br />

Eure Unterscheidung zwischen Liebe und Sex, kann ich nicht nachvollziehen.<br />

Ich empfinde sie als ein theoretisches Konstrukt.“ Jetzt schien sich eine nicht<br />

enden wollende Diskussion anzubahnen. Zu essen gab es schon lange nichts<br />

mehr. In meinem Büro konnten wir weiter diskutieren, da wir beide keine aktuellen<br />

Termine hatten. Das Liebe und Sex etwas völlig Unterschiedliches seien<br />

und aus anderen Motivationsbasen resultierten bekam ich noch <strong>einmal</strong> detailliert<br />

erklärt. „Was du sagst, <strong>Olivia</strong>, basiert auf übelster kirchlicher Moralvorstellung.<br />

Ohne etwas gegessen oder getrunken zu haben, kannst du Leo auch<br />

<strong>Olivia</strong> <strong>Die</strong> <strong>Frau</strong> <strong>liebt</strong> <strong>nur</strong> <strong>einmal</strong> – Seite 15 von 41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!