Leidenschaft und Begierde Isabella und Pascal
„Ich würde es gern länger, ganz lange genießen. Verstehst du? Ich möchte unsere Liebe auch körperlich endlos spüren können.“ erläuterte Isabella und lächelte schelmisch. „Sag mal, Pascal, findest du mich eigentlich schön und begehrenswert?“ fragte Isabella plötzlich und Pascal bog sich vor Lachen. „Ja, das stimmt, Isabella, man müsste sich das eigentlich auch sagen, nur jetzt? Und wie sollte ich es denn formulieren: „Du bist so schön Isabella, ich begehre dich.“?“ überlegte Pascal. Dafür bekam er einen Boxhieb. „Ein unstillbares Verlangen nach der Schönheit deines Körpers durchwogt all mein Begehren.“ wäre das poetischer?“ erkundigte er sich bei Isabella. „Pascal, du bist böse und machst dich über mich lustig.“ meinte Isabella mit nicht ernster Schmollmimik. „Meine Liebste, du weißt doch, dass ich dich für die Frau mit dem schönste Po der Welt halte, die Isabella kallipygos, und dein Gesicht ist meine Sonne, sie bringt alles zum Strahlen und durchwärmt mein Herz. Kannst du mein Begehren auch einfach so spüren, ohne dass ich öfter mal Brunftschreie ausstoße?“ reagierte Pascal. „Ja, für Frauen, die meisten wenigstens, ist es schon bedeutsam, begehrt zu werden, während Männer mit der Einstellung geboren werden, dass es bei ihnen per se der Fall sein muss.“ erklärte Isabella. „Natürlich, sie schmücken sich ja auch mit modischer Kleidung und anderen Accessoires, weil beim Menschen die Weibchen die aktive Rolle im Balzverhalten haben.“ erläuterte Pascal. „Aha, und wie war die Balz deines Weibchens? War sie bei dir erfolgreich, ja?“ fragte Isabella und fügte dem hinzu: „Dann darfst du aber jetzt auch nicht nur träumen und schmusen wollen, mein Liebster, dafür habe ich doch den ganzen Aufwand der Balz nicht betrieben.“
„Ich würde es gern länger, ganz lange genießen. Verstehst du? Ich möchte unsere Liebe auch körperlich endlos spüren können.“ erläuterte Isabella und lächelte schelmisch. „Sag mal, Pascal, findest du mich eigentlich schön und begehrenswert?“ fragte Isabella plötzlich und Pascal bog sich vor Lachen. „Ja, das stimmt, Isabella, man müsste sich das eigentlich auch sagen, nur jetzt? Und wie sollte ich es denn formulieren: „Du bist so schön Isabella, ich begehre dich.“?“ überlegte Pascal. Dafür bekam er einen Boxhieb. „Ein unstillbares Verlangen nach der Schönheit deines Körpers durchwogt all mein Begehren.“ wäre das poetischer?“ erkundigte er sich bei Isabella. „Pascal, du bist böse und machst dich über mich lustig.“ meinte Isabella mit nicht ernster Schmollmimik. „Meine Liebste, du weißt doch, dass ich dich für die Frau mit dem schönste Po der Welt halte, die Isabella kallipygos, und dein Gesicht ist meine Sonne, sie bringt alles zum Strahlen und durchwärmt mein Herz. Kannst du mein Begehren auch einfach so spüren, ohne dass ich öfter mal Brunftschreie ausstoße?“ reagierte Pascal. „Ja, für Frauen, die meisten wenigstens, ist es schon bedeutsam, begehrt zu werden, während Männer mit der Einstellung geboren werden, dass es bei ihnen per se der Fall sein muss.“ erklärte Isabella. „Natürlich, sie schmücken sich ja auch mit modischer Kleidung und anderen Accessoires, weil beim Menschen die Weibchen die aktive Rolle im Balzverhalten haben.“ erläuterte Pascal. „Aha, und wie war die Balz deines Weibchens? War sie bei dir erfolgreich, ja?“ fragte Isabella und fügte dem hinzu: „Dann darfst du aber jetzt auch nicht nur träumen und schmusen wollen, mein Liebster, dafür habe ich doch den ganzen Aufwand der Balz nicht betrieben.“
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Carmen Sevilla<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong><br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
Verlangen wider Willen<br />
Erzählung<br />
La raison peut nous avertir de ce qu'il faut éviter,<br />
le coeur seul nous dit ce qu'il faut faire. " J. Joubert<br />
„Ich würde es gern länger, ganz lange genießen. Verstehst du? Ich<br />
möchte unsere Liebe auch körperlich endlos spüren können.“ erläuterte<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> lächelte schelmisch. „Sag mal, <strong>Pascal</strong>, findest du mich<br />
eigentlich schön <strong>und</strong> begehrenswert?“ fragte <strong>Isabella</strong> plötzlich <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
bog sich vor Lachen. „Ja, das stimmt, <strong>Isabella</strong>, man müsste sich das eigentlich<br />
auch sagen, nur jetzt? Und wie sollte ich es denn formulieren:<br />
„Du bist so schön <strong>Isabella</strong>, ich begehre dich.“?“ überlegte <strong>Pascal</strong>. Dafür<br />
bekam er einen Boxhieb. „Ein unstillbares Verlangen nach der Schönheit<br />
deines Körpers durchwogt all mein Begehren.“ wäre das poetischer?“<br />
erk<strong>und</strong>igte er sich bei <strong>Isabella</strong>. „<strong>Pascal</strong>, du bist böse <strong>und</strong> machst dich<br />
über mich lustig.“ meinte <strong>Isabella</strong> mit nicht ernster Schmollmimik.<br />
„Meine Liebste, du weißt doch, dass ich dich für die Frau mit dem<br />
schönste Po der Welt halte, die <strong>Isabella</strong> kallipygos, <strong>und</strong> dein Gesicht ist<br />
meine Sonne, sie bringt alles zum Strahlen <strong>und</strong> durchwärmt mein Herz.<br />
Kannst du mein Begehren auch einfach so spüren, ohne dass ich öfter<br />
mal Brunftschreie ausstoße?“ reagierte <strong>Pascal</strong>. „Ja, für Frauen, die meisten<br />
wenigstens, ist es schon bedeutsam, begehrt zu werden, während<br />
Männer mit der Einstellung geboren werden, dass es bei ihnen per se der<br />
Fall sein muss.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. „Natürlich, sie schmücken sich ja auch<br />
mit modischer Kleidung <strong>und</strong> anderen Accessoires, weil beim Menschen<br />
die Weibchen die aktive Rolle im Balzverhalten haben.“ erläuterte <strong>Pascal</strong>.<br />
„Aha, <strong>und</strong> wie war die Balz deines Weibchens? War sie bei dir erfolgreich,<br />
ja?“ fragte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> fügte dem hinzu: „Dann darfst du aber jetzt auch<br />
nicht nur träumen <strong>und</strong> schmusen wollen, mein Liebster, dafür habe ich<br />
doch den ganzen Aufwand der Balz nicht betrieben.“<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 1 von 43
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong>–<br />
Inhalt<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong>..............................4<br />
Germanistikseminar <strong>und</strong> Gelüste....................................................4<br />
Leider war er ein Mann................................................................... 7<br />
Walden........................................................................................... 8<br />
Vielleicht in <strong>Pascal</strong> verliebt?........................................................... 9<br />
<strong>Pascal</strong> wollte es nicht................................................................... 10<br />
<strong>Pascal</strong>s Wänglein streicheln.........................................................11<br />
Völlig durchgeknallt......................................................................12<br />
Frühlingsgefühle...........................................................................13<br />
<strong>Pascal</strong> wir müssen uns trennen.................................................... 14<br />
Spanien........................................................................................ 16<br />
Aktives Leben führen....................................................................18<br />
Hallo <strong>Pascal</strong>, hallo <strong>Isabella</strong>........................................................... 19<br />
Florians Schlafzimmer.................................................................. 19<br />
Schönes Wochenende................................................................... 22<br />
Zwei neue Sterne..........................................................................24<br />
<strong>Pascal</strong> im Kopf.............................................................................. 26<br />
Mahlers Adagietto.........................................................................28<br />
Nackter Mann............................................................................... 29<br />
Es ist so <strong>und</strong> es wird sich nicht ändern......................................... 30<br />
Pias Geheimnis............................................................................. 31<br />
Zukunftspläne...............................................................................32<br />
Bunte Nächte................................................................................ 34<br />
Wohnungen.................................................................................. 35<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> Anett........................................................................ 35<br />
Ménage à trois.............................................................................. 37<br />
Anett zu Besuch............................................................................39<br />
Mit Fabienne ins Klavierkonzert....................................................42<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 2 von 43
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
Germanistikseminar <strong>und</strong> Gelüste<br />
Er wollte einen Blick erhaschen, wollte diesem mürrischen, nein, angewiderten<br />
auch nicht, diesem gelangweilten Gesicht ein Lächeln schenken. Klar, die Thematik<br />
förderte beim Durchschnittsgermanisten nicht gerade schärfstes Interesse<br />
<strong>und</strong> erweckte Lustgefühle. Die Frau drehte auch ihren Kopf zu ihm <strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
gab ihrer Mimik fre<strong>und</strong>liche Züge. Einige Sek<strong>und</strong>en später erklärte sie: „Mich<br />
widert das hier an. Ich mag sie ja, auch die Lyrik der Romantik. Wenn ich ein<br />
Gedicht von Eichendorff lese, dann weiß ich was er sagen, was er rüberbringen<br />
will. Ich verstehe ihn <strong>und</strong> bin fasziniert davon, wie er's gemacht hat. Mir gefallen<br />
seine Formulierungen <strong>und</strong> seine Ausdrucksweise. Wenn er in der Mondnacht<br />
den Himmel die Erde küssen <strong>und</strong> die Seele ihre Fügel ausbreiten lässt,<br />
dann ist das warm, milde <strong>und</strong> sanft <strong>und</strong> weckt beim Leser Assoziationen ans<br />
eigene Empfinden der Liebe. Mehr hat Eichendorff nicht gewollt, <strong>und</strong> mehr will<br />
der Leser nicht wissen. Keiner von ihnen kannte oder kennt aus dem großen<br />
Katalog der lyrischen Stilmittel die sprachwissenschaftlich zu bestimmenden<br />
Details, die hier zur Anwendung kommen. Was interessierte es Eichendorff, ob<br />
er hier eine Synkope verwendet hatte oder nicht, <strong>und</strong> mich interessiert es genauso<br />
wenig.“ Der junge Mann musste lachen. „Na ja,“ meinte er, weiter lächelnd,<br />
„die Germanistik untersucht Sprache eben nicht nur auf Schönheit.“<br />
„Sollte sie aber.“ reagierte die junge Frau. „Die meisten Texte sind abstoßend,<br />
Missbrauch von Sprache, sogar manche Referate hier in den Seminaren. Was<br />
will man denn mehr von einer Sprache, als die Möglichkeiten ihrer Schönheit<br />
zu finden <strong>und</strong> herauszustellen?“ Der Professor kam herein, das Seminar begann.<br />
Der junge Mann lachte immer noch stumm vor sich hin. Eine lustige<br />
Sicht, auf so etwas war er noch nie gekommen. Die beiden saßen in einem Seminar<br />
zur Lyrik von drei Dichtern der Romantik. Zum Schluss des Seminars<br />
schien die Frau besser gelaunt. Sie blickte ihren Nachbarn mit breit grinsenden<br />
Lippen an. „War's doch besser, als du erwartet hattest?“ fragte der Mann.<br />
„Nein, wieso?“ die Frau. „Du bist anscheinend doch besser drauf jetzt.“ der<br />
Mann. „Ach wo, ich war doch vorher nicht schlecht drauf. Es ist nur dieses ganze<br />
vermaledeite Studium.“ meinte die Frau. „Das verstehe ich nicht.“ der Mann<br />
darauf. „Aber wir müssen hier auch raus. Hast du Lust <strong>und</strong> Zeit, es mir bei<br />
'nem Kaffee zu erklären?“<br />
Als sie in der kleinen Kaffeebar des Instituts Platz nahmen, stellten sie sich erst<br />
mal vor. <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> hießen sie. „Ich dachte, ich liebte Germanistik, die<br />
Beschäftigung mit der deutschen Sprache. Ich las viel <strong>und</strong> gern, hab' nicht nur<br />
alles verschlungen, meine Bücher waren mein zu Hause. Ich führte ein umfängliches<br />
Tagebuch mit oft essayhaften Texten <strong>und</strong> war die einzige in der Klasse,<br />
die gerne Aufsätze schrieb. Die Germanistik hier hat damit aber überhaupt<br />
nichts zu tun. Hier wird die Sprache mit ähnlichen Methoden wie in den Naturwissenschaften<br />
seziert. Mir kommt es so vor, als ob es unausgesprochen Ziel<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 3 von 43
des Studiums sei, den künftigen Germanisten die Lust an der Sprache ein für<br />
allemal gründlich auszutreiben. Ernst <strong>und</strong> wichtig ist die deutsche Sprache. Alles<br />
andere ist irrelevant.“ stellte es <strong>Isabella</strong> dar. Es war bestimmt nicht der Inhalt<br />
ihrer Worte allein, der <strong>Pascal</strong>s Zwerchfell anregte, es waren auch ihre Diktion<br />
<strong>und</strong> vor allem wie sie sprach, ihr Rhythmus, ihre Sprachmelodie aber auch<br />
das Timbre in ihrer Stimme, die <strong>Pascal</strong> eine lustige Spannung verspüren ließen.<br />
Er lachte nicht über <strong>Isabella</strong>. Ihre Sprache gefiel ihm <strong>und</strong> erfreute ihn, er<br />
lauschte ihr gern <strong>und</strong> hätte ihr einfach immer weiter zuhören können. Grinsend<br />
schaute er <strong>Isabella</strong> an. „Aber du willst mir doch nicht erzählen, du hättest gedacht,<br />
Germanistik bestünde darin, dass man ein paar schöne Bücher lesen<br />
<strong>und</strong> gemeinsam drüber sprechen würde.“ meinte <strong>Pascal</strong>. Sie schauten sich mit<br />
Blicken an, die noch ernst sein wollten, doch dann lachten beide los. „Aber<br />
dass ich Gedichte lieber lese, als sie sprachwissenschaftlich zu zerpflücken, das<br />
stimmt schon.“ stellte <strong>Isabella</strong> immer noch lachend trotzig klar. Kurze Zeit war<br />
es still. Dann meinte <strong>Pascal</strong>: „Du solltest auch Dramaturgie oder Rhetorik, nein<br />
Theaterwissenschaften studieren.“ „Ich mache doch noch Philosophie. Da fühle<br />
ich mich wohl. Das ist ein weites, buntes Universum <strong>und</strong> nicht so ein sprachwissenschaftlicher<br />
Kleinschiss wie hier oft. Da brauchst du so theatralische Satiren<br />
nicht. Obwohl in der Linguistik haben sie ja enge Beziehungen.“ erklärte<br />
<strong>Isabella</strong>. <strong>Pascal</strong> hätte sie immer anschauen können. Sympathisch fand er <strong>Isabella</strong><br />
sicher, aber was es da auch noch gab, das von Anfang an schon da war,<br />
bevor sie den ganzen Fake mit ihrem Germanistikstudium inszeniert hatte,<br />
konnte er nicht benennen. Wie sie ihn mit dem Gesicht anschaute, das aus gelangweilt<br />
ein fre<strong>und</strong>liches Lächeln entwickelte, hatte er nicht nur wahr genommen.<br />
Es sprach ihn an <strong>und</strong> musste wohl direkt etwas in ihm bewegt haben.<br />
Dieses Gesicht sah er immer, wenn sie ihn anschaute oder mit ihm sprach. Ob<br />
<strong>Isabella</strong> attraktiv war? Das vielleicht auch, aber was sollte so eine Frage jetzt?<br />
Was konnte es nur sein, das sie für <strong>Pascal</strong> anziehend wirken ließ. Er mochte<br />
sie, obwohl er sie überhaupt nicht kannte.<br />
„Und was hat dich zu den Germanisten getrieben?“ wollte <strong>Isabella</strong> von <strong>Pascal</strong><br />
wissen. „Ach, das ist genauso kurios nur auf eine andere Art <strong>und</strong> Weise. Ich<br />
war ein Jahr in den USA. Da bist du sprachlich ziemlich gut drauf, <strong>und</strong> wenn ich<br />
Bücher im Original las, die ich auf Deutsch kannte, kam mir das oft wie zwei<br />
verschiedene Bücher vor. So wird das wahrscheinlich, wenn du wörtlich übersetzt<br />
ohne das amerikanische Buch richtig zu verstehen <strong>und</strong> dich einfühlen zu<br />
können, weil dir die Hintergründe <strong>und</strong> Zusammenhänge fehlen. Es gibt auch einige<br />
hervorragende Übersetzungen, <strong>und</strong> so etwas wollte ich eigentlich später<br />
mal machen. Das ist dann mehr als übersetzen. Du setzt nicht nur für die amerikanischen<br />
Wörter die deutschen ein. Du bist selber kreativ, <strong>und</strong> versuchst<br />
zum Beispiel die Stimmung des amerikanischen Buches auf deutsch zu vermitteln.<br />
Transponieren würde meiner Ansicht nach besser passen, wie du Musik<br />
für ein anderes Instrument umschreibst <strong>und</strong> doch den gleichen Eindruck beibehältst.<br />
Du bist kein Übersetzer, sondern deine Übertragung für deutsche Leser<br />
enthält vielfältige eigene Komponenten. Dazu studiert man am besten Anglistik<br />
<strong>und</strong> Germanistik, habe ich gedacht. Ist auch vielleicht ganz richtig. Nur normalerweise<br />
reicht dafür aber das Übersetzerkolleg schon.“ erläuterte <strong>Pascal</strong>. „Du<br />
Armer, da musst du dich mit den Strukturen romantischer Lyrik rumquälen.“<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 4 von 43
edauerte ihn <strong>Isabella</strong>. „Es gibt ja sehr berühmte amerikanische Romantiker<br />
wie Thoreau, Poe <strong>und</strong> Melville zum Beispiel. Vielleicht müsste ja davon mal etwas<br />
neu übersetzt werden. Aber die sind sicher schon gut übersetz. „Walden“<br />
ist bestimmt schon zehn mal übersetzt worden.“ meinte <strong>Pascal</strong>. „Ich verstehe<br />
nichts. Wer sind Walden <strong>und</strong> Thoreau?“ erk<strong>und</strong>igte sich <strong>Isabella</strong>. „'Walden,<br />
oder das Leben in den Wäldern' ist ein Buch von Thoreau. Sein Essay über zivilen<br />
Ungehorsam ist übrigens auch äußerst lesenswert. Es beeinflusste sogar<br />
Mahatma Gandhi <strong>und</strong> Martin Luther King.“ erläuterte <strong>Pascal</strong>. „Also erfahre ich<br />
doch etwas von interessanten neuen Büchern, durch nette Kommilitonen.<br />
Wahrscheinlich kann man von ihnen am meisten lernen. Ich hab' von Edgar Ellen<br />
Poe mehreres gelesen. Hat mich zum Teil fasziniert, aber auf den Gedanken,<br />
sich mal um amerikanische Romantik zu kümmern, während ich ein Seminar<br />
zur Romantik besuche, komme ich Trottel natürlich nicht. Aus der französischen<br />
Romantik kennt man doch einige Schriftsteller von Madame de Staël bis<br />
Victor Hugo. Aber wovon handelt dieses 'Walden' denn eigentlich?“ wollte <strong>Isabella</strong><br />
wissen. „Vom richtigen Leben. Du musst es unbedingt lesen. Viel Philosophisches<br />
übrigens. In der Hippie Bewegung war es ein Kultbuch.“ erläuterte<br />
<strong>Pascal</strong>. <strong>Isabella</strong> fixierte <strong>Pascal</strong>, als ob sie so ergründen könne, wer dieser junge<br />
Mann wirklich sei, <strong>und</strong> aus welcher Welt er stammte. <strong>Pascal</strong> lächelte. „Was ist,<br />
<strong>Isabella</strong>? Warum starrst du mich an?“ fragte er. „Ich versuche mir vorzustellen,<br />
was du außer Germanistik- <strong>und</strong> Anglistikveranstaltungen zu besuchen <strong>und</strong> dafür<br />
zu arbeiten sonst noch wohl machen würdest.“ antwortete sie. „Und, was<br />
hast du bislang rausgef<strong>und</strong>en?“ wollte <strong>Pascal</strong> wissen. „Fußball glotzen <strong>und</strong> Bier<br />
saufen, oder stimmt das nicht?“ reagierte <strong>Isabella</strong>. <strong>Pascal</strong> versuchte sich so<br />
vorzustellen <strong>und</strong> lachte stakkatohaft vor sich hin. „Ja, ich denke schon, dass<br />
diese Triebimpulse meines Es vorhanden sein könnten. Ich habe sie wahrscheinlich<br />
nur unbewusst als unerwünscht abgewehrt. Meine zugelassenen<br />
Triebimpulse bringen mich dazu, einzukaufen, die Treppe zu putzen <strong>und</strong> den<br />
Müll zu entsorgen.“ meinte <strong>Pascal</strong> dazu. „Willst du so etwas nicht auch lieber<br />
abwehren? Schön ist das doch nicht.“ kommentierte <strong>Isabella</strong> es mit krauser Mimik<br />
„Lässt du bei dir denn gar keine schönen Triebe zu?“ meinte sie an <strong>Pascal</strong><br />
gerichtet. „Du bist blöd, meine Liebe. Aber im Ernst, ich lese auch gerne wie<br />
du, höre gern klassische Musik, versuche mich immer wieder erfolglos am Klavier<br />
<strong>und</strong> gehe gern raus. Oper, Konzert, Theater, aber da sind die Karten ja<br />
trotz Studentenermäßigung nicht gerade billig. Und die anderen Triebe gefallen<br />
mir auch.“ antwortete <strong>Pascal</strong>. „Und welche Gelüste außer Lesen <strong>und</strong> Tagebuch<br />
schreiben treiben dich in deiner Freizeit?“ wollte er von <strong>Isabella</strong> wissen. <strong>Isabella</strong><br />
lachte <strong>und</strong> meinte: „Ich bin voller Gelüste, ein Konglomerat aus Gelüsten.<br />
Mal wollen sie Schokolade, mal lieber Pudding <strong>und</strong> mal Kartoffelbrei. Immer etwas<br />
Neues. Nein ich mache sonst fast nix. Doch Musik höre ich auch gerne.<br />
Nur schade, ich kann nicht beides zusammen machen. Nicht dass sie mich<br />
beim lesen stören würde, nur Musik muss ich richtig hören oder gar nicht. Ich<br />
konzentriere mich automatisch darauf <strong>und</strong> muss mich voll auf sie einlassen<br />
können. Ich kann auch nichts anderes dabei machen. Sie erfasst mich voll. Ich<br />
erlebe sie, das ist schön aber auch schade. Ah ja, ich gehe auch sehr gern spazieren.<br />
Da kannst du deine Assoziationen <strong>und</strong> Gedanken frei fliegen lassen,<br />
während du deinen Körper rhythmisch bewegst, <strong>und</strong> die Natur dir unbegrenzt<br />
neue Anregungen <strong>und</strong> Motive bietet. Von den anderen Trieben erzähle ich nix,<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 5 von 43
das geht dich nichts an, aber doch, leckeres Essen mag ich gern. Außerhalb<br />
essen gehen, aber noch schöner ist es, wenn man gemeinsam gekocht hat.<br />
Nur mein Fre<strong>und</strong> hat immer keine Lust dazu.“ erläuterte <strong>Isabella</strong> ihre<br />
Freizeitaktivitäten. Sie besprachen noch kurz gemeinsam ihre Referate <strong>und</strong><br />
gingen dann, <strong>Pascal</strong> in eine Vorlesung <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> nach Hause.<br />
Leider war er ein Mann<br />
Zu Hause hatte <strong>Isabella</strong> mehrere gute Fre<strong>und</strong>innen gehabt. Sich mit ihnen zu<br />
treffen, war für sie <strong>und</strong> ihren Gefühlshaushalt sehr wichtig. Allein schon eine<br />
geliebte Fre<strong>und</strong>in zu sehen, mit ihr zusammen zu sein, war Balsam für die Seele.<br />
Dass sich immer interessante <strong>und</strong> wichtige Gespräche entwickelten, ergab<br />
sich von selbst. Das alles gab es nicht mehr seit sie studierte. Sie schrieben<br />
sich nur noch per E-Mail oder telefonierten auch mal. Hier hatte sie bislang nur<br />
zwei bessere Bekannte kennengelernt. Das bei ihren Fre<strong>und</strong>innen vorhandene<br />
Vertrauen hatte sich noch nicht entwickelt, <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> war skeptisch, ob es<br />
überhaupt dazu kommen würde. Da müsse sich gleich von Anfang an etwas<br />
anders gestalten, meinte sie. Heute bei <strong>Pascal</strong> hatte es sich ganz anders gestaltet.<br />
Leider war er ein Mann. Aber es schien von Anfang an ein Draht zueinander<br />
vorhanden zu sein. Der Jux mit dem Germanistikstudium war aus ihrer<br />
Laune entstanden, aber bei jedem hätte sie das ja nicht gemacht. Hatte sie gespürt,<br />
das <strong>Pascal</strong> sich darauf einlassen, <strong>und</strong> es verstehen würde? Ihre Augen<br />
schienen mehr zu verstehen, als sie ihrem Bewusstsein mitteilten. Sie hatte direkt<br />
Lust, mit ihm zu reden. Warum eigentlich? Fragte <strong>Isabella</strong> sich. Er war locker,<br />
konnte sie zum Lachen bringen, erzählte interessant, aber sie meinte<br />
auch, dass es wohl damit zusammenhängen müsse, dass sie ihn einfach irgendwie<br />
zu mögen schien. Ihre Mutter hatte sie mal gefragt, warum sie ihren<br />
Teddy liebe. Sie wusste es nicht <strong>und</strong> hatte gesagt weil er sich so gut anfühle.<br />
Ihre Mutter hatte den Kopf geschüttelt <strong>und</strong> erklärt, sie möge ihn so gern, weil<br />
er einen Platz in ihrer Seele habe, wo sie nicht hinschauen könne. Seitdem hatte<br />
für <strong>Isabella</strong> alles, das sie gern mochte, aber nicht genau wusste warum,<br />
einen Platz an diesem uneinsehbaren Ort in ihrer Seele. Ob <strong>Pascal</strong> sich da auch<br />
vielleicht schon eingenistet hatte? Sie konnte es ja nicht wissen.<br />
<strong>Pascal</strong> konnte sich in der Vorlesung nicht konzentrieren. Immer wieder ging<br />
ihm das Gespräch mit dieser fremden Frau durch den Kopf. Normal war das<br />
keineswegs. Man hätte automatisch eine viel größere Distanz gehabt, wenn<br />
man sich unbekannt wäre. Langsam hätte man sich an den anderen heranzutasten<br />
versucht. Zurückhaltend <strong>und</strong> viel reservierter wäre man gewesen. Der<br />
andere wäre einem persönlich sehr fern vorgekommen. Warum hatte es diese<br />
Distanziertheit zwischen <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> ihm nicht gegeben? Sie hatte sich gleich<br />
von Anfang an sehr offen geäußert <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> hatte es aufgegriffen? Da musste<br />
etwas anderes <strong>und</strong> mehr vorhanden sein. Vielleicht hatte mann gleich gespürt,<br />
dass - wie man sagt – die Chemie zwischen ihnen stimmte, dass sie auf<br />
der gleichen Wellenlänge segelten. <strong>Pascal</strong> vermutete so etwas. Wie hätte es<br />
sonst dazu kommen können, dass man ähnlich zwei guten Bekannten vertraut<br />
miteinander redete <strong>und</strong> scherzte, obwohl man sich vorher noch nie begegnet<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 6 von 43
war. Sollte man sich etwa aus einem früheren Leben schon kennen, erwog <strong>Pascal</strong><br />
schmunzelnd. Ob <strong>Isabella</strong> ihn auch mochte? Das musste sie, wie hätte sie<br />
sonst Lust daran haben sollen, ihn scherzhaft zu provozieren <strong>und</strong> mit ihm Unsinn<br />
zu reden. Immer wieder ließ er sein Gedächtnis die Szenen von vorhin abspielen,<br />
als ob er sie sich fest einprägen <strong>und</strong> nie wieder vergessen wolle. Und<br />
immer wieder diese Stimme, die erzählte <strong>und</strong> diese Augen, die ihn anblickten.<br />
<strong>Pascal</strong> wusste nicht, ob er sich für verwirrt halten, oder es wie einen erlebten<br />
Schatz ansehen sollte.<br />
Walden<br />
Bei der nächsten Seminarsitzung gingen sie fre<strong>und</strong>lich lächelnd aufeinander zu<br />
<strong>und</strong> begrüßten sich wie zwei alte Bekannte mit einem Handschlag auf den<br />
Oberarm. Als sie im Seminarraum saßen, zeigte <strong>Pascal</strong> <strong>Isabella</strong> sein Buch 'Walden',<br />
das er für sie mitgebracht hatte. „Das ist wahrscheinlich nicht die neueste<br />
Übersetzung. Bei Diogenes gibt es, glaube ich, eine neuere.“ meinte <strong>Pascal</strong><br />
dazu. „Danke, ganz herzlichen Dank <strong>Pascal</strong>. Das ist sehr lieb von dir.“ <strong>und</strong> ihre<br />
Augen, die <strong>Pascal</strong> fre<strong>und</strong>lich lächelnd anblickten, sagten das gleiche. „Aber<br />
wenn du mich auf etwas so scharf machst, kann ich natürlich nicht untätig bleiben.<br />
Es tut mir leid <strong>Pascal</strong>.“ erklärte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> zog die neue Ausgabe aus der<br />
Tasche. „<strong>Isabella</strong>, das stört mich doch nicht. Es freut mich vielmehr, dass meine<br />
Worte so ein großes Gewicht für dich haben. Hast du schon etwas davon gelesen?“<br />
<strong>Pascal</strong> dazu. „Ich habe es noch nicht ganz durch.“ antwortete <strong>Isabella</strong>,<br />
„Bis 'Nachbar Tier' bin ich gekommen. Jetzt kommt 'Der Kamin'. Ich bin mal<br />
gespannt, ob er mich davon überzeugt, dass <strong>und</strong> warum Mensch so etwas unbedingt<br />
braucht. Zu Hause haben wir einen, aber mit Feuer habe den noch nie<br />
erlebt. Das Buch finde ich jedenfalls faszinierend. Es begeistert mich heute,<br />
auch wenn es w<strong>und</strong>ervolle, absolut schärfste Romantik ist. Da hätten sich einige<br />
unserer romantischen Schwafelhelden mal etwas von abschneiden sollen.<br />
Nur Thoreau konnten sie ja noch gar nicht kennen. Das war ja später. Ich danke<br />
dir <strong>Pascal</strong>, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Es bereichert<br />
mein Leben. Wenn dir mal wieder irgendetwas für mich einfallen sollte, lass es<br />
mich unbedingt wissen.“ erklärte <strong>Isabella</strong>.<br />
Im Seminar war ein Gedicht in einem Referat behandelt worden, <strong>und</strong> man diskutierte<br />
darüber. „Sagen sie mal? Gefällt ihnen das Gedicht eigentlich?“ platzte<br />
<strong>Isabella</strong> mitten im Seminar fragend an den Professor. Der lachte stumm vor<br />
sich hin <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> fügte hinzu: „Ja, sie haben davon noch nichts erwähnt.“<br />
Die anderen Studenten fanden die Situation auch wohl sehr komisch. Sie grinsten<br />
<strong>und</strong> tuschelten untereinander. „Sie haben völlig Recht, Frau …?“ „Falkenberg“<br />
half <strong>Isabella</strong> ihm. „Es ist ja die Intention jedes Dichters, den Leser mit<br />
seinem Werk betroffen zu machen. Ein sehr wichtiger Aspekt, den wir nicht unerwähnt<br />
lassen sollten. Ja das Gedicht gefällt mir sehr, ich finde es w<strong>und</strong>ervoll.<br />
Es hat mich bewegt. Warum genau, das sollten wir vielleicht besser in die Interpretation<br />
einbeziehen.“ antwortete der Prof. Ob jetzt alle Studis in ihren Referaten<br />
auch wohl dazu Stellung nehmen würden, wie es ihnen persönlich gefallen<br />
habe? <strong>Isabella</strong> musste bei dem Gedanken schmunzeln. „Du würdest es<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 7 von 43
doch noch schaffen, aus dem 'Institut für Germanistik' das 'Institut für schöne<br />
deutsche Sprache' zu machen. Du müsstest nur lange genug studieren.“ meinte<br />
<strong>Pascal</strong> beim anschließenden Kaffee. „Da gibt es aber härtere Brocken als die<br />
Romantiker“ erwog <strong>Isabella</strong>. Welchen Gr<strong>und</strong> es dafür gab, dass man jetzt auch<br />
wieder anschließend einen Kaffee trinken ging? Keinen. Aber beide waren ohne<br />
den anderen zu fragen, selbstverständlich zur Kaffeebar gegangen.<br />
Bei ihren Gesprächen gaben sie sich auch gegenseitig Tips <strong>und</strong> Informationen<br />
zum Studium, aber wichtiger war, dass der andere erfuhr, welche Bücher <strong>und</strong><br />
Romane man absolut klasse <strong>und</strong> wichtig fand, <strong>und</strong> von denen man meinte,<br />
dass der andere sie unbedingt gelesen haben müsse. Das hielt man nicht nur<br />
für wichtig <strong>und</strong> erzählte begeistert davon, es war auch immer ein kleiner<br />
Schatz für den Zuhörer, ein Schatz des Erzählers, in dem er sich öffnete <strong>und</strong><br />
tiefe Einblicke in seine Persönlichkeit gewährte. Die beiden diskutierten aber<br />
ebenso viel über gemeinsam Bekanntes. Die Gespräche über Walden zum Beispiel<br />
hatten fast Seminarumfang. <strong>Isabella</strong> fiel auf, dass sie so etwas sonst nicht<br />
kannte. Mit Fre<strong>und</strong>innen zu Hause hatte sie früher schon mal sporadisch über<br />
ein Thema, das sie betraf, ausführlicher diskutiert. Selbstverständlich w<strong>und</strong>ervoll<br />
waren die inhaltlichen Gespräche mit <strong>Pascal</strong> über 'Das richtige Leben“ wie<br />
Thoreau es sah, <strong>und</strong> wie es sich aus ihrer Sicht darstellte. Das konnte sie sogar<br />
zu weiterführenden Themen <strong>und</strong> gemeinsamer Lektüre bringen. Solche Diskussionen<br />
brauche ein Mensch doch, meinte <strong>Isabella</strong>, <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich, dass sie<br />
vorher keinen Mangel empf<strong>und</strong>en hatte. Die Diskussion über das Thema war<br />
sicher bedeutsam, nicht weniger bedeutsam war es jedoch, dass die Diskussion<br />
mit <strong>Pascal</strong> stattfand, doch das übersah <strong>Isabella</strong> geflissentlich. Aber neben derartigen<br />
Gesprächen besaßen auch Mitteilungen darüber, wie sie die Semesterferien<br />
zu verbringen gedächten, hohen Informationswert. Im Gr<strong>und</strong>e hatte den<br />
alles. Sie konnten sprechen, worüber sie wollten, der andere sah zu <strong>und</strong><br />
lauschte dem interessiert <strong>und</strong> gespannt, als ob er es aufsaugen wolle. Jedes<br />
mal ging man nach dem Seminar einen Kaffee trinken, <strong>und</strong> wenn <strong>Pascal</strong> nicht<br />
anschließend zu einer Vorlesung gemusst hätte, wäre nicht abzusehen gewesen,<br />
wann sie ihr Kaffeegespräch beendet hätten. Sie wussten mittlerweile alles<br />
nur Denkbare voneinander, aber verstanden den anderen nicht nur deshalb<br />
besser, sondern vor allem dadurch, dass sie dem oder der anderen beim Gespräch<br />
genau zuschauten, sie oder ihn intensiv betrachteten. Sie hatten dadurch<br />
beide das Empfinden, sehr viel von der Psyche, der Persönlichkeit des<br />
anderen erkannt zu haben, sie immer besser zu verstehen <strong>und</strong> zu sehen, was<br />
den anderen in seinem tiefsten Wesen ausmachte. Sehr nahe gekommen waren<br />
sich <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong>. Dass sie sich bei Begrüßung <strong>und</strong> Abschied umarmten,<br />
war selbstverständlich. Sie berührten sich auch, streichelten zum Beispiel<br />
dem anderen über den Handrücken oder gaben ihm einen Nasenstups.<br />
Sie seien dadurch dass sie sich jede Woche sähen, sehr vertraut miteinander,<br />
wie gute Fre<strong>und</strong>e eben. Das andere durften sie nicht wissen, <strong>und</strong> auch dass<br />
der anschließende gemeinsame Kaffee viel wichtiger war als das Seminar<br />
selbst, wussten nur ihre Emotionen, aber ihr Bewusstsein durfte so etwas nicht<br />
erfahren. Da hatten sie beide massive Barrieren aufgebaut gegen alles, was<br />
ihre Lage, wie sie sie sehen wollten, hätte beeinträchtigen oder stören können.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 8 von 43
Vielleicht in <strong>Pascal</strong> verliebt?<br />
Zu Hause hatte <strong>Isabella</strong> seit ihrem ersten Treffen häufiger an <strong>Pascal</strong> gedacht.<br />
Es gefiel ihr, sich an Szenen <strong>und</strong> Eindrücke zu erinnern. Unbedeutend war es ja<br />
auch nicht, was sie besprochen hatten <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> musste oft zu Hause weiter<br />
darüber nachdenken. Aber häufig sah sie auch nur das Bild von <strong>Pascal</strong> selbst.<br />
Sie fühlte sich wohl, wenn sie an <strong>Pascal</strong> dachte. Ob sie es absichtlich tat, weil<br />
es sie eben warm <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich stimmte, oder ob es von selbst geschah, dass<br />
sie sich immer häufiger mit <strong>Pascal</strong> beschäftigte, war <strong>Isabella</strong> nicht klar. Jetzt<br />
wollte <strong>Pascal</strong> jedoch ständig zugegen sein, ließ <strong>Isabella</strong> permanent an ihn denken,<br />
es verwirrte <strong>und</strong> irritierte sie massiv. Ja, sie mochte ihn, ohne Zweifel,<br />
aber das wusste sie ja schon lange. Nur jetzt musste sie eben immer an ihn<br />
denken, spielte Vergangenes vor ihren inneren Augen wieder ab, oder sie stellte<br />
sich in allen Situationen vor, <strong>Pascal</strong> sei jetzt anwesend. Sie wollte das nicht,<br />
aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. Es gefiel ihr ja auch irgendwie. Es<br />
machte eben ein freudig lustiges Gefühl, sich vorzustellen, <strong>Pascal</strong> würde beim<br />
Einräumen der Spülmaschine helfen. Sie hätte schon Lust, ihn dabei zu sehen,<br />
ihn zu ärgern <strong>und</strong> zu necken. Hatte sie sich vielleicht in <strong>Pascal</strong> verliebt? Fragte<br />
sich <strong>Isabella</strong>. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie ihn liebte, sie ihn küsste,<br />
wie sie sich küssten, wie er sie umarmte <strong>und</strong> sie streichelte. Was sie dabei<br />
empfand, wollte sie vor sich selbst nicht verbalisieren, aber abends im Bett kamen<br />
diese Vorstellungen wieder. Sie schmuste <strong>und</strong> küsste <strong>und</strong> streichelte sich<br />
zärtlich mit <strong>Pascal</strong>, bis sie langsam ins Träumen kam <strong>und</strong> in den Schlaf hinüber<br />
glit. Was sollte das? Sie hatte einen Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> war glücklich mit ihm. Sie waren<br />
schon in der Schule ein Paar gewesen. Mit Benni, so hieß ihr Fre<strong>und</strong>, war<br />
sie sehr vertraut. Schließlich war Benni ihre erste Liebe, <strong>und</strong> das war er immer<br />
noch. Sie war zwar vorher auch schon mit einem Jungen zusammen gewesen,<br />
den sie als ihren Fre<strong>und</strong> bezeichnete, aber mit Benni hatte sie zum ersten mal<br />
dieses unbekannte Empfinden erlebt, dass sie <strong>und</strong> auch Benni allein aus ihrer<br />
Gemeinsamkeit Glücksgefühle entwickeln lies, dass sie Sehnsucht nach dem<br />
anderen verspüren konnten, <strong>und</strong> das war immer noch mit Benni verb<strong>und</strong>en.<br />
Jetzt störte <strong>Pascal</strong>. Woher kam das, warum empfand sie so, fragte sich <strong>Isabella</strong>.<br />
Könnte man Benni <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> vergleichen. Unsinn. Mit Benni war alles bekannt<br />
<strong>und</strong> vertraut, <strong>Pascal</strong> hatte den Reiz des Unbekannten, Neuen, Spannenden.<br />
Aber das wäre doch idiotisch. Sollte sie sich alle drei Jahre einen neuen<br />
Mann suchen, der im Gegensatz zu dem Bekannten beim jetzigen etwas neues<br />
Aufregendes an sich hatte. Aber das war es ja nicht bei <strong>Pascal</strong>. Sie spürte ja<br />
kein Verlangen nach ihm, weil er etwas aufregend Neues versprach. Sie konnte<br />
es nicht tiefer ergründen, <strong>und</strong> ihre Überlegungen blieben an der Oberfläche.<br />
Sie mochte einfach beide. Vielleicht war an dem geheimen Ort in ihrer Seele ja<br />
Platz für zwei Männer, nur die beiden würden sich da nicht vertragen.<br />
<strong>Pascal</strong> wollte es nicht<br />
<strong>Pascal</strong> freute sich darauf, nach Hause zukommen. Meistens war seine Fre<strong>und</strong>in,<br />
Anett, schon da <strong>und</strong> begrüßte ihn. Sie umarmten <strong>und</strong> küssten sich. Man mach-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 9 von 43
te Scherzchen <strong>und</strong> jeder wusste etwas zu erzählen. Den Treffen mit <strong>Isabella</strong> jedoch<br />
fieberte er entgegen, nicht selten schon am Abend vorher. Dann freute er<br />
sich nicht nur, dann erreichten seine Emotionen ihre höchste Erregungsstufe<br />
<strong>und</strong> sein Gehirn schien Glückshormone im Übermaß auszuschütten. Er sorgte<br />
sich <strong>und</strong> war damit keineswegs zufrieden. <strong>Pascal</strong> hatte Anett erst vor einigen<br />
Monaten kennengelernt. Anett war eine intelligente, lebendige junge Frau, die<br />
sehr lustig aber auch anschmiegsam <strong>und</strong> zärtlich sein konnte. Sie mochten sich<br />
gern <strong>und</strong> waren sehr verliebt ineinander. Verklungen war das nicht. Dass ihre<br />
Liebe durch irgendetwas beeinträchtigt werden könnte, schien unvorstellbar.<br />
Jetzt war da <strong>Isabella</strong>, ohne sich um Anett zu scheren. Und <strong>Pascal</strong> liebte <strong>Isabella</strong>.<br />
Es müsse so sein, dass er sie liebe, anders sei seine Einstellung zu <strong>Isabella</strong><br />
<strong>und</strong> sein Empfinden für sie nicht zu erklären. Sie erweckten bei den Kaffeegesprächen<br />
immer den Anschein von zwei guten Bekannten, aber an ihrem<br />
Sprachstil <strong>und</strong> der Art <strong>und</strong> Weise miteinander umzugehen, konnte jeder außer<br />
ihnen selbst deutlich erkennen, dass hier zwei Verliebte miteinander beim Kaffee<br />
saßen. Es war zwar beglückend, aber rational wollte <strong>Pascal</strong> es nicht. Es hatte<br />
keine Perspektive. Er würde Anett nicht verlassen, <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> würde es<br />
auch bestimmt nicht wollen. Sie hatte ja ebenfalls einen festen Partner. Wie ihr<br />
Verhältnis zu ihm war, darüber wusste er nichts. Es gab nichts, worüber sie<br />
nicht gesprochen hätten, nur über ihre Partner war kaum ein Wort gefallen. Als<br />
ob es eine stillschweigende Vereinbarung gegeben hätte, dieses Thema auszuklammern.<br />
<strong>Pascal</strong>s Wänglein streicheln<br />
Als sie beim nächsten Mal im Seminar Platz nahmen, bekam <strong>Pascal</strong> einen Blick<br />
zugeworfen, der ihn irritierte, <strong>und</strong> den er nicht verstand. Er lächelte leicht verlegen,<br />
fre<strong>und</strong>lich. Was hatte das denn zu bedeuten? In <strong>Isabella</strong>s Blick lag etwas<br />
Verwegenes, leicht Verruchtes, der Vamp, der sagen wollte: „Junge, ich<br />
durchschau dich genau. Ich weiß doch was du willst.“ <strong>Pascal</strong> musste über seine<br />
eigene Interpretation lachen. „<strong>Isabella</strong>, fühlst du dich wohl?“ fragte <strong>Pascal</strong> sie.<br />
„Ja, sehr wohl sogar.“ erklang die sandige Burbon Stimme in einer Sprechweise,<br />
mit der <strong>Isabella</strong> antwortete <strong>und</strong> die genau zu ihrem Blick passte. <strong>Pascal</strong><br />
lachte los <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> lachte auch. „Was ist in dich gefahren, <strong>Isabella</strong>?“ wollte<br />
<strong>Pascal</strong> wissen. „Ich wollte mal ausprobieren, ob ich dich ins Séparée locken<br />
könnte. Nein, Quatsch, ich bin einfach nur ein bisschen übermütig.“ erläuterte<br />
<strong>Isabella</strong>. Tatsächlich hatte sie vom ersten Moment an, als sie <strong>Pascal</strong> erblickte,<br />
das Bild vom Schmusen <strong>und</strong> Liebkosen mit ihm vor Augen. <strong>Isabella</strong> fand es<br />
lustig, aber es löste ebenso das Empfinden einer gewissen Hochstimmung aus.<br />
Auch während des Seminars wandte sie sich öfter zu ihm <strong>und</strong> sah sich selig<br />
sein Wänglein streicheln <strong>und</strong> es küssen. So ein Schwachsinn, aber heute kam<br />
sich <strong>Isabella</strong> ein wenig überdreht vor. Beim Kaffee konnte sie es nicht mehr ertragen.<br />
Sie wollte dieses verrückte Bild verdrängen <strong>und</strong> sich ernsthaft unterhalten.<br />
„Du hast gesagt, du hörst sehr gern klassische Musik, aber mir überhaupt<br />
noch nicht verraten, was du denn gerne hörst.“ stellte sie fragend fest.<br />
„Ja, natürlich Opern. Die Sopranistinnen bringen mich in ihren Arien immer<br />
zum schmelzen. Ich höre bestimmt sehr kitschig oder sentimental, nur ich<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 10 von 43
kann doch nichts daran machen, das sich mein Musik <strong>und</strong> Harmonie Empfinden<br />
so sozialisiert hat. Ich versteh das ja alles mit der modernen Musik, nur meine<br />
Ohren wollen sie trotzdem nicht hören. Die verlangen nach diesen w<strong>und</strong>erbaren<br />
Frauenstimmen, die mich immer zum Weinen bringen können. Nicht nur<br />
bei Arien ist das so. In jedem Konzert gibt es bestimmt irgendeine oder mehrere<br />
Stellen, die mir die Kehle zuschnüren. Bei Musik, wenn's nicht gerade<br />
Marschmusik ist, können mir immer sehr leicht die Tränen kommen, in Filmen<br />
nie, da bin ich stets mehr oder weniger außen vor. Aber ich mag auch andere<br />
Musik, vor allem Jazzgesang <strong>und</strong> Songs aus anderen Ländern, wenn sie schön<br />
melancholisch, träumerisch sind <strong>und</strong> von schönen Frauenstimmen gesungen<br />
werden. Jeder Mensch ist ja gr<strong>und</strong>sätzlich sehr offen für Musik, aber dass Frauenstimmen<br />
so w<strong>und</strong>erbar klingen können, hat sich bei mir bestimmt schon früh<br />
ins Gehirn eingegraben. Meine Mami hat mir immer etwas vorgesungen, wenn<br />
sie mich ins Bettchen brachte. Für mich waren das reine Glücksmomente. Womöglich<br />
werde ich das, wenn ich Frauen singen höre, heute <strong>und</strong> mein Leben<br />
lang assoziieren.“ erläuterte <strong>Pascal</strong> seine Musikvorlieben. „Wie sieht es bei dir<br />
aus. Was sind deine Favoriten? Das hast du auch noch nicht erzählt.“ fragte<br />
<strong>Pascal</strong>. „Also Opern auf CD hören, ist nicht so mein Ding. Die schau ich mir lieber<br />
an. Ansonsten ist das alles sehr unterschiedlich bei mir. Mahler würde ich<br />
vielleicht noch einen bevorzugten Platz einräumen, ja <strong>und</strong> Beethoven natürlich<br />
auch. Sonst ist alles absolut gemischt. Einzelne Stücke von Vivaldi bis Strawinsky,<br />
na ja, die Klavierkonzerte von Rachmaninow zum Beispiel, aber da ist<br />
auch noch so vieles andere. Im Gr<strong>und</strong>e höre ich fast alles gern, weil's eben<br />
Musik ist, <strong>und</strong> Musik ist nun mal prinzipiell schön, sogar Mozart, man kommt ja<br />
nicht umhin, auch wenn ich ihn im Gr<strong>und</strong>e hasse. Was nicht schön ist, ist<br />
Klangsuppe oder Lärm. Das findest du doch auch, nicht wahr?“ <strong>Pascal</strong> antwortete<br />
nicht, sondern lachte nur. „Ich höre Musik sehr intensiv, lass mich voll erfassen,<br />
dass du dabei nicht außen vor bleiben kannst wie bei Filmen, verstehe<br />
ich sehr gut, nur muss ich meine Gefühle nicht gleich heulend äußern. Die Violinkonzerte<br />
sind sind ja großartig, aber bestimmt zum Teil ganz gezielt auf das<br />
Erzeugen von Sentiments angelegt. Überall kommen doch diese schmusenden,<br />
traurigen oder lieblichen Violinpassagen vor. Wie will man Mendelssohns D-Dur<br />
Konzert denn sonst hören? Da kommen einem ja fast zwangsläufig die Tränen.“<br />
erläuterte <strong>Isabella</strong> ihre Musikvorlieben. Als <strong>Pascal</strong> aufstand, blickte sie ihn mit<br />
breiten Grinselippen <strong>und</strong> lustigen Augen an. „Lass dich nicht ärgern. Pass<br />
schön auf dich auf, mein Süßer.“ meinte sie zum Abschied, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> bekam<br />
einen Kuss auf die Wange.<br />
Völlig durchgeknallt<br />
„Mein Süßer?“ Na, so was, <strong>Pascal</strong> hatte es ja gewusst. „Mein Geliebter“ hieß<br />
das doch. Endlich hatte <strong>Isabella</strong> mal etwas in der Richtung gesagt. Auch wenn<br />
du es weißt, trotzdem klingt es w<strong>und</strong>erschön, wenn du es hörst. Hatte sie das<br />
nicht gewollt? War ihr das rausgerutscht? Nein, das war schon in Ordnung.<br />
Heute konnte <strong>Isabella</strong> es sich nicht verbieten, <strong>Pascal</strong> ein liebes Wort zu sagen.<br />
Wenn er abends so gern süße Frauenstimmen hörte, ob sie ihm dann im Bett<br />
immer etwas vorsingen sollte? <strong>Isabella</strong> fragte sich, wo sie lebe? Mehr als ein<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 11 von 43
wenig durcheinander war schon alles bei ihr heute. Konnte sie sich das denn<br />
überhaupt vorstellen, mit <strong>Pascal</strong> ins Bett zu gehen? Sehr feinfühlig, einfühlsam<br />
<strong>und</strong> zärtlich würde er bestimmt sein. Wie er wohl aussehen würde, nackt im<br />
Bett? Na ja, sie musste sich ja nur die Kleider wegdenken. Sie formte ein Bild.<br />
Vorstellen würde es sich <strong>Isabella</strong> schon können, gut vorstellen, sehr gut vorstellen<br />
konnte sie es sich. Bei den Überlegungen zur konkreten Ausführung<br />
dieser Vorstellung schlief sie am Abend selig schlummernd ein. Am anderen<br />
Morgen machte sie sich Vorwürfe. Sie sei völlig durchgeknallt, jetzt träume sie<br />
schon davon, mit <strong>Pascal</strong> ins Bett zu gehen. Aber obwohl sie es sich verbat,<br />
blieb die Vorstellung existent. Was sollte sie denn tun? Es so weiterlaufen lassen<br />
<strong>und</strong> abwarten, was sich entwickelte? Sie liebte Benni <strong>und</strong> wollte <strong>Pascal</strong>.<br />
Beides zusammen ging nicht. Um eine Entscheidung käme sie nicht herum.<br />
Beides täte weh. Sie würde <strong>Pascal</strong> ja nicht vergessen können. Könnte er zu einer<br />
w<strong>und</strong>erschönen Erinnerung werden? Das ließ <strong>Isabella</strong> zweifelnd die Augenbrauen<br />
heben. Aber Benni verlassen <strong>und</strong> spekulativ mit <strong>Pascal</strong> zu rechnen, das<br />
wäre keine Alternative. <strong>Pascal</strong> war ein Traum, ein herrlicher Traum, aber ihr<br />
Partner war Benni, mit ihm fand ihr Leben statt, <strong>und</strong> daran gab es nichts auszusetzen.<br />
Warum hätte sie das für einen riskanten Traum zerstören <strong>und</strong> aufgeben<br />
sollen? Es gab keine Wahl. Selbstverständlich würde sie mit Benni zusammen<br />
bleiben. Und dann weiterhin immer <strong>Pascal</strong> treffen? Benni war ihre erste<br />
Liebe, aber <strong>Pascal</strong> war ihr Fieber. Sie würde den Kontakt zu <strong>Pascal</strong> beenden<br />
müssen, sonst funktionierte es nicht. Am besten anderswo studieren. Germanistik<br />
ginge ja überall, aber Benni hätte nach Aachen oder München oder sonst<br />
wohin gemusst. Zürich wäre für Benni auch gegangen. Oh ja, in die Schweiz,<br />
aber so volle Lust darauf, mit Benni in die Schweiz zu gehen, konnte <strong>Isabella</strong><br />
im Moment gar nicht entwickeln. Das Empfinden von Lust, schien derzeit nur<br />
an die Person von <strong>Pascal</strong> geb<strong>und</strong>en möglich. Alles Zirkus. War sie nicht eine<br />
starke Frau? Sie würde es <strong>Pascal</strong> erklären, dass sie es nicht mehr wolle, <strong>und</strong><br />
sie sich demnächst möglichst aus dem Wege gehen sollten.<br />
Frühlingsgefühle<br />
<strong>Pascal</strong> träumte zwar nicht davon, mit <strong>Isabella</strong> ins Bett zu gehen, aber der Gedanke<br />
an ihre Liebe, konnte ihm jeden Moment versüßen. Die bedeutsamen<br />
Dinge das Alltags verloren ihr Gewicht, <strong>und</strong> auch ihm selbst verlieh es ein<br />
Empfinden von Leichtigkeit. Dass Glücksempfindungen, vor allem in der Liebe,<br />
häufig mit dem Verb 'schweben' assoziiert wurden, konnte er gut nachvollziehen.<br />
Alle ließen sie ja bei Frühlings- oder Liebesgefühlen ihre Seelen schweben,<br />
ließen sie ihre Flügel ausbreiten oder befanden sich auf irgendwelchen Wolken.<br />
<strong>Pascal</strong> schwebte nur über den kleinen Dingen des Alltags, auf die er sich sonst<br />
oft intensiv konzentriert hatte. Jetzt sah er sie als unbedeutend geringfügig<br />
<strong>und</strong> von ganz weit oben. Warum war nicht dafür gesorgt worden, dass nur<br />
Menschen mit einem genetisch bedingten Hochgefühl sich evolutionär durchgesetzt<br />
hatten. Ebenbild Gottes sollte der Mensch doch sein. War Gott etwa nicht<br />
glücklich, sondern griesgrämig, mürrisch <strong>und</strong> zänkisch? Was für eine Welt<br />
könnten wir haben, wenn alle Menschen immer <strong>Pascal</strong>s Stimmung als dauerhaftes<br />
Lebensgefühl hätten, sinnierte <strong>Pascal</strong>. Bei der augenblicklichen evolutio-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 12 von 43
nären Disposition müssten sie dazu alle verliebt sein. Offensichtlich waren das<br />
aber sehr viele nicht. Anett konnte ja nicht wissen, dass es an <strong>Isabella</strong> lag,<br />
aber <strong>Pascal</strong>s dauerhaft gute Laune fiel ihr schon auf. Sie hatte ihn gefragt, ob<br />
er irgendwo erfolgreich gewesen sei, <strong>und</strong> er hatte gemeint, dass Freude über<br />
einen Erfolg schnell verblasse. Es sei einfach dies Empfinden des Frühlings, der<br />
sich langsam auf den Sommer zubewege, was alle Menschen fre<strong>und</strong>licher <strong>und</strong><br />
offener stimme. Dass <strong>Pascal</strong> Frühlingsgefühle hatte, war bestimmt berechtigt,<br />
aber ob <strong>und</strong> wie der Sommer eintreffen würde, darüber mochte er sich keine<br />
Gedanken machen.<br />
<strong>Pascal</strong> wir müssen uns trennen<br />
Das nächste Seminar war das letzte. Dann gab es Semesterferien. <strong>Isabella</strong> fuhr<br />
wie in jedem Jahr wieder in ein kleines 'wirkliches' Dorf in der Nähe von Malaga.<br />
Ihre Eltern hatten dort vor vielen Jahren ein altes Haus gekauft. Es wurde<br />
vom Tourismus nicht berührt <strong>und</strong> war auch von der Entwicklung der Obst- <strong>und</strong><br />
Gemüseindustrie verschont geblieben. Sie hatte dort viele Fre<strong>und</strong>e, die sie zum<br />
Teil schon als kleines Kind kennengelernt hatten. <strong>Isabella</strong> kannte jeden Bewohner<br />
des Dorfes, es war für sie ein anderes ,zweites Zuhause. Zu den überfüllten<br />
Touristenstränden fuhr sie nur äußerst selten. <strong>Pascal</strong> hatte schon wieder<br />
Termine mit 'seinem' Café abgesprochen, wann er für Kellnerinnen, die in Urlaub<br />
waren, Bedienungsaushilfe machen konnte. In <strong>Isabella</strong>s Mimik lag etwas<br />
Fragendes, aber sie wollte nichts von <strong>Pascal</strong> wissen. Sie war nicht glücklich mit<br />
dem, was sie bewegte. Was wird aus mir? Wo bleibe ich damit? Meinte sie sich<br />
zu fragen. In <strong>Isabella</strong>s Selbstbild existierte kein Ort für die Ereignisse mit <strong>Pascal</strong>.<br />
Es war mit ihr geschehen. Sie erlebte es emotional so stark wie sonst<br />
nichts, aber ihr Einfluss war, wenn überhaupt, nur minimal. Auch wenn ihr Entschluss<br />
feststand, war sie sich doch höchst unsicher. Es gab niemanden, der ihr<br />
so viel bedeutete, <strong>und</strong> sie wollte ihn in Zukunft nicht mehr kennen. Sie sah<br />
sich zärtlich liebend mit <strong>Pascal</strong> im Bett <strong>und</strong> wollte ihn gleichzeitig aus ihrem Leben<br />
streichen. Natürlich hatte sie ihre gegenseitige Liebe bei den Kaffeegesprächen<br />
genossen, aber danach, sie auch körperlich zu erfahren, konnte sie sich<br />
nur sehnen. In der Realität hatte sie es nicht erlebt <strong>und</strong> würde es nicht mehr<br />
erleben. Auch im Seminar schon blickte sie oft zu ihm hinüber. Dann schaute<br />
sie eher wehmütig, sah <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong> empfand die Zärtlichkeiten, die sie untereinander<br />
austauschten, wozu es aber nie kommen würde. Beim Kaffee scherzten<br />
sie, ob <strong>und</strong> wie sie wohl die lange Zeit der Trennung in den Semesterferien<br />
überleben würden. <strong>Pascal</strong> wollte überlegen, was sie im nächsten Semester gemeinsam<br />
belegen könnten. <strong>Isabella</strong> antwortete mit Ausflüchten. <strong>Pascal</strong> blickte<br />
fragend <strong>und</strong> verstört. Sie musste es ihm ja doch sagen, wann denn, wenn nicht<br />
jetzt, auch wenn es ihr äußerst schwer fiel. „<strong>Pascal</strong>, wir sagen immer, wir sind<br />
gute Fre<strong>und</strong>e, wir mögen uns gern, so ein Stuss, nicht wahr? Wir wissen doch<br />
beide, dass wir leidenschaftlich ineinander verliebt sind. Oder empfindest du<br />
das etwa nicht so? Nur wir spielen immer die guten Bekannten, <strong>und</strong> alles was<br />
man tut, wenn man sich liebt, versagen wir uns. Küss mich doch erst mal endlich.“<br />
erklärte <strong>Isabella</strong>. In den Kuss schienen sie alle <strong>Leidenschaft</strong> hineinlegen<br />
zu müssen, die sie sich das ganze Semester über versagt hatten zu äußern.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 13 von 43
Bei <strong>Isabella</strong> rief es das heute immer leicht präsente Bild vom miteinander<br />
schlafen wach, was sie auf der Stelle getan hätte, wenn ein Bett in der Nähe<br />
gewesen wäre. „<strong>Pascal</strong>, ich bin verrückt nach dir. Ich weiß nicht, wie es für dich<br />
ist. Alles einfach weiter plätschern lassen, das wird es nicht geben. Ich habe<br />
mich gefragt, ob ich das andere will. Ich will meine Beziehung mit Benni behalten.<br />
Die möchte ich nicht aufgeben. Dafür habe ich mich entschieden. Wenn<br />
wir weiter etwas zusammen machen, wird es nicht dabei bleiben, dass wir nett<br />
miteinander reden. Ich träume ja jetzt schon davon, mit dir ins Bett zu gehen.<br />
<strong>Pascal</strong>, ich musste mich entscheiden. Für mich war es eine Entscheidung zwischen<br />
Benni <strong>und</strong> uns. Keinesfalls bedeutet mir unsere Liebe weniger, sie ist anders,<br />
<strong>und</strong> du kannst dir denken, wie stark ich sie empfinde. Ich habe mich rational<br />
entschieden, vor allem wegen der Perspektive. <strong>Pascal</strong> wir können es<br />
nicht weiter so laufen lassen, wir werden uns trennen müssen. Eine andere Lösung<br />
sehe ich nicht, <strong>und</strong> es kann sie nicht geben.“ erläuterte es <strong>Isabella</strong>. Eigentlich<br />
hätten ihr die Tränen kommen müssen, bei dem was sie gerade verkündet<br />
hatte, aber sie handelte, als ob es ein Geschäftsvorgang sei. <strong>Pascal</strong><br />
konnte im Moment nicht darauf antworten. Sie schauten sich nur lange stumm<br />
an. „Ja, so ist es, <strong>Pascal</strong>, leider.“ jetzt bekam <strong>Isabella</strong>s Stimme doch einen weinerlichen<br />
Tonfall. <strong>Pascal</strong> schaute traurig, nachdenklich. Als ob jemand die Freude<br />
aus seinem Leben verbannen wolle, dachte er sich. Andererseits wusste er<br />
ja auch nicht, wie es weitergehen sollte. Das sah er genauso wie <strong>Isabella</strong>, dass<br />
Liebe immer mehr will. Und womit sollte er Anett seine gute Laune an tristen<br />
Novembertagen erklären? Darüber schmunzelte <strong>Pascal</strong>. „<strong>Isabella</strong>, ich weiß<br />
nicht, ob <strong>und</strong> wie ich das ertragen kann, oder ob ich vor Liebeskummer verwelken<br />
werde.“ meinte <strong>Pascal</strong>. „Es zu hören, ist schon schmerzlich, <strong>und</strong> ich kann<br />
mir nicht vorstellen, dass es in Zukunft nicht mehr weh tun sollte, aber du versagst<br />
mir ja nicht deine Liebe. Das wird es erleichtern. Ich würde dir ja auch<br />
zustimmen, dass es so für uns beide am vernünftigsten ist. Nur nimmt es<br />
nichts davon, dass es mir ungeheuer schwer fallen wird. Meine Liebe wird<br />
trotzdem nicht vergehen oder geringer werden, <strong>und</strong> genauso wird meine Sehnsucht<br />
bleiben. <strong>Isabella</strong>, unsere Beziehung ist doch kein Liebesabenteuer, das<br />
man beenden könnte, weil man's aus irgendwelchen Gründen gerade mal für<br />
richtiger hält. Wie sollte es denn in Zukunft für uns aussehen. Werden wir uns<br />
nicht mehr kennen? Kein Wort mehr miteinander wechseln oder wie? Obwohl<br />
wir wissen, dass wir uns beide gegenseitig lieben?“ wollte <strong>Pascal</strong> wissen. „Ich<br />
verstehe dich sehr, sehr gut, <strong>Pascal</strong>. Mir wird es sicher auch entsetzlich schwer<br />
fallen, keine Berührung mehr mit dir zu haben. Ich dachte nur, du hast doch<br />
auch ein glückliches Leben gehabt, bevor du <strong>Pascal</strong> kennenlerntest. Warum<br />
sollte das denn nicht jetzt auch wieder möglich sein?“ meinte <strong>Isabella</strong>. <strong>Pascal</strong><br />
blickte skeptisch. Einfach eine historische Situationen aus seiner Persönlichkeitsentwicklung<br />
wiederzubeleben <strong>und</strong> das danach Geschehene auszublenden,<br />
hielt er nicht für möglich. Vielleicht konnte es ja helfen, die neue Situation zu<br />
bewältigen, wenn man es sich wie ein Mantra immer wieder vorsagte, dass<br />
man damals doch auch so glücklich gewesen sei. Die Blicke mit denen sie sich<br />
anschauten, drückten nicht Traurigkeit aus, sondern eher verb<strong>und</strong>ene Übereinstimmung,<br />
dass man dem, was gerade vereinbart worden war, so nicht sicher<br />
trauen könne. Wie hatten sie es sich denn real vorzustellen. Der andere war<br />
doch kein Bekannter, den man jetzt nicht mehr treffen würde, er war doch in-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 14 von 43
tegraler Bestandteil des eigenen Lebens. Bestimmt hatte eine innere Stimme<br />
ihnen zugeflüstert, dass es bei ihnen etwas gebe, das stärker sei als ihre rational<br />
konstruierten Beschlüsse. Bei der Verabschiedung wollten sie offensichtlich<br />
dauerhaft umarmt bleiben, denn auf den Gedanken, sich wieder voneinander<br />
zu lösen, schien niemand zu kommen. <strong>Pascal</strong> leckte ständig <strong>Isabella</strong>s Wangen,<br />
auch wenn schon gar keine salzigen Tränen mehr kamen. „Alles Gelernte<br />
kannst du vergessen, <strong>Pascal</strong>, aber unsere Liebe existiert ja nicht in deinem Gedächtnis,<br />
sie hat einen Platz in deiner Seele oder deinem Herzen, <strong>und</strong> den wird<br />
sie behalten.“ brachte <strong>Isabella</strong> während der Verabschiedungszeremonie ein. Es<br />
war ja nicht nur ihre Abschiedsumarmung, sie hielten sich ja auch zum ersten<br />
mal so liebend umschlungen in den Armen. <strong>Isabella</strong> hatte wieder zu weinen<br />
begonnen, einfach so. Es war so rührend <strong>und</strong> angespannt, sie war glücklich<br />
<strong>und</strong> küsste <strong>Pascal</strong> ständig. Die beiden hatten ihre Körper fest aneinander gepresst,<br />
<strong>und</strong> bei der dünnen Sommerbekleidung konnten sie sich sehr gut spüren.<br />
Dazu <strong>Pascal</strong>s Hände auf <strong>Isabella</strong>s Rücken <strong>und</strong> Po riefen in ihr wieder Assoziationen<br />
ans gemeinsame Bett wach, <strong>Pascal</strong> so <strong>und</strong> ohne Bekleidung zu erfahren,<br />
sah <strong>und</strong> empfand sie auf ihren inneren Bildern. Abschließend gab es noch<br />
Küsse auf Stirn <strong>und</strong> Wangen, dann trennten sie sich.<br />
Die rührselige Stimmung der Verabschiedungszeremonie war schnell verklungen.<br />
Stumpfsinnig setzte sich <strong>Isabella</strong> an ihren Schreibtisch <strong>und</strong> starrte auf die<br />
gegenüberliegende Wand. Starrte ihre Paula an, Paula Becker mit den roten<br />
Bäckchen. Das Modersohn, das offiziell auch noch zu ihrem Namen gehörte,<br />
existierte für <strong>Isabella</strong> nicht. Sie mochte ihn nicht <strong>und</strong> war der Überzeugung, er<br />
habe Paula psychisch destruiert. <strong>Isabella</strong> sah es so, dass sie im Begriff sei, das<br />
gleiche jetzt mit sich selbst zu tun. Wenn sie auch vorher noch Unsicherheiten<br />
verspürt hatte, jetzt kam es ihr vor, als ob sie in einem naiven Rausch oder<br />
dümmlich panisch gehandelt hätte. Sie wusste, dass sie nichts von <strong>Pascal</strong> abbringen<br />
könnte <strong>und</strong> hatte Angst, Benni dadurch zu verlieren. Da musste man<br />
sich eben von einem trennen. Überall auf der Welt trennten sich Paare, nur von<br />
denen, die sich gerade im Hochgefühl gegenseitiger Liebe befanden, dürften<br />
nicht viele darunter sein. Worauf basierte ihre Entscheidung eigentlich? <strong>Isabella</strong><br />
meinte, über gutes Einfühlungsvermögen zu verfügen, bei anderen, nur für<br />
sie selbst schienen da nicht einmal Rudimente vorhanden zu sein. Was sie getan<br />
hatte, schien ihr dumm. Nur es zu ändern, es rückgängig zu machen, dazu<br />
hätte sie eine vernünftigere, intelligentere Lösung kennen müssen, <strong>und</strong> die sah<br />
sie nicht. Sie hatte Angst vor der möglichen Entwicklung gehabt. Sie wollte<br />
Benni nicht verlieren, <strong>und</strong> in der Beziehung zu <strong>Pascal</strong> hatte sie gelernt, sich<br />
selbst für unberechenbar zu halten.<br />
Spanien<br />
In Spanien war <strong>Isabella</strong> immer allein mit ihren Eltern. Das störte sie nicht.<br />
Benni hatten sie einmal mitgenommen, aber es war ihm zu langweilig <strong>und</strong> zu<br />
heiß. Er hatte immer nur gemeckert. Das hatte gestört. Jetzt rief ihre Fre<strong>und</strong>in<br />
Carole an. Sie sei in Spanien <strong>und</strong> wolle sie besuchen kommen. „Oh, Carole,<br />
von Barcelona aus ist das ja eine Weltreise. Wenn du trotzdem kommen möch-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 15 von 43
test, was mich natürlich außerordentlich freuen würde, musst du unbedingt<br />
fliegen.“ meinte <strong>Isabella</strong> am Telefon. Egal, Carole wollte es machen. Carole<br />
konnte auch nicht verstehen, was <strong>Isabella</strong> an diesem trostlosen Nest so faszinierte.<br />
„Auch wenn du in der hässlichsten Stadt aufwächst, wird sie zu deiner<br />
Heimat, die du liebst. Ich bin hier schon als Baby gewesen. Nichts ist mir<br />
fremd. Hier gehört mir alles, alles gehört zu mir. Es ist wie eine zweite Heimat,<br />
in der ich nicht nur die Gebäude sehe, sondern die Menschen kenne. Das ist<br />
es, was mich fasziniert.“ reagierte <strong>Isabella</strong>. Carole berichtete, dass sie sich von<br />
ihrem Fre<strong>und</strong>, den sie erst zu Semesterbeginn kennengelernt habe, wieder getrennt<br />
hätte. Frustrierend sei es natürlich schon, aber nein, schmerzlich seien<br />
nur die ganzen sinnlosen Querelen gewesen, <strong>und</strong> dass sie sich so in ihm geirrt<br />
habe. <strong>Isabella</strong> erzählte auch, dass sie sich von ihrem Fre<strong>und</strong>, den sie zu Semesterbeginn<br />
kennengelernt habe, wieder getrennt hätte. „Von Benni?“ fragte<br />
Carole, „Aber mit dem warst du doch auf der Schule schon zusammen.“ Dann<br />
erzählte <strong>Isabella</strong> von <strong>Pascal</strong>. Zum ersten mal. Sie hatte auch ihren Fre<strong>und</strong>innen<br />
in den E-Mails nichts davon geschrieben. Wie sollte sie ihnen von etwas schreiben,<br />
das für sie selbst gar nicht existierte <strong>und</strong> ihre verworrene Gefühlslage war<br />
für sie auch zu persönlich. „Oh, <strong>Isabella</strong>, das ist ja ein absolutes Liebesdrama.<br />
Richtig einschätzen kann ich das wahrscheinlich nicht, weil ich mit so einer Liebe<br />
noch nicht konfrontiert worden bin. Aber meinst du denn, das ginge einfach<br />
so wieder weg, <strong>und</strong> du könntest es als schöne Erinnerung ablegen? Das glaube<br />
ich eher nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es dich nicht loslassen wird.<br />
So macht die große Liebe das im Allgemeinen.“ war Caroles Ansicht. „Ja, Carrole,<br />
das glaube ich auch eher. Es ist ja jetzt schon so. Obwohl wir Schluss gemacht<br />
haben, alles zu Ende <strong>und</strong> vorbei sein soll, muss ich ständig daran denken.<br />
An <strong>Pascal</strong>, an Benni nie.“ <strong>Isabella</strong> dazu. „Wenn dein Begehren <strong>und</strong> deine<br />
Sehnsucht an <strong>Pascal</strong> hängen, wie willst du das denn ändern? Etwa indem du es<br />
dir selbst verbietest? Das wird nichts nutzen. Du richtest höchstens Schaden<br />
an deiner eigenen Psyche damit an.“ schätzte Carole es ein. „Du warst noch<br />
nie so richtig massiv verliebt?“ fragte <strong>Isabella</strong>. „Doch in meinen Opa.“ meinte<br />
Carole, <strong>und</strong> beide lachten. „Ja, wirklich, wir fuhren ihn immer Sonntags besuchen,<br />
<strong>und</strong> wenn das mal aus welchen Gründen auch immer nicht ging, bekam<br />
ich Tobsuchtsanfälle <strong>und</strong> war nur durch das Versprechen zu beruhigen, dass einer<br />
von meinen Eltern an einem anderen Tag mit mir zu ihm fahren würde.“<br />
berichtete Carole <strong>und</strong> fuhr fort: „Das muss schon etwas Sonderbares sein mit<br />
der Liebe, dass sie dich als kleines Kind schon so erfassen kann, dass du ihretwegen<br />
durchdrehst. Wir kennen alle irgendwelche Liebesmelodramen, aber<br />
welche Bedeutung sie im Alltag für jeden Menschen hat, berücksichtigen wir<br />
überhaupt nicht. Ich hatte ja deine Telefonnummer <strong>und</strong> wusste nur, dass du<br />
immer in Spanien warst. Dann meinte ich die zwei Flüge seien doch ein bisschen<br />
viel Geld, bis ich wach wurde <strong>und</strong> mich gefragt habe, wie viel Geld unsere<br />
Fre<strong>und</strong>schaft denn wohl wert sei. Dir blase ich wahrscheinlich die Ohren voll,<br />
<strong>Isabella</strong>, wenn ich dir sage, dass es nichts Wertvolleres gibt als Liebe <strong>und</strong> Zuneigung<br />
zu erfahren <strong>und</strong> geben zu können. Wenn ich mich mal intensiv in<br />
einen Mann verlieben sollte, wird das bestimmt ein älterer sein müssen. Ich<br />
glaube, ich nehme die Jungs in meinem Alter gar nicht richtig für voll. Sie wirken<br />
auf mich oft psychisch so unreif. Ich habe die Gelassenheit <strong>und</strong> Weisheit<br />
des Alters zu erkennen <strong>und</strong> schätzen gelernt. Wahrscheinlich hat mein Opa<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 16 von 43
mich erkennen lassen, welche Männer die richtigen für mich sein sollten.“<br />
schloss Carole lachend. Beim Erzählen war <strong>Isabella</strong> alles noch einmal bewusst<br />
geworden. Sie sah es ja jetzt aus der nachträglichen Perspektive, <strong>und</strong> jedes<br />
Kaffeegespräch hatte dabei einen goldigen Glanz bekommen. Alles war viel<br />
schöner <strong>und</strong> wertvoller als sie es damals live empf<strong>und</strong>en hatte. Als ob sie es<br />
jetzt erst richtig bewerten <strong>und</strong> in seinen Feinheiten voll erkennen könne, meinte<br />
sie. Am liebsten würde sie jetzt alles noch einmal neu erleben. Das Gespräch<br />
mit Carole hatte allem in ihrer Erinnerung einen noch wesentlich gewichtigeren<br />
<strong>und</strong> höheren Stellenwert zugewiesen. <strong>Isabella</strong> wollte auch unbedingt<br />
mit ihren Eltern darüber reden.<br />
„Mami, ich muss immer an <strong>Pascal</strong> denken, <strong>und</strong> ich ich weiß nicht, was ich dagegen<br />
machen soll?“ begann <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> ihre Mutter lachte, aber sie wollte es<br />
natürlich erläutert haben. „Oh, Thomas, wie schön, nicht war?“ kommentierte<br />
sie öfter an ihren Mann gerichtet anrührende Passagen aus dem, was <strong>Isabella</strong><br />
erzählte. Sie befand sich ja nicht in <strong>Isabella</strong>s damaliger Position, sondern sah<br />
jetzt die süßen Auswüchse der vor sich selbst verheimlichten Verliebtheit. „Meine<br />
arme Maus,“ das brachte sie immer noch, wenn sie besonders liebevoll zu<br />
<strong>Isabella</strong> sein wollte, „Ich kann dir dazu gar nichts raten. Alles was du tust,<br />
musst du völlig aus dir selber tun, sonst wird es sowieso nur Mist. Aber du hast<br />
ja etwas getan, ob das nicht auch vielleicht schon Mist war, wage ich nicht zu<br />
beurteilen. Wie willst du denn von Benni jemals so schwärmen, wie du es von<br />
<strong>Pascal</strong> getan hast. Mir kam es vor, als ob du <strong>Pascal</strong> so empfindest, dass er exakt<br />
dein Leben trifft, wie ein Puzzleteil, das genau <strong>und</strong> nur zu dir passt. Benni<br />
ist sicher sehr nett <strong>und</strong> du empfindest viel Zuneigung für ihn, aber in der Hinsicht<br />
bleibt er außen vor, wird immer in gewisser weise fremder sein. Seinem<br />
Herzen folgen? Sicher schlägt dein Herz auch für Benni, nur <strong>Pascal</strong> scheint es<br />
voll erfasst zu haben.“ Hatte sie alles falsch gemacht? Hätte sie vorher ihre<br />
Mutter fragen sollen? Das tat sie ja sonst auch. Nur <strong>Pascal</strong> hatte sie wohl als<br />
ihre persönlich intimste Privatangelegenheit betrachtet. Jetzt konnte sie darüber<br />
reden, aber sie hatte es auch so empf<strong>und</strong>en, dass ihre Beziehung zu <strong>Pascal</strong><br />
etwas in ihr getroffen hatte, was sie nicht genau erklären konnte, aber als<br />
sehr tief <strong>und</strong> intim empfand, <strong>und</strong> worüber sie nicht gerne sprach. Und damals<br />
zu erzählen, wie sie sich einbildete, von <strong>Pascal</strong> gestreichelt zu werden, wäre ihr<br />
sehr peinlich gewesen. Carole <strong>und</strong> ihre Eltern hatten <strong>Isabella</strong> in ihren Empfindungen<br />
bestärkt, nur wie sie damit umgehen sollte, wusste sie deshalb nicht.<br />
Faktisch hatte sie sich mit der Trennung von <strong>Pascal</strong> entschieden aber emotional<br />
war alles noch völlig offen, <strong>und</strong> an der Richtigkeit ihrer Entscheidung waren<br />
ihre Zweifel. Noch weiter verstärkt worden Sie wollte sich aber jetzt keine weiteren<br />
Gedanken darüber machen <strong>und</strong> sich ständig damit quälen. Wenn ihr danach<br />
war, träumte sie eben von <strong>Pascal</strong>, <strong>und</strong> sonst gab es das Dorfleben sowie<br />
Exkursionen mit ihren Eltern.<br />
Aktives Leben führen<br />
Im Café war es trotz der Sommermonate häufig recht voll. Dann war <strong>Pascal</strong><br />
stark beschäftigt. Zu Träumen, auch von <strong>Isabella</strong>, war da keine Zeit. Aber ver-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 17 von 43
gessen, das ging nicht. Sie war immer präsent. Jetzt begann <strong>Pascal</strong> auch, sich<br />
vorzustellen, wie er <strong>Isabella</strong>s Haut streichelte. Er legte Mahlers fünfte auf <strong>und</strong><br />
träumte sich <strong>Isabella</strong> zu dem Adagietto für den Austausch sanfter, liebevoller<br />
Zärtlichkeiten ins Bett. Außer bei der Abschiedsumarmung hatte er ja noch nie<br />
etwas von ihrem Körper gespürt oder gesehen. <strong>Isabella</strong>s Po gefiel <strong>Pascal</strong> allerdings<br />
schon, auch mit Hose. Darüber hatten sie schon ziemlich zu Beginn ihrer<br />
Bekanntschaft gescherzt, <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> versuchte ihn öfter damit zu necken. Er<br />
versuchte sich vorzustellen, wie <strong>Isabella</strong>s Haut sich wohl anfühle, was er dabei<br />
wohl empfinde, aber in Wirklichkeit würde es bestimmt ganz anders sein, eine<br />
neue Empfindung. Seine Vorstellungen konnte er ja nur aus seinem bestehenden<br />
F<strong>und</strong>us zusammen fügen. <strong>Isabella</strong> einmal spüren dürfen, davon träumte<br />
<strong>Pascal</strong>. Er hielt es für falsch, was er machte. Er ließ sich gehen <strong>und</strong> gab sich<br />
Träumen hin, die keine Erfüllung finden würden. Die Arbeit im Café hielt in davon<br />
ab. Er sollte nicht versuchen, seine Träume zu unterdrücken, sondern ein<br />
aktives, volles Leben führen, in dem kein Platz für Träume war. Er wollte mehr<br />
arbeiten <strong>und</strong> auch seine Beziehung zu Anett bedurfte unbedingt einer Rekultivierung.<br />
Er wollte wieder so wie zu Beginn ihrer Liebe für sie empfinden. Das<br />
war <strong>Pascal</strong>s Plan, nur in der Praxis entwickelte es sich nicht so. Es war kein<br />
Plan, es war <strong>Pascal</strong>s Wunsch. Auch ein Traum. Bei der Arbeit störte <strong>Isabella</strong><br />
ständig <strong>und</strong> auch bei anderen Aktivitäten war der Gedanke an sie stets zugegen.<br />
Nichts funktionierte. <strong>Pascal</strong> war häufiger mürrisch <strong>und</strong> empfand eine innere<br />
Leere, als ob ihm etwas Unbestimmtes fehlen würde. Seine Beziehung zu<br />
Anett intensivieren? Wie denn? Er hätte glücklich sein <strong>und</strong> Lust auf sie haben<br />
müssen. Lustempfindungen <strong>und</strong> Glücksgefühle konnten bei <strong>Pascal</strong> jedoch zur<br />
Zeit nur Träume von <strong>Isabella</strong> entwickeln. Anett sah er dagegen eher häufiger<br />
aus kritischem Blickwinkel.<br />
Hallo <strong>Pascal</strong>, hallo <strong>Isabella</strong><br />
Bei Semesterbeginn war <strong>Pascal</strong> erstaunt, dass <strong>Isabella</strong> in keinem Seminar <strong>und</strong><br />
in keiner Übung war, die er auch besuchte. Sie musste die Listen überprüft haben<br />
<strong>und</strong> tatsächlich bei einer Übung zu der er sich relativ spät gemeldet hatte,<br />
war ihr Name, der da schon gestanden hatte, wieder durchgestrichen. Für ein<br />
Semester konnte das sicher funktionieren, aber für's ganze Studium wäre das<br />
schon ein Kunststück. Bei Vorlesungen ließ es sich ja überhaupt nicht durchführen,<br />
<strong>und</strong> so sahen sie sich auch öfter. Hallo <strong>Pascal</strong>, hallo <strong>Isabella</strong>, begrüßten<br />
sie sich, als ob sie sich schon mal irgendwo begegnet wären. Bis <strong>Isabella</strong> <strong>Pascal</strong><br />
irgendwann anhielt. „<strong>Pascal</strong>, wenn wir vielleicht auch etwas falsch gemacht<br />
haben, nur jetzt spielen wir die absolut bescheuerten Kinder. Wir haben uns<br />
getrennt <strong>und</strong> wollen unsere Beziehung nicht weiter entwickeln, o. k., aber weg<br />
ist mein Empfinden, meine Zuneigung, meine Liebe für dich doch deshalb<br />
nicht, <strong>und</strong> ich kann mir kaum vorstellen, dass du es vergessen haben solltest.<br />
Lass uns doch nicht so einen lächerlichen Zirkus veranstalten <strong>und</strong> tun, als ob<br />
es das alles nicht gäbe. Umarmen <strong>und</strong> küssen wir uns. Was denn sonst?“<br />
schlug <strong>Isabella</strong> vor <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> war glücklich. So hielten sie es jetzt immer,<br />
wenn sie sich trafen.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 18 von 43
Florians Schlafzimmer<br />
<strong>Pascal</strong> hatte Florian, einem Fre<strong>und</strong>, von seiner Liebe <strong>und</strong> der schwierigen Lage,<br />
in der er sich sah, erzählt. „Es geht einfach nicht. Vorher war alles goldig, <strong>und</strong><br />
jetzt ist es nicht wie früher, sondern alles ist grau. Ich leide unter Liebesentzugserscheinungen,<br />
obwohl sie mich ja immer noch genauso liebt. Wie die beiden<br />
Königskinder, nur das tiefe Wasser haben wir uns selbst gegraben.“ „Ihr<br />
seid total verrückt nacheinander, habt aber per Beschluss alles beendet <strong>und</strong><br />
von heute auf morgen nichts mehr miteinander zu tun?“ erk<strong>und</strong>igte sich Florian,<br />
der es gar nicht fassen konnte, erstaunt. „Es gibt also nichts mehr, <strong>und</strong><br />
miteinander ins Bett geht ihr dann natürlich auch nicht mehr?“ <strong>Pascal</strong> lachte<br />
auf „Nicht mehr ist gut. Wir waren noch nie zusammen im Bett. Alles nur platonisch<br />
außer einigen Küssen <strong>und</strong> Umarmungen. <strong>Isabella</strong> hat mir schon im letzten<br />
Semester gesagt, dass sie davon träumt <strong>und</strong> bei mir ist es nicht anders.“<br />
erklärte <strong>Pascal</strong>. „Und warum tut ihrs dann nicht?“ wollte Florian wissen. „Wo<br />
denn, wie denn? Oder soll ich Anett am Wochenende zu ihrer Mama schicken,<br />
<strong>und</strong> währenddessen mit <strong>Isabella</strong> das Bett benutzen? Und wenn Anett zurückkommt,<br />
merkt sie, dass ihr Platz noch warm ist. Ich weiß nicht, so etwas<br />
möchte ich <strong>und</strong> kann ich nicht. Und zum Ficken ins Hotel gehen, mag ich erst<br />
recht nicht.“ erklärte <strong>Pascal</strong>. Florian überlegte <strong>und</strong> erklärte dann: „Also meinetwegen<br />
könntet ihr euch gern bei mir treffen <strong>und</strong> mein Schlafzimmer benutzen,<br />
das gebrauche ich ja nur nachts. Und wenn ich weiß, dass ihr euch heute schon<br />
darin geliebt habt, schlafe ich bestimmt doppelt so gut <strong>und</strong> werde nur die süßesten<br />
Träume haben“ Sie lachten, aber es war ein überraschender Gedanke.<br />
Vielleicht keine schlechte Idee, nur <strong>Isabella</strong> würde es jetzt auf keinen Fall mehr<br />
wollen. Allerdings wenn ihre Träume noch wie früher existierten, gehörte das ja<br />
auch dazu. Nur wie sollte er es <strong>Isabella</strong> jetzt vermitteln, wenn sie schon den<br />
gemeinsamen Kontakt in Seminaren mied. Sie wollten es nicht weiter betreiben,<br />
<strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> hatte sich für ihren Fre<strong>und</strong> Benni entschieden. Das würde sie<br />
doch nicht für einen Nachmittag ausblenden können <strong>und</strong> wollen. Die Initiative<br />
zur Trennung war doch von ihr ausgegangen, sie hatte es doch für unvermeidlich<br />
gehalten.<br />
Für <strong>Isabella</strong> schien auch nicht alles einfach so glatt zu laufen wie früher. Häufig<br />
missfiel ihr irgendetwas. Unbedeutende Kleinigkeiten meistens, das sah sie<br />
aber nicht so, sondern ärgerte sich darüber. Über die dümmsten Lappalien<br />
konnte sie sich aufregen. Ein Topf stand nicht an dem Platz im Schrank, an<br />
dem er sonst gewöhnlich stand. Das störte <strong>Isabella</strong>. Vor allem stand er nicht<br />
einfach an einem falschen Ort, es war ja Benni, der ihn dort hingestellt hatte.<br />
Benni konnte so vieles falsch machen. Knatschige <strong>und</strong> zickige Züge zeigte sie<br />
manchmal, was weder sie selbst noch andere von ihr kannten. <strong>Isabella</strong> erweckte<br />
in der Regel keinesfalls den Eindruck, zufrieden zu sein. Deshalb schliefen<br />
sie <strong>und</strong> Benni auch nur noch selten miteinander. Anstatt Lust auf Benni zu haben,<br />
träumte sie lieber vom „Richtigen Leben“. Wie oft hatten <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong> sie<br />
darüber geredet. Mit Thoreaus 'Walden' hatte es begonnen, später hatten sie<br />
lang <strong>und</strong> intensiv über Agnes Hellers 'Theorie der Gefühle' diskutiert. All die<br />
Gespräche erinnerte sie gern <strong>und</strong> empfand sich dabei warm umhüllt. Dass sie<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 19 von 43
sicher sein konnte, mit <strong>Pascal</strong> das 'Richtige Leben' zu finden, dessen konnte sie<br />
sich ja nicht absolut gewiss sein, aber darüber reden zu können <strong>und</strong> Lust daran<br />
zu haben, das war schon ein Schritt auf dem richtigen Wege. Den fand sie mit<br />
<strong>Pascal</strong>, nicht aber mit Benni. Ja natürlich liebte <strong>Isabella</strong> Benni, aber von der<br />
Liebe war vieles Erinnerung, das Wissen darüber, wie sie in der Vergangenheit<br />
empf<strong>und</strong>en hatte. Es war ihr wertvoll <strong>und</strong> bedeutsam, aber es war auch ganz<br />
anders, <strong>und</strong> vor allem basierte es nicht auf ihrer aktuellen Gefühlslage. Die sah<br />
ihr Glück, obwohl sie es sich verboten hatte, stärker denn je in der Beziehung<br />
zu <strong>Pascal</strong>. Ein glückliches Leben führen, wie es früher war, bevor sie <strong>Pascal</strong><br />
kennengelernt hatte? Das ließ <strong>Isabella</strong> nur schmunzeln. Sie wollte das auch<br />
keinesfalls. Auch wenn sie ihre Liebe nicht Leben konnten, würde ihre Begegnung<br />
mit <strong>Pascal</strong> immer ein aktueller, wertvoller Schatz für sie bleiben. Benni<br />
würde es nicht bemerkt haben, aber die Begegnung mit <strong>Pascal</strong> hatte ihr Leben<br />
verändert, hatte sie eine andere werden lassen. Eine andere, zu der auch die<br />
Möglichkeit der Kommunikation mit <strong>Pascal</strong> gehörte. <strong>Pascal</strong> war ein Teil der Welt<br />
ihrer veränderten Persönlichkeit.<br />
Bei ihrer gegenseitigen Begrüßung wechselten sie auch immer ein paar Worte.<br />
Meist Scherzhaftes, oder leicht Provokantes man sah den anderen eben gerne<br />
lachen <strong>und</strong> glücklich. „Träumst du immer noch von mir?“ fragte <strong>Pascal</strong> unvermittelt.<br />
<strong>Isabella</strong> stutzte. „Nein, du Naseweis, natürlich nicht. Ich träume jetzt<br />
nur noch von Benni.“ antwortete <strong>Isabella</strong>. Kurz hielten sie inne, dann platzten<br />
beide los. „Du kannst aber auch dämliche Fragen stellen. Was denn sonst, <strong>und</strong><br />
ich erwarte schärfstens, dass es bei dir kein bisschen anders ist.“ meinte <strong>Isabella</strong>.<br />
„Du hast damals auch gesagt, du seist verrückt nach mir <strong>und</strong> würdest<br />
gern mit mir ins Bett gehen. Ist das auch immer noch so für dich?“ fragte <strong>Pascal</strong>.<br />
Was hatte das denn jetzt zu bedeuten? <strong>Isabella</strong> schaute ihn skeptisch grinsend<br />
an. Worauf würde das hinauslaufen. Ein dringendes Bedürfnis verspürte<br />
sie zwar im Moment nur selten. Sie hatte es aus dem Katalog des möglicherweise<br />
Realisierbaren gestrichen <strong>und</strong> dachte nicht mehr so häufig daran wie damals,<br />
aber gr<strong>und</strong>sätzlich gehörte es schon noch zu ihren Träumen. „Aber wir<br />
haben doch Schluss gemacht.“ erklärte <strong>Isabella</strong> eher halbherzig als energisch.<br />
„Aber <strong>Isabella</strong>, warum müssen wir uns denn immer nur quälen. Alles Schöne<br />
versagen wir uns. Wenn unsere Liebe noch da ist, hat sie ein Recht darauf,<br />
auch einmal Glückliches zu erfahren. Haben wir uns nicht schon mehr als genug<br />
an Freude <strong>und</strong> Glück verboten?“ fragte <strong>Pascal</strong>. „<strong>Pascal</strong>, du Schlingel, wir<br />
haben uns getrennt, aber sollen unsere Liebe weiter fördern? Ach, <strong>Pascal</strong>, was<br />
hast du vor?“ wollte <strong>Isabella</strong> wissen, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> berichtete davon, dass sie bei<br />
seinem Fre<strong>und</strong> das Schlafzimmer benutzen könnten. Das war jetzt sehr überraschend.<br />
Warum lehnte sie es nicht direkt strikt ab? <strong>Isabella</strong> schaute <strong>Pascal</strong> fragend<br />
an, als ob er ihr mit einem Blick antworten <strong>und</strong> sagen könne, was sie tun<br />
solle. Sie war sich sehr unschlüssig. Alles ging ihr wieder durch den Kopf. Wie<br />
verrückt hatte sie damals die Vorstellung gemacht, nur daran zu denken. Jetzt<br />
bestünde die Möglichkeit, es einmal zu erleben. Einmal? Dabei würde es bleiben?<br />
Das konnte sie sich selber nicht glauben. Sie hatte sich dafür entschieden,<br />
mit Benni zu leben <strong>und</strong> würde mit <strong>Pascal</strong> ins Bett gehen? Das wäre verrückt.<br />
Aber <strong>Pascal</strong> stand ihr gegenüber. Sie sah ihn nicht nur, sie spürte ihn<br />
wieder, ihr Verlangen, ihn begehrte sie. Sie würde seine Haut berühren <strong>und</strong><br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 20 von 43
überall küssen können <strong>und</strong> er würde sie zärtlich nackt in seinen Armen halten.<br />
Sie träumte weiter <strong>und</strong> erklärte sich mit <strong>Pascal</strong>s Vorschlag einverstanden.<br />
Als sie bei Florian das Schlafzimmer betreten hatten, blieb <strong>Isabella</strong> stehen.<br />
„<strong>Pascal</strong>, ich kann das nicht. Nein ich kann nicht.“ erklärte sie erregt mit halb<br />
weinerlicher Stimme. „Es tut mir leid, lass uns gehen. Lass uns sofort wieder<br />
gehen.“ Draußen meinte sie: „Es tut mir schrecklich leid, <strong>Pascal</strong>. Ich weiß auch<br />
nicht genau woran es liegt, aber ich bin bestimmt zu empfindlich. Ich bin eben<br />
nicht so eine rattige Elster, die unbedingt ficken will <strong>und</strong> sonst nichts wahrnimmt.“<br />
beide grinsten, <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> fuhr fort, „Ich weiß nicht, was mich direkt<br />
gestört haben könnte. Das Zimmer war ja ganz o. k.. Vielleicht ist es ja die Situation<br />
insgesamt, <strong>und</strong> es kommt mir vor, dass so etwas nicht zu unserer Liebe<br />
passt. Ich möchte immer noch gern mit dir ins Bett, da hat sich nichts geändert,<br />
aber in Liebe <strong>und</strong> nicht anderswo hingehen, an einen fremden Ort, um<br />
Sex haben zu können. Bestimmt muss die Umgebung dazu vertrauter sein,<br />
vielleicht geht es ja nur bei mir im Bett.“ meinte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> lachte wieder.<br />
„Den Benni schmeiß ich sowieso bald raus. Der geht mir ständig auf den<br />
Geist.“ erklärte sie übermütig <strong>und</strong> lachte erneut.<br />
Schönes Wochenende<br />
„Ach, Mami, es ist schlimmer als je zuvor.“ erklärte <strong>Isabella</strong> auf die Frage ihrer<br />
Mutter, wie es sich mit <strong>Pascal</strong> entwickelt habe. „Damals haben wir nur davon<br />
geträumt, <strong>und</strong> jetzt nach dem Ende unserer Beziehung versuchen wir es zu<br />
realisieren.“ meinte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> erzählte von ihrem gescheiterten Versuch.<br />
„Kinder seid ihr schon ein bisschen, oder“ sah es <strong>Isabella</strong>s Mutter <strong>und</strong> fügte<br />
dem hinzu, „aber traurig süß ist es auch“. <strong>Isabella</strong> berichtete von ihren Problemen<br />
mit Benni <strong>und</strong> dass sie von einem anderen Leben mit <strong>Pascal</strong> träume. Sie<br />
hätten so viel darüber geredet. Wie bei uns im Alltag sich eine Entfremdung<br />
der Gefühle vollzöge, <strong>und</strong> dass eine gefühlsreiche Persönlichkeit als Leitvorstellung<br />
dienen müsse. „Und was tue ich? Ich träume davon <strong>und</strong> will mir meine<br />
stärksten Gefühle verbieten. Es ist alles pervers, Mami. Mein Leben basiert in<br />
zentralen Bereichen auf Widersprüchen. Ich will das nicht mehr so weiter laufen<br />
lassen. Das muss sich ändern, nur im Moment traue ich mich noch nicht.“<br />
versicherte <strong>Isabella</strong>. „Hast du schon mal daran gedacht, dass ihr beide euch<br />
hier ein schönes Wochenende machen könntet?“ fragte <strong>Isabella</strong>s Mutter. <strong>Isabella</strong><br />
lachte. Sie wusste nicht genau warum, ob ihr die simple, ausgezeichnete<br />
Idee gefiel, auf die sie selbst noch nicht gekommen war, ob sie sich freute,<br />
dass ihre Mutter sie dazu einlud, wie auch immer. „Im Kinderbett?“ fragte sie<br />
provokativ lachend. „Aber Maus, das können wir doch von heute auf Morgen<br />
ändern. Wenn ich morgens zu Roggenkamp gehe, habe ich nachmittags das<br />
Bett hier stehen.“ meinte ihre Mutter. Was sie sich wohl vorstellte, welche Assoziationen<br />
ihr wohl kamen, jedenfalls hatte <strong>Isabella</strong> eine freudige Spannung,<br />
die sie erstmal durch Umarmen <strong>und</strong> intensives Drücken ihrer Mutter entladen<br />
musste.<br />
Sie berichtete <strong>Pascal</strong> davon, dass ihre Mutter sie <strong>und</strong> auch ihn für ein gemein-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 21 von 43
sames Wochenende eingeladen habe. Aber der schien sich zu zieren. Es war<br />
ihm unangenehm, <strong>Isabella</strong>s Eltern zu besuchen, um mit ihrer Tochter ins Bett<br />
gehen zu können. „<strong>Pascal</strong>!“ drohte <strong>Isabella</strong>, „Ich hau dich. Bei dir würde ich ja<br />
die dümmsten Gedanken dulden, aber das geht zu weit. Was kann uns denn<br />
Besseres passieren. Du wirst glücklich sein, mit allem <strong>und</strong> vielleicht auch mit<br />
mir.“ <strong>Pascal</strong> lachte. „Das ist mein Geliebter.“ stellte <strong>Isabella</strong> <strong>Pascal</strong> ihren Eltern<br />
am Freitagnachmittag vor. „Und das ist meine Geliebte.“ regierte <strong>Pascal</strong>e<br />
scherzhaft. „Sollen wir erst mal Kaffee trinken, oder habt ihr etwas anderes<br />
vor?“ fragte Frau Falkenberg. „Ich muss zuerst das Bett sehen <strong>und</strong> dann Kaffee,<br />
ja?“ schaute sie nach Bestätigung zu <strong>Pascal</strong>. „Ach du liebe Zeit.“ staunte<br />
<strong>Isabella</strong>, als sie das Bett sah. „Hat Mami extra für uns gekauft.“ erklärte sie .<br />
„Was das wohl gekostet hat <strong>und</strong> dann alles noch Satinbezüge, die spinnt, aber<br />
schön ist es ja schon, nicht wahr?“ „Wenn ich als Übersetzer so viel verdiene,<br />
dass ich mir solche Möbel leisten kann, dann habe ich es endgültig geschafft.“<br />
meinte <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong> lachte. Die Gespräche am Kaffeetisch waren ziemlich launig,<br />
<strong>und</strong> hier konnten <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> auch kindisch die Verliebten spielen, da<br />
waren sie bislang noch nie drauf gekommen. Sie fütterten sich mit Kuchen,<br />
schmierten dem anderen Sahne auf die Nasenspitze <strong>und</strong> dergleichen mehr. „Ihr<br />
habt wahrscheinlich viel nachzuholen.“ meinte Frau Falkenberg scherzend. „Unbedingt,“<br />
bestätigte sie <strong>Pascal</strong>, „wir haben ja bislang nichts anderes gemacht<br />
als miteinander zu reden <strong>und</strong> uns anzuglotzen. Aber da kann man auch viel erleben.<br />
Warum haben sie ihre Tochter eigentlich nicht zur Schauspielschule geschickt?“<br />
fiel <strong>Pascal</strong> plötzlich ein. „Hätten wir sollen?“ fragte Frau Falkenberg<br />
launig. „Ja, natürlich, haben sie denn ihr ausgeprägtes Talent nicht erkannt?<br />
Sie wäre bestimmt eine große Tragödin geworden.“ vermutete <strong>Pascal</strong>. Er erzählte,<br />
wie sie sich kennengelernt hatten, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> kam ins Schwärmen. „Ich<br />
könnte ihnen sagen, was für eine herrliche Frau ihre Tochter ist, <strong>und</strong> was ich<br />
alles an ihr bew<strong>und</strong>ere, was ich liebe <strong>und</strong> was mich fasziniert, nur das macht<br />
es im Kern gar nicht aus, das ist nicht das Wesentliche. Das Endscheidende ist,<br />
was sie mir gibt, was sie mir schenkt. Es ist diese absolute Nähe, die sie mir<br />
vermittelt <strong>und</strong> mich spüren lässt. Es ist nicht einfach so, dass sie da ist, mich<br />
wahrnimmt, mich sieht oder hört, ich empfinde, dass sie mich tiefstens versteht<br />
<strong>und</strong> mir bedingungslose Anerkennung schenkt, dass sie mit mir lebt,<br />
wenn wir zusammen sind. Und das ist das W<strong>und</strong>erbarste Empfinden des Anderen,<br />
das es für einen Menschen geben kann.“ sagte <strong>Pascal</strong> zu ihrer Beziehung,<br />
<strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> küsste ihn dafür. Ansonsten war es für einen Moment fast andächtig<br />
still geworden. „<strong>Pascal</strong>, das hört sich sehr gut an. Empfindest du auch so für<br />
dich, meine Liebe?“ fragte Frau Falkenberg <strong>Isabella</strong>. „Ich empfinde noch viel<br />
eher <strong>und</strong> viel stärker, weil ich nämlich die gefühlsreichere Persönlichkeit habe.“<br />
meinte <strong>Isabella</strong> dazu <strong>und</strong> brachte so alle wieder zum Schmunzeln. „Und, was<br />
haltet ihr von meinem Liebhaber?“ fragte <strong>Isabella</strong> unvermittelt ihre Eltern am<br />
Kaffeetisch. Jetzt lachten alle, <strong>und</strong> ihre Mutter erklärte: „Meinst du, dass man<br />
so etwas so schnell beurteilen kann <strong>und</strong> dass man das sollte? Wir kennen <strong>Pascal</strong><br />
ja kaum.“ „Ich hab' das fast beim ersten Blick erkannt, Mami. Du müsstest<br />
vielleicht mal genauer hinschauen. Das kann sehr spannend sein. Er wird dir<br />
viel mehr über sich erzählen, als was er bisher gesagt hat.“ meinte <strong>Isabella</strong>.<br />
„Du hast schon Recht, meine Liebe, man macht sich immer direkt ein Bild, das<br />
nachträglich kaum wieder zu ändern ist. Warum du ihn so siehst, das weißt du<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 22 von 43
gar nicht. Trotzdem ist das Bild fast direkt beim Anblick da, <strong>und</strong> du teilst die<br />
Leute sofort nach mehr oder weniger sympathisch beziehungsweise unsympathisch<br />
ein. Und du bist ganz weit auf der sympathischen Seite bei mir gelandet,<br />
<strong>Pascal</strong>.“ sagte Frau Falkenberg <strong>und</strong> strich <strong>Pascal</strong> lächelnd über den Arm. Zu<br />
Hause schien <strong>Isabella</strong> sich zu verändern. Einerseits gefiel es ihr, die lustige, kecke<br />
Kleine zu spielen <strong>und</strong> andererseits markierte sie eher die dominante<br />
Chefin, wenn sie <strong>Pascal</strong> alles im Haus <strong>und</strong> im Garten zeigte. „Im Gr<strong>und</strong>e habe<br />
ich das noch nicht verw<strong>und</strong>en, <strong>Pascal</strong>, dass ich hier ausziehen musste. Es<br />
kommt mir vor, als ob hier immer die Sonne geschienen hätte. Durch dich hat<br />
sich da etwas verändert. Du hast einen anderern Horizont eröffnet, an dem<br />
auch immer die Sonne scheinen könnte. Ich glaube, da ist viel dran, dass mich<br />
meine Liebe zu dir ein neues Zuhause empfinden lässt. Kannst du das irgendwie<br />
verstehen?“ fragte <strong>Isabella</strong>. „Ich glaube schon. Wenn du von Heimat oder<br />
Zuhause sprichst, meinst du ja meistens einen Ort in all seinen Erscheinungsformen<br />
<strong>und</strong> Bedingungen mit denen du vertraut bist, die du magst <strong>und</strong> die zu<br />
dir gehören. Ich denke, so etwas kann es ja für deine vielschichtige Psyche,<br />
deine Seele auch geben. Dazu musst du nicht mit dem anderen aufgewachsen<br />
sein <strong>und</strong> dich langsam an alles gewöhnt haben, sondern du erkennst sehr bald,<br />
dass er es ist, der genau zu dir passt, zu dir gehört, der deiner Seele einen Ort<br />
bietet, den du als dein Zuhause empfinden kannst. Ja, ich denke schon, dass<br />
ich so empfinde, dass ich mich mit dir zu Hause fühle.“ meinte <strong>Pascal</strong> dazu.<br />
Nach dem Abendbrot saßen sie noch kurz bei einem Glas Wein zusammen im<br />
Wohnzimmer, bis <strong>Isabella</strong> <strong>Pascal</strong> plötzlich mit der Aufforderung: „Komm, ich<br />
will dich.“ an die Hand nahm <strong>und</strong> ihn in ihr Zimmer zog.<br />
Zwei neue Sterne<br />
Nur von <strong>Isabella</strong>s heißem Verlangen war nicht viel zu spüren, als sie ausgezogen<br />
voreinander im Schneidersitz auf dem Bett saßen. Zwei Engelchen nicht<br />
unähnlich, sie streichelten sich mal, beugten sich vor, um sich zu küssen, aber<br />
sonst redeten <strong>und</strong> lachten sie nur. Ihre Stimmen hatten dabei schon einen<br />
Zärtlichkeitsso<strong>und</strong>, <strong>und</strong> was sie sich sagten, kam einem flirtenden Liebesgezwitscher<br />
am nächsten, aber sie saßen nur da <strong>und</strong> freuten sich darüber, so nah<br />
mit ihren nackten Körpern beieinander zu sein <strong>und</strong> sich gegenseitig betrachten<br />
zu können. Sie sahen eben nicht eine nackte Frau oder einen nackten Mann,<br />
sondern den Körper, den sie begehrten, nach dem sie sich so lange gesehnt<br />
hatten. Das allein schien ihnen sehr gut zu gefallen <strong>und</strong> zu reichen <strong>und</strong> stimmte<br />
sie freudig erregt. Warum sollten sie es nicht fortführen, <strong>und</strong> sie hätten es<br />
bestimmt die ganze Nacht getan, wenn <strong>Pascal</strong> nicht plötzlich eingefallen wäre,<br />
dass <strong>Isabella</strong> doch auch davon geträumt hatte, von ihm gestreichelt zu werden.<br />
Mit breit grinsender Schnute kam <strong>Isabella</strong> auf <strong>Pascal</strong> zu. Sie umarmten<br />
sich, ließen sich aufs Bett fallen <strong>und</strong> lösten sich gar nicht wieder aus ihrer<br />
streichelnden Umarmung. So hatte immer ihre Vorstellung ausgesehen, davon<br />
hatte sie geträumt, nackt mit <strong>Pascal</strong> im Bett liegen, dass seine Haut an ihrer<br />
lag <strong>und</strong> sie in seinen Armen gehalten wurde. Ihre zärtlich glänzenden Augen<br />
blickten <strong>Pascal</strong> an, wenn sie sie nicht gerade vor Wonne geschlossen hatte.<br />
„<strong>Pascal</strong>, so wollen wir uns immer halten, nicht wahr? Zu unserer Gr<strong>und</strong>haltung<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 23 von 43
erklären wir das, <strong>und</strong> immer, wenn wir uns umarmen, stellen wir uns vor, dass<br />
wir dabei nackt im Bett lägen, so wie jetzt.“ schlug <strong>Isabella</strong> vor. <strong>Pascal</strong> lachte,<br />
<strong>Isabella</strong> ebenso. „Ja, <strong>Pascal</strong>, das habe ich mir gewünscht, davon habe ich geträumt,<br />
habe mir vorzustellen versucht, was ich empfinden würde. Es machte<br />
mich selig, aber es war auch aufregend <strong>und</strong> verlangend. Danach war ich verrückt<br />
<strong>und</strong> konnte immer daran denken. Unsere Liebe war das, wie sie nicht nur<br />
unser Empfinden erfasst hatte, sondern auch das Verlangen meines Körpers.<br />
Bestimmt war es immer schon da. Du warst nie wie eine liebe Fre<strong>und</strong>in, aber<br />
gewusst habe ich es erst spät. Jetzt ist es eine <strong>Leidenschaft</strong>, <strong>und</strong> ich weiß<br />
nicht, ob sie nicht stärker ist als ich selber. Es hat mich absolut f<strong>und</strong>amental<br />
erfasst, in Bereichen von denen ich nicht wusste, dass ich darüber verfügte.<br />
Vielleicht sind sie neu, mit dir neu entstanden. Ich bin schon eine andere geworden,<br />
mein Empfinden, die Wahrnehmung meiner Empfindungen hat sich<br />
verändert, als ob ich tiefer oder reifer empfinden würde. <strong>Pascal</strong>, noch nie hat<br />
mich etwas innerlich so bewegt <strong>und</strong> ergriffen wie unsere Liebe. Und das bist<br />
du.“ sprach <strong>Isabella</strong> sanft. „Komm, mein Liebster, streichle mich, ganz sanft.“<br />
meinte sie, womit sie sich auf den Bauch legte. <strong>Pascal</strong> ließ seine Fingerspitzen<br />
zart über <strong>Isabella</strong>s Rücken, ihre Beine ihren Po gleiten <strong>und</strong> bedeckte sie mit<br />
Küssen. „<strong>Pascal</strong>, ganz, ganz vorsichtig. Ich bin so empfindlich heute.“ stoppte<br />
ihn <strong>Isabella</strong> lachend. „Ich glaube, es wäre besser, wenn du mich zuerst mal<br />
vorne streicheln würdest.“ Aber <strong>Pascal</strong>s Berührungen schienen sie so gut wie<br />
überall zu erregen. Sie meinte, seine Finger bis in die Zehen zu spüren „Ach,<br />
<strong>Pascal</strong>, es hat keinen Zweck. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ob ich heute<br />
so sensibel, empfindlich oder high bin, deine Finger, mein Liebster, erregen<br />
mich überall, wo ich sie auch spüre. Ich kann es nicht einfach als zärtliches<br />
Streicheln genießen. An deinen Fingern wird es liegen. Sie sind bestimmt mit<br />
kosmischen Energien geladen <strong>und</strong> jede Berührung durchdringt meinen ganzen<br />
Körper. Ich hatte es mir doch so schön schmuselig gewünscht, aber das scheint<br />
heute nicht zu funktionieren. Komm, wir umarmen uns liebevoll, <strong>und</strong> dann lassen<br />
wir es einfach laufen, schauen, wie es sich entwickelt, oder möchtest du<br />
etwas Bestimmtes?“ beklagte sich <strong>Isabella</strong>. „Wir haben doch Zeit, <strong>Isabella</strong>. Wir<br />
können doch tun <strong>und</strong> lassen was wir wollen, was uns gerade einfällt, <strong>und</strong> wo<br />
wir im Moment Lust zu haben. Wir müssen doch nichts. Wir müssen auch nicht<br />
miteinander schlafen. Vorstellungen, dass <strong>und</strong> wie sich Sex jetzt zwischen uns<br />
abspielen müsste, interessieren mich nicht. Unsere Liebe möchte ich erleben.<br />
Ich empfinde mich auch von ihr so stark erfasst, wie sonst noch nie etwas in<br />
meinem Leben. Für mich ist es einfach schon w<strong>und</strong>erschön, dir ganz nahe zu<br />
sein, hier bei dir zu liegen, dich zu betrachten <strong>und</strong> deine Haut zu spüren. So<br />
habe ich auch von dir geträumt, es war mein unerfüllbarer Wunschtraum. Dass<br />
es jetzt so ist, kann ich kaum fassen, es macht mich sehr glücklich“ erklärte<br />
<strong>Pascal</strong>. „Du bist lieb, ganz, ganz lieb <strong>Pascal</strong>. Ich wünsche mir schon viel Zärtlichkeit,<br />
das ist sanft <strong>und</strong> gefällt mir gut, <strong>und</strong> dass du glücklich bist ebenso,<br />
aber auch Frauen wollen mehr als Zärtlichkeiten <strong>und</strong> Liebkosungen, <strong>Pascal</strong>.“<br />
<strong>Isabella</strong> lächelte schelmisch <strong>und</strong> fuhr fort, „Du weckst sie in mir, diese weitergehenden<br />
Bedürfnisse, das gefällt mir nicht nur gut. Du hast es immer schon<br />
getan, <strong>und</strong> hast mich damit verrückt gemacht. Ich möchte schon, dass wir uns<br />
lieben, <strong>und</strong> ich kann mir bei dem, wie ich dich spüre, kaum vorstellen, dass es<br />
bei dir nicht so sein sollte. Alles Weibliche in mir will dich, dich körperlich voll<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 24 von 43
erleben als Frau <strong>und</strong> nicht nur eine Nacht der Zärtlichkeiten mit dir verbringen.<br />
Bloß ich komme mir heute viel zu leicht <strong>und</strong> zu schnell erregbar vor. Ich würde<br />
es gern länger, ganz lange genießen. Verstehst du? Ich möchte unsere Liebe<br />
auch körperlich endlos spüren können.“ erläuterte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> lächelte schelmisch.<br />
„Sag mal, <strong>Pascal</strong>, findest du mich eigentlich schön <strong>und</strong> begehrenswert?“<br />
fragte <strong>Isabella</strong> plötzlich <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> bog sich vor Lachen. „Ja, das stimmt, <strong>Isabella</strong>,<br />
man müsste sich das eigentlich auch sagen, nur jetzt? Und wie sollte ich<br />
es denn formulieren: „Du bist so schön <strong>Isabella</strong>, ich begehre dich.“?“ überlegte<br />
<strong>Pascal</strong>. Dafür bekam er einen Boxhieb. „Ein unstillbares Verlangen nach der<br />
Schönheit deines Körpers durchwogt all mein Begehren.“ wäre das<br />
poetischer?“ erk<strong>und</strong>igte er sich bei <strong>Isabella</strong>. „<strong>Pascal</strong>, du bist böse <strong>und</strong> machst<br />
dich über mich lustig.“ meinte <strong>Isabella</strong> mit nicht ernster Schmollmimik. „Meine<br />
Liebste, du weißt doch, dass ich dich für die Frau mit dem schönste Po der Welt<br />
halte, die <strong>Isabella</strong> kallipygos, <strong>und</strong> dein Gesicht ist meine Sonne, sie bringt alles<br />
zum Strahlen <strong>und</strong> durchwärmt mein Herz. Kannst du mein Begehren auch einfach<br />
so spüren, ohne dass ich öfter mal Brunftschreie ausstoße?“ reagierte <strong>Pascal</strong>.<br />
„Ja, für Frauen, die meisten wenigstens, ist es schon bedeutsam, begehrt<br />
zu werden, während Männer mit der Einstellung geboren werden, das es bei ihnen<br />
per se der Fall sein muss.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. „Natürlich, sie schmücken sich<br />
ja auch mit modischer Kleidung <strong>und</strong> anderen Accessoires, weil beim Menschen<br />
die Weibchen die aktive Rolle im Balzverhalten haben.“ erläuterte <strong>Pascal</strong>. „Aha,<br />
<strong>und</strong> wie war die Balz deines Weibchens? War sie bei dir erfolgreich, ja?“ fragte<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> fügte dem hinzu: „Dann darfst du aber jetzt auch nicht nur träumen<br />
<strong>und</strong> schmusen wollen, mein Liebster, dafür habe ich doch den ganzen Aufwand<br />
der Balz nicht betrieben.“ „Langsam, ganz langsam, <strong>Pascal</strong>.“ mahnte <strong>Isabella</strong><br />
zwischendurch, „Ich will es ganz genau spüren, alles langsam fühlen. Es<br />
ist doch unser erstes mal. Da darf ich doch nichts vergessen. Das muss ich alles<br />
gut erinnern können. Und so wild? So bist du eben, mein Süßer, nicht<br />
wahr?“ <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> platzte los. „<strong>Isabella</strong>,“ lachte <strong>Pascal</strong>, „muss das immer sein<br />
mit dem Blödsinn.“ Davon hatte <strong>Isabella</strong> nicht im Detail geträumt. Wie hätte<br />
sie denn auch? Sie kenne ja nur ihren Flachlandsex, wie sie meinte. Damit hatte<br />
alles was zwischen ihr <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> heut Abend geschah nichts zu tun. Es<br />
musste ja auch anders sein. <strong>Pascal</strong> war ja nicht einfach anderer Mann. In einer<br />
völlig anderen Szenerie spielte es sich ab. Es kam ihr vor, als ob sie etwas<br />
gänzlich Neues erlebe. Ob das wohl jedes mal unterschiedlich werden würde?<br />
Physiologisch war es ja im Prinzip immer das gleiche, aber würde sie es immer<br />
wieder neu empfinden können, so wie es ihr heute auch als völlig neue Erfahrung<br />
vorkam? So oder ähnlich <strong>und</strong> nur so wollte sie es jetzt immer erleben, als<br />
intensive körperliche Erfahrung ihrer Liebe. „Ich glaube, jetzt bin ich eine Butterblume.<br />
Meine Blüte strahlt goldiges Glück, <strong>und</strong> breit bin ich wie fast geschmolzene<br />
Butter.“ empfand sich <strong>Isabella</strong> nachher. Komm auf mich oder ganz<br />
nah an mich, mein aller, aller, aller Liebster. Nein, das ist blöd, nicht wahr. Mein<br />
Stern? Du Stern meines neuen Lebens? Oder noch besser: Stern am Horizont<br />
der neuen Heimat meiner Seele. Wäre das gut?“ fragte <strong>Isabella</strong>. „Unseres neuen<br />
Lebens oder unserer neuen Heimat, aber da gehört mein Stern auch dazu.“<br />
korrigierte sie <strong>Pascal</strong>. „Also, die beiden Sterne am Horizont der neuen Heimat<br />
unserer Seelen. Richtig so?“ fasste <strong>Isabella</strong> es zusammen <strong>und</strong> meinte: „<strong>Pascal</strong>,<br />
wir könnten uns bestimmt ganz viel sagen, aber im Moment käme es mir vor,<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 25 von 43
als ob jedes Wort alles nur zerreden würde, mein Glück nur stören. Lass uns<br />
schweigen. Im Übrigen wäre deiner Butterblume jetzt sehr danach, unter unseren<br />
beiden neuen Sternen liegend ein wenig schmusend zu träumen <strong>und</strong> dabei<br />
langsam in den Schlaf hinüber zu gleiten.“ Anstatt zu antworten, küsste <strong>Pascal</strong><br />
sie, <strong>und</strong> sie sanken halb an <strong>und</strong> halb aufeinander liegend langsam in den<br />
Schlaf.<br />
<strong>Pascal</strong> im Kopf<br />
„Wehe“ drohte <strong>Isabella</strong> ihrer Mutter mit schwenkendem Zeigefinger am Morgen,<br />
als sie in die Küche kam, <strong>und</strong> die sie fragend anschaute. Sie hatte verstanden,<br />
dass sie nicht fragen sollte, wie's war. „Ich glaube, ich bin für so etwas<br />
gar nicht geeignet.“ meinte <strong>Isabella</strong> „Ich bin sofort high. Wie ein Mimöschen,<br />
die leichteste Berührung geht mir völlig durch“ „Ist das denn nicht<br />
schön? Geht dir das immer schon so?“ wollte ihre Mutter wissen. „Nein, nur<br />
heute Nacht. Stimmt, an <strong>Pascal</strong> wird es liegen. Es liegt gar nicht an mir. Aber<br />
etwas Besonderes hat er doch gar nicht gemacht.“ staunte <strong>Isabella</strong>. „Es wird<br />
der <strong>Pascal</strong> in deinem Kopf gewesen sein, der dein Empfinden beeinflusst hat.<br />
Wie du etwas sexuell empfindest, entscheidet sich immer in deinem Kopf. Und<br />
wenn dein Kopf weiß, dass du zum ersten mal die Fingerspitzen deines Allerliebsten<br />
spürst, dann wird er dich schon anders empfinden <strong>und</strong> vielleicht ein<br />
wenig verrückt spielen lassen. Der macht vieles sowieso absolut selbständig,<br />
ohne sich deine Zustimmung einzuholen oder dich überhaupt zu informieren.“<br />
meinte <strong>Isabella</strong>s Mutter. <strong>Isabella</strong> sinnierte. Das konnte sie gut nachvollziehen.<br />
Schon in der Vergangenheit hatte <strong>Pascal</strong> ja weitgehend eigenmächtig in ihrem<br />
Kopf agiert. Hatte er sie etwa gefragt, ob sie ständig an ihn denken wolle? Er<br />
hatte sich einfach ihres Kopfes bemächtigt. Liebe muss ein Pirat sein, der in<br />
deinen Gedankengängen segelt <strong>und</strong> dein Wertvollstes kapern will. Dass aus<br />
<strong>Pascal</strong> über Nacht „mein Stern“ geworden war, konnte niemandem am Frühstückstisch<br />
verborgen bleiben. Aber auch nach sonstigen Veränderungen durch<br />
die Nacht suchte <strong>Isabella</strong>s Mutter neugierig, doch sie musste sich eingestehen,<br />
das alles im Spekulativen blieb. Die neue Sprache, worüber die Blicke, die <strong>Isabella</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> wechselten, jetzt verfügte, blieb Frau Falkenberg natürlich<br />
verborgen. „Wir werden jetzt jeden Abend zum Schlafen herkommen. Es hat<br />
uns in der letzten Nacht sehr gut gefallen in dem tollen, neuen Bett. Das kann<br />
man doch nicht einfach ungenutzt lassen. Sogar gut schlafen kann man darin.“<br />
begründete <strong>Isabella</strong> es schmunzelnd <strong>und</strong> dankte ihren Eltern nochmal.<br />
<strong>Isabella</strong> fragte <strong>Pascal</strong>, ob er lieber spazieren gehen oder Frau Falkenberg in der<br />
Küche beim Essen kochen helfen wolle. Für Küche entschied man sich. Jeder<br />
wusste beim Kochen irgendwelche Tips, über die sich die anderen lustig machten<br />
oder gab etwas Kurioses aus seinen Kocherfahrungen zum Besten. <strong>Pascal</strong><br />
erzählte, dass seine Mutter beim Kochen immer sang, aber noch lieber hätte<br />
sie sich von seiner Schwester oder ihm dabei etwas vorlesen lassen. „Oh tempora,<br />
oh mores,“ eröffnete Frau Falkenberg ihr Wehklagen, „diese kaputten<br />
Menschen. Früher hat man überall bei der Arbeit gesungen. Nicht nur in der<br />
Küche, auch auf den Feldern haben die Frauen gesungen. Singen ist der seeli-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 26 von 43
sche Ausdruck eines kultivierten Menschen. Er bringt seine innere Harmonie<br />
zum Ausdruck <strong>und</strong> pflegt sie. Das wusste man schon vor mehreren tausend<br />
Jahren. Die Kultur im Alltag wird heute zunehmend verschrottet.“ „Ja, <strong>und</strong> vorgelesen<br />
wird auch nur noch in Zigarrenfabriken.“ verstand es <strong>Isabella</strong> dem beizupflichten<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig die Zwerchfelle anzuregen. Man scherzte, lachte<br />
gemeinsam <strong>und</strong> übereinander. Das Kochen selbst wurde zweitrangig. Im Vordergr<strong>und</strong><br />
schien das grenzenlose Gaudium zu stehen. Frau Falkenberg mochte<br />
<strong>Pascal</strong> offensichtlich auch gut leiden. Ihn sprach sie immer an oder bezog ihn<br />
ein bei irgendwelchen Scherzen. Als er mal kurz raus war, meinte <strong>Isabella</strong>s<br />
Mutter: „Also, ich will mich ja kein bisschen einmischen, aber deine Zweifel<br />
kann ich überhaupt nicht verstehen. Wenn du ihn nicht willst, nehme ich ihn.“<br />
„Mami, lass es, dräng mich nicht. Es hat ja auch mit <strong>Pascal</strong> nichts zu tun.“ reagierte<br />
<strong>Isabella</strong> lachend.<br />
Mahlers Adagietto<br />
Am Nachmittag lagen sie auf dem neuen Bett <strong>und</strong> hörten Musik. <strong>Pascal</strong> wollte<br />
<strong>Isabella</strong> zeigen, wobei er geträumt hatte, dass <strong>Isabella</strong> jetzt zu ihm ins Bett<br />
käme. „Ja, w<strong>und</strong>erschön, nicht wahr? Da breitet die Seele noch viel mehr als<br />
ihre Flügel aus, da öffnet sie sich ganz. So hätte ich es gerne gehabt, aber ich<br />
war gestern Abend einfach zu kribbelig, zu angespannt, zu aufgeregt. Bestimmt<br />
legt sich das, wenn du mich mal öfter gestreichelt hast.“ „Aufgeregt<br />
war ich schon auch. Na ja, es war ja für uns beide nichts Alltägliches. Also, gelassen<br />
<strong>und</strong> relaxed war ich bestimmt nicht. Ich kam mir eher wie ein kleiner<br />
Junge vor, der keinesfalls bei dir etwas falsch machen wollte. War denn etwas<br />
falsch?“ fragte <strong>Pascal</strong> provozierend. „Ja, Schweinkram hast du gemacht, nur<br />
Schweinkram. So etwas tut man nicht bei einer anständigen Frau.“ reagierte<br />
<strong>Isabella</strong>. „Sollte ich das in Zukunft lieber bleiben lassen?“ erk<strong>und</strong>igte sich <strong>Pascal</strong>.<br />
„Bloß nicht, anständige Frauen lieben das.“ lautete <strong>Isabella</strong>s Antwort. <strong>Isabella</strong><br />
hatte ihren Kopf auf <strong>Pascal</strong>s Bauch gelegt, <strong>und</strong> die Finger einer Hand hatten<br />
sie ineinander verhakt. Plötzlich fuhr <strong>Isabella</strong> hoch. „Sag mal, <strong>Pascal</strong>, was<br />
meinst du, sollte ich mich von Benni trennen?“ fragte sie ihn. <strong>Pascal</strong> lachte auf.<br />
„<strong>Isabella</strong>, was soll ich dir denn dazu sagen? Ja, verlasse ihn sofort <strong>und</strong> komm<br />
zu mir. Dann habe ich zwei Fre<strong>und</strong>innen. Je mehr, umso besser?“ <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
lachte wieder. „<strong>Isabella</strong>, das ist bei mir doch genauso verworren wie bei dir.<br />
Meine Heimat ist bei dir, aber soll ich Anett einfach fortschicken. Sie hat mir<br />
doch nichts getan, <strong>und</strong> wir waren vor nicht langer Zeit noch sehr verliebt. Sie<br />
ist es mit Sicherheit immer noch.“ fügte <strong>Pascal</strong> hinzu. Jetzt redeten sie zum<br />
ersten mal intensiv über ihre Beziehungen. Sie sprachen auch über ihre Liebe,<br />
die sie für den Partner empfanden. Sowohl für <strong>Isabella</strong> als auch für <strong>Pascal</strong><br />
spielte sie sich aber auf einer anderen Ebene ab. Sie sahen es aus der Metaperspektive<br />
ihrer eigenen Liebe, die über allem schwebte. „Benni ist meine erste<br />
Liebe. Durch ihn habe ich überhaupt erst erfahren, was Liebe sein kann. Das<br />
wird für mich immer bedeutsam bleiben.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. „Eine ähnliche Liebe<br />
war es bei dir nicht. Dann hätte es sie nicht gegeben. Auf den Gedanken,<br />
dass ich in dich verliebt sein könnte, kam ich erst, als ich anfing zu spinnen.<br />
Ich hatte immer nur ein fanatisches Bedürfnis, in deiner Nähe sein zu wollen.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 27 von 43
Dich sprechen zu hören <strong>und</strong> zu sehen, dich zu erleben, war wie eine Gier.<br />
Deine Worte lassen mich hören <strong>und</strong> sehen, wer du bist. Sie sind voll Harmonie.<br />
Ich höre ihren lyrischen Rhythmus, deine Worte sind ein Gedicht. Ein Gedicht<br />
für mich mit der Melodie deiner Sprache. Deine Worte sind ein Lied, ein<br />
Liebeslied. Du schenkst es mir. Du schenkst mir dich, immer wieder. Mit Liebe,<br />
wie ich sie kannte <strong>und</strong> <strong>und</strong> erlebte, hatte das nichts zu tun. Als erwachsene<br />
Frau sah ich mich, mit dir <strong>und</strong> durch dich. Und du warst kein netter Junge<br />
sondern ein erwachsener Mann. Aber es ist ja nicht nur dies Verlangen, <strong>Pascal</strong>.<br />
Ich mag dich total gut leiden. Als ob mir alles an dir gefiele, alles w<strong>und</strong>ervoll<br />
wäre. Unsinn, nicht wahr? Aber ich verstehe dich eben zu gut. Niemals war ich<br />
einem anderen Menschen so nahe wie dir. Je tiefer ich dich erkennen konnte,<br />
umso großartiger kamst du mir vor. Ich sah immer mehr von dem, was den<br />
Menschen in dir ausmachte, <strong>und</strong> das ist das eigentlich Großartige. Alle<br />
Äußerlichkeiten werden immer unbedeutender, <strong>und</strong> das W<strong>und</strong>er Mensch, das<br />
ich in dir sehe, immer größer. Noch nie ist mir das so bewusst geworden. Jede<br />
<strong>und</strong> jeder wird dieses W<strong>und</strong>er in sich tragen, nur niemand ist da, der es<br />
erkennen will <strong>und</strong> kann. Weißt du, <strong>Pascal</strong>, dieser Jesus in der Bibel hat doch<br />
gesagt: „Liebet eure Feinde.“, das kann ich jetzt verstehen <strong>und</strong> die Mütter, die<br />
ihre Kinder lieben, obwohl sie zu Verbrechern geworden sind, auch. Das<br />
machst du aber nicht, <strong>Pascal</strong>, nicht wahr? Du bleibst immer schön brav, ja?“<br />
anders konnte <strong>Isabella</strong> auch ernsthafte Überlegungen nicht beschließen.<br />
„Durch dich hat sich vieles andere für mich relativiert, auch meine Beziehung<br />
zu Benni.“ stellte sich <strong>Isabella</strong> dar. „Wenn du mich verlassen, <strong>und</strong> anderswo<br />
studiert hättest, würde ich vielleicht mit Anett glücklich sein. Vielleicht würden<br />
wir Kinder haben, wenn sie es wollte, aber die Sehnsucht nach dir bliebe<br />
immer unverändert“ stellte <strong>Pascal</strong> sein Empfinden dar. „Jeden Tag würde ich<br />
hoffen, dich irgendwann wiederzusehen. Das bleibt so <strong>Isabella</strong>. Das ist wie eine<br />
Sucht,ist ganz tief in mir, <strong>und</strong> verschwinden wird es nie wieder.“ erklärte<br />
<strong>Pascal</strong>. <strong>Isabella</strong> sagte nichts. Sie übertrug es auf ihre Situation <strong>und</strong> versuchte<br />
sich ihre Sehnsucht nach <strong>Pascal</strong> vorzustellen. <strong>Isabella</strong> betrachtete <strong>Pascal</strong><br />
stumm, ihre Mimik hatte ernste Züge. Dann nickte sie langsam, <strong>und</strong> als Zeichen<br />
ihres gleichen Empfindens, fiel sie <strong>Pascal</strong> um den Hals. „Das Hauptproblem<br />
ist doch deutlich.“ meinte sie, „Benni <strong>und</strong> Anett behindern das uneingeschränkte<br />
Verhältnis zwischen dir <strong>und</strong> mir. Sie behindern die umfassende <strong>und</strong><br />
frei Ausübung unserer Liebe. Das darf doch kein Mensch, oder?“ fragte sie,<br />
während ein schelmisches Lächeln ihren M<strong>und</strong> umspielte.<br />
Nackter Mann<br />
„Sag mal, <strong>Pascal</strong>, findest du eigentlich, dass ich auch ein W<strong>und</strong>erwerk bin?“<br />
wollte <strong>Isabella</strong> mit spezifischem, nicht ganz ernstem Unterton wissen. <strong>Pascal</strong><br />
bog sich <strong>und</strong> lachte stumm. „Also, ich denke, dass es dir manchmal noch an<br />
der notwendigen Explosivkraft mangelt, aber sonst finde ich, das du eher ein<br />
Feuerwerk bist, so feurig <strong>und</strong> in all dieser funkelnden Pracht ...“ <strong>Isabella</strong> ließ<br />
<strong>Pascal</strong> nicht zu Ende reden, sondern überfiel ihn, als ob sie ihn für seine boshafte<br />
Bemerkung niederkämpfen wolle. Nur sie lagen ja beide schon. Es blieb<br />
ihnen also nichts als ein wenig herumwälzen <strong>und</strong> dabei zu lachen. Sie lagen<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 28 von 43
wieder in der von <strong>Isabella</strong> als Gr<strong>und</strong>haltung bezeichneten Umarmung, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
streichelte ihr über den Rücken. Er fuhr mit seiner Hand unter <strong>Isabella</strong>s T-<br />
Shirt, <strong>und</strong> sie zog es aus. <strong>Pascal</strong> ließ seine Hand über <strong>Isabella</strong>s Rücken gleiten.<br />
„Fühlt sich das gut an für dich?“ fragte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> nickte nur. „Für dich<br />
auch?“ erk<strong>und</strong>igte er sich. „Mhm.“ stimmte <strong>Isabella</strong> zu, „aber vorne nicht. Meine<br />
Haut will deine Haut spüren <strong>und</strong> nicht dein Oberhemd. Meine Brüste sind<br />
nicht Cotton fetischistisch.“ Sie half ihm beim Ausziehen. „Zieh das auch aus.“<br />
befahl <strong>Isabella</strong>, womit sie <strong>Pascal</strong>s Hose meinte, „Und das auch.“ <strong>Pascal</strong> sollte<br />
auch seinen Slip ausziehen, monierte aber: „<strong>Isabella</strong>, was tun wir? Wenn gleich<br />
mal deine Mutter rein kommt.“ „Mein Vater könnte auch kommen <strong>und</strong> uns zum<br />
Kaffee rufen. Wir werden ihnen sagen, wie es ist, dass wir für unsere Gr<strong>und</strong>haltung<br />
üben.“ meinte <strong>Isabella</strong> dazu. „Und was hast du in Hosen mit einem<br />
nackten Mann vor?“ erk<strong>und</strong>igte sich <strong>Pascal</strong> weiter. „Anschauen, anfassen, aber<br />
es geht ja nicht um einen nackten Mann, es geht ja um dich.“ <strong>Isabella</strong> darauf.<br />
Sie befühlte <strong>Pascal</strong>, beugte sich vor <strong>und</strong> ließ ihre Brüste über seine Haut gleiten.<br />
„Du, hast es gern, wenn die Frau deinen Penis in den M<strong>und</strong> nimmt, nicht<br />
wahr?“ fragte <strong>Isabella</strong>. <strong>Pascal</strong> lacht auf: „Nein, <strong>Isabella</strong>, du tust mir keinen Gefallen<br />
damit.“ Die schaute ihn fragend an <strong>und</strong> meinte: „Das kann ich nicht<br />
glauben. Alle Männer mögen das.“ „Mir fehlen aber die entsprechenden Gene.“<br />
meinte <strong>Pascal</strong>, „Das sind Männervorlieben, die sich kulturell verbreitet haben.<br />
Bei mir ist da noch nix angekommen. Ich habe noch viel von dem ursprünglichen<br />
Mann aus den Wäldern. Legst du denn Wert darauf?“ wollte er von <strong>Isabella</strong><br />
wissen. „Um Himmels Willen,“ reagierte die, „im Prinzip kann eine Frau das<br />
gar nicht wollen. Sie hat nichts davon. Es können nur Spinnereien in ihrem<br />
Kopf sein.“ Und dann dozierte <strong>und</strong> ereiferte sie sich über den Unsinn von Fellatiovorlieben<br />
bei Frauen. <strong>Pascal</strong> hatte schon mal bemerkt, dass es ihn doch<br />
überhaupt nicht interessiere, aber darauf hatte <strong>Isabella</strong> gar nicht reagiert. Jetzt<br />
rief er sie, wobei das 'e' in ihrem Namen wie ein ganz lang gezogenes 'ä' klang.<br />
„<strong>Isabella</strong>, warum sollen wir uns damit beschäftigen, wenn es uns beide nicht<br />
betrifft, weil wir beide die gleiche Auffassung haben?“ meinte <strong>Pascal</strong>. „Das haben<br />
wir auch bestimmt schon unbewusst gleich beim ersten Blick erkannt.“<br />
vermutete <strong>Isabella</strong> zur Erheiterung <strong>Pascal</strong>s, der von ihr wissen wollte, worin<br />
sich so etwas denn offenbare. Für <strong>Isabella</strong> war das Anlass zu einer erneuten<br />
Balgerei, während Frau Falkenberg gerade beschlossen hatte, die beiden zum<br />
Kaffee zu rufen. Ohne ein Wort zu sagen, schloss sie sofort wieder die Tür. <strong>Isabella</strong><br />
sprang auf, lief ihr mit bloßem Oberkörper nach <strong>und</strong> meinte „Mami, es ist<br />
nix. Wir kommen, fangt noch nicht an.“<br />
Es ist so <strong>und</strong> es wird sich nicht ändern<br />
Beim nächsten Besuch bei <strong>Isabella</strong>s Eltern machte sie eine ernste, strenge<br />
Mine. So hatte <strong>Pascal</strong> <strong>Isabella</strong> noch nie gesehen. Als er sie fragte, erklärte sie<br />
energisch: „Ich mach das nicht mehr. Ich komm' mir idiotisch vor. Es gibt doch<br />
gar keine Alternative. Vor wem müssen wir denn warum was verheimlichen<br />
oder verstecken? Kann ich nicht dazu stehen, wie es ist? Etwa vor Benni nicht?<br />
Es ist so, <strong>und</strong> es wird sich nicht ändern. Das steht für uns beide fest. Das ist<br />
die Realität. Da hab' ich es nicht nötig, Benni etwas vorzugaukeln. Das ist kin-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 29 von 43
disch <strong>und</strong> unwürdig, auch Benni selbst gegenüber.“ <strong>Pascal</strong> stimmte dem zu, nur<br />
bei sich? Da konnte er das nicht so einfach sagen. Die Beziehung zwischen Anett<br />
<strong>und</strong> ihm war anders strukturiert. Er war für Anett jemand anders als Benni<br />
für <strong>Isabella</strong>. Er liebte Anett schon, aber sie bew<strong>und</strong>erte ihn. Ihm wurde erst<br />
jetzt einiges über sein Verhältnis zu Anett klar. Dass er der dominante Mann<br />
war, hätte er eigentlich immer schon erkennen können, bewusst geworden war<br />
es ihm aber noch nie. Anett hatte es ihn noch nie spüren lassen. Ob sie vielleicht<br />
so ein Verhältnis auch suchte, sie den Mann haben wollte, zu dem sie<br />
aufblicken konnte, weshalb auch immer? Bei ihrem Intellekt <strong>und</strong> ihrer Position<br />
in feministischen Fragen, hätte er es auch nie vermutet. Vielleicht hatte er etwas<br />
von der Funktion ihrer zwei Jahre älteren Schwester, die ihr sehr viel bedeutete.<br />
Es musste sich ziemlich subtil abgespielt haben, weil für <strong>Pascal</strong> im<br />
Gr<strong>und</strong>e nur eine Beziehung auf gleicher Ebene in Frage kam, wie er sie jetzt zu<br />
<strong>Isabella</strong> hatte. Er konnte Anett nicht einfach die Realität mitteilen, auch wenn<br />
er sie betrog, überwog sein Bedürfnis, sie davor zu schützen, dass sie es erfuhr.<br />
<strong>Isabella</strong> fuhr ihn an: „Was für ein Macho bist du denn, dass du dir anmaßt,<br />
darüber entscheiden zu können, was für Anett gut zu wissen ist, oder<br />
nicht. Bist du Anetts Zensurbehörde oder ihr Sklavenhalter? <strong>Pascal</strong>, das ist<br />
ganz widerlich. Anett ist eine selbständige, erwachsene Person, die für sich<br />
entscheiden kann, <strong>und</strong> das solltest du jederzeit allerschärfstens respektieren.“<br />
„<strong>Isabella</strong>, ich will Anett doch keineswegs bevorm<strong>und</strong>en, nur ich habe auch keine<br />
Lust daran, sie zu verletzen. Das werde ich mit Sicherheit tun, nur ich kann<br />
überhaupt nicht abschätzen, wie stark es sie treffen <strong>und</strong> wie sie damit umgehen<br />
wird. Und davor habe ich Angst. Es gibt doch die schlimmsten Beispiele<br />
dafür, wie es Menschen getroffen hat, wenn sie plötzlich verlassen wurden. Es<br />
bei Anett einfach darauf ankommen lassen, das kann ich nicht. Ja, <strong>Isabella</strong>, ich<br />
liebe sie, zwar nicht so wie wir uns, aber ich empfinde sehr viel für sie.“ erklärte<br />
<strong>Pascal</strong> dazu. „Oh, <strong>Pascal</strong>, alles muss man dir vorsagen. Dir scheint es an<br />
jeglichen kreativen Impulsen zu mangeln. Sie hat doch zum Beispiel sicher<br />
Fre<strong>und</strong>innen, die sie auffangen können, wenn es zu schlimm wird, oder mit denen<br />
du sonst etwas aushecken kannst. Ihre Eltern, könntest du die vielleicht<br />
ansprechen? Lass dir doch mal etwas einfallen. Du starrst nur wie das Kaninchen<br />
auf die Schlange „Sagen oder Nicht-Sagen“.<br />
Pias Geheimnis<br />
<strong>Isabella</strong> hatte es Benni gesagt. Sie hatten lange darüber geredet. „Ich weiß es<br />
doch Benni. Es war sehr schön, <strong>und</strong> vergessen werde ich es niemals, gleichgültig<br />
ob wir zusammen sind oder nicht, nur das war alles gestern, ist Geschichte,<br />
Erinnerung, bedeutsame Erinnerung, aber heute ist das nicht.“ hatte <strong>Isabella</strong><br />
ihm gesagt, wenn er immer wieder an gemeinsame Erlebnisse <strong>und</strong> Erfahrungen<br />
erinnerte. „Ich liebe dich auch heute noch, Benni, nur ich bin auch eine<br />
andere geworden, <strong>und</strong> es gibt eine Liebe, die mich heute trifft. Diese Liebe ist<br />
anders, <strong>und</strong> ich will sie unbedingt, <strong>und</strong> von ihr wird mich nichts <strong>und</strong> niemand<br />
abbringen können. Das ist so, <strong>und</strong> das lässt sich nicht ändern. Ich kann nicht<br />
verlangen, dass du mich verstehst <strong>und</strong> es akzeptierst, aber vielleicht stimmst<br />
du dem zu, dass es etwas geben kann, dass stärker ist als alles andere, das<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 30 von 43
dein bisheriges Empfinden übersteigt. So ist es für mich, Benni, <strong>und</strong> du wirst<br />
nicht umhinkommen, es zu akzeptieren. Es wird dir weh tun, das weiß ich. Ich<br />
will dir keinesfalls wehtun, aber wie sollte ich es denn verhindern, dass es für<br />
dich schmerzlich ist?“ hatte sie es Benni zu erklären versucht. Sie habe den<br />
Eindruck gehabt, dass Benni es sehr gefasst aufgenommen habe, aber man<br />
wisse ja nie, wie es wirke. <strong>Pascal</strong> hatte sich mit Pia, Anetts bester Fre<strong>und</strong>in getroffen.<br />
<strong>Pascal</strong> mochte Pia auch gut leiden. Sie war immer sehr lustig <strong>und</strong><br />
neckisch. „Boah, was macht ihr denn für Sachen?“ stöhnte sie , als <strong>Pascal</strong> kurz<br />
berichtet hatte. Dann erk<strong>und</strong>igte sie sich immer näher nach den Einzelheiten<br />
von <strong>Pascal</strong>s <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong>s Liebe. „Du liebst sie <strong>und</strong> hast gewusst, dass sie dich<br />
auch liebt <strong>und</strong> umgekehrt genauso? Ihr habt aber kein Sterbenswörtchen davon<br />
gesagt, sondern habt immer fleißig zusammen Kaffee getrunken, als ob<br />
nichts wäre.“ Pia ließ sich aufs Bett fallen <strong>und</strong> lachte sich tot. „Das ist ja total<br />
crazy. So etwas habe ich noch nie gehört.“ meinte sie. „Ja, es ist einfach so gekommen.<br />
Ich habe mir ja selber immer etwas vorgemacht, dachte ich fänd' sie<br />
ganz nett, bis ich mir eingestehen musste, dass ich süchtig nach ihr war. Aber<br />
wir wollten es doch beide nicht, ich wegen Anett nicht <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> hatte auch<br />
einen festen Fre<strong>und</strong>. Als wir es vor uns selbst nicht mehr verheimlichen konnten,<br />
haben wir sogar richtig offiziell Schluss gemacht, aber Liebe arbeitet nicht<br />
mit dir <strong>und</strong> deinen Beschlüssen zusammen. Sie akzeptiert nur ihre eigenen Methoden.“<br />
erläuterte <strong>Pascal</strong>. „Ich versteh dich gut, <strong>Pascal</strong>. Damit du das weißt.“<br />
meinte Pia, „Und was soll ich dabei tun? Es Anett schonend beibringen?“<br />
„Müsste ich das nicht eigentlich selber tun? Ich weiß nur überhaupt nicht, wie<br />
sie es auffassen wird, <strong>und</strong> was es ihr ausmacht. Vielleicht könntest du ihr dabei<br />
ein wenig helfen, dass es für sie erträglicher wird.“ „Na klar,“ meinte Pia, „ich<br />
werde vorher <strong>und</strong> nachher mit ihr reden.“ <strong>Pascal</strong> hatte mit Anett etwas Ernstes<br />
zu besprechen. Es sei nicht angenehm. Sie müsse sehr gefasst <strong>und</strong> ganz stark<br />
sein. Anett schien das nicht sonderlich zu tangieren. Ihre Mimik zeigte fre<strong>und</strong>liche<br />
Gelassenheit. Dann hatte <strong>Pascal</strong> angefangen, von ihrer großen Liebe zu erzählen.<br />
Anett grinste immer nur <strong>und</strong> meinte schließlich: „Aber jetzt hast'e ne<br />
neue Fre<strong>und</strong>in.“ <strong>Pascal</strong>s große, erstaunte Augen starrten Anett an. Nach seinem<br />
Schock fragte er Anett, woher sie es wisse. „Von Pia natürlich, aber sie<br />
wollte es nicht verraten <strong>und</strong> hat mir verboten es zu wissen. Ich sollte ganz<br />
traurig sein, hat sie mir befohlen. Im Gr<strong>und</strong>e bin ich das ja schon, <strong>Pascal</strong>, natürlich<br />
wäre ich lieber mit dir zusammen geblieben, aber wenn das stimmt, was<br />
Pia gesagt hat, <strong>und</strong> das glaube ich schon, muss ich mich eigentlich bei dir bedanken,<br />
auch wenn du mich verlässt. Damit fing es ja an, dass Pia so von dir<br />
geschwärmt hat. Ich verstand das nicht <strong>und</strong> habe sie gefragt, ob sie sich in<br />
dich verliebt habe. Nein, meinte sie, es sei nur wichtig, dass ich das wisse.<br />
Jede weitergehende Frage, die sie beantwortete, machte alles nur noch obskurer.<br />
Bis ich ihr gesagt habe, sie wisse etwas, was sie mich nicht wissen lassen<br />
wolle, sie solle es erzählen. Nach langwierigem, weiteren Hin <strong>und</strong> Her <strong>und</strong> Zusicherungen,<br />
hat sie es mir dann erzählt. Mein Lieber, hast du so für mich gelitten.<br />
Ich liebe dich, glaube ich, noch viel mehr als vorher.“ erläuterte Anett.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich könne sie so etwas mit der großen <strong>Leidenschaft</strong>, gegen die man<br />
machtlos sei, schon verstehen. „Ihr seid ja schließlich nicht die ersten, die davon<br />
befallen wurden. Die Geschichte ist voll von derartigen Lovestories <strong>und</strong> bestimmt<br />
ist es ein Traum von vielen, dass ihnen selbst so etwas widerfahren<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 31 von 43
möge. Ich mache dir <strong>und</strong> deiner Fre<strong>und</strong>in überhaupt keine Vorwürfe, <strong>und</strong> du<br />
tätest mir einen Gefallen damit, wenn ich <strong>Isabella</strong> mal kennenlernen könnte.“<br />
äußerte sich Anett.<br />
Zukunftspläne<br />
<strong>Isabella</strong> hatte ihrer Mutter am Telefon schon alles erzählt. „Aber deine Fre<strong>und</strong>in<br />
muss ja eine wirklich starke Frau sein, nicht wahr?“ meinte Frau Falkenberg zu<br />
<strong>Pascal</strong>. „Tscha, allem Anschein nach. Das habe ich bei ihr erst jetzt erkannt. Es<br />
muss doch wohl so sein, dass auch Männer, die sich für ziemlich feinfühlig halten,<br />
im Bereich des Sozialen ein wenig tumb sein können.“ antwortete <strong>Pascal</strong>.<br />
„Nein, mein Liebster, mach dir keine Vorwürfe. Du bist genau passend zart <strong>und</strong><br />
sensibel, ein Mimöschen willst du doch nicht sein, oder?“ äußerte sich <strong>Isabella</strong><br />
mit einem verschmitzten Lächeln dazu <strong>und</strong> überlegte weiter, „Vielleicht hat Anett<br />
ihre innere Stärke ja bewusst verborgen gehalten, um dich im passenden<br />
Moment damit zu schockieren. Wie will ein Mann denn so etwas spüren, selbst<br />
wenn er so feinfühlig ist wie du?“ „Und heute Abend gibt’s Champagner?“ wollte<br />
Frau Falkenberg wissen. <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> warfen sich fragende Blicke zu.<br />
„Also, das ist ja ein wenig gemischt. Ich möchte auf keinen Fall feiern, dass wir<br />
Benni <strong>und</strong> Anett jetzt endlich los sind, aber dass wir jetzt alle Freiheiten für<br />
uns haben, darauf könnte man schon einen Champagner trinken, nicht wahr<br />
<strong>Pascal</strong>? Wir haben uns ja auch riesig gefreut darüber <strong>und</strong> sind uns glücklich um<br />
den Hals gefallen.“ meinte <strong>Isabella</strong>.<br />
„Mami, wir werden aber weiterhin kommen, oder <strong>Pascal</strong>? Es hat uns zu gut gefallen.<br />
Das ist ein schönes Bett, unser Liebesbett, außerdem ist es w<strong>und</strong>ervoll,<br />
mit euch zusammen zu sein, <strong>und</strong> mit dir, Mami, Sonntagmorgens zu kochen.<br />
Wie sollte man darauf verzichten können? Es ist immer wie ein kleiner Urlaub<br />
hier, oder empfindest du das anders <strong>Pascal</strong>?“ wollte sie wissen. „Du hast noch<br />
die Kirschtorte <strong>und</strong> den Pflaumenkuchen am Freitagnachmittag vergessen. So<br />
etwas gäbe es bei uns nie.“ fügte <strong>Pascal</strong> hinzu. Am Abend überlegten sie, wie<br />
die Zukunft sich für sie gestalten würde. „Benni wird auf jeden Fall ausziehen.<br />
Er sucht schon eifrig <strong>und</strong> hat sich schon einiges angeschaut. Allein dort wohnen<br />
bleiben? Man könnte natürlich die Auffassung vertreten, dass man, um ein<br />
eigenständiges Leben führen zu können, lieber allein leben solle, <strong>und</strong> sich mit<br />
seinem Partner treffen könne, wenn man Lust dazu habe. Nicht wenige tun das<br />
ja auch <strong>und</strong> sind glücklich damit. Ich kann das rational gut nachvollziehen. Nur<br />
der Mensch ist seine Kommunikation <strong>und</strong> ich besonders. Ich bin kein Puma<br />
Weibchen, das sich mit seinem Partner nur irgendwann mal zur Kopulation<br />
trifft. Eine evolutionär bedingte Veranlagung zum Eremitentum <strong>und</strong> isoliertem<br />
Leben gibt es beim Menschen nicht. Oder hast du solche Gene, <strong>Pascal</strong>, <strong>und</strong><br />
möchtest ihnen gern folgen?“ fragte <strong>Isabella</strong>. „Nein, nein, keineswegs, nur wir<br />
haben uns immer schrecklich darauf gefreut, den anderen nach dieser unendlich<br />
langen Woche wiederzusehen. So etwas wird es dann natürlich nicht mehr<br />
geben. Die Sehnsucht ist vorbei. Das Bedürfnis ist dauerhaft befriedigt.“ meinte<br />
<strong>Pascal</strong> dazu. „Thomas, hast du etwa keine Sehnsucht mehr nach mir?“ fragte<br />
Frau Falkenberg streng ihren Mann. „Natürlich, Charlotte,“ meinte der, „du<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 32 von 43
weißt doch, wie oft ich dich anrufe <strong>und</strong> frage, ob du mal eben kommen könntest.“<br />
Dafür bekam er einen Knuff in die Rippen. „Die könnten zum Beispiel<br />
auch nicht für sich allein leben. Wie sollten sie denn dann ihre kleinen Neckereien<br />
anbringen, die endlos verliebten Hasen.“ hatte <strong>Isabella</strong> zwar an <strong>Pascal</strong><br />
gerichtet aber ließ Herrn <strong>und</strong> Frau Falkenberg trotzdem lächelnd grinsen. „<strong>Pascal</strong>,<br />
junger Mann, die Sehnsucht in der Liebe ist doch nicht daran geb<strong>und</strong>en,<br />
dass man sich eine Woche lang nicht sieht. Du brauchst keine Angst zu haben,<br />
du kannst sie auch empfinden, wenn <strong>Isabella</strong> neben dir in der Küche steht. Er<br />
wird doch noch viel von dir lernen müssen, <strong>Isabella</strong>.“ machte Frau Falkenberg<br />
deutlich. „Aber, Mami, ich weiß sicher vieles über Küche, nur mit der Sehnsucht<br />
kenn' ich mich da auch nicht aus.“ so die angesprochene <strong>Isabella</strong> dazu. „Ja, ist<br />
das so, Charlotte, dass die sich bei dir immer in der Küche entwickelt?“ mischte<br />
sich der meistens sehr zurückhaltende Herr Falkenberg ein, während seine<br />
Charlotte die Augen nur halb geöffnet hatte, ihre Lippen grinsend zusammenkniff<br />
<strong>und</strong> dadurch zum Ausdruck brachte, dass man von ihr kein Wörtchen<br />
mehr dazu hören würde. „Über die zukünftige Wohnsituation von Anett <strong>und</strong> mir<br />
haben wir noch nicht gesprochen.“ erklärte <strong>Pascal</strong>, „Ich könnte mir nur vorstellen,<br />
dass Anett gern wohnen bleiben würde. Ihr gefällt es dort <strong>und</strong> sie fühlt<br />
sich wohl, nur allein kann sie die Wohnung nicht finanzieren. Vielleicht würde<br />
sie gern mit einer Fre<strong>und</strong>in zusammen leben, dann hätten sie schon eine Wohnung.“<br />
Bunte Nächte<br />
Die Nächte waren bunt, <strong>und</strong> keine Nacht war wie andere war. Ihre liebestrunkene<br />
Lebensfreude, ihre Kreativität <strong>und</strong> ihr reichhaltiges Wissen, brachten ihnen<br />
unerschöpflich neue Einfälle <strong>und</strong> Ideen. Wenn man zwischen Tag <strong>und</strong><br />
Nacht, zwischen Arbeit, Freizeit <strong>und</strong> Schlaf unterscheiden konnte, dann war da<br />
für <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> noch eine andere Zeit. Sie war nicht die längste, aber<br />
für ihr emotionales Wohlbefinden, ihr Glück, ihrSeelenleben die bedeutendst.<br />
Es war die Zeit, die man gemeinsam wach im Bett erlebte. Die Zeit, in der sie<br />
sich gegenseitig <strong>und</strong> ihre gemeinsame Liebe voll genießen konnten. In der jeder<br />
ausschließlich für den anderen <strong>und</strong> ihr gemeinsames Glück existierte. Sich<br />
st<strong>und</strong>enlang anstarren hatte es nur am ersten Abend gegeben, <strong>und</strong> dass <strong>Isabella</strong><br />
so nervös <strong>und</strong> überempfindlich regiert hatte, war längst vergessen. Wenn<br />
sie miteinander schliefen, empfanden sie es als großartiges körperliches Sinnbild<br />
<strong>und</strong> lustvolle allumfassende Erfahrung ihrer Liebe zueinander. <strong>Pascal</strong> konnte<br />
w<strong>und</strong>erschön Geschichten aus allen möglichen Bereichen <strong>und</strong> von seinen<br />
vielfältigen Erlebnissen erzählen. Meistens lauschte sie aufmerksam, fast andächtig,<br />
aber oft wurde auch ein albernes Gespräch daraus, wenn <strong>Isabella</strong> kuriose<br />
Nachfragen stellte. <strong>Pascal</strong> hätte manchmal gern im Hintergr<strong>und</strong> Musik gehört.<br />
Das ging natürlich nicht. Aber manchmal hörten sie gemeinsam intensiv<br />
zu. Für beide eine w<strong>und</strong>ervolle Form neuen, gemeinsamen Musikerlebens <strong>und</strong><br />
-genießens. Den Jungen musste ja abends im Bett eine süße Frauenstimme<br />
singend umgarnen. Leider war <strong>Isabella</strong> es auch nicht gewohnt, in der Küche<br />
<strong>und</strong> auf den Feldern zu singen. Ihr Repertoire war daher äußerst dünn. Die Kirchenlieder<br />
kannte sie alle noch aus ihrer Kindheit, aber ob es <strong>Pascal</strong> nach<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 33 von 43
„Großer Gott wir loben dich.“ gelüstete, wagte <strong>Isabella</strong> zu bezweifeln. Sie war<br />
dabei, fleißig Brecht Lieder zu üben. Die fand sie alle so toll, aber von den Texten<br />
konnte sie immer nur Bruchstücke. Das einzige, das sie ohne Lücken kannte,<br />
war „Das Lied von der Moldau“. Als sie die „Ballade von der Hanna Cash“<br />
konnte <strong>und</strong> sie <strong>Pascal</strong> abends im Bett vorsang, kamen ihm die Tränen. „<strong>Isabella</strong>,<br />
das ist nicht die Hanna Cash, das bist du. Ich kenne das Lied ja, <strong>und</strong> hab's<br />
auch schon öfter gehört, aber du singst es ganz anders. W<strong>und</strong>ervoll. Deine<br />
Stimme singt es nicht nur, sie lebt es, du lebst es für mich. Als ob du mein<br />
Empfinden dabei spürtest, meine geliebte Diseuse. Kannst du noch mehr?“<br />
fragte <strong>Pascal</strong>. Na klar, generös konnte <strong>Isabella</strong> aus ihrem reichhaltigen F<strong>und</strong>us<br />
noch „Das Lied von der Moldau“ anbieten. <strong>Pascal</strong> war ganz stumm. Er strich<br />
<strong>Isabella</strong> mit seiner rechten Hand über ihr Gesicht, das leicht über ihn gebeugt<br />
war. „Es trifft schon zu, <strong>Isabella</strong>, dass du ein Stern bist, der Stern an meinem<br />
Horizont. Wer hat das nicht alles gesungen, nicht schlecht, sehr schön, aber<br />
wenn ich es von dir höre, verstehe ich es am besten, als ob du genau wüsstest,<br />
wie du mich direkt triffst.“ äußerte <strong>Pascal</strong> sein Empfinden <strong>und</strong> meinte,<br />
<strong>Isabella</strong> könne für ihn singen, was sie wolle, es würde immer ein Genuss für<br />
ihn sein. <strong>Isabella</strong> erzählte ihm, dass sie mehr Brecht Lieder lernen wolle. Zur<br />
Zeit übe sie gerade an der „Erinnerung an die Marie A.“. <strong>Pascal</strong> wollte es unbedingt<br />
hören, trotz <strong>Isabella</strong>s Warnungen. <strong>Pascal</strong> war sowieso schon von <strong>Isabella</strong>s<br />
Stimme entzückt, auch als sie ihm noch nie etwas vorgesungen hatte. Sie<br />
hatte als kleines Mädchen im Schulchor gesungen, aber das Glockenhelle würde<br />
sie heute nicht mehr bringen können. Ihre Stimme hatte sich stark verändert.<br />
Heute passte sie eher in die Seemannsbar bei Hanna Cash. Vielleicht hatte<br />
der wüste <strong>Pascal</strong> sie ja auch deshalb mit sich gehen lassen.<br />
Wohnungen<br />
„<strong>Isabella</strong>, mit meiner Wohnung das würde ich am liebsten mit Anett <strong>und</strong> dir gemeinsam<br />
besprechen. Sie wollte dich ja sowieso gern kennenlernen. Das wäre<br />
doch ein Anlass.“ meinte <strong>Pascal</strong>. „Ja, gern, nur du solltest dir auch erst mal<br />
meine Wohnung anschauen.“ meinte <strong>Isabella</strong>. <strong>Pascal</strong> gefiel seine Wohnung<br />
auch. Sie war wohl früher mal ein kleines Handelskontor gewesen, mit den Büros<br />
auf der einen Seite, das waren jetzt die Zimmer <strong>und</strong> das Bad, <strong>und</strong> dem Lagerraum<br />
auf der gegenüberliegenden Seite. Hier gingen jetzt Küche, Wohnraum<br />
<strong>und</strong> Schlafbereich ineinander über. Es gefiel <strong>Pascal</strong> nicht nur wegen der<br />
Aufteilung, sie hatten es sich auch sehr ansprechend <strong>und</strong> gemütlich eingerichtet.<br />
<strong>Pascal</strong> lebte gern hier <strong>und</strong> hatte mit Anett schon viele glückliche St<strong>und</strong>en<br />
erlebt. Aber <strong>Isabella</strong>s Wohnung gehörte zu einer anderen Liga. Sie war zweifellos<br />
formidabel. Entweder hatte Benni auch begüterte Eltern, oder <strong>Isabella</strong> zahlte<br />
den weitaus überwiegenden Teil. Fünf Zimmer, Küche, Bad mit Parkett <strong>und</strong><br />
Stuck in einem alten Bürgerhaus. Wozu brauchten sie denn so etwas? „Na ja,“<br />
meinte <strong>Isabella</strong>, „durch den Platz, die hohen Räume <strong>und</strong> die großen Fenster<br />
hat man wenigstens ein bisschen das Gefühl von Freiheit. Ich kann hier endlos<br />
durch die Räume tanzen. Du kannst so viele einladen, wie willst <strong>und</strong> für die<br />
Nacht unterbringen kannst du auch mehrere. Hab' ich nur alles hier noch nicht<br />
gebraucht. Ich kenn' ja niemanden außer dir.“ erklärte <strong>Isabella</strong> mit Totensonn-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 34 von 43
tagsmine. „Ich weiß es nicht, vielleicht vermitteln so kleine Nischen ja auch ein<br />
spezielles Feeling, nur das kenne ich nicht, <strong>und</strong> ausprobieren möchte ich es lieber<br />
auch nicht.“ „<strong>Isabella</strong>, wenn ich hier zu dir ziehe, dann machen wir eine<br />
ganz große Fète. Da müssen sie dann alle kommen, deine Fre<strong>und</strong>innen, unsere<br />
Eltern <strong>und</strong> Geschwister. Das ist dann keine kleine Geburtstagsfeier, da beginnt<br />
ja ein neuer Lebensabschnitt für uns.“ meinte <strong>Pascal</strong>. „So, dadurch dass du<br />
hier einziehst?“ <strong>Isabella</strong> zweifelnd, „Das ist sehr schön, wenn du bei mir<br />
wohnst, aber meinen neuen Lebensabschnitt den lebe ich schon längst, <strong>und</strong><br />
dafür habe ich keine Zuschauer einer Fète gebraucht, nur dich, sonst nix.“<br />
„Und als symbolischen Ausdruck könnte man es auch nicht gelten lassen. Wäre<br />
ein Umzug dafür ein zu banales Zeichen?“ fragte <strong>Pascal</strong> nach. „Den Umzug fände<br />
ich trivial, aber dass wir ganz nah beieinander sind, unsere Sehnsucht nur<br />
noch kürzeste Wege braucht, der neue Lebensabschnitt so wesentlich praktischer<br />
<strong>und</strong> rapider gestaltet wird. So könnte man es doch symbolisch sehen,<br />
oder?“ meinte <strong>Isabella</strong>. “Mit Sehnsuchtskurzstreckenfète?“ erk<strong>und</strong>igte sich <strong>Pascal</strong><br />
noch.<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> Anett<br />
Als <strong>Isabella</strong> kam, umarmten sich Anett <strong>und</strong> sie gleich zur Begrüßung. <strong>Pascal</strong><br />
staunte. Vielleicht ein Friedenssignal oder Ausdruck der jederzeit existenten<br />
Frauensolidarität? Man schaute sich die Wohnung an, <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> fand sie<br />
auch klasse. Dann sprachen sie über Anetts konkrete Aussichten. „Zwei Fre<strong>und</strong>innen<br />
wären mir sehr lieb, aber die wollen aus ihrer jetzigen WG nicht raus.“<br />
meinte Anett, „Und von den anderen bin ich nicht so überzeugt. Am besten<br />
suchte ich mir ganz schnell 'nen neuen Fre<strong>und</strong>.“ erklärte sie <strong>und</strong> lachte. „Nimm<br />
doch den Benni.“ schlug <strong>Isabella</strong> vor, „Der hat keine Wohnung, keine Fre<strong>und</strong>in<br />
<strong>und</strong> ganz lieb ist er auch.“ die beiden lachten sich schief. „Ja, ich könnte euch<br />
doch verkuppeln, aber der wird nicht mehr auf mich hören. Ich glaube, der ist<br />
böse auf mich. Bist du auch böse mit <strong>Pascal</strong>?“ fragte sie. „Ach, <strong>Isabella</strong>, ich<br />
dachte du würd'st ihn kennen, wie soll man dem denn böse sein?“ fragte Anett.<br />
<strong>Isabella</strong> fixierte sie kurz grinsend. „Ich finde das ja absolut scharf, Anett, aber<br />
irgendwie kann ich dich auch nicht verstehen. Wenn du ihn liebst, dann weißt<br />
du das doch nicht nur rational <strong>und</strong> kannst das jetzt ändern, dann sitzt das doch<br />
in deinen Emotionen, in deiner Seele. Das kannst du doch nicht einfach ausstreichen.<br />
Du verlierst doch etwas. Das ist doch schmerzlich <strong>und</strong> tut weh.“<br />
meinte <strong>Isabella</strong>. „Ja, natürlich. Ich hätte ihn ja schon lieber behalten, aber er<br />
ist ja nicht gestorben <strong>und</strong> ganz verloren haben wir uns ja auch nicht. Ihr habt<br />
euch doch auch geliebt, ohne miteinander ins Bett zu gehen, mit meiner Mutter<br />
gehe ich auch nicht ins Bett, <strong>und</strong> trotzdem lieben wir uns. Ich denke, dass das<br />
für deine Seele entscheidender ist, <strong>und</strong> Liebe nicht von gemeinsamem Sex abhängig<br />
ist <strong>und</strong> auch nicht davon, dass ich die einzige bin, die ihn liebt <strong>und</strong> von<br />
ihm geliebt wird. Ich werde <strong>Pascal</strong> auch weiterhin lieben <strong>und</strong> ich denke, er<br />
mich auch. Es hat sich ja nichts verändert an ihm. Er ist ja genauso liebenswert<br />
geblieben. In deiner Seele oder deinem Herzen ist doch nicht nur für eine<br />
Liebe Platz. Meine Fre<strong>und</strong>in Pia sitzt da genauso gut, wie meine Mutter <strong>und</strong> da<br />
ist <strong>Pascal</strong> in bester Gesellschaft.“ sagte Anett, <strong>und</strong> die beiden schmunzelten.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 35 von 43
„Du bist w<strong>und</strong>erbar, Anett, aber ich könnte so etwas wahrscheinlich trotzdem<br />
nicht.“ meinte <strong>Isabella</strong>. „Bist du härter? Nein ich denke nicht, aber du hast eine<br />
Schwester, nicht wahr? Ich bin als alleiniges Goldstück aufgewachsen. Vielleicht<br />
macht das doch einen großen Unterschied in der sozialen Komplexität.“ Die<br />
beiden unterhielten sich noch weiter über Liebe. <strong>Pascal</strong> saß als unbeteiligter<br />
Zuschauer daneben <strong>und</strong> wurde nicht beachtet. Als sie auf Platons Diotima zu<br />
sprechen kamen, gingen sie in Anetts Zimmer, denn Anett hatte es ausgedruckt<br />
<strong>und</strong> wollte es <strong>Isabella</strong> mitgeben.<br />
Wieder zurück kamen sie jedoch nicht. <strong>Pascal</strong> wollte nachschauen. „<strong>Pascal</strong>,<br />
kannst du uns noch ein wenig allein lassen?“ meinte <strong>Isabella</strong>. Als <strong>Pascal</strong> schon<br />
fast wieder draußen war, fingen die beiden an, laut zu lachen. Einer von beiden<br />
hatte wohl irgendeine Bemerkung gemacht, nur <strong>Pascal</strong> hatte sie nicht mitbekommen.<br />
„Jetzt gibt es erst mal Abendbrot. Ihr könnt ja anschließend eure Geheimverhandlungen<br />
weiterführen.“ erklärte <strong>Pascal</strong>, als er sie zum Essen rief.<br />
„Jetzt hat er Angst bekommen, der Arme.“ meinte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> Anett fügte<br />
hinzu: „Wir werden doch nichts Böses über dich reden, <strong>Pascal</strong>, höchstens etwas<br />
Gutes, Nettes, Fre<strong>und</strong>liches. Wir lieben dich doch beide, aber wir haben gar<br />
nicht über dich gesprochen. Wahrscheinlich bist du es nicht gewohnt, dass man<br />
nicht über dich spricht, aber wir haben leider nur über uns selber gesprochen.“<br />
<strong>Isabella</strong> lachte stumm. „Und was habt ihr über euch selbst herausgef<strong>und</strong>en?“<br />
erk<strong>und</strong>igte sich <strong>Pascal</strong> mehr scherzhaft. „Dass wir Fre<strong>und</strong>innen sind.“ antwortete<br />
<strong>Isabella</strong> knapp. Auf <strong>Pascal</strong>s fragenden Blick hin erläuterte sie es näher:<br />
„Anett meinte, dass wir bestimmt sehr gute Fre<strong>und</strong>innen sein könnten, wenn<br />
du nicht wärest. Das sah ich überhaupt nicht so, dass du über eine Fre<strong>und</strong>schaft<br />
zwischen mir <strong>und</strong> Anett verfügen könntest. Also sind wir jetzt Fre<strong>und</strong>innen.<br />
Was dagegen?“ „Nein, nein, nein, überhaupt nicht, eher das Gegenteil.“<br />
erklärte <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong> lachte.<br />
Beim Abendbrot unterhielten sich die beiden wieder untereinander. Sie studierten<br />
beide Philosophie, aber darüber sprachen sie gar nicht, zumindest nicht<br />
mehr. Sie redeten über Literatur <strong>und</strong> Kochrezepte, aber eben nur unter sich.<br />
Anett stieß <strong>Isabella</strong> an <strong>und</strong> deutete mit dem Kopf in <strong>Pascal</strong>s Richtung. „<strong>Pascal</strong>,<br />
was hat dir denn eigentlich bei Mami am besten geschmeckt?“ fragte <strong>Isabella</strong><br />
<strong>und</strong> alle platzten los vor Lachen. „<strong>Pascal</strong>, wir wollen dich doch nicht ausschließen,<br />
aber wir beide gefallen uns eben so gut untereinander, dass wir automatisch<br />
immer miteinander tuscheln. Ich seh' das jetzt in einem völlig anderen<br />
Licht. Ich habe mir wohl so ein pauschales Bild gemacht, aber ich konnte ja<br />
auch nicht ahnen, was für eine tolle Frau Anett ist. Und <strong>Isabella</strong> lobte <strong>und</strong> pries<br />
Anett. Die meinte: „Hör' auf <strong>Isabella</strong>, das tut ja weh.“ Zwei Minuten redete sie<br />
gewöhnlich weiter <strong>und</strong> nicht von Anett, dann begann sie wieder, ihre Vorzüge<br />
heraus zu stellen. „<strong>Isabella</strong>, was willst du? Die Person von der du sprichst ist<br />
mir sehr gut bekannt. Willst du uns wieder verkuppeln, oder meinst du, Anett<br />
sei doch die richtige Frau für mich <strong>und</strong> nicht du?“ fragte <strong>Pascal</strong>. „Ach, mein<br />
Liebster,“ hob <strong>Isabella</strong> an, während sie zu <strong>Pascal</strong> ging, sich bei ihm auf den<br />
Schoß setzte <strong>und</strong> ihre Arme um seinen Hals schlang. „Du hast immer nur gesagt:<br />
„Meine Fre<strong>und</strong>in, meine Fre<strong>und</strong>in, meine Fre<strong>und</strong>in.“ Ich konnte mir doch<br />
gar kein Bild davon machen, was Anett für eine fantastische Frau ist, <strong>und</strong> jetzt<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 36 von 43
in ich einfach überwältigt. Ich finde, ich kann eure Liebe sehr gut nachvollziehen.<br />
Ach, lassen wir das.“ erklärte <strong>Isabella</strong>.<br />
„Mit den Wohnungen, das machen wir ganz unkompliziert. So lange Anett<br />
nichts gef<strong>und</strong>en hat, zahlst du hier offiziell weiter <strong>und</strong> ich wohne eben meinen<br />
Eltern gegenüber allein. Die paar Kröten von Benni werden sie sicher auch<br />
noch verkraften.“ schlug <strong>Isabella</strong> vor. „Nein, nein,“ meinte Anett, „für eine<br />
Übergangszeit werden meine Eltern das schon zahlen, nur auf Dauer brauche<br />
ich ja nicht so eine große Wohnung. Ich könnte den Raum ja vermieten, aber<br />
unter den Bedingungen?“ „Das wäre doch was. Du suchst dir 'nen Netten aus<br />
<strong>und</strong> verliebst dich dann in ihn.“ schlug <strong>Isabella</strong> vor. Man lachte <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
meinte: „Es gibt doch bestimmt nette Frauen, die einen Platz in einer WG suchen.<br />
Du solltest wirklich mal in der TAZ annoncieren.“<br />
Ménage à trois<br />
„<strong>Isabella</strong>, bleib doch, dann können wir noch ein Glas Wein trinken. Wir müssen<br />
ja schließlich auch auf die neue Fre<strong>und</strong>schaft anstoßen.“ wünschte sich Anett.<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> schauten sich fragend an. „Und wie soll das gehen?“ fragte<br />
<strong>Pascal</strong>, „Soll <strong>Isabella</strong> etwa in meinem Zimmer auf der Couch schlafen?“ „Nein,<br />
ihr könnt gerne das Bett benutzen. Das macht mir nichts. Ich weiß ja, dass ihr<br />
sonst auch miteinander schlaft <strong>und</strong> es in Zukunft immer tun werdet, das ist<br />
doch natürlich, was wollt ihr denn sonst machen?“ meinte Anett. „Also, ich mit<br />
<strong>Pascal</strong> in deinem Bett, <strong>und</strong> du schläfst allein auf der Couch? Nein, Anett, das<br />
mache ich nicht.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. Die beiden gingen erst mal raus, um sich<br />
zu beraten. Aber geklärt hatte sich nur, das jede meinte, die andere solle doch<br />
mit <strong>Pascal</strong> ins Bett gehen, selber habe man überhaupt nichts dagegen. „Schau<br />
mal, Anett ist so eine süße junge Frau, die freut sich auch über Zärtlichkeiten.“<br />
meinte <strong>Isabella</strong>. So oder ähnlich priesen sie <strong>Pascal</strong> die jeweils andere an <strong>und</strong><br />
lachten sich immer wieder schief dabei. „Ihr seid beide durchgeknallt.“ konstatierte<br />
<strong>Pascal</strong>, „Ich werde überhaupt nicht hier schlafen, sondern anderswo.“<br />
„<strong>Pascal</strong>, das kannst du doch nicht machen. Wo willst du in dieser unbehausten<br />
Welt denn hin?“ meinte Anett, „Hier hast du zwei Frauen, die dich lieben, andere<br />
haben gar keine.“ <strong>und</strong> die beiden lachten wieder. „Aber wirklich, <strong>Pascal</strong>, ich<br />
fände das auch nicht gerade gut, wenn du einfach flüchten würdest.“ fügte <strong>Isabella</strong><br />
dem hinzu. „Es könnte ja noch eine mögliche Lösung geben.“ begann<br />
<strong>Pascal</strong>. „Ihr beide schlaft zusammen in dem großen Bett <strong>und</strong> ich auf der Couch,<br />
oder wir schlafen alle drei in dem großen Bett, <strong>und</strong> ich verspreche, keine von<br />
euch beiden anzurühren, nur reden.“ Anett <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> schauten sich an <strong>und</strong><br />
gaben sich Zeichen, mimisch <strong>und</strong> mit Fingern. Die Dreierlösung wurde bevorzugt.<br />
Später im Bett wurde es lustig. Sie hatten auch vorher schon viel gelacht,<br />
aber die kuriose Situation schien es besonders herauszufordern. Sie<br />
scherzten, witzelten <strong>und</strong> lachten nur, wobei Witzigem über Männer <strong>und</strong> ihre<br />
Sexualität, der Vorzug gehörte. Dass Männer gr<strong>und</strong>sätzlich auch so empfinden<br />
könnten wie Frauen, meinten beide schon. Sie müssten nur massiv auf die Testosteronbremse<br />
treten. Ob Männer sich Strickzeug zulegen würden, wenn sie<br />
nur minimal Testosteron produzierten? Solche <strong>und</strong> ähnliche Fragen wollten An-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 37 von 43
ett <strong>und</strong> <strong>Isabella</strong> geklärt haben. Die zukünftige Wohnsituation wollten sie klären,<br />
als <strong>Isabella</strong> kam. Jetzt lagen sie alle drei zusammen im Bett.<br />
Mit „Ist es dir schwer gefallen, mein Stern?“ empfing <strong>Isabella</strong> <strong>Pascal</strong> am Morgen,<br />
als er die Küche betrat. <strong>Pascal</strong> hob die Augenbrauen <strong>und</strong> meinte: „Nein,<br />
überhaupt nicht. Ich habe vorm Zubettgehen schnell eine mentale Geschlechtsumwandlung<br />
zu einem Neutrum vollzogen. Da hätte ich mit keiner<br />
von euch beiden etwas anzufangen gewusst. <strong>Isabella</strong>, soll ich etwa für eine<br />
Nacht meine Empfindungen abschalten können? Wenn nicht, wie wäre mir<br />
dann denn wohl in dieser perversen Situation gewesen, wenn ich zwischen<br />
euch beiden im Bett liege? Kannst du dir da vielleicht schemenhaft ein Bild von<br />
machen?“ „Ja, sonderbar war das schon. Sonst schlafen wir zusammen, <strong>und</strong><br />
jetzt darf ich dich nicht einmal berühren. Für Anett war es sicher ebenso kurios.“<br />
meinte <strong>Isabella</strong>, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> ergänzte: „Ihr redet über Sexualität, ich liege<br />
zwischen zwei Frauen, mit denen ich Sex habe <strong>und</strong> muss meine Finger an meinen<br />
eigenen Körper gepresst halten, damit sie sich nicht irgendwo hinbewegen,<br />
wohin sie nicht dürfen.“ Beim Frühstück fragte <strong>Isabella</strong>: „In einer Ménage à<br />
trois gehen immer alle drei zusammen ins Bett <strong>und</strong> haben Sex miteinander,<br />
nicht wahr?“ <strong>Pascal</strong>e hob die Augenbrauen, während Anett bestätigend meinte:<br />
„Ich glaube schon. So etwas könnte ich aber nicht <strong>und</strong> wollte es auch nicht.“<br />
„Ich auch nicht, auf keinen Fall.“ pflichtete ihr <strong>Isabella</strong> bei. „Nein, nein,“ meinte<br />
<strong>Pascal</strong>, „Vorschriften für Beziehungen gibt es ja nicht. Soweit ich weiß, bezeichnet<br />
man es immer so, wenn drei Leute Beziehungen untereinander haben. Ein<br />
Dreiecksverhältnis, wie man es konkret lebt, liegt eben an den Beteiligten selber.“<br />
<strong>Isabella</strong> sinnierte. „Also, mich würde es nicht stören, wenn du auch mal<br />
mit Anett ins Bett gingst. Eifersüchtig machte es mich nicht. Ich wusste ja vorher<br />
auch, dass es immer so war, <strong>und</strong> jetzt ist sie zudem noch meine gute<br />
Fre<strong>und</strong>in.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. Anetts Mimik zeigte ein Grinsen, <strong>und</strong> sie blickte<br />
<strong>Pascal</strong> an. „<strong>Isabella</strong>, eigentlich finde ich sehr nett, was du sagst, aber ich<br />
möchte das nicht. Keinesfalls, weil ich Anett nicht mehr lieben würde, aber ich<br />
möchte mit Anett oder mit dir leben <strong>und</strong> nicht an einem Tag mit der einen <strong>und</strong><br />
am nächsten Tag mal mit der anderen, auch wenn das Bett nicht das Leben ist.<br />
Mich würde es stören. Ich habe mich für dich entschieden, du bist mein Leben,<br />
wie sagst du? „Der Stern am Horizont der neuen Heimat meiner Seele“, <strong>und</strong> da<br />
möchte ich nicht ab <strong>und</strong> an mal mit Anett ins Bett gehen, so eine 'rattige Elster'<br />
bin ich auch nicht.“ erklärte <strong>Pascal</strong>, lächelte, bekam von <strong>Isabella</strong> einen<br />
Kuss, <strong>und</strong> Anett war auch aufgestanden, um <strong>Pascal</strong> für seine ehrenwerte Haltung<br />
zu umarmen <strong>und</strong> zu küssen. Dass es sich aber zur Zeit genau so verhielt,<br />
<strong>Pascal</strong> sogar öfter mit Anett schlief, übersah man geflissentlich. Das verdrängten<br />
alle drei. Es gab ja eine simple Erklärung dafür. Mit der Wohnungssituation<br />
hing es zusammen.<br />
Anett träumte. Sie mochte <strong>Pascal</strong> immer mehr. Seit er sie verlassen wollte,<br />
hatte sie Wesenszüge von ihm kennengelernt, die ihr bislang verborgen<br />
geblieben waren. Es machte ihr schon das Herz warm, <strong>Pascal</strong> einfach nur<br />
anzuschauen. Bestimmt empfand so ähnlich auch manche Mutter für ihren<br />
Sohn oder ihre Tochter. Einfach nur in ihrer Nähe sein, <strong>und</strong> ihren Augen das<br />
Bild von ihnen schenken können, das erwärmte ihr Herz. <strong>Pascal</strong> war ein wun-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 38 von 43
dervoller Mann, <strong>und</strong> Anett musste sich hüten, ihr Bild von ihm zu idealisieren.<br />
Sie konnte sich ja jetzt schon nicht vorstellen, einen auch nur annähernd<br />
gleichwertigen Fre<strong>und</strong> wieder zu finden. Aber das sei wohl immer so, wenn die<br />
Liebe noch so stark sei, tröstete sie sich. Sie müsse erst mal ihre Witwenzeit<br />
überwinden, dann würde der Schleier '<strong>Pascal</strong>' sicher angehoben, ihre Trauer<br />
lege sich, <strong>und</strong> sie könne auch wieder etwas anderes sehen, dachte sie schmunzelnd.<br />
Anett zu Besuch<br />
Anett war eingeladen, fürs ganze Wochenende. Der Besuch bei Falkenbergs<br />
wurde abgesagt <strong>und</strong> schlafen sollten alle drei in getrennten Räumen. Obwohl<br />
<strong>Pascal</strong>, seit er bei <strong>Isabella</strong> wohnte, nie mehr mit Anett ins Bett gegangen war.<br />
Vielleicht eine Reminiszenz an das schreckliche Dreierbett. Natürlich wurde gemeinsam<br />
gekocht, immer wurde gekocht, mittags, abends <strong>und</strong> zum Frühstück<br />
auch schon. <strong>Pascal</strong> fand das ja auch amüsant, aber <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> Anett schien<br />
etwas danach zu drängen, gemeinsam am Herd zu stehen. Ob, wie die Pflege<br />
der Feuerstelle beim Mann die Zubereitung des Essens bei den Frauen wohl<br />
auch evolutionäre Verankerungen habe, sinnierte <strong>Pascal</strong>. Sicherlich, dass überall<br />
auf der Welt die Frauen das Essen kochten, konnte doch kein Zufall sein.<br />
Anett schien glücklich, wie <strong>Pascal</strong> meinte, sie schon lange nicht mehr erlebt zu<br />
haben. Es gefiel ihr offensichtlich bei <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong>. Natürlich hätte sie es<br />
lieber gesehen, wenn <strong>Pascal</strong> bei ihr geblieben wäre, <strong>und</strong> ihn einfach nur an<br />
eine fremde Frau verlieren, wäre gewiss mit häufiger Trauer <strong>und</strong> viel Schmerz<br />
verb<strong>und</strong>en gewesen. Das empfand sie jetzt gar nicht. Hier sah sie sich als eine<br />
von dreien, die sich alle untereinander mochten <strong>und</strong> liebten. Sicher zu sein,<br />
dass sie von <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> Anerkennung, Zuneigung <strong>und</strong> Liebe erfuhr,<br />
machte ihre Welt offen <strong>und</strong> weit, <strong>und</strong> vermittelte ihr ein Empfinden von Freiheit<br />
<strong>und</strong> Glück. <strong>Isabella</strong> hatte ihr alles gezeigt auch ihre umfängliche Sammlung an<br />
Tagebüchern. „Das ist nicht umsonst.“ meinte Anett, „Die Texte sind ja zum<br />
Teil druck- oder sendereif. Die Gedanken über die Vorstellung, deine Mutter<br />
hätte dich in zerfetzten Leichenteilen wiederbekommen, wie die Mutter ihren<br />
gleichaltrigen Sohn aus Afghanistan ist doch umwerfend stark. Jede Zeitung<br />
hätte das gedruckt. Du wirst eine hervorragende Journalistin oder Redakteurin<br />
werden. Da bin ich mir absolut sicher.“ behauptete Anett. „Und wenn das alle<br />
gelesen hätten, würde man die ganze B<strong>und</strong>eswehr auflösen.“ ergänzte <strong>Pascal</strong>.<br />
„Ja, wieso eigentlich nicht. Wegen des kalten Krieges hat man sie damals gegründet.<br />
Es war heiß umstritten. Der kalte Krieg ist längst vorbei, aber die<br />
B<strong>und</strong>eswehr gibt’s immer noch. Im Prinzip gibt's ja nichts für sie zu tun. 'Bella<br />
gerunt alii'.“ meinte Anett. „Da fehlt aber noch was, meine Süße.“ machte sie<br />
<strong>Isabella</strong> aufmerksam. „Ja, tu felix Germania nube.“ ergänzte Anett, die beiden<br />
lachten sich krumm. „Willst du eigentlich mal heiraten, Anett?“ fragte <strong>Isabella</strong>.<br />
Jetzt lachte Anett so stark <strong>und</strong> anhaltend, dass sie die anderen ansteckte. „Wie<br />
kommst du denn darauf? Seh' ich etwa wie eine fette Braut aus?“ wollte Anett<br />
wissen. Sie brauchten nicht übers Heiraten zu reden. Sie wussten, dass sie auf<br />
der gleichen Welle schwammen.<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 39 von 43
Am Abend äußerte Anett ihr Wohlbefinden <strong>und</strong> meinte, sich gut vorstellen zu<br />
können, hier dauerhaft zu leben <strong>und</strong> glücklich zu sein. „Nur keiner von uns<br />
wird einen Beruf haben, in dem er sich so etwas leisten kann.“ erklärte sie.<br />
„Meine Eltern sind auch beide Philologen. Sie finanzieren dies, unterhalten selber<br />
ihr dickes Haus <strong>und</strong> haben noch ein kleines in Spanien. Was sie sonst noch<br />
an Knete haben, weiß ich gar nicht“ <strong>Isabella</strong> darauf. „Ja, Glück kannst du nicht<br />
studieren. Ich hab' ja auch nicht <strong>Pascal</strong> studiert. Mein Vater hat gedacht, es<br />
wäre nur für kurze Zeit. Die kleine Klitsche würde pleite machen. Er hat sie nur<br />
übernommen, weil er seinem Vater einen Gefallen tun wollte, <strong>und</strong> sein Bruder<br />
es schon abgelehnt hatte. Dass sie sich zu so einem florierenden Import-Export-Laden<br />
entwickeln würde, konnte ja niemand ahnen. Mami hat auch bestimmt<br />
massiven Anteil daran. Sie war Lehrerin für Englisch <strong>und</strong> Französisch,<br />
na, <strong>und</strong> in spanisch ist sie ja schließlich auch perfekt. Italienisch geht mittlerweile<br />
auch so ein wenig. Mit den Korrespondentinnen gab's immer wieder Probleme,<br />
<strong>und</strong> Mami sollte es überprüfen. Da konnte sie's ja gleich besser selber<br />
machen. Heute wickelt sie viele Geschäfte völlig selbständig ab. Manche wollen<br />
das nur mit ihr, weil viel mehr über Telefon <strong>und</strong> schnelle Internetbestätigung<br />
läuft. So wie sie das Bett gekauft hat, könnte sie heute etwas in Verona bestellen,<br />
das morgen in Osnabrück ankommen soll. Und bei solchen Dingen ist sie<br />
wohl sehr versiert.“ erläuterte <strong>Isabella</strong>. Ob sie das denn mal übernehmen wolle,<br />
fragte Anett. <strong>Isabella</strong> zog eine krause Schnute <strong>und</strong> schüttelte den Kopf. Sie<br />
habe überhaupt keinen Draht dazu, meinte sie. „Wir werden es alle drei machen<br />
<strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> wird den USA Handel aufbauen mit einer Oversea Trade<br />
Group. Dann könnten wir uns h<strong>und</strong>ert solcher Wohnungen leisten.“ schlug Anett<br />
vor <strong>und</strong> lachte. „Ja, siehst du, Anett, du hast schon den richtigen Riecher.<br />
Eine arme Kirchenmaus wirst du nicht bleiben, da bin ich mir sicher.“ meinte<br />
<strong>Isabella</strong>.<br />
„Ach, das ist nur gesponnenes Geplapper. In Wirklichkeit ist mir das alles genauso<br />
fremd wie dir. Wir sind eben verdorben, <strong>Isabella</strong>, für die realen Aufgaben<br />
dieser Welt verdorben. Wir beglücken uns an unseren eigenen <strong>und</strong> den<br />
Gedanken anderer, lieben es in den Eindrücken <strong>und</strong> Assoziationen unserer<br />
Wahrnehmungen zu schwelgen <strong>und</strong> suhlen uns in dem, was unsere Emotionen<br />
uns zu bieten haben. Unsere Welt besteht aus dem, was uns ästhetisch, hochgeistig<br />
<strong>und</strong> sonst kulturell emotional bewegt, das reale Movement dieser Welt<br />
spielt sich aber in den Companies, den mit ihnen zusammenhängenden Institutionen<br />
<strong>und</strong> den daraus resultierenden Einrichtungen ab. Machtbefriedigung ist<br />
ihr zentrales Moment <strong>und</strong> nicht die Lust an emotionalen, ästhetischen <strong>und</strong> sozialen<br />
Genüsse .Unsere Welt ist ihr Zierrat.“ erläuterte Anett ihre tatsächliche<br />
Sicht. „Das sehe ich überhaupt nicht so, sondern gr<strong>und</strong>sätzlich völlig anders,<br />
Anett. Deine Welt, was du bist <strong>und</strong> wie du dich deutest, ist das Zentrale <strong>und</strong> Eigentliche,<br />
was den Menschen ausmacht. Nicht die Arbeit im Betrieb, wo er ein<br />
Adjuvans der Maschine ist oder das Leben in Büros, Verwaltungen <strong>und</strong> Finanzbereich,<br />
wo er seinen Intellekt für dem Menschen wesensfremde Aufgaben zu<br />
verwenden gelernt hat. Wir beide haben uns noch vieles von dem einheitlichen<br />
Wesen, das wir als Menschen sind, bewahrt. Das wird ein Gr<strong>und</strong> dafür sein,<br />
warum wir uns so gut verstehen <strong>und</strong> uns gegenseitig mögen. Wir sollten das<br />
hoch schätzen, keineswegs als geringwertig wahrnehmen <strong>und</strong> uns so viel wie<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 40 von 43
möglich davon zu erhalten suchen.“ erläuterte <strong>Isabella</strong> ihre Sicht <strong>und</strong> ergänzte:<br />
„Wir können noch <strong>Leidenschaft</strong>en entwickeln <strong>und</strong> ihnen folgen. Und die andere<br />
versteht es, kann es nachvollziehen <strong>und</strong> würdigt es. Das ist fantastisch, <strong>und</strong> du<br />
bist da viel bew<strong>und</strong>ernswerter als ich. Wir sind nicht Zierrat dieser Welt. Wir<br />
sind die Welt <strong>und</strong> das andere ist gerade keine Zierde, sondern will uns entfremden<br />
<strong>und</strong> in die Irre treiben, uns einreden, dass anderes, Geschäfte <strong>und</strong> finanziellen<br />
Gewinn Versprechendes wichtiger seien. Dass wir noch nicht idiotisch<br />
geworden sind, uns vieles von dem bewahrt haben, was den Menschen im<br />
Zentralen ausmacht, sollten wir als Gr<strong>und</strong>stimmung unseres Lebensgefühls sehen,<br />
stolz sein <strong>und</strong> uns darüber freuen.“ Anett sinnierte, fixierte <strong>Pascal</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Isabella</strong>, <strong>und</strong> ihre Mimik verriete, dass sie sich freute <strong>und</strong> sich als glücklich<br />
empfand. „Sollen wir nicht mal ein bisschen Tanzen?“ fragte sie unvermittelt<br />
<strong>und</strong> löste bei <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> damit überraschtes Lächeln aus. „Ja, es ist<br />
doch so, dass vom meisten, was dich erreicht, nicht nur Ohren, Augen <strong>und</strong> Gehirn<br />
betroffen sind, sondern dass es deinen ganzen Körper erfasst. Gebremst<br />
<strong>und</strong> abgeschwächt bringst du das Empfinden deines Körpers ja auch immer in<br />
Gestik, Mimik <strong>und</strong> Körpersprache ein. Sich glücklich zu empfinden, dies seinen<br />
gesamten Körper spüren <strong>und</strong> zum Ausdruck bringen zu lassen, ist für mich ein<br />
starkes Bedürfnis <strong>und</strong> lustvolles Empfinden. Es fördert die Verstärkung meines<br />
Glücks. Ja, in meinem Glück bewegen, das Glück tanzen.“ erläuterte Anett.<br />
„Nach welcher Musik würde dein Körper denn jetzt ein Verlangen spüren?“<br />
fragte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> wollte eine CD auflegen. Folglich war jetzt Disco-Time, nur<br />
<strong>Pascal</strong> musste auch noch seinen Schmusejazz hören. Lieb hatte man sich ja allemal,<br />
das gehörte selbstverständlich zum Glück, <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> empfand es als<br />
Ausdruck höchsten Wohlbefindens.<br />
Mit Fabienne ins Klavierkonzert<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> Anett telefonierten häufiger, aber über einiges musste man doch<br />
in direktem persönlichen Gespräch reden. „Es ist w<strong>und</strong>ervoll.“ berichtete Anett<br />
einige Wochen später von ihrer neuen Mitbewohnerin, Fabienne. „Sie verfügt<br />
über all das, woran es bei mir hapert, <strong>und</strong> wovon ich mir mehr wünsche. Sie ist<br />
politisch aktiv, feministisch sehr versiert <strong>und</strong> hat ein Faible für bildende Kunst,<br />
für alles, von Fotographie bis Bildhauerei. Ich bin zum Model geworden, so viele<br />
Fotos hat sie schon von mir gemacht. Ich mag mich jetzt noch viel lieber leiden.<br />
Ich wusste gar nicht, dass ich so schön bin.“ <strong>und</strong> Anett lachte. „Aber Anett,<br />
hat <strong>Pascal</strong> dir das denn nie gesagt?“ gab sich <strong>Isabella</strong> erstaunt, „Aber der<br />
schaut bei Frauen ja nur auf den Po. Ob das Gesicht schön ist, kann er wahrscheinlich<br />
überhaupt nicht erkennen. Selbst wenn er's erkennen sollte, hält er<br />
es nicht für nötig, es dir zu sagen.“ „Was für ein Schwachsinn.“ versuchte <strong>Pascal</strong><br />
sich zu wehren, „Ich bin doch kein Gesäßfetischist. Außer bei dir habe ich<br />
noch nie einer Frau bewusst auf den Hintern geschaut. Und außerdem bin ich<br />
doch nicht in die ästhetische Symmetrie deiner Gesichtszüge verliebt, endscheidend<br />
ist doch was das Gesicht mir über dich sagt.“ „Aha, <strong>und</strong> wie ist es<br />
beim Po?“ wollte <strong>Isabella</strong> auch noch wissen. „Da kommt es eben auch darauf<br />
an, was er in mir anspricht.“ <strong>Pascal</strong> dazu. „Deine Geilheit nach der Symmetrie<br />
ästhetischer R<strong>und</strong>ungen des weiblichen Körpers spricht er in dir an. Purer Ge-<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 41 von 43
schlechtstrieb, mit Liebe <strong>und</strong> Zuneigung hat das nichts zu tun, mein Süßer.“<br />
wusste <strong>Isabella</strong> es zu deuten. „Ach je, er macht es ja ganz gern, <strong>und</strong> ich habe<br />
immer gedacht, er liebt mich dabei.“ Anett dazu mit todernster Kleinmädchen<br />
Mine. Nachdem sie ausgelacht hatten, tröstete <strong>Isabella</strong> Anett: „Weißt du, Anett,<br />
bei ihm ist das gemischt, alles zusammen in einem Topf, verrührt zu einem<br />
großen Pudding. Was da gerade wie zum Tragen kommt <strong>und</strong> überwiegt, weiß er<br />
dann selber nicht. Es ist eben immer ein Mischung. Aber die Melange ist nicht<br />
schlecht, oder?“ „Fabienne bemüht sich fleißig, das libidinöse immer stärker zu<br />
sublimieren. Nicht schlecht, aber so völlig möchte ich das auch gar nicht. Wir<br />
haben uns schon gemeinsam zwei Ausstellungen angeschaut. Ja, mit Fabienne<br />
ist neues Leben, ein anderes Leben in die WG eingezogen. Über feministische<br />
Fragen zum Beispiel können wir endlos diskutieren. Meist fängt es mit einem<br />
simplen Artikel oder Buch an <strong>und</strong> wir kommen sehr schnell zu gr<strong>und</strong>legenden,<br />
philosophischen Fragen. Epistemologisch bin ich ja schließlich auch ganz gut<br />
drauf, <strong>und</strong> da nimmt es kein Ende. Es ist für uns beide gegenseitig äußerst bereichernd.<br />
Sie ist so eine tolle Frau, ein Juwel, ihr Fre<strong>und</strong> muss ein unendlicher<br />
Stiesel gewesen sein. Jetzt will sie von Männern gr<strong>und</strong>sätzlich erst mal nichts<br />
mehr wissen, sondern sich klarer darüber werden, wer sie selbst als Frau ist.<br />
Für mich ist sie, - wie hast du gesagt? - der Stern ...“ „Hör auf zu schwärmen<br />
Anett. Du drehst noch durch. Ich freue mich jedenfalls ungemein für dich.“<br />
meinte <strong>Pascal</strong>. <strong>Isabella</strong> umarmte sie. „Bring sie mit.“ schlug sie vor. „Oder lass<br />
dir etwas einfallen, was wir zusammen machen könnten.“ meinte <strong>Pascal</strong>. „Ich<br />
würde ganz gern in dieses Klavierkonzert mit Werken von Brahms, Liszt <strong>und</strong><br />
Chopin gehen. Ist ja alles sehr gefällig. Wenn sie so etwas mag. Hier ist der<br />
Prospekt davon.“ schlug <strong>Pascal</strong> vor. „Ihre Musikinteressen kenne ich überhaupt<br />
nicht, sonderbar.“ meinte Anett <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erte sich, dass sie darüber noch nie<br />
gesprochen hatten. „Ich höre manchmal etwas, das muss Indie Rock sein oder<br />
so, aber auch Arien habe ich schon mal gehört. Hätte die Netrebko sein können.<br />
Warum habe ich eigentlich nicht gefragt? Ich muss doch sonst alles von<br />
ihr wissen.“ Aber Fabienne mochte auch Klaviermusik <strong>und</strong> Liszt besonders. Sie<br />
hatte früher selber mal Klavierunterricht gehabt, aber sie mochte den Flohwalzer<br />
<strong>und</strong> den 'Fröhlichen Landmann' zu sehr. Warum sollte sie da noch kompliziertes<br />
Neues lernen. Im Konzert musste Anett ihr erklären, warum <strong>Pascal</strong> sich<br />
bei der 'Ungarischen Rhapsodie Nummer 2 von Franz Liszt' immer die Augen<br />
rieb. Die drei Frauen blickten sich an <strong>und</strong> schmunzelten.<br />
FIN<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 42 von 43
La raison peut nous avertir de ce qu'il faut éviter,le coeur<br />
seul nous dit ce qu'il faut faire. "<br />
J. Joubert<br />
„Ich würde es gern länger, ganz lange genießen. Verstehst du? Ich<br />
möchte unsere Liebe auch körperlich endlos spüren können.“ erläuterte<br />
<strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> lächelte schelmisch. „Sag mal, <strong>Pascal</strong>, findest du mich<br />
eigentlich schön <strong>und</strong> begehrenswert?“ fragte <strong>Isabella</strong> plötzlich <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong><br />
bog sich vor Lachen. „Ja, das stimmt, <strong>Isabella</strong>, man müsste sich das eigentlich<br />
auch sagen, nur jetzt? Und wie sollte ich es denn formulieren:<br />
„Du bist so schön <strong>Isabella</strong>, ich begehre dich.“?“ überlegte <strong>Pascal</strong>. Dafür<br />
bekam er einen Boxhieb. „Ein unstillbares Verlangen nach der Schönheit<br />
deines Körpers durchwogt all mein Begehren.“ wäre das poetischer?“<br />
erk<strong>und</strong>igte er sich bei <strong>Isabella</strong>. „<strong>Pascal</strong>, du bist böse <strong>und</strong> machst dich<br />
über mich lustig.“ meinte <strong>Isabella</strong> mit nicht ernster Schmollmimik.<br />
„Meine Liebste, du weißt doch, dass ich dich für die Frau mit dem<br />
schönste Po der Welt halte, die <strong>Isabella</strong> kallipygos, <strong>und</strong> dein Gesicht ist<br />
meine Sonne, sie bringt alles zum Strahlen <strong>und</strong> durchwärmt mein Herz.<br />
Kannst du mein Begehren auch einfach so spüren, ohne dass ich öfter<br />
mal Brunftschreie ausstoße?“ reagierte <strong>Pascal</strong>. „Ja, für Frauen, die meisten<br />
wenigstens, ist es schon bedeutsam, begehrt zu werden, während<br />
Männer mit der Einstellung geboren werden, dass es bei ihnen per se der<br />
Fall sein muss.“ erklärte <strong>Isabella</strong>. „Natürlich, sie schmücken sich ja auch<br />
mit modischer Kleidung <strong>und</strong> anderen Accessoires, weil beim Menschen<br />
die Weibchen die aktive Rolle im Balzverhalten haben.“ erläuterte <strong>Pascal</strong>.<br />
„Aha, <strong>und</strong> wie war die Balz deines Weibchens? War sie bei dir erfolgreich,<br />
ja?“ fragte <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> fügte dem hinzu: „Dann darfst du aber jetzt auch<br />
nicht nur träumen <strong>und</strong> schmusen wollen, mein Liebster, dafür habe ich<br />
doch den ganzen Aufwand der Balz nicht betrieben.“<br />
<strong>Leidenschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Begierde</strong> <strong>Isabella</strong> <strong>und</strong> <strong>Pascal</strong> – Seite 43 von 43