Download E-book kostenlos - Yasmin Verschure
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Ich lerne Chandra kennen. Chandra ist spirituell und weiß alles über Varanasi und<br />
Indien, über Yoga, über Tablas und Meditation. Er nimmt mich unter seine Obhut und<br />
wir unternehmen gemeinsame Dinge. Zusammen mit Suvi und Ramas gehen wir nach<br />
Sarnath. Dort kochen Chandra und Ramas eine herrliche Mahlzeit in einem Tontopf<br />
auf offenem Feuer für uns und wir begegnen einem phantastischen Swami. Wir sind zu<br />
spät dran um noch eine Fahrkarte zu kaufen, deshalb reisen wir ohne Karte zurück<br />
nach Varanasi. Wir stehen in der dritten Klasse, eine Erfahrung für sich. Kinder und<br />
Erwachsene schlafen auf eisernen Bänken, der ganze Boden ist vollgepackt mit<br />
Menschen, Tieren, Lebensmitteln, Abfall und Kakerlaken. Wenn man pingelich oder<br />
ängstlich ist sollte man nie alleine durch Indien reisen.<br />
Ich bekomme ein schlechtes Gefühl über Chandra und Ramas, darum nehmen Suvi und<br />
ich eine Fahrradrickshaw zu unserer Loge. Es wird eine wahnsinnige Fahrt, so<br />
gefährlich, dass Suvi ihr letztes Stückchen Selbstbeherrschung verliert und unseren<br />
Fahrer beginnt zu schlagen! Und ich, komischerweise, habe keine Angst, und kann<br />
nicht aufhören zu Lachen.<br />
Foto: Die Rituale am und im heiligen Ganges erzwingen Ehrfurcht und Respekt.<br />
Nachdem Suvi abgereist ist spreche ich mit Chandra. Er erzählt mir, dass er und Ramas<br />
ihr Geld verdienen durch die Unterhaltung von weiblichen Touristen und das vor allem<br />
im Bett. Ich bedanke mich für die Ehre und teile ihm mit, dass er bei mir an der<br />
verkehrten Adresse ist. Das war schon zu ihm durchgedrungen und er wollte mir als<br />
Freund noch das eine und andere zeigen. Das Angebot nehme ich gerne an und im<br />
Tausch für die Bezahlung seiner Mahlzeiten bereitet er mir eine fantastische Woche,<br />
die ich nicht mehr vergessen werde. Erst gehen wir in die Musikschule. Ich lerne einen<br />
prachtvollen Lehrer kennen, bekomme meine ersten Musikstunden und kaufe,<br />
nachdem er mir versicherte, dass ich auch in Nepal unterricht nehmen kann, Tablas.<br />
Zum zweiten Mal gehen wir nach Sarnath, diesmal um den Dalai Lama aufzusuchen.<br />
Obwohl der Dalai Lama ausschließlich in Pali spricht, erfahre ich sein “Sein“ und seine<br />
Energie als innovierend. Dieser Gottmensch ist losgelöst von irdischer Materie. Er ist<br />
gerade das und erfüllt mich mit Fröhlichkeit und Einfalt. Ich empfinde tiefe Ruhe und<br />
Frieden, welches alles mit dem Sein und nichts mehr mit dem Tun zu tun hat.<br />
Wir machen eine Rundfahrt auf dem Ganges und mieten für den ganzen Tag ein Boot<br />
mit Bootsmann. Wir überqueren den Ganges und sitzend zwischen beiden Herren,<br />
fahren wir zum Markt um Gemüse und Reis zu kaufen. Wir besuchen die<br />
beeindruckenden Tempel und finden ein herrliches Plätzchen an den Ghats. Die beiden<br />
Herren bereiten eine sehr schmackhafte Mahlzeit zu. In der Zwischenzeit genieße ich<br />
stundenlang vom Baden der Frauen und von den spielenden Kindern. Aus<br />
respektvollem Abstand selbstverständlich.<br />
Dies sind die Taferele, die mich besonders ergreifen, die Grazie und Behendsamkeit<br />
der Frauen, die Purheit der Kinder. Menschen bleiben die faszinierendsten Tempel.<br />
Während des Badens bekommt man kein Stückchen nackte Haut zu Gesicht und doch<br />
haben sie einen sauberen Sari an wenn sie fertig sind. Der zwar auch wieder nass ist,<br />
denn die Wäsche musste noch gewaschen werden. Sie sind schön und würdig, die<br />
Frauen Indiens. Und obwohl in unseren Augen nicht emanzipiert, strahlen sie mehr<br />
Selbstwertgefühl aus als manche Frau aus dem Westen. Sie wissen wofür sie leben,<br />
und das leben sie dann zum Vollsten. Die Frauen haben untereinander so viel Spaß,<br />
das von Einsamkeit nicht die Rede sein kann. Die Kinder werden nicht gerade mit<br />
Samthandschuhen angefasst und von Kopf bis Fuß kräftig geschrubbt. So manch einer<br />
bricht dann in Gekreisch aus….<br />
<strong>Yasmin</strong> <strong>Verschure</strong> 38/166 Met een open Hart