Download E-book kostenlos - Yasmin Verschure
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Morgens gehe ich für ein viel begehrtes Frühstück, bestehend aus weisen Scheiben<br />
Toast und echtem Kaffee, auf die Straße. Es ist so ungefähr das Schmackhafteste was<br />
ich mir vorstellen kann, denn es ist ein echter Luxus den es selten gibt. Danach fahre<br />
ich mit dem Bus auf die andere Seite der Stadt und werfe Leo aus seinem Bett, der<br />
Faulenzer. Er ist freudig überrascht mich zu sehen und nimmt vier Tage frei von<br />
seinem Unterricht. In diesen Tagen sind wir zusammen unterwegs und es macht<br />
wirklich großen Spaß. Er zeigt mir viele besondere Plätze und nimmt mich mit in einen<br />
echten Tamil Film. Tausend Plätze sind besetzt, von denen dreißig durch Frauen<br />
eingenommen werden und zwar von einer Weisen, ich. Es ist nicht gerade ein Film der<br />
mein Herz höher schlagen lässt, aber die Erfahrung hat sich sicher gelohnt. Ganze<br />
Gruppen von Studenten, darunter auch Frauen, scharen sich um mich und wollen alles<br />
von mir wissen. Unbefangen und beinah kindlich neugierig sind sie, herrlich!<br />
Am nächsten Tag sitzen wir in einer Teestube als dort Panik ausbricht: Eine Schlange<br />
ist im Laden. Bevor wir überhaupt mitbekommen was passiert ist, ist die Schlange<br />
schon lang unschädlich gemacht. Auch dieses Phänomen werde ich noch öfters<br />
miterleben. Und übrigens in so einer Teestube, frei und offen auf der Straße, hat man<br />
sowieso keinen Mangel an Gesellschaft. Die Mäuse spielen gemütlich miteinander<br />
unter den Stühlen. Glücklicherweise hat sich meine Angst vor Mäusen mittlerweile<br />
gelegt!<br />
Auf Leo‟s Tip hin setze ich meinen Weg fort in Richtung Kodaikanal, eine<br />
Bergstation auf 1500 Meter Höhe, wo es seines Wissens herrlich kühl ist.<br />
Das ist gleichzeitig auch der Abschied von meinem kostbaren Freund Leo. Wir<br />
schreiben uns noch mit Unterbrechungen. Auf irgend eine wundersame Art sieht er<br />
mich als seinen Lehrmeister. Als ich zum zweiten Mal in Indien bin kann ich ihn nicht<br />
erreichen. Später schreibt er, dass er verheiratet ist und Kinder hat. Bei unserer<br />
Rückkehr aus Spanien wartet ein Brief auf uns indem er schreibt dass er,<br />
achtundzwanzig Jahre jung, Sero positiv ist. Verzweiflung und tiefe Einsamkeit<br />
sprechen aus diesem Brief. Ich habe zwei Tage geweint, geweint um das Leid dieser<br />
Welt, geweint um das Leid von meinem geliebten Indien. Mein erster Gedanke war ins<br />
Flugzeug zu steigen und zu ihm zu fliegen. Auch diesmal war es mein Körper der<br />
diesem Plan boykottierte. Letztendlich werde ich ihn in Materie nicht mehr zu sehen<br />
bekommen. Ich bekam noch die unverhoffte Gelegenheit um ihm über E-Mail die<br />
letzten Monate seines Sterbens zu begleiten. Und dann verlässt auch er seinen Körper<br />
und wird Teil meines “Teams” das mich im Hintergrund begleitet…<br />
Kodaikanal<br />
Leo hat recht. Es ist bedeutend kühler im Kodaikanal. Es regnet sogar in Strömen. In<br />
kürzester Zeit ist mein Rucksack mit allem was sich darin befindet total durchnässt!<br />
Meine Unterkunft ist dreckig und feucht. Und trotz meiner Socken und meines<br />
Schlafsacks weiß ich nicht wie ich mich aufwärmen soll. Bei Sonnenaufgang ist<br />
seltsamerweise alles trocken. Ich mache eine Morgenwanderung durch die traumhafte<br />
Umgebung und sehe wie der Dunst langsam wegzieht. Es ist märchenhaft und ich<br />
genieße in vollen Zügen von den Bergen, den kleinen Seen und Wasserfällen, den<br />
Blumen und nicht zu vergessen…den Bettlern! Gott widerspiegelt sich in allem und<br />
jedem…<br />
Ich denke, dass es gut ist ein paar Tage hier zu bleiben, auszuruhen und alle intensiven<br />
Erfahrungen zu verarbeiten. Einfach nur Stille, einfach nur ein Stückchen Natur sein.<br />
Pustekuchen! Im Laufe des Nachmittags sehe ich wie sich die Wolken zusammenziehen<br />
und ich kann nicht schnell genug meine nassen Klamotten in den Rucksack stopfen.<br />
Bevor ich richtig nachdenken kann sitze ich im Bus nach Madurai.<br />
<strong>Yasmin</strong> <strong>Verschure</strong> 28/166 Met een open Hart