Ideologie des neuen Imperialismus und ihre Positionen zu ... - DSS

imperialistischer Aktivitäten nach der Zäsur von 1989/92, verbunden mit einer
erzwungenen weltpolitischen Umorientierung, das Aufbrechen neuer
Konflikte und Fronten im Kontext der Globalisierung und die Verschärfung
sozialer Widersprüche als Resultat des neoliberalen Durchmarsches seien als
Stichworte genannt.
Die heutige ideologische Physiognomie dieses Systems in den europäischen
Hauptländern weist in gewisser Hinsicht Symptome des Übergangs auf. Auf
der einen Seite sind Merkmale jenes ideologischen Massenbewusstseins, die
sich in der Blütezeit des Fordismus und des Sozialstaates auf der Grundlage
sozialer Umschichtungen und der Systemauseinandersetzung herausgebildet
haben, nach wie vor prägend: die relative Zufriedenheit politisch relevanter
Bevölkerungskreise sowie Mechanismen der sozialen Kontrolle und der Erlangung
von Zustimmung zur herrschenden Politik und dem gegebenen System,
die nicht vordergründig auf einer ideologischen Mobilisierung im engeren
Sinne beruhen.
Es ist nicht zu leugnen, dass die kapitalistische Gesellschaft in dieser Zeit Methoden
der Legitimierung hervorgebracht hat, die eine kräftige Ergänzung
herkömmlicher ideologischer Rechtfertigung darstellen. Das System scheint
von selbst zu funktionieren. Die Auffassung, das Ende der Meta-Erzählungen,
der Groß-Ideologien sei gekommen, wird nicht nur von ihren postmodernen
Protagonisten geteilt. Ideologie sei ihrem Wesen nach eine Sache der Bedeutung,
schreibt Terry Eagleton. Die Verfassung des fortgeschrittenen Kapitalismus
aber zeichne sich durch eine alles durchdringende Nicht-Bedeutung
aus. Die Macht des Nützlichen und der Technologie entzieht dem sozialen
Leben seine Bedeutung, indem sie den Gebrauchswert dem leeren Formalismus
des Tauschwerts unterordnet. 20
Auf der anderen Seite mehren sich Anzeichen tiefer Verunsicherung und des
Rückgangs der Wirkungen traditioneller Muster der Identifikation mit dem
Gegebenen. Konservative Kreise fordern eine Aufkündigung des Nachkriegskonsenses
und eine neue geistige Wende. „Indiz für die zunehmende
ideologische Aufladung der sozialen Konflikte nach einer langen Periode relativ
gesicherter Reproduktion ist, dass die Systemfrage erneut gestellt wird.“ 21
Und so wenig in Abrede zu stellen ist, dass die das 19. und 20. Jahrhundert
prägenden Groß-Ideologien (Liberalismus, Konservatismus, Sozialismus u.a.)
sowohl in ihrer Beschaffenheit und Gestalt als auch im Ausmaß und der Art
ihrer Wirkung beträchtliche Modifikationen aufweisen, verschwunden sind sie
20 Siehe T. Eagleton, Ideologie, a.a.O., S. 48.
21 S. Herkommer, Metamorphosen der Ideologie, Hamburg 2004, S. 10.
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