Ideologie des neuen Imperialismus und ihre Positionen zu ... - DSS
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eine ideologische Auseinanderset<strong>zu</strong>ng in den ersten Jahrzehnten <strong>des</strong> zwanzigsten<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
In seinem Hauptwerk Der <strong>Imperialismus</strong> (1902) widmet John A. Hobson ein eigenes<br />
Kapitel der Kritik <strong>des</strong> „populären Irrglaubens, der Einsatz staatlicher<br />
Macht <strong>zu</strong>r Erlangung neuer Märkte durch Annexion weiterer Gebiete sei eine...<br />
unvermeidliche Politik für ein fortgeschrittenes Industrieland wie Großbritannien“.<br />
Er greift die Logik dieses Arguments <strong>zu</strong>nächst auf. Sicher könne<br />
nicht in Abrede gestellt werden, dass für wachsende Erzeugnismassen neue<br />
Märkte <strong>und</strong> für überschüssiges Kapital oder Arbeitskräfte neue Gebiete nötig<br />
seien. Die Produktionskraft eines Lan<strong>des</strong> könne in der Tat so rasch wachsen,<br />
dass die Nachfrage <strong>des</strong> Binnenmarktes überschritten werde. „Diese ökonomische<br />
Sachlage bildet die Hauptwurzel <strong>des</strong> <strong>Imperialismus</strong>.“ Insofern – „sagt<br />
man uns“ – seien die auf diese Weise ausgelösten Prozesse „unvermeidlich“.<br />
Bei näherem Hinsehen erweise sich das jedoch als eine „oberflächliche“ Betrachtung<br />
<strong>und</strong> eine „rein wirtschaftliche“ Argumentation. Was wäre denn,<br />
wenn das „konsumierende Publikum“ seinen „Konsumtionsstandard“ so<br />
steigern würde, dass er mit der Steigerung der Produktion Schritt hielte? Das<br />
ganze Überschussproblem wäre vom Tisch. Zu fragen wäre also, warum die<br />
Konsumtion unter bestimmten Bedingungen mit der Produktion nicht automatisch<br />
Schritt halte. Die Antwort bringe uns – fährt er fort – <strong>zu</strong> der „allgemeinen<br />
Problematik der Verteilung <strong>des</strong> Reichtums.“ Die „Verkehrtheit“ der<br />
gegebenen Verteilungswirtschaft müsse <strong>zu</strong>gunsten <strong>des</strong> Lohneinkommens der<br />
arbeitenden Klassen <strong>und</strong> <strong>des</strong> öffentlichen Einkommens geändert werden. Die<br />
Annahme einer Unvermeidlichkeit imperialer Expansion sei mithin ein Trugschluss.<br />
„Die Triebkräfte <strong>des</strong> Klasseninteresses, die diese verkehrte Welt erzeugen,<br />
haben wir erklärt. Keine Heilmethode wird helfen, solange sie das<br />
Wirken dieser Kräfte auch künftig gestattet. Es ist zwecklos, den <strong>Imperialismus</strong><br />
oder den Militarismus als politisches Mittel oder politische Konzeptionen<br />
<strong>zu</strong> bekämpfen, wenn nicht die Axt an die wirtschaftliche Wurzel <strong>des</strong><br />
Baumes gelegt wird.“ 14<br />
Hier musste verkürzt werden. Der reformistische Gesamtansatz Hobsons, der<br />
nicht nur von Lenin kritisiert wurde, bleibt unberücksichtigt. Aber der prinzipielle<br />
Charakter dieser Argumentation gegen das fatalistische Unvermeidlichkeitspostulat<br />
imperialistischer Politik, das Insistieren auf einer rationalen, also<br />
sozialistischen Alternative, das Sprengen der Grenzen klassenmäßig bedingter<br />
empiristischer Sachlogik ist von größter Aktualität. Hobson steht hoch über<br />
14 J. A. Hobson, Der <strong>Imperialismus</strong>, Köln, Berlin 1968, S. 85 - 103.