Strafanzeige und Strafprozess - Strafverteidiger|büro
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Gegen eine Flucht sprechen die sozialen Bindungen des Beschuldigten . Solche<br />
Bindungen sind ein starkes Indiz dafür, dass der Beschuldigte trotz drohender<br />
Strafe sein gewohntes Lebensumfeld nicht verlassen wird <strong>und</strong> nach<br />
Anklageerhebung vor Gericht erscheint. Eine langjährige Ehe mit Kindern, für die<br />
sich der Beschuldigte in der Vergangenheit verantwortlich gezeigt hat, ist ein<br />
solcher Bindungsfaktor. Die gleiche Wirkung können auch langjährige<br />
homosexuelle Beziehungen entfalten. Das bereits abbezahlte<br />
Einfamilienhäuschen als einziger Vermögenswert des Beschuldigten hält diesen<br />
trotz Ermittlungsverfahrens ebenso sehr in seinem bekannten Lebenskreis fest<br />
wie ein langjähriger solider <strong>und</strong> zufriedenstellender Arbeitsplatz.<br />
Dagegen sind die Fluchtanreize abzuwägen, die das Ermittlungsverfahren für den<br />
Beschuldigten mit sich bringen. An erster - <strong>und</strong> oft einziger - Stelle steht hier die<br />
Höhe der zu erwartenden Strafe . Je schwerwiegender die konkret zu erwartende<br />
Strafe, desto schwächer müssen auch die Bindungswirkungen des bisherigen<br />
sozialen Umfelds bewertet werden. Sind zum Beispiel bei einem schweren Raub<br />
nach dem bisherigen Ermittlungsstand Freiheitsstrafen von sechs bis acht Jahren<br />
durchaus möglich, ist auch der Anreiz für einen bodenständigen Bürger sehr<br />
groß, der Heimat <strong>und</strong> damit dem Gefängnis den Rücken zu kehren. Das Risiko<br />
einer Freiheitsstrafe von wenigen Monaten oder gar Jahren geht derjenige<br />
Beschuldigte erfahrungsgemäß ein, der Wert auf seine sozialen Bindungen legt.<br />
Die Fluchtwahrscheinlichkeit wird erhöht durch tatsächlich bestehende<br />
Fluchtmöglichkeiten . Wer nicht weiß, wohin er fliehen soll, flieht seltener.<br />
Demgegenüber kann das Ferienhäuschen in Spanien oder der seit Jahren<br />
emigrierte Bruder in Kanada einem Beschuldigten durchaus zum Verhängnis<br />
werden. Ergibt sich aus den Ermittlungsakten gar, dass der Beschuldigte über ein<br />
prall gefülltes Konto in der Schweiz verfügt, spricht unter Umständen nur noch<br />
wenig gegen seine Flucht.<br />
Je schwerwiegender das vorgeworfene Delikt ist, desto höher ist die zu<br />
erwartende Bestrafung <strong>und</strong> daraus folgend die Wahrscheinlichkeit einer Flucht.<br />
Bei bestimmten Delikten, wie Mord, Totschlag oder Mitgliedschaft in einer<br />
terroristischen Vereinigung geht das Gesetz sogar soweit, eine Fluchtgefahr<br />
praktisch zu unterstellen. In diesem Fall hat in einer Art Beweislastumkehr der<br />
Beschuldigte die Aufgabe, den Haftrichter von seinem späteren freiwilligen