Strafanzeige und Strafprozess - Strafverteidiger|büro
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Zu diesem Zeitpunkt gibt es zumeist noch keine schriftlichen Urteilsgründe. Jeder<br />
der Beteiligten hat bislang nur die mündliche Urteilsverkündung erlebt. Hat z.B.<br />
der Strafrichter am Montag Nachmittag ein Urteil am Ende der Hauptverhandlung<br />
verkündet, muss spätestens am Montag der darauffolgenden Woche um<br />
Mitternacht die Berufung beim Amtsgericht eingegangen sein. Poststempel<br />
genügt nicht. Zur Not muss die Berufung am Montag in den Nachtbriefkasten des<br />
Amtsgerichts geworfen werden.<br />
Der Brief an das Amtsgericht darf sehr schlicht sein. Er muss lediglich den einen<br />
Satz enthalten, dass gegen das Urteil Berufung eingelegt wird. Da klar sein muss,<br />
gegen welches der zahlreichen Urteile eines Amtsgerichts Berufung eingelegt<br />
wird, muss das Aktenzeichen <strong>und</strong> der Name des Angeklagten angegeben<br />
werden.<br />
Zumeist erst Wochen später wird das<br />
schriftliche Urteil fertiggestellt <strong>und</strong> den<br />
Beteiligten zugestellt. Der Leser ist nicht selten erstaunt über den Inhalt dieses<br />
Urteils. Was er dort lesen muss, weicht häufig von dem ab, was er selbst in der<br />
Hauptverhandlung erlebt hat. Belastende Zeugenaussagen erscheinen plötzlich<br />
um einen Grad schwergewichtiger, entlastende Zeugenaussagen werden im<br />
Urteil zum Teil gar nicht erwähnt. Trotzdem muss jeder Beteiligte zunächst mit<br />
diesem Urteil leben. Verbesserungen kann er nicht verlangen, zumal das, was die<br />
Zeugen tatsächlich gesagt haben, nirgendwo verbindlich protokolliert worden ist.<br />
Auch im Zeitalter elektronischer Medien vertraut der Gesetzgeber dem<br />
Gedächtnis eines Richters. Technisch notwendig ist das nicht. Jeder der<br />
Prozessbeteiligten hat sich auf diese Situation <strong>und</strong> damit auch auf die<br />
menschlichen Schwächen des Erinnerungsvermögens einzustellen.<br />
In der Berufung kann der mit dem Urteil unzufriedene Angeklagte, Staatsanwalt<br />
oder Nebenkläger das Steuer nochmals herumreißen. Das Berufungsgericht ist<br />
an das Urteil der ersten Instanz nicht geb<strong>und</strong>en. Es hat aufgr<strong>und</strong> einer neuen<br />
Hauptverhandlung in eigener Verantwortung ein neues Urteil zu fällen.<br />
Für den Angeklagten, der Berufung eingelegt hat, heißt das allerdings, dass er in<br />
jedem Fall nach der Ladung zur Berufungshauptverhandlung erscheinen muss.<br />
Im Gegensatz zur ersten Instanz kann auch in seiner Abwesenheit verhandelt