Strafanzeige und Strafprozess - Strafverteidiger|büro

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28.10.2013 Aufrufe

3.) Wie darf der Richter die Beweise würdigen? Dem Gericht verbleiben oft zahlreiche zulässig erhobenen Beweise, die es zur Grundlage seiner Urteilsfindung macht. Nach Abschluss der Hauptverhandlung liegen dem Gericht zahlreiche Puzzle-Teile vor, aus denen es sich das Bild des Tatgeschehens zusammensetzen soll. Der erste und wichtigste Schritt hierbei ist die Auswahl der Puzzlesteine. Nicht jede Zeugenaussage, nicht jede Urkunde führt zu demselben Bild. Hat ein Zeuge ausgesagt, dass er den Angeklagten in der Bank eindeutig als Täter des Überfalls wiedererkannt hat und hat die Freundin des Angeklagten ausgesagt, dass sie zur Tatzeit mit diesem einen vergnügten Nachmittag im Bett verbracht hat, kann nur eine Aussage stimmen. Der Richter hat zu entscheiden, wem er glaubt: dem Tatzeugen oder der Alibizeugin. Viele Dinge spielen bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eine Rolle. Die Freundin hat sicherlich ein Interesse, den Angeklagten zu schützen; das macht sie allerdings nicht von vornherein zur Lügnerin. Der Tatzeuge kann sich angesichts der Schnelligkeit des Tatablaufs sehr wohl geirrt haben; das macht ihn aber nicht von vornherein unglaubwürdig. Der Richter wird überprüfen, was die Freundin sonst noch zu dem vergnüglichen Nachmittag zu berichten hat. Schmückt sie die Geschichte mit zahlreichen Details aus, die man kaum erfinden kann, erscheint sie glaubwürdig. Weiß die Zeugin praktisch ansonsten nichts mehr von dem Nachmittag, darf der Richter skeptisch sein. Weiß der Tatzeuge noch genau, wie die Frisur, die Größe oder gar die Augenfarbe des Täters war, ist er ein glaubwürdiger präziser Beobachter; beschränkt sich seine Aussage lediglich darauf, er könne den Täter erkennen, erscheint sein Wiedererkennen eher als Spekulation. Es gibt unzählige Gesichtspunkte, unter denen der Richter Glaubwürdigkeit, Lüge und Irrtum untersuchen kann. Es wird vom Richter nur verlangt, dass er alle

offensichtlichen Ungereimtheiten in seinem Urteil erkennt und erörtert. Hat er dies getan, ist oft jedes Ergebnis seiner Bewertung vertretbar. So kann es passieren, dass ein Richter bei der Erörterung sämtlicher problematischer Gesichtspunkte dem Augenzeugen eher Glauben schenkt, ein anderer Richter in demselben Fall bei diesem eher einen Irrtum wittert und der Alibizeugin glaubt. Beide Urteile sind völlig entgegengesetzt, beide Urteile sind aber rechtsstaatlich vertretbar, wenn die Richter die Grenzen der freien richterlichen Würdigung nicht überschritten haben. Hat der Richter sich im ersten Schritt entschieden, welche Beweismittel er für sein Puzzle heranziehen will, ergibt das noch lange kein Zusammenlegen sämtlicher Beweise häufig festes Tatbild . Häufig ist es so, dass kein Zeuge und keine Urkunde unmittelbar beweisen kann, dass der Angeklagte eine Tat begangen hat. Der Richter hat nur einige wenige Puzzlesteine aufgrund des Strafprozesses gewinnen können. Sein großes Problem besteht darin, ob er sich die restlichen zum Tatbild fehlenden Steine schlicht hinzudenken darf. Das ist eine Frage, die in den sogenannten Indizienprozessen Strafprozess ist ein solcher Indizienprozess. immer wieder auftaucht. Fast jeder Beispiel: Keiner der Zeugen hat den Angeklagten als Fahrer des Fluchtfahrzeuges erkannt. Einer hat sich jedoch das Autokennzeichen notiert. Das Kennzeichen passt zum weißen BMW des Angeklagten. Alle Zeugen haben einen weißen BMW gesehen. Eine Stunde vor der Tat hat der Nachbar des Angeklagten gesehen, wie der Angeklagte seinen BMW bestiegen hat und weggefahren ist. Reichen diese Indizien, um den Angeklagten zu überführen, dass er einen Unfall verursacht und anschließend Unfallflucht begangen hat? Kann sich der Richter wirklich aus den wenigen Puzzlesteinen der Hauptverhandlung ein Tatbild für sein Urteil machen? Grundsätzlich hat der Richter auch hier bei der Bewertung und Zusammensetzung der einzelnen Fakten einen großen Spielraum. Denn er hat das Recht, aus festgestellten Tatsachen Rückschlüsse auf andere Tatsachen zu ziehen. Aus der Tatsache, dass das Fahrzeug des Angeklagten am Tatort erkannt wurde, der Angeklagte selbst kurz vorher das Fahrzeug noch geführt hat und möglicherweise geringe Schäden am Fahrzeug bereits am Folgetage in der

3.) Wie darf der Richter die Beweise würdigen?<br />

Dem Gericht verbleiben oft zahlreiche zulässig erhobenen Beweise, die es zur<br />

Gr<strong>und</strong>lage seiner Urteilsfindung macht. Nach Abschluss der Hauptverhandlung<br />

liegen dem Gericht zahlreiche Puzzle-Teile vor, aus denen es sich das Bild des<br />

Tatgeschehens zusammensetzen soll.<br />

Der erste <strong>und</strong> wichtigste Schritt hierbei ist die Auswahl der Puzzlesteine. Nicht<br />

jede Zeugenaussage, nicht jede Urk<strong>und</strong>e führt zu demselben Bild. Hat ein Zeuge<br />

ausgesagt, dass er den Angeklagten in der Bank eindeutig als Täter des Überfalls<br />

wiedererkannt hat <strong>und</strong> hat die Fre<strong>und</strong>in des Angeklagten ausgesagt, dass sie zur<br />

Tatzeit mit diesem einen vergnügten Nachmittag im Bett verbracht hat, kann nur<br />

eine Aussage stimmen. Der Richter hat zu entscheiden, wem er glaubt: dem<br />

Tatzeugen oder der Alibizeugin.<br />

Viele Dinge spielen bei der Beurteilung der<br />

Glaubwürdigkeit<br />

eine Rolle. Die<br />

Fre<strong>und</strong>in hat sicherlich ein Interesse, den Angeklagten zu schützen; das macht<br />

sie allerdings nicht von vornherein zur Lügnerin. Der Tatzeuge kann sich<br />

angesichts der Schnelligkeit des Tatablaufs sehr wohl geirrt haben; das macht ihn<br />

aber nicht von vornherein unglaubwürdig.<br />

Der Richter wird überprüfen, was die Fre<strong>und</strong>in sonst noch zu dem vergnüglichen<br />

Nachmittag zu berichten hat. Schmückt sie die Geschichte mit zahlreichen Details<br />

aus, die man kaum erfinden kann, erscheint sie glaubwürdig. Weiß die Zeugin<br />

praktisch ansonsten nichts mehr von dem Nachmittag, darf der Richter skeptisch<br />

sein. Weiß der Tatzeuge noch genau, wie die Frisur, die Größe oder gar die<br />

Augenfarbe des Täters war, ist er ein glaubwürdiger präziser Beobachter;<br />

beschränkt sich seine Aussage lediglich darauf, er könne den Täter erkennen,<br />

erscheint sein Wiedererkennen eher als Spekulation.<br />

Es gibt unzählige Gesichtspunkte, unter denen der Richter Glaubwürdigkeit, Lüge<br />

<strong>und</strong> Irrtum untersuchen kann. Es wird vom Richter nur verlangt, dass er alle

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