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Strafanzeige und Strafprozess - Strafverteidiger|büro

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Erstrebt der Angeklagte eine<br />

Distanzierung von früheren<br />

Vernehmungsprotokollen , muss er aktiv werden. Er wird dabei allerdings die<br />

Erfahrung machen, dass er eine nahezu unlösbare Aufgabe zu bewältigen hat.<br />

Der Angeklagte wird dem Richter verzweifelt erklären, dass er die<br />

Formulierungen im polizeilichen Vernehmungsprotokoll selbst niemals so gewählt<br />

hätte, dass er tatsächlich etwas anderes gemeint hat. Er wird ihm die für ihn<br />

beängstigende Situation auf der Polizeiwache schildern, sein Bedürfnis, nur<br />

möglichst schnell dort wegzukommen. Er wird ihm seine totale Blockade im Hirn<br />

darstellen, die sowohl ein geordnetes Denken, als auch ein vernünftiges Lesen<br />

des Protokolls unmöglich machte.<br />

Der Angeklagte wird oft erleben, dass er lediglich mit der lächelnden Frage des<br />

Richters konfrontiert wird, ob das nicht seine Unterschrift unter dem polizeilichen<br />

Protokoll sei <strong>und</strong> ob dort nicht noch die Worte stehen "gelesen <strong>und</strong> genehmigt".<br />

Er wird die Erfahrung machen, dass die Solidarität der Richter mit dem<br />

polizeilichen Vernehmungsbeamten sehr groß ist, das Einfühlungsvermögen in<br />

die existenzielle Angstsituation des Beschuldigten in der Vernehmung aber relativ<br />

gering. Gr<strong>und</strong> hierfür ist nicht zuletzt auch die menschliche Schwäche der<br />

Richter, sich die Arbeit zu erleichtern: nach Lektüre der Akten <strong>und</strong> des<br />

polizeilichen Protokolls hat er bereits ein bestimmtes Bild vom Tatgeschehen<br />

gewonnen. Das Bild in der Hauptverhandlung wieder aufleben zu lassen, ist<br />

einfach. Es ist für ihn sehr viel mühsamer, sich von diesem Bild zu lösen.<br />

Wer als Angeklagter den Richter davon überzeugen will, dass das polizeiliche<br />

Vernehmungsprotokoll nicht genau das wiedergibt, was er seinerzeit gesagt<br />

hatte, muss daher schon mehr vortragen. Er muss Details über die Umstände der<br />

Vernehmung schildern, die sich nicht aus der Akte ergeben. Möglicherweise hat<br />

das nicht protokollierte Vorgespräch viele St<strong>und</strong>en gedauert, in denen der<br />

Angeklagte mürbe gemacht wurde. Er muss die Art seiner besonderen Ängste<br />

darlegen, möglicherweise untermauert durch psychotherapeutische Erfahrung. Er<br />

muss Hinweise darauf geben, dass frühere Angaben des Protokolls schon<br />

objektiv nicht zutreffen können. Erst bei einer Vielzahl dieser Argumente hat der<br />

Angeklagte die vage Chance, dass der Richter seinem späteren Urteil nicht<br />

sämtliche früheren Angaben zugr<strong>und</strong>e legt.

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