Wie die römische Republik zum Kaiserreich wurde - Markus Grass
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Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
<strong>Wie</strong> <strong>die</strong> <strong>römische</strong> <strong>Republik</strong> <strong>zum</strong> <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
Caesars Mörder Brutus erwartete sich<br />
Begeisterung über <strong>die</strong> Ermordung des „Tyrannen“<br />
Caesar und <strong>die</strong> <strong>Wie</strong>derherstellung der „Freiheit“ bei<br />
seinen Mitbürgern. Diese Begeisterung hielt sich bei<br />
den <strong>römische</strong>n Bürgern jedoch in sehr bescheidenen<br />
Grenzen. Wenige Monate vor den Iden des März 44<br />
v. Chr. war das Volk vom „Tyrannen“ reich<br />
beschenkt worden, in seinem Testament hatte er<br />
nochmals jedem <strong>römische</strong>n Bürger 300 Sesterzen<br />
versprochen. Bei der von Caesars Mördern<br />
wiederhergestellten „Freiheit“ handelte es sich in den<br />
Augen vieler Römer um <strong>die</strong> Freiheit der<br />
Großgrundbesitzer, Bauernland an sich zu bringen<br />
sowie <strong>die</strong> Ansiedlung verarmter Bürger und<br />
ehemaliger Legionäre auf dem Land zu verhindern.<br />
Ein beachtlicher Teil der <strong>römische</strong>n Bevölkerung zur<br />
Zeit von Caesars Tod waren Veteranen und zivile<br />
Bürger, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Zuteilung ihres Siedlungslandes<br />
warteten. Sie befürchteten nicht zu Unrecht, dass<br />
Brutus und seine Gefolgsleute unter anderem auf <strong>die</strong><br />
Verhinderung von weiteren Ackergesetzen aus<br />
waren. <strong>Wie</strong> war es aber dazu gekommen, dass<br />
Caesar, dessen Namen noch Jahrtausende später im<br />
Titel „Kaiser“ weiterlebte, zu einer solchen<br />
Bedeutung gelangt war?<br />
Caesars Aufstieg: Das Triumvirat<br />
Als Sulla seine Diktatur wieder zurückgelegt<br />
und <strong>die</strong> Macht wieder an den Senat abgetreten hatte,<br />
hatte er vor allem eines erreicht: Alle politischen<br />
Kräfte in Rom, lediglich der harte Kern der<br />
Optimaten im Senat ausgenommen, waren zu<br />
unbedingten Gegnern von Sullas Verfassung<br />
geworden. Im Kampf gegen <strong>die</strong>se Verfassung kamen<br />
drei Politiker zusammen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>römische</strong><br />
Geschichte im ersten Jahrhundert v. Chr.<br />
entscheidend prägten: Marcus Licinius Crassus<br />
(geboren 113 v. Chr.), Gnaeus Pompejus Magnus<br />
(106 v. Chr.) und Gaius Julius Caesar (102 v. Chr.).<br />
Pompejus und Crassus hatten zu den Nutznießern<br />
von Sullas Politik gehört, sie waren ursprünglich<br />
eigentlich den Optimaten zuzurechnen. Caesar<br />
hingegen zählte zu einem von Sullas Opfern. <strong>Wie</strong> <strong>die</strong><br />
Brüder Gracchus stammte Caesar aus einer<br />
patrizischen Senatorenfarnilie, war aber in <strong>die</strong> Partei<br />
der Popularen „hineingeboren“. Eine Schwester<br />
seines Vaters war verheiratet mit Marius, dem<br />
berühmtesten Popularen, er selbst war in erster Ehe<br />
verheiratet mit einer Tochter Cinnas, eines weiteren<br />
namhaften Popularen. Sulla hatte 83 v. Chr. vom 19jährigen<br />
Caesar verlangt, er solle seine Frau<br />
verstoßen; <strong>die</strong>ser weigerte sich und <strong>wurde</strong> prompt<br />
geächtet. Caesar floh und verbrachte fast ein<br />
Jahrzehnt in Griechenland, wo er als Freiwilliger am<br />
Kampf gegen Mithridates, des Königs von Pontus<br />
am Schwarzen Meer, teilnahm.<br />
Fünf Jahre nach Sullas Tod <strong>wurde</strong> Caesar, im<br />
Jahre 73 v. Chr., in Abwesenheit <strong>zum</strong> Pontifex (=<br />
Priester) gewählt, er kehrte nach Rom zurück und<br />
begann, <strong>die</strong> von Sulla zerschlagene Partei der<br />
Popularen zu reorganisieren. Caesars Stunde schlug<br />
erstmals im Jahre 70 v. Chr., als Pompejus und<br />
Crassus seine Unterstützung in der<br />
Volksversammlung brauchten. Mit Caesars<br />
Unterstützung <strong>wurde</strong>n Pompejus und Crassus im<br />
Jahr 70 v. Chr. zu Konsuln gewählt. Als<br />
Gegenleistung hoben sie noch im selben Jahr<br />
sämtliche noch nicht aufgehobenen<br />
Verfassungsgesetze Sullas wieder auf. Dem<br />
Concilium plebis und den Volkstribunen <strong>wurde</strong> ihre<br />
gesetzgebende Gewalt zurück gegeben. Das<br />
Volkstribunat, das seit den Gracchen eine wichtige<br />
Rolle für <strong>die</strong> Politik der Popularen gespielt hatte, war<br />
damit als eine Opposition <strong>zum</strong> Senat<br />
wiederhergestellt. Die ausschließliche Besetzung der<br />
Richterstellen mit Senatoren <strong>wurde</strong> ebenfalls<br />
aufgehoben. Damit war der Grundstein gelegt für<br />
<strong>die</strong> Zusammenarbeit der drei Politiker in einem<br />
„Drei-Männer-Bündnis“, dem sogenannten<br />
Triumvirat.<br />
Im Jahr 60 v. Chr., zehn Jahre nach dem ersten<br />
Zusammenwirken, erschien Caesar bereits als der<br />
Seniorpartner im Triumvirat, dem mehr oder<br />
weniger geheimen „Drei-Männer-Bündnis“ Caesars<br />
mit Pompejus und Crassus. Sein Aufstieg beruhte<br />
<strong>zum</strong> Teil auf dem Niedergang des Pompejus, <strong>zum</strong><br />
Teil darauf, dass er seine eigene Stellung weiter<br />
ausgebaut hatte. Caesars Kampf für <strong>die</strong> Verleihung<br />
des Bürgerrechts an <strong>die</strong> Gallier nördlich des Po war<br />
auf massiven Widerstand der Optimaten getroffen<br />
und gescheitert. Aber Caesar hatte sich einen Ruf als<br />
unermüdlicher Anwalt der Rechte der einfachen<br />
Bevölkerung, der „common people“ gefestigt. Auch<br />
Pompejus und Crassus hatten in den 60er Jahren<br />
manche ihrer politischen Ziele nicht erreichen<br />
können. Solange jeder für sich vorging, scheiterten<br />
sie am Widerstand der Optimaten im Senat. Als<br />
<strong>die</strong>se dem Pompejus selbst nach dessen Triumph<br />
gegen Mithridates im Nahen Osten das Ackergesetz<br />
für seine Veteranen verweigerten, war dessen<br />
Selbstbewusstsein massiv angeschlagen. Caesar und<br />
Crassus wiederum hatten verstanden, dass ihre große<br />
Unterstützung in der Volksversammlung nicht<br />
genügte, sondern dass auch noch ein ausreichender<br />
Teil der Senatoren bestochen werden musste. Das<br />
1
aber war ohne <strong>die</strong> Mitwirkung einer der größten<br />
damaligen Finanzmächte, nämlich Pompejus, nicht<br />
zu machen. Und Pompejus war von den Optimaten<br />
dermaßen blamiert worden, dass er jede Hilfe<br />
annahm, auch <strong>die</strong>jenige des von ihm wenig<br />
geschätzten Crassus, und so ging das Triumvirat in<br />
seine nächste Runde. Nach Caesars Wahl <strong>zum</strong><br />
Konsul brachte er im Jahr 59 v.Chr. mehrere<br />
Gesetze durch, <strong>die</strong> in den Augen der Optimaten<br />
empörend waren: zwei Ackergesetze zur Ansiedlung<br />
von Pompejus' Veteranen sowie zur Ansiedlung<br />
einer Anzahl <strong>römische</strong>r proletarii, schließlich auch<br />
<strong>die</strong> Verteilung der Provinzen. Er selbst erhielt<br />
dadurch auf fünf Jahre Illyrien, Gallia Cisalpina<br />
(Oberitalien) und Gallia Narbonensis<br />
(Südfrankreich) – damit verschaffte er sich den<br />
lukrativen Krieg, den er zur Begründung einer<br />
militärischen und finanziellen Hausmacht benötigte.<br />
Die Ackergesetze für Pompejus Veteranen setzte<br />
Caesar im übrigen gegen das Veto seines Kollegen<br />
Bibulus, eines Optimaten, durch. Noch Jahrzehnte<br />
später <strong>wurde</strong> das Jahr 59 v. Chr. von den Römern<br />
scherzhaft als das Jahr der Konsuln Gaius und Julius<br />
bezeichnet.<br />
Caesars Großzügigkeit und wie sie finanziert<br />
<strong>wurde</strong><br />
Heute gilt ein Bankrotteur als ungeeignet für<br />
<strong>die</strong> Bekleidung eines öffentlichen Amtes. In der<br />
späten <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> war das umgekehrt:<br />
jeder Bewerber um ein höheres Staatsamt war<br />
überschuldet. Selbst wer vorher ein Nettovermögen<br />
besessen hatte, verschuldete sich spätestens durch<br />
seine Bewerbung. Denn egal, wie arm und elend <strong>die</strong><br />
Proletarier waren, sie und ihre Nachkommen<br />
blieben doch <strong>römische</strong> Staatsbürger und damit<br />
wahlberechtigt bei den Wahlen zu den höchsten<br />
Ämtern im Staate. Wer von der Volksversammlung<br />
gewählt werden wollte, musste <strong>die</strong> Gunst der<br />
Volksversammlung durch Brot und Spiele<br />
erkaufen: Durch Massenspeisungen, Getreidegeschenke,<br />
Wagenrennen und Gladiatorenspiele.<br />
Spätestens im Jahr 65 v. Chr. erhielt Caesar den Ruf,<br />
großzügig zu sein. In <strong>die</strong>sem Jahr war Caesar als<br />
Aedil nicht nur für <strong>die</strong> Aufrechterhaltung der<br />
öffentlichen Ordnung zuständig, sondern auch<br />
dafür, <strong>die</strong> großen Feste auszurichten. Er nützte <strong>die</strong><br />
Gelegenheit, sich der Volksversammlung zu<br />
empfehlen. Caesars Spiele stellten alles bisher<br />
Dagewesene in den Schatten. Er bildete eine<br />
vierstellige Anzahl Gladiatoren aus – wobei er sich<br />
als ausgezeichneter Fechter ihrer Ausbildung<br />
persönlich widmete. Nicht weniger Aufsehen<br />
erregte <strong>die</strong> bauliche Ausschmückung der<br />
Versammlungsplätze auf Forum und Kapitol. Eines<br />
Nachts ließ er auf dem Kapitol <strong>die</strong> von Sulla<br />
beseitigten Trophäen und Statuen des Marius wieder<br />
aufstellen - der Senat musste <strong>die</strong> Herausforderung<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
einstecken, denn <strong>die</strong> Volksstimmung war zu<br />
Gunsten von Caesar.<br />
Viele Kandidaten mussten sich das notwendige<br />
Kapital für ihre Wahlkämpfe von Geldgebern<br />
vorschießen lassen, dabei waren saftige Kreditzinsen<br />
in zweistelliger Höhe zu bezahlen. Wer <strong>die</strong> gesamte<br />
Ämterlaufbahn bis <strong>zum</strong> Konsul absolviert hatte, war<br />
meistens überschuldet, sanierte sich aber<br />
anschließend als Statthalter in einer Provinz und<br />
zahlte bei der Rückkehr <strong>die</strong> Schulden <strong>zum</strong>indest<br />
teilweise zurück. Dem Historiker Plutarch zufolge<br />
soll Caesar schon bei Antritt seines ersten Amtes als<br />
Quästor im Jahre 69 v. Chr. rund 34 Millionen<br />
Sesterzen Schulden gehabt haben. Manche Gegner<br />
Caesars hofften darauf, er werde sich ruinieren. In<br />
der Tat nutzte Caesar seinen Aufenthalt in Spanien<br />
nicht dazu, sich finanziell zu sanieren. Dennoch<br />
waren <strong>die</strong> Hoffnungen von Caesars Gegnern<br />
unbegründet: Sie übersahen, dass er einen der<br />
größten Finanzmagnaten des 1. Jhd. v. Chr. als<br />
Hauptgläubiger hinter sich hatte, nämlich Crassus,<br />
mit dem er im Triumvirat eng verbunden war.<br />
Caesar und Crassus gingen bei einer Reihe wichtiger<br />
politischer Unternehmungen Hand in Hand, so z.B.<br />
bei ihrem gemeinsamen Ackergesetz und bei den<br />
Versuchen, den Galliern nördlich des Po das<br />
Bürgerrecht zu verleihen. Crassus hatte zwar selber<br />
nicht genug Bargeld für Caesars ausschweifende<br />
Unternehmungen, beschaffte aber <strong>die</strong> erforderlichen<br />
Kredite bei Dritten. Er verbürgte sich für Caesar bis<br />
<strong>zum</strong> Betrag von 22 Millionen Sesterzen und beglich<br />
Caesars Schulden bei den ungeduldigsten<br />
Gläubigern. Vom Historiker Appian wissen wir,<br />
dass Caesar selbst <strong>die</strong> Höhe seiner Schulden auf<br />
über 100 Millionen Sesterzen bezifferte, als er 62 v.<br />
Chr. für das Amt des Pontifex Maximus, des<br />
höchsten Priesters auf Lebenszeit, kandi<strong>die</strong>rte. Sein<br />
Gegenkandidat Catulus, einer der verbissensten<br />
Führer der Optimaten, habe eingesehen, wie viel<br />
besser Caesars Wahlaussichten waren. Deshalb habe<br />
er Caesar unter Hinweis auf dessen stadtbekannte<br />
Überschuldung Geld angeboten. Caesar habe<br />
gelassen erwidert, er werde nicht von der Wahl<br />
zurücktreten, sondern, wenn nötig, noch mehr Geld<br />
borgen.<br />
Roms Provinzen in der Zeit vor Caesar<br />
Einer der Hauptzwecke der <strong>römische</strong>n<br />
Provinzialverwaltung bestand darin, dem von Jahr zu<br />
Jahr wechselnden <strong>römische</strong>n Gouverneur <strong>die</strong><br />
Rückzahlung seiner Schulden zu ermöglichen. <strong>Wie</strong><br />
entsetzlich <strong>die</strong> <strong>römische</strong>n Statthalter in den<br />
Provinzen hausten, ist in Ciceros Reden gegen den<br />
Statthalter Verres dokumentiert. In einem<br />
Gerichtsprozess im Jahre 70 v. Chr. wies er Verres<br />
nach, dass <strong>die</strong>ser als Statthalter in Sizilien 40<br />
Millionen Sesterzen geraubt und hinterzogen hatte.<br />
Dass Verres im Gegensatz zu anderen Statthaltern<br />
2
vor Gericht kam, hatte er seiner unklugen<br />
Vorgehensweise zu verdanken: Er hatte nicht nur<br />
Sizilianer geschädigt, sondern auch <strong>die</strong> <strong>Republik</strong> und<br />
seine <strong>römische</strong>n Geldgeber, deren Anwalt Cicero<br />
war.<br />
Die Klasse der <strong>römische</strong>n Kaufleute, <strong>die</strong><br />
sogenannten „Ritter“ (equites), wird von den<br />
<strong>römische</strong>n Geschichtsschreibern selten erwähnt.<br />
Viele Ritter waren mit der Steuerpacht befasst, einem<br />
sehr lukrativen Geschäftszweig. Gegen Bezahlung<br />
eines fixen Betrages an <strong>die</strong> <strong>Republik</strong> machten sich<br />
<strong>die</strong> Steuerpächter daran, ein Mehrfaches davon in<br />
den Provinzen einzutreiben. Dieses Geschäft<br />
erforderte jedoch ein gewisses Eigenkapital. Der<br />
Kapitalbedarf führte zur Bildung von Gesellschaften,<br />
an denen sich auch Senatoren beteiligten, allerdings<br />
nur als stille Gesellschafter, schließlich waren ihnen<br />
offiziell alle „Handelsberufe“ untersagt. Die<br />
Mitglieder des Senatorenstandes als Statthalter und<br />
Beamte sowie <strong>die</strong> „Ritter“ als Steuerpächter wirkten<br />
bei der Plünderung der Provinzen brüderlich<br />
zusammen.<br />
Der Parasitismus der <strong>römische</strong>n Verwaltung in<br />
den Provinzen hatte solche Ausmaße, dass nicht viel<br />
zu der Einsicht gehörte, auf <strong>die</strong>se Weise werde das<br />
Römische Reich binnen weniger Jahrzehnte zu Ende<br />
gehen. Caesar gewann nicht nur <strong>die</strong>se Einsicht,<br />
sondern er suchte auch einen praktischen Weg, den<br />
Parasitismus zu mildern. Seine Methode bestand<br />
darin, mehr zu erobern und mehr Macht in seiner<br />
Hand zu vereinigen, als irgendein anderer Römer vor<br />
ihm. Seine Macht benutzte er dann allerdings für<br />
eine Milderung der Abgabenlast. Mit der Einsicht in<br />
<strong>die</strong> Unhaltbarkeit der <strong>römische</strong>n Räuberei stand<br />
Caesar keineswegs allein; in seinem Bemühen um<br />
Abhilfe hatte er Bundesgenossen, z.B. Cicero, der<br />
Caesar ansonsten oft kritisch gegenüberstand. Cicero<br />
begnügte sich als Gouverneur von Cicilien<br />
(Landschaft südlich des Taurus in Kleinasien) 51 v.<br />
Chr. mit der vorschriftsmäßigen Aufwandsentschädigung<br />
und erstattete sogar einen Teil davon<br />
zurück. Er wirkte auch auf seine Untergebenen ein,<br />
auf <strong>die</strong> üblichen Erpressungen und<br />
„Ehrengeschenke“ zu verzichten.<br />
Caesar selbst hatte im Jahr 70 v. Chr. als<br />
Quästor in Spanien damit begonnen, <strong>die</strong> dortige<br />
<strong>römische</strong> Verwaltung auf solide Beine zu stellen.<br />
Neu an Caesars Provinzialverwaltung in Spanien<br />
war, dass er <strong>die</strong> spanischen Geschäftsleute nicht nur<br />
als Untertanen Roms, sondern auch als<br />
Geschäftsleute behandelte. Er unterstützte sie, wo er<br />
konnte, auch gegen seine eigenen Landsleute. Caesar<br />
legte folgende Rechenschaft ab:<br />
„Als ich in <strong>die</strong>ser Provinz [in Spanien]<br />
Statthalter war, habe ich beim Senat<br />
erwirkt, dass der Zoll [= <strong>die</strong> Steuern],<br />
den mein Vorgänger ihr auferlegt hatte,<br />
erlassen <strong>wurde</strong>. Auch habe ich als<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
Vertreter Südspaniens viele eurer<br />
Gesandtschaften beim Senat eingeführt<br />
und mir durch Besorgung von Rechtsgeschäften<br />
für einzelne Gemeindeverwaltungen<br />
eine große Anzahl Feinde<br />
gemacht. Als Konsul ... habe ich <strong>die</strong><br />
Wohlfahrt des Landes nach Kräften<br />
gefördert.“<br />
Es gelang Caesar, Steuernachlässe für seine<br />
Provinz durchzusetzen. Er ließ <strong>die</strong> Betriebe in den<br />
Händen der Einheimischen und fand so einen<br />
Modus, durch den <strong>die</strong> spanische Wirtschaft in den<br />
Stand gesetzt <strong>wurde</strong>, weiterzuarbeiten und ihre<br />
(Steuer-)Schulden durch vollen Einsatz der<br />
Arbeitskräfte des Landes abzuarbeiten. Caesar erließ<br />
eine Verordnung, nach der ein <strong>römische</strong>r Gläubiger<br />
nicht mehr als zwei Drittel des Einkommens seines<br />
(spanischen) Schuldners beschlagnahmen durfte.<br />
Diese Verordnung war der erste gesetzliche Schutz<br />
von Untertanen einer <strong>römische</strong>n Provinz gegen <strong>die</strong><br />
Maßlosigkeit der <strong>römische</strong>n Steuerpächter, im<br />
folgenden kurz „Schuldnerschutz“ genannt. Die<br />
Senatoren und Steuerpächter empfanden den<br />
„Schuldnerschutz“ als einen politischen Schlag in ihr<br />
Gesicht, den sie Caesar Zeit seines Lebens nie<br />
verziehen.<br />
Caesar blieb bei <strong>die</strong>ser Politik, auch wenn ihm<br />
Brutus und andere Optimaten dafür böse waren. Als<br />
Konsul setzte er <strong>die</strong> lex Julia de repetundis durch,<br />
<strong>die</strong> Provinzgouverneuren <strong>die</strong> Annahme von<br />
Geschenken von mehr als insgesamt 10.000<br />
Sesterzen verbot und <strong>die</strong> Strafbestimmungen gegen<br />
Erpressungen in den Provinzen verschärfte,<br />
insbesondere <strong>wurde</strong> <strong>die</strong> Verjährung <strong>die</strong>ser Vergehen<br />
aufgehoben. Sallust, den Caesar als Gouverneur von<br />
Neu-Afrika (Algerien) eingesetzt hatte, <strong>wurde</strong> seines<br />
Amtes enthoben, nachdem ihm Erpressung<br />
nachgewiesen worden war. In <strong>die</strong> von ihm in den<br />
50er Jahren v. Chr. eroberte Provinz Gallien ließ<br />
Caesar <strong>die</strong> Steuerpächter schließlich gar nicht mehr<br />
herein. Kurz vor seiner Ermordung hatte er bereits<br />
angeordnet, dass sie auch aus Kleinasien<br />
verschwinden sollten. Die Feindschaft der<br />
Steuerpächter und Senatoren nahm er in Kauf.<br />
Dafür begründete er seinen Ruf, <strong>die</strong> Reichsuntertanen<br />
gegen den Wucher der Senatoren und<br />
Steuerpächter zu schützen: <strong>die</strong>ser Ruf gewann ihm<br />
im Bürgerkrieg teilweise sogar <strong>die</strong> Unterstützung<br />
zahlreicher Provinzbewohner.<br />
Das <strong>römische</strong> Heer und das politische Gewicht<br />
der Feldherren<br />
Sullas Verfassung hatte zwar <strong>die</strong><br />
Volksversammlung und <strong>die</strong> Volkstribunen<br />
entmachtet, aber <strong>die</strong> Frage, wie genug Soldaten für<br />
das Heer rekrutiert werden konnten, nicht wirklich<br />
beantwortet. Caesar ging nun noch über <strong>die</strong> von<br />
3
Marius betriebene Rekrutierung arbeitsloser<br />
<strong>römische</strong>r Proletarier hinaus, er rekrutierte seine<br />
Heere schon vornehmlich unter den keltischen<br />
Bauern (= Galliern) Oberitaliens, in der Poebene,<br />
teilweise sogar schon im transalpinen Gallien, also in<br />
Südfrankreich. Sogar in Spanien, Griechenland,<br />
Kleinasien und Afrika (Tunesien) <strong>wurde</strong>n schon im<br />
1. Jhd. v. Chr. Legionen ausgehoben und nach<br />
<strong>römische</strong>r Art ausgebildet. Die Soldaten <strong>wurde</strong>n auf<br />
Staatskosten ausgerüstet, versorgt und besoldet. Am<br />
kostspieligsten waren dabei Waffen und Rüstung, <strong>die</strong><br />
bei der Aufstellung eines Truppenteils beschafft<br />
werden mussten. Die im Dienst befindlichen<br />
Truppen kosteten den Staat allerdings relativ wenig,<br />
<strong>die</strong> Bezahlung der Soldaten war eher bescheiden: bis<br />
<strong>zum</strong> Jahre 50 v. Chr. erhielten sie 480 Sesterzen<br />
jährlich als Sold, Caesar verdoppelte den Sold bei<br />
Ausbruch des Bürgerkriegs. Für <strong>die</strong> nicht-<strong>römische</strong>n<br />
Soldaten war aber ohnehin <strong>die</strong> Aussicht auf <strong>die</strong><br />
<strong>römische</strong> Staatsbürgerschaft, <strong>die</strong> allen Veteranen bei<br />
der Entlassung verliehen <strong>wurde</strong>, <strong>die</strong> wohl wichtigste<br />
Motivation. Das <strong>römische</strong> Bürgerrecht brachte<br />
nämlich erhebliche materielle und rechtliche Vorteile<br />
mit sich, außerdem erwartete den Veteran das<br />
Grundstück eines Bauerngutes und seit Caesar auch<br />
erstmals eine Abfertigung in Bargeld.<br />
Der größte laufende Kostenfaktor war <strong>die</strong><br />
Verpflegung der Soldaten, <strong>die</strong> hauptsächlich aus<br />
Getreide bestand. Getreide <strong>wurde</strong> halbmonatlich<br />
ausgegeben, pro Tag und Kopf etwas mehr als ein<br />
Kilogramm. Am ersten Marschtag schleppte jeder<br />
Legionär rund 20 kg Weizen auf dem Rücken,<br />
außerdem noch Waffen, und Zelt. Nie zuvor war in<br />
der Geschichte eine Infanterie so schwer bepackt<br />
gewesen. Und nie zuvor in der Geschichte waren <strong>die</strong><br />
Mannschafts- und Materialverluste so niedrig<br />
gewesen. Im Lauf eines Jahrzehnts ununterbrochener<br />
Kriegsführung schmolz eine Legion nur<br />
etwa auf halbe Stärke zusammen. Die<br />
Geringfügigkeit der Verluste ist auf eine bis dahin<br />
nie erzielte Wirksamkeit der Schutzwaffen und<br />
Verschanzungen zurückzuführen. In der<br />
Geringfügigkeit der Verluste lag eine Hauptursache<br />
der unausgesetzten Siege über nicht<strong>römische</strong> Heere.<br />
Die siegreichen Feldherren erhielten <strong>die</strong> Ehre, in<br />
einem Triumphzug in Rom gefeiert zu werden.<br />
Auf Tafeln, <strong>die</strong> Pompejus in seinem Triumphzug 61<br />
v. Chr. mitführte, kurz bevor ihn der Senat bis auf<br />
<strong>die</strong> Knochen blamieren sollte, <strong>wurde</strong>n <strong>die</strong> von ihm<br />
unterworfenen Länder aufgezählt und <strong>die</strong> Anzahl<br />
der von ihm erbeuteten oder versenkten Schiffe<br />
sowie der erstürmten oder durch Übergabe<br />
genommenen Städte publik gemacht. Diesen Tafeln<br />
zufolge waren in seinen Kriegszügen 12.830.000<br />
Menschen ums Leben gekommen, versklavt worden<br />
oder zu Untertanen gemacht worden, genauere<br />
Unterschiede machte Pompejus nicht. Schon bei<br />
Pompejus' Truppen <strong>wurde</strong>n <strong>die</strong> politischen<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
Auswirkungen der Heeresreform von Marius in aller<br />
Deutlichkeit sichtbar: Der politische Einflusses der<br />
Feldherren erhöhte sich, insbesondere bestand eine<br />
Tendenz, dass sich <strong>die</strong> Soldaten ihren Feldherren<br />
mehr verpflichtet fühlten als der <strong>Republik</strong>. Politisch<br />
ambitionierte und militärisch erfolgreiche Feldherren<br />
spielten jedenfalls eine große politische Rolle. Und<br />
<strong>die</strong> Heerführer hatten <strong>die</strong> Aufgabe, nach dem Krieg<br />
<strong>die</strong> Versorgung ihrer besitzlosen Veteranen mit Land<br />
politisch durchzusetzen. Dadurch <strong>wurde</strong>n <strong>die</strong><br />
Heerführer gewissermaßen zu Patronen ihrer<br />
Soldaten, <strong>die</strong> ihrerseits zu deren eingeschworenen<br />
Klienten <strong>wurde</strong>n. Der um den Verlust seiner Macht<br />
besorgte Senat verweigerte vermutlich nicht zuletzt<br />
auch aus <strong>die</strong>sem Grund immer wieder <strong>die</strong><br />
notwendigen Mittel für <strong>die</strong> Landverteilung an <strong>die</strong><br />
Veteranen, was der Triumphator Pompejus<br />
schmerzhaft zu spüren bekam.<br />
Zum besseren Verständnis für <strong>die</strong> Ergebenheit<br />
der Soldaten muss noch ein weiterer Punkt in<br />
Betracht gezogen werden. Im <strong>römische</strong>n Heer gab es<br />
nicht wie in modernen Heeren stehende<br />
Truppenteile, <strong>die</strong> ihre alten Soldaten entließen und<br />
laufend neue Soldaten als Ersatz einstellten.<br />
Vielmehr bestand jede Legion aus einem einzigen<br />
Jahrgang, blieb bis zur Entlassung zusammen und<br />
<strong>wurde</strong> bei der Entlassung aufgelöst. Sie bildete einen<br />
sehr exklusiven Verein, dessen Mitglieder <strong>die</strong><br />
gleichen Feldzüge mitgemacht und <strong>die</strong> gleichen<br />
Ansprüche an den Feldherrn bei dessen Triumph<br />
erworben hatten. Truppen wie <strong>die</strong> 7. bis 14. Legion,<br />
mit denen Caesar in den Gallischen Krieg zog, <strong>die</strong><br />
also eine Reihe von Jahren unter Waffen blieben,<br />
<strong>wurde</strong>n sich ihrer Unentbehrlichkeit bewusst und<br />
infolgedessen anspruchsvoll: Bei Unzufriedenheit<br />
zögerten sie auch nicht davor, zu meutern.<br />
Die <strong>römische</strong> Wirtschaft und Caesars private<br />
Bescheidenheit<br />
<strong>Wie</strong> <strong>die</strong> geistige Kultur des Hellenismus meist<br />
vergröbert von den Römern übernommen <strong>wurde</strong>, so<br />
auch <strong>die</strong> hellenistische Industrie. Im hellenistischen<br />
östlichen Mittelmeerraum hatte sich eine Industrie<br />
entwickelt, <strong>die</strong> in mancher Hinsicht der europäischen<br />
frühkapitalistischen Industrie vom 16. bis ins 18.<br />
Jahrhundert, der Manufaktur, ähnelte. Während in<br />
der frühkapitalistischen Manufaktur Lohnarbeiter<br />
beschäftigt waren, stützte sich <strong>die</strong> hellenistische<br />
Industrie auf Sklavenarbeit. Die oft beträchtliche<br />
handwerkliche Qualifikation der Sklaven und <strong>die</strong><br />
weit entwickelte Arbeitsteilung innerhalb der<br />
Belegschaft, endlich <strong>die</strong> Entwicklung von<br />
Mathematik und Mechanik bewirkten vielfach einen<br />
hohen, wenn auch - ähnlich wie im Frühkapitalismus<br />
- extrem ungleichmäßigen Stand der Technik. Auch<br />
<strong>die</strong>se verschlechterte sich im westlichen<br />
Mittelmeergebiet infolge der dort üblichen brutalen<br />
Behandlung der Arbeiter. Die Senatorischen<br />
4
Latifun<strong>die</strong>nbesitzer bevorzugten eher primitive,<br />
extensive Produktionsmethoden, beispielsweise in<br />
der Landwirtschaft den Weidebetrieb, wofür sie viel<br />
Land benötigten sowie körperlich kräftige Sklaven<br />
kauften. Die weniger kapitalstarken, infolgedessen<br />
politisch weniger hervortretenden Ritter suchten<br />
dagegen durch intensivere Arbeitsmethoden <strong>die</strong><br />
geringere Größe ihres Kapitals auszugleichen. Sie<br />
investierten ihr Geld auch in industrielle Fachleute,<br />
wie sie bei den Raubzügen in Griechenland und dem<br />
Vorderen Orient massenhaft fortgeschleppt <strong>wurde</strong>n.<br />
Mit <strong>die</strong>ser industriellen Fraktion des Ritterstandes<br />
waren Crassus und Caesar verbunden, Crassus selbst<br />
war der wohl größte Bauunternehmer im antiken<br />
Rom.<br />
Was Caesars privaten Reichtum betraf, so war<br />
<strong>die</strong>ser eher geringfügig gemessen an den<br />
Herzogtümern, <strong>die</strong> Pompejus besaß oder auch neben<br />
dem Grundbesitz des ansonsten als bescheiden<br />
geltenden Cicero. Dieser konnte von Rom aus<br />
südlich längs der Küste bis nach Neapel reisen und<br />
überall unter eigenem Dach übernachten, wenn nicht<br />
auf ausgedehnten Landsitzen, dann wenigstens in<br />
herrschaftlichen Rasthäusern. Die Landsitze, <strong>die</strong><br />
Caesar und Cicero besaßen, waren nicht Villen in<br />
unserem Sinn, sondern etwa Rittergüter, <strong>die</strong> von<br />
einem Hof aus bewirtschaftet <strong>wurde</strong>n. Auf <strong>die</strong>sem<br />
Hof befanden sich ein schlossartiges Wohngebäude<br />
für den Besitzer, Sklavenkasernen, Wirtschaftsgebäude<br />
und Werkstätten, worin der Betrieb seinen<br />
industriellen Eigenbedarf größtenteils selbst<br />
erzeugte, von Woll- und Leinentüchern bis zu<br />
eisernen Pflügen, Fahrzeugen, Möbeln, ganz wie<br />
noch zu Zeiten des Odysseus. In Modeorten wie am<br />
Golf von Neapel mochte der Wirtschaftsbetrieb<br />
Nebensache, Wohngebäude und ein Park <strong>die</strong><br />
Hauptsache sein. Geräumige Empfangs- und<br />
Speisesäle, Statuen im Park und den Gemächern,<br />
Gemälde in der Bibliothek, Säulengänge und<br />
Wandelhallen sowie Badeplätze am Strand: so in<br />
etwa kann man sich <strong>die</strong>se Villen vorstellen.<br />
Der Gallische Krieg und <strong>die</strong> Verbesserung von<br />
Caesars Finanzlage<br />
Deutsche Historiker wie Theodor Mommsen<br />
setzten <strong>die</strong> Gallier der Antike und <strong>die</strong> Franzosen, <strong>die</strong><br />
„Erbfeinde“ der Deutschen im 19. Jahrhundert,<br />
gleich und lobten Caesars Siege über <strong>die</strong> „faulen und<br />
neugierigen", zugleich „leichtsinnigen, gescheiten,<br />
aber politisch durch und durch unbrauchbaren“<br />
Gallier (= Franzosen) und meinten damit, dass es der<br />
preußische König Caesar gleich getan hätte, als er<br />
Frankreich 1871 besiegte.<br />
Von den „barbarischen“, also von den Römern<br />
noch nicht unterworfenen bzw. außerhalb des<br />
hellenistischen Raums befindlichen Ländern war das<br />
antike Gallien das wirtschaftlich reichste, der gallische<br />
Adel war reich an Gold. Vor einer Schlacht<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
versprachen <strong>die</strong> Gallier <strong>die</strong> zu erobernde Beute an<br />
Gold den Göttern, und da sich - anders als im<br />
klassischen Griechenland - kaum Räuber an den<br />
Tempelschätzen vergriffen hatten, häuften sich in<br />
ihnen ansehnliche Goldmengen. Caesar kaufte<br />
während des Gallischen Kriegs für 60 Millionen<br />
Sesterzen Grundstücke in Rom, wo er u.a. geräumige<br />
Verhandlungslokale für <strong>die</strong> Gerichte zu erbauen<br />
plante. Cicero <strong>wurde</strong> von Caesar dabei übrigens als<br />
Makler beauftragt und durch <strong>die</strong> üppigen<br />
Vermittlungshonorare an einem „silbernen Band"<br />
gehalten. Rom hatte nämlich eine Silberwährung.<br />
Und da Caesar für manche seiner Geschäfte in Rom<br />
„Bargeld“ benötigte, tauschte er sein gallisches<br />
Beutegold dagegen ein, und zwar in einem solchen<br />
Umfang, dass der Kurs von Gold gegen Silber von<br />
1:12 auf 1:9 stürzte, den niedrigsten Goldkurs der<br />
Geschichte.<br />
Das zweitwichtigstes Beutegut waren Sklaven.<br />
Die Kriege der Römer waren, von den Kämpfen<br />
gegen den Karthagischen Feldherren Hannibal bis zu<br />
Caesars Gallischem Krieg, <strong>die</strong> größte Sklavenjagd seit<br />
den Kriegszügen Alexanders und <strong>die</strong> größte<br />
Sklavenjagd vor Columbus. Im Gallischen Krieg<br />
fanden sie ihren Höhepunkt. Durch Caesars<br />
Massenangebot <strong>wurde</strong> nicht nur der Preis für Gold,<br />
sondern auch der für Sklaven gedrückt.<br />
Was <strong>die</strong> Opferzahlen des Krieges betrifft, so<br />
rechnete Caesar selbst mit rund zwei Millionen<br />
getöteten Menschen im Gallischen Krieg, <strong>die</strong><br />
Gesamtbevölkerung schätzte er auf sechs bis neun<br />
Millionen. Diese Zahlen sind aber weit übertrieben,<br />
was sich relativ leicht nachweisen lässt. 1 Die<br />
Gesamtzahl der getöteten und versklavten Gallier<br />
lag vermutlich deutlich unter einer Million. Ein<br />
gutes Viertel der gesamten Bevölkerung zu töten<br />
oder als Zwangsarbeiter (= Sklaven) nach Rom zu<br />
verschleppen, ist allerdings selbst nach dem<br />
Maßstab moderner Diktaturen beachtlich.<br />
Dennoch übte Caesar <strong>die</strong> ihm nachgesagte Milde<br />
auch schon in Gallien, so merkwürdig <strong>die</strong>s<br />
1 Die Stammesgrenzen aus Caesars Zeit haben sich als<br />
<strong>die</strong> Grenzen <strong>römische</strong>r, fränkischer und schließlich<br />
französischer Verwaltungsbezirke sowie kirchlicher<br />
Diözesen bis heute erhalten, und <strong>die</strong> Namen der<br />
gallischen Stämme leben in Städtenamen fort,<br />
beispielsweise der Name Bellovaker in Beauvais; ihr<br />
Gebiet ist heute das Departement Oise. Caesar gibt <strong>die</strong><br />
Zahl der Bellovaker mit 400 000 an. Das Departement<br />
Oise hat aber selbst heute nur 800 000 Einwohner, wobei<br />
heute 65 Millionen Menschen in Frankreich leben. Die<br />
gesamte Bevölkerungszahl Galliens zur Zeit Caesars kann<br />
im Jahr 60 v. Chr, also vor Caesars Kriegszügen, nicht<br />
annähernd so groß gewesen sein, sie wird rund drei<br />
Millionen betragen haben. Caesars Zahlenangaben sind<br />
also weit übertrieben, sie dürften in Wirklichkeit nur ein<br />
Fünftel oder gar nur ein Zehntel so groß gewesen sein.<br />
5
erscheinen mag. Entgegen der oft vertretenen<br />
Ansicht fand Caesar in Gallien keineswegs eine<br />
„keltische Nation“ vor, sondern unabhängige,<br />
einander befehdende Einzelstämme, <strong>die</strong>, ähnlich wie<br />
<strong>die</strong> griechischen Stämme der klassischen Zeit, in<br />
einer Kultgemeinschaft miteinander verbunden<br />
waren. Viele gallische Stämme begrüßten Caesar als<br />
Befreier von der Bedrohung durch <strong>die</strong> Helvetier.<br />
Seit dem zweiten Kriegsjahr erwies sich der Befreier<br />
allerdings mehr und mehr als Unterdrücker, aber<br />
verschiedene Stämme, darunter <strong>die</strong> Arverner<br />
(Auvergne), Haeduer (Autun) und Remer (Reims)<br />
waren und blieben mit Caesar verbündet. Seine<br />
Kriegsführung bestand darin, einem Stamm nach<br />
dem anderen Treue-Eid und Geiselstellung<br />
aufzuerlegen und im Umherziehen <strong>die</strong> Erhebungen<br />
niederzuwerfen, <strong>die</strong> bald hier, bald dort<br />
aufflammten.<br />
Nicht nur standen <strong>die</strong> gallischen und<br />
germanischen Stämme unverbunden nebeneinander,<br />
sondern innerhalb jedes Stammes war der Adel in<br />
eine romfreundliche und eine anti<strong>römische</strong> Fraktion<br />
geteilt. Je härter Caesar gegen <strong>die</strong> isolierten<br />
Erhebungen vorging, desto stärker <strong>wurde</strong> <strong>die</strong><br />
anti<strong>römische</strong> Partei. Die allgemeine Empörung und<br />
Kampfbereitschaft <strong>wurde</strong> von Vercingetorix<br />
ausgenutzt. Vercingetorix kam dem Sieg nahe, auf<br />
der Höhe des Erfolges hatte er einen Großteil<br />
Galliens hinter sich, aber nachdem er sich in Alesia<br />
ergeben musste, waren <strong>die</strong> Kräfte der keltischen<br />
Erhebung verbraucht: in nahezu jedem Stamm<br />
erhielt <strong>die</strong> romfreundliche Partei <strong>die</strong> Oberhand.<br />
Auch bei der Behandlung der Gefangenen nach dem<br />
Sieg von Alesia erwies sich Caesar den 20 000<br />
Haeduern und Arvernern, <strong>die</strong> sonst immer zu ihm<br />
gestanden hatten, als gnädig, daher ließ er <strong>die</strong><br />
Gefangenen <strong>die</strong>ser beiden Stämme frei. Zugleich<br />
aber zeigte er, was vom Standpunkt des Siegers<br />
rechtens war. Die übrigen 40.000 Gefangenen<br />
schenkte er als Sklaven seinen Soldaten, jedem<br />
Legionär einen Gallier. Die meisten Soldaten<br />
konnten ihre Sklaven nur verkaufen, der Erlös war<br />
bei einem solchen Massenverkauf allerdings sehr<br />
gering.<br />
Caesar suchte nun <strong>die</strong> Ruhe in Gallien<br />
dauerhaft zu sichern, daher beendete er <strong>die</strong><br />
Plünderung. Die gesamtgallische Erhebung unter<br />
Vercingetorix hatte den erwünschten Vorwand<br />
geboten, auch bei den bisher treuen Stämmen<br />
Tempel- und Häuptlings-schätze zu<br />
beschlagnahmen, danach war allerdings nicht mehr<br />
viel übrig. Caesar setzte <strong>die</strong> Tribute des<br />
unterworfenen Gallien auf insgesamt 40 Millionen<br />
Sesterzen jährlich fest, eine sehr bescheidene<br />
Summe verglichen mit den Abgaben anderer<br />
Provinzen.<br />
Am Bürgerkrieg nahmen schließlich nicht<br />
wenige Gallier an Caesars Seite teil. Sie bildeten den<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
größten Teil der Kavallerie, den Offizieren<br />
verschaffte er das <strong>römische</strong> Bürgerrecht, angesehene<br />
Häuptlinge berief er sogar in den Senat. Caesar hatte<br />
sich schon lange dafür eingesetzt, mit der Verleihung<br />
des Bürgerrechts <strong>die</strong> rechtliche Lage der schon länger<br />
unter <strong>römische</strong>r Herrschaft befindlichen cisalpinen<br />
Gallier (= Oberitalien) zu verbessern. Die Soldaten,<br />
mit denen er das bis dahin freie, transalpine Gallien<br />
(= Frankreich) unterwarf, waren zu einem<br />
beachtlichen Teil Gallier aus Oberitalien, mit denen<br />
Caesar innenpolitisch verbündet war. Durch sein<br />
schonendes Verhalten seit Alesia ermöglichte er<br />
zudem das rasche Hineinwachsen der neuen<br />
Provinzen ins <strong>römische</strong> Reich.<br />
Bis <strong>zum</strong> Beginn des Gallischen Krieges hatte<br />
Caesar Schulden gemacht und selten etwas<br />
zurückgezahlt. Schon <strong>die</strong> Beute der ersten beiden<br />
Kriegsjahren, 58 bis 57 v. Chr., genügte, um seine<br />
Schulden zu begleichen und darüber hinaus einen<br />
Kapitalfonds zu bilden, mit dem er von der Passiv-<br />
auf <strong>die</strong> Aktivseite des Kreditgeschäfts<br />
hinüberwechselte.<br />
Caesars Großzügigkeit oder:<br />
Auch Korruption auf höchster Ebene kann den<br />
Bürgerkrieg nicht verhindern<br />
Das Triumvirat von 59 v. Chr. war auf Dauer<br />
berechnet, um wichtige Entscheidungen zu treffen,<br />
kamen <strong>die</strong> Triumvirn auf Gipfelkonferenzen<br />
zusammen, so <strong>zum</strong> Beispiel in Luca (in der Toskana)<br />
im Jahr 56 v. Chr. Durch <strong>die</strong> beiden ersten Jahre in<br />
Gallien war es Caesar gelungen, sich von der<br />
Hauptmasse seiner Schulden zu befreien. Auf dem<br />
Gipfeltreffen verabredete man, Caesars Prokonsulat<br />
über Gallien um weitere fünf Jahre zu verlängern. In<br />
Luca zeigte sich <strong>zum</strong> ersten Mal, dass Caesar reich<br />
war im Sinne von Crassus' Definition: reich sei nur,<br />
wer aus seinem Vermögen ein Heer besolden könne.<br />
In Luca wollten aber insbesondere eine große Zahl<br />
von Senatoren „besoldet“ werden. Insgesamt 200<br />
Senatoren kamen <strong>zum</strong> Gipfeltreffen, um ihre<br />
Bestechungssummen bei Caesar abzuheben.<br />
Freigebig streute er unter den Senatoren Darlehen<br />
aus. Von den politischen Gegnern, <strong>die</strong> Caesar in den<br />
50er Jahren zeitweise durch Darlehen neutralisierte,<br />
war Cicero mit 800.000 Sesterzen <strong>die</strong> kostengünstigste,<br />
der Konsul Lucius Aemilius Paullus mit<br />
rund 40 Millionen Sesterzen <strong>die</strong> kostspieligste<br />
Akquisition. In gewisser Weise stellten sich <strong>die</strong>se<br />
Bestechungsgelder allerdings als Fehlinvestitionen heraus,<br />
ihre Wirkung war wenig dauerhaft.<br />
Pompejus hatte sich <strong>die</strong> beiden Provinzen in<br />
Spanien verschafft und hielt dort sieben Legionen.<br />
Er verließ auch mehr und mehr das populare<br />
Fahrwasser und kehrte in den Heimathafen der<br />
Optimaten zurück. Im Jahr 52 v. Chr. verbündete er<br />
sich mit den Optimaten im Senat gegen Caesar und<br />
6
<strong>wurde</strong> <strong>zum</strong> „consul sine collega“, also <strong>zum</strong> alleinigen<br />
Konsul, gewählt. Auch Caesars Geldempfänger<br />
folgten ihrem Standesinstinkt und stellten sich hinter<br />
Pompejus, beispielsweise Cicero. Pompejus hielt<br />
seine auf Spanien, das östliche Mittelmeer und <strong>die</strong><br />
Mehrheit im Senat gestützte Stellung für so stark,<br />
dass er glaubte, Caesar zur Entlassung seiner<br />
Truppen und <strong>zum</strong> Verzicht auf seine Provinzen in<br />
Gallien zwingen zu können, das heißt zur<br />
vollständigen Unterwerfung. Es war also Pompejus,<br />
der den Kampf suchte mit seiner Aufforderung an<br />
Caesar, sein Kommando niederzulegen und als<br />
Privatmann nach Rom zurückzukehren.<br />
In <strong>die</strong>ser Situation setzte sich Caesar mit seinen<br />
Truppen <strong>zum</strong> Grenzfluss Rubikon in Bewegung, der<br />
das militärfreie Stadtgebiet Roms von den Provinzen<br />
im Norden trennte. Pompejus erhielt darauf am 7.<br />
Januar 49 v. Chr. vomSenat <strong>die</strong> Order, <strong>die</strong> „<strong>Republik</strong><br />
gegen Caesar zu verteidigen“. Am 10. Januar<br />
überschritt Caesar den Rubikon und marschierte<br />
gegen Rom, das von Pompejus geräumt <strong>wurde</strong>, <strong>die</strong><br />
meisten Senatoren, auch viele von Caesars<br />
Geldnehmern, gingen mit Pompejus nach<br />
Mazedonien, es blieb nur ein Rumpfsenat in Rom<br />
übrig.<br />
Caesars Milde im Bürgerkrieg<br />
Caesar propagierte seine Politik der Milde, <strong>die</strong><br />
clementia Caesaris, mit der er sich von der<br />
Grausamkeit der Diktatur Sullas distanzieren wollte.<br />
Vor allem Schriftsteller der Spätantike lobten<br />
Caesars Milde, was angesichts seiner Kriegszüge<br />
ungewöhnlich erscheint. Der von Sulla so exzessiv<br />
betriebenen Ächtung und Enteignung der<br />
Angehörigen der unterlegenen Bürgerkriegspartei<br />
machte Caesar ein Ende. Hätten Caesars Gegner<br />
gesiegt, so hätten sie zweifellos ihn und seine<br />
Parteigänger geächtet. Caesar wollte im Bürgerkrieg<br />
aber nicht nur siegen, sondern durch seinen Sieg<br />
auch dauerhafte Verhältnisse herstellen. Dazu war<br />
eine Aussöhnung mit seinen Gegnern erforderlich.<br />
Jeder sollte wissen, dass man sich Caesar gefahrlos<br />
unterwerfen konnte.<br />
Als Caesar 49 v. Chr. Rom einnahm, krümmte er<br />
keinem seiner dort verbliebenen Gegner ein Haar,<br />
nicht einmal das Vermögen des Pompejus und der<br />
vielen mit ihm nach Mazedonien geflohenen Gegner<br />
tastete er an. Erst nach dreieinhalb Jahren<br />
Bürgerkrieg, im Herbst 46 v. Chr., begann der damit,<br />
<strong>die</strong> Vermögen der hartnäckigsten Gegner zu<br />
beschlagnahmen, <strong>die</strong> immer noch den Kampf<br />
fortsetzten und offenbar durch keinerlei Schonung zu<br />
gewinnen waren. Auch dann gab er jedoch den<br />
Frauen und Witwen der Betroffenen <strong>die</strong> Mitgift<br />
heraus. Anhängern der Senatspartei oder des<br />
Pompejus, <strong>die</strong> sich unterwarfen, trug er in der Regel<br />
ihren Widerstand nicht nach. Sein späterer Mörder<br />
Brutus unterwarf sich erst nach Kriegsende, dennoch<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
übertrug er ihm hohe Staatsämter. Caesar bewies<br />
zeitweise auch einen Sinn für Humor. Gleich bei<br />
Ausbruch des Bürgerkriegs lief Caesars langjähriger<br />
politischer und militärischer Verbündeter, der Legat<br />
(General) Labienus, <strong>zum</strong> Feind über. Caesar, den <strong>die</strong>s<br />
nicht überraschte, sandte ihm sein Geld nach.<br />
Am Maßstab seiner Zeit gemessen, war Caesar<br />
wirklich milde, und seine Gegner sorgten dafür, dass<br />
<strong>die</strong>ser Maßstab im allgemeinen Bewusstsein blieb. In<br />
der Provinz Africa (heute Tunesien) war <strong>die</strong><br />
Senatspartei verbündet mit König Juba von<br />
Numi<strong>die</strong>n, der gern <strong>die</strong> Küstenstädte zerstört und ihre<br />
Einwohner abgeschlachtet oder versklavt hätte. Dass<br />
wenigstens ein Teil der Senatstruppen gleiches<br />
„Wohlwollen“ für <strong>die</strong> Einwohner empfand, bewies<br />
<strong>die</strong> Reiterei der Senatspartei in der Stadt Parada, wo<br />
ein Scheiterhaufen auf dem Marktplatz errichtet und<br />
<strong>die</strong> Einwohner lebend hineingeworfen <strong>wurde</strong>n. In der<br />
Stadt Utica <strong>wurde</strong> das Gemetzel durch <strong>die</strong> Nachricht<br />
von Caesars Anmarsch gestört. Dieser <strong>wurde</strong><br />
begreiflicherweise von den Einwohnern mit<br />
Begeisterung empfangen. Caesar begnügte sich mit<br />
einer Tributzahlung von 200 Millionen Sesterzen,<br />
zahlbar in sechs Halbjahresraten.<br />
Caesars Truppen schlugen in der Schlacht von<br />
Pharsalos (in Griechenland) Pompejus, <strong>die</strong> anderen<br />
senatorischen Heere <strong>wurde</strong>n nacheinander in Africa<br />
und in Hispania besiegt. Damit entschied Caesar den<br />
Bürgerkrieg für sich. Zur herben Enttäuschung<br />
mancher seiner Anhänger erließ Caesar nach seinem<br />
Sieg über Pompejus im Bürgerkrieg keine Ächtungen<br />
und gewährte auch sonst keine Gelegenheit <strong>zum</strong><br />
Plündern.<br />
Caesars Großzügigkeit und <strong>die</strong> soziale und<br />
politische Stabilisierung Roms sowie der<br />
Provinzen<br />
Beim Triumphzug hatten <strong>die</strong> Legionäre das<br />
Vorrecht, Spottlieder auf den Feldherrn zu singen.<br />
Caesars Soldaten sangen: ,,Wir machen <strong>die</strong> Gallier zu<br />
Gefangenen, du machst sie zu Senatoren", womit sie<br />
auf Caesars freundliche Politik den Eroberten<br />
gegenüber anspielten. Ein weiteres ihrer Spottlieder<br />
lässt sich auf Deutsch etwa so wiedergeben:<br />
„Verschließt eure Frauen und Töchter daheim! Der<br />
kahlköpfige Wüstling zieht mit uns ein. In Gallien<br />
tatst du dein Geld verlumpen, drum musst du immer<br />
noch weiter pumpen." (pumpen = Geld ausleihen)<br />
Die Zweifel an Caesars finanzieller Bonität<br />
hatten seine Siegesbahn begleitet und erhielten<br />
deshalb neue Nahrung, weil Caesar laufend riesige<br />
Summen ausschüttete. Crassus hatte als Konsul <strong>die</strong><br />
Römer an 10.000 Tischen bewirtet, Caesar stellte bei<br />
seinem Triumph 22.000 Tische auf, daneben gab es<br />
Theateraufführungen, Gladiatorenspiele und als<br />
Höhepunkt eine Seeschlacht mit je 2000 Ruderern<br />
und 1000 Gladiatoren. Triumphatoren, also <strong>die</strong><br />
siegreichen Feldherren, hatten bislang einen<br />
7
größeren Teil der Beute für sich selbst zurückbehalten.<br />
Caesar verteilte <strong>die</strong> Beute großzügiger an<br />
Soldaten und Bevölkerung als <strong>die</strong> meisten<br />
Feldherren vor ihm. Dadurch sicherte er <strong>die</strong><br />
politische Stabilität seiner Herrschaft, wie sein<br />
Mörder Brutus sehr bald erkennen musste. Diese<br />
politische Stabilisierung wiederum ermöglichte<br />
Reformen, durch welche das Römische Reich auch<br />
wirtschaftlich und sozial auf längere Sicht stabilisiert<br />
<strong>wurde</strong>.<br />
320.000 besitzlose Proletarier waren Mitte des<br />
ersten Jahrhunderts v. Chr. in Rom <strong>zum</strong><br />
Gratisempfang von monatlich 33 kg Weizen<br />
berechtigt. Diesen Unterstützungsempfängern hatte<br />
Caesar bei Beginn des Bürgerkrieges, 49 v. Chr., je<br />
300 Silbersesterzen versprochen. Der Bürgerkrieg<br />
hatte sich dreieinhalb Jahre hingezogen, länger als<br />
Caesar vorausgesehen hatte, infolgedessen war <strong>die</strong><br />
Zahlung verschoben worden. Um seine Mitbürger<br />
für <strong>die</strong> Verzögerung zu entschädigen, erhöhte er <strong>die</strong><br />
Summe auf 400 Sesterzen für jeden Unterstützungsempfänger.<br />
Welchen Wert <strong>die</strong>se 400 Sesterzen in<br />
heutiger Kaufkraft repräsentieren, lässt sich nur<br />
schwer sagen. Bis zur Zeit Caesars erhielt ein<br />
Legionär 480 Sesterzen als Jahressold. Da<br />
proletarische Römer so bescheiden lebten, wie man<br />
es sich heute nur schwer vorstellen kann, kamen <strong>die</strong><br />
Empfänger mit ihren 400 Sesterzen wohl ein Jahr<br />
lang aus.<br />
Wohnen war in Rom damals teurer als heute.<br />
Löcher, für <strong>die</strong> heute in Mitteleuropa überhaupt<br />
niemand mehr Geld bezahlen würde, <strong>wurde</strong>n damals<br />
für eine Jahresmiete von 1.000 Sesterzen und mehr<br />
vermietet. Dass Caesar allen Proletariern eine<br />
Jahresmiete ersetzte, in Rom bis zu einer Höhe von<br />
2.000 Sesterzen, außerhalb Roms bis 500 Sesterzen,<br />
entlastete <strong>die</strong>se für ein Jahr von der am härtesten<br />
drückenden Ausgabe. Zu Caesars Geldgeschenken<br />
kamen Naturalgeschenke: rund 70 kg Weizen und<br />
100 Liter Olivenöl für jeden Unterstützungsempfänger,<br />
was für genügsame Römer einen<br />
Jahresvorrat bedeutete.<br />
Noch mehr als <strong>die</strong> <strong>römische</strong>n Zivilisten gab es<br />
für Caesars Veteranen, denen er ja <strong>zum</strong> größten Teil<br />
seine politische Macht verdankte. Nach dem<br />
Triumph im Gallischen Krieg <strong>wurde</strong>n etwa 40.000<br />
Soldaten entlassen und erhielten, außer dem staatlich<br />
gewährten Bauerngut, je 20.000 Sesterzen<br />
Abfindung. Jeder Centurio erhielt 40.000 Sesterzen,<br />
jeder Offizier 80.000. Wer es verstand, <strong>die</strong>se<br />
Geldsumme mit Bedacht auszugeben, war ein<br />
gemachter Mann.<br />
Die Gesamtsumme von Caesars<br />
Mietzuschüssen wird auf 300 bis 500 Millionen<br />
Sesterzen geschätzt. Für <strong>die</strong> 40.000 Soldaten betrug<br />
<strong>die</strong> gesamte ausbezahlte Geldsumme rund eine<br />
Milliarde Sesterzen. Es lässt sich mit einer gewissen<br />
Wahrscheinlichkeit sagen, dass Caesar bei seinem<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
Triumph ein Vermögen von drei bis vier Milliarden<br />
Sesterzen verschenkte, und vermutlich weniger als<br />
200 Millionen Sesterzen an Geld und<br />
Liegenschaften zurückbehielt. Was Caesar als<br />
Privatvermögen zurückbehielt war jedenfalls nach<br />
den damaligen Maßstäben reicher Römer eher<br />
bescheiden: Neben drei Landsitzen besaß er ein<br />
kleines Schloss samt Park in dem Stadtteil jenseits<br />
des Tiber (Trastevere), wo er Cleopatra bei ihrem<br />
Besuch in Rom unterbrachte. Dieses vermachte er<br />
testamentarisch dem <strong>römische</strong>n Volk. Nicht zuletzt<br />
durch <strong>die</strong> Bekanntgabe <strong>die</strong>ser Erbschaft könnte es<br />
Marcus Antonius in seiner berühmten Rede<br />
gelungen sein, seine „Mitbürger, Freunde, Römer“<br />
zur Empörung gegen <strong>die</strong> Mörder Caesars<br />
hinzureißen. Für <strong>die</strong> Mieter von Crassus‘<br />
Wohnhöhlen war es von großem Wert, sich aus dem<br />
Staub und der Sonnenglut der sommerlichen<br />
Straßen unter <strong>die</strong> hohen Bäume eines Parks zu<br />
retten zu können.<br />
Die Anzahl der <strong>römische</strong>n Proletarier hatte<br />
Caesar bereits vor seinem Tod bedeutend verringert.<br />
Jeder <strong>römische</strong>n Bürger, der es wünschte, erhielt den<br />
Grund und Boden eines Bauerngutes, zwar nicht als<br />
privates Geschenk, sondern aus der Staatskasse bzw.<br />
aus den Staatsländereien. Die Dankbarkeit war<br />
darum nicht geringer. Diese Agrarreform gehörte zu<br />
den wichtigsten politischen Errungenschaften nach<br />
Caesars Sieg im Bürgerkrieg. Es gelang ihm damit,<br />
<strong>die</strong> Anzahl der Unterstützungsempfänger von<br />
320.000 auf 150.000 zu verringern. 170.000 proletarii<br />
<strong>wurde</strong>n als Bauern angesiedelt, anders wäre eine<br />
dauerhafte Verminderung der Zahl der<br />
Unterstützungsempfänger nicht möglich gewesen.<br />
Die laufende Getreideverteilung war einer der<br />
Hauptausgabeposten des <strong>römische</strong>n Staatshaushalts<br />
gewesen. Cicero hatte deshalb <strong>die</strong> Unterstützungsempfänger<br />
als „Staatsblutsauger“ bezeichnet. Das<br />
war völlig korrekt. Die von ihm vertretenen<br />
Blutsauger, <strong>die</strong> Senatoren und <strong>die</strong> Steuerpächter,<br />
sogen das Blut nicht aus dem <strong>römische</strong>n Staat,<br />
sondern unmittelbar aus den Untertanen in den<br />
Provinzen. Caesars wohl größtes „Verbrechen“ in<br />
den Augen seiner Mörder war, dass er auch <strong>die</strong>se<br />
Blutsaugerei zu mildern suchte. Da er einen der<br />
wichtigsten Ausgabeposten des <strong>römische</strong>n Staates<br />
mehr als halbiert hatte, konnte Caesar auch <strong>die</strong><br />
Abgaben der Provinzen entsprechend mildern. Den<br />
Anfang hatte er damit schon in Gallien gemacht.<br />
Dort hatte er <strong>die</strong> Einhebung der Abgaben von der<br />
Steuerpacht auf eine schonendere Form der<br />
Erhebung umgestellt, auf festgesetzte Tribute. Diese<br />
Tribute <strong>wurde</strong>n von den ortsansässigen „Behörden“<br />
der einheimischen Stämme selbst eingehoben und<br />
abgeliefert. Kurz vor seiner Ermordung hob er in<br />
den Provinzen Asia (Kleinasien) und Judaea <strong>die</strong><br />
verpachteten Zölle und Steuern ebenfalls auf und<br />
ersetzte sie durch eine fixe Tributzahlung. Infolge<br />
8
seiner Ermordung <strong>wurde</strong> <strong>die</strong>se Anordnung nicht<br />
mehr ausgeführt, beiden Provinzen blieben daher <strong>die</strong><br />
Steuerpächter und ihre räuberischen Vollzugsorgane<br />
erhalten. Es waren übrigens <strong>die</strong>se Vollzugsorgane<br />
der Steuerpächter, <strong>die</strong> unter der Bezeichnung<br />
„Zöllner“ im Neuen Testament den Zorn der<br />
Provinzbevölkerung auf sich zogen.<br />
Caesars Erbe - das <strong>römische</strong> <strong>Kaiserreich</strong><br />
Nach Caesars Tod kam es erneut <strong>zum</strong> Bürgerkrieg,<br />
in dem sich sein Adoptivsohn Octavianus im Jahr 30<br />
v. Chr. durchsetzte. Darauf erhielt Octavianus den<br />
Titel eines „princeps“, eines „ersten Bürgers“, <strong>die</strong>sen<br />
Titel trugen alle Kaiser nach ihm, weshalb das<br />
<strong>Kaiserreich</strong> auch als Prinzipat bezeichnet wird.<br />
Bekannt <strong>wurde</strong> Octavianus unter seinem<br />
Ehrennamen „Augustus“, „der Erhabene“, der ihm<br />
ebenso verliehen <strong>wurde</strong> wie das Amt des<br />
Volkstribunen und des Konsuls auf Lebenszeit. Alle<br />
Kaiser nach ihm trugen den Titel Imperator (=<br />
Befehlshaber) Caesar Augustus.<br />
Die Gesellschaft der <strong>römische</strong>n Kaiserzeit, <strong>die</strong><br />
Zeit der „Pax Romana“, in der es für lange Zeit<br />
keine Bürgerkriege mehr gab, ist von vielen<br />
Historikern idealisiert worden. Den Barbaren, das<br />
heißt hauptsächlich den Germanen, <strong>wurde</strong> <strong>die</strong><br />
Zerstörung <strong>die</strong>ser blühenden Zivilisation <strong>zum</strong><br />
Vorwurf gemacht. Dabei <strong>wurde</strong> meist der parasitäre<br />
Charakter der spät<strong>römische</strong>n Gesellschaft<br />
übersehen. Diesen hat Caesar vor allem in den<br />
Provinzen zwar in gewissem Umfang gemildert, aber<br />
doch nicht ganz aufgehoben.<br />
Als Caesars historische Leistungen können aber<br />
jedenfalls <strong>die</strong> Begründung des <strong>römische</strong>n<br />
<strong>Kaiserreich</strong>s und <strong>die</strong> Ausdehnung des Reichs bis<br />
zur Rheingrenze betrachtet werden. Beides wäre<br />
nicht von Dauer gewesen ohne <strong>die</strong> von ihm<br />
erwirkte Milderung des Abgabendrucks. Damit<br />
milderte Caesar das Elend der „proletarischen“<br />
Massen außerhalb Roms. Unmittelbar bezweckte er<br />
damit, <strong>die</strong> besitzenden Schichten der<br />
Provinzbevölkerung vor der Ausplünderung durch<br />
<strong>die</strong> Senatoren und Steuerpächter zu schützen, sie<br />
darüber hinaus am <strong>römische</strong>n Bürgerrecht zu<br />
beteiligen und sie damit zu Trägern einer<br />
politischen und kulturellen Einheit zu machen. In<br />
zweiter Linie wollte er auch, wo noch vorhanden,<br />
<strong>die</strong> Bauernschaft erhalten, denn ihr entnahm er<br />
seine Rekruten. Caesars Maßnahmen haben<br />
vermutlich <strong>die</strong> „Pax Romana“ erst ermöglicht und<br />
dazu geführt, dass <strong>die</strong> bis dahin von den Römern<br />
nur verheerten Provinzen zu einer wirtschaftlichen<br />
und kulturellen Einheit zusammenwachsen<br />
konnten, dass sich von Spanien bis Rumänien noch<br />
heute <strong>die</strong> Einheit der romanischen Sprachen, und<br />
von Lissabon bis Budapest der Einfluss des<br />
katholischen Glaubens spannt. Dass Caesar mehr<br />
als jemand sonst zur abendländischen Kultureinheit<br />
Antike: <strong>Wie</strong> aus der <strong>römische</strong>n <strong>Republik</strong> ein <strong>Kaiserreich</strong> <strong>wurde</strong><br />
beigetragen hat, fand seinen Ausdruck nicht allein<br />
darin, dass sein Name den Träger der höchsten<br />
weltlichen Gewalt bezeichnete, im deutschen<br />
Lautwandel als „Kaiser“, im russischen als „Zar“;<br />
beide verschwanden erst zu Beginn des 20.<br />
Jahrhunderts. Und ohne Caesars politischen<br />
Geschäftsinn würde heute in Rom wohl keine<br />
Instanz resi<strong>die</strong>ren, deren Amtstitel schon Caesar<br />
führte: der Pontifex Maximus.<br />
Aufgaben<br />
1. Erstelle einen Zeitstrahl und trage <strong>die</strong><br />
wichtigsten Stationen von Caesars Karriere<br />
darauf ein.<br />
2. Formuliere zu jedem Unterkapitel mindestens<br />
fünf Fragen. Achte darauf, dass sich <strong>die</strong> Fragen<br />
auf wesentliche inhaltliche Aspekte des Kapitels<br />
beziehen!<br />
Zum Nachdenken<br />
1. Um in Rom <strong>die</strong> Kosten für <strong>die</strong> Wahlkämpfe für<br />
<strong>die</strong> Ämter der <strong>Republik</strong> zu bestreiten, war es<br />
notwendig, über ein großes Geldvermögen zu<br />
verfügen oder Geld über Kredite aufzutreiben.<br />
Auch <strong>die</strong> Kosten für den Wahlkampf für das Amt<br />
des Präsidenten der USA belaufen sich auf viele<br />
Milliarden US-Dollar. Inwiefern weisen <strong>die</strong> USA<br />
heute und <strong>die</strong> späte <strong>römische</strong> <strong>Republik</strong> in <strong>die</strong>ser<br />
Hinsicht Gemeinsamkeiten auf?<br />
2. In der europäischen Union gibt es den<br />
sogenannten Schengen-Raum, dem ärmere<br />
Mitgliedsstaaten wie Rumänien oder Bulgarien<br />
nicht angehören. Recherchiere, welche<br />
politischen Kräfte in der EU sich aus welchen<br />
Gründen für <strong>die</strong> Einbeziehung <strong>die</strong>ser Staaten in<br />
den Schengen-Raum aussprechen und wer sich<br />
aus welchen Gründen dagegen ausspricht.<br />
Inwiefern lässt sich <strong>die</strong>se aktuelle Frage mit dem<br />
Konflikt rund um <strong>die</strong> Verleihung der <strong>römische</strong>n<br />
Staatsbürgerschaft an <strong>die</strong> Gallier nördlich des Po<br />
vergleichen?<br />
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