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Die Rache Yorix

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»><strong>Die</strong> <strong>Rache</strong> <strong>Yorix</strong>


INHALTSVERZEICHNIS<br />

I. EINLEITUNG 1<br />

II. DER SCHLÜSSEL »ENCH« 15<br />

1. Zur Quellenlage 15<br />

2. »Vom Nutzen und Nachteil der Historie« 22<br />

3. Das Weltbild des »Philopseudes« 26<br />

Exkurs: Der Leviathan 32<br />

4. <strong>Die</strong> Fluchthilfen der Phantasie 39<br />

5. Der »Hetztraum« 47<br />

a) sensus impudicus 47<br />

b) sensus litteralis 51<br />

c) sensus anagocicus 57<br />

6. Zur Theorie des »Längeren Gedankenspiels« 61<br />

7. <strong>Die</strong> Flucht 70<br />

8. Fazit 80<br />

III. DER ZAUBERSTAB DES HERMES 86<br />

1. Luna >a tergo< 86<br />

2. »Profil Von Links« 95<br />

3. »Gelebte Vita« 108<br />

a) Der herzkranke Hermes 108<br />

b) <strong>Die</strong> scheue Eumenide 117<br />

c) <strong>Die</strong> Venus von Giffendorf 125<br />

4. »>Oknos der Seilflechter


V. DAS HUMORISTISCHE WELTGERICHT 228<br />

1. Humor als dichterische Einbildungskraft? 228<br />

2. Humoristische Häresie 240<br />

3. »Der Vogel Merops« 250<br />

4. »Gonopsychanthropologia« 264<br />

5. »Tat-Twam Asi« 278<br />

6. »Galgn-Huhmohr« 291<br />

VI. SCHLUSS 309<br />

1. Allegorie 309<br />

2. Witz 313<br />

3. Humor 319<br />

VII. LITERATURVERZEICHNIS 327


Meinen Eltern


I. EINLEITUNG<br />

Zur Methode wird nur der getrieben,<br />

dem die Empirie lästig wird.<br />

J. W. v. Goethe<br />

<strong>Die</strong> Methodendiskussion in der Literaturwissenschaft hat wenig neue Erkenntnisse und<br />

viele überlange Einleitungen hervorgebracht. <strong>Die</strong> Erwartung allerdings, daß ein<br />

forciertes Nachdenken über die Arbeitsziele und -mittel zwangsläufig auch die Zahl<br />

instruktiver Textinterpretationen vermehren würde, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil,<br />

es scheint, die »Saifenblasen= Montgolfieren« der Reflexion steigen um so höher, je<br />

mehr Textballast abgeworfen wird. Das Niveau interpretatorischer Selbstbesinnung<br />

verflüchtigt sich bei solchem begrifflichen Auftrieb dann üblicherweise derart ins<br />

Ätherische, daß der Ausgangspunkt nur allzuschnell aus dem Blick gerät und<br />

stattdessen freischweifend räsoniert wird. <strong>Die</strong> Folge: Das literarische Werk verkommt<br />

zum Beispielgeber für beliebige ideologische Vorurteile. An die Stelle der, von<br />

ästhetisierenden Generalisten ohnehin immer als philologischer Sklavendienst<br />

verachteten, textgebundenen Interpretationsarbeit tritt die Paraphrase, das derzeit<br />

bevorzugteste rhetorische Hilfsmittel all jener Hermeneuten, die sich im Niemandsland<br />

zwischen Philosophie und Literaturwissenschaft angesiedelt haben.<br />

<strong>Die</strong>se essayistische Unbekümmertheit um die Eigenart der Texte rächt sich<br />

zwangsläufig in der Stereotypie der Erträge. So mühelos sich Theorien in einen Text<br />

hineinlesen lassen, so unergiebig ist ihr Erklärungswert. Um strukturalistische,<br />

marxistische, psychoanalytische, soziolinguistische ... Lehrsätze zu beweisen, sollte es<br />

nicht des Umweges über die Kunst bedürfen, zumindest dann nicht, wenn das<br />

Erkenntnisinteresse vorgeblich ein literaturwissenschaftliches ist; und umgekehrt, um<br />

den Sachgehalt eines individuellen Textes zu erarbeiten, braucht es nicht die Beihilfe<br />

vielzähliger universalistischer Verfahrens-lehren.<br />

Vor dem einzelnen Werk erweist sich die proklamierte Pluralität der Lektüren und<br />

Methoden folglich auch schnell als hermeneutische Illusion. Ästhetische Theorien,<br />

welcher Provenienz auch immer, erklären günstigstenfalls sich selbst, aber selten<br />

genug ihren Gegenstand. So rechtfertigen - um mit der ertragärmsten Lesemethodik<br />

zu beginnen - die von der psychoanalytischen Exegetik bislang zu Tage geförderten<br />

Ergebnisse kaum je die Mühen der Lektüre. Was an Freuds Gradiva-Studie dank<br />

seines hermeneutischen Genies noch den Reiz der Neuheit hatte, die Anamnese der<br />

systemeigenen Lehrsätze in einem beliebigen literarischen Text, langweilt bei seinen<br />

Epigonen als jener gemeinhin praktizierte biographische Voyeurismus, der kaum mehr<br />

im Sinn hat als die lehrbuchmäßige Applikation standardisierter Psychogramme<br />

zwecks rückwirkender Therapie des Autors. <strong>Die</strong>se analytische Überheblichkeit<br />

gegenüber dem Erzähler ist insofern bemerkenswert, als sie beispielgebend wurde:<br />

die Zeit schien gekommen für die <strong>Rache</strong> des ewigen Zweiten, der dank der<br />

>Methode< sich befähigt glaubte, dem Autor den Sinn des Gesagten nun endlich<br />

selbst diktieren zu können. Ihren populistischen Abschluß fand diese<br />

Emanzipationsbestrebung des Lesers in der Rezeptionsästhetik, die<br />

konsequenterweise Textinterpretation und -wertung zur Sache des historischen<br />

Kollektivs erklärte, die »Kontrollinstanz des vorgegebenen Werkes« verabschiedete


und stattdessen die Egalität aller Deutungen als neues hermeneutisches Grundgesetz<br />

proklamierte, so als ließe sich über den Sinngehalt von Kunst abstimmen. Wenn dem<br />

so wäre, dann lieferten die Verkaufszahlen ein absolut sicheres Kriterium dessen, was<br />

literarische Qualität zu sein hat.<br />

<strong>Die</strong> elitäre Radikalisierung dieses sich volkstümlich gebenden hermeneutischen<br />

Nihilismus vollzogen die Dekonstruktivisten, indem sie den Autor vollends<br />

entmündigten, seine Rede angesichts der »Unmöglichkeit wirklichen Verstehens« als<br />

a priori sinnlos diskreditierten, womit der Nobilitierungsprozeß des Interpreten vom<br />

><strong>Die</strong>ner des Werkes< zum alleinigen Gebieter der Bedeutungen sein gewünschtes<br />

Ende fand. Was bleibt, ist die Kunst des Exegeten, der an jedem beliebigen Werk<br />

wortreich aufs neue zu demonstrieren vermag, welche hermeneutische Raffinesse es<br />

verlangt, das Nichtssagende eines literarischen Textes zur Sprache kommen zu<br />

lassen.<br />

So grobschlächtig, ungerecht und falsch diese Urteile auch im einzelnen sein mögen,<br />

die Misere in der Literaturwissenschaft, abzulesen an der stetig sinkenden Zahl<br />

instruktiver Textinterpretationen bei unübersehbarer Zunahme inhaltsleerer<br />

Theoriepropädeutiken, bezeugt deutlich genug die Unergiebigkeit der methodischen<br />

Überanstrengung. Wer jede hermeneutische Mode mitmachen wollte, wer in jede<br />

theorieinterne Redeweise sich einüben muß, dem bleibt keine Zeit mehr für die<br />

Lektüre, und genau diese Unterlassung spiegelt sich in vielen neueren Arbeiten.<br />

Angesichts dieser fruchtlosen Hypertrophie der Reflexion spricht alles für eine<br />

pragmatische Bescheidung, sowohl was die Erkenntnisziele als auch Wahl und<br />

Einsatz der Mittel anbelangt. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, hier<br />

soll nicht die Rückkehr zu rein textimmanenten Verfahrensweisen propagiert werden -<br />

für eine differenzierte Methodenkritik ist eine Einleitung ohnehin nicht der Raum -, es<br />

geht ausschließlich um die exegetische Selbstverständlichkeit, vor aller Flucht in die<br />

Unverbindlichkeit des Theoretisierens den Text selbst zu Wort kommen zu lassen.<br />

<strong>Die</strong> Interpretation eines literarischen Werkes insbesondere sogenannter >schwieriger<br />

Autoren< hat häufig den Charakter eines unausgesetzten Rätselratens.<br />

Selbstverständlich steht es dabei jedem frei, seinen eigenen Lösungsweg zu suchen:<br />

man kann den Sinn von Rätseln überhaupt in Frage stellen; man kann ihre<br />

ökonomischen Entstehungsbedingungen soziologisch, ihre sprachliche Strukturform<br />

linguistisch ventilieren, man kann über ihren Kompensationswert für den Rätselsteller<br />

wie für seinen Mitspieler meditieren, man kann mehrheitlich über ihre Lösung<br />

abstimmen lassen oder ihre ontologische Unlösbarkeit an sich behaupten, man kann<br />

alle denkbaren Lösungen in der Hoffnung herbeikarren, daß sie sich von alleine<br />

aussortieren - oder man versucht, sie zu enträtseln. Dabei ist jede Methode recht,<br />

solange sie nicht den Text zwingt, auf Fragen zu antworten, die er nicht stellt.<br />

Natürlich ist die Nutzanwendung dieses Beispiels begrenzt; nicht jeder Text gibt Rätsel<br />

auf, nicht jedes literarische Rätsel ist nur für eine Lösung gemacht, viele bestehen<br />

geradezu auf ihrer Rätselhaftigkeit und verwehren sich grundsätzlich jeglicher<br />

Auflösung. Im Fall Arno Schmidts jedoch, wie auch all jener Autoren, denen er<br />

schriftstellerisch verpflichtet ist, namentlich Sterne, Wieland, Jean Paul, Thomas Mann<br />

und James Joyce, bleiben die Texte, das zeigen alle bisherigen<br />

Interpretationserfahrungen, ohne hermeneutisches Rätselraten stumm.<br />

Ulysses, Joseph und seine Brüder, Zettels Traum - bereits die Titel sind<br />

Bildungsprüfungen, die alle Rezensenten gern haben über sich ergehen lassen, weil<br />

nicht mehr als elementarstes Grundwissen abverlangt wird; die Odyssee, das 1. Buch<br />

Moses, der Sommernachtstraum, allesamt kanonische Schriften, auf die sich zu


erufen, niemand als esoterische Extravaganz wird abtun können. Noch ehe der erste<br />

Satz gesprochen ist, weiß der Leser demnach, worauf er sich bei der Lektüre<br />

einzurichten hat, daß nämlich fortan der Bezug zu anderem ausdrücklich gesucht wird,<br />

daß in diesen Werken vom »Trugschluß der Referenz« oder gar beziehungsloser<br />

Autoreflexivität keine Rede sein kann; im Gegenteil, die Texte gewinnen Bedeutung<br />

erst durch ihre Berufung auf die Tradition.<br />

Was beim Titel noch als lösbare Quizfrage gefällt, wird beim Eröffnungssatz meist<br />

schon zum anstößigen Problem. <strong>Die</strong> Rätselhaftigkeit der Texte sperrt sich gegen eine<br />

allzu eilfertige Lektüre. Es gibt keinen Grund, das den Autoren zum Vorwurf zu<br />

machen.<br />

Das feuilletonistische Gemurre über die unzumutbare polyhistorische Gelehrsamkeit<br />

Arno Schmidts (Jean Pauls, James Joyce', Hermann Brochs, Robert Musils ...)<br />

wiederholt in unverbesserlicher Ignoranz die immer gleichen Klagen einer aufs<br />

Mediokre eingeschworenen Leserschaft, die seit jeher allergisch auf eine<br />

Überbeanspruchung ihrer feierabendlichen Bildungsbereitschaft reagiert. Auch wenn<br />

es das Vorurteil immer einreden will, der poeta doctus ist keine Spätgeburt der<br />

Moderne. Zu allen Zeiten sahen sich die Autoren dem Vorwurf ausgesetzt, sie<br />

übertrieben die Gelehrsamkeit zum Verdruß aller und insbesondere der Rezensenten.<br />

Dabei war und ist niemand genötigt, Rabelais, Sterne, Joyce oder Arno Schmidt zu<br />

lesen, nur, wenn man es tut, dann gebietet der Anstand, nicht den eigenen<br />

Bildungsgrad als Maßstab zu setzen, sondern Lernbereitschaft zu zeigen. Ob das in<br />

jedem Fall lohnend sein wird, ist eine andere Frage, über die aber nur mitreden kann,<br />

wer sich der Mühe gestellt hat. Bei dieser Arbeit am Text sollte es wiederum eine<br />

Selbstverständlichkeit sein, nicht von vornherein anzunehmen, der Autor neige immer<br />

dann zur Fahrlässigkeit, wenn es einem selbst an Verständnis fehlt. <strong>Die</strong> Aversion<br />

gegen das Zufällige als Produktionsfaktor, das Beharren auf handwerklicher Sorgfalt<br />

ist eine Eigenart Arno Schmidts, die er mit allen Literaturschaffenden von Rang teilt.<br />

Auch wenn daraus nicht das Recht noch der banalsten Unstimmigkeit auf<br />

Entschlüsselung zu folgern ist, so bleibt doch die Aufforderung, diesen Anspruch ernst<br />

zu nehmen und sich nicht voreilig mit essayistischen Allgemeinplätzen zu begnügen.<br />

Grundsätzlich muß jedem Wort in einem literarischen Text eine kalkulierte<br />

Bedeutungs- und Funktionsfähigkeit zugebilligt werden; grundsätzlich ist jeder Satz<br />

kommentierungsbedürftig und interpretationswürdig, denn >selbst-verständlich< ist<br />

nichts in einem Kunstwerk, das als solches sein Existenzrecht erst unter Beweis zu<br />

stellen hat. So überzogen dieser idealtypische Anspruch formuliert scheint, er ist längst<br />

literarisch eingelöst, und das nicht erst seit James Joyce. Gottlob Regis' Erläuterungen<br />

zu Gargantua und Pantagruel sind doppelt so umfangreich wie der Text selbst, was<br />

unverständlicherweise immer zu Lasten des Kommentators ausgelegt wird, anstatt zu<br />

Gunsten des Autors, der sich bei seinem Werk offensichtlich etwas gedacht hat.<br />

<strong>Die</strong> philologische Lesbarmachung von Texten ist die Grundvoraussetzung jeder<br />

ernsthaften Lektüre und eine obligatorische Pflicht der Literaturwissenschaft - der sie<br />

sich inzwischen immer häufiger entzieht. Für die wenigsten »Klassiker der Moderne«<br />

wurden Werksausgaben erarbeitet, die historisch-kritischen Ansprüchen genügen; nur<br />

in den seltensten Fällen existieren Kommentare, die dem Leser die notwendigsten<br />

Lektürehilfen bereitstellen.<br />

Im Fall Arno Schmidts hat diese Aufgabe der hermeneutischen Grundlagenforschung<br />

das Bargfelder »Dechiffrier-Syndikat«, wie sich die notgeborene Gemeinschaft<br />

überforderter Arno Schmidt-Leser selbstironisch taufte, übernommen - mit<br />

ansehnlichem Ertrag. Der üblich gewordene Spott über diese sektiererisch anmutende<br />

>Amateur-Philologie< darf nicht vergessen lassen, daß ohne diese Arbeit Arno<br />

Schmidt - im literaturwissenschaftlichen Sinn - nahezu unverständlich geblieben wäre.


Natürlich läßt sich jeder seiner Texte auch gänzlich unbefangen >nur so zum<br />

Vergnügen< lesen - als ob Lektürelust und Sachverständnis einander nicht befördern,<br />

sondern gegenseitig ausschließen würden; natürlich kann man die Göttliche Komödie<br />

auch als Reiseroman anpreisen, natürlich muß ein Interpret nicht mit Homer, irischer<br />

Geschichte, englischer Literatur und katholischer Dogmatik vertraut sein, um den<br />

Ulysses zu verstehen, aber was kann er dann anderes artikulieren als seine<br />

emotionale Betroffenheit über die esoterische Perfidie des Autors? Ohne begleitenden<br />

Kommentar, sei er vom Leser in mühevoller Kleinarbeit selbst erstellt oder in<br />

Gemeinschaftsproduktion entstanden, werden die Texte - nicht nur der >überbildeten<br />

Moderne< - meist nur zum Spiegel der Interpreteneitelkeit: »Denn bei den alten, lieben<br />

Toten / Braucht man Erklärung, will man Noten; / <strong>Die</strong> Neuen glaubt man blank zu<br />

verstehn, / Doch ohne Dolmetsch wirds auch nicht gehn.«<br />

Selbstverständlich ersetzen solche Lesehilfen nicht die Textanalyse, dessen waren<br />

sich auch die Bargfelder Zuträger bewußt, nur wurde von vielen übersehen, daß, wer<br />

in Heimarbeit das Dechiffrierhandwerk betreibt, noch lange kein<br />

Literaturwissenschaftler ist, und die Verehrung für den >Meister< keine Gewähr für<br />

interpretatives Können bietet. So mangelt es einer Vielzahl der erschienenen Aufsätze,<br />

die sich an der Deutung des Werkes versuchen, an den elementarsten methodischen<br />

Voraussetzungen; häufig genug wird mehr feuilletonistisch räsoniert als wirkliche<br />

Textarbeit betrieben - die Ergebnisse sind dementsprechend dürftig. Über Arno<br />

Schmidts Weltanschauung(en) wurde spekuliert; der vermeintliche Wandel seiner<br />

Persönlichkeit vom streitbaren Jakobiner zum senilen Esoteriker kritisch verfolgt; seine<br />

Romane und Erzählungen als Bruchstücke einer großen Konfession gedeutet - mit<br />

dem Erfolg, daß jeder glaubte, sich in diesem Steinbruch nach Belieben für den<br />

Meinungsstreit munitionieren zu können. An diesem Selbstbedienungsverfahren hat<br />

sich bislang wenig geändert, obwohl die Aktualität des Werkes wie auch sein<br />

literaturpolitischer Provokationswert inzwischen Geschichte sind und die<br />

Gesinnungskämpfe ein Ende gefunden haben.<br />

Weiterhin bestehen aber blieb die Furcht der Exegeten vor dem Text, genauer vor dem<br />

Text als Interpretationseinheit. Ein Resultat dieser Ausweichstrategie ist die Vielzahl<br />

der Gesamtdarstellungen bzw. Einführungen, in denen immer wieder aufs neue die<br />

Selbsteinschätzungen Arno Schmidts paraphrasiert werden, mit der Konsequenz, daß<br />

sich Autor wie Interpret zumeist einig sind über die säkulare Bedeutung des Werkes.<br />

<strong>Die</strong> Arno Schmidt-Forschung droht solchermaßen im Leerlauf zu stagnieren, kaum da<br />

sie in Gang gekommen ist. Über diesen Entwicklungsstillstand wie über die<br />

Unzulänglichkeit der vorliegenden Arbeiten sind sich die meisten der >Bargfelder<br />

Sachverständigen< einig. <strong>Die</strong> Aufforderung ihres Wortführers Jörg Drews, angesichts<br />

dieser Misere »Schmidts Literatur in den kommenden Jahren verstärkt von etwas<br />

umfassenderen Standpunkten aus und unter etwas breiteren Perspektiven« zu<br />

untersuchen, fand dementsprechend viel Beifall, aber keinen produktiven Zuspruch.<br />

Verständlicherweise, denn solange Gehalt und Bedeutung der Texte nicht zureichend<br />

erforscht sind, über ihre Bauform wenig mehr als das vom Autor dazu Geäußerte<br />

bekannt ist, kann jene postulierte Erweiterung des Interpretationshorizontes nicht<br />

stattfinden; solange noch immer über das >Was< und >Wie< der Texte keine Klarheit<br />

herrscht, ist es müßig, über das >Warum< und >Wozu< zu spekulieren.<br />

Daraus ergibt sich die klare Aufgabenstellung, daß vor aller >kritisch< sein wollenden<br />

Erkundung des »Wahrheitsgehaltes« zunächst einmal der »Bedeutungsgehalt« der<br />

Werke herauszuar-beiten ist, und zwar ausgehend von einem Textverständnis, das<br />

sich nicht wie bisher auf philologische Kommentierung bzw. selektive Auswertung des<br />

Gesamtwerkes beschränkt. Zu diesem Zweck einer sachgebundenen Interpretation ist<br />

der Leser auf die Beihilfe des Erzählers angewiesen - nicht auf die des Verfassers. Ein


Text, will er nicht als Kryptogramm konsternieren, muß sich selbst erläutern können -<br />

ohne externe Leseanweisung. Als eine solche allgemeinverbindliche poetologische<br />

Absichtserklärung des Autors Arno Schmidt gelten noch immer die Berechnungen,<br />

was zur Folge hatte und hat, daß kein Interpret auf eine Paraphrase dieser Aesthetica<br />

in nuce verzichten zu können glaubt. <strong>Die</strong>ses ständige Ruminieren ist um so<br />

unergiebiger, wenn man bedenkt, daß Arno Schmidt selbst die Berechnungen<br />

keineswegs als systematische Poetologie konzipiert hat, sondern - wie Umfang und<br />

Eingangsmotto belegen - als eine pragmatisch-provozierende Darlegung seiner<br />

Arbeitsmethoden, wobei ihm die Richtigkeit seiner Thesen »eine Frage<br />

untergeordneten Ranges« schien. (R & P, 300) Nachgewiesenermaßen hat sich Arno<br />

Schmidt auch nur sehr bedingt an die eigenen rigiden Konstruktionsvorgaben<br />

gehalten; festzustellen ist, »[...] daß die Gestaltung der Syntax in den Werken<br />

Schmidts nicht so sehr durch die strukturellen Bedingungen der Prosamodelle<br />

bestimmt wird, als vielmehr durch die individuelle Entwicklung seines Sprachstils [...].«<br />

Wem die geometrischen Konstruktionshypothesen der Berechnungen I zu abstrakt<br />

erscheinen, der möge, so die barsche Aufforderung Schmidts, »[...] zur Kenntnis<br />

nehmen, daß das Problem der heutigen und künftigen Prosa nicht der >feinsinnige<<br />

Inhalt ist [...], sondern die längst fällige systematische Entwicklung der äußeren Form.«<br />

(R & P, 290) An dieses breve hat man sich in der Sekundärliteratur weitgehend<br />

gehalten, wie sonst ließe sich die allgemeine Irritation angesichts der vermeintlichen<br />

>Wende zum Mythos< erklären. Unbemerkt blieb, daß diese behauptete<br />

Vordringlichkeit der formalen Problematik schon in den Berechnungen II eine<br />

merkliche Abschwächung erfuhr. Zwar wird auch hier prätendiert, literarische Formen<br />

ließen sich in einer mathematischen Beschreibungssprache fassen, auch findet sich<br />

erneut eine penible tabellarische Übersicht, in der den »Längeren Gedankenspielen«<br />

die jeweiligen anthropologischen Typen zugeordnet werden, aber entscheidend ist,<br />

was dieser Prosaform zur Aufgabe gestellt wird: »das komplette Porträt eines<br />

Menschen in einem gegebenen Zeitraum x« vorzulegen. (R & P, 298) Erinnert man<br />

sich der Epi- und Hypozykloiden in den Berechnungen I, so mutet das wie ein Rückfall<br />

in die verpönte Inhaltsästhetik an. Ganz im Rahmen des Traditionellen wird<br />

>Erzählen< als eine mögliche Form der (Selbst-)Darstellung einer Persönlichkeit<br />

begriffen, ungeachtet der Zweifel in der modernen Romantheorie, ob eine derartige<br />

personale Integrität, wie sie Schmidt hier offenbar stillschweigend voraussetzt,<br />

überhaupt noch existent bzw. abbildbar ist.<br />

<strong>Die</strong> formalen Vorgaben der Berechnungen I betreffen vorwiegend die Verlaufsform des<br />

Geschehens; die Struktur des Textes soll adäquates Abbild der Bewußtseinsvorgänge<br />

sein. Aber, wenn es Zweck des Erzählens ist, das komplette Porträt eines Menschen<br />

zu geben, dann muß die Darstellung mehr als eine Mimesis der<br />

Apperzeptionsmechanismen leisten, dann kann sie sich nicht nach Äußerlichkeiten wie<br />

»Bewegungskurve und Tempo der Handelnden im Raum« ausrichten (R & P, 286),<br />

dementsprechend kann der Inhalt keine Funktion der Form, sondern umgekehrt, die<br />

Form muß eine Funktion des Inhalts bzw. der vorgegebenen Erzählintention sein.<br />

<strong>Die</strong>se Vordringlichkeit des Darstellungszwecks gilt (unausgesprochen) nicht allein für<br />

die poetologischen Provokationen in eigener Sache, sondern auch für die<br />

»Lesemodell«-Theorie, die Arno Schmidt am »Fall Karl May« entwickelte und fortan für<br />

all seine - ausschließlich inhaltlich orientierten - Literaturdeutungen nutzte. Um diese<br />

hermeneutische Heuristik ist unnötig viel Aufhebens gemacht worden, denn im Grunde<br />

besagt sie nicht mehr, als daß Texte, sei es nun bewußt oder unbewußt, mehrdeutig<br />

verfaßt sein können und dementsprechend allegorisch zu lesen sind. Da Arno<br />

Schmidts essayistische Literaturstudien bekanntlich mehr über sein eigenes Schaffen


als über das seiner Analysanden aussagen, ist es naheliegend, eine solche<br />

allegorische Machart auch für seine eigenen Erzählungen und Romane zu vermuten.<br />

Wichtiger jedoch als die spekulative Diskussion all dieser Vorabbekundungen des<br />

Autors, die allesamt nicht so aufwendig durchdacht sind, als daß sie sich nicht auch<br />

aus der Lektüre selbst hätten ergeben können, ist die Bereitschaft, im Text selbst den<br />

Direktiven des Erzählers zu folgen, denn wenn ihm an Verständlichkeit gelegen ist,<br />

dann wird er dem Leser auch die entsprechenden Instruktionen geben. Es ist nicht<br />

einzusehen, warum dergleichen auktoriale Lektüreleitung immer als autoritäre<br />

Lenkung abgelehnt und nicht als eine zur Erarbeitung des Textgehalts unabdingbare<br />

Orientierungshilfe begrüßt wird. Es mag zwar durchaus sein, daß der >Sinn< eines<br />

Textes etwas anderes ist als das, was der Urheber mit ihm im Sinn hatte, aber diese<br />

Einsicht entbindet nicht von der Pflicht der Interpretation. Will man das einzelne Werk<br />

nicht nur als meditatives Medium mißbrauchen, dann muß vor der philosophischhermeneutischen<br />

>Sinnsuche< die literaturwissenschaftliche Analyse der<br />

Textbedeutung abgeschlossen sein.<br />

An Gadir oder Erkenne Dich Selbst wird mit betonter Pedanterie zu exemplifizieren<br />

sein, was sich an Sachgehalt in dieser Erzählung verbirgt, ob bzw. wie die<br />

allegorische, auf Totalität der Lebensdarstellung zielende Gestaltungsabsicht<br />

technisch umgesetzt wurde und welche Hilfen der Erzähler dem Leser an die Hand<br />

gibt, sachgerecht zu lesen. Gadir oder Erkenne Dich Selbst wurde deshalb für die<br />

Interpretation ausgewählt, weil dieses »Phantasiestück« aus dem ersten Erzählband<br />

Arno Schmidts, dem Leviathan, in einer für das Gesamtwerk beispielgebenden Weise<br />

die Kunst des »Längeren Gedankenspielens« erprobt.<br />

Nach dieser methodischen Vorübung gilt es, die Tauglichkeit des erarbeiteten<br />

Allegoreseverfahrens im größeren Maßstab zu überprüfen, und zwar an Kaff auch<br />

Mare Crisium, jenem Roman also, der wie kein anderer als repräsentativ für die<br />

Erzählkunst Arno Schmidts gelten kann, weil er, gängiger Einschätzung zufolge, den<br />

Übergang vom Früh- zum Spätwerk vollzieht. Sollte sich auch hier der heuristische<br />

Nutzen der Sitara-Hermeneutik bestätigen, so wäre ihr Erklärungswert für das<br />

Gesamtwerk zwar nicht bewiesen, aber sehr wahrscheinlich.<br />

Wichtiger jedoch ist, was mittels dieser Exegetik Neues, Erhellenderes über diesen<br />

Roman selbst zu sagen sein wird, denn ungeachtet seiner Beliebtheit bei den Schmidt-<br />

Lesern, über die Deutungsansätze in den frühen Arbeiten von Drews, Ott und Minden<br />

ist man, trotz zahlreicher informativer Einzelstudien, bislang nicht hinausgekommen.<br />

Der Umfang, die komplizierte Motivtechnik, die Überfrachtung mit Realien zum Teil<br />

entlegenster Provenienz und nicht zuletzt die »ferkorxde Orrto=Graffie« (KAFF, 298)<br />

ließen die Interpreten offensichtlich vor >Größerem< zurückschrecken. Solches, d. h.<br />

eine Deutung des Romans zu versuchen, heißt nach Maßgabe der vorgeschlagenen<br />

allegorischen Lektüretechnik, zunächst die unterschiedlichen Leseebenen herauszupräparieren<br />

und ihre gehaltliche Synchronisierung zumindest in groben Zügen<br />

nachzuzeichnen.<br />

Bis zu diesem Punkt wird sich die Untersuchung auf das beschränken, was in der<br />

Sekundärliteratur, zumeist mit spöttischem Unterton, Textanalyse unter Anleitung der<br />

impliziten Autorenintention genannt wird, was hermeneutischem Handwerk gemäß<br />

aber schlicht die unverzichtbare Erkundung des Sach- und Bedeutungsgehaltes des<br />

Einzelwerkes ist.<br />

Erst wenn das geleistet wurde, Herkunft, Zuordnung und Bauform der Inhalte geklärt<br />

sind, kann die Analyse der Eigenart des poetischen Verfahrens und der Erzähltechnik<br />

dieses Romans in Angriff genommen werden.<br />

Dazu genügt nicht länger der Rekurs auf die von Arno Schmidt selbst gegebenen<br />

poetologischen Instruktionen. Für eine kritische, d. h. distanzierte Interpretation bedarf


es werksexterner Kategorien, die wiederum nicht so abstrakt und gegenstandsfremd<br />

sein dürfen, daß sie den Text in das Prokrustesbett einer dogmatischen Begrifflichkeit<br />

zwängen. <strong>Die</strong> derzeitige Literatur-wissenschaft bietet in dieser Hinsicht und für diesen<br />

speziel-len Fall kaum Hilfsmittel, so daß auf Altbekanntes zurückzugreifen war.<br />

In der Schmidt-Forschung wurde gelegentlich das Werk Jean Pauls als ein möglicher<br />

historischer Bezugspunkt genannt, aber das Diktum des Jean Paul-Experten Wolfgang<br />

Proß, die »Gleichung Jean Paul - Arno Schmidt« sei funktionslos, hat jede weitere<br />

Nachforschung unterbunden. Wenn im folgenden trotzdem ein solcher Vergleich der<br />

poetischen Technik beider Autoren unternommen wird, dann aus der Vermutung<br />

heraus, daß dieses rigide Urteil mitsamt seinen Berufungsgründen sich erübrigt, wenn<br />

durch die Ergebnisse einer textgenauen Interpretation einige der herkömmlichen<br />

Vorurteile über das Werk Arno Schmidts korrigiert worden sind.<br />

<strong>Die</strong> auffälligste und literaturwissenschaftlich zugleich ergiebigste Gemeinsamkeit der<br />

beiden Provinzial-Enzyklopädisten Jean Paul und Arno Schmidt ist ihr >WitzWitz< nur noch als<br />

rhetorischen Scherzartikel führt, in Vergessenheit geraten - nicht in der literarischen<br />

Praxis, wohl aber in der Theorie. Unverdienterweise, wie zu zeigen sein wird, denn<br />

diese, von Jean Paul so virtuos gehandhabte und in seiner Vorschule der Ästhetik als<br />

die eigentliche dichterische Grundkraft gepriesene Kunst der Kombinatorik, stellt das<br />

geeignete »heuristische[] Hebzeug« für eine Analyse der Poetik Arno Schmidts, und<br />

zwar nicht nur was die Oberflächenphänomene Zote und Kalauer anbelangt.<br />

Der Witz ist das genuine Arbeitsinstrument des Polyhistors, des Zettelkasten-Dichters.<br />

<strong>Die</strong> Vielfalt der exzerpierten Kenntnisse wird erst fruchtbar, wenn sie durch die witzige<br />

Kombination in immer neue, überraschende Zusammenhänge gebracht wird. Jean<br />

Paul stellt diese spielerische Kunst in den <strong>Die</strong>nst der Aufklärung: durch die »witzige<br />

Bildung« des Lesers soll die Einigung der Welt im Zeichen der Humanität<br />

vorangetrieben werden. Ausgehend von diesem Totalitätsanspruch wird ein Rückblick<br />

auf die Geschichte des polyhistorischen Dichtens die Traditionsgebundenheit des<br />

vermeintlichen Außenseiters Arno Schmidt deutlich werden lassen, nicht zum Zweck<br />

einer selbstgenügsamen Historisierung, sondern um das Vorurteil autodidaktischer<br />

Willkür und spleeniger Gelehrtheit auszuräumen.<br />

Sinnfälligster Ausdruck des polyhistorischen Denkens ist der >Zitatismusgelehrten DichtensPhänomenologie des Witzes< erfaßt zwar durchaus die auffälligsten formalen wie<br />

auch inhaltlichen Besonderheiten von Kaff auch Mare Crisium, nicht aber jenes<br />

Gestaltungsprinzip, das erst den eigentlichen Kunst- und Unterhaltungswert dieses


Romans ausmacht: wie bei Jean Paul ist auch hier der eigentliche <strong>Die</strong>nstherr des<br />

Witzes der Humor.<br />

Obwohl Arno Schmidt sich wiederholt als Humorist ausgegeben hat, bislang wollte<br />

niemand diese Selbstbezichtigung poetologisch sonderlich ernst nehmen. Wie<br />

überhaupt in der Literaturwissenschaft nach wie vor eine gewisse Reserviertheit<br />

gegenüber dem Humor als Kunstform festzustellen ist, denn obgleich der<br />

humoristische Roman dank Joyce und Thomas Mann keineswegs im<br />

Biedermeierlichen verendete, sondern sich als beispiellos modern erwiesen hat,<br />

existiert bislang nur eine Arbeit von Rang: Preisendanz' Der Humor als dichterische<br />

Einbildungskraft. Leider beschränkt sich diese Studie auf die Werke des »poetischen<br />

Realismus« und spart zudem - was noch weit bedauerlicher ist - die Humortheorie der<br />

Vorschule der Ästhetik aus, obwohl Jean Paul anerkanntermaßen nicht nur als einer<br />

der bedeutendsten Praktiker, sondern auch als einer der scharfsinnigsten Theoretiker<br />

in diesem Fach gilt. Es ist daher naheliegend, auch hier auf seine Überlegungen<br />

zurückzugreifen, in Auseinandersetzung mit den Thesen von Preisendanz ihre<br />

Gültigkeit zu überprüfen, historisch abzusichern, um sie dann - analog dem Rekurs auf<br />

die Witzlehre der Vorschule - für die Interpretation von Kaff zu nutzen.<br />

Als fortwährender Maßstab in diesem Wechselspiel von theoretischer Vorüberlegung<br />

und interpretativer Nachprüfung bzw. Lektüreerfahrung und begrifflicher<br />

Verallgemeinerung werden dabei jene Werke fungieren, die als Inbegriff der<br />

humoristischen Erzähltradition gelten können, namentlich Sternes Tristram Shandy,<br />

Jean Pauls Giannozzo, Raabes Stopfkuchen, Joyce' Ulysses und Thomas Manns<br />

Joseph und seine Brüder.


I. DER SCHLÜSSEL »ENCH«*<br />

1. Zur Quellenlage<br />

(Ein >KriegsGefangener< könnte ergo den<br />

greisn PYTHEAS ausbrechn lassn ...)<br />

(ZT, 1001 lm)<br />

Pünktlich zum 100. Geburtstag 1963 widerfuhr Gustav Frenssens Werk eine<br />

Wiederbelebung, die keineswegs zu erwarten, geschweige denn zu erhoffen war. Arno<br />

Schmidt nahm sich dessen Sache als eines vermeintlich >unerledigten Falles< an und<br />

widmete dem Dithmarschen Volksschriftsteller einen Funkessay, der, zumindest was<br />

den Umfang anbelangt, selbst die Arbeiten über Wieland und Gutzkow übertrifft.<br />

Wozu ein solcher Aufwand für den - nicht nur politisch - notorisch denkschwachen<br />

Frenssen (RvG, 126 f.), der sich durch seine markigen Blut- und Bodensprüche nach<br />

Art: »Wir sind ein Volk auf einem zu kleinen Raum.« oder: »[...] was im Blut ist, das ist<br />

auch im Recht!« eindringlich den Nationalsozialisten empfahl, und dies bereits in dem<br />

1926 erschienenen Otto Babendiek, der vorgeblich der »Periode der Einsicht«<br />

entstammt. (RvG, 137)<br />

Denn um einer gerechten Würdigung des Gesamtwerks willen rät Schmidt, die<br />

»>JugendsündenAltersweisheitKatalysatorfunktion< liege, sie regen den Leser/Autor zum Um- und Ausgestalten,<br />

zum »Längeren Gedankenspiel« an.<br />

So wird der Schmidt-Leser in Tante Lene, der Ersatzmutter Otto Babendieks - eine<br />

»breithüftig=deftige >Größte Mutter< [...], die in der Deutschen Literatur kaum<br />

Ihresgleichen hat!« (RvG, 154) - unschwer das Vorbild für die nicht weniger magna<br />

materhafte Tante Heete aus Kaff auch Mare Crisium erkennen.<br />

Eine weitere Romangestalt, die Schmidt seit seiner Lektüre des Otto Babendiek - »es<br />

mag 1929 gewesen sein« - an- und aufgeregt hat, bis er »endlich, mit 35, selber ein<br />

>Gadir< schrieb«, war »[...] die, das ganze wohlbeleibte Buch durchgeisternde Gestalt<br />

des großen Reisenden PYTHEAS VON MASSILIA [...].« (RvG, 159 f.)<br />

Nun wäre anzunehmen, daß diese explizite Bezugnahme auch einen entsprechenden<br />

Niederschlag in der Erzählung gefunden hat, dem scheint aber nicht so:<br />

Der im Frenssen-Roman zum Studienobjekt gewordene Pytheas hat dann freilich<br />

wenig zur Charakterisierung des Ich-Erzählers von »Gadir« beigetragen. Vor allem<br />

kommt die >Meerlunge


Ebensowenig finden sich, der Nachprüfung Kuhns zufolge, direkte Übernahmen,<br />

allenfalls Anklänge sind herauszuhören: die Wendung »Gewürze, Gold, Profitchen«<br />

(13) ähnelt der Aufzählung von Professor Bornholt im Babendiek: »Gold und Gewürz,<br />

von Bronze und Bernstein«, darüberhinaus fügt sich dessen Charakterisierung des<br />

Pytheas, »den Geist nicht auf Geld gespannt, wie alle andern, sondern auf die<br />

Wahrheit«, in das von Schmidt entworfene Bild des antiken Seereisenden.<br />

Das wäre alles an Entsprechungen?<br />

Den aufkeimenden Argwohn, Schmidt habe den Leser womöglich auf eine falsche<br />

Fährte gelockt, versucht Huerkamp zu beschwichtigen, indem er erinnert, daß Pytheas<br />

ein weiteres Mal, nämlich in dem Funkessay über den vergessenen Hainbund-Dichter<br />

Samuel Christian Pape erwähnt wird. Da findet sich nun tatsächlich die berühmte<br />

»Meerlunge« des Pytheas, jenes graue Gemisch aus Wasser, Luft und Land (RvG,<br />

199), aber doch nur zur Umschreibung dessen, was schon Professor Bornholt hinter<br />

dieser Bezeichnung vermutete, eines ausgewachsenen »Schmuddelwetters« nämlich.<br />

Der wörtliche Vergleich beider Texte ist erwiesenermaßen unergiebig, nicht so der<br />

thematische.<br />

Otto Babendiek ist ein autobiographischer Roman; in detaillierter Breite und mit kaum<br />

gebändigter Selbstgefälligkeit schildert der Ich-Erzähler seinen Aufstieg zum<br />

erfolgreichen Großschriftsteller. Als Motto dieses literarischen Rechenschaftsberichtes<br />

hätte Frenssen ohne weiteres das nosce te der Gadir-Erzählung wählen können.<br />

Bei der Subjektzentriertheit dieses Romans ist es fast unvermeidlich, daß ab und an<br />

etwas in Charakterologie dilettiert wird. Als Resultat solcher intellektueller<br />

Abschweifungen finden sich dann Merksätze wie: »<strong>Die</strong> Wirklichkeit wird zum Traum.<br />

<strong>Die</strong> Träume werden Wirklichkeit.« Oder: »Denn was man in der Wirklichkeit am<br />

wenigsten ist, ist man in Stunden des Wunschträumens.« <strong>Die</strong>se seelenkundlichen<br />

Allgemeinplätze wären nicht weiter erwähnenswert, stünden sie nicht im Verdacht, als<br />

mögliche Anregungen für die Psychologie Gadirs und insbesondere für das dort<br />

erstmals erprobte »Längere Gedankenspiel« gedient zu haben.<br />

Der Pytheas-Experte im Otto Babendiek ist Professor Bornholt, zumeist Onkel Gosch<br />

gerufen, eine Figur, geschildert ganz nach dem trivialen Klischee des weltfremden,<br />

liebenswürdig-vertrottelten Professors. Einziger Lebensinhalt dieses romantischen<br />

Sonderlings ist es, alles über den antiken Entdecker in Erfahrung zu bringen und<br />

womöglich Spuren seines einstigen Aufenthaltes an der dithmarschen Küste<br />

aufzuspüren - natürlich mit Erfolg.<br />

Neben dem reinen Unterhaltungswert hat diese Nebenhandlung aber noch eine<br />

zweite, wichtigere Funktion: sie dient der metaphorischen Spiegelung des Lebenswegs<br />

Otto Babendieks. Schon zu Beginn wird dieser Gleichklang intoniert. <strong>Die</strong> Eltern<br />

erhalten unmittelbar nach der Geburt ihres Sohnes Otto einen Golddukaten als<br />

Patengeschenk, der zur Begutachtung auf den blankpolierten Tisch gelegt wird:<br />

<strong>Die</strong> kleine, blanke Fläche sah in dem fließenden Sternenlicht aus wie ein weites,<br />

weites Wasser, und wie Meer in der Nacht. Und mitten drin lag, wie eine goldene,<br />

runde Insel, mit heimlich stillem Glanz die Münze. Gott allein weiß, was für Bilder die<br />

beiden Menschen in ihrer Seele sahen. Nur eins weiß auch ich: daß sie das Gold nicht<br />

als Geld, Glück und Pracht deuteten. Sondern es war ihnen irgendwie ein Bild ewigen,<br />

heiligen Geheimnisses, dahin alle Menschen fahren, dahin auch ich fahren sollte, der<br />

eben geborene.<br />

Am Romanende wiederholt sich diese Münzschau, und mit fast den gleichen Worten<br />

wird erneut das Bild des »ewig heiligen Geheimnisses« beschworen, dahin es alle<br />

Menschen zieht.


<strong>Die</strong> Seefahrt als Daseinsmetapher, der Entdecker Pytheas als maritimer<br />

Schutzheiliger, als Verkörperung der romantischen Sehnsucht nach der unendlich<br />

fernen Insel, die zu suchen sich auch der Schriftsteller Otto Babendiek auf den Weg<br />

gemacht hat.<br />

»>Wo ist Thule?


verbesserten Informationslage, die autobiographische Fundierung nahezu vollständig<br />

bekannt ist. <strong>Die</strong> Rückschau des Pytheas auf seine armselige Jugend und den<br />

anschließenden Sklavendienst bei Gryphius (13), die bittere Erinnerung an die Zeit als<br />

Zwangssoldat und die anschließende Erfolglosigkeit als Dichter und Denker (24), das<br />

alles sind heutigentags nur allzu bekannte und leicht zu identifizierende Stationen der<br />

Lebensgeschichte Arno Schmidts. Allerdings scheint die Zahl der autobiographischen<br />

Verschlüsselungen noch erheblich größer, die Angleichung insbesondere der<br />

abenteuerlichen Fluchten des einen vor, des anderen in die Kriegsgefangenschaft<br />

wesentlich enger als bisher vermutet. Beispielhaft läßt sich dieser manieristische Hang<br />

zu >Privatspäßen< an den fingierten Daten zeigen.<br />

Der Erzählung zufolge stirbt Pytheas im Alter von 98 Jahren (19); 52 Jahre und 124<br />

Tage davon hat er in phönizischer Gefangenschaft zugebracht. Wozu diese -<br />

höchstwahrscheinlich - ahi-storische Lebensverlängerung? Pytheas soll den Ausbruch<br />

des 1. Punischen Krieges miterleben! Für den Handlungsverlauf der Erzählung ist<br />

dieses Ereignis allerdings belanglos, der Krieg zwischen Karthago und Rom hat für<br />

Pytheas lediglich den Rang einer interessanten Neuigkeit.(11) Funktional bestimmbar<br />

wird die zugrunde liegende Absicht erst, wenn man die Autobiographie des Autors<br />

hinzuzieht. Als der II. Weltkrieg ausbrach und Arno Schmidt erstmals einberufen<br />

wurde, war er 25 Jahre alt; 52 Jahre ist Pytheas in Gefangenschaft. Einschließlich der<br />

Zeit seiner Internierung in einem britischen Lager bei Brüssel hat Schmidt der Krieg<br />

fünf Jahre und vier Monate seines Lebens geraubt. 45 Jahre alt war Pytheas, als er in<br />

Gefangenschaft geriet. 124 Tage war Arno Schmidt im Lager Villvoorde gefangen<br />

(»Wu Hi?«, 203 ff.); am 124. Tag gelingt Pytheas die Flucht aus dem phönizischen<br />

Gefängnis.


2. »Vom Nutzen und Nachteil der Historie«<br />

Und wenn ihr nach Biographien verlangt, dann nicht<br />

nach jenen mit dem Refrain »Herr Soundso und seine<br />

Zeit«, sondern nach solchen, auf deren Titelblatte<br />

es heißen müßte »ein Kämpfer gegen seine Zeit.«<br />

F. Nietzsche<br />

Sind die Antike-Erzählungen Arno Schmidts nur Stilübungen in der Nachfolge<br />

Wielands? Erschöpft sich ihre Funktion darin, aktuelle Verhältnisse historisch<br />

einzukleiden bzw. als »Ventil des direkt nicht Sagbaren« zu fungieren?<br />

Widerlegt werden diese Thesen Reinhart Herzogs von der Antike als bloßem<br />

Evasions- und Projektionsraum allein durch die Tatsache des Nebeneinanders von<br />

antiken und zeitgenössischen Erzählungen im Frühwerk. Wenn Arno Schmidt im<br />

Leviathan unverhüllt gegenwartsbezogen erzählt, dann ist nicht einzusehen, warum er<br />

in Gadir, im Alexander oder in Kosmas plötzlich Zuflucht zum historischen Kostüm<br />

gesucht haben soll.<br />

Von einem >wirklichen< Interesse an der Antike sei schon deswegen nicht zu<br />

sprechen, so Herzog weiter, weil, mit Ausnahme des Kosmas, durchweg das Fehlen<br />

einer »historischen und überhaupt narrativ autonomen Detailbreite im antiken Kontext«<br />

zu konstatieren sei. Ein haltloses Urteil - zumindest was Gadir oder Erkenne Dich<br />

Selbst anbelangt. Keineswegs erscheint Pytheas als dürftig verkleidetes alter ego des<br />

Autors, im Gegenteil, präsent ist dem Leser zunächst die historische Gestalt; die<br />

autobiographische Ausgestaltung der geschichtlichen Leerstellen war bei Erscheinen<br />

des Textes in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht erkennbar. Was Herzog zum historisch<br />

im Grunde belanglosen, allegorischen Versteckspiel abwertet, scheint vielmehr ein<br />

dialektisches Wechselspiel: der Erzählung geht es gleichermaßen um eine<br />

Antikisierung der Gegenwart wie um eine Aktualisierung des Vergangenen. Der Bezug<br />

zur Antike reduziert sich nicht auf Äußerlichkeiten: Geschichte als Requisitenkammer<br />

und Kostümverleih, sondern er ist elementar, lebensbezogen, monumentalisch.<br />

<strong>Die</strong> Einführung dieses Begriffs aus der zweiten der Unzeitgemäßen Betrachtungen<br />

rechtfertigt sich durch die frappante Übereinstimmung dieser theoretischen Vorgabe<br />

einer lebensbezogenen Geschichtsbetrachtung, die in Polemik gegen den historischen<br />

und philologischen Antiquitätenhandel »ein liebendes Versenktsein in die empirischen<br />

Data, ein Weiterdichten an gegebnen Typen« einfordert, und dem literarischessayistischen<br />

Anspruch Arno Schmidts, wie er in der vielzitierten Grundsatzerklärung<br />

aus dem DYA NA SORE-Vorspiel seinen nicht minder emphatischen Ausdruck<br />

gefunden hat:<br />

[...] <strong>Die</strong>s also mein Credo gegen alle Buchstabenmänner und greisen Variantensucher,<br />

mit ihren Büscheln von Stinkmorcheln in den verkrüppelten Händen: [...] Müde vom<br />

Durchwandern öder Letternwüsten, voll leerer Hirngeburten, in anmaaßendsten<br />

Wortnebeln; überdrüssig ästhetischer Süßler wie grammatischer Wässerer; entschloß<br />

ich mich: Alles, was je schrieb, in Liebe und Haß, als immerfort mitlebend zu<br />

behandeln! - - - (DYA, 12)<br />

Ein wirkliches, d. h. auf die gegenwärtige Wirklichkeit bezogenes Interesse an der<br />

Tradition hat nicht der Wissenschaftler, dem es nur darum zu tun ist, die Ereignisse<br />

>an sich< zu erklären, sondern der Interpret, der es versteht, ihren Sinn >für sich< zu<br />

entdecken. Mit der Konsequenz, daß die Zeitlichkeit der Geschichte ignoriert, ihre<br />

Prozeßhaftigkeit geleugnet wird: nicht mehr die Universalhistorie der Menschheit<br />

interessiert, sondern die Lebensgeschichte der


[...] einzelnen, die eine Art von Brücke über den wüsten Strom des Werdens bilden.<br />

<strong>Die</strong>se setzen nicht etwa einen Prozeß fort, sondern leben zeitlos-gleichzeitig, dank der<br />

Geschichte, die ein solches Zusammenwirken zuläßt, sie leben als die Genialen-<br />

Republik, von der einmal Schopenhauer erzählt; ein Riese ruft dem andern durch die<br />

öden Zwischenräume der Zeiten zu, und ungestört durch mutwilliges lärmendes<br />

Gezwerge, welches unter ihnen wegkriecht, setzt sich das hohe Geistergespräch fort.<br />

Daß Arno Schmidt den Zugang zur (Literatur-)Geschichte im wesentlichen über die<br />

Biographie sucht, gründet wohl weniger in erkenntnistheoretischen Vorbehalten<br />

gegenüber der Verifizier-barkeit generalisierender Aussagen; näherliegender, wenn<br />

auch banaler, ist die These, es handle sich um eine Form der Aneignung, die sich<br />

mittels der trivialen Operation der Identifikation vollzieht:<br />

So geht eigentlich in dieser Minute kein Jüngling in ganz Jena, Weimar, Berlin usw.<br />

über den Markt, der nicht glauben müßte, als Schrein - Sakramentshäuschen -<br />

Heiligen-Haus - Rindenhaus - oder Mumienkasten irgendeines jetzt oder sonst<br />

lebenden Geister-Riesen heimlich herumzulaufen, so daß, wenn man besagten<br />

Schrein und Mumienkasten aufschlüge, der gedachte Riese deutlich ausgestreckt<br />

darin läge und munter blickte. Ja, Schreiber dieses war früher fünf bis sechs große<br />

Männer schnell nacheinander, so wie er sie eben gerade nachahmte.<br />

Der Mensch ist dem Menschen das Interessanteste, aber noch interessanter ist der<br />

Held. Als solcher kann der historische Pytheas zweifellos angesehen werden, und<br />

Schmidt betont diesen Heroismus mit entsprechendem Pathos.<br />

<strong>Die</strong>se literarische Heldenverehrung ist eine pädagogische Spielart des Dialoges über<br />

die Zeiten hinweg, eine Spielart, für die seit jeher Plutarchs vergleichende<br />

Lebensbeschreibungen das bevorzugteste Lehr- und Musterbuch waren: »Sättigt eure<br />

Seelen an Plutarch und wagt es, an euch selbst zu glauben, indem ihr an seine Helden<br />

glaubt.« Oder, wie es Hölderlin in für Schmidt nicht minder verbindlicher Weise als<br />

erzieherische Programmatik für die Ausbildung des jungen Hyperion formuliert: »Lebe<br />

in Gemeinschaft mit deinen Heroen! Du findest ihresgleichen schwerlich so bald unter<br />

den Lebendigen.«<br />

Überhistorisch nennt Nietzsche »[...] die Mächte, die den Blick von dem Werden<br />

ablenken, hin zu dem, was dem Dasein den Charakter des Ewigen und<br />

Gleichbedeutenden gibt, zu Kunst und Religion.« Das Unhistorische ebenso wie das<br />

Überhistorische sind ihm notwendige Regulative gegen die das Leben zu ersticken<br />

drohende historische Wissenschaft, sie sind Mittel dessen, was jenseits aller<br />

positivistischen Forschung einzig zum Ziel der Menschwerdung führt, dem »>Erkenne<br />

dich selbstGreiff


entsprechendes tertium comparationis wäre für Greiffenberg schon deshalb schwerlich<br />

zu finden, weil außer Massilia kein weiterer Wohnsitz des Pytheas bekannt ist. <strong>Die</strong><br />

Logik der Identifikation gebietet es - entgegen der autobiographischen Realität -, die<br />

>fiktiven< Jugend- und Berufserlebnisse in der gleichen, historisch vorgegebenen<br />

Stadt anzusiedeln.<br />

Der Angleichungsprozeß der beiden Biographien ist formal gesehen ein Vergleich mit<br />

dem Fluchtpunkt Identifikation; zwei Lebensläufe werden parallelisiert und zur<br />

Deckung gebracht. Es ist zu untersuchen, ob dieses Verfahren witziger Analogisierung<br />

kennzeichnend für die Verarbeitung des gesamten historischen Materials ist.


3. Das Weltbild des »Philopseudes«<br />

Der denkende Mensch hat die wunderliche<br />

Eigenschaft, daß er an die Stelle, wo das<br />

unaufgelöste Problem liegt, gerne ein<br />

Phantasiebild hinfabelt [...].<br />

J. W. v. Goethe<br />

Zuerst pfiff der Eine. - Als sie das nächste Mal vorbeischlenderten, war dasselbe<br />

näselnder Gesang: »Oh, Fräulein Mirjam: wenn ich mit Ihnen tanz'- tz tz, tz tz ...« [...].<br />

(11)<br />

Der Erzähleingang ist eine Falle. <strong>Die</strong> Schlagerzeile verweist den Leser des Jahres<br />

1949 auf die jüngste Vergangenheit. <strong>Die</strong> Frage beim Postenwechsel: »>Was Neues<br />

vom Krieg - ?AuszeichnungGeschichte


ezeichnet (BEL, 262), bedenkenlose Geschichtsklitterung ist, die niemandem gerecht<br />

wird, hat bereits <strong>Die</strong>ter Kuhn zu Recht hervorgehoben.<br />

Alexander als Prototyp des Machtmenschen, Alexander-Kult als Inbegriff einer<br />

verdächtigen Hingabe an die Macht - die nachfolgende Erwähnung Platons (= »Sohn<br />

des Ariston«) bestätigt diese Deutung in einem zweifachen Sinn: zum einen wird damit<br />

dessen politisch-philosophische Anbiederung an den sizilianischen Tyrannen Dionys<br />

als eine alexandrinische Form des Macht-Kults entlarvt, zum anderen wird über das<br />

platonische Ideal vom >Totalen Staat< der Bezug zum Nationalsozialismus<br />

wiederhergestellt: »[...] berief man sich nicht zur Hitlerzeit gern und ausgiebig auf eben<br />

diesen Platonischen Staat?« (DYA, 18)<br />

<strong>Die</strong>sen kommerziellen Schuften ist die Kugelgestalt der Erde natürlich gleichgültig, da<br />

das auf ihren Warenabsatz ja keinerlei Einfluß hat - ich werde den Schweinen doch<br />

einmal geheimnisvoll Andeutungen über neue Ökumenen im Südmeer hinwerfen; oder<br />

wie man, ständig nach Westen steuernd, den Ostrand der unsrigen erreichen könnte:<br />

Indien! (13)<br />

<strong>Die</strong> bekannten Oppositionen kehren wieder: der Nordlandfahrer, einzig getrieben vom<br />

reinen Wissensdrang, die kommerziellen Schufte, denen es nur um Warenabsatz und<br />

Profite, d. h. um Herrschaft im Endlichen zu tun ist. Stichwortmäßig werden die heute<br />

nur allzu geläufigen topoi der Zivilisationskritik angeführt, gipfelnd in der prophetischen<br />

Warnvision ex eventu: »[...] die Technokraten werden einst die Welt zugrunde richten -<br />

!« Schmidt stilisiert Pytheas zum >reinen Wissenschaftleran sichGeheimwissen< um die Kugelgestalt der<br />

Erde durchaus nicht - wie es die hagiographische Idealisierung glauben machen will -<br />

ohne Nutzeffekt ist, denn gerade dieses szientifische Arkanum verschafft das für die<br />

Selbsterhaltung so notwendige Machtgefühl.<br />

<strong>Die</strong> kompensatorische Erniedrigung der >reinen Wissenschaft< bleibt bei der<br />

nachfolgenden Polemik natürlich unbedacht; die Gegenüberstellung zweier Epochen<br />

wird in den Vergleich zweier Geisteshaltungen überführt, die als zeitlos vorgestellt<br />

werden: »[...] (die wollen immer >angewandte< Wissenschaften: auch ein<br />

Kennzeichen des barbarischen Geistes.)« (22) Ganz anders der griechische Geist, wie<br />

ihn Pytheas und Eudoxos verkörpern:<br />

Ist heiß geworden; der See blitzt blau und weiß. Was muß das für ein brüllendes<br />

Ungeheuer sein, dort oben am Himmel, das die riesige Erde so zum Glühen bringt;<br />

und doch wollte Eudoxos von Knidos in seiner Nähe wohnen, um seine Natur zu<br />

ergründen. - Wenn Euch später einmal jemand fragen sollte, was den griechischen<br />

Geist vor dem barbarischen auszeichnete, dann erzählt ihm das. (13 f.)<br />

»Wissenschaft ist hier«, so interpretiert Thomé, »die Ergründung des Wesens zeitloser<br />

Dinge wie der Sonne. [...] <strong>Die</strong> Naturwissenschaft scheint eben jene Funktion zu<br />

übernehmen, die in Schopenhauers System die ästhetische Kontemplation der Kunst<br />

hat.« Wohl kaum, schließlich ist auffällig genug, daß Wissenschaft in der zitierten<br />

Textstelle Ausdruck eines geradezu waghalsigen Willens zur Erkenntnis ist. Der Mut<br />

des Eudoxos, wie er hier anekdotisch in Szene gesetzt wird, erinnert eher an<br />

ritterlichen Drachenkampf als an wissenschaftliche Forschungsarbeit. Das Wissen<br />

muß der Natur unter Einsatz des Lebens abgetrotzt werden, von beruhigter<br />

Kontemplation ist wenig zu spüren. Zudem, wer ein rechter Wissenschaftler sein will,<br />

vermeidet die allzu bildliche Rede. <strong>Die</strong> Sonne als brüllendes Ungeheuer zu sehen, ist<br />

ein ausgesprochener Rückfall in die vorwissenschaftliche, animistische Weltsicht.<br />

Mehr noch, Dämonisierung ist Deutung, der Bezug zum Objekt ist qualitativ bestimmt,


noch ehe es überhaupt rational erfaßt ist. Pytheas ist kein >neutraler< Beobachter,<br />

seine Sehweise keine genuin wissen-schaftliche, sondern eine metaphorischpoetische.<br />

Wir wissen noch viel zu wenig; so viel aber steht fest, daß in unsäglichen Raumtiefen<br />

die fürchterlichen Feuerdrachen stehen, Flammenzungen schwengeln sesamgroß<br />

(welch Wort!), Feuerfäuste rasen dröhnend auf Glutbrüste - - nicht dran denken, nicht;<br />

wir sind verloren. - (15 f.)<br />

So apodiktisch wie die Setzung der kosmologischen Szenerie ist auch der<br />

schlußfolgernde Befund. War die Sonnen=Ungeheuer-Metapher noch motiviert durch<br />

einen Induktionsschluß: was die riesige Erde so zum Glühen bringt, kann eben auch<br />

ein gigantischer feuerspeiender Drache sein; so ist hier der Umschlag der räumlichen<br />

Größenmaße in die dämonologische Qualität völlig unvermittelt - nichts an dieser<br />

erotisch aufgeheizten Vision einer drakonischen Höllenwerkstatt könnte einer<br />

ernsthaften Nachprüfung genügen: »Weder Mythologie noch Legenden sind in der<br />

Wissenschaft zu dulden.«<br />

<strong>Die</strong> unmittelbar nachfolgende >Traumtheorie in nuce< versucht zumindest eine<br />

lückenlose Beweiskette. Ausgangspunkt ist ein banaler »Traumfetzen«, »(Natürlich<br />

veranlaßt durch die Ankündigung)« des Kleidertauschs.(16) Ob in der Selbstsicherheit<br />

der Erklärung ein erstes Indiz für die Kenntnis der Freudschen<br />

Traumentstehungstheorie zu sehen ist, sei dahingestellt, schlüssig beweisen läßt sich<br />

eine Rezeption an dieser Stelle nicht. An das Traumgesicht des kleinen spitzäugigen<br />

Mannes, der Pytheas ein Paar Holzschuhe hinhält, schließt sich die Assertion an:<br />

»aber oft ist grade an solchen Sachen das meiste Wahres«, denn, so bestätigt die<br />

Erinnerung an ähnliche Situationen, »[...] früher ist es mir zuweilen geschehen, daß<br />

sich eben solche Lappalien genau erfüllten.« So auch in diesem Fall, wie das<br />

>tatsächliche< Erscheinen des kleinen Mannes beim Bekleidungsempfang >beweist


wie die Daqués rekurriert würde, es bleibt offen, was man sich unter diesen Regeln im<br />

einzelnen vorzustellen hat bzw. wie der Zusammenhang zwischen diesem<br />

Determinismusmodell und der kurz zuvor entwickelten drakonischen Kosmologie zu<br />

denken ist.<br />

Sicher ist nur, daß die programmatische Schlußfolgerung sowohl in sich unschlüssig<br />

als auch wirkungslos bezüglich der Sehweise des Ich-Erzählers bleibt. Unschlüssig,<br />

weil die Kombination der Teilchen als Entwicklung bezeichnet und damit implizit<br />

gedeutet wird, was dem proklamierten Realismus des Feststellens und Beschreibens<br />

diametral entgegensteht; wirkungslos für die Perspektive des Pytheas, weil seine<br />

Weltsicht eben keineswegs nur deskriptiv, sondern wertend ist. <strong>Die</strong> Unverbindlichkeit<br />

dieser positivistischen Selbstbescheidung belegt eindringlich das unmittelbar folgende<br />

>Tryptichon des Pandiabolismus


Exkurs: Der Leviathan<br />

natura daemonia est,<br />

non divina.<br />

Aristoteles<br />

Über die logische Stringenz des kosmologischen Leviathan-Beweises in der<br />

gleichnamigen Erzählung Arno Schmidts ist genug spekuliert worden; die immanenten<br />

Widersprüche dieser negativen Theodizee hat zuletzt Thomé ausführlich analysiert.<br />

Eine »inkonsistente Metaphysik«, in der »unvereinbare Traditionselemente konfundiert<br />

werden: der physikotheologische Schluß von der Natur auf den Schöpfer und der<br />

Pessimismus der Willensmetaphysik«, so sein (kaum überraschendes) Fazit. Was war<br />

anderes zu erwarten? Wer, außer den professionellen Geistersehern, zu denen Arno<br />

Schmidt sicherlich nicht zu rechnen ist, hält es nach Kant noch für möglich, die<br />

Existenz eines transmundanen Schöpferwesens beweisen zu können. Nichts gegen<br />

eine Interpretation der >argumentativen Bemühungen< der Protagonisten, aber<br />

darüber wurde bislang versäumt, die Frage nach der literarischen Herkunft und<br />

poetologischen Funktion dieser Dämonologie zu stellen.<br />

Jörg Drews hat, gleichsam im Vorbeigehen, darauf hingewiesen, daß Schmidt die<br />

Existenz des Leviathan »[...] weniger strikt philosophisch-astrophysikalisch beweist als<br />

vielmehr als adäquate poetische Großchiffre einführt.«<br />

Nur, der Leviathan ist keine »Großchiffre«, sondern, und darauf haben schon die<br />

ersten Rezensenten hingewiesen, ein aus der Bibel wohlbekannter Urdrache, der in<br />

der gleichnamigen Schrift des Thomas Hobbes zum politischen Symbol avancierte:<br />

This done, the Multitude so united in one Person, is called a COMMON-WEALTH, in<br />

latine CIVITAS. This is the Generation of that great LEVIATHAN, or rather (to speak<br />

more reverently) of that Mortall God, to which wee owe under the Immortall God, our<br />

peace and defence.<br />

Arno Schmidt hat den gleichen empiristischen Ansatz wie der englische Aufklärer: die<br />

Direktive des »Nosce teipsum, Read thy self« wird von Hobbes in seiner Einleitung als<br />

erkenntnistheoretische Basis seines Philosophierens genannt, und Schmidt teilt - wie<br />

Thomé zurecht betont - dessen pessimistische Anthropologie, wie sie in der<br />

Beschreibung des Naturzustandes als bellum omnium in omnes zum Ausdruck kommt,<br />

aber diese Einsicht führt ihn keineswegs zu einer Apologie der disziplinierenden<br />

Staatsmacht. Im Gegenteil, die idealistische Verklärung des magnum corpus<br />

Leviathan, des aus allen Einzelwesen zusammengesetzten Gesamtmenschen >Staat<<br />

zum deus mortalis, der alle einander entgegenstrebenden Einzelinteressen befriedet,<br />

wurde spätestens durch den Nationalsozialismus widerlegt. <strong>Die</strong> Geschichte brachte<br />

den biblischen Leviathan wieder in Erinnerung:<br />

Der heilige Augustinus sah in Behemoth [= der terrestrische Zwilling des Seedrachens<br />

Leviathan] den Satan. Da wir glauben, daß der Nationalsozialismus ein Unstaat ist<br />

oder sich dazu entwickelt, ein Chaos, eine Herrschaft der Gesetzlosigkeit und<br />

Anarchie, welche die Rechte wie die Würde des Menschen »verschlungen hat« und<br />

dabei ist, die Welt durch die Obergewalt über riesige Landmassen in ein Chaos zu<br />

verwandeln, scheint uns dies der richtige Name für das nationalsozialistische System:<br />

DER BEHEMOTH.<br />

<strong>Die</strong> verstreuten alttestamentarischen Aussagen über den Leviathan sind Anspielungen<br />

auf einen Drachenmythos, der - so zumindest die Einschätzung des Schmidt


wohlvertrauten Religionsgeschichtlers Hermann Gunkel - auf die babylonische<br />

Schöpfungsgeschichte zurückgeht. Sein Inhalt sei kurz skizziert: Am Anfang war das<br />

Wasser, der Urozean, das Chaos - personifiziert durch ein furchtbares drachenartiges<br />

Wesen und seine Helfer. <strong>Die</strong>sen Mächten der Tiefe standen die Götter der Oberwelt<br />

bzw. (im AT) Gott gegenüber. <strong>Die</strong> Chaosungetüme empörten sich gegen deren<br />

Weltregiment und beanspruchten selbst die Herrschaft. Der Tapferste der Götter bzw.<br />

Gott bezwang das Ungeheuer, ließ es aber weiterleben. Vor dem Weltende wird es ein<br />

letztes Mal auftreten, um dann, abermals besiegt, für immer in einem Sumpf von Feuer<br />

und Schwefel zu verschwinden:<br />

Und es entstand Krieg im Himmel, sodass Michael und seine Engel Krieg führten mit<br />

dem Drachen. Und der Drache führte Krieg und seine Engel [...]. Und geworfen wurde<br />

der grosse Drache, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den<br />

ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde, und seine Engel wurden mit<br />

ihm geworfen. (Off. 12, 7)<br />

<strong>Die</strong> Arno Schmidt vermutlich vertrauteste literarische Gestaltung dieser<br />

drakonologischen Teufelslegende findet sich in Karl Mays allegorischem<br />

Erweckungsschauspiel Babel und Bibel, das den Leviathan in der Schatzkammer des<br />

Turms zu Babel hausen läßt, wo er den »Geist der Liebe gefangenhält«:<br />

In diesem Saal steht der Drache, das Wappentier der An'allah [= die<br />

Gewaltmenschen], Kital (arabisch), der Kampf! [im Original gesperrt gedruckt] Von<br />

Kain, dem ersten Gewaltmenschen, an bis auf den heutigen Tag hat dieser Drache in<br />

Blut gestanden und - nicht nur allein in Blut - es gibt noch ganz andre Kämpfe als nur<br />

mit Stahl und Blei. Kämpfe, die durch Jahrhunderte reichen. Schlachten, die nicht mit<br />

Kanonen brüllen und nicht an einem Tag geschlagen sind, sondern die sich leise durch<br />

die Völker schleichen und Millionen niedermetzeln, ohne daß man weiß, woher,<br />

warum, wofür! Und auch das ist »Kital, des Kampfes Drache!«<br />

Gerade in der trivialisierten Bühnenfassung Mays wird die antagonistische Struktur des<br />

Leviathan-Mythos deutlich: die Welt ist zweigeteilt in Gut und Böse; am Anfang war<br />

Kampf, am Ende wird Kampf sein; der Sieg Gottes ist bislang kein endgültiger. Man<br />

verkehre die Situation: nicht Gott, sondern der Teufel hat gesiegt, das Gute ist<br />

unterlegen, das Böse triumphiert - es ergibt sich exakt jenes >Weltbild


freuen, speisen ihn mit katechetischen Gemeinplätzen ab, mit der pfäffischen<br />

Aufforderung, doch die Wunderwerke Gottes zu betrachten (37, 14) - blanker Hohn<br />

angesichts der Leiden Hiobs. »Wie ist doch euer Trost so nichtig! und eure Antworten -<br />

es bleibt nur die Falschheit.« (21, 34) Jahwe, offenbar selbst erzürnt über die<br />

Untüchtigkeit seiner Fürsprecher, läßt sich herab - nicht um Hiob Rede und Antwort zu<br />

stehen, sondern um zu prahlen: Wo war denn Hiob, als er die Erde gründete (38, 4),<br />

sie einrichtete, zur besten aller Welten machte; wie will er, der Sterbliche, es wagen,<br />

ihn zu richten, den Allmächtigen, der jeden Hohen demütigt und die Gottlosen zertritt.<br />

(40, 7) <strong>Die</strong> Lobpreisung all seiner Großtaten, mit denen es Hiob einzuschüchtern gilt,<br />

endet mit der selbstgefälligen Schilderung des glorreichen Sieges über die<br />

Chaosungeheuer Behemoth und Leviathan. Angesichts dieser rhetorischen<br />

Machtdemonstration widerruft Hiob auf der Stelle und bereut in Staub und Asche; aber<br />

seine Fragen blieben unbeantwortet. Und sie kehrten wieder:<br />

Ich dich ehren? Wofür?Hast du die Schmerzen gelindertJe des Beladenen?Hast du die<br />

Tränen gestilletJe des Geängsteten?«<br />

<strong>Die</strong> Hiobsklage wird zur Rechtfertigung des prometheischen Trotzes, wie ihn Pytheas<br />

so demonstrativ zur Schau stellt.<br />

Seine endgültige literarische Gestalt gewinnt der Leviathan/Hiob-Stoff in dem letzten<br />

großen Heldenepos der Weltliteratur, in Melvilles Moby Dick.<br />

»Und Ahab, der Sohn Omris, tat, was dem Herrn missfiel, und trieb es ärger als alle,<br />

die vor ihm gewesen waren.« (1. Kön, 16, 30) - er rebellierte. Kapitän Ahab tut es ihm<br />

nach, er jagt den Leviathan, den »Hiobswal« rund um die Erde:<br />

Vor seinen Augen schwamm der Weiße Wal einher als die monomanische<br />

Verkörperung aller dieser tückischen Mächte, die ein Mensch von tiefer Gemütsart in<br />

sich zehren fühlt, bis er schließlich mit halbem Herzen und halber Lunge weiterleben<br />

muß. <strong>Die</strong>se unfaßbare Tücke, die von Anbeginn vorhanden war, deren Herrschaft<br />

selbst moderne Christen die eine Hälfte der Welt zuteilen und die von alten Ophiten<br />

des Ostens in ihren Teufelsstatuen verehrt wurde. [...] All das, was wahnsinnig macht<br />

und quält, alles, was die Hefe der Dinge aufrührt, alle Wirklichkeit und ihre<br />

Niedertracht, alles, was an den Nerven zehrt und das Hirn verbrennt, all das geheime<br />

Teuflische des Lebens und Trachtens, alles Übel war für den wahnsinnigen Ahab<br />

sichtbar personifiziert und praktisch angreifbar geworden in Moby Dick. Auf des Wales<br />

weißen Höcker lud er die ganze Wut und den Haß, der von seinesgleichen seit Adams<br />

Zeiten bis heute empfunden worden war [...].<br />

<strong>Die</strong> Welt ist Drachenwerk; der mit dem Titel Leviathan gesetzte Mythos wird in den<br />

Erzählungen nicht zurückgenommen, sondern reproduziert. <strong>Die</strong> antagonistische<br />

Verfaßtheit der Welt, die Klage Hiobs gegen die blinde Grausamkeit des Schöpfers, in<br />

der bereits die Kraft der Auflehnung wirkt, die Prometheus verkörpern wird, diese Trias<br />

bildet das inhaltliche und strukturelle Fundament der drei Erzählungen Gadir oder<br />

Erkenne Dich Selbst, Leviathan oder <strong>Die</strong> Beste Der Welten, Enthymesis oder W. I. E.<br />

H. (= Wie ich euch hasse) - die Titel bereits verweisen auf den Entscheidungszwang<br />

des Entweder - Oder. Der Sieg des Leviathan läßt nur die Alternative Unterwerfung<br />

oder Flucht. Alles Tun der Helden ist solchermaßen durch den Mythos vorherbestimmt,<br />

ihr Handeln erstarrt im Angesicht des Unabänderlichen zu einer Reihung vorgestanzter<br />

»Pathosgesten«. <strong>Die</strong>se literarische Wiederaufbereitung der archaischen Leviathan-<br />

Sage mitsamt den entsprechenden Reaktionsschemata kann kein Beitrag zu der von<br />

Schmidt geforderten >realistischen< Abbildung der Welt sein, dergleichen romantische<br />

Heroisierung ist der alltäglichen Mediokrität des Seins völlig unangemessen. Aber nur<br />

durch diese primitive Zweiteilung in Gut und Böse ordnet sich die Welt in so


überschaubare belletristische Strukturen, erst durch solche sentimentalen<br />

Simplifizierungen wird die moralische Rigidität seiner Helden, werden sie selbst als<br />

Helden erst ermöglicht, und - der behauptete Sieg des Bösen legitimiert das Recht auf<br />

Flucht.<br />

Wer glaubt, bei dem späten Arno Schmidt einen unreflektierten Rückfall in die<br />

mythologische Denkungsart diagnostizieren zu können, hat den Titel seines Erstlings<br />

überlesen: Am Anfang war der Leviathan.<br />

4. <strong>Die</strong> Fluchthilfen der Phantasie<br />

Ich wandre mit der Wolke. - - (18)<br />

Neben den >argumentativenAbschreiben, Alter!


<strong>Die</strong>ser erste Kurztraum ist, ähnlich wie die dazugehörige Rückerinnerung, ein<br />

retardierendes, beruhigendes Moment im Reflexionsgang. Gleich nachdem Pytheas in<br />

höchster Erregung geschworen hat, ihm werde keine Gelegenheit zur Flucht entgehen,<br />

nickt er ein und träumt sich in die Zeit bei Gryphius zurück. <strong>Die</strong>ses Träumen am<br />

hellichten Tag »ist eigentlich sonst auch nicht bei mir üblich« - das mag als Hinweis<br />

auf den gesundheitlichen Zustand des Pytheas zu lesen sein, ihm ist kalt, er fröstelt,<br />

das Fieber macht sich allmählich breit, aber man kann es auch als wörtliche Einlösung<br />

des oben zitierten emphatischen Schwurs verstehen, sich keine Gelegenheit zur<br />

Flucht entgehen zu lassen, auch den >Traum< nicht.<br />

Natürlich »bei Gryphius im Kontor« - wie auch bei dem »Wahrtraum« des<br />

»spitzäugigen Mannes« wird eigens betont, daß der Traum anknüpft an die besonders<br />

impressiven Ereignisse des Vortags, den »Tagesrest«, in diesem Fall an das<br />

Erinnerungsbild des Sklavendienstes unter Direktor Oikandros. Während aber in der<br />

bewußten Rückschau dessen Person im Mittelpunkt stand, so ist es hier - ganz im<br />

Sinne des von Freud betonten egoistischen Charakters aller Träume - Pytheas selbst<br />

in einer alltäglichen Arbeitssituation: »[...] ich strich den Auftrag mechanisch von<br />

meiner Karte ab (war Lagerbuchhalter damals).« (14)<br />

Der Trauminhalt, wie er bis dahin beschrieben wird, ist banal; welche Bedeutung er für<br />

Pytheas hat, erhellt erst die sich anschließende atmosphärische Wiederbesinnung:<br />

»Am schönsten war die scharfe kühle Sommermorgenluft im Traum, alle Gegenstände<br />

klar mit weinigen reinen Schatten - so etwas sieht man nur als Jüngling.«<br />

In der Rückerinnerung war es die sentimentale Formel »wie einst im Thargelion« (=<br />

Mai), jetzt, im Traum, ist es das assoziationsreiche Kompositum »Sommermorgenluft«,<br />

das, gelesen als Lebensaltermetapher, Bilder der Jugendlichkeit evoziert. Für den<br />

greisen Pytheas - die Erzählung spielt im Spätherbst - ist der Traum eine<br />

Wiederverjüngung. Er erlebt und empfindet wie einst als Jüngling, er flieht aus der<br />

Gegenwart - in die Vergangenheit.<br />

Der Trauminhalt ist (im poetischen Sinne) zweifach determiniert: zum einen informiert<br />

er über den Berufsalltag des Pytheas, d. h. er ist einer der Bausteine, aus denen sich<br />

der Leser ein biographisches Gesamt-Bild zusammensetzen kann; zum anderen hat er<br />

genau die Funktion, die Freud als Wesensmerkmal jedes Traums bestimmt hat, er<br />

dient der Wunscherfüllung, insofern ist er ein Beitrag zum psychologischen Porträt des<br />

Pytheas.<br />

Am darauffolgenden Tag, dem 120., kommt es zu einem erneuten träumerischen<br />

Fluchtversuch - in lyrischer Gewandung:<br />

Goldmond brennt auf am Festungsturm; in Märchenfernen reist ein Sturm, zaust und<br />

zaubert. [...] Ich steige leicht wie Wind empor, zum Wolkenwald durch Wolkentor; weiß<br />

nicht, wie meine Spur verlor. Ich wandre mit der Wolke. - - Ja; denkst 'e! (18)<br />

Heinz Jerofsky, der Jugendfreund Arno Schmidts, erinnert sich:<br />

In das letzte Jahr am Südausgang [des Görlitzer Bahnhofes, täglicher Treffpunkt von<br />

A. S. und H. J.] fallen Arnos erste Gedichte. [...] Am Südausgang bekam ich auch ein<br />

Gedicht mit der Überschrift »Gadir« vorgelegt. Im Nachhinein kommt es mir vor, als<br />

hätte er damals schon gewußt, daß er einmal eine Erzählung so nennen würde, um<br />

dieses Gedicht darin zu verwenden. (»Wu Hi?«, 45, 223 f.)<br />

Das gleiche Gedicht, allerdings ohne Titel, findet sich auch in den 1940 als<br />

Weihnachtsgeschenk für seine Frau geschriebenen Dichtergesprächen im Elysium. Im<br />

achten Gespräch, das in einer festlichen Halle auf der Burg Wolkenstein, dem<br />

Wohnsitz Fouqués stattfindet, läßt es der Gastgeber - zur Freude der Anwesenden -<br />

als kühlen, klaren Gesang ertönen. Selbst Goethe hat hier, in Schmidts<br />

Dichterparadies, nur lobende Worte für den einstmals Verkannten; vor allem die<br />

herrliche Bildkraft hat es ihm, ebenso wie Homer und Wieland, angetan. Letzterer


emerkt: »Ich denke mir, daß ein guter Leser so etwas sehen dürfte, wenn er den<br />

Zauberring in der Hand hat.« (DiE, 96 f.) Im Zauberring ist sie allerdings nicht zu<br />

finden, die geheimnisvolle Wolkenburg »Misitra«, wie Goethe sie nennt. Trotzdem ist<br />

eine Urheberschaft Fouqués nicht ausgeschlossen, schließlich könnte »Misitra« in<br />

einem seiner zahllosen anderen Werke beschrieben sein; aber, so >gewagte<<br />

Komposita wie »Märchenfernen«, »weinbelaubt«, »Wacholdermeer« bei Fouqué?<br />

Zudem, es mangelt am rechten Pathos, von dem Preußen-Dichter ist man Markigeres<br />

gewohnt. Wahrscheinlicher also ist die Vermutung, Arno Schmidt habe dieses Gedicht<br />

als eine Art Stilübung in Fouqués Manier verfaßt.<br />

Wie ist die Wahl des Titels zu erklären? Existiert ein Werk Fouqués, dessen<br />

Handlungsort Cadiz ist, oder war allein die Bedeutung des Namens ausschlaggebend:<br />

Gadir = Burg, Festung?<br />

Spätestens bei der Niederschrift der Erzählung wird Schmidt allerdings auch den<br />

älteren Übersetzungsversuch Mannerts mitbedacht haben: »Der Name bedeutet einen<br />

Zaun, weil sich dieses Volk [= die Phönizier] hier die westliche Gränze der Erde<br />

dachte.« In dem Funkessay Goethe und einer seiner Bewunderer wird der kurzzeitig<br />

Wiederbelebte über das eigentlich Neue der Moderne belehrt:<br />

»Was aber würden Sie sagen? Sie, der Sie weder Güterzüge, Kabeltrommeln, noch<br />

Panzer kannten?« / Er war zu faul zum Nachdenken über Irdenes; verstand aber sehr<br />

wohl, was ich meinte: hier war der Zaun zwischen uns; Gadir. (DYA, 140)<br />

Was bei der Niederschrift des Gedichts nur ein poetisches Synonym für die<br />

romantische >Burg< gewesen sein mag, durch die Erfahrung des Krieges und der<br />

Internierung wurde es zum Symbol der Gefangenschaft, der Zeit- und Erlebnisgrenze<br />

>3. ReichMit der Wolke wandern< ist eine Metapher für die poetische, die<br />

träumerische Selbstbefreiung, die vorerst mißlingt: »Ja; denkst'e« - aber diese<br />

scheinbar so desillusionierende Schlußbemerkung ist auch anders zu lesen: Ja; denke<br />

die Flucht.<br />

Am 121. Tag entwendet Pytheas beim Bekleidungsempfang einen kleinen stählernen<br />

Halbmond, »[...] wie ihn die Soldaten auf ihren Ledersandalen tragen, abgeschliffen,


aber hell und hart glänzend.« (19 f.) In fiebriger Hast entwirft er daraufhin seinen<br />

Fluchtplan:<br />

Ich werde beide Stäbe erst einmal unten durchkratzen und sie dann hochzubiegen<br />

versuchen. Erst wenn das nicht geht, auch oben. - Ordentlich Fieber und mein Herz<br />

trommelt: zuerst muß ich zur Insel schwimmen [...]. Da sind zwei Gehöfte, also<br />

müssen auch Kähne da sein; einen genommen und rüber zum festen Lande, - und so<br />

weiter, und so weiter.-<br />

<strong>Die</strong> hektische Anspannung hält bis zum Abend an: »Kann nicht schlafen, kann nicht<br />

schlafen.« <strong>Die</strong> Fluchtgedanken übersetzen sich in eine Bilderflucht: »Bilder fliehen<br />

augenentlang, alle von links nach rechts und hurtig bewegt«; wie im Film ziehen die<br />

einzelnen »snapshots« vorbei:<br />

Kornwogen, massiv und grell golden; rollende Wagenzüge; Alalagmos aus klaffenden<br />

Soldatenmündern; hasten Wasserschäume; endlosgrün gleitet Brettanikes Küste am<br />

Backbord; schrien wir Jünglinge nicht »Tod den Timuchi« unterm stämmigen Mond? -<br />

(20)<br />

Eine Reihe impressiver Einzelerinnerungen, melancholisch gestimmt auf die dunklen<br />

Laute a, o und u; dynamisiert durch die Bewegungsverben: wogen, rollen, hasten,<br />

gleiten.<br />

<strong>Die</strong> Bildinhalte lassen sich den bekannten Motivreihen zuordnen: Kornwogen =<br />

Sommer, Jugendlichkeit; rollende Wagenzüge = Flucht; Alalagmos (Schlachtgeschrei)<br />

= Krieg; die endlose britannische Küste = Ziel der Nordlandfahrt des Pytheas, Sinnbild<br />

des Strebens nach Unendlichkeit. <strong>Die</strong>se Reihung von Erinnerungspartikeln klingt in der<br />

rhetorischen Frage aus: »schrien wir ... « Erneut eine Rückerinnerung an die<br />

Jugendzeit, Rebellen waren sie, stämmige Jünglinge, die den Regierenden den Tod<br />

androhten. Ganz ähnlich wird dann auch der befreite und wiederverjüngte Pytheas<br />

zum Aufstand der Guten wider Gott und Natur aufrufen. (37)<br />

<strong>Die</strong> ausformulierte rhetorische Frage beruhigt die heftige Fluchtbewegung der<br />

Bilderreihe und leitet zu dem heller getönten Stimmungswechsel über:<br />

So fühlte ich die Haut meiner Hände, wenn ich betrunken war, stumpf und angenehm<br />

lau, und immer noch kein Stern im grauen Geweite. - Schön: ziehn wir noch ein<br />

Weilchen mit den Flatterwolkenstreifen. (20 f.)<br />

Pytheas wandert mit den Wolken. Was zuvor durch das desillusionierende »denkst 'e«<br />

aufgehoben schien, hier kehrt es wieder, unwidersprochen. Und direkt im Anschluß<br />

daran: »und Eisen zwischen unermüdlichen Fingern: es geht! Langsam, gewiß; aber<br />

es geht [...].«<br />

Unterbrochen wird die Feilarbeit an den Gitterstäben durch eine erneute<br />

Rückerinnerung an die Jünglingszeit: »Als junger Mensch hing mir der Mond wie eine<br />

Frucht mit schaumiger Seidenschale und schartigem Silberkern in den Weinranken.«<br />

Eine verklärende Metaphernfolge im Stil Jean Pauls. <strong>Die</strong> Kontrastierung erfolgt direkt<br />

im Anschluß: »Jetzt liegt eine glasige Lichtlache inmitten der Zelle [...].« Eine doppelte<br />

Optik: dem titanischen Jüngling ist der Mond eine zu pflückende Frucht, dem<br />

gefangenen Greis eine glasige Lichtlache. Aber sofort beginnt die Phantasie den<br />

desillusionierenden Eindruck als Möglichkeit der Befreiung zu sehen: »die müßte rund<br />

sein, dann flösse ich wie auf einer Eisscholle in schwarzer Unendlichkeit, blitzschnell<br />

umgetrieben, der letzte Mensch (oder der erste: was wäre unangenehmer?)«<br />

Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin<br />

lebendig in alle Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Totenreiches.<br />

(Off. 1, 17 f.)<br />

Alle zentralen Motive des »Hetztraumes«, der Sinngehalt der gesamten Erzählung<br />

wird hier, im Zitat, vorweggenommen: die Überwindung des Todes - durch die Kunst.<br />

<strong>Die</strong> nachfolgende Regieanweisung bestätigt diese Lesart nachdrücklich: »Phosphoros


erscheint auf der Spitze des Berges Mathos«. Phosphoros, der Lichtträger und<br />

Lichtbringer, ist die antike Bezeichnung für den Planeten Venus in seiner Phase als<br />

Morgenstern. Damit eröffnet sich eine kaum überschaubare Vielfalt von Bezügen: zu<br />

dem später zitierten Phaeton-Mythos beispielsweise, zu dem oben bereits<br />

angespielten Titan Jean Pauls, auch die Gestalt des Hyperion, auf dessen<br />

Wahlverwandtschaft mit Pytheas schon hinzuweisen war, gehört in diesen Helios-<br />

Sagenkreis.<br />

Welcher symbolische Gehalt im unmittelbaren Kontext dieser Textstelle zu<br />

aktualisieren ist, zeigt das folgende Ideogramm:<br />

EinStabistdurch -<br />

Das Gestirn der Venus ist Sinnbild der Dichotomie von Werden und Vergehen, Geburt<br />

und Tod; ihr morgendlicher Stellvertreter Phosphoros verkörpert dabei den<br />

heilbringenden Aspekt, er ist Künder einer neuen Zeit, als solcher wird er zum Fanal<br />

der nahenden Befreiung des Pytheas.<br />

Der letzte der kleineren Träume führt wieder in die Vergangenheit zurück: Pytheas sitzt<br />

mit seinen zänkenden Eltern in der »finsteren Küche«. (28) Der verschwollenen<br />

Befehle und »fetten Soldatenflüche[]«, die der Vater ihm, dem Manne, zubrodelt,<br />

endlich überdrüssig geworden, haut er »ihm eine ins rotunde Radaugesicht, daß er<br />

sofort schwieg, völlig verblüfft; war fertig, saß da, mit abgesägten Hosen, he?!-« Eben<br />

in dieser Tat des manngewordenen Pytheas liegt der markante Unterschied zu den<br />

vorangegangenen Kurz-Träumen. Mit dem rhetorischen Aufruf zum Widerstand gegen<br />

die Autoritäten wird ernst gemacht; der Faustschlag gegen den Vater ist der Auftakt<br />

der proklamierten Rebellion der »Guten« wider die Mächtigen. Damit ist die in den<br />

Träumen und Erinnerungen vergegenwärtigte Jugendgeschichte zu ihrem<br />

(idealisierenden) Abschluß gelangt. <strong>Die</strong> Gefangenschaft der Kindheit endet mit dem<br />

Akt der Auflehnung des Erwachsenen: »Ich erwachte und empfand wieder, wie nach<br />

früheren ähnlichen Vorgängen, ein herrliches Gefühl von Stolz und Erleichterung,<br />

lachte befreit, den Kopf im Nacken [...].«<br />

<strong>Die</strong> imaginierte Selbstbefreiung, sei sie nun reine Wunschphantasie oder<br />

träumerischer Nachvollzug eines >tatsächlichen< Geschehens, lenkt den Sinn des<br />

Pytheas wieder auf die Flucht: »Es zuckt mir in den Händen, wenn ich die Stäbe<br />

angucke: ob sie sich biegen lassen? Wenn ja; dann verschwind ich noch heute<br />

Nacht.« (28)<br />

5. Der »Hetztraum«<br />

a) sensus impudicus<br />

Es hat der Autor, wenn er schreibt,<br />

So was Gewisses, das ihn treibt.<br />

J. W. v. Goethe<br />

Um Mißverständnisse zu vermeiden, ist vorab klarzustellen: das Motto ist nicht<br />

programmatisch, im folgenden soll keine psychoanalytische Deutung des


»Hetztraumes« versucht werden; Gegenstand der Interpretation ist nicht das<br />

»Unbewußte« des Autors via Text, sondern der Text selbst.<br />

Bestimmte Hinweise lassen darauf schließen, daß Konstruktion und Inhalt des<br />

»Hetztraumes« bewußt nach Maßgabe der Freudschen Traumtheorie ausgearbeitet<br />

wurden. <strong>Die</strong> These lautet folglich: Arno Schmidt kannte zum Zeitpunkt der Konzeption<br />

dieser Erzählung zumindest die Traumdeutung, und er hat seine Kenntnisse (für<br />

diesen speziellen Fall) auch poetologisch genutzt. Als textexterner Beweis für die frühe<br />

Freud-Rezeption sei an den in der Einleitung erwähnten Briefausschnitt erinnert, in<br />

dem Schmidt betont, daß er die »wichtigsten Bücher« des großen Mannes schon in<br />

seiner ersten Bibliothek besaß - daß er sie auch gelesen hat, bleibt vorläufig eine<br />

petitio principii.<br />

Der Text bietet bis zum Beginn des »Hetztraumes« kaum Anlaß, über sexuelle<br />

Untergründigkeiten zu spekulieren; einzig die erotisch angehauchte Schlagerzeile<br />

gleich zu Anfang, die schwengelnden Feuerdrachen (15) und das etwas gezwungene<br />

Wortspiel am 122. Tag (23) sind ex post als erste spärliche Hinweise deutbar. Insofern<br />

wäre der Verdacht, hier würde, um einer Bestätigung der in Sitara angelesenen<br />

Vorurteile willen, forciert eine Spurensuche in abseitige Gefilde betrieben, zutreffend -<br />

wenn nicht der »Hetztraum« selbst den Leser auf diese Fährte zwingen würde, und<br />

zwar nicht mittels einer kryptischen, nur dem Überscharfsinn des »Etym«-Spezialisten<br />

zugänglichen Geheimlosung, sondern äußerst handfest:<br />

Erst als ich damit an Dreifüße klirrte, merkte ich, daß mir ein stählerner<br />

Stechschlüssel, der Hieroglyphe ench gleich, in der Rechten hing; [...]. (25)<br />

<strong>Die</strong> Schlüssel-Metaphorik wird in der Traumdeutung in einem doppelten Sinn genutzt,<br />

zum einen spricht Freud von dem »Schlüssel der Symbolisierung« bzw. dem<br />

»Schlüssel zur Lösung des Traumes«, zum anderen erinnert er an die sexuelle<br />

Bedeutung: »[...] die Symbolik von Schloß und Schlüssel hat Uhland im Lied vom<br />

>Grafen Eberstein< zur anmutigsten Zote gedient.« Für den Schlüssel in Gestalt der<br />

Hieroglyphe ench gilt beides, er eröffnet den Zugang zu diesem »Hetztraum« - gerade<br />

vermittels seines mehrfachen Symbolwertes.<br />

Offenkundig ist die sexuelle Deutbarkeit; die Zusammensetzung »Stechschlüssel« ist<br />

dafür eine erste nachdrückliche Bestätigung, was aber diese allegorische Lesart<br />

endgültig legitimiert und als intentional ausweist, ist die Bedeutung der Hieroglyphe<br />

ench: »Leben und Leben machen«, dargestellt durch ein Phallus-Ideogramm.<br />

MEPH. Hier diesen Schlüssel nimm.FAUST. Das kleine<br />

Ding!MEPH. Erst faß ihn an und schätz ihn nicht gering.FAUST. Er wächst in meiner<br />

Hand! [...]MEPH. Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt?<br />

Der Dichter des Tagebuchs hätte sicherlich Verständnis für diese ithyphallische Lesart<br />

gezeigt, schließlich dient sie weniger dazu, eine neue Deutung der Faustschen<br />

Mysterien-Initiation in der Finsteren Galerie zu suggerieren, sondern als erster Beleg<br />

dafür, daß der Gang zu den Müttern eine der im »Hetztraum« zitierten Vorlagen ist.<br />

Mustert man, aufmerksam geworden durch diesen Schlüssel-Hinweis, daraufhin den<br />

Text nach symbolfähigen Begriffen, so finden sich (natürlich) etliche; angeführt seien,<br />

um entsprechenden Einwänden zuvorzukommen, nur die beweiskräftigsten:<br />

Gehetzt wird Pytheas von der »Punierbrut«, »blutgeil«, durch »hohe hallende Säle«.<br />

»Rötliche Marmorwände, mattgelb geädert, wiesen keine Fuge[]; oft standen<br />

mannshohe Vasen, rankenüberlaufen, in Sammlungen«. Seinen Verfolgern zu<br />

entkommen, stürzt er sich »geblähten Gewandes ums Säulenkap« und sticht den<br />

»vierkantigen Hohlstab drehend in die achte Rosette der Lotosleiste«, um dann in die<br />

sich »huldvoll spaltende Wand« zu gleiten. Was man sich unter dem vierkantigen<br />

Hohlstab vorzustellen hat, bedarf keiner Erläuterung. <strong>Die</strong> Zahl >8


ist ein veritables Anagramm, über die dazugehörige Bedeutung der »Rosette«<br />

informiert Bornemans Sex im Volksmund. Der Lotos wäre für den Schmidt der Sitara-<br />

Studie schon ob seiner Buchstabenfolge >oto< verdächtig, was nicht weiter<br />

interessierte, wenn diese so anamorphotisch gestaltete Pflanze nicht auch in der<br />

ägyptischen Mythologie als lebensverheißendes Schoß-Symbol figurierte:<br />

Der rosafarbene ägyptische Lotos, nekheb, mit dem süßen und erfrischenden<br />

Anisdufte schließt bei Sonnenuntergang seinen Kelch, zieht seinen Stengel ein und<br />

verschwindet im Wasser; des Morgens kommt er aber wieder ans Licht, öffnet seinen<br />

Kelch und läßt die Insekten, die sich in ihm für die Nacht versteckt haben, heraus.<br />

Auch der neugeborene Lichtgott Horus kommt jeden Morgen wie ein Insekt aus der<br />

sich öffnenden Lotosblüte heraus.<br />

Das Ineinanderschieben von »Haken und Riegelbarren«, das Stehen im<br />

»kluftschmalen Gang«, der Abstieg in den Schacht über eine steile Marmorstiege, das<br />

alles sind extrem symbolfähige, vornehmlich der Anal- und Genitalsphäre<br />

zuzuordnende Vorgänge und Tätigkeiten. Treppab wird geschlüpft und<br />

[...] nach dreiundachtzig Stufen erschloß ench wiederum die Mauer. Hart über'm<br />

Boden zwängte ich mich durchs enge Mannloch, schloß sorgsam die Öffnung mit<br />

Steinpfropf und Querstange, und erhob mich ins helle Goldlicht des türlosen<br />

quadratischen Gemaches.<br />

Auf die Bedeutung der Zahl >8< wurde schon hingewiesen, die der >3< ist bekannt,<br />

somit ist »83« als ein numerisch dargestellter Penetrationsakt a tergo zu lesen, der -<br />

wie zur Bestätigung - wörtlich wiederholt wird. Denn - wie ist das Nachfolgende sonst<br />

zu verstehen? Was ist ein enges »Mannloch« anderes als ein - Genitivkompositum,<br />

durch das Pytheas sich hart »über'm Boden« zwängt - eine Angabe, die mittels<br />

Anlautverschreibung wesentlich zweideutiger würde. Mit Pfropf und Stange wird die<br />

Öffnung verschlossen, und zu guter Letzt hebt er sich »ins helle Goldlicht« des<br />

ausgangslosen Gemachs; bedenkt man den Symbolgehalt des Goldes, so wird der<br />

Hintersinn dieser Stelle überdeutlich.<br />

Pytheas weicht nicht von der Spur; lange flieht er die Wendeltreppe hinab, wieder<br />

schließt er mit ench, »sechsmal drehend«. Auf dem Wasser des Kanals liegt ein<br />

ebenhölzernes Kajak, in das er ohne zu zögern schlüpft, »[...] gut und leicht lag das<br />

Paddel in meiner Hand.« Erregt gleitet er zwischen den Jaspiswänden dahin, erlotet<br />

»in kaum Mannstiefe mit dem Ruder die glatte Grundbahn«, bis er schließlich in<br />

Unnahbarkeit versinkt.<br />

Eine wort- und silbengenauere Analyse könnte noch deutlicher machen, was so<br />

zumindest im Ansatz erkennbar geworden ist: die Lesbarkeit des »Hetztraumes« als<br />

homosexuelle Wunschphantasie mit dem ödipalen Fernziel einer Wiedergeburt:<br />

Einer großen Anzahl von Träumen, die häufig angsterfüllt sind, oft das Passieren von<br />

engen Räumen oder den Aufenthalt im Wasser zum Inhalt haben, liegen Phantasien<br />

über das Intrauterinleben, das Verweilen im Mutterleibe und den Geburtsakt zugrunde.<br />

[...] Träume dieser Art sind Geburtsträume; zu ihrer Deutung gelangt man, wenn man<br />

die im manifesten Traume mitgeteilte Tatsache umkehrt, also anstatt: sich ins Wasser<br />

stürzen - aus dem Wasser herauskommen, d. h.: geboren werden. <strong>Die</strong> Lokalität, aus<br />

der man geboren wird, erkennt man, wenn man an den mutwilligen Sinn von »la lune«<br />

im Französischen denkt.


) sensus litteralis<br />

Im Innern ist ein Universum auch [...].<br />

J. W. v. Goethe<br />

An Zitaten, Anspielungen bzw. literarischen Vorlagen sind zu nennen:<br />

- Karl May:<br />

Im vierten Band des Silbernen Löwen führt ein »höchst bedeutsamer Traum« (DYA,<br />

182) den Helden in die »Ruine der Schatten« zurück, deren unterirdisches<br />

Kanalsystem er kurz zuvor erkundet hat.<br />

Nach einer Exkursion durch die seltsamen Gemächer dieses Baus, wagt er den<br />

»Sprung hinaus in das, was mir als >Tod< bezeichnet worden war«, ins kalte Wasser<br />

des Kanalbassins nämlich, worauf er in »gewöhnlichem Tone« feststellt: »Ich lebe,<br />

denn es gibt ja keinen Tod!« <strong>Die</strong> erwartungsvoll im Wasser sich tummelnden Gerippe<br />

erkennen an dieser erfreulichen Botschaft den verheißenen Erlöser, denn die Sage<br />

erzählt<br />

»[...] von diesem Einen, daß er den Schlüssel Hephata besitze, und bis zu diesem<br />

Augenblick ist Alles, was sie sagte, eingetroffen.« [...] Da rief ich aus: »Ich habe ihn,<br />

den Schlüssel, und keine Stärke kann ihm widerstehen!«<br />

»Ephatha, das heisst: tu dich auf!« (Mark. 7, 34) - mit diesem Wort heilte Jesus einen<br />

Taubstummen. Karl May, ganz messianischer Wundermann, öffnet damit die Tore der<br />

labyrinthischen Unterwelt, um anschließend mit den befreiten »Schatten« eine<br />

monumentalische Lob- und Preismesse zu seinen und Gottes Ehren abzuhalten.<br />

»Leben und Leben machen« ist die Bedeutung der Hieroglyphe ench; exakt den<br />

gleichen Symbolwert hat der Schlüssel Hephata. Arno Schmidt deutet diesen Gang in<br />

die Unterwelt, wie überhaupt die letzten beiden Bände des Silbernen Löwen, als eine<br />

»Auto= und Psychobiographie einziger Art«, als einen »>Sprung in die eigene<br />

Vergangenheit


Ein unentbehrliches Requisit der Fouquéschen Ritterromane, das sich auch im<br />

»Hetztraum« wiederfindet, ist das »Alte Buch« bzw. die »Alte Schriftrolle«, die dem<br />

Helden als Wegweiser und Seelenspiegel dienen.<br />

- Jean Paul<br />

<strong>Die</strong>ter Kuhns Hinweise auf die Vergleichbarkeit der Kanufahrt des Pytheas mit der<br />

Traumreise des Albano, »in einem weißen Kahn auf einem finstern Strom, der<br />

zwischen glatten, hohen Marmorwänden schoß«, sind insofern zu ergänzen, als<br />

Albano wie Pytheas sich vor Beginn des Traums in der »gewaltigen Hand des<br />

Fiebers« befinden und beiden der »Geist des Traums« die funkelnde »Höhle der<br />

unterirdischen Schätze«, das »Geister-Eldorado« eröffnet. Albanos Todesahnung<br />

schließlich, »Da dacht' ich an meinen Tod«, verklärt sich in einer für Pytheas<br />

Erlösungsphantasie musterbildenden Weise zur Vision des ewigen Lebens, der hellen<br />

Unendlichkeit, dargestellt als »ein entzücktes, leichtes, weites Eden«, in das er mit<br />

seinem »Flügel-Schiff« übersetzt.<br />

- Goethe<br />

Faust wie Pytheas öffnet ein numinöser Wunderschlüssel den Zugang zur Unterwelt.<br />

Erst als der Flüchtende »damit an Dreifüße klirrte«, merkte er, was er eigentlich in der<br />

Hand hielt, den Schlüssel ench nämlich. Zum Vergleich:<br />

Mephistopheles.Ein glühnder Dreifuß tut dir endlich kund,Du seist im tiefsten,<br />

allertiefsten Grund.[...]Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,Und gehe grad' auf<br />

jenen Dreifuß los,Berühr ihn mit dem Schlüssel! (V. 6283 ff.)<br />

Fausts Weg führt ins »Unbetretene, Nicht zu Betretende«, in ungekannte »Öd' und<br />

Einsamkeit«, wo er »in ewig leerer Ferne« die eigenen Schritte nicht hören wird. (V.<br />

6223 f., 6227 f. und 6246) Pytheas versinkt in der Stille und Eintönigkeit der nicht<br />

endenwollenden »Schwarzwasserpolster«.<br />

»Der erste, der sich jener Tat erdreistet« (V. 6299), der sich in das Reich der Schatten<br />

wagt, um das Urbild der Schönheit zu entführen - doch so einzig wie Mephisto in<br />

Unkenntnis der Mythologie seiner »antikische[n] Kollegen« (V. 6949) - »Das<br />

Heidenvolk geht mich nichts an« (V. 6209) - die Tat Fausts erscheinen lassen will, ist<br />

sie nicht. Schon Orpheus unternahm Ähnliches; auch er, dessen Name - der Dunkle -<br />

bereits eine besondere Beziehung zur Unterwelt anzeigt, wagte den Gang in das<br />

Reich der Tiefe, wo die Schemen hausen, um seine mondgleiche Geliebte wieder ins<br />

Leben zu holen.<br />

Orpheus scheitert; ebenso Faust. Mit Gewalt läßt sich das Bild nicht in die Welt<br />

zwingen; erst der Traum, die Besinnung auf die schöpferische Macht der Kunst, läßt<br />

für Faust eine Wirklichkeit des Zusammenseins mit Helena entstehen, der zwar kein<br />

Realitätsgehalt im objektiven Sinn des Wortes zukommt, dafür aber der Wert, den<br />

Schein einer Tatsächlichkeit des Lebens ohne Tod erzeugt zu haben.<br />

Der zentrale Inhalt des Orpheus-Mythos wie auch des »Gangs zu den Müttern« ist die<br />

Reflexion auf die Macht der Kunst. Eine Macht, die ahnungsvoll von Faust beschworen<br />

wird, noch ehe er ihren Sinn wirklich versteht:


Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!Er führte mich, durch Graus und Wog' und<br />

WelleDer Einsamkeiten, her zum festen Strand.Hier fass' ich Fuß! Hier sind es<br />

Wirklichkeiten,Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,Das Doppelreich, das<br />

große, sich bereiten. (V. 6550 ff.)<br />

Alle zitierten Texte stehen in einem motivischen Zusammenhang, alle sind sie<br />

Variationen über den delphischen Spruch des »Erkenne Dich Selbst« - als Künstler.<br />

<strong>Die</strong>se Gemeinsamkeit des Themas spiegelt sich in der fast einhelligen Wahl des<br />

Traums als Darstellungsmittel, er ist - lange vor Freud - als »via regia« zum<br />

Unbewußten erkannt.<br />

<strong>Die</strong> Suche nach sich selbst führt in die Tiefe; die bildliche Konkretion ist der Gang in<br />

die Unterwelt. Der Sinn dieser Reise liegt in der Wiederkehr, in dem, was ans<br />

Tageslicht gebracht wird als Antwort auf die Ausgangsfrage nach der eigenen Identität.<br />

Unter diesem Blickpunkt steht die erneute Lektüre des »Hetztraumes«, die wiederum<br />

mit einer Deutung des Schlüssels »in Gestalt der Hieroglyphe ench« beginnt.<br />

Darin nur ein sexuelles Symbol sehen zu wollen, genügt nicht. Im literarischen Kontext<br />

des Traumes ist sein Sinngehalt ein anderer. Literarischer Kontext, das meint zunächst<br />

die auffällige Präsenz von Schriftzeichen in diesem Traum: »die runden Stirnen mit<br />

Geheimnissen beschrieben«, die Form des Stechschlüssels, die »bräunliche, brüchige<br />

Rolle«, die »rieselnden Altgoldbuchstaben«, die hohen Tafeln, »schriftzeichenüberlaufen«,<br />

und schließlich die Gedichtzeilen. <strong>Die</strong> Flucht des Pytheas wird nicht durch den<br />

Raum oder die Verfolger, sondern durch die Schriftrolle dirigiert: sie weist ihm den<br />

Weg, der Schlüssel ench öffnet die Türen. Eine vergleichbare Funktion haben auf der<br />

Handlungsebene die Sandalenschnalle in Gestalt des kleinen stählernen Halbmondes<br />

(19), mit der es Pytheas >gelingtRotten Borough< der Religionen«, der hinfällige<br />

Bau versinnbildliche den ruinösen Zustand der alten Lehrgebäude. (DYA, 176)<br />

Es scheint, daß auch dem pyramidenförmigen Bau im »Hetztraum« eine solche<br />

symbolische Bedeutung zukommt, natürlich nicht als bildliche Konkretion theologischer<br />

Systeme, sondern als architektonische Metapher der literarischen Tradition. Dafür<br />

spricht die erwähnte Allgegenwart der Schriftzeichen, die immer größer werdende Zahl<br />

von Nebengemächern, je tiefer Pytheas in das Gebäude eindringt, und nicht zuletzt


das, was an Seltsamem sich in den Räumen befindet: »Bilder, Rollen, Geräte,<br />

Gewirktes, Gedachtes, zu betrachten ein Leben lang.«<br />

<strong>Die</strong> Klimax endet mit dem substantivierten Partizip »Gedachtes« -<br />

Vergegenständlichung des Geistes, was leistet Literatur anderes? Und was ist die<br />

Aufgabe der Tradition, wenn nicht die Bewahrung all dessen, was jemals gedacht<br />

wurde? Und sah nicht Arno Schmidt seine Lebensaufgabe darin, all das »zu<br />

betrachten ein Leben lang.«<br />

Betroffen liest Pytheas »zwei Zeilen von Hellbraunem«:<br />

»... Lampiges Fenster weht auf, Stimmen undWolkenzug; / Brunnengeliebte am<br />

Marktspendet aus steinernem Krug ...«<br />

Bräunlich war die Farbe der Schriftrolle, »von Hellbraunem« sind diese zwei Zeilen.<br />

Wozu diese auffällige Konstruktion (Inversion, Substantivierung)? <strong>Die</strong> Zugehörigkeit<br />

zur Schriftrolle, zur Tradition, soll akzentuiert werden! <strong>Die</strong> Abtönung ist als Hinweis auf<br />

das Alter dieser Verse zu lesen: hellbraun, d. h. sie wurden vor nicht allzulanger Zeit<br />

geschrieben.<br />

1933 schenkte Arno Schmidt seinem Freund Heinz Jerofsky ein Notizbuch mit seinen<br />

>Gesammelten JugendgedichtenSprung in die eigene Vergangenheit


vom »Greis« in ein »kleines Kind« zurückverwandelt und damit der ganzen Welt die<br />

Jugendfrische des Anfangs zurückgibt.<br />

Durch diese Aufhebung und Umkehrung des Alterungsprozesses verliert der Tod seine<br />

Bedeutung als endgültige Grenze. Sterben heißt wiedergeboren werden, und die<br />

Gefahren dieser Regeneration gilt es, ähnlich wie bei der ersten Geburt, durch<br />

Vorsorge zu bannen. Von dieser Vorstellung her erklärt sich der ungeheure<br />

wissenschaftliche und ökonomische Aufwand, der von den Ägyptern im Totenkult<br />

betrieben wurde. So sollte die sorgfältige Einbalsamierung und Mumifikation den<br />

Körper vor der Verwesung bewahren und ihm Schutz für die Reise ins Jenseits<br />

gewähren.<br />

Ich fiel gleich auf dem Tisch zusammen, gefühlloses Knochenbündel in Rohleinen<br />

geballt, nur der Kopf schwebte noch abgesondert rastlos listig dicht über der Platte<br />

(Otternhäupter sah ich so kreisen - horch, und die alten Schlangen wachen auf) [...].<br />

(25)<br />

Präziser läßt sich der Begriff >Mumie< kaum ins Bild übersetzen: »gefühlloses<br />

Knochenbündel in Rohleinen geballt«.<br />

Der Kopf schwebt noch eine Weile über der Tischplatte, »[...] dann sank auch er, ein<br />

schneebehangener schlafender Vulkan: wildschnell floh Pytheas, ein Jüngling, im<br />

Hetztraum!« Der Kopf war den alten Ägyptern der eigentliche Sitz des Lebens, die<br />

Schlange ein Symbol der erhofften Palingenesie: der Greis sinkt schlafend nieder - der<br />

Jüngling flieht wildschnell: eine träumerische Selbstverjüngung, dargestellt als<br />

Kopfgeburt.<br />

<strong>Die</strong> Viper (= Otter) hat schon der Schmidt wohlbekannte Herodot als<br />

Regenerationssymbol der Ägypter genannt (II, 74); weiter gehören dazu: der Schlüssel<br />

ench, die Statuen mit den hoheitsvollen Affengesichtern (der Pavian galt als heiliges<br />

Tier, das sowohl in den Totensprüchen wie als Statue bzw. in Abbildungen Schutz-<br />

und Identifikationsgestalt war), die Stiere, der Falke: »Hieroglyphen wandten<br />

Falkenköpfe«, verehrt als Sinnbild der Himmelfahrt, des aufstrebenden Höhenfluges,<br />

und schließlich der schon genannte Lotos.<br />

Auf der Handlungsebene sind es die >natürlichen Verbündeten< des Pytheas, die<br />

diesem Symbolkreis zuzuordnen sind: der Mond, in der ägyptischen Mythologie<br />

vorgestellt als ein Gott, »der im Grab ruht, aber im Tod seine Kraft wiedergewinnt«; die<br />

Wolken, die Himmelsschiffe der Jenseitsreisenden, und schließlich der die Neugeburt<br />

verheißende Morgenstern: »>Er [der Tote] stellt sich unter sie [die Sterne], sein Bruder<br />

ist der Mond und sein Verwandter der Morgenstern


Kanals, zwischen hohen Jaspiswänden dahin, immer weiter in die ausgangslos<br />

scheinenden Labyrinthe.<br />

Aber diese Reise ist keine ohne Wiederkehr, denn was die ägyptische<br />

Unterweltsvorstellung von der griechischen oder römischen unterscheidet, ist der<br />

Glaube an die Rückkunft der Toten aus dem Reich des Osiris. So wie der Sonnengott<br />

immer aufs neue der Welt wiedererscheint, Hesperos sich tagtäglich zu Phosphoros<br />

verjüngt, so kann auch der Mensch auf seine Regeneration hoffen. <strong>Die</strong> Barke steigt<br />

aus der Unterwelt empor und setzt ihre Reise im Himmelsozean fort, bis sie das »Land<br />

der Seligen« erreicht.<br />

<strong>Die</strong> ägyptische Jenseitsvorstellung ist ein gewaltiger Protest gegen den Tod, »dessen<br />

Wirklichkeit man abstreitet«. Ihre Überzeugungskraft beruht auf einer hochentwickelten<br />

Psychologie, deren erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt die Direktive des nosce te<br />

bildet:<br />

<strong>Die</strong> Lebenden können sich eigentlich mit der Welt der Toten nicht vertraut machen,<br />

und auch für die Ägypter war das Jenseits ein »anderes Reich, das die Menschen<br />

nicht kennen«. Aber an einer Stelle scheint ein Einstieg in jene Welt möglich zu sein: in<br />

der »Unterwelt« des Unbewußten in der menschlichen Seele, das uns mit dem<br />

Jenseits verbindet. Was die Unterweltsbücher der thebanischen Königsgräber<br />

beschreiben, sind Fahrten durch tiefste Räume der Seele, und auch das Totenbuch<br />

versucht in vielen seiner Sprüche, mit dem Licht der Sonne, des Tagesbewußtseins, in<br />

tiefste Schichten menschlicher Existenz hinabzuleuchten, elementare Wünsche,<br />

Ängste, Gefahren und Möglichkeiten aufzudecken oder namhaft zu machen.<br />

6. Zur Theorie des »Längeren Gedankenspiels«<br />

Es ist doch lange hergebracht,<br />

Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.<br />

J. W. v. Goethe<br />

Das Phantasieren, das Träumen am hellichten Tag, »gehört zum unveräußerlichen<br />

Bestand unserer Bewußtseinstatsachen«, dekretiert Schmidt in völliger<br />

Übereinstimmung mit Freud und Bloch. (R & P, 295) Denen genügte allerdings der<br />

umgangssprachliche Begriff >Tagtraum


die Traumarbeit nichts anderes als die Kompensation eines unbefriedigten<br />

Triebverlangens, einhergehend mit einem Realitätsverlust, der bis zur<br />

Neurosenbildung führen kann. Das zu vermeiden, ist der Tagträumer genötigt, für<br />

seine gestaute Libido wieder den Rückweg in die Realität zu suchen - günstigstenfalls<br />

über die Kunst. »Der Künstler ist im Ansatze auch ein Introvertierter, der es nicht weit<br />

zur Neurose hat.« Allerdings gelingt ihm, was den meisten mangels Talent verwehrt<br />

bleibt:<br />

Er versteht es erstens, seine Tagträume so zu bearbeiten, daß sie das allzu<br />

Persönliche, welches Fremde abstößt, verlieren und für die anderen mitgenießbar<br />

werden. Er weiß sie auch soweit zu mildern, daß sie ihre Herkunft aus den verpönten<br />

Quellen nicht leicht verraten.<br />

<strong>Die</strong> Freiheit des Künstlers beschränkt sich Freud zufolge auf die formale<br />

Weiterverarbeitung des vom Unbewußten bereitgestellten Rohmaterials; gleich dem<br />

naiven Tagträumer ist auch er letztlich gezwungen, seine Zwangsvorstellungen immer<br />

wieder zu reproduzieren. <strong>Die</strong>ser deterministischen Konzeption widerspricht Bloch ganz<br />

entschieden. Für ihn handelt es sich beim Tagtraum nicht um eine Vorstufe des<br />

nächtlichen Traums, sondern um einen autonomen Zustand, der eigener Kategorien<br />

zu seiner Beschreibung bedarf. Ganz im Sinne seiner Ästhetik des »Vor-Scheins«<br />

betont Bloch den antizipierenden Charakter des Tagtraums. Seine Inhalte speisen sich<br />

nicht aus Infantilem oder gar Archaischem, er ist nicht repressiv, sondern<br />

zukunftsgerichtet. Dem entspricht eine gänzlich andere Rolle des träumenden, besser<br />

phantasierenden Ichs; der Tagtraum wird nicht passiv erlebt, sondern aktiv »mit lauter<br />

selbstgewählten Vorstellungen« gestaltet. <strong>Die</strong>ses von Freud nicht weiter beachtete<br />

Distinktionsmerkmal wird auch von Schmidt nachdrücklich hervorgehoben:<br />

Der Unterschied zwischen Traum und Gedankenspiel liegt bekanntlich darin, daß zwar<br />

die objektive Realität [...] bei beiden annähernd die gleiche ist; die subjektive [...]<br />

Realität beim Traum jedoch in ausschlaggebendem Maße passiv erlitten wird (wir<br />

erfahren darin oft unerwünscht-empörendste Rücksichtslosigkeiten, Alpträume,<br />

mythisches Grauen); während beim Gedankenspiel das Individuum wesentlich<br />

souveräner, aktiv-auswählend, schaltet (natürlich ebenfalls »konstitutionell<br />

beschränkt«). (R & P, 294)<br />

Der Traum wird erlebt, das Gedankenspiel gestaltet; gerade dieses Mehr an Freiheit<br />

sichert dem Tagtraum im Gegensatz zu dem oftmals in privater Hermetik befangenen<br />

Nachttraum seine Kom-munizierbarkeit, die ihn erst, auch darin sind sich Schmidt und<br />

Bloch einig, kunstfähig werden läßt.<br />

Während aber Blochs optimistische Anthropologie in polemischer Distanz zur<br />

Psychoanalyse jede konstitutionelle Beschränkung der Vorstellungsinhalte leugnet,<br />

behält Schmidt diesen individualpsychologischen Aspekt bei - unter ausdrücklicher<br />

Berufung auf Freud: »Das LG befindet sich auf der Mitte zwischen Traum und<br />

Kunstwerk [...].« »Denn was der Nacht der Traum, das ist dem Tag das LG : die via<br />

regia ins Menscheninnere. -« (TbZ, 273; SIT, 26)<br />

Das Originelle der Konzeption Schmidts ist, daß sie die beiden Extreme, hier<br />

Introvertiertheit und Prädetermination, da Extrovertiertheit und Autonomie, in nützlicher<br />

Weise vermittelt: das »Längere Gedankenspiel« ist für ihn sowohl Instrument der<br />

fiktiven Introspektion in Analogie zur Traumdeutung als auch erzählbare Geschichte;<br />

die individuelle Wunscherfüllung, »ludus remedium«, verbindet sich mit der objektiven<br />

Mitteilungsfunktion, der »Sorge um das Ganze«. (R & P, 306).<br />

Nun ist allerdings zuzugeben, daß sich Arno Schmidt erst in Sitara ausdrücklich zu der<br />

Abhängigkeit seiner »LG«-Theorie von der Traumdeutung Freuds bekennt. Für die


Berechnungen II ist ein solcher Einfluß zwar wahrscheinlich, aber nicht zweifelsfrei<br />

nachweisbar. Das führte die Interpreten zwangsläufig dazu, nach anderen Anregern<br />

dieser Aesthetica in nuce zu fahnden - bei Schopenhauer glaubte man schließlich<br />

fündig geworden zu sein.<br />

»Schmidt hat diese Theorie [des »Längeren Gedankenspiels«] offensichtlich im<br />

Hinblick auf Schopenhauers Definition des Genies entwickelt«, vermutet <strong>Die</strong>ter Kuhn,<br />

und Thomé generalisiert: »Der historische Ort dieser Konzeption [der Kunst als<br />

Erkenntnisorgan sui generis] ist [...] die Ästhetik Schopenhauers.«<br />

Nun sind zumindest Thomé keineswegs gewisse Unstimmigkeiten entgangen; zwar<br />

beharrt er darauf, eine Ähnlichkeit der Palliativfunktion intellektualer Akte feststellen zu<br />

können, aber einschränkend wird die Reduktion der Phantasiearbeit auf die<br />

Bedürfnisse des Subjekts konstatiert: letztlich bleibt bei Schmidts Helden der »Intellekt<br />

ein Instrument des Willens«, nie erhebt er sich »zur Ruhe der Kontemplation«. Also<br />

kann die Kunstlehre der Welt als Wille und Vorstellung in diesem Fall gar nicht<br />

zuständig sein. Sehr wohl, behauptet Thomé, aber eben »weitgehend subjektiviert und<br />

psychologisiert« - was für ein Paradoxon.<br />

Wollte Schopenhauer nicht mit seiner Ästhetik gerade Antwort auf die Frage geben,<br />

wie »Wohlgefallen und Freude an einem Gegenstande [...] ohne irgend eine<br />

Beziehung desselben auf unser Wollen« möglich sein kann? Galt ihm nicht die Kunst,<br />

definiert »als die Betrachtungsart der Dinge unabhängig vom Satze des Grundes [im<br />

Original gesperrt gedruckt]«, gerade als der Ort, wo sich der einzelne seiner<br />

Individualität entledigt und, befreit von jeglichem Wollen, sich ganz in der Anschauung<br />

verliert? Hat er es etwa unterlassen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß Genialität<br />

nichts anderes sei, »[...] als die vollkommenste Objektivität [s. o.], d. h. objektive<br />

Richtung des Geistes, entgegengesetzt der subjektiven, auf die eigene Person, d. i.<br />

den Willen, gehenden«? Hat er nicht deutlich genug ausgesprochen, daß bei der<br />

phantasievollen Selbsttäuschung<br />

[...] der Intellekt seiner eigenen Natur, die auf Wahrheit gerichtet ist, Gewalt anthun<br />

muß, indem er sich zwingt, Dinge, die weder wahr, noch wahrscheinlich, oft kaum<br />

möglich sind, seinen eigenen Gesetzen zuwider, für wahr zu halten, um nur den<br />

unruhigen und unbändigen Willen auf eine Weile zu beschwichtigen, zu beruhigen und<br />

einzuschläfern.<br />

Schopenhauers Ästhetik - subjektiviert und psychologisiert, das ist eine kaum zu<br />

überbietende contradictio in adjecto. Aber ist nicht die palliative Funktion der<br />

intellektualen Akte zumindest eine ähnliche? Auch hier könnte das Mißverständnis<br />

kaum größer sein. <strong>Die</strong> Kunst ist Schopenhauer ein Quietiv des Wollens, weil sich der<br />

Ausübende in den Momenten der Kontemplation der Herrschaft des Willens entzieht;<br />

das »Längere Gedankenspiel« ist seinem Urheber ein Palliativum, weil es dem Willen<br />

das in der Realität Entbehrte nunmehr in der Imagination gewährt. Hier ist die Kunst<br />

Ersatzbefriedigung, momentane Sättigung der Triebansprüche, dort dient sie der<br />

affektbefreiten Erkenntnis der Idee. <strong>Die</strong> palliative Wirkung der intellektualen Akte des<br />

Gedankenspielers gründet in ihrer Funktion als Wunscherfüllung, die der<br />

Kontemplation in ihrer Absence von jeglicher Wunschregung. Der eine ist glücklich,<br />

weil sich seine Wünsche erfüllen, der andere, weil er keine mehr hat.<br />

<strong>Die</strong> Ästhetik Schopenhauers ist für die Theorie des »Längeren Gedankenspiels« nicht<br />

zuständig, es sei denn, man vermutet, Schmidt habe sich der Mühe einer völligen<br />

Umwertung dieses Systems unterzogen, eines Gedankens wegen, der spätestens seit<br />

der Romantik allbekannt war: Kunst kann eine Form der Wunscherfüllung sein.


<strong>Die</strong> »>Traumspiele< der Weltliteratur sind Gedankenspiele« (R & P, 294) - die<br />

bedeutendsten Traumdichtungen, die durchdachteste Traumpsychologie vor Freud<br />

schufen die Romantiker. Darauf ausführlich einzugehn, ist hier nicht der Raum; die<br />

folgende Zitatenreihe hat nicht mehr zur Absicht, als aufzuzeigen, daß zentrale Thesen<br />

der »LG«-Theorie und wesentliche Konstruktionsprinzipien des »Hetztraumes« bei den<br />

für Schmidt nachgewiesenermaßen einflußreichen Autoren wie Hoffmann, Herder und<br />

Jean Paul vorformuliert sind.<br />

So in der Prinzessin Brambilla:<br />

Sancho meinte, Gott solle den ehren, der den Schlaf erfunden, es müsse ein<br />

gescheuter Kerl gewesen sein; noch mehr mag aber wohl der geehrt werden, der den<br />

Traum erfand. Nicht den Traum, der aus unserm Innern nur dann aufsteigt, wenn wir<br />

unter des Schlafes weicher Decke liegen - nein! den Traum, den wir durch das ganze<br />

Leben fort träumen, der oft die drückende Last des Irdischen auf seine Schwingen<br />

nimmt, vor dem jeder bittre Schmerz, jede trostlose Klage getäuschter Hoffnung<br />

verstummt, da er selbst, Strahl des Himmels in unserer Brust entglommen, mit der<br />

unendlichen Sehnsucht die Erfüllung verheißt. -<br />

Schmidt zufolge ist das typische Merkmal der Prosaform »Län-geres Gedankenspiel«<br />

die doppelte Handlung, zu deren korrekter Kennzeichnung er die Begriffe<br />

»Erlebnisebene I« (= objektive Realität) und »Erlebnisebene II« (= subjektive Realität)<br />

einführt. Eben dieses Nebeneinander von Wirklichkeit und phantasierter Zweitwelt ist<br />

bekanntlich auch das durchgängige Strukturmerkmal der Erzählungen E. T. A.<br />

Hoffmanns, ihr poetologisches Äquivalent ist das »serapiontische Prinzip«. Der<br />

Anachoret Serapion hat »wirklich geschaut[,] was er verkündete«, deshalb avanciert er<br />

zum Schutzheiligen des gleichnamigen Dichterkreises. Was ihm allerdings zum<br />

schaffensmächtigen Künstler fehlte, war die »Erkenntnis der Duplizität«; das also, was<br />

den Gedankenspieler vom Träumer unterscheidet, den Dichter vom Trivialliteraten: die<br />

Fähigkeit, eine Außenwelt zu statuieren.<br />

Der Traum wird passiv erlebt, das Gedankenspiel aktiv gestaltet - nach Maßgabe der<br />

psychischen Verfaßtheit seines Urhebers. Im »Hetztraum« wird Pytheas von seinen<br />

Verfolgern gejagt, die Schriftrolle weist ihm den Weg; im »Längeren Gedankenspiel«<br />

der Flucht ist er selbst der Handelnde, der Zeitpunkt und Verlauf des Geschehens<br />

bestimmt. Jean Paul sieht diese Differenz ähnlich: »Im Traume ist keine Vernunft und<br />

also keine Freiheit.« »In Träumern [...] ist nichts wacher und stärker als die passive<br />

oder fühlende Natur.« Und: im Traum kommen die Bilder »[...] ungerufen vor den<br />

Geist, der, als Widerspiel des Tags, jetzt nur anschauet, und nicht erschafft [...].«<br />

»Denn was der Nacht der Traum, das ist dem Tag das LG: die via regia ins<br />

Menscheninnere. -« (SIT, 26) Der Träumer, wie der Gedankenspieler, offenbart sich<br />

selbst durch seine Phantasien bzw. Träume, mit dem Unterschied allerdings, daß beim<br />

Traum Unbewußtes bzw. Vorbewußtes offener zur Darstellung gelangt als beim<br />

literarischen Tagtraum, der je nach Kompetenz und Bewußtseinsgrad des Autors<br />

verschlüsselbar ist. Eine mimetische Gestaltung des Traums setzt demnach, sofern sie<br />

authentisch sein will, »große Opfer an Stücken der eigenen Persönlichkeit voraus«<br />

(TbZ, 274), größere jedenfalls als bei der Konstruktion des minder decouvrierenden<br />

»Längeren Gedankenspiels«.


Daß der Traum ein Mittel der Selbsterkenntnis bzw. ein poetisches Medium der<br />

psychologischen Durchleuchtung und autoptischen Selbstdarstellung ist, zeigen schon<br />

die Jugendträume Josephs im Alten Testament. Vornehmlich Herders Verdienst ist es,<br />

dieses Wissen um den Traum als literarisch bedeutsames Bewußtseinsphänomen<br />

wiederentdeckt und ästhetisch popularisiert zu haben. In seinem allegorischen Gedicht<br />

Der Traum findet sich auch das inzwischen wohlvertraute Motiv des nosce te:<br />

T. [= Der Traum] Aus Dir nahm ich die Farben und Tön' und Gestalten der<br />

Dinge;Achtest Du minder sie, weil ich in Dir sie erschuf?Unter Zerstreuungen sonst, im<br />

Gewühl der Sinne verlohren,Samml' ich Dich ein in Dich; und Du erwachetest -<br />

Dir!Horch!«(Er berührete mich mit dem Stabe. Da wurden Gestalten, Auen und<br />

Blumen umher, Stimmen um mich und Gesang.In Elysium ging ich; ich schwebt' in<br />

Lüften, im Mondglanz,Ueber Sternen.) Wohin hebst Du, o Genius, mich?T. In Dich<br />

selbst.«<br />

Daß diese Selbstbegegnung zur Höllenfahrt werden kann, darauf hat schon Plato<br />

hingewiesen; Jean Paul formuliert in seiner Nachfolge:<br />

Fürchterlich tief leuchtet der Traum in den in uns gebaueten Epikurs- und Augias-Stall<br />

hinein; und wir sehen in der Nacht alle die wilden Grabtiere oder Abendwölfe ledig<br />

umherstreifen, die am Tage die Vernunft an Ketten hielt.<br />

Der Traum bringt all das Vergangene wieder zu >Bewußtsein


Genau das scheint sich Arno Schmidt in Gadir oder Erkenne Dich Selbst zur Aufgabe<br />

gemacht zu haben, Entstehung und Verlaufsform der Gedankenspielerei in Analogie<br />

zur Traumarbeit darzustellen.<br />

7. <strong>Die</strong> Flucht<br />

In der Literatur wie in unseren Träumen<br />

gibt es keinen Tod.<br />

I. Singer<br />

Der Übergang von der ersten Handlungsebene zum »Längeren Gedankenspiel«<br />

vollzieht sich unmerklich. Erst nach wiederholter Lektüre ist es möglich, den Einsatz<br />

des >fiktiven< Geschehens zu bestimmen, das mit der verheißungsvollen<br />

Regieanweisung »Sterne treten auf« beginnt. (30)<br />

<strong>Die</strong> Flucht selbst setzt ein mit dem Absprung, genauer mit der Schilderung seiner<br />

Vorbereitung. Auf zwei homologe Kurzabschnitte (zweigliedriger Auftakt, Parenthese,<br />

Rückblick - Vorschau), deren Handlungssätze durch Verwendung der Partizipialform<br />

anstelle des Infinitivs die Gleichzeitigkeit von Sprechen und Handeln suggerieren, folgt<br />

eine kurze Pause, die Wartezeit zum Absprung, eingeleitet mit der zweifachen<br />

Ermahnung zur Ruhe. <strong>Die</strong> zunehmende Anspannung ist am akzelerierenden Puls<br />

ablesbar, mit dem Pytheas die Dauer der Wachrunde mißt: 418, 470, 492. »Jetzt noch<br />

hundert warten; dann springen.«<br />

Im Takt des Herzschlages rekapituliert er noch einmal Einzelheiten des Fluchtplans,<br />

spricht sich die letzten Bewegungen vor: »Langsam herausschieben; Zehenballen an<br />

die Kante stemmen. Neunzig. - Hände zum Abstoß mit ansetzen. Ansetzen. Ansetzen:<br />

- Hundert!!!« <strong>Die</strong> sich steigernde hektische Bewegtheit der Zeit bis zum Absprung wird<br />

im stream of conciousness unmittelbar erlebt; die vollkommene Kongruenz von<br />

Ausdruck und Inhalt läßt keinen Zweifel, daß hier wirklich zum Absprung angesetzt<br />

wird, durch und in der Bewegung der Sprache selbst.<br />

»Der Sprung glückte gleich«, das fiebrig dynamische Handeln beruhigt sich, wird<br />

abgelöst durch das Präteritum der erinnernden Darstellung. Das erste Fluchtziel, die<br />

Insel, ist erreicht:<br />

Insel und Mitternacht (Und Freiheit!!) - Aber wenig Herzschlag. Narbiger Silberball<br />

im Zenith, wolkenumflossen. (31)<br />

Fast unmittelbar wird die dreiteilige Zustandsformel in ihr poetisches Äquivalent<br />

übersetzt: Insel - Mond; Mitternacht - Zenith; Freiheit - wolkenumflossen. Im Rückgriff<br />

wird dann der Sprung aus dem Gefängnis und das Durchqueren des Kanals erzählt -<br />

mit ironischer Bezugnahme auf die Exposition.<br />

Oben tickte wieder die Wache vorbei - hoben sie nicht Augen, gekniffen im Argwohn,<br />

über halboffnem Lauermaul - ich mußte mir die Faust in den Schlund setzen: vor irrer<br />

Bosheit! Denn näselnd wanderte es in süßlichem Schlafzimmerfalsett: »Heute nacht<br />

oder nie ...«<br />

<strong>Die</strong> Situation hat sich verkehrt. Fand zu Beginn der Postenwechsel unter dem<br />

Fenstergitter statt, so führt jetzt der Weg der Wache oben vorbei. Wieder trällert einer<br />

der Soldaten eine anzügliche Schlagerzeile, diesmal allerdings mit überaus<br />

bedeutungsvollem Nebensinn. Denn nicht nur, daß der Interpret dieses Liedes<br />

ebenfalls Schmidt heißt, Joseph Schmidt; nicht nur, daß der Titel des Films, mit dem


dieses Lied und sein ebenso kleinwüchsiger wie stimmgewaltiger jüdischer Sänger<br />

international berühmt wurden, stellvertretend die Sehnsucht des Pytheas ausspricht:<br />

Ein Lied geht um die Welt; auch beider Tod ist ähnlich: der »deutsche Caruso« starb<br />

auf der Flucht vor den Nazis in einem Internierungslager bei Zürich an Fieber,<br />

nachdem er um seine erste rettende Schiffspassage nach Amerika von einem<br />

Doppelgänger betrogen worden war und die zweite aufgrund der Ausweitung des<br />

Seekrieges nicht mehr zustande kam.<br />

Auch in den beiden nachfolgenden Szenen der Fluchtphantasie findet sich der<br />

Rhythmuswechsel zwischen erlebender und erzählender Rede: der Gang am Gehöft<br />

vorbei in Richtung Ufer vollzieht sich im Präsens; die Wiedergabe der Personenrede<br />

im epischen Präteritum.<br />

Beim ersten Lesen hat diese Episode ein durchaus spannungsförderndes Moment;<br />

Pytheas, auf dem Weg zum Ufer, stockt plötzlich: »Verdammt: - Flüstert da nicht noch<br />

jemand; - vorn? -« Aber schnell erweist sich die vermeintliche Gefahr als ein<br />

harmloses Rendezvous zweier Jungverliebter. Wem der Ausgang der Flucht<br />

unbekannt ist, dem genügt als Motivation dieses Zusammentreffens der Zufall; wer<br />

aber um die Fiktionalität des Geschehens weiß, dem stellt sich die Frage nach dem<br />

Zweck dieser Inszenierung. Im Kleidertausch allein kann er nicht liegen, der wäre<br />

handlungstechnisch auch anders zu bewerkstelligen gewesen, wie die nachfolgende<br />

Senner-Szene beweist. Warum also imaginiert Pytheas diese Begegnung? <strong>Die</strong><br />

Antwort ergibt sich, wenn die Funktion der Rückerinnerung bzw. der Leitspruch der<br />

Erzählung und nicht zuletzt die sexuelle Unterminierung des »Hetztraumes«<br />

mitbedacht werden. Was dort in symbolischer Verschlüsselung dargestellt wurde, wird<br />

nun in Handlung umgesetzt - unter der Aufsicht der Zensur versteht sich, d. h. in<br />

weitaus verhüllterer Form.<br />

Eine romantische Liebesszene, er ganz schüchterner Jüngling, der sich kaum der<br />

Geliebten zu nähern wagt: zaghaft nur hob er »die Hand, berührte rührend unbeholfen<br />

ihre Locken« und versucht eine Beschwörung durch die magische Dreierformel:<br />

»>Dein Haar< [...], >Deine Augen< [...], >Deinen Mund< -.« (32) Sie, offenbar geübter<br />

in Liebesdingen, nötigt ihn zur Eile und zur Tat, so daß ihm nichts übrig bleibt, als<br />

zuzugreifen. Pytheas schlägt verschämt die Augen nieder, und, kaum daß die<br />

lockende Erscheinung im Haus verschwunden ist, auch ihren Anbeter: »(- der Junge<br />

hat auch just meine Figur -)«. Das Purpurkleid steht Pytheas prächtig, und als<br />

schließlich ein blankes Tuch aus einem der Kammerfenster weht, vollendet er den<br />

Rollentausch, indem er »geehrt und standesgemäß die schlohweise Linke« bewegt,<br />

»so waren alle Beteiligten zunächst beruhigt.« (34) In diesem Augenblick hat sich der<br />

Greis in einen Jüngling verwandelt, wenn auch nur durch eine Kostümierung, wenn<br />

auch nur für die Frau im Fenster.<br />

»Lampiges Fenster weht auf« (26) - die motivische Verbindung zum »Hetztraum« ist<br />

gegeben, auch hier also eine Selbstbegegnung? Im Text spricht nur die Tatsache der<br />

gleichen Figur für die These, der so zaghaft agierende Jüngling sei Pytheas selbst, die<br />

ganze Szene folglich eine Wiedererinnerung an seine >erste LiebeLeviathan


Bei der Deutung des »Hetztraumes« wurde das Vorhandensein homosexueller<br />

Wunschregungen behauptet. Wenn dem so wäre, müßte sich, entsprechend der<br />

analogischen Strukturiertheit von Traum und »Längerem Gedankenspiel«, in dieser<br />

Szene zumindest eine Andeutung darauf finden lassen.<br />

Ich legte meinen Mund an seinen falben Bartflaum (»und von unerhörten Dingen<br />

flüstern bärtige Lippen an bärtige Wangen« - ist nicht von mir, hab's mal irgendwo<br />

gelesen -). (33)<br />

Ein für Schmidt typisches Literaturrätsel mit der impliziten Aufforderung doch<br />

herauszufinden, wo er es denn gelesen haben mag. <strong>Die</strong> Antwort gibt er selbst, wenn<br />

auch in verschlüsselter Form: in >SealthielBart-Zitat< entnommen ist, trägt allerdings<br />

wenig zur Deutung bei. Zunächst also scheint diese literarische Reminiszenz<br />

willkürlich, aber Schritt für Schritt wird die >Realität< dem Zitat angeglichen: »Ich - gut<br />

- ich flüsterte«; die ironische Wiederaufnahme des Verbs, die Formulierungspause und<br />

das zustimmende »gut« zeigen an, daß hier bewußt der vorgegebene Satz als<br />

Handlungsmuster akzeptiert wird. Zur vollständigen Wiederholung fehlt nur noch die<br />

Entsprechung für das betont vorangestellte Objekt »von unerhörten Dingen«. Und<br />

folgsam beugt sich Pytheas noch einmal über den Jüngling: »Noch eins: Was über den<br />

Kuß hinausgeht ist vom Übel. Hörst Du? Glücklicher?« <strong>Die</strong> Bestätigung, daß damit die<br />

Handlungsvorgabe des Zitats eingelöst ist, folgt sofort: »(also doch von unerhörten<br />

Dingen!)«<br />

Realität, wie sie sich hier darstellt, ist Produkt eines Prozesses wechselseitiger<br />

Angleichung von Fiktion (Zitat) und Handlung, wobei unzweifelhaft ist, daß dem<br />

literarischen Klischee, in diesem Fall der Fouqué-Allusion, die Steuerungsfunktion<br />

zukommt. Es sei denn, man wollte die Tatsache der >Bärtigkeit< des Jünglings als<br />

Zufall, d. h. als erzählerische Willkür abtun, anstatt sie als Paradebeispiel für die<br />

Technik der »Motivation von hinten« anzuerkennen: der Bart muß sein, sonst wäre das<br />

Zitat nicht anzubringen.<br />

Wo finden sich nun, um zur Ausgangsfrage zurückzukehren, die vermuteten Anklänge<br />

an die (homo)sexuelle Symbolik des »Hetztraumes«? Es sind - entsprechend der<br />

bewußt verstärkten Zensur - nur Indizien: die Wiederkehr der Dreizahl: »drei Tage[]«,<br />

des Gold-Symbols: »zwei Goldstücke«, die zärtliche Annäherung des >Mund-<br />

Anlegens


ezeichnet vermutlich Hades/Pluto, d. h. den Herrscher über die Unterwelt wie auch<br />

den Fruchtbarkeitsgott, nicht allein die dunklen, sondern auch die wohltätigen<br />

chthonischen Kräfte. Eine personifizierte Dichotomie von Werden und Vergehen also,<br />

die als zentrales Charakteristikum der ägyptischen Jenseitsvorstellung benannt wurde.<br />

Darüberhinaus ist Axiokersos dem Heroen Kadmos gleichzusetzen, seines Zeichens<br />

Drachentöter und Gründer Thebens, der einst Zeus im Kampf gegen den Urdrachen<br />

Typhon beigestanden haben soll, indem er das Ungeheuer durch Musik betörte -<br />

ebenso wie die Orpheus-Sage eine Parabel über die Macht der Kunst.<br />

Ein weiterer Hinweis auf die mythologische Fundierung der Handlung wird wenig<br />

später in dem schon zitierten Monolog über den Fortgang der Flucht gegeben:<br />

Ich muß zunächst in die Bergwildnis, die Riesenwand hinauf [...]; dann verkleidet zum<br />

Hafen nach Gadir [...] und auf einem Nordfahrer anheuern; und in Mentonomon<br />

desertier' ich, verschwinde, in den glühenden Wäldern, über Lichtungen, wie der<br />

Meteoride Phaeton, mein Bruder (würde sich wohl auch vor [sic!] die klapprige<br />

Verwandtschaft bedanken). (34)<br />

So wie zuvor die Anrufung des Axiokersos ist auch diese Verbrüderung durchaus<br />

historisch motiviert. Pytheas war Seereisender, kannte folglich die Schutzkraft der<br />

Kabiren; er entdeckte die Nordseeküste für die griechisch-römische Welt, berichtete<br />

über ihren Bernsteinreichtum und rückt damit zwangsläufig in die Nähe der Phaeton-<br />

Sage:<br />

Phaëton, welchem die Flamme die rötlichen Haare verwüstet,Rollt kopfüber und stürzt<br />

durch die Lüfte, ein langerStreifen,Wie ein Stern vom heiteren Himmel, auch wenn er<br />

nichtwirklichFällt, bisweilen den Eindruck erweckt, als sei er gefallen.<br />

Seine Schwestern, die ihm die Sonnenrosse angeschirrt haben, werden zur Strafe in<br />

Bäume verwandelt, ihren Tränenfluß<br />

Härtet die Sonne zu Bernstein; es fängt ihn der leuchtende Strom auf,Schickt ihn den<br />

jungen latinischen Frauen, als Schmuck ihn zu tragen.<br />

Phaeton wird zudem, wie schon im ägyptologischen Kontext erwähnt, als Sohn der<br />

Eos und des Kephalos gedacht, gemäß dieser Genealogie verkörpert er die Venus<br />

bzw. Hesperos/Phosphoros, dessen Erscheinen auf dem Berge Mathos Pytheas die<br />

baldige >Befreiung< anzeigte.<br />

Pytheas, Bruder des Phaeton, damit Sohn des Helios, der zugleich als Apollo Gott der<br />

Dicht- und Tonkunst ist, Enkel des Titanen Hyperion - durch diese mythologische<br />

Fraternisierung eröffnet sich der gleiche Symbolzusammenhang, der auch durch die<br />

Anrufung des Axiokersos angespielt wurde: das Geheimnis der Wiedergeburt und die<br />

göttliche Macht der Kunst.<br />

Helios steigt im Osten aus einer Bucht des Ozeans, wandert über den Himmel,<br />

versinkt wieder im Meer und fährt schlafend in einer Barke von den Hesperiden zurück<br />

in den Osten. Wie im ägyptischen Glauben auch, wird der Kreislauf des Lebens<br />

dargestellt im Gang des mächtigsten der Gestirne. <strong>Die</strong> Wahlverwandschaft des Helden<br />

zu Hölderlins Hyperion wurde bereits angedeutet, an dieser Stelle spricht er sie selbst<br />

aus. »Phaeton, mein Bruder«, damit wird Pytheas kaum ausdrücken wollen, daß er<br />

den Trotz und die kindische Unbedachtheit, durch die der Sohn des Helios seinen<br />

Untergang herbeizwang, teilt, sondern dessen titanischen Mut, der nach dem<br />

Unbedingten verlangt, das Unmögliche wagt.<br />

»Acht Schiffe ankern im Haupthafen, wanken; zwei vor der Insel Erythia [...].« (38) Auf<br />

Erythia, der sagenhaften Insel der Abendröte, vermutete man den Garten der Götter<br />

mit dem Baum des ewigen Lebens. Den Namen erhielt das Eiland von einer der<br />

Hesperiden, die, wie alle bisher genannten Gottheiten, doppelgesichtige Wesen sind:<br />

»ebenso wie Hesperos, durch den Namen schon verbunden mit dem Abend, dem


Sonnenuntergang, dem Eingang zur Nacht. Freilich, zu einer Nacht, die goldene<br />

Früchte birgt« und Unsterblichkeit verheißt.<br />

Bevor im Rahmen der Schlußszene der Fluchtpunkt der verwendeten Mythologeme<br />

bestimmt wird, ist der weitere Handlungsverlauf nachzutragen. Auch für die der<br />

Rendezvous-Episode nachfolgenden Geschehenseinheiten gilt der zuvor schon<br />

konstatierte dynamisierende Wechsel von Präsens und Praeteritum, Erzählen und<br />

>ErlebenGib uns<br />

guten Gang, du, Gries, Gestein und Hartwuchs ..Durch-den-Bach-WatenKneipp-Trick< nahezu obligatorisch. Für Pytheas allerdings wird der Gebirgsbach zu<br />

einem Ort des Schreckens, ihm begegnet etwas, was ihn vor »Grauen« zittern macht,<br />

aber da er »erst einmal weiter« muß, wird auch dem Leser zunächst vorenthalten, was<br />

dann aus der erhöhten Perspektive der Baumkrone als Parabel des bellum omnium in<br />

omnes geschildert wird: die Lachswanderung.<br />

»<strong>Die</strong> Zelle hinter mir wird langsam unkenntlich; - halbe Stunde etwa noch.<br />

Nebelbarken stehen auf dem See [...]. Möchte einen der Fergen sehen, ihn zur<br />

Nordfahrt überreden, notosgetrieben, Wind umwogt's Haupt schlapphutbreit.« (24)<br />

<strong>Die</strong>selbe Atmosphäre, die auf den »Hetztraum« einstimmte, herrscht in der<br />

Schlußszene:<br />

Am Abend Gestürm zieht auf.[...] Letzte Vergrauung Nebelwind, naß, meert<br />

den Berg ein, orgelt, rollt über röhrenden Wäldern. (38)<br />

<strong>Die</strong> Natur wird zum Spiegel der freiheitstrunkenen Aufruhr des Pytheas:<br />

Ich sog tief Luft und röchelte, gurgelte sinnlos selig hinaus: in die Freiheit. Schob mich<br />

breitbeinig in den Dunst: in die Freiheit! Es stampfte oben in den Wolken; Regen<br />

schlug donnernd an meine Stirn; mein Herz brandete: Freiheit! Ich hob die


grauhaarigen Beine tanzend an: Freiheit! Freiheit! Ich dien' nicht mehr bei Gryphius;<br />

weit liegt der Kerker hinter mir! Pytheas ist frei geworden und stampft oben in den<br />

Wolken!! - (38)<br />

Ein Tanz der sich vermengenden Elemente, ein furioser Schlußtakt, der alle dem<br />

Pytheas befreundeten Naturmächte auf einen Ton stimmt, den der Freiheit.<br />

Beschworen wird das Bild eines Schiffers, der in die ihm vertraute Atmosphäre<br />

eintaucht, tief die meernasse Luft einsaugt, sich breitbeinig in den Dunst schiebt, dem<br />

vor Freude über die endliche Erlösung das Herz im Jubel brandet: Pytheas »[...]<br />

stampft oben in den Wolken!! -« In den Wolken; nicht die See, das Wolkenmeer, der<br />

Himmelsozean ist der Freiheitsraum; nicht der Seefahrer Pytheas stampft hier im<br />

Triumph, sondern der Luftschiffer, der sich wie Giannozzo über die Welt erhoben hat:<br />

Welche lüftende Freiheitsluft gegen den Kerkerbrodem unten! [...] - Himmel! du<br />

müßtest jetzt aufstampfen vor Lust darüber, wie das Luftschiff dahinsauset und zehn<br />

Winde hinterdrein und wie die Wolken an beiden Seiten als Marsch-Säulen und Nebel-<br />

Türme langsam wandeln [...].<br />

Der Luftschiffer, das ist der Satiriker, der Abstand gewonnen hat, aber auch, und das<br />

gilt hier, der »hohe Mensch«, der Träumer, der Phantast, der sich im romantischen<br />

Höhenflug der »Fesseln des Irdischen« entledigt. <strong>Die</strong> Wolken sind Sinnbilder des<br />

Träumerischen, Fahrzeuge ins Jenseits; das >Mit-der-Wolke-WandernMit-den-<br />

»Flatterwolkenstreifen«-Ziehenrobinsonadenhafte Fabel< aus den »Zuständen und Denkweisen« des Helden. (DYA,<br />

307) Interessant wird dieses monologische Sprechen für den Leser, weil das Schicksal<br />

des Pytheas gleichnisfähig ist:<br />

Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientirung im Leben, bei der Hand zu haben,<br />

und um dasselbe, ohne je irre zu werden, stets im richtigen Lichte zu erblicken, ist<br />

nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort<br />

der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt [...].<br />

<strong>Die</strong> Welt ein Kerker, das Leben eine Abfolge von Gefangenschaften, man muß kein<br />

schwarzgalliger Misanthrop sein, um diese Einsicht nachvollziehen zu können. Nicht<br />

weniger geläufig, nicht weniger gebräuchlich sind auch die vorgestellten Methoden des<br />

Entkommens: Traum, Rückerinnerung, Glücksmomente der Reflexion,<br />

Gedankenspielereien. Angesichts dieser >Alltäglichkeiten< ist die Feststellung<br />

Heißenbüttels, Schmidt sei ein verhinderter Volksschriftsteller, durchaus triftig, wenn<br />

auch weniger in dem gemeinten Sinn, wonach die Helden seiner Romane und<br />

Erzählungen Repräsentanten des Typus >Kleiner Mann - ganz groß< darstellen, als<br />

vielmehr zur treffenden Kennzeichnung der Trivialität des vermeintlichen Esoterikers.<br />

Das ist keineswegs abschätzig gemeint: »<strong>Die</strong> Realität liefert zu vielen realen Grund,<br />

sie zu fliehen, als daß eine Entrüstung über Flucht anstände, die von harmonistischer<br />

Ideologie getragen wird [...].«<br />

Was Arno Schmidts Allmachtsphantasien allerdings von den belletristischen<br />

Solipsismen eines Karl May unterscheidet, ist, daß er dieses Verfahren der poetischen<br />

Selbsterhöhung bewußt handhabt und - ab dem Leviathan - witzig ironisiert; zum<br />

zweiten, daß sich - jedenfalls im Frühwerk - Realitätsentfremdung mit schärfstem


Realitätsbewußtsein paart. Eine Verbindung, die charakteristisch ist für Jean Paul wie<br />

für die >späten Romantikertatsächlich< aus der Zelle geflohen, wird durch den Erzähler eines<br />

Besseren belehrt. Nicht Pytheas erwacht, sondern der Leser, und zwar in eine<br />

Wirklichkeit, die ebenso unverbürgt ist wie die vorherige. Denn, wer waren Giskon,<br />

Abdichiba und Hakkadosch; die Namen bleiben nichtssagend: Pytheas lebt in der<br />

Erinnerung, seine Bedränger sind vergessen.<br />

»Meine Phantasie spielt oft [...] mit dem Gedanken aller Menschen Leben und mein<br />

eignes seyen nur Träume eines ewigen Geistes, böse und gute Träume, und jeder Tod<br />

ein Erwachen. [im Original gesperrt gedruckt]« Pytheas träumt den Tod als<br />

Wiedergeburt. Alle mythologischen Symbole im Text verweisen auf seinen Wunsch<br />

nach Reinkarnation, sind Ausdruck einer Unsterblichkeitssehnsucht - die sich in und<br />

durch die Literatur erfüllt.<br />

Im »Hetztraum« ist dem Jüngling der Schlüssel ench in die Hand gegeben, Symbol<br />

des »Lebens und des Leben-Machens«. <strong>Die</strong> Toten wiederauferstehen zu lassen, die<br />

Rückkehr aus der Unterwelt erzwingen, die Urbilder der Schönheit ins Leben bringen,<br />

alle im Traum zitierten Texte sind Parabeln über die Schöpfungskraft der Kunst.<br />

Arno Schmidt hat sich in Pytheas wiedererkannt, weil er dessen Nordlandfahrten als<br />

Ausdruck eines unbedingten Willens zum Unendlichen verstand. Er hat Pytheas in<br />

Gefangenschaft gesetzt, der biographischen Entsprechung wegen und um ein<br />

Gleichnis des Daseins zu geben, nicht der Menschen schlechthin, sondern der »hohen<br />

Menschen«. Sie sind die »wahre Fürstenbank des hohen Adels der Menschheit« bei<br />

Jean Paul, sind »jene Riesengeister« bei Schopenhauer, welche sich »durch den öden


Zwischenraum der Jahrhunderte« hinweg verständigen, jene von Goethe angerufene<br />

säkularisierte »>Gemeinschaft der Heiligenneue< descensus-Szene synthetisiert.<br />

<strong>Die</strong> Tradition liefert die Bausteine für das Spiel der Imagination. Wie im Kaleidoskop<br />

ordnen sich die verstreuten Wissens- und Erlebnispartikel mittels einer präzisen Optik


zu einem kalkuliert-vieldeutigen Gebilde: Literatur wird zur Kunst des<br />

Zusammenfügens, zum handwerklichen Spiel, das sich, wie das vielbändige Werk<br />

Arno Schmidts bezeugt, beliebig oft wiederholen läßt. <strong>Die</strong> Kombinationsmöglichkeiten<br />

sind nahezu unbegrenzt - nicht aber die Kombinationsformen. Gegeben ist das Thema<br />

des nosce te, gegeben ist der Anspruch, das »komplette Porträt eines Menschen in<br />

einem gegebenen Zeitraum x« (R & P, 298) vorzulegen, zwangsläufige Konsequenz<br />

daraus ist die allegorische Darstellungsweise. Wie anders wollte man alle<br />

Persönlichkeitskomponenten in mimetischer Nachahmung ihres synchronen<br />

Zusammenwirkens gleichzeitig zur Darstellung bringen.<br />

»Man wird [...] gut daran tun, 4 (vier) >Lesemodelle< zu distinguiren« (SIT, 285): L I =<br />

die Oberflächenhandlung; L II = Triebebene; L III = Autobiographisches; L IV =<br />

Jenseitsmodell. Eben diese am »Fall Karl May« entwickelte Hermeneutik liegt als<br />

allegorisches Ordnungs- und Darstellungsprinzip der Erzählung Gadir oder Erkenne<br />

Dich Selbst zu Grunde.<br />

Der Schlüssel in »Gestalt der Hieroglyphe ench« ist Handlungsrequisit, Phallus-<br />

Zeichen, Dingsymbol der Poesie und des ägyptischen Wiedergeburtsglaubens.<br />

»Hetztraum« und »Längeres Gedankenspiel« sind vierfach lesbar: als<br />

Abenteuerphantasie, als erotischer Wunschtraum, als literarische Selbsterkundung<br />

und als Todes- bzw. Palingenesievision.<br />

Was ist mit dem Nachweis dieser Übereinstimmung zwischen exegetischem Modell<br />

und poetischer Verfahrensweise gewonnen?<br />

<strong>Die</strong> Egozentrik des Autors Arno Schmidt ist bekannt; die Präsenz autobiographischen<br />

Materials in den Antike-Erzählungen muß von daher als Selbstverständlichkeit<br />

angesehen werden.<br />

<strong>Die</strong> Existenz eines mythologischen Über- bzw. libidinösen Unterbaus im »Hetztraum«<br />

und - in zensurierter Entstellung - auch im »Längeren Gedankenspiel« überrascht<br />

dagegen. Auch wenn in Gadir noch keine durchgängige Sexualisierung der Sprache<br />

im Stil der Etym-Schreibweise praktiziert wird, so bleibt die Feststellung unerwartet<br />

genug, daß Arno Schmidt bereits in dieser frühen Erzählung den Traum wie auch das<br />

»Längere Gedankenspiel« unter Beihilfe mythologischer und psychoanalytischer<br />

Symbole als Mittel zur Selbstdemaskierung der >unbewußten< Wunschvorstellungen<br />

des Protagonisten verwendet hat, und zwar intentional, wie der betonte Einsatz der<br />

Schlüssel-Hieroglyphe beweist. Welche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen sind,<br />

hängt nicht zuletzt davon ab, ob Vergleichbares auch auf die anderen Erzählungen<br />

des Frühwerks zutrifft. Sollte das der Fall sein, dann ist davon auszugehen, daß Arno<br />

Schmidt seit seiner ersten Freud-Lektüre die Psychoanalyse mitsamt ihrem<br />

mythologischen Bildmaterial zu literarischen Zwecken genutzt hat. Bleibt es dagegen<br />

bei diesem Einzelfall, sollte sich also kein weiterer Hinweis auf eine entsprechend<br />

geartete Methodik des allegorischen Sprechens ergeben, dann wäre Gadir oder<br />

Erkenne Dich Selbst als zunächst folgenloses Experiment anzusehen, an das erst mit<br />

Kaff auch Mare Crisium wieder angeknüpft wurde.<br />

Maximen und Reflexionen, Nr. 553, HA XII, S. 441.<br />

J. Paul an Jacobi, 29. 5. 1800. Briefe III, S. 364.<br />

Vgl. die ebenso konzise wie vernichtende Kritik Albrecht Schönes, der,<br />

ausgehend von einem exemplarischen Fall kollektiver Legasthenie, aufzeigt, wie<br />

schnell sich die hermeneutischen Spekulationen der Rezeptionsästhetik in der<br />

Interpretationspraxis als Gerede erweisen. A. S., Götterzeichen, S. 88 ff.<br />

Vgl. H. R. Jauß, Literaturgeschichte, S. 127, 133 f., 138 f. u. a.


Vgl. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 100 und S. 125, Anm. 221.<br />

P. de Man, Allegorien des Lesens, S. 105; vgl. auch S. 155 und 176 u. a.<br />

Arno Schmidt war nie so avantgardistisch, wie er selbst und die Rezensenten es<br />

mitunter glauben machen wollten, von daher ist der Abstand zwischen dem<br />

>formalistischen Neuerer< und dem >konservativen Traditionalisten< ohnehin kleiner<br />

als gemeinhin angenommen. Wie gering er tatsächlich ist, wie nah sich - positiv<br />

gesprochen - beide »Meisterdiebe« stehen, darauf hat Rudi Schweikert mit<br />

berechtigtem Nachdruck hingewiesen. Was diese »nah-entfernte Nachbarschaft«<br />

literaturwissenschaftlich so interessant macht, ist dabei weniger die frappante<br />

Ähnlichkeit der Lektürebiographien (Nietzsche, Schopenhauer, Freud, Daqué,<br />

Bachofen, Mereschkowskij u. a.) oder die Tatsache, daß Arno Schmidt seinen<br />

ruhmreichen Konkurrenten öffentlich schalt und heimlich bei ihm borgte, sondern die<br />

Gemeinsamkeit des poetischen Verfahrens, sowohl was die polyhistorische Technik,<br />

die psychoanalytische Aufbereitung mythologischer Erzählmuster als auch die<br />

humoristische Formkunst anbelangt. Vgl. R. Schweikert, Der Schleier der Maja und<br />

insbesondere Nah-enfernte Nachbarschaft, S. 170 ff.<br />

P. de Man, Allegorien des Lesens, S. 170.<br />

J. W. v. Goethe, Sprichwörtlich, Gedichte, S. 622.<br />

J. Drews, Zur 50. Lieferung, S. 3.<br />

Wer einer solchen Gelegenheitsarbeit ein »>Nemo geometriae ignarus intratoVorkriegs-<br />

Bibliothek< besaß, warum sollte er sie nicht gelesen haben, warum sollten sich nicht<br />

schon in seinen ersten Erzählungen Lektürespuren finden lassen? Wenn aber der<br />

Einfluß Freuds schon wesentlich früher wirkte, wäre daraus nicht zwangsläufig zu<br />

folgern, daß auch das Spiel mit der Bildersprache der Psychologie, dem Mythos, früher<br />

als bislang vermutet einsetzte?


Vgl. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 378.<br />

W. Proß, Arno Schmidt, S. 96.<br />

G. C. Lichtenberg, Geologische Phantasien, Schriften III, S. 113.<br />

Vgl. REZ I, S. 192; Sit, S. 359 u. a.<br />

* Keimzelle dieser Gadir-Interpretation war eine Hausarbeit, die ich im SS 1984<br />

gemeinsam mit Herrn Pol Sax geschrieben habe. Für seine Anregungen und Hilfen<br />

möchte ich mich hier ausdrücklich bedanken.<br />

G. Frenssen, Otto Babendiek, S. 1227 und 915.<br />

D. Kuhn, [Leviathan I], S. 4.<br />

<strong>Die</strong> Zahl in Klammern bezeichnet die Seitenzahl Gadirs im Reprint der<br />

Erstausgabe des Leviathan.<br />

G. Frenssen, Otto Babendiek, S. 344 und 1131.<br />

J. Huerkamp, »Gekettet an Daten & Namen«, S. 379, Anm. 24.<br />

G. Frenssen, Otto Babendiek, S. 222 und 1289.<br />

Ebd., S. 19.<br />

Ebd., S. 1291. Wie fasziniert Schmidt von diesem Motiv war, zeigt sich nicht<br />

zuletzt daran, daß er es in Caliban über Setebos in gleicher Funktion wieder<br />

verwendete, vgl. KiH, S. 298.<br />

Ebd., S. 1266.<br />

Vgl. D. Kuhn, [Leviathan I], S. 3 ff; weitere Dechiffrierungen sind zu erwarten,<br />

vgl. D. Kuhn, Mannert, S. 12 und S. 30, Anm. 42.<br />

Der Ausdruck »Philopseudes« ist doppelsinnig. Zum einen wird damit auf die<br />

Ablehnung des Pytheas seitens der nachfolgenden Geographen-Generationen<br />

angespielt: Pytheas der Erz-Lügner (Strabo I, 4, 3); zum anderen ist der Begriff ein<br />

Synonym für den Dichter schlechthin, also autobiographisch zu lesen: in seinem<br />

gleichnamigen Dialog - aus dem die Vorlage für Goethes Zauberlehrling stammt - zählt<br />

Lukian, ähnlich wie Plato, die Dichter zu den Lügenfreunden.<br />

Vgl. den entsprechenden Artikel in der RE; H. J. Mette, Pytheas von Massilia,<br />

und die - für den Bargfelder Boten erstellte - Zusammenfassung der erhaltenen<br />

Pytheas-Fragmente von H. Tätzsch.<br />

Vgl. J. Huerkamp, »Gekettet an Daten & Namen«, S. 45; D. Kuhn, [Leviathan I];<br />

H. Droege, Begegnung mit Arno Schmidt, S. 37; U. Laugwitz, Notizen, und H. Vollmer,<br />

<strong>Die</strong> Gefangenschaft des Frei-Denkers. <strong>Die</strong> Arbeit Vollmers bietet nichts Neues, was<br />

den Sachgehalt Gadirs anbelangt, aber seine Interpretation erfaßt einige der<br />

wesentlichen Motive - allerdings in einer allzu verallgemeinernden Weise, die ebenso<br />

zutreffend wie unergiebig ist, vgl. insbesondere S. 32 ff.<br />

Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S. 251.<br />

R. Herzog, Glaucus Adest, S. 14 (eigene Paginierung).<br />

Ebd.<br />

F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S.<br />

249.<br />

Zum typologisch-geschichtslosen Denken Arno Schmidts vgl. H. Thomé, Natur<br />

und Geschichte, S. 121 ff.<br />

F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S.<br />

270.<br />

Vgl. H. Thomé, Natur und Geschichte, S. 165 ff.<br />

J. Paul, Flegeljahre. Eine Biographie, SW I/2, S. 710.<br />

F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S.<br />

251.<br />

Hölderlin, Hyperion, Werke I, S. 529.


F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S.<br />

281.<br />

Ebd., S. 284.<br />

Vgl. Novalis, Vorarbeiten 1798, Werke II, Nr. 105, S. 334.<br />

J. Huerkamp, »Gekettet an Daten & Namen«, S 45.<br />

Maximen und Reflexionen, HA XII, Nr. 545, S. 439.<br />

Vgl. J. Huerkamp, »Gekettet an Daten & Namen«, S.143.<br />

D. Kuhn, Erläuterungen, S. 3.<br />

Vgl. H. Thomé, Wissenschaft und Spekulation, S. 12.<br />

Auf diese palliative Funktion der wissenschaftlichen Exkurse hat bereits H.<br />

Thomé in seinem lesenswerten Essay über den Leviathan hingewiesen, allerdings ist<br />

seine daraus gefolgerte These, Arno Schmidt betreibe eine »Literarisierung der<br />

Wissenschaft«, insofern irreführend, als genuin Wissenschaftliches im Werk Arno<br />

Schmidts allenfalls als belangloses Rechenkunststück zur Sprache kommt; nicht nur,<br />

daß alle argumentativ präsentierten Theoreme allein schon durch die Tatsache ihrer<br />

fiktionalen Eingebundenheit literarisiert sind, sie beruhen auch nahezu allesamt auf<br />

witzig-analogischen, d. h. poetischen Denkfiguren: Wissenschaft wird im Werk Arno<br />

Schmidts nicht literarisiert, sie wird als solche, d. h. als Methodik, erst gar nicht<br />

wahrgenommen. Vgl. H. Thomé, Wissenschaft und Spekulation, S. 9 f. und 14 f.<br />

Ebd., S. 13.<br />

J. W. v. Goethe, Maximen und Reflexionen, HA XII, Nr. 546, S. 439.<br />

A. Schopenhauer, PP I, SW 5, S. 269.<br />

Vgl. A. Schopenhauer, WWV II, SW 3, S. 54 ff.<br />

Vgl. W. Proß, Von Daqué zu Freud, S. 86 ff.<br />

Vgl. J. K. Wezel, Belphegor, S.137.<br />

Ebd., S. 216 f.<br />

Dazu mit Blick auf das gesamte Frühwerk ausführlich und instruktiv H. Thomé,<br />

Natur und Geschichte, S. 47-92, insbesondere S. 58-63.<br />

Vgl. A. Schopenhauer, WWV II, SW III, S. 669 und PP I, SW 5, S. 129 u. a.<br />

De divinat., c. 2, zitiert in der Übersetzung Schopenhauers, WWV II, SW 3, S.<br />

398.<br />

H. Thomé, Natur und Geschichte, S. 29 und 35.<br />

J. Drews, Arno Schmidt vor Zettels Traum, S. 167.<br />

T. Hobbes, Leviathan, II, 17, S. 227.<br />

Vgl. H. Thomé, Natur und Geschichte, S. 30.<br />

Vgl. O. Negt, A. Kluge, Geschichte und Eigensinn, S. 1019-1027.<br />

F. Neumann, Behemoth, S. 16; zitiert nach O. Negt, A. Kluge, Geschichte und<br />

Eigensinn, S. 1024.<br />

H. Gunkel, Schöpfung und Chaos, S. 112 ff.<br />

K. May, Babel und Bibel, GW Bd. 49, S. 274 f.<br />

Vgl. L. Marcuse, Philosophie des Glücks, S. 24-41.<br />

J. W. v. Goethe, Prometheus, Gedichte, S. 163.<br />

H. Melville, Moby Dick, S. 237 und 241.<br />

Auf diese ordnungsstiftende Funktion des Leviathans hat bereits Klaus Podak<br />

aufmerksam gemacht: »Es muß uns genügen, Leviathan und seine Verwandten als<br />

große, schriftstellerische Mittel zu verstehen, die Snapshot-Splitter-Welt mit einer böslabilen<br />

Kraft zusammenzuhalten und stimmig zu bewegen.« Allerdings irrt er, wenn er<br />

glaubt, hier finde »ein Umschlag des wissenschaftlich fundierten Weltbildes in<br />

Mythologie« statt, »in - das ist wichtig - naturwissenschaftliche.« Und schon gar nicht<br />

kann die Rede davon sein, daß »Schmidt den heute möglichen Mythos« geschrieben


habe, Schmidt hat mit dem Leviathan eine volkstümliche Teufelsgestalt poetisch<br />

wiederbelebt - mehr nicht. Vgl. K. Podak, Arno Schmidt, S. 41 f.<br />

Vgl. S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 269.<br />

Vgl. K. Mannert, Geographie, Teil I, S. 280.<br />

F. de la Motte Fouqué, Dramatische Dichtungen, S. 27. Zitiert nach F. R. Max,<br />

Der »Wald der Welt«, S. 260.<br />

F. R. Max, Der »Wald der Welt«, S. 263.<br />

Vgl. ebd., S. 305 ff.<br />

Vgl. D. Kuhn, [Leviathan I], S. 10.<br />

Vgl. beispielsweise J. J. Bachofen, Das Mutterrecht, S. 361 f., wo vom<br />

Zauberschlaf des Odysseus die Rede ist, »[...] der mit der Erhebung des Morgensterns<br />

endet. Tritt hier der dem Mutterrecht und seiner Kulturstufe eigentümliche Prinzipat der<br />

Nacht deutlich hervor, so wiederholt sich in dem Schlafe und seiner Beendigung die<br />

Vorstellung von dem siegreich das Dunkel überwindenden Frühlicht, dessen<br />

Herrlichkeit Orpheus auf dem Pangaeon sehnsuchtsvoll entgegenharrt, das der<br />

heiligen Mysteriennacht ein Ende macht und dem Glauben an Aufwachen aus dem<br />

Todesschlafe zum Ausgangspunkte diente.«<br />

In das Stammbuch von Friedrich Maximilian Moors, Gedichte, S. 18.<br />

S. o. S. 9, Anm. 13.<br />

S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 284, 423 und 294. Vgl. auch SIT, S. 341 und<br />

insbesondere S. 345. Zur weiteren Verwendung der Schlüssel-Metaphorik bei Arno<br />

Schmidt vgl. E. D. Steinwender, »Schlüsseltausch«. Steinwenders Einschätzung der<br />

erzählerischen Funktion der Träume im Frühwerk ist - handlungstechnisch gesehen -<br />

auch für Gadir verbindlich: »Hier strukturieren die Träume gleichsam die ganze<br />

Geschichte, stellen also eine Art Hohlspiegel dar, in dem Handlung und Problematik<br />

des Textes wie in einer dramatischen Integrationsszene gebündelt werden.«<br />

»Kosmas«, S. 10.<br />

J. W. v. Goethe, Faust II, V. 6258 ff.<br />

Vgl. S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 172 ff., 231 und 325.<br />

Ebd., S. 294 f.<br />

D. Mereschkowskij, <strong>Die</strong> Geheimnisse des Ostens, S. 49.<br />

Vgl. S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 328.<br />

Gadir inszeniert das Ödipus-Drama in einer für die Interpretation unergiebigen<br />

Direktheit: zum einen die rebellische Aufruhr des Pytheas gegen seinen Vater, sein<br />

blinder Haß gegen alle Autoritäten, die unbezähmbare Wut auf Helios, auf Leviathan,<br />

den Vater-Drachen, zum anderen die herbeigesehnte Mütterlichkeit des Mondes, der<br />

Nacht, der Insel, des Meeres, die Rettung, Geborgenheit und Wiedergeburt verheißt.<br />

Vgl. S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 330 f.<br />

Gott, Gemüt und Welt, Gedichte, S. 612.<br />

K. May, Im Reiche des silbernen Löwen IV, FE Bd. 25, S. 328 f. und 346.<br />

F. de la Motte Fouqué, <strong>Die</strong> beiden Hauptleute, in: Romantische Erzählungen, S.<br />

132-179, S. 151.<br />

F. de la Motte Fouqué, Der Zauberring, S. 249 f. Vgl. auch Novalis, <strong>Die</strong><br />

Lehrlinge zu Saïs: »Wunderlich führte ihn der Traum durch unendliche Gemächer voll<br />

seltsamer Sachen [...]«; auch der Leitspruch des nosce te kehrt in entsprechender<br />

Dramatisierung wieder: »Einem gelang es - er hob den Schleyer der Göttin zu Saïs -<br />

Aber was sah er? Er sah - Wunder des Wunders - Sich selbst.« Werke Bd. I, S. 218<br />

und 234.<br />

Vgl. F. de la Motte Fouqué, Abfall und Buße, S. 75 und 230.<br />

F. R. Max, Der »Wald der Welt«, S. 170.<br />

J. Paul, Titan, SW I/3, S. 552; vgl. D. Kuhn, [Leviathan I], S. 10.


J. Paul, Titan, SW I/3, S. 539, 551 f. und 553.<br />

Vgl. K. Kerényi, <strong>Die</strong> Mythologie der Griechen II, S. 220-226.<br />

S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 494.<br />

Vgl. »Wu Hi?«, S. 45 f. und 221 ff.<br />

J. Paul, Vorschule 3, SW I/5, S. 35.<br />

Zwielicht, Werke I, S. 146.<br />

E. Hornung, Ägyptische Unterweltsbücher, S. 9.<br />

Vgl. E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, S. 21-33.<br />

H. Kees, Totenglauben, S. 145 und 91.<br />

Vgl. S. Freud, Vorlesungen, S. 130.<br />

»Als der Gott Râ zum Greise wurde / sterbend Namen und Gestalt tauschte<br />

[...]« beginnt eines der Jugendgedichte Arno Schmidts. Ein externer Beleg dafür, daß<br />

die schon früh aus seinem Geschichtsbuch, dem »Kumsteller«, vermittelten<br />

Elementarkenntnisse ägyptischer Mythologie anregend geblieben sind; vgl. »Wu Hi?«,<br />

S. 224 und PeK, S. 378 f.<br />

E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, S. 28.<br />

H. Kees, Totenglauben, S. 66.<br />

E. Hornung, Das Totenbuch der Ägypter, S. 25 f.<br />

Faust I, V. 4044 f.<br />

S. Freud, Vorlesungen, S. 79.<br />

Ebd., S. 296.<br />

Ebd.<br />

Vgl. E. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, S. 98.<br />

Ebd., S. 105.<br />

Vgl. die gegenteilige Deutung von Boy Hinrichs, Utopische Prosa, S. 92 f. und<br />

98 f., die ebenso haltlos ist wie seine Definition des »Längeren Gedankenspiels«:<br />

»Das LG [...] ist eine eigenständige Struktur der Modernen Literatur, die zugleich unter<br />

dem Anspruch der Reinen Literatur steht, das Spektrum der vorhandenen Strukturen<br />

zu erweitern. Es ist also eine neu- bzw. weiterentwickelte Struktur, die nicht in<br />

Begriffen und Kategorien der traditionellen Literaturtheorie aufgeht.« (125) Abgesehen<br />

von der tautologischen Argumentationsstruktur, um eine Neuentwicklung kann es sich<br />

schon deshalb nicht handeln, weil Schmidt selbst das »LG« in den Zusammenhang<br />

einer Formtradition stellt, die keineswegs - wie von Hinrich behauptet - mit der des<br />

utopischen Romans identisch ist. Hinrichs ignoriert, daß in den Berechnungen II nicht<br />

nur die Insel Felsenburg als Vorform eines »Längeren Gedankenspiels« genannt wird,<br />

sondern auch E. T. A. Hoffmanns Prinzessin Brambilla, Cervantes' Don Quixote,<br />

Mörikes Orplid u. a., womit dem wortreichen Theoretisieren über das »LG« als eine<br />

Form der utopischen Prosa bereits im Ansatz und durch Schmidt selbst enge Grenzen<br />

gesteckt sind. Was die in den Berechnungen II angeführten Romane und Erzählungen<br />

verbindet, ist nicht die Zugehörigkeit zur Gattung >utopische Prosazwei WeltenReißverschlußprinzip< in Kaff, längst bekannt, mehr noch, mit<br />

dergleichen didaktischen Lektürehilfen, die wenig mehr leisten, als selbst dem<br />

schläfrigsten Leser die Duplizität des Geschehens zu visualisieren, ist Schmidt weit<br />

hinter der Formkunst beispielsweise eines E. T. A. Hoffmann zurückgeblieben.<br />

Vgl. S. Freud, <strong>Die</strong> Traumdeutung, S. 494.


D. Kuhn, Der Philosoph und der Dichter, S. 176 und H. Thomé, Natur und<br />

Geschichte, S. 120.<br />

H. Thomé, Wissenschaft und Spekulation, S. 26.<br />

H. Thomé, Natur und Geschichte, S. 124.<br />

A. Schopenhauer, PP II, SW 6, S. 442.<br />

A. Schopenhauer, WWV I, SW 2, S. 218.<br />

Ebd.<br />

A. Schopenhauer, WWV II, SW 3, S. 243.<br />

Grundlegend: A. Beguín, Traumwelt und Romantik.<br />

E. T. A. Hoffmann, SW IV, S. 260.<br />

E. T. A. Hoffmann, <strong>Die</strong> Serapions-Brüder, SW III, S. 54.<br />

J. Paul, Briefe und bevorstehender Lebenslauf, SW I/4, S. 980 und 973.<br />

J. G. Herder, SW XXIII (Suphan), S. 290.<br />

Zu den gesetzwidrigen Begierden gehören jene: »<strong>Die</strong> im Schlaf zu entstehen<br />

pflegen [...], wenn das übrige in der Seele, was vernünftig und mild ist und über jenes<br />

herrscht, im Schlummer liegt, das Tierische und Wilde aber, durch Speisen oder<br />

Getränke überfüllt, sich bäumt und den Schlaf abschüttelnd losbricht, um seiner Sitte<br />

zu frönen.« Plato, Politeia, SW 3, 571 C, D.<br />

J. Paul, Briefe und bevorstehender Lebenslauf, SW I/4, S. 980.<br />

Ebd.<br />

J. Paul, Leben des Quintus Fixlein, SW I/4, S. 202.<br />

J. G. Herder, Über Romane und Mährchen, SW XXIII, S. 295.<br />

J. Paul, Vorschule 72, SW I/5, S. 252 und Briefe und bevorstehender<br />

Lebenslauf, SW I/4, S. 981 f.<br />

FAZ-Magazin, Heft 321, 25. April 1986, S. 20.<br />

<strong>Die</strong> >Entschlüsselung< dieser Stelle verdanke ich Frau Sabine Eiermann vom<br />

Schallarchiv des Süddeutschen Rundfunks; alle biographischen Informationen über<br />

Joseph Schmidt stammen von einem Begleittext zu der gleichnamigen LP (Nr. 137 12<br />

- 8594 - 3 M Elec.).<br />

J. Paul, Briefe und bevorstehender Lebenslauf, SW I/4, S. 980 f.<br />

Der Rabe XII, S. 116.<br />

F. de la Motte Fouqué, Alethes von Lindenstein, S. 142.<br />

K. Kerényi, <strong>Die</strong> Mythologie der Griechen, Bd. I, S. 71 und Bd. II, S. 24 f.<br />

Ovid, Metamorphosen, II, V. 319 ff.<br />

Ebd., V. 364 f.<br />

Vgl. K. Kerényi, <strong>Die</strong> Mythologie der Griechen, Bd. I, S. 153-155.<br />

Aus ähnlichen Motiven heraus wird Waiblinger seinen Hölderlin-Roman Phaeton<br />

betitelt haben.<br />

K. Kerényi, <strong>Die</strong> Mythologie der Griechen, Bd. I, S. 48.<br />

Vgl. J. G. Schnabel, Wunderliche Fata einiger Seefahrer, Bd. II, S. 213 ff. Der<br />

Auszug in DYA, S. 73 ff. unterschlägt (ohne Kennzeichnung) alles, was sich nicht mit<br />

dem Bild des Schreckensmannes vereinbaren läßt, so u. a. das Dankgebet des<br />

Flüchtlings Johann Ferdinand Kramer, vgl. S. 76 bzw. S. 218. Über mögliche<br />

autobiographische Parallelen ließe sich angesichts der dürftigen Fakten nur<br />

spekulieren, vgl. »Wu Hi?«, S. 205.<br />

F. de la Motte Fouqué, Alethes von Lindenstein, S. 132.<br />

Nachweis D. Kuhn, [Leviathan I], S. 10; vgl. F. de la Motte Fouqué, Der<br />

Zauberring, S. 371.<br />

F. de la Motte Fouqué, <strong>Die</strong> vier Brüder, S. 492.<br />

J. Paul, Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch, SW I/3, S. 927 und 942.<br />

A. Schopenhauer, PP II, SW 6, S. 321.


270.<br />

H. Heißenbüttel, Annäherung an Arno Schmidt, S. 693.<br />

T. W. Adorno, Ästhetische Theorie, S. 21.<br />

Ebd.<br />

E. T. A. Hoffmann, Meister Floh, SW V, S. 683 f.<br />

H. Thomé, Wissenschaft und Spekulation, S. 21.<br />

E. T. A. Hoffmann, <strong>Die</strong> Serapions-Brüder, SW IV, S. 55.<br />

A. Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß, Bd. I, S. 40, Nr. 77.<br />

J. Paul, Unsichtbare Loge, SW I/1, S. 222.<br />

A. Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß, Bd. III, S. 188.<br />

Brief an Zelter vom 18. 6. 1831.<br />

F. Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben, Werke I, S<br />

A. Schopenhauer, Der handschriftliche Nachlaß, Bd. III, S. 502.

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