Ausgabe 9 - IPOS
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Veränderungsmanagement in der Kirche als Leitungsaufgabe<br />
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Anteile der Mitarbeitenden nicht zu erreichen wäre.<br />
Durch sein Achten auf Befindlichkeit, sein Angestecktwerden<br />
mit Sorgen, Ängsten usw., Ärger,<br />
Entwertung, durch die Wahrnehmung der emotionalen<br />
Atmosphäre seiner Organisation “…kann der Führende<br />
mit seinem emotionalen Kanal ein sehr viel<br />
vollständigeres und zutreffenderes Bild über den emotionalen<br />
Stand seiner Organisation bekommen, als<br />
durch eine rein rationale Analyse” (a.a.O. 34 f.) 42 . Die<br />
Psychodynamik von Organisationen kann nur mit einer<br />
spezifischen “Haltung” erfasst und verarbeitet werden,<br />
wie ich sie oben zu beschreiben versucht habe<br />
(vgl. 3.1.1).<br />
Es würde in dem gegebenen Rahmen zu weit führen,<br />
die Mechanismen und Methoden noch eingehender<br />
vorzustellen, die anhand vielfältigen Materials in dem<br />
o.g. Sammelband erfahrungsgesättigt geschildert werden.<br />
Es soll der Hinweis genügen, dass über<br />
organisationstheoretische Kenntnisse und Fertigkeiten<br />
hinaus psychoanalytische Kenntnisse und Kategorien<br />
eine entscheidende Rolle beim Verständnis von<br />
und Umgang mit Veränderungsprozessen in Organisationen<br />
spielen und das die gruppenpsychologische<br />
Tiefendimension in solchen Prozessen sehr ernst zu<br />
nehmen ist.<br />
4. Evangelische Kirche ist Kirche der Veränderung<br />
“Wer verändern will, muss zuerst verstanden haben,<br />
warum die Dinge sind, wie sie sind. Er muss den Ursprung<br />
und die Funktion ihrer Stabilität und<br />
Beharrungskräfte begreifen” (Doppler 517). Die dieser<br />
Arbeit zu Grunde liegende These heißt, dass genau<br />
dieser Umgang mit Veränderung unmittelbar zur primären<br />
Aufgabe der Kirche gehört.<br />
Die evangelische Kirche ist diejenige Gestalt von Kirche,<br />
deren spezifischer Modernisierungsgewinn die<br />
theologische Erkenntnis ständiger Reformnotwendigkeit<br />
der Kirche ist. Dies ist keine etwa aus<br />
opportunistischen Modernitätsgründen von außen an<br />
die Kirche herangetragene zufällige Praxis, sondern<br />
diese Praxis verdankt sich der theologisch geleiteten<br />
Ausrichtung am Grund der Kirche: Kirche kann nur so<br />
ihrer “primären Aufgabe” gerecht werden, nämlich der<br />
Kommunikation des Evangeliums, indem sie dies<br />
unter jeweils veränderten Bedingungen in veränderter<br />
Gestalt tut. Die primäre Aufgabe bleibt stets die gleiche<br />
und steht auch nicht für etwaige Veränderungen<br />
zur Verfügung, die Gestalten und Instrumente, unter<br />
denen und mit denen Kirche diese Aufgabe bewältigt,<br />
ändern sich.<br />
Gleichwohl wird die evangelische Kirche durch das ihr<br />
inhärente Reformmodell in ständige Krisen getrieben,<br />
die sich an Grundentscheidungen über die jeweilige<br />
Ausrichtung von Veränderungen entzünden.<br />
4.1 Strittige theologisch-ekklesiologische Kernpunkte<br />
In den gegenwärtigen Reformbemühungen und Krisen<br />
der evangelischen Kirche spiegeln sich mehrere strittige<br />
theologisch-ekklesiologische Kernpunkte über die<br />
Ausrichtung von Theologie und Kirche wider, die sich<br />
vor allem auf die theologische Bestimmung des /innen-außen-Verhältnisses<br />
des Systems Kirche bzw.<br />
der Theologie beziehen. Dabei geht es jeweils um<br />
eine alternative Bestimmung folgender Relate:<br />
· Wie ist das Verhältnis von Theologie, Kultur und<br />
Wissenschaft zu bestimmen?<br />
· Welche Rolle spielen Theologie und Kirche im<br />
Kontakt zur gesellschaftlichen und sozialen Wirklichkeit?<br />
· Wie stellt sich Kirche in (impliziter) Beantwortung<br />
dieser Fragen als Institution in der Gesellschaft<br />
auf?<br />
Die Veränderungsfähigkeit und die Einschätzung von<br />
Veränderungsnotwendigkeiten für die Kirche hängen<br />
nämlich in hohem Maße davon ab, wie die primäre<br />
Aufgabe der Kirche gefasst wird: Im Folgenden wird<br />
über einige theologiehistorische Abbreviationen eine<br />
Rekonstruktion der Grundaufgabe der Theologie versucht<br />
anhand des /-innen-Außen-Verhältnisses des<br />
Systems Kirche bzw. Theologie zu ihrer Umwelt sowie<br />
anhand der Frage, wie die Funktion der Grenze<br />
gesehen und welche Bedeutung der Überschreitung<br />
von Grenzen beigemessen wird. Dabei wird die These<br />
verfolgt, dass Kirche deshalb eine für den Umgang mit<br />
Veränderungen in besonderer Weise prädestinierte<br />
Organisation ist, weil der Umgang mit Grenzen, die<br />
Achtung vor Grenzen und die Überschreitung von<br />
Grenzen zum Kernbestand theologischer Theorie gehört.<br />
Allerdings ist es fraglich, ob und inwieweit Kirche<br />
als Organisation und die einzelnen verantwortlichen