Ausgabe 9 - IPOS
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sondern welche die eigene Fremdheit gegenüber dem<br />
anderen ernst nimmt. “Wer Kontakt aufnimmt, erfährt<br />
die eigene und die Grenze der anderen; und nur wo<br />
Kontakt geschlossen wird, entsteht etwas Neues”<br />
(Schmidt / Berg 27 37 ). Ein Gottesverständnis, das<br />
sich nicht de facto einem hierarchischen und patriarchalischen<br />
Henotheismus aussetzt, wird in einer dynamischen<br />
Trinitätstheologie eine theo-logische Basis<br />
für den Umgang mit Grenzen finden, insofern Gott<br />
an sich selbst die lebenspendende Kraft ständiger<br />
und vielwegiger Grenzüberschreitung darstellt (vgl.<br />
unten Kap. 4.1.4).<br />
Veränderungen bringen Konflikte mit sich<br />
Grundsätzlich muss man feststellen, dass gerade<br />
Veränderungsprozesse, die Unruhe in gewohntes<br />
Handeln und gewohnte Konstellationen hineinbringen,<br />
die neue Kontakt- und Reibungsflächen schaffen, die<br />
hohe Energie erfordern, praktisch immer auch mit<br />
Konflikten in unterschiedlichen Konstellationen einhergehen<br />
38 . Deshalb haben alle methodisch geleiteten<br />
Formen von Umgang mit Konflikten, Konfliktschlichtung,<br />
Mediation usw. eine prominente Rolle im<br />
Leitungshandeln bei Veränderungsprozessen. “Das<br />
Leitungshandeln einer Organisation ist per<br />
definitionem mit Konfliktwahrnehmung, -diagnose und<br />
-handhabung befasst” (Schmidt / Berg 319). Doppler<br />
weist mit Recht darauf hin, dass die vorhandenen<br />
Energien konstruktiv genutzt werden müssen: “Es<br />
gilt, nach dem System des Judo die vorhandenen<br />
Kräfte zu erkennen und umzulenken, anstatt sie zu<br />
zerstören: mit der Energie zu gehen, nicht gegen sie”<br />
(Doppler 101, H.i.O. 39 ). In ähnlicher Weise führt<br />
Schettgen diese Vorstellung monographisch am Beispiel<br />
des Aikido für Konflikte in Organisationen aus<br />
(vgl. Schettgen).<br />
So kann es, wenn es gut geht, auch in Konflikten zu<br />
der so genannten “Triangulierung” kommen, wenn es<br />
gelingt, dass Konfliktparteien sich aus dem Clinch<br />
lösen und sich (wieder) der gemeinsamen primären<br />
Aufgabe zuwenden.<br />
Psychodynamik von Veränderungsprozessen<br />
Veränderungsprozesse in Organisationen sind nicht<br />
nur rational zu beurteilen. Die Beiträge zur<br />
“psychodynamische Organisationsberatung” des von<br />
Lohmer herausgegebenen Sammelbandes machen<br />
psychoanalytische Kategorien und Vorgehensweisen<br />
nicht nur für die individuelle Ebene, sondern gerade<br />
auch für die Ebene von Gruppen und Großgruppen<br />
fruchtbar; ähnliches gilt für Ansätze aus der Gestaltberatung.<br />
Veränderungen haben es immer mit Personen<br />
und Beziehungen zu tun. Es kommt auf die<br />
Wahrnehmung der Tiefendimension an (Lohmer 7).<br />
Sehr viele Wandlungsprozesse scheitern deshalb,<br />
“…weil der inneren Erfahrung des Wandels durch die<br />
betroffenen Menschen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt<br />
wurde” (Kets de Vries und Balazs, 163).<br />
Insofern tut “Veränderungsmanagement” gut daran,<br />
von vorneherein die Psychodynamik von<br />
Veränderungsprozessen in Betracht zu ziehen. Auf<br />
ein sensibles Wahrnehmen und auch Nutzen dieser<br />
Psychodynamik hin müssen die “Instrumente” ausgelegt<br />
sein, mit denen Veränderungen gestaltet werden<br />
sollen. Emotionale Erschütterungen als Lern- und<br />
Veränderungschance sind von großer Bedeutung.<br />
Sowohl Kampf- und Fluchtmechanismen als auch die<br />
Mechanismen von Widerstand und Übertragung spielen<br />
eine bedeutende Rolle in der Reaktion von Organisationen<br />
und ihrer Träger auf Veränderungsherausforderungen.<br />
So bewirken die oben skizzierten Ängste<br />
entsprechende Widerstände in Organisationen (vgl.<br />
Lohmer, 21 ff.; Doppler). Der Widerstand im psychoanalytischen<br />
Sinn zeigt dann allerdings auch, dass<br />
im System eine ernsthafte Auseinandersetzung mit<br />
den (geplanten) Veränderungen im Gang ist. Insofern<br />
ist Widerstand in diesem Sinn ein positives Zeichen<br />
für die Dynamik des Veränderungsprozesses. Er kann<br />
eine solche positive Wirkung allerdings nur dann entfalten,<br />
wenn die in solchen Veränderungsprozessen<br />
Verantwortlichen sensibel und kommunikativ mit den<br />
Widerständen umgehen 40 . Nur wenn die Widerstände<br />
durchgearbeitet werden, kann man auf ein positives<br />
Ergebnis hoffen – Garantien für das Gelingen von Prozessen<br />
dieser Art kann ohnehin niemand geben.<br />
Lohmer verweist auf die entscheidende Rolle von<br />
“Führenden” in Organisationen, die der Organisation<br />
als “Container” dienen, in das die Organisation und<br />
ihre Beteiligten unverarbeitete Elemente (Ängste,<br />
Konflikte usw.) projizieren können (vgl. Lohmer 33) 41 .<br />
Lohmer versteht die emotionale Wahrnehmungsaufgabe<br />
der Führungskraft in bestimmten (regressiven)<br />
Phasen der Großgruppendynamik – sie muss<br />
filtern wie eine semipermeable Membran (vgl. a.a.O.<br />
33) – als Entwicklungschance für die Organisation,<br />
die durch Appelle an die rationalen und erwachsenen