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Ausgabe 9 - IPOS

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

nehmen (vgl. Lohmer 35). Offene und aufrichtige Kommunikation<br />

ist das wichtigste Element in schwierigen<br />

Veränderungsprozessen: “…die für den Wandel verantwortlichen<br />

Führungskräfte (müssen) ihre Mitarbeiter<br />

mit Gestaltungsmacht ausstatten<br />

(‚Empowerment’), indem sie ihren Informationsstand<br />

voll mit ihnen teilen, Geheimhaltung vermeiden und<br />

Verantwortlichkeit delegieren” (Kets de Vries / Balazs<br />

179). Eine Organisation funktioniert nicht nach dem<br />

Leibnizschen Modell einer “prästabilierten Harmonie”,<br />

sondern es bedarf der ständigen Grenzüberschreitung<br />

in Gestalt von Kommunikation 25 .<br />

Pfarrer/-innen, Gemeindepädagog/-innen und viele<br />

andere Leitungsverantwortliche in Kirche und Diakonie<br />

sind in der Regel ziemlich gut ausgebildet für die Gestaltung<br />

individueller Kommunikationsprozesse. Es<br />

gilt, dieses Können in Veränderungsprozessen zu<br />

nutzen und zusätzlich auch auf die organisationale<br />

Ebene zu transferieren und anzuwenden. Das impliziert<br />

dann allerdings auch, diejenigen Instrumente zu<br />

nutzen, die für Kommunikationsvorgänge in Organisationen<br />

entwickelt wurden 26 . Sehr deutlich müssen<br />

Verantwortliche in kirchlichen Veränderungsprozessen<br />

Energie in die Kommunikationsaufgabe mit Mitarbeiter/-innen,<br />

Entscheidungsträger/-innen unter den<br />

Gemeindegliedern und ggf. auch einer weiteren Öffentlichkeit<br />

stecken. Nur so können bewusste oder<br />

unbewusste Blockaden vermieden und oft sogar eine<br />

Aktivierung erreicht werden. Als “bewährte Form” von<br />

Kommunikation in großen kirchlichen Veränderungsprozessen<br />

empfiehlt Baumfeld Monitoringprozesse,<br />

die allerdings als Instrument der Selbststeuerung eingeführt<br />

und vereinbart werden müssen, soll ihre Wirkung<br />

nicht kontraproduktiv sein (vgl. Baumfeld 21).<br />

Organisationsveränderungen in der Kirche als<br />

Kasualien behandeln<br />

Mitunter findet man sich auch in solchen Situationen<br />

wieder, in denen die finanziellen Notwendigkeiten –<br />

z.B. des Einsparens von Gebäuden, von Personal –<br />

tatsächlich das Hauptziel sind und bleiben. Hier geriete<br />

es zu blanker Ideologie, wollte man eine andere<br />

theologisch-ekklesiologische “Vision” oktroyieren. Es<br />

würde ohnehin nicht funktionieren. Gleichwohl ist es<br />

auch hier wichtig, unter den Bedingungen des Sparzwangs<br />

zum einen theologisch verantwortbare Ziele<br />

mit dem jeweiligen Veränderungsprozess zu verbinden<br />

und vor allem, diesen selbst seelsorgerlich zu<br />

gestalten. Jürgen Lehwalder hat sehr präzise darauf<br />

hingewiesen, dass Veränderungsprozesse in der Kirche<br />

als “Kasualie” zu behandeln sind 27 . Das heißt,<br />

dass die Verantwortlichen z.B. mit Abschieds- und<br />

Trauerprozessen genauso seelsorgerlich und rituell<br />

umgehen müssen wie sie es in der individuellen Begleitung<br />

Trauernder auch tun, also solche<br />

Veränderungsprozesse in einem präzise Sinn als eine<br />

Aufgabe geistlicher Leitung verstehen. Es handelt<br />

sich sozusagen um “rites de passage” für Organisationen.<br />

Auch hier geht es um die “Haltung” der Verantwortlichen,<br />

um die Frage, wie ein<br />

Veränderungsprozess überhaupt wahrgenommen<br />

wird 28 . Kets de Vries und Balazs beschreiben die<br />

emotionalen Stadien des Erlebens von Veränderungsprozessen<br />

durch Mitarbeiter/-innen ähnlich wie<br />

Verlusterfahrungen in Trauerprozessen und betonen,<br />

dass Entscheidungsträger diesem Prozess besondere<br />

Aufmerksamkeit widmen müssen:<br />

Erstarrung – Schock<br />

Verlangen / Suchen nach verlorener Person – Ungläubigkeit<br />

, Verleugnung des realen Geschehens<br />

Desorganisation und Verzweiflung – Aufgabe; alte<br />

Verhaltensmuster werden aufgegeben, Möglichkeiten<br />

eines neuen Gleichgewichts erkundet<br />

mehr oder weniger hoher Grad von Reorganisation –<br />

Realisierung einer neuen Identität. Umgestaltung der<br />

Welt der inneren Repräsentanzen. Zukunftsorientierung<br />

ermöglicht die endgültige Aufgabe der<br />

Denk-, Empfindungs- und Handlungsmuster der Vergangenheit<br />

(vgl. Kets de Vries / Balazs 171 ff.).<br />

Lehwalder betont, dass von dem Moment des<br />

Trauerns und Abschiednehmens nicht vorschnell auf<br />

die österliche “Auferstehungshoffnung” eingeschwenkt<br />

werden dürfe. Diese Sicht hat ihr Recht. Ich meine<br />

jedoch, dass wir es bei einem Veränderungsprozess<br />

einer Organisation wegen der Vielgestaltigkeit der<br />

beteiligten Personen, Gruppen und Funktionen vermutlich<br />

mit der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher<br />

Prozessstadien zu tun haben. Nicht alle auf einmal<br />

trauern, nicht alle trauern in gleicher Intensität usw.<br />

Dessen muss man sich bewusst sein, um diese<br />

Ungleichzeitigkeit auch produktiv nutzen zu können.<br />

Ich meine, dass ein Veränderungsprozess neben der<br />

Verarbeitung des Abschieds von liebgewordener Vergangenheit<br />

gleichzeitig zielgerichtete Energie nach<br />

vorne braucht, die sich an der Zukunft ausrichtet.

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