Haut und Trauma: Zur Geschichte der Verletzung* - Esther Fischer ...

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Haut und Trauma: Zur Geschichte der Verletzung * Esther Fischer-Homberger Was hat das Trauma mit der Haut zu tun? Nach heutigem Verständnis haben Haut und Trauma miteinander wenig oder nichts zu tun. Denn als ›Trauma‹ wird heute gemeinhin entweder das Psychotrauma bezeichnet oder aber die schwere Verletzung, im Rahmen derer allfällige Hautverletzungen, wenn sie nicht gerade großflächig sind, vernachläßigt werden können. Über Jahrhunderte jedoch sind ›HautundTrauma‹ eng assoziiert gewesen. 1 ›Trauma‹ heißt auf griechisch einfach ›Wunde‹. Und die ›Wunde‹ wurde immer wieder als »solutio continuitatis« oder »continui solutio«, (vgl. Hippokrates 1841, S. 203; Galenus 1821–1833, Bd 1, S. 238–239; Bd 7, S. 37–38; Bd 10, S. 160) als »Trennung des Zusammenhangs«, »solution de continuité« (Paré 1970, Bd 1, S.430; Fodéré 1820, S. 1), als »a breach made in the continuity« (Hunter 1794, S. 202; 1797, S. 24) verstanden, wozu implizit oder explizit die Durchtrennung der Haut gehörte. Mit dem Worte Wunden bezeichnet man die Zusammenhangstrennungen der weichen Partien in Folge von directer Einwirkung äußerer mechanischer Ursachen. Eben so nennt man auch Wunden der Knochen die Zusammenhangstrennungen des Gewebes dieser Organe, welche sich als unmittelbare Folge der Einwirkung eines stechenden oder schneidenden Instrumentes zeigen (…) (Sanson 1848, S. 399) Als ›dissolutio continuitatis‹ wird von Galen (Galenos von Pergamon, um 130 bis um 200 n. Chr.) bis Ambroise Paré (1510–1590) aber auch der ›Schmerz‹ beschrieben 2 . In der Beschreibung des Traumas, der Wunde, als einer ›dissolutio continuitatis‹, welche die Haut betrifft, scheint der alte ›Schmerz‹ mitverstanden – der * In: Günter H. Seidler; Wolfgang U. Eckart (Hg.): Verletzte Seelen. Möglichkeiten und Perspektiven einer his- torischen Traumaforschung, Psychosozial-Verlag, Giessen 2005, 57–83. Leichte Modifikationen/Korrekturen gegenüber dem Original. 1 »Verwundungen, Schläge treffen zunächst die Haut«, heißt es bei Grimm (1984) unter»Haut«. 2 »Douleur doncques est un sentiment triste et fascheux, fait ou par une alteration subite, ou par solution de continuité« (Paré 1970, Bd 3, S. 547; vgl. Galenus (1821–1833), Bd 1, S. 357; Bd 10, S. 852; Bd 12, S. 544–545; Fischer-Homberger 1997, S. 106– 107). 57

<strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung *<br />

<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

Was hat das <strong>Trauma</strong> mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> zu tun?<br />

Nach heutigem Verständnis haben <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> miteinan<strong>der</strong> wenig o<strong>der</strong> nichts<br />

zu tun. Denn als ›<strong>Trauma</strong>‹ wird heute gemeinhin entwe<strong>der</strong> das Psychotrauma bezeichnet<br />

o<strong>der</strong> aber die schwere Verletzung, im Rahmen <strong>der</strong>er allfällige <strong>Haut</strong>verletzungen,<br />

wenn sie nicht gerade großflächig sind, vernachläßigt werden können.<br />

Über Jahrh<strong>und</strong>erte jedoch sind ›<strong>Haut</strong>‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹ eng assoziiert gewesen. 1<br />

›<strong>Trauma</strong>‹ heißt auf griechisch einfach ›W<strong>und</strong>e‹. Und die ›W<strong>und</strong>e‹ wurde immer<br />

wie<strong>der</strong> als »solutio continuitatis« o<strong>der</strong> »continui solutio«, (vgl. Hippokrates 1841,<br />

S. 203; Galenus 1821–1833, Bd 1, S. 238–239; Bd 7, S. 37–38; Bd 10, S. 160)<br />

als »Trennung des Zusammenhangs«, »solution de continuité« (Paré 1970, Bd 1,<br />

S.430; Fodéré 1820, S. 1), als »a breach made in the continuity« (Hunter 1794, S.<br />

202; 1797, S. 24) verstanden, wozu implizit o<strong>der</strong> explizit die Durchtrennung <strong>der</strong><br />

<strong>Haut</strong> gehörte.<br />

Mit dem Worte W<strong>und</strong>en bezeichnet man die Zusammenhangstrennungen <strong>der</strong> weichen<br />

Partien in Folge von directer Einwirkung äußerer mechanischer Ursachen. Eben so<br />

nennt man auch W<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Knochen die Zusammenhangstrennungen des Gewebes<br />

dieser Organe, welche sich als unmittelbare Folge <strong>der</strong> Einwirkung eines stechenden<br />

o<strong>der</strong> schneidenden Instrumentes zeigen (…) (Sanson 1848, S. 399)<br />

Als ›dissolutio continuitatis‹ wird von Galen (Galenos von Pergamon, um 130 bis<br />

um 200 n. Chr.) bis Ambroise Paré (1510–1590) aber auch <strong>der</strong> ›Schmerz‹ beschrieben<br />

2 . In <strong>der</strong> Beschreibung des <strong>Trauma</strong>s, <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e, als einer ›dissolutio continuitatis‹,<br />

welche die <strong>Haut</strong> betrifft, scheint <strong>der</strong> alte ›Schmerz‹ mitverstanden – <strong>der</strong><br />

* In: Günter H. Seidler; Wolfgang U. Eckart (Hg.): Verletzte Seelen. Möglichkeiten <strong>und</strong> Perspektiven einer his-<br />

torischen <strong>Trauma</strong>forschung, Psychosozial-Verlag, Giessen 2005, 57–83. Leichte Modifikationen/Korrekturen<br />

gegenüber dem Original.<br />

1 »Verw<strong>und</strong>ungen, Schläge treffen zunächst die <strong>Haut</strong>«, heißt es bei Grimm (1984)<br />

unter»<strong>Haut</strong>«.<br />

2 »Douleur doncques est un sentiment triste et fascheux, fait ou par une alteration subite,<br />

ou par solution de continuité« (Paré 1970, Bd 3, S. 547; vgl. Galenus (1821–1833),<br />

Bd 1, S. 357; Bd 10, S. 852; Bd 12, S. 544–545; <strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S. 106–<br />

107).<br />

57


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

physische Schmerz zunächst, den lokalisierend wahrzunehmen die <strong>Haut</strong> ja<br />

spezifisch geeignet ist (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1998). Aber in <strong>der</strong> antiken ›solutio<br />

continuitatis‹ bilden Leiden am Integritätsverlust <strong>und</strong> W<strong>und</strong>schmerz,<br />

psychische <strong>und</strong> physische Aspekte <strong>der</strong> Trennung eine Einheit, kann die<br />

konkrete W<strong>und</strong>e daher auch für die W<strong>und</strong>e im weitesten Sinne stehen.<br />

Demgegenüber haben sich in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne die <strong>der</strong> Chirurgie zugerechnete<br />

<strong>Trauma</strong>tologie <strong>und</strong> die Psychotraumatologie auseinan<strong>der</strong> entwickelt,<br />

wobei <strong>der</strong> populäre <strong>Trauma</strong>begriff heute eher für das Psychotrauma steht.<br />

Entsprechend gilt im späteren 20. Jahrh<strong>und</strong>ert als ›<strong>Trauma</strong>‹: Erstens das<br />

körperliche <strong>Trauma</strong> durch äußere Gewalteinwirkung, zweitens das psychische<br />

<strong>Trauma</strong>, hervorgerufen »durch ein – meist von inn. Triebspannungen<br />

bestimmtes – Erlebnis, (…) das vom Individuum nicht adäquat verarbeitet<br />

werden kann u. daher aus dem Bewusstsein verdrängt wird«. Die <strong>Haut</strong>verletzung<br />

kommt in diesem Lexikon als Nebenprodukt eines Spezialfalls von<br />

körperlichem <strong>Trauma</strong> vor: als »scharfes Tr. mit Kontinuitätstrennung des<br />

Integuments« (Real Lexikon <strong>der</strong> Medizin 1977). Das psychische <strong>Trauma</strong><br />

indessen geht sozusagen per definitionem nicht mit äußeren Spuren einher.<br />

Die alte Einheit von W<strong>und</strong>e, <strong>Haut</strong>verletzung <strong>und</strong> Schmerz<br />

»W<strong>und</strong>en«, lehrt <strong>der</strong> Klassiker <strong>der</strong> <strong>Trauma</strong>tologie, John Hunter (1728–1793),<br />

»sind Trennungen des Zusammenhangs, welche mehrentheils von <strong>der</strong> äussern<br />

Oberfläche anfangen, <strong>und</strong> sich von da einwärts erstrecken. Doch giebt es auch<br />

Fälle wo die Trennung von innen nach aussen geht, wie bei komplicirten Beinbrüchen«<br />

– die <strong>Haut</strong>läsion scheint hier selbstverständlich impliziert, Verletzungen,<br />

die mit <strong>der</strong> äußeren Luft nicht in Berührung kommen, nennt Hunter<br />

»accidents«. Sein Übersetzer, <strong>der</strong> Medizinprofessor Ernst Benjamin Gottlieb<br />

Hebenstreit (1758–1803) merkt dazu an: »zum Begrif einer W<strong>und</strong>e gehört noch<br />

meines Bedünkens dieses, daß sich dabei ein Ausfluß von Blut o<strong>der</strong> einer an<strong>der</strong>n<br />

dem Körper von Natur eignen Flüßigkeit findet« (Hunter 1797, S. 24–25;<br />

1794, S. 202–203; Sanson 1848, S. 400).<br />

1834 verweist auch Georg Friedrich Most’s Encyclopädie <strong>der</strong> gesammten<br />

medicinischen <strong>und</strong> chirurgischen Praxis von »<strong>Trauma</strong>, die W<strong>und</strong>e«, auf »Vulnus,<br />

<strong>Trauma</strong>, W<strong>und</strong>e«. Und dort heißt es:<br />

58<br />

Unter W<strong>und</strong>e verstehen wir eine jede durch äussere verletzende Werkzeuge,<br />

schneidende, hauende, stechende, durch geschossene Pfeile, Schrotkörner,<br />

Kugeln, gehacktes Eisen, Biss von Thieren etc. veranlasste Trennung <strong>der</strong><br />

Continuität (des Zusammenhanges) in den weichen Theilen des Körpers. (Most 1834,<br />

S. 602; 679–680)<br />

Durch »äussere verletzende Werkzeuge« wird die <strong>Haut</strong> notwendig mit verletzt.<br />

Auch in Johann Nepomuk Rusts Handbuch <strong>der</strong> Chirurgie von 1836 findet<br />

sich <strong>der</strong> Verweis vom Stichwort »<strong>Trauma</strong> (τραυµα)« auf »›Vulnus‹ (το<br />

τραυµα)«. »W<strong>und</strong>e«, steht dort,<br />

heißt eine Trennung des organischen Zusammenhanges, welche durch eine mechanisch<br />

wirkende Gewalt plötzlich hervorgebracht, <strong>und</strong> an <strong>der</strong> Oberfläche des Körpers<br />

wahrgenommen wird. Sobald irgend eine mechanische Verletzung organischer Theile<br />

nicht bis an die Oberfläche reicht, sobald sie z.B. mit unverletzter <strong>Haut</strong> besteht, kann<br />

sie demnach keine W<strong>und</strong>e genannt werden. Die Quetschung, bei welcher Blutgefäße<br />

o<strong>der</strong> Muskelfasern zerreißen, während die <strong>Haut</strong> unzertrennt bleibt, das Bersten <strong>der</strong><br />

Eingeweide <strong>und</strong> <strong>der</strong> Knochenbruch müssen deshalb von <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e ausgeschlossen<br />

werden. – Wird die Trennung des Zusammenhanges durch einen organischen<br />

krankhaften Proceß, wie durch die Verschwärung, allmählig herbeigeführt, so<br />

darf sie eben so wenig eine W<strong>und</strong>e genannt werden; <strong>und</strong> wird sie von chemisch wirkenden,<br />

äußeren Schädlichkeiten o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Hitze bewirkt, so schließt sie den Begriff<br />

<strong>der</strong> W<strong>und</strong>e ebenfalls aus. (Rust 1830–1836, Bd 16, S. 266; Bd 17, S. 432–433)<br />

Wenn ›<strong>Trauma</strong>‹ in den Handbüchern <strong>der</strong> Zeit kein eigenes Stichwort ist, ist<br />

es gewöhnlich unter ›W<strong>und</strong>e‹, ›plaie‹ o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen subsumiert. So zum<br />

Beispiel im Dictionaire des sciences médicales von 1812 3 ; auch in Prosch <strong>und</strong><br />

Ploss’ Encyklopädie von 1856 findet sich nur die »W<strong>und</strong>e (Vulnus)«: «die<br />

durch mechanische Gewalt plötzlich entstandene Trennung des Zusammenhangs«<br />

(Prosch & Ploss 1856, S. 873).<br />

Der konstitutiven Bedeutung <strong>der</strong> »Trennung des Zusammenhanges« für das<br />

›<strong>Trauma</strong>‹ entspricht die therapeutische Vereinigung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>rän<strong>der</strong>. Die Behandlung<br />

<strong>der</strong> W<strong>und</strong>en durch »vereinigende Binden, durch Heftpflaster <strong>und</strong> durch<br />

die blutige Naht« (Rust 1830–1836, Bd 17, S. 449, 451), <strong>und</strong> <strong>der</strong> »bandage unissant«<br />

(vgl. Fodéré 1820) gehört zur ureigensten w<strong>und</strong>ärztlichen Gestik. »Die<br />

(…) natürlichen Erscheinungen, unter denen die W<strong>und</strong>en heilen, <strong>und</strong> die Continuität<br />

hergestellt wird,« schreibt <strong>der</strong> Berliner Chirurg <strong>und</strong> Medizinalbeamte<br />

Johann Nepomuk Rust (1775–1840), »dienen dem W<strong>und</strong>arzte zur Richtschnur<br />

3 »plaie«; »traumatique, adj.«: »traumaticus (…) qui a rapport aux plaies« (vgl. Fodéré<br />

1820; Dictionaire des sciences médicales 1812–1822, Bd 55, 514).<br />

59


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

seines Handelns: er ist ein getreuer Diener <strong>der</strong> Natur in einem Geschäfte, von<br />

welchem sein ganzes künstlerisches Wirken seinen Namen herleitet, W<strong>und</strong>arzneikunst«<br />

(Rust 1830–1836, Bd 17, S. 449).<br />

Etwa von <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an erscheint die Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong><br />

kaum mehr als notwendiges Charakteristikum des <strong>Trauma</strong>s bzw. <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e.<br />

»Unter einer W<strong>und</strong>e«, heißt es 1856 bei Prosch <strong>und</strong> Ploss,<br />

60<br />

versteht man die durch mechanische Gewalt plötzlich entstandene Trennung des<br />

Zusammenhangs, entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>oberflächen allein, o<strong>der</strong> gleichzeitig, mit o<strong>der</strong><br />

ohne diese, einer grösseren o<strong>der</strong> geringeren Zahl <strong>der</strong> unter denselben liegenden Gebilde.<br />

»Durch stumpfe Gewalt, Quetschungen <strong>und</strong> Erschütterungen« herbeigeführte<br />

»W<strong>und</strong>en des Unterleibes« zum Beispiel »sind meist subcutane.« Dasselbe<br />

gilt für »W<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Gelenke«, etwa Verstauchungen: »dieselben bestehen in<br />

subcutanen Verletzungen <strong>der</strong> einzelnen (…) Partien« (Prosch & Ploss 1856, S.<br />

873–916). Hier wird also die W<strong>und</strong>e ohne Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>oberfläche eigens<br />

als ›subcutan‹ bezeichnet. In Amédée Dechambre’s (1812–1886) Dictionnaire<br />

Encyclopédique des Sciences Médicales findet sich 1885 die Formel »solution<br />

de continuité ou de contiguïté des tissus« (»Auflösung des Aneinan<strong>der</strong>grenzens<br />

<strong>der</strong> Gewebe«) (Forgue 1885, S. 41), womit wohl beides, die äußere <strong>und</strong> die innere<br />

Verletzung, erfasst werden soll.<br />

Die Trennung des Zusammenhangs von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong><br />

A. Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>grenze verän<strong>der</strong>t sich<br />

Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Lösung des Begriffs ›<strong>Trauma</strong>‹ aus seinem alten Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> bildet eine Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vorstellungen<br />

über Durchlässigkeit <strong>und</strong> Bedeutung von Grenzen. Im Lauf <strong>der</strong> Neuzeit, vor<br />

allem des späteren 18. <strong>und</strong> frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>erts verlieren Grenzen an Porosität<br />

<strong>und</strong> räumlicher Ausdehnung, die Grenzen zwischen ›Innen‹ <strong>und</strong> ›Außen‹<br />

werden <strong>und</strong>urchlässiger <strong>und</strong> linearer <strong>und</strong> was ›innen‹ liegt, gewinnt an Wert <strong>und</strong><br />

Bedeutung (Benthien et al. 1999, S.10; vgl. Duden 1987). Austausch <strong>und</strong> Kontakte<br />

zwischen den Bereichen geschehen zunehmend durch mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

kontrollierte, umschriebene Orte o<strong>der</strong> mehr o<strong>der</strong> weniger einseitig kontrolliert<br />

durch Auflösung, Durchbruch, Übergriff.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Medizin vollzieht sich diese Verän<strong>der</strong>ung an <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, <strong>und</strong><br />

äußert sich unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Verhältnisses zwischen <strong>der</strong><br />

so genannten ›Inneren‹ Medizin <strong>und</strong> <strong>der</strong> W<strong>und</strong>arzneikunst, die sich um die<br />

von außen gesetzten Beschädigungen des Körpers kümmert. Bis in die frühere<br />

Neuzeit sind ›Medizin‹ <strong>und</strong> ›Chirurgie‹ weitgehend getrennte Bereiche <strong>der</strong><br />

Heilkunst gewesen, die sich auch an sehr verschiedenen theoretischen Paradigmen<br />

orientiert haben. Die Medizin orientierte sich von alters her an <strong>der</strong> Humoralpathologie,<br />

Krankheit bestand für sie in einem Ungleichgewicht <strong>der</strong> Säfte,<br />

Therapie in einer Wie<strong>der</strong>herstellung des humoralen Gleichgewichts. Die Diagnostik<br />

dieser klassischen Säftemedizin stützte sich auf alles, was aus dem Leib<br />

nach außen floss – wie Urin o<strong>der</strong> Eiter – <strong>und</strong> auf das, was sich auf <strong>der</strong> hautigen<br />

Leibeshülle an Farben, Effloreszenzen, Neubildungen etc. ablesen ließ. Die<br />

Chirurgie hingegen orientierte sich anatomisch – die Anatomie des menschlichen<br />

Inneren gehört zur Evidenz, mit welcher sie umzugehen hatte, wenn die<br />

Leibeshülle verletzt war, <strong>und</strong> physiologische Überlegungen über die Funktion<br />

<strong>der</strong> anatomischen Strukturen schlossen sich daran notwendig an. Im Rahmen<br />

<strong>der</strong> gerichtlichen Medizin haben Medizin <strong>und</strong> Chirurgie in verschiedener Hinsicht<br />

früh ineinan<strong>der</strong>gespielt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Zeit von <strong>der</strong> Mitte des 18. bis zur Mitte<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden pathologische Anatomie <strong>und</strong> Physiologie zu gemeinsamen<br />

wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen von Chirurgie <strong>und</strong> Medizin. Damit<br />

kam es zu vermehrt anatomischem, auch pathologisch-anatomischem Denken<br />

in <strong>der</strong> Medizin <strong>und</strong> zu einer Annäherung von W<strong>und</strong>arzneikunst <strong>und</strong> Medizin –<br />

die Humoralpathologie wich <strong>der</strong> Solidarpathologie. Es wird in diesem Zusammenhang<br />

auch von <strong>der</strong> ›Chirurgisierung‹ <strong>der</strong> Medizin gesprochen. Chirurgie<br />

<strong>und</strong> Innere Medizin unterschieden sich somit vorwiegend noch durch die Art<br />

ihrer diagnostischen <strong>und</strong> therapeutischen Technik – während die Chirurgie mit<br />

dem, was unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> liegt, nach wie vor in verhältnismäßig direkten physischen<br />

Kontakt tritt, erschließt die Medizin das Innere vorwiegend indirekt.<br />

Mit <strong>der</strong> Idee, dass man auch bei unverletztem Körper, das heißt, ohne<br />

den Zusammenhang von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> tieferen Geweben trennen zu müssen, mithilfe<br />

<strong>der</strong> Auenbrugger’schen Perkussion (Leopold von Auenbrugger, 1761)<br />

etwas über das Körperinnere erfahren könne, hat die pathologisch-anatomisch<br />

f<strong>und</strong>ierte, solidarpathologische Diagnostik einen berühmten Anfang<br />

genommen. Das Perkutieren stellt bis heute eine <strong>der</strong> ärztlichsten aller Gesten<br />

dar, ähnlich sind das im frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert erf<strong>und</strong>ene Stethoskop<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Helmholtz’sche Stirnspiegel zu den charakteristischsten Attributen<br />

des Mediziners geworden (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S. 70–71).<br />

Von <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an eröffnete sich dann mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

von Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis die Perspektive des »Siegs« über Schmerz <strong>und</strong> Infektionsgefahr.<br />

Nunmehr konnte sich die Chirurgie als therapeutisches Pendant<br />

61


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

zum diagnostischen Eindringen ins Körperinnere wie nie zuvor entfalten. Um<br />

dieselbe Zeit beginnt sich auch die – vor allem <strong>der</strong> Schmerzdämpfung dienende<br />

– subcutane bzw. ›hypo<strong>der</strong>matische‹ Injektion, zu verbreiten (vgl. Schramm<br />

1987). Im Laufe dieser Entwicklung verlor <strong>der</strong> Unterschied zwischen offenen<br />

<strong>und</strong> geschlossenen Verletzungen rasch seine bisherige gr<strong>und</strong>sätzliche Bedeutung.<br />

4<br />

Die neue Möglichkeit, die <strong>Haut</strong> problemlos durchdringen zu können, brachte<br />

also einen – langhand vorbereiteten, nun aber auch in <strong>der</strong> Praxis leicht realisierbaren<br />

<strong>und</strong> realisierten – Bedeutungssturz <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>barriere mit sich. Diagnostik<br />

<strong>und</strong> Therapie legten ihre Invasionshemmung ab. Die <strong>Haut</strong> bildete für die Medizin<br />

fortan keine Grenze mehr zwischen Verborgenem <strong>und</strong> Wahrnehmbarem,<br />

ärztlichem Ich <strong>und</strong> dem Du <strong>der</strong> Kranken. Was <strong>der</strong> alte W<strong>und</strong>arzt bei schweren<br />

Verletzungen mit Entsetzen zu Gesicht bekam, ist unter <strong>der</strong> anästhesierenden<br />

<strong>und</strong> desinfizierenden Hand des Chirurgen <strong>und</strong> dem Röntgenblick <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

medizinischen Wissenschaft Oberfläche geworden – die mo<strong>der</strong>ne Medizin geht<br />

unter die <strong>Haut</strong> (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1998; Benthien 1998, S. 88–100).<br />

B. ›Schock‹ <strong>und</strong> ›Erschütterung‹ assoziieren sich dem ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

Für viele körperliche <strong>und</strong> psychische Störungen hat <strong>der</strong> ärztliche Blick unter<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> solide ursächliche Erklärungen gef<strong>und</strong>en. An<strong>der</strong>e hat er da vergeblich<br />

gesucht.<br />

Den Gerichtschirurgen war es lange schon bekannt gewesen, dass in<br />

die Folgen von Verletzungen Faktoren eingingen, die den Tätern nicht<br />

zugerechnet werden konnten <strong>und</strong> die sich aus den gegebenen Läsionen<br />

nicht erklären ließen. Vorbestehende Leiden, Disposition, Alter, klimatische<br />

Faktoren o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e spezielle Verhältnisse konnten, das wussten sie,<br />

den tödlichen Ausgang scheinbar geringfügiger Verletzungen bewirken.<br />

Allmählich wurde es sodann klar, dass auch die Traumen selbst Erscheinungen<br />

verursachen konnten, die sich pathologisch-anatomisch nicht erklären<br />

ließen. Deutsche Gerichtsmediziner zogen die Physiologie bei, diese zu verstehen:<br />

Kreislauf <strong>und</strong> Nervensystem konnten durch Verw<strong>und</strong>ungen offenbar<br />

schwer verstört werden, ohne dass davon irgendetwas organisch fassbar wurde.<br />

In <strong>der</strong> Gerichtsmedizin, <strong>der</strong>en Urteil gerade in kontroversen Situationen eingeholt<br />

wird, die daher an kritikfesten (in erster Linie naturwissenschaftlichen) Begründungen<br />

vital interessiert ist, finden sich die Entwicklungen <strong>der</strong> Gesamtmedizin<br />

oftmals vorweggenommen (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1983, S. 14, 298–299).<br />

4 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Eiter seinen vorantiseptischen Ruf als »Balsamus vulnerarius« (Most 1834,<br />

S. 682; vgl. Schlüter 2000, S. 134; vgl. Whipple 1963).<br />

62<br />

Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert emergierte, nunmehr außerhalb <strong>der</strong> gerichtlichen Medizin, <strong>der</strong><br />

Begriff des ›Schocks‹. Es war die gelehrte Chirurgie im Großbritannien <strong>der</strong> ersten<br />

industriellen Revolution, die den »Schock« – nicht nur im Sinn des Stoßes,<br />

son<strong>der</strong>n auch im Sinne einer verstörenden Erschütterung – in Gebrauch gebracht<br />

hat (Groeningen 1885, S. 3–6). Sie beschrieb damit nicht nur den traumatischen<br />

Schock, son<strong>der</strong>n auch manche physiologischen Kollapsphänomene infolge von<br />

Operationen – die ja allerdings im erweiterten Sinne ebenfalls »traumatisch«<br />

wirken. »Die einfachste Verletzung«, heißt es bei John Hunter,<br />

ist eine Art von Erschütterung. 5 Die einzige hier erscheinende Wirkung ist eine<br />

Schwäche <strong>der</strong> Thätigkeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Funktionen des Theils o<strong>der</strong> des Ganzen, <strong>der</strong>jenigen<br />

ähnlich, welche durch Quetschungen veranlasst wird, wo <strong>der</strong> Zusammenhang nicht<br />

gelitten hat. 6<br />

Das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert präzisiert die Lehre von <strong>der</strong> Erschütterung bzw. dem<br />

Schock, verallgemeinert sie <strong>und</strong> versucht, sie zu begründen. Dass beim Schock<br />

keine Unterbrechung <strong>der</strong> Kontinuität <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> vorliege, bleibt dabei als Selbstverständlichkeit<br />

unerwähnt – zwischen <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> Schock wird kein Zusammenhang<br />

angenommen. In Albert von Eulenburg’s Encyclopädie <strong>der</strong> Heilk<strong>und</strong>e<br />

stellt Simon Samuel, <strong>der</strong> Königsberger Dozent für allgemeine Pathologie <strong>und</strong><br />

Therapie, den »traumatischen Shock« als »Reflexparalyse« dar (Samuel).<br />

Er versucht den ›Schock‹ vom Begriff <strong>der</strong> ›W<strong>und</strong>e‹ loszulösen. Der Name<br />

»Schock«, schreibt er 1889, sei den »Bezeichnungen traumatischer Torpor,<br />

W<strong>und</strong>stupor, W<strong>und</strong>schreck entschieden vorzuziehen«. Er sei »von den Englän<strong>der</strong>n<br />

eingeführt für die nach schweren Verletzungen <strong>und</strong> Operationen eintretenden<br />

nervösen Zufälle, die mit dem Tode endigen können, ohne dass irgend eine<br />

ausreichende anatomische o<strong>der</strong> chemische Verän<strong>der</strong>ung nachweisbar wäre.«<br />

»Außer dem traumatischen Shock« fügt er später hinzu, »wird auch von einzelnen<br />

Autoren ein psychischer Shock statuirt. Dass zu den Neurosen, welche<br />

durch Emotion entstehen, auch eine Schrecklähmung gehört, selbst plötzlicher<br />

Tod durch Schreck, ist außer Frage« (Samuel 1889).<br />

5 Im Original: »a degree of concussion« (Hunter 1794, S. 192), wozu <strong>der</strong> Autor anmerkt:<br />

»Here I mean concussion as a general term, not confining it to the brain.«<br />

6 Es giebt vielerley Zufälle, welche den Beystand des W<strong>und</strong>arztes erfor<strong>der</strong>n aber nicht<br />

Krankheiten genannt werden können, weil sie von ausser dem Körper befindlichen<br />

Ursachen abhängen, <strong>und</strong> als Folgen einer ihm zugefügten Gewalt angesehen werden<br />

müssen, welche die Struktur <strong>der</strong> Theile gewissermassen abän<strong>der</strong>t, <strong>und</strong> die natürlichen<br />

Operationen unterbricht« (Hunter 1797, S. 4–5, vgl. auch S. 9; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

1975, S. 47–54).<br />

63


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

Tatsächlich ist <strong>der</strong> ›Schock‹ mit dem ›Schrecken‹ von Anfang an eng assoziiert<br />

gewesen. Auch in <strong>der</strong> ›Erschütterung‹ schwingt ja von vornherein die psychische<br />

Erschütterung mit. ›Psychisch‹ heißt aber immer: ohne bekanntes o<strong>der</strong><br />

sogar überhaupt ohne organisches Substrat. Mit dem psychischen Schock geht<br />

das <strong>Trauma</strong> also nicht nur unter die <strong>Haut</strong> in die Tiefen <strong>der</strong> Gewebe, son<strong>der</strong>n<br />

sogar jenseits aller körperlichen Hüllen.<br />

Gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts kam offenbar angesichts mancher Leiden,<br />

die beim besten Willen nicht körpermedizinisch erklärt werden konnten, sowie<br />

ange-sichts von Erfahrungen mit <strong>der</strong> Hypnose die Frage auf, ob <strong>der</strong> Psychogenie<br />

in <strong>der</strong> Medizin nicht ein legitimer Platz gebühre.<br />

C. Grenzüberschreitung <strong>und</strong> Betäubung<br />

Es waren jedoch zunächst nicht in erster Linie die zunehmend häufig, mit Vorliebe<br />

bei bürgerlichen Frauen festgestellten, vornehmlich als hysterisch diagnostizierten<br />

Leiden, die dem Konzept <strong>der</strong> Psychogenie Auftrieb gaben. Die Idee von traumatisch<br />

ausgelösten Beschädigungen ohne auffindbares körperliches Substrat – ›sine materia‹<br />

– ist im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert schon im Zusammenhang mit dem Aufkommen <strong>der</strong><br />

Eisenbahnen – bzw. <strong>der</strong> Eisenbahnunfälle – entwickelt worden.<br />

Unfälle waren nur eine Form von Unheil, welches die Eisenbahn, <strong>der</strong> fast<br />

mythische Inbegriff allen technischen Fortschritts im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, ebenso<br />

gefürchtet wie bejubelt, über die menschliche Gemeinschaft brachte. Mit ihrer<br />

Dampfentwicklung <strong>und</strong> ihrer unmenschlichen Geschwindigkeit galt die Eisenbahn<br />

auch als Ursache mannigfaltiger Krankheiten. Aber Unfälle – <strong>und</strong> solche<br />

passierten in den Anfängen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Eisenbahnfahrt häufig – waren<br />

eine ganz beson<strong>der</strong>s spektakuläre, mit ganz beson<strong>der</strong>em Entsetzen rezipierte Begleiterscheinung<br />

<strong>der</strong> neuen Technik. Und: in Rücksicht auf diese Situation waren<br />

sie die ersten versicherten Unfälle (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1972; vgl. Harrington<br />

2001, S. 34; Schäffner 2001, S. 81–82; Eghigian 2001, S. 98–99, 106).<br />

Mit <strong>der</strong> Einklagbarkeit von eisenbahn-unfallbedingten Beschädigungen kam es<br />

nun aber natürlich zu Klagen über alle möglichen Leiden, <strong>der</strong>en traumatische Ursache<br />

weniger sicher erschien als diejenige etwa einer W<strong>und</strong>e nach Schwerthieb. Das<br />

war insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Fall, nachdem das Buch des Londoner Chirurgen John Eric Erichsen<br />

(1818–1896) On railway and other injuries of the nervous system erschienen<br />

war (zuerst 1866 in London), welches die »Rückenmarkserschütterung« als häufige<br />

<strong>und</strong> hauptsächliche Folge von Eisenbahnunfällen deklarierte. Es gebe keine Unfälle,<br />

die einen <strong>der</strong>maßen heftigen Schock verursachten wie die Eisenahnunfälle,<br />

schrieb Erichsen. Und Schocks <strong>und</strong> Erschütterungen seien imstande, alle nervöse<br />

Kraft aus einem Menschen auszutreiben, gerade wie ein Hammerschlag alle<br />

64<br />

<strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

magnetische Kraft aus einem Magneten auszutreiben vermöge. Erichsen nahm an,<br />

dass <strong>der</strong> Rückenmarkserschütterung entzündliche Prozesse im Rückenmark <strong>und</strong><br />

seinen Häuten zugr<strong>und</strong>e lägen, <strong>der</strong>en Folgen – Schmerzen, Reizbarkeit, körperliche<br />

<strong>und</strong> geistige Schwäche aller Art – noch Jahre nach einem Unfall auftreten<br />

könnten. Die sichtbare Verletzung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, in welcher das ›<strong>Trauma</strong>‹, verstanden<br />

als ›W<strong>und</strong>e‹, über Jahrh<strong>und</strong>erte per definitionem bestanden hat, spielte bei diesen<br />

Leiden nun keine Rolle mehr. Das Rückenmark liegt tief unter <strong>der</strong> Oberfläche.<br />

Erichsen stellte fest, dass die Rückenmarkserschütterungen mit dem Aufkommen<br />

<strong>der</strong> Eisenbahnen häufiger <strong>und</strong> infolge von Entschädigungsklagen zu einem<br />

<strong>der</strong> häufigsten <strong>und</strong> kontroversesten Gegenstand gerichtsärztlicher Aufmerksamkeit<br />

geworden seien. Wiewohl er den Ausdruck Railway Spine, <strong>der</strong> eine nosologische<br />

Einheitlichkeit <strong>der</strong> krankhaften Erscheinungen nach Eisenbahnunfällen suggerierte,<br />

ausdrücklich ablehnte, kam es auf seine Publikation hin natürlich zu einer Welle von<br />

sehr überzeugten Entschädigungsklagen <strong>und</strong> entsprechend heftigen mediko-legalen<br />

Kontroversen (Erichsen 1867, S. 18–19; vgl. Harrington 2001, S. 40–47).<br />

Erichsens Annahme »entzündlicher Prozesse« im Rückenmark konnte nicht<br />

bestätigt werden, konnte die Eisenbahnärzte also nicht lange von <strong>der</strong> Entschädigungspflicht<br />

ihrer Arbeitgeber überzeugen. Ärzte, welche die Erichsen’sche<br />

Art von Unfallopfern vertraten, mussten sich neue körperliche Gr<strong>und</strong>lagen für<br />

<strong>der</strong>en Entschädigungsansprüche einfallen lassen. So ist die ›Railway-Spine‹ in<br />

<strong>der</strong> Folge rasch zum ›Railway-Brain‹, dann zum ›nervous shock‹, zur ›traumatischen<br />

Neurasthenie‹ <strong>und</strong> zur ›traumatischen Neurose‹ geworden. Alle diese<br />

Leiden waren aber vor Gericht <strong>der</strong> Simulation verdächtig – ihre angenommenen<br />

materiellen Gr<strong>und</strong>lagen waren die Rüstung, aber auch die Achillesferse<br />

ihrer ärztlichen Anwälte. Schließlich gaben diese gegen all ihre materialistische<br />

Ethik ihr Credo von <strong>der</strong> körperlichen Gr<strong>und</strong>lage aller Krankheiten, die diesen<br />

Namen verdienten – mindestens vorläufig – auf. Stattdessen entwickelten sie<br />

die Formel, was wie Simulation wirke, sei Symptom einer echten Neurose, allenfalls<br />

<strong>der</strong> »Simulationskrankheit« Hysterie (welche Charcot die »grande<br />

simulatrice« genannt hat), <strong>der</strong>en organische Basis eben durch die <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

verfügbaren Instrumente noch nicht o<strong>der</strong> überhaupt nicht nachweisbar<br />

sei, daher vor<strong>der</strong>hand am besten als »psychisch« verstanden werden könne.<br />

Sehr differenziert diskutiert Hermann Oppenheim (1858–1919) in seiner<br />

Schrift über Die traumatischen Neurosen (1889) die Frage nach <strong>der</strong>en Ursachen.<br />

Er meint, »dass nicht grob-anatomische <strong>und</strong> ebensowenig mikroskopisch<br />

nachweisbare Verän<strong>der</strong>ungen die Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong>selben bilden, son<strong>der</strong>n cerebrale<br />

functionelle Störungen, die ihren Sitz aller Wahrscheinlichkeit nach in<br />

<strong>der</strong> Großhirnrinde haben«. Aber das physische <strong>Trauma</strong> sei »für die Entstehung<br />

<strong>der</strong> Krankheit (…) nur zum Theil verantwortlich zu machen. Die Hauptrolle<br />

spielt das psychische: <strong>der</strong> Schreck, die Gemüthserschütterung« – »die seelische<br />

65


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Erschütterung« sei das wichtigste Moment. Dass die traumatogenen Lähmungen<br />

durch »eine directe moleculare Umlagerung« hervorgerufen würden, ist ihm vorstellbar.<br />

66<br />

Wahrscheinlicher ist es aber, dass diese peripherische Erschütterung sich sogleich<br />

auf die entsprechenden Nervencentren fortpflanzt <strong>und</strong> diese lähmt. Das Wesen dieser<br />

Lähmung besteht allem Anschein nach in dem Verlust <strong>der</strong> Erinnerungsbil<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Bewegungsvorstellungen.<br />

»Die Entstehung von Lähmungszuständen auf dem Wege <strong>der</strong> Vorstellung ist<br />

bereits den älteren Autoren bekannt gewesen, aber es ist das Verdienst Charcot’s,<br />

diese Lehre gründlich ausgebildet <strong>und</strong> experimentell gestützt zu haben«,<br />

schreibt Oppenheim (Oppenheim 1889, S. 86, 123–127; vgl. Lerner 2001, S.<br />

140–171).<br />

Tatsächlich hat Jean Martin Charcot (1825–1893), <strong>der</strong> Pariser »Papst <strong>der</strong><br />

Neurosen« das rein psychologische Konzept einer »Ideogenie« <strong>der</strong> traumatischen<br />

Neurose – die er als traumatische Hysterie auffasste – entwickelt. Er<br />

hat damit an die Hypnoseforschung seiner Zeit angeknüpft <strong>und</strong> dieser in <strong>der</strong><br />

Medizin zu einem respektablen Platz verholfen. Charcot war eigentlich ausgezogen,<br />

nach den neuropathologischen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ursachen <strong>der</strong> Hysterie<br />

zu suchen, die er auch gef<strong>und</strong>en zu haben glaubte. Aber in <strong>der</strong> rechtlich<br />

relevanten Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Entschädigungsberechtigung medizinisch<br />

schwer erklärbarer krankhafter Erscheinungen nach Unfällen erwiesen sich sogar<br />

seine Belege dafür als zu wenig tragfähig. So entwickelte er das Konzept, die<br />

traumatische Hysterie sei auf eine Idee, eine ›Ein-Bildung‹ <strong>und</strong> damit auf eine<br />

weiter nicht erklärungsbedürftige psychische Größe zurückzuführen. Charcot<br />

verglich den Zustand des Schocks – zum Beispiel nach Unfall – mit demjenigen<br />

<strong>der</strong> Hypnose. Diese hat er <strong>der</strong> Académie des Sciences schon 1882 als wissenschaftliche<br />

Methode anzuerkennen empfohlen. Er meinte, dass sich im Schock<br />

irgendwelche Ideen, vom »Ich« unkontrolliert, in <strong>der</strong> Psyche festzusetzen <strong>und</strong><br />

von da aus ihre Wirksamkeit zu entfalten vermöchten. So würde zum Beispiel<br />

die ängstliche Vorstellung, man sei infolge eines Eisenbahnunfalls gelähmt,<br />

eine reale Lähmung verursachen können. Im Zustand des Unfallschocks werde<br />

»jede (…) in das Gehirn eingeführte Vorstellung (…) von dem somnambulen<br />

Gehirn angenommen« <strong>und</strong> setze sich da »nach Art eines Parasiten« fest, »ohne<br />

von dem (…) betäubten Ich eine Anfechtung zu erfahren.«<br />

Ich behaupte also, es ist ein Akt <strong>der</strong> Autosuggestion, welcher unter den von mir<br />

angegebenen Bedingungen die hysterotraumatischen Lähmungen zu Stande<br />

kommen lässt (…) Dieser psychische Process bedarf einer gewissen Zeit zur<br />

Ausarbeitung, die ich auch als Inkubationszeit bezeichnet habe. 7 Dies ist die (…) psychologische<br />

Theorie, die ich für das Verständniss <strong>der</strong> localen hysterotraumatischen<br />

Lähmungen aufgestellt habe. Ich muss gestehen, ich halte etwas auf sie (Charcot 1892,<br />

S. 99–100).<br />

Charcots Plädoyer für die Anerkennung <strong>der</strong> Hypnose als wissenschaftliche<br />

Methode hat unter an<strong>der</strong>em den Philosophen Pierre Janet (1859–1947) zum<br />

Studium hypnotischer Phänomene angeregt. Janet hat schon als junger Lehrer<br />

nach einem wissenschaftlichen Zugang zu psychischen Leiden <strong>und</strong> psychischem<br />

Leben überhaupt gesucht <strong>und</strong> das Studium hypnotischer Phänomene erschien<br />

ihm als solcher geeignet. 1889 bildete er zusammen mit Liébeault, Bernheim<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en das Komitee eines Internationalen Kongresses für experimentellen<br />

<strong>und</strong> therapeutischen Hypnotismus. Die traumatische Ursache von Nervenleiden<br />

hat er schon in seiner philosophischen Dissertation (Janet 1889) thematisiert.<br />

Bei fast <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> r<strong>und</strong> 600 oftmals hysterischen PatientInnen, die er in<br />

seinen ersten vier Büchern beschreibt, findet er eine <strong>Trauma</strong>togenie <strong>und</strong> entwickelt<br />

eine entsprechende Psychologie. Er betrachtete die Dissoziation als<br />

zentralen Prozess in <strong>der</strong> Genese <strong>der</strong> posttraumatischen Symptomatik. Er meint,<br />

psychische Ges<strong>und</strong>heit habe mit <strong>der</strong> Fähigkeit zu tun, die eigene Erfahrung<br />

angemessen zu kategorisieren <strong>und</strong> zu integrieren (van <strong>der</strong> Kolk et al. 1996,<br />

S. 52; van <strong>der</strong> Kolk 1996, S. 285). Geschehnisse, die mit allzu heftigen Emotionen<br />

einhergingen, traumatische Erinnerungen könnten nirgends abgelegt<br />

werden, dissoziierten daher von Bewusstsein <strong>und</strong> willentlicher Kontrolle, spalteten<br />

sich ab – zu Janets Zeit war die »multiple Persönlichkeit«, von welchen<br />

später zunächst nur die gespaltenen Persönlichkeiten übriggeblieben sind, ein<br />

7 Hier notiert <strong>der</strong> Übersetzer Freud: »Dies ist die berühmte Theorie von <strong>der</strong> Entstehung<br />

hysterischer Lähmungen durch Autosuggestion, die Charcot zuerst in den ›Neuen<br />

Vorlesungen, 1886‹ ausgesprochen hat« (Charcot 1892, S. 100). In den französischen<br />

Vorlesungsnotizen kommen ›Parasit‹ <strong>und</strong> ›Inkubation‹ an <strong>der</strong> analogen Stelle<br />

interessanterweise nicht vor (Charcot 1887, S 114–115). Den Begriff <strong>der</strong> ›Inkubation‹<br />

verwendet Freud unter seinem eigenen Namen zuerst 1888 im Zusammenhang mit<br />

<strong>der</strong> hysterischen Lähmung nach Eisenbahntrauma (1888b, G.W. Bd 19, S. 85), wo er<br />

auch erstmals »den Ausdruck des Unbewussten in einer Weise benutzt, die den späteren<br />

psychoanalytischen Gebrauch ahnen lässt«, wie die Herausgeberinnen notieren.<br />

1895 schreibt Freud: »Charcot nannte dieses Intervall mit Vorliebe die ›Zeit <strong>der</strong> psychischen<br />

Ausarbeitung‹« (1895d, G.W. Bd 1, S. 195; vgl. 1939a, G.W. Bd 16, S. 171;<br />

vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 1999; 1971). Das Bild vom Parasiten findet sich beim frühen<br />

Freud wie<strong>der</strong>, wo bei Konversionen ein Erinnerungssymbol »nach Art eines Parasiten<br />

im Bewusstsein haust« (1894a, G.W. Bd 1, S. 63; Charcot 1892, S. 99).<br />

67


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

aktuelles <strong>und</strong> vieldiskutiertes Thema (vgl. Link-Heer 1996). Mit einem zusätzlichen<br />

Medizinstudium ausgerüstet, war dieser weitblickende <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche<br />

Gelehrte spezifisch geeignet, solcherlei psychologisch-philosophischen Ideen<br />

in die Medizin einzubringen. So wurden seine Lehren seinerzeit – zumal sich<br />

gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts das medizinische Interesse für neue Konzepte<br />

in <strong>der</strong> Psychotherapie auf einem Höhepunkt befand – weltweit zur Kenntnis<br />

genommen.<br />

Als Sigm<strong>und</strong> Freud (1856–1939) 1885/86 für vier Monate nach Paris kam,<br />

fand er da also, was <strong>Trauma</strong>, Neurosen, traumatische Neurosen, die Ätiologie<br />

<strong>der</strong> Neurosen <strong>und</strong> Psychologie betraf, eine höchst angeregte Atmosphäre<br />

<strong>und</strong> fortgeschrittenes Nachdenken vor. Zudem besuchte er dort die gerichtsmedizinischen<br />

Veranstaltungen des Paul Brouardel (1837–1906), <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Tradition seines Vorgängers Misshandlung <strong>und</strong> Missbrauch von Kin<strong>der</strong>n zum<br />

Thema gemacht hatte. Im Rahmen seiner Suche nach <strong>der</strong> allgemeinen Ätiologie<br />

<strong>der</strong> Neurosen hat Freud dann den Eisenbahnunfall durch das sexuelle <strong>Trauma</strong><br />

ersetzt <strong>und</strong> die Idee <strong>der</strong> wesentlich psychischen <strong>und</strong> traumatischen Ursache <strong>der</strong><br />

Neurosen generalisiert. »Meine dreizehn Fälle von Hysterie«, schreibt er 1896<br />

in einer ersten Entdeckerfreude,<br />

68<br />

waren durchwegs von schwerer Art, alle mit vieljähriger Krankheitsdauer, einige nach<br />

längerer <strong>und</strong> erfolgloser Anstaltsbehandlung. Die Kin<strong>der</strong>traumen, welche die Analyse<br />

für diese schweren Fälle aufdeckte, mussten sämtlich als schwere sexuelle Schädigungen<br />

bezeichnet werden; gelegentlich waren es geradezu abscheuliche Dinge (1896b,<br />

G.W. Bd 1, S. 381)<br />

Die Annahme, dass es sich dabei um den Missbrauch von Mädchen o<strong>der</strong> Knaben durch<br />

männliche Täter handelt (worauf sich Freud offiziell keineswegs festlegt – nur in einem<br />

Brief an Fliess redet er davon, »dass in sämtlichen Fällen <strong>der</strong> Vater als pervers beschuldigt<br />

werden musste, mein eigener nicht ausgeschlossen« [Masson 1984, S. 114]), evoziert<br />

zunächst Bil<strong>der</strong>, die alten W<strong>und</strong>en-Bil<strong>der</strong>n nicht unähnlich sind. Kin<strong>der</strong> werden beschädigt<br />

»von directer Einwirkung äusserer mechanischer Ursachen«, eine »äussere Gewalteinwirkung«<br />

– ein männliches Glied zum Beispiel – respektiert nicht die Grenze des kindlichen<br />

»<strong>Haut</strong>-Ichs« (Anzieu 1991). Vagina, Anus o<strong>der</strong> M<strong>und</strong> erscheinen in solchem Kontext<br />

als w<strong>und</strong>enartige Löcher im Körper. 8 Dem entspricht die Analogisierung von Penis<br />

8 Die Betrachtung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e als M<strong>und</strong> kommt in <strong>der</strong> alten Lehre von <strong>der</strong> ›cruentatio<br />

cadaverum‹ zum Ausdruck, welche besagt, dass die W<strong>und</strong>en Ermordeter in Gegenwart<br />

ihrer Verursacher neu zu bluten, sozusagen Blut zu reden anfingen (vgl.<br />

<strong>Fischer</strong>-Homberger 1983, S. 306–311; Benthien 1998, S. 117, 160). Interessant sind<br />

<strong>und</strong> Vagina mit Schwert <strong>und</strong> Schwertscheide, welche <strong>der</strong> patri-archalen Kultur in<br />

ihrem Zeugungsstress so nahe liegt. »Scheide« übrigens – zu »scheiden«, »spalten,<br />

trennen« – bezeichnete ursprünglich »eine Hülse aus zwei Holzplatten«, ein<br />

»gespaltenes Holzstück« – die Bedeutung ›weibliche Scham‹, heißt es in <strong>der</strong> Duden-<br />

Etymologie, habe das Wort im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert nach lateinisch vagina »Schwertscheide;<br />

weibliche Scham« erhalten (Drosdowski 1989). Ein W<strong>und</strong>encharakter des<br />

weiblichen Genitals zeigt sich auch in <strong>der</strong> dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert geläufigen Analogisierung<br />

des Blutes, das <strong>der</strong> Verletzung des Kriegers entfließt, mit demjenigen,<br />

das die Frauen monatlich <strong>und</strong> bei je<strong>der</strong> Geburt verlieren. Auch in <strong>der</strong> alten Idee,<br />

dass die Kirche »aus <strong>der</strong> Seite Christi kam, so wie Eva aus <strong>der</strong> Seite Adams« ist die<br />

Assoziation von männlicher W<strong>und</strong>e <strong>und</strong> weiblichem Geburtsweg enthalten (vgl.<br />

<strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S.163). Die Analogisierung männlicher Verletztheit mit<br />

<strong>der</strong> Anatomie des weiblichen Geschlechts lässt die Frau in männlicher Sicht als<br />

eine personifizierte W<strong>und</strong>e erscheinen.<br />

Wenn Freud den Gedanken <strong>der</strong> traumatischen Ätiologie <strong>der</strong> Hysterien weiterverfolgt<br />

hätte, hätte er vielleicht die Welt verän<strong>der</strong>t – wahrscheinlicher freilich ist,<br />

dass seine Psychoanalyse dann nicht weiter rezipiert worden wäre. So dürften wissenschaftspolitische<br />

Motive ihn mitbestimmt haben, die »<strong>Trauma</strong>-Hypothese« zugunsten<br />

<strong>der</strong> »Wunsch-Theorie« <strong>der</strong> Neurose zu verwerfen <strong>und</strong> sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e zu<br />

überzeugen, dass »die neurotischen Symptome nicht direkt an wirkliche Erlebnisse<br />

anknüpften, son<strong>der</strong>n an Wunschphantasien, <strong>und</strong> dass für die Neurose die psychische<br />

Realität mehr bedeute als die materielle« (1925d [1924]) G.W. Bd 14, S. 59–60).<br />

Die psychische Realität war damit von <strong>der</strong> äußeren »Wirklichkeit« dissoziiert, <strong>der</strong><br />

Zusammenhang zwischen ›innen‹ <strong>und</strong> ›außen‹ unterbrochen. Eine solche Dissoziation<br />

ist eine geläufige <strong>Trauma</strong>folge, das exogene <strong>Trauma</strong> aber in ein endogenes zu<br />

verwandeln, war ein theoriebildnerisches Kunststück, da das <strong>Trauma</strong> eigentlich per<br />

definitionem von außen kommt. Freud bewerkstelligte es unter an<strong>der</strong>em, indem er<br />

aus dem ›<strong>Trauma</strong>‹ den ›traumatischen Moment‹ werden ließ, den Augenblick, in<br />

dem <strong>der</strong> unlösbare Konflikt erlebt wird. »Dabei dehnte er die Bedeutung von ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

<strong>und</strong> ›traumatisch‹ bis an die Grenze des Vertretbaren aus«, schreibt May-<br />

[Tolzmann] dazu, »so daß das <strong>Trauma</strong> im Sinne des ›traumatischen Moments‹ zum<br />

in diesem Zusammenhang die Beobachtungen von M. Kütemeyer, welche findet,<br />

dass bei verborgenen psychischen <strong>Trauma</strong>ta die W<strong>und</strong>heilung oftmals unregelmäßig<br />

verläuft – verzögert zum Beispiel, o<strong>der</strong> unter überschießen<strong>der</strong> Narbenbildung. Kütemeyer<br />

hält »die jeweilige Offenheit o<strong>der</strong> Verschlossenheit des M<strong>und</strong>es (…), seine<br />

Fähigkeit o<strong>der</strong> Unmöglichkeit, bedrohliche Gefühle, Fantasien, Erinnerungen auszusprechen«,<br />

für eine <strong>der</strong> Bedingungen solcher Unregelmäßigkeiten. Offene W<strong>und</strong>en,<br />

schreibt sie, könnten sich schließen, »sobald (…) <strong>der</strong> M<strong>und</strong> sich öffnet« (Kütemeyer<br />

et al. 2003, S. 246).<br />

69


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Gegenteil dessen wurde, was man sich darunter eigentlich vorstellt, nämlich<br />

zu einem ausschließlich durch das intrapsychische Geschehen determinierten<br />

Faktor« (zuerst: 1894a, G.W. Bd 1, S. 64; May [-Tolzmann] 1996, S.<br />

49–56, spez. S. 53–54). Die <strong>Haut</strong>, die im körpernahen Denken Modell <strong>und</strong><br />

Basis <strong>der</strong> Grenze zwischen Diesseits <strong>und</strong> Jenseits, »Zu-mir-Gehörigem«<br />

<strong>und</strong> »Nicht-zu-mir-Gehörigem« stellt, ist damit außerhalb <strong>der</strong> psychoanalytischen<br />

Aufmerksamkeit gerückt, ebenso das hautverletzende <strong>Trauma</strong> –<br />

wie weggeblasen erscheint damit die Assoziation von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>.<br />

<strong>Zur</strong>ück bleibt ein psychoanalytisches Körperbild, das die Züge einer<br />

<strong>Trauma</strong>tisierung trägt: ein hochverletzlicher <strong>und</strong> verletzter Körper mit<br />

w<strong>und</strong>enartig empfindlichen Löchern <strong>und</strong> ohne eine <strong>Haut</strong>, die vermittelst<br />

ihrer unterschiedlichen Sinne für Wärme, Druck o<strong>der</strong> Schmerz verschiedene<br />

Grade von Nähe <strong>und</strong> Distanz differenziert wahrzunehmen <strong>und</strong> im Fall<br />

ihrer Verletzung sich zu regenerieren fähig ist. Ein Körper mit Löchern –<br />

M<strong>und</strong>, Anus <strong>und</strong>, bei <strong>der</strong> Frau, Geschlecht – um welche sich in Freuds<br />

psychologischem Modell die Psyche, ihre Entwicklung <strong>und</strong> das Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Geschlechter organisiert (vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S. 65),<br />

<strong>und</strong> mit einer <strong>Haut</strong>, die in Freuds Schriften vorwiegend überreizt, gerötet,<br />

verbrannt, verletzt, auch abgezogen, gedrückt, gekneipt, mit <strong>der</strong> Nadel<br />

gestochen, verdorben, weggerissen, schmerzhaft, hyper- <strong>und</strong> hypalgetisch<br />

<strong>und</strong> krank erscheint, wenn nicht als sexuell reizendes, lustbringendes <strong>und</strong><br />

sozusagen an beliebiger Stelle erregbares Organ. 9 Freud setzt den traumatisierten<br />

<strong>und</strong> leicht re-traumatisierbaren Körper offenbar als den normalen<br />

voraus. William Ronald Dodds Fairbairn (1889–1964) hat diesen Körper<br />

schon 1946 als »Ergebnis pathologischer Prozesse« bezeichnet.<br />

70<br />

Die Konzeption erogener Zonen basiert auf einer atomistischen o<strong>der</strong> molekularen<br />

Vorstellung vom Organismus (…) Einen normal funktionierenden Organismus<br />

kann man nur vom künstlichen Standpunkt wissenschaftlicher Analyse<br />

in getrennt wirkende Teile aufglie<strong>der</strong>n (…) 10<br />

9 Konkordanz zu den gesammelten Werken von Sigm<strong>und</strong> Freud (1995). Im Rahmen <strong>der</strong><br />

sado-masochistischen Abirrungen übernimmt »die <strong>Haut</strong>, die sich an beson<strong>der</strong>en Körperstellen<br />

(…) zur Schleimhaut modifiziert hat, also die erogene Zone κατ’εξοχην«,<br />

überhaupt die Rolle einer erogenen Zone (1905d, G.W. Bd 5, S. 84, 68–69).<br />

10 Hermann Schmitz würde hier von »Leibesinselschw<strong>und</strong>« sprechen (Schmitz 1965, S.<br />

25–28, 151–69; Fairbairn 1982, S. 66; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger 2004, S.80–81).<br />

Das Bild, welches Freud vom Integument des Körpers entwirft, ist nicht das<br />

eines multimodal fühlenden, empfindlichen, abwehr- <strong>und</strong> strapazierfähigen Organs,<br />

welches Kontakt <strong>und</strong> Abgrenzung reguliert, son<strong>der</strong>n das einer in Frage<br />

gestellten, wenn nicht – als erogene Zone – explizit zur Überschreitung einladenden<br />

Grenze. Wer so umhüllt ist, wird, wenn überhaupt, höchstens einen<br />

schmalen Bereich von Berührung we<strong>der</strong> als integritätsverletzend noch als isolierend<br />

erleben können.<br />

Freuds Blick ist eben in erster Linie auf die körperlichen <strong>und</strong> psychischen<br />

Gegenden gerichtet, die unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> liegen – dort, <strong>und</strong> nicht an <strong>der</strong> Oberfläche,<br />

sucht er die erste Wahrheit. Mit diesem Interesse für das Verborgene<br />

liegt er ganz im Enthüllungs- <strong>und</strong> Demaskierungstrend seiner Zeit, die von<br />

allem fasziniert ist, was unter <strong>und</strong> hinter Fassaden, Kulissen, Polsterungen,<br />

Klei<strong>der</strong>n, Schminken, Behauptungen, Oberflächen überhaupt liegt, die insgesamt<br />

bestrebt ist, die Strukturen unter <strong>und</strong> hinter Vorgezeigtem freizulegen (Ellenberger<br />

1970, S. 273–278; 537–540). Wie<strong>der</strong>holt hat Freud die psychoanalytische<br />

Arbeit mit dem archäologischen Schürfen nach Zeugen von Vergessenem<br />

verglichen (das bergmännische Fachwort ›schürfen‹ geht übrigens auf mittelhochdeutsch<br />

›schür[p]fen‹ zurück, das auch für das Ritzen <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> gebraucht<br />

wurde). Auch im kriminologischen Fahnden nach <strong>der</strong> versteckten Wahrheit<br />

wurzelt wohl Freuds penetrativer Blick. Tatsächlich gehörten gerichtspsychiatrisch<br />

interessierte Mediziner zu seinen wichtigen Lehrern: Jean Martin Charcot,<br />

Brouardel <strong>und</strong> Richard von Krafft-Ebing (1840–1902), <strong>der</strong> Verfasser gerichtspsychiatrischer<br />

Lehrbücher <strong>und</strong> Autor <strong>der</strong> Psychopathia sexualis (1886).<br />

Freuds Aufmerksamkeit auf alles, was unter <strong>der</strong> Oberfläche liegt, entspricht<br />

schließlich auch dem Stand <strong>der</strong> somatischen, speziell <strong>der</strong> Wiener Medizin<br />

seiner Zeit. Jenes Wien gilt als »die Wiege <strong>der</strong> Endoskopie« (Seydl 1997, S.<br />

35) – einer Diagnostik, die alle verfügbaren Löcher benützt, das Körperinnere<br />

den Sinnen unmittelbar zugänglich zu machen. So besehen kann Freud füglich<br />

als Entdecker <strong>der</strong> ›Psychoskopie‹ bezeichnet werden. Jenes medizinische Wien<br />

hat auch den Aufschwung einer Chirurgie gesehen, welche sich ab Mitte des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts dank Anästhesie <strong>und</strong> Antisepsis durch die <strong>Haut</strong>grenze kaum<br />

mehr am Eindringen in den Körper behin<strong>der</strong>t fand. In den 1870er <strong>und</strong> 1880er<br />

Jahren dringen Ch. A. Theodor Billroth (1829–1894) <strong>und</strong> seine Schüler erstmals<br />

in eine <strong>der</strong> großen Körperhöhlen vor, was eine spektakuläre Erweiterung<br />

des chirurgischen Handlungsradius bedeutete <strong>und</strong> die Chirurgie zur sozusagen<br />

inbegrifflichen Therapie aufsteigen ließ. Freud hat es daher nahegelegen, seine<br />

psychoanalytische Kur mit <strong>der</strong> Chirurgie zu vergleichen.<br />

Ich habe bei mir häufig die kathartische Psychotherapie mit chirurgischen<br />

Eingriffen verglichen, meine Kuren als psychotherapeutische Operationen<br />

71


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

72<br />

bezeichnet, die Analogien mit Eröffnung einer eitergefüllten Höhle, <strong>der</strong> Auskratzung<br />

einer kariös erkrankten Stelle u. dgl. verfolgt,<br />

schreibt er (1895d [1893–95] [Zusammen mit: Breuer, Josef], G.W. Bd 1, S.<br />

311) <strong>und</strong>: »Die psychoanalytische Behandlung ist einem chirurgischen Eingriff<br />

gleichzusetzen« (1916–17a [1915–17], G.W. Bd 11, S. 476–478). Eine<br />

abgebrochene Psychoanalyse vergleicht er mit einer unvollendeten Operation<br />

(1913c, G.W. Bd 8, S. 462) <strong>und</strong> in einem Fall sieht er pathogene Erinnerungen,<br />

die in einer Analyse nicht zum Vorschein gekommen waren, sich nachträglich<br />

abstoßen »wie Fäden nach einer Operation o<strong>der</strong> nekrotische Knochenstückchen«<br />

(1937c, G.W. Bd 16, S. 61; 1910d, G.W. Bd 8, S. 110; vgl. 1910a. [1909],<br />

G.W. Bd 8, S. 56–57; 1912e, G.W. Bd 8, S. 380–381; 1915a [1914], G.W.<br />

Bd 10, S. 320–321; 1926e, G.W. Bd 14, S. 265–266). Auch die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Lokalanästhesie ist eng mit Wien verb<strong>und</strong>en: 1884 hat <strong>der</strong> Augenarzt Carl<br />

Koller (1857–1944), damals noch in Wien, die lokalanästhetische Wirkung des<br />

Kokains definitiv entdeckt. Freud hat sich geärgert, dass nicht er, son<strong>der</strong>n Koller<br />

als »Entdecker <strong>der</strong> Lokalanästhesie durch Kokain, die für die kleine Chirurgie<br />

so wichtig geworden ist« in die <strong>Geschichte</strong> eingegangen ist. 11<br />

So verliert das Organ <strong>Haut</strong> für die psychoanalytische ›Tiefenpsychologie‹ –<br />

<strong>der</strong> Ausdruck stammt von Eugen Bleuler – ähnlich wie für die Chirurgie an Bedeutung.<br />

Kaum mehr ein Hin<strong>der</strong>nis auf dem Weg zur Tiefe wird sie zum kaum<br />

mehr relevanten, leicht zu lüftenden Schleier, <strong>der</strong> zur Ent-deckung <strong>der</strong> unter<br />

ihm verborgenen Schätze <strong>und</strong> Fürchterlichkeiten geradezu einlädt.<br />

Nachbil<strong>der</strong><br />

Im Lauf <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> W<strong>und</strong>e von <strong>der</strong> blutigen <strong>und</strong> schmerzenden<br />

Durchtrennung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> zum blut- <strong>und</strong> schmerzlosen psychischen <strong>Trauma</strong> hat<br />

sich die <strong>Haut</strong> dematerialisiert, nicht allerdings, ohne ihre Spuren zu hinterlassen.<br />

Vielleicht zählt eben die Assoziation von <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> zu den körperlich gespeisten,<br />

para- <strong>und</strong> transhistorischen Denkfiguren, die in den »›Tiefenstrukturen›<br />

anthropologischer Begriffsbildung <strong>und</strong> Konzeptualisierung« wurzeln. Derartige<br />

Tiefenstrukturen (Assmann) sind historischem Wandel wenig unterworfen, weil<br />

11 »Ich kann hier rückgreifend erzählen, dass es die Schuld meiner Braut war, wenn ich<br />

nicht schon in jenen jungen Jahren berühmt geworden bin. (…) Carl Koller (…) gilt<br />

(…) mit Recht als <strong>der</strong> Entdecker <strong>der</strong> Lokalanästhesie durch Kokain (…) ich aber habe<br />

mein damaliges Versäumnis meiner Braut nicht nachgetragen« (1925d [1924], G.W.<br />

Bd 14, S. 38–39; Freud 1884 [1884e]).<br />

sie sich »infolge einer dem Bewusstsein entzogenen ›Ressourcenkontinuität‹«<br />

– diesmal körperlicher Natur – so o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s immer wie<strong>der</strong> neu herzustellen<br />

neigen (Pouchelle 1983, S. 339, 157–159; Duden 1987, S. 53; Assmann 1996,<br />

S.155–156; <strong>Fischer</strong>-Homberger 1997, S. 146–147). Denn die <strong>Haut</strong> ist die nahe<br />

liegende physische Basis allen Begreifens von Grenze <strong>und</strong> Grenzverletzung.<br />

Jedenfalls durchzieht die Assoziation von ›<strong>Haut</strong>verletzung‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹<br />

– ›sine materia‹ allerdings – auch die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Psychotraumatologie. Sowohl<br />

Oppenheim 12 als auch Charcot 13 erwähnen ausdrücklich, dass die <strong>Trauma</strong>ta,<br />

welche den traumatischen Neurosen zugr<strong>und</strong>e liegen, die <strong>Haut</strong> nicht<br />

notwendig mit betreffen. Und beide Autoren bezeichnen Sensibilitätsstörungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> – namentlich Anästhesien, ein Erbstück <strong>der</strong> alten Hysterie – als<br />

typisch für die traumatogenen Neurosen (Oppenheim 1889, S. 91, 101; Charcot<br />

1992, S. 99–102). Hatte die Unterbrechung <strong>der</strong> Kontinuität des <strong>Haut</strong>gewebes<br />

an umschriebener Stelle akut geschmerzt, ging die Dissoziation von körperlicher<br />

Hülle <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong> mit typischen Sensibilitätsausfällen <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> einher.<br />

Interessanterweise erinnert auch Charcots durch den Schock betäubtes<br />

›Ich‹, welches seine Kontrollfunktion über den Austausch zwischen innen<br />

<strong>und</strong> außen nicht mehr wahrzunehmen vermag <strong>und</strong> daher eine krankmachende<br />

Idee wie einen Parasiten unkontrolliert ins Gehirn eindringen lässt, an eine<br />

betäubte <strong>Haut</strong>. Durch hypnotische Ausschaltung bestimmter Bewusstseinsteile<br />

sind ja übrigens Anästhesien seinerzeit auch gezielt herbeigeführt worden.<br />

Auch Janet’s ›Dissoziation‹ erinnert an die alte ›Trennung <strong>der</strong> Continuität‹.<br />

Um eine Trennung des Zusammenhanges geht es übrigens auch in <strong>der</strong> seinerzeitigen,<br />

ebenfalls in <strong>der</strong> Hypnoselehre wurzelnden Lehre von den (oftmals<br />

ebenfalls durch <strong>Trauma</strong> hervorgerufenen) multiplen Persönlichkeiten 14 ,<br />

ebenso später bei Constantin von Monakows (1853–1930) dem Schock verwandter<br />

Diaschisis (»Trennung in einzelne Teile durch Ausschaltung eines<br />

12 Oppenheim schreibt, es seien im Allgemeinen Ȋussere Verw<strong>und</strong>ungen gar nicht entstanden,<br />

o<strong>der</strong> sie sind so unbedeutend <strong>und</strong> oberflächlich, dass sie für die nervösen Folgeerscheinungen<br />

nicht verantwortlich gemacht werden können« (Oppenheim 1889,<br />

S. 86).<br />

13 »la production d’une contusion, d’une plaie, ou encore d’une commotion cérébrale<br />

proprement dite, ne sont pas des agents nécessaires pour faire apparaître le mal«<br />

(Charcot 1889, S. 30; vgl. Micale 2001).<br />

14 Link-Heer spricht im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Faszination, die seinerzeit von Spaltungsphänomenen<br />

ausging, von einer »interdiskursiv gesteigerten Aufmerksamkeit,<br />

die eine von Denormalisierungsangst ergriffene Kultur auf die Dynamik <strong>der</strong> hyperästhetischen<br />

o<strong>der</strong> anästhetischen (…) Nervenfunktionen richtet« (Link-Heer 1996, S.<br />

275; 1998, S. 172).<br />

73


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

dirigierenden Verbindungsgliedes«), welche Monakow übrigens mit <strong>der</strong> »›Sejunktion‹<br />

Wernicke« vergleicht. 15<br />

Bei Freud schließlich scheint <strong>der</strong> innerpsychische, als Ursprung <strong>der</strong> Scheidung<br />

zwischen dem Bewusstsein <strong>und</strong> dem Unbewussten imaginierte Verdrängungsmechanismus<br />

das Erbe <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> übernommen zu haben. So nennt Freud den Schmerz »das<br />

Vorbild <strong>und</strong> das erste Beispiel <strong>der</strong> psychischen Verdrängung« <strong>und</strong> »die Abwendung<br />

von <strong>der</strong> Erinnerung«, die bei <strong>der</strong> Verdrängung stattfindet, »eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong><br />

einstigen Flucht vor <strong>der</strong> Wahrnehmung«, <strong>der</strong> Wahrnehmung eines Schmerzes nämlich,<br />

welche die nociceptive Fluchtbewegung auslöst (1900a, G.W. Bd 2, S. 606).<br />

Als im Ersten Weltkrieg die ›traumatische Neurose‹ als ›Shell Shock‹, ›Kriegsneurose‹<br />

<strong>und</strong> ›Kriegshysterie‹ geradezu epidemisch auftrat, brach das exogene<br />

<strong>Trauma</strong> wie<strong>der</strong> in das psychoanalytische Bewusstsein durch. Gleichzeitig generierte<br />

die psychoanalytische Theorie ein neues <strong>Haut</strong>äquivalent, das nun wie<strong>der</strong><br />

seinen ange-stammten Ort zwischen einzelnen Individuen <strong>und</strong> ihrer äußeren Umgebung<br />

einnahm.<br />

Die Exogenie psychischer Kriegstraumata nicht anzuerkennen bedeutete zunächst<br />

entwe<strong>der</strong>, mit manchen patriotischen Militärärzten anzunehmen, Kriegsneurotiker<br />

seien Memmen <strong>und</strong> Drückeberger <strong>und</strong> reagierten hysterisch <strong>und</strong> zweckgerichtet<br />

(d.h. auch weibisch <strong>und</strong> simulationsnah) auf die Kriegssituation. O<strong>der</strong> es hieß,<br />

am endogenen Triebtrauma <strong>der</strong> klassischen Psychoanalyse festzuhalten. Das<br />

wäre gut möglich gewesen, wenn man die Existenz eines passiv-homosexuellen<br />

Wunsches, sich vom feindlichen Geschoß penetrieren zu lassen, angenommen<br />

hätte. Damit wäre die Kriegsw<strong>und</strong>e des Mannes nochmals mit dem weiblichen<br />

Introitus analog gesetzt gewesen <strong>und</strong> <strong>der</strong> gefallene Mann <strong>der</strong> gefallenen Frau. 16<br />

Diesen Gedanken hat Freud aber so wenig gepflegt wie er denjenigen des sexuellen<br />

Missbrauchs als Ursache von Hysterien weiterverfolgt hat. Hingegen hat<br />

er 1917 den »traumatischen Moment« zur »traumatischen Situation« erweitert,<br />

welche nun wie<strong>der</strong> deutlich mit äußeren Verhältnissen zu tun hatte. 17 Mit diesen<br />

hat er sich dann 1918 am Kongress <strong>Zur</strong> Psychoanalyse <strong>der</strong> Kriegsneurosen erstmals<br />

intensiv auseinan<strong>der</strong>gesetzt. Damals, wie vor allem dann 1920 mit seiner<br />

Arbeit zur Theorie Jenseits des Lustprinzips, hat er einige Vorschläge zur<br />

15 Monakow bezieht sich auf Carl Wernicke’s Gr<strong>und</strong>riss <strong>der</strong> Psychiatrie (von Monakow<br />

1905, S. 240–248 (Shock <strong>und</strong> Diaschisis), speziell S. 245, 247; vgl. <strong>Fischer</strong>-Homberger<br />

1972, S. 52.<br />

16 Malleier weist darauf hin, »dass bei den Soldaten ein Zusammenhang hergestellt wurde<br />

zwischen ›Tötungspotenz‹ <strong>und</strong> sexueller Potenz« (vgl. Malleier 1994, S. 213).<br />

17 »In ihren Träumen wie<strong>der</strong>holen diese Kranken regelmässig die traumatische Situation«<br />

(Freud, 1916–17a [1915–17], G.W. Bd 11, S. 283–284).<br />

74<br />

Rettung <strong>der</strong> Sexual- <strong>und</strong> Triebtheorie (<strong>und</strong> damit des Prinzips <strong>der</strong> Endogenie<br />

<strong>der</strong> Neurosen) gemacht, die ohne Rekurs auf ein homosexuelles Begehren <strong>der</strong><br />

Kriegsverletzten auskamen (<strong>Fischer</strong>-Homberger 1999, S. 281–285; 1975, S.<br />

151–159). Aber er konzedierte nun, dass bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Kriegsneurose<br />

eine äußere Einwirkung auf die Psyche wirksam werde. In diesem Zusammenhang<br />

führte er den Begriff des ›Reizschutzes‹ ein. Diesem, so lehrte er, komme<br />

die Aufgabe zu, übermäßige Erregung vom seelischen Apparat abzuhalten.<br />

Erregungen von außen, die stark genug sind, den Reizschutz zu durchbrechen, heissen<br />

wir traumatische. Ich glaube, dass <strong>der</strong> Begriff des <strong>Trauma</strong>s eine solche Beziehung<br />

auf eine sonst wirksame Reizabhaltung erfor<strong>der</strong>t. (…) Ich glaube, man darf (…) wagen,<br />

die gemeine traumatische Neurose als die Folge eines ausgiebigen Durchbruchs<br />

des Reizschutzes aufzufassen.<br />

Freud beschreibt den ›Reizschutz‹ als eine reizaufnehmende Rindenschicht,<br />

welche die lebende Substanz vor <strong>der</strong> mit erschlagenden Energien geladenen<br />

Außenwelt schützt. Und zwar, indem sie an ihrer äußeren Oberfläche »die dem<br />

Lebenden zukommende Struktur aufgibt, gewissermaßen anorganisch wird <strong>und</strong><br />

nun als eine beson<strong>der</strong>e Hülle o<strong>der</strong> Membran reizabhaltend wirkt, das heißt,«<br />

dass sie von den »Energien <strong>der</strong> Außenwelt« nur einen Bruchteil an die nächsttieferen,<br />

»lebend gebliebenen Schichten« weitergibt.<br />

Diese können nun hinter dem Reizschutz sich <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> durchgelassenen<br />

Reizmengen widmen. Die Außenschicht hat aber durch ihr Absterben alle tieferen vor<br />

dem gleichen Schicksal bewahrt, wenigstens so lange, bis nicht Reize von solcher<br />

Stärke herankommen, dass sie den Reizschutz durchbrechen. Für den lebenden Organismus<br />

ist <strong>der</strong> Reizschutz eine beinahe wichtigere Aufgabe als die Reizaufnahme,<br />

schreibt Freud. Die reizaufnehmende, lebendig gebliebene Substanz hat sich<br />

demgegenüber »in die Tiefe des Körperinnern zurückgezogen« 18 (1920g,<br />

G.W. Bd 13, S. 26–31). 1925 vergleicht er den Reizschutz mit dem Zelluloidblatt<br />

des sogenannten »W<strong>und</strong>erblocks«. Der W<strong>und</strong>erblock besteht aus einer<br />

dunkeln Wachstafel, einem darüberliegenden Seidenpapier <strong>und</strong> eben diesem<br />

strapazierfähigen durchsichtigen Deckblatt. Schreibt man, etwa mit einer<br />

18 Nur die Sinnesorgane hat sie sozusagen »an <strong>der</strong> Oberfläche (…) zurückgelassen.«<br />

Auch diese sind mit beson<strong>der</strong>en Vorrichtungen zum »Schutz gegen übergrosse Reizmengen<br />

<strong>und</strong> zur Abhaltung unangemessener Reizarten« ausgestattet, Fühlern vergleichbar,<br />

»die sich an die Aussenwelt herantasten <strong>und</strong> dann immer wie<strong>der</strong> von ihr<br />

zurückziehen« (Freud, 1920g, G.W. Bd 13, S. 27).<br />

75


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Stricknadel, auf dieses oberste Blatt, wird dadurch das Seidenpapier, welches<br />

direkter Berührung durch das Schreibwerkzeug nicht lange standhielte, auf die<br />

Wachstafel gedrückt, sodass <strong>der</strong>en Dunkel in <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Schriftzüge durch<br />

das feine Papier hindurch sichtbar wird. Indem man mithilfe eines am W<strong>und</strong>erblock<br />

angebrachten Hebels einen beweglichen feinen Trennstreifen zwischen<br />

Wachsschicht <strong>und</strong> Seidenpapier durchführt, löscht man die Schrift wie<strong>der</strong>. 19<br />

So gleicht also Freuds ›Reizschutz‹ einer <strong>Haut</strong> – einer harten, durchbruchsgefährdeten<br />

<strong>Haut</strong>, einer narbigen <strong>Haut</strong> im Gr<strong>und</strong>e, welche »die dem Lebenden zukommende<br />

Struktur« aufgegeben hat. Eine <strong>Haut</strong> auch, die nach außen notdürftig<br />

schützt, nach innen aber keine regulativen Funktionen erfüllt – »Reizschutz gibt es<br />

(…) nur gegen äußere Reize, nicht gegen innere Triebansprüche« (1926d [1925],<br />

G.W. Bd 14, S. 121). Freuds Reizschutz gleicht <strong>der</strong> äußersten, <strong>der</strong> »toten« Hornschicht<br />

<strong>der</strong> Epi<strong>der</strong>mis, wie sie die Dermatologie beschreibt (Brockhaus 2001).<br />

Die Verletzung des Reizschutzes geht mit Schmerz <strong>und</strong> Trennung einher – die<br />

alte »dissolutio continuitatis«, welche den ›Schmerz‹, aber auch die klassische<br />

›W<strong>und</strong>e‹ bedeutet. Schmerz sei, schreibt Freud, die »Reaktion auf den Objektverlust<br />

(…) Schmerz (…) entsteht, wenn ein an <strong>der</strong> Peripherie angreifen<strong>der</strong> Reiz<br />

die Vorrichtungen des Reizschutzes durchbricht« (1926d [1925], G.W. Bd.14,<br />

S. 160, 203–204). Entsprechend wirkt Freuds Beschreibung <strong>der</strong> Reaktionen auf<br />

einen solchen Durchbruch wie die Übersetzung von zellularpathologischen Beschreibungen<br />

von W<strong>und</strong>heilung <strong>und</strong> Entzündung ins Psychische 20 :<br />

76<br />

Und was können wir als die Reaktion des Seelenlebens auf diesen Einbruch erwarten?<br />

Von allen Seiten her wird die Besetzungsenergie aufgeboten, um in <strong>der</strong> Umgebung<br />

<strong>der</strong> Einbruchstelle entsprechend hohe Energiebesetzungen zu schaffen. Es wird eine<br />

großartige ›Gegenbesetzung‹ hergestellt, zu <strong>der</strong>en Gunsten alle an<strong>der</strong>en psychischen<br />

Systeme verarmen (1920g, G.W. Bd 13, S. 30)<br />

Der französische Psychoanalytiker Didier Anzieu hat – in seinem <strong>Haut</strong>-Ich (Le<br />

Moi-peau) – die Idee entwickelt, dass Freuds Reizwahrnehmungs-System an das<br />

19 »Immerhin erschient es mir jetzt nicht allzu gewagt, das aus Zelluloid <strong>und</strong> Wachspapier<br />

bestehende Deckblatt mit dem System W-Bw <strong>und</strong> seinem Reizschutz, die<br />

Wachstafel mit dem Unbewussten dahinter, das Sichtbarwerden <strong>der</strong> Schrift <strong>und</strong> ihr<br />

Verschwinden mit dem Aufleuchten <strong>und</strong> Vergehen des Bewusstseins bei <strong>der</strong> Wahrnehmung<br />

gleichzustellen (Freud 1925a [1924], G.W. Bd 14, S.7).<br />

20 Angefangen mit <strong>der</strong> 1914 nachgedruckten klassischen Arbeit des Virchow-Schülers<br />

Julius Cohnheim »Über Entzündung <strong>und</strong> Eiterung« aus dem Jahre 1867 (Virchow’s<br />

Archiv; vgl. Allgöwer 1956).<br />

reale Organ ›<strong>Haut</strong>‹ angelehnt sei (Anzieu 1991, S.110–117), womit er die<br />

körperliche Fantasie erfasst, die das Freud’sche Konzept offenbar speist –<br />

»dieses Kettenglied« jedoch »überspringt Freud«. Wenn Freud selbst eine<br />

organische Basis seines zwischen außen <strong>und</strong> innen eingeschalteten Systems<br />

imaginiert, liegt ihm die einer Rindenschicht des Bewusstseins, die mit dem<br />

›Ich‹ assoziierte Großhirnrinde, näher als die <strong>Haut</strong> – nochmals ein vor exogenen<br />

Reizen schützendes Konzept. »Die Embryologie als Wie<strong>der</strong>holung<br />

<strong>der</strong> Entwicklungsgeschichte zeigt auch wirklich, dass das Zentralnervensystem<br />

aus dem Ekto<strong>der</strong>m hervorgeht, <strong>und</strong> die graue Hirnrinde ist noch immer<br />

ein Abkömmling <strong>der</strong> primitiven Oberfläche <strong>und</strong> könnte wesentliche Eigenschaften<br />

<strong>der</strong>selben durch Erbschaft übernommen haben.« »Das Ich ist«,<br />

schreibt er 1923, »nicht nur ein Oberflächenwesen, son<strong>der</strong>n selbst die Projektion<br />

einer Oberfläche. Wenn man eine anatomische Analogie für dasselbe<br />

sucht, kann man es am ehesten mit dem ›Gehirnmännchen‹ <strong>der</strong> Anatomen<br />

identifizieren, das in <strong>der</strong> Hirnrinde auf dem Kopf steht« (1923b, G.W. Bd 13,<br />

S. 253–254). 21<br />

Rematerialisierung <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>? Rückgewinnung <strong>der</strong><br />

W<strong>und</strong>e?<br />

So sind von <strong>der</strong> alten, sinnfälligen Assoziation des <strong>Trauma</strong>s mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>verletzung<br />

sozusagen nur Schatten übrig geblieben, Leerstellen in einem<br />

Denken, welches von Sinnlichem weg abstrahiert. Ein wissenschaftliches<br />

Denken, welches ausschließlich die von bekannten naturwissenschaftlichen<br />

Gesetzen beherrschten Erscheinungen als Realitäten anerkennt, welches<br />

seinen Gegenstand isoliert, um ihn objektiv zu untersuchen, basiert auf <strong>der</strong><br />

zur Norm gewordenen Unterbrechung des Zusammenhangs zwischen dem<br />

wahrnehmenden Subjekt <strong>und</strong> dem Gegenstand seiner Wahrnehmung.<br />

Dass die Beziehung zwischen den Topoi ›<strong>Haut</strong>‹ <strong>und</strong> ›<strong>Trauma</strong>‹ also lange<br />

kaum mehr Gegenstand ärztlicher Aufmerksamkeit gewesen ist, hat es indessen<br />

nicht verhin<strong>der</strong>t, dass sie, <strong>der</strong> Wissenschaft sozusagen unbewusst, weiter bestanden<br />

hat. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, festzustellen, dass in<br />

21 »Diesem Text wurde seit 1927 mit Freuds Genehmigung in <strong>der</strong> englischen Version<br />

folgende Fußnote hinzugefügt: ›Das heisst, das Ich leitet sich letztlich von körperlichen<br />

Gefühlen ab, hauptsächlich von solchen, die auf <strong>der</strong> Körperoberfläche entstehen.<br />

Es könnte deswegen als eine psychische Projektion <strong>der</strong> Körperoberfläche angesehen<br />

werden <strong>und</strong> nicht nur, wie wir oben gesehen haben, als Darstellung <strong>der</strong> Oberfläche des<br />

psychischen Apparats‹« (SE, Bd. XIX, S. 26, zit. n. Anzieu 1991, S. 114).<br />

77


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, in welchen das <strong>Trauma</strong> aus verschiedenen<br />

Gründen neue Aktualität gewonnen hat, vielerorts auch wie<strong>der</strong> ein<br />

<strong>Haut</strong>bewusstsein erwacht ist, ohne dass diese Koinzidenz bislang als solche<br />

aufgefallen o<strong>der</strong> thematisiert worden wäre.<br />

In <strong>der</strong> angeregten Atmosphäre des Nachdenkens französischsprachiger Philosophen<br />

(vgl. Schmidgen 1999, S. 337–338) über Körper, Membranen <strong>und</strong> Grenzen<br />

ist 1985 auch Anzieus Le Moi-peau (Dt. 1991: Das <strong>Haut</strong>-Ich) herausgekommen.<br />

Das westliche Denken habe »Erkennen« allzulange mit dem Zertrümmern<br />

<strong>der</strong> Schale gleichgesetzt, schreibt <strong>der</strong> Psychoanalytiker. Das sei überholt, vielerorts<br />

werde neuerdings die zentrale Bedeutung <strong>der</strong> Grenzflächen erkannt. »Die<br />

Biologen haben ihr Interesse vom Zellkern auf die Zellmembran verlegt,« die<br />

Hirnrinde liege ja auch an <strong>der</strong> Peripherie – <strong>und</strong>: »hat nicht das Denken genausoviel<br />

mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> wie mit dem Gehirn zu tun?« Anzieu erachtet ein neues Grenzbewusstsein<br />

für gesamtkulturell dringend. »Wenn ich zusammenfassend die<br />

Lage <strong>der</strong> westlichen Län<strong>der</strong>, vielleicht sogar <strong>der</strong> ganzen Menschheit am Ende des<br />

zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts zu beurteilen hätte, so würde ich die Notwendigkeit<br />

unterstreichen, Grenzen zu setzen«, schreibt er, <strong>und</strong>:<br />

78<br />

Grenzen wie<strong>der</strong>herzustellen, Beschränkungen wie<strong>der</strong>einzuführen, bewohnbare Gebiete,<br />

in denen es sich auch leben lässt, festzulegen sind vordringliche psychische <strong>und</strong><br />

soziale Aufgaben; Beschränkungen <strong>und</strong> Grenzen, die gleichzeitig Differenzierung <strong>und</strong><br />

Austausch zwischen den auf diese Weise abgegrenzten Bereichen (wie die Psyche, das<br />

Wissen, die Gesellschaft, die menschliche Natur sie darstellen) ermöglichen (Anzieu<br />

1991, S. 17–21).<br />

»Dass das Thema <strong>Haut</strong> zur Zeit Konjunktur hat, ist bekannt«, schreibt Claudia<br />

Benthien, die eine erste integrative Studie zur Kultur- o<strong>der</strong> Literaturgeschichte<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong> publiziert hat. »Seit den 70er Jahren haben sich auch (…) Künstler, insbeson<strong>der</strong>e<br />

aber Künstlerinnen, mit <strong>der</strong> <strong>Haut</strong> auseinan<strong>der</strong>gesetzt« (vgl. Benthien<br />

1998, S. 13–14) – tatsächlich scheint die altgewohnte geschlechterpolitische<br />

Identifikation <strong>der</strong> Frau mit ihrer Körperlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Benutzeroberfläche<br />

Frauen speziell zu befähigen, Körperlichkeit <strong>und</strong> <strong>Haut</strong> auch intellektuell, historisch,<br />

reflektiert zu begreifen. 22 Auch Didier Anzieu scheint zu seiner Forschung<br />

nicht zuletzt von Annie Anzieu angeregt worden zu sein (Anzieu 1991, S.<br />

22, 170–171, 285–286, 298).<br />

22 Vgl. auch Dudens <strong>Geschichte</strong> unter <strong>der</strong> <strong>Haut</strong>, welche die <strong>Haut</strong> als solche allerdings<br />

weniger ins Zentrum stellt als die <strong>Geschichte</strong> von Körperverständnis <strong>und</strong> -erleben<br />

zwischen ›Innen‹ <strong>und</strong> ›Außen‹ (Duden 1987; vgl. Schmuckli 2001, spez. S. 91–116).<br />

Etwa zu <strong>der</strong>selben Zeit ist auch eine Welle von neuem Interesse für das<br />

psychische <strong>Trauma</strong> angerollt (im Zusammenhang mit dem ›KZ-Syndrom‹ <strong>und</strong><br />

diversen Kriegersyndromen, mit <strong>der</strong> Beschäftigung mit Folteropfern <strong>und</strong> einer<br />

breiten Reflexion <strong>der</strong> kulturellen Norm männlicher Gewalttätigkeit) (<strong>Fischer</strong>-<br />

Homberger 1999, S. 290–291). Diese Welle dürfte durch die aktuelle Kultur <strong>der</strong><br />

systematischen Grenzmissachtung fürs Erste freilich wie<strong>der</strong> gebrochen sein.<br />

Gewalt anästhesiert, die Hammernarkose funktioniert. Reduzierte Empfindlichkeit<br />

ist ein integrieren<strong>der</strong> Bestandteil <strong>der</strong> Maschinerie <strong>der</strong> Gewalt, befreit<br />

jedoch höchstens kurzfristig von Schmerz. Werden wir wie<strong>der</strong>um unsere Empfindlichkeit<br />

drangeben, damit uns nichts wehtut?<br />

O<strong>der</strong> werden wir einen Weg finden zwischen Unempfindlichkeit <strong>und</strong> Überempfindlichkeit,<br />

Wehleidigkeit <strong>und</strong> Quälerei? 23 Ist es möglich, vom Segen <strong>der</strong><br />

Schmerzbekämpfung Gebrauch zu machen, ohne den Schmerz zu verteufeln?<br />

Werden wir es schaffen, unsere empfindliche, auch schmerzempfindliche <strong>Haut</strong><br />

– die Basis <strong>und</strong> Verkörperung <strong>der</strong> Idee von Grenze – wie<strong>der</strong> mehr zu spüren?<br />

Literatur<br />

Allgöwer, M. (1956): The Cellular Basis of Wo<strong>und</strong> Repair. Springfield/Illinois (Charles<br />

C Thomas).<br />

Anzieu, D. (1991): Das <strong>Haut</strong>-Ich. Übers. v. Korte, M. & Lebourdais-Weiss, M.-H.,<br />

Frankfurt a. M. (Suhrkamp). (Orig.: Le Moi-peau, Paris 1985).<br />

Assmann, J. (1996): <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> des Herzens im Alten Ägypten. In: Berkemer, G. &<br />

Rappe, G. (Hg.): Das Herz im Kulturvergleich. (Lynkeus, Studien zur Neuen Phänomenologie;<br />

3). Berlin (Akademie Verlag), S. 143–172.<br />

Benthien, C. (1998): Im Leibe wohnen. Literarische Imagologie <strong>und</strong> historische Anthropologie<br />

<strong>der</strong> <strong>Haut</strong>. Berlin (Berlin Verlag).<br />

Benthien, C. & Krüger-Fürhoff, I. M. (1999): Vorwort. In: Benthien, C. & Krüger-Fürhoff,<br />

I. M. (Hg.): Über Grenzen. Limitation <strong>und</strong> Transgression in Literatur <strong>und</strong> Ästhetik.<br />

Stuttgart-Weimar (Metzler), S. 7–16.<br />

Brockhaus (2001): <strong>Haut</strong>. In: Brockhaus, die Enzyklopädie in 24 Bdn, Mannheim (Brockhaus),<br />

Bd 9.<br />

Charcot, [J.-M.] (1887): Leçons du Mardi à la Salpêtrière. 1887–1888, Notes de Cours<br />

de M.M. Blin, Charcot et Colin. Paris (Progrès Médical/Delahaye et Lecrosnier).<br />

23 Morris weist darauf hin, dass die klassische Hysterie des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts keineswegs<br />

zufällig sowohl mit Anästhesien als auch mit Hyperästhesien einherging (Morris<br />

1993, S. 115, 118).<br />

79


<strong>Esther</strong> <strong>Fischer</strong>-Homberger <strong>Haut</strong> <strong>und</strong> <strong>Trauma</strong>: <strong>Zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Verletzung<br />

Charcot, [J.-M.] (1889): Leçons du Mardi à la Salpêtrière. 1888–1889, Notes de Cours<br />

de MM. Blin, Charcot, Henri Colin. Paris (Progrès Médical/Lecrosnier & Babé).<br />

Charcot, J.-M. (1892) (1887–1888): Poliklinische Vorträge (Leçons du mardi), Bd I,<br />

Schuljahr 1887/88, übers. v. Freud, S., Leipzig-Wien (Deuticke).<br />

Dictionaire des sciences médicales (1812–1822), 60 Bde, Paris (Panckoucke).<br />

Drosdowski, G. (1989): Duden: Etymologie. Herkunftswörterbuch <strong>der</strong> deutschen Sprache.<br />

2., neu bearb. <strong>und</strong> erw. Aufl., Duden Bd 7, Mannheim-Leipzig-Wien-Zürich (Dudenverlag).<br />

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