PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Wer ist der optimale Kinderbeistand im<br />
Prozess?<br />
Das hängt von der Art des Prozesses ab,<br />
sowie vom Zeitpunkt in dem ich mit der<br />
Beistandschaft intervenieren muss. Der<br />
Vorteil der Anwälte liegt sicher in der<br />
Prozesserfahrung; allerdings ist das aber<br />
nur dann von Bedeutung, wenn es sich<br />
wirklich um ein streitiges Verfahren handelt.<br />
In Fällen, bei denen sich die Ehegatten<br />
einig sind und das Gericht dennoch<br />
der Meinung ist, eine Beistandschaft einzusetzen,<br />
beispielsweise um Fragen der<br />
Obhut oder der elterlichen Sorge abzuklären,<br />
ist aber die Prozesserfahrung nicht von<br />
grosser Bedeutung. Zumal sich das Gericht<br />
immer noch von Amtes wegen für das<br />
Kindeswohl einzusetzen hat. Daher bin ich<br />
der Auffassung, dass es nicht unbedingt<br />
Anwälte oder Anwältinnen braucht, vielmehr<br />
sind eben auch andere Berufsgruppen<br />
dazu geeignet, vorab wenn es nicht<br />
spezifisch juristische Fragen zu beantworten<br />
gibt. Im übrigen wird ja gerade derjenige<br />
Bereich von der Kinderbeistandschaft<br />
nicht erfasst, der eigentlich juristisch am<br />
schwierigsten ist, nämlich die Unterhaltsfrage.<br />
Ist denn die Unabhängigkeit eines von der<br />
VB vorgeschlagenen Beistands überhaupt<br />
gewährt?<br />
Es sollten ja alle Beteiligten im Interesse<br />
des Kindes tätig sein. Der Anspruch des<br />
Gerichts auf Unabhängigkeit dürfte unbestritten<br />
sein. Das Gleiche gilt meines Er-<br />
achtens auch für die VB, es ist ja letztlich<br />
eine Behörde. Und soweit der von der VB<br />
eingesetzte Beistand dem Kindeswohl verpflichtet<br />
ist, dürfte auch dessen Unabhängigkeit<br />
gesichert sein. Das Problem liegt<br />
wohl eher darin, dass möglicherweise<br />
nicht alle das Gleiche unter dem Kindeswohl<br />
verstehen. Daher scheint mir die Frage<br />
der Unabhängigkeit der Beistandschaft<br />
von der VB nicht zentral zu sein. Es könnte<br />
zudem sogar passieren, dass es zwischen<br />
dem Beistand und der Vormundschaftsbehörde<br />
zu einem Konflikt kommt, was<br />
kaum mehr im Interesse des Kindes liegen<br />
kann. Hier ist die Zusammenarbeit aller<br />
nötig.<br />
Der BAV führt eine Liste mit “Kinderanwälten“,<br />
die sich der einschlägigen Ausund<br />
Weiterbildung verpflichtet haben. Was<br />
halten Sie davon? Entspricht das allenfalls<br />
einem Bedürfnis der Gerichte?<br />
Das finde ich in jedem Fall sinnvoll. Es<br />
handelt sich hier zweifelsohne um eine etwas<br />
andere Aufgabe, als sie üblicherweise<br />
von der Anwaltschaft im Prozess wahrgenommen<br />
wird. Es ist auch eine andere<br />
Klientschaft. Man muss sich anders darauf<br />
einstellen, es sind ja auch andere Fragen<br />
zu beantworten. Normal sind eben<br />
nicht spezifisch juristische Fragen. Letztlich<br />
geht es um die Auslegung des unbestimmten<br />
Begriffes “Kindeswohl“. Eine<br />
spezifische Bildung finde ich in jedem Fall<br />
gut. Man sollte die Liste dann auch bekannt<br />
und – von Gerichten und der VB –<br />
davon Gebrauch machen.<br />
149