PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kindeswohls war schon bisher eine von Amtes wegen wahrzunehmende Aufgabe der<br />
Gerichte und wird es auch in Zukunft sein. Die Gerichte sind sich zudem an kontradiktorische<br />
Zweiparteienverfahren gewohnt. Eine zusätzliche Person, welche im Prozess<br />
eine Rolle spielt, die nicht in die übliche Rollenverteilung eingeordnet werden kann,<br />
macht das Verfahren schwerfällig, was nicht im Interesse der Gerichte, aber wohl auch<br />
nicht in demjenigen der Ehegatten als Hauptbeteiligten des Scheidungsverfahrens<br />
liegt. Wenn die Interessen der Kinder durch das Gericht über ihre Befragung oder<br />
durch Einholung eines Gutachtens, das ja auch dem Kindeswohl verpflichtet ist, genügend<br />
gewahrt werden können, macht es keinen grossen Sinn, das Verfahren mittels<br />
Errichtung einer Beistandschaft auszuweiten.<br />
Die Anordnung einer Kinderbeistandschaft kann jedoch durchaus auch für die Gerichte<br />
Vorteile bieten. Wenn die Kinderbelange von einer am Prozess beteiligten Person<br />
vertreten werden, wird das Gericht von der Aufgabe entlastet, selbst nach kindgerechten<br />
Lösungen zu suchen und dabei möglicherweise bereits vor dem Urteil für<br />
einen der Ehegatten Partei ergreifen zu müssen.<br />
Eine Umfrage bei den Scheidungsgerichten des Kantons Bern mit einer Rücklaufquote<br />
von über 80 % hat ergeben, dass bis Ende Juli 2000 im Kanton Bern bereits einige<br />
Kinderbeistandschaften angeordnet wurden, davon zwei durch den Referenten. Auch<br />
diejenigen Gerichte, die vom Institut bisher nicht Gebrauch gemacht haben, würden<br />
dies in bestimmten Fällen tun.<br />
Die in den Antworten auf die Umfrage erwähnten Konstellationen entsprechen weitgehend<br />
den im Gesetz (Art. 146 Abs. 2 Ziff. 1 und 3 ZGB) aufgeführten. Einerseits wird<br />
die Massnahme in besonders umstrittenen Fällen als angezeigt erachtet, wo die Gefahr<br />
besteht, dass die Kinder zwischen den Eltern aufgerieben und instrumentalisiert<br />
werden. Anderseits kann die Kinderbeistandschaft auch gerade dann sinnvoll sein,<br />
wenn sich die Eltern über die Kinderbelange einig sind, aber Zweifel beispielsweise an<br />
der Erziehungsfähigkeit des sorgeberechtigten Elternteils bestehen und<br />
Kindesschutzmassnahmen geprüft werden müssen.<br />
Die Einholung eines Gutachtens macht die Kinderbeistandschaft nicht unbedingt<br />
überflüssig. Oft zieht sich das Verfahren nach Vorliegen des Gutachtens noch einige<br />
Zeit in die Länge. Über die Beistandschaft kann sichergestellt werden, dass das Gericht<br />
auch in unstabilen Verhältnissen über die aktuellsten Informationen verfügt,<br />
wenn es schliesslich die Kinderbelange regelt. Diese Überlegung hat mit dazu geführt,<br />
dass der Referent in den erwähnten zwei Fällen eine Beistandschaft angeordnet hat.<br />
Die Anordnung der Beistandschaft oder die Ablehnung eines entsprechenden Antra-<br />
137