PDF, 430 KB - Bernischer Anwaltsverband
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Die Beistandschaft ist in ihrer Tätigkeit für das Kind nicht von Weisungen der Vormundschaftsbehörde<br />
abhängig, auch dann nicht, wenn die das Amt ausübende Person<br />
bei der Vormundschaftsbehörde angestellt ist 5 .<br />
Umstritten ist, ob das Kind der Beistandschaft Weisungen erteilen kann 6 . Nachdem<br />
das Institut ins Kindesrecht eingebettet ist, sollte wie für andere kindesrechtliche<br />
Aufgaben der Grundsatz gelten, dass auf die Meinung des Kindes Rücksicht genommen<br />
werden muss. Die Beistandschaft sollte aber letztlich doch so handeln, wie sie es<br />
nach bestem Wissen und Gewissen unter den vorgegebenen Rahmenbedingungen<br />
als im wohlverstandenen Interesse des Kindes erachtet. Es würde die Rolle der Beistandschaft<br />
im Prozess abwerten und wäre dem Kind wenig gedient, wenn die Beistandschaft<br />
verpflichtet wäre, dem Gericht unreflektierte und nicht realisierbare Anliegen<br />
des Kindes zu übermitteln. Das wohl primäre Kindesanliegen, nämlich dass die Eltern<br />
zusammen bleiben, ist im Scheidungsverfahren zum Vornherein nicht mehr zu verwirklichen.<br />
Die Bestimmungen von Art. 146 und 147 ZGB gelten nach der Gesetzessystematik für<br />
das Scheidungsverfahren. Einer analogen Anwendung in dem im gleichen Abschnitt<br />
des Gesetzes geregelten Abänderungsverfahren (Art. 134 ZGB) steht jedoch nichts<br />
entgegen. Unklar ist, ob eine Kinderbeistandschaft auch im Eheschutzverfahren angeordnet<br />
werden kann. Die Systematik des Gesetzes spricht eher dagegen. Andererseits<br />
werden gerade bezüglich der Kinderbelange die Weichen meist schon bei der<br />
Trennung und nicht erst bei der Scheidung gestellt. Zudem garantiert Art. 12 der<br />
UNO-Kinderrechtskonvention 7 dem Kind das Recht, in allen es berührenden Gerichtsoder<br />
Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch eine Vertretung oder<br />
eine geeignete Stelle angehört zu werden. Eine analoge Anwendung von Art. 146 und<br />
147 ZGB im Eheschutzverfahren ist somit nicht ausgeschlossen 8 und wurde im Kanton<br />
Bern in mindestens einem Fall bereits praktiziert.<br />
4. Anordnung einer Beistandschaft im konkreten Fall<br />
Zwingend ist die Anordnung einer Beistandschaft nur, wenn das urteilsfähige Kind<br />
dies verlangt. Diese Fälle dürften eher selten sein, besteht doch keine bundesrechtliche<br />
Verpflichtung, die urteilsfähigen Kinder auf dieses Institut aufmerksam zu machen 9 .<br />
Es wird deshalb in den meisten Fällen im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts<br />
stehen, ob es eine Beistandschaft anordnet oder nicht. Die Gerichte werden wohl eher<br />
zurückhaltend von diesem neuen Instrument Gebrauch machen. Die Wahrung des<br />
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