Ludwig Erhard –Anmerkungen zu einer Legendenbildung - Landbote

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Anmerkungen zu Ludwig Erhard 8 Ausarbeitung der Details den Deutschen zu überlassen sei. Darin sollte er sich allerdings gründlich irren. Der unter seiner Ägide 1947/48 ausgearbeitete Homburger Plan, der offizielle deutsche Währungsreformplan, wurde von den Alliierten nahezu vollständig übergangen. Erhard legte Anfang März 1948 den Vorsitz der Kommission nieder. Die deutschen Experten, die sich ohne Erhard von April bis Juni 1948 im „Konklave von Rothwesten“ an der organisatorischen und technischen Durchführung der Währungsreform für Westdeutschland beteiligten, glaubten anfänglich, deren inhaltliche Bestimmungen im Sinne des Homburger Plans beeinflussen zu können. Groß war deshalb die Ernüchterung auf deutscher Seite, als Tenenbaum einen zwischen den Alliierten ausgehandelten Entwurf zur Währungsreform sowie der entsprechenden Gesetze vorlegte, nach denen die Arbeiten zu gestalten waren. 37 . „Erhard erfuhr“, so der heutige Leiter des Museums „Währungsreform“, Bernd Niesel, „ vermutlich wie jeder andere Deutsche von der Einführung der DM durch den Rundfunk.“ Das hinderte Erhard allerdings nicht daran, sich selbst, den Orden des Vaters der DM an die Brust zu heften. Mit dem sicheren Gespür eines durchtriebenen Abstaubers, das ihm schon bei seiner Karriere unter den Nazis geholfen hatte, begrüßte er als erster Politiker die neue Währung in einer Rundfunkansprache, ohne mit einem Wort zu erwähnen, wie und durch wen sie zustande gekommen war. 38 Die von Erhard angeblich gegen den Willen der Amerikaner aufgehobenen Preiskontrolle kommentiert der ehemalige CIA-Mitarbeiter in der Wirtschaftsverwaltung der Militärregierung, Peter Sichel: „Erhard hätte ohne die Zustimmung der Amerikaner gar nichts durchsetzen können. Seine Rolle bei der Währungsreform war allenfalls zweitrangig“ ….und ein erklärter Feind der Gewerkschaften und Intellektuellen Als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft startete Erhard ab März 1948 seine wirtschaftsliberale Offensive. Er setzt auf ungebremste Marktwirtschaft. Die Preise steigen, die Verbrauchsteuern werden erhöht. Erhards Politik diente allein dem Ziel, die Kapitalbildung der Unternehmen zu fördern. Darin sah er den Königsweg zu dynamischem Wirtschaftswachstum. Die Kaufkraft der Bevölkerung wurde rasch abgeschöpft. "Das ist das praktische Resultat Ihrer Politik, dass Sie die Menschen zur Verzweiflung treiben durch das, was Sie Freiheit nennen", begründete der SPD-Abgeordnete Erwin Schoettle im Wirtschaftsrat den Antrag seiner Fraktion, Erhard aus dem Amt zu entlassen. Geschäftsboykotts und Massenkundgebungen erschütterten die Westzonen. Erhard jedoch weist die Kritik als "hysterisches Gekeife der Kollektivisten aller Sorten" zurück. Daraufhin riefen die Gewerkschaften am 12. November 1948 zum Generalstreik auf. Das Ziel: Schluss mit der Preistreiberei, Sturz des "Wirtschaftsdiktators". 39 Am 21.3.1962 verkündete Erhard seinen „Appell zum Maßhalten“ mit einer Rundfunkansprache. Er warnte vor einer angeblich aggressiven Lohnpolitik, die ein unverkennbares Dahinschwinden der internationalen Wettbewerbskraft unserer Wirtschaft zur Folge habe. Das hatte er unter dem Beifall seiner christdemokratisch-christsozialen Parteigänger schon eine Woche vorher im Bundestag behauptet. Die Stoßrichtung war klar: Es ging gegen die Gewerkschaften, gegen deren, wie der Wirtschaftsminister es sah, Machtgelüste. Gleichzeitig initiierte er das Berlinhilfegesetz, das Spekulanten durch Sonderabschreibungen traumhafte Gewinne bescherte. Berüchtigt ist sein „Pinscher-Zitat“ von 1965: „Da hört der Dichter auf, da fängt der ganz kleine Pinscher an“, mit dem er die Literaten, die zur Wahl der SPD aufgerufen hatten, beschimpfte, vor allem aber das Theaterstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth meinte, der damit die Zusammenarbeit von Vatikan und Nazis aufgedeckt hatte. 40 37 Jüdische Allgemeine vom 19.6 2008 38 „Unser Wirtschaftwunder – die wahre Geschichte“ ,Film von Christoph Weber ARD 15.07.2013 39 Handelsblatt, 25.06.06 „Der Tag X“ 40 Georg M. Haffner (Hrsg.) „Die Skandale der Republik“ Hamburg 1994 S. 87)

Anmerkungen zu Ludwig Erhard 9 Der Historiker Karl Heinz Roth kam schon 1995, nachdem er neu aufgefundene Schriften Erhards ausgewertet hatte, zu dem Ergebnis: „Der Erhard-Mythos ist ein Gemisch aus Verdrängung, Verschweigen, Schutzbehauptungen und Halbwahrheiten… „Sie.. (die aufgefundenen Dokumente) ..verweisen auf einen Ökonomen, der die Kriegswirtschaft der NS-Diktatur rückhaltlos bejahte und es sich zur Aufgabe machte, ihre Strukturen binnenwirtschaftlich und annexionspolitisch zu effektivieren“ 41 41 Karl Karlheinz Roth: „Das Ende eines Mythos… in’1999 Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahr- hunderts’ Ausgabe 4/95 S. 55 und 61

Anmerkungen <strong>zu</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Erhard</strong> 9<br />

Der Historiker Karl Heinz Roth kam schon 1995, nachdem er neu aufgefundene Schriften <strong>Erhard</strong>s<br />

ausgewertet hatte, <strong>zu</strong> dem Ergebnis: „Der <strong>Erhard</strong>-Mythos ist ein Gemisch aus Verdrängung,<br />

Verschweigen, Schutzbehauptungen und Halbwahrheiten… „Sie.. (die aufgefundenen Dokumente)<br />

..verweisen auf einen Ökonomen, der die Kriegswirtschaft der NS-Diktatur rückhaltlos<br />

bejahte und es sich <strong>zu</strong>r Aufgabe machte, ihre Strukturen binnenwirtschaftlich und annexionspolitisch<br />

<strong>zu</strong> effektivieren“ 41<br />

41 Karl Karlheinz Roth: „Das Ende eines Mythos… in’1999 Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahr-<br />

hunderts’ Ausgabe 4/95 S. 55 und 61

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