Ludwig Erhard –Anmerkungen zu einer Legendenbildung - Landbote
Ludwig Erhard –Anmerkungen zu einer Legendenbildung - Landbote
Ludwig Erhard –Anmerkungen zu einer Legendenbildung - Landbote
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Anmerkungen <strong>zu</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Erhard</strong> 5<br />
Eine s<strong>einer</strong> ersten Bemühungen als bayerischer Finanzminister war, seinen ebenfalls von den<br />
Amerikanern eingesetzten Staatssekretär Georg Fischer (KPD) 20 aus dem Amt <strong>zu</strong> treiben. Mit<br />
dem neuen Ministerpräsidenten Hoegner (SPD) verband <strong>Erhard</strong> eine tiefe Abneigung gegen die<br />
Gewerkschaften. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass im Wirtschaftbeirat des Ministeriums, weniger<br />
Vertreter der Arbeitnehmerorganisation als jene der Unternehmer Stimmrecht besaßen. Die<br />
Gewerkschaften boykottierten daraufhin das Gremium. 21<br />
Georg Fischer übergab dem Alliierten Kontrollrat in Berlin, Wilhelm Hoegner, <strong>Erhard</strong> und dem<br />
Gewerkschafter Gustav Schiefer eine Zusammenstellung von etwa dreißig im Wirtschaftsministerium<br />
tätigen ehemaligen Nazis. „Vom Blutordensträger des Hitlerputsches vom November<br />
1923 bis <strong>zu</strong>m Rüstungsbeauftragten der Hitlerschen Kriegswirtschaft war alles vertreten“, erinnert<br />
sich Fischer 22 Nach den Ermittlungen wurden 13 Personen, unter ihnen 10 leitende Beamte,<br />
sofort entlassen. Gegen 41 weitere wurden Verfahren aufgrund des „Gesetzes Nr. 104 <strong>zu</strong>r Befreiung<br />
von Nationalsozialismus und Militarismus“ vom 5. März 1946 eingeleitet. Von mehren<br />
Zeugen wurde ausgesagt, dass im Ministerium offene Stellen für Nazis freigehalten wurden und<br />
<strong>Erhard</strong> die Anweisung gab, deren Entlassung als Verset<strong>zu</strong>ng oder Pensionierung <strong>zu</strong> interpretieren.<br />
23 „Die Vorwürfe, die in der Öffentlichkeit gegen das Wirtschaftministerium erhoben wurden<br />
und unter anderem <strong>zu</strong> <strong>einer</strong> lebhaften Kontroverse zwischen dem früheren Wirtschaftsminister<br />
Dr. <strong>Ludwig</strong> <strong>Erhard</strong> und der Presse geführt hatten, haben sich als berechtigt erwiesen. Es war<br />
ein offenes Geheimnis, dass in den Räumen der Prinzregentenstraße…ein rückschrittlicher Geist<br />
herrschte, der von verschiedenen Personen in leitender Stellung gefördert wurde.“ 24<br />
Auf Antrag der SPD und veranlasst durch massive öffentliche Proteste, wurde am 31.Janur 1947<br />
eine Untersuchungskommission eingesetzt. Sie sollte Korruptionsfälle in <strong>Erhard</strong>s Ministerium<br />
überprüfen. Sie kommt <strong>zu</strong> einem vernichtenden Ergebnis: Zu den Korruptionsvorwürfen und<br />
Schiebereien in <strong>Erhard</strong>s Ministerium äußert Dr. Alois Schlögel (CSU) im Landtag: „<strong>Erhard</strong> hat<br />
in der Bayerischen Wirtschaftsverwaltung ein Chaos hinterlassen, in dem Milliardenwerte von<br />
Rüstungs- und Wehrmachtsgütern untergegangen sind....Seine Eignung als Minister ist gleich<br />
Null. 25<br />
Bei den Landtagswahlen am 1. Dezember 1946 errang die CSU die absolute Mehrheit. Für <strong>Erhard</strong><br />
ein Glücksfall, der ihn die peinliche Entlassung ersparte, da jetzt die Regierung ohne ihn<br />
neu gebildet wurde. Sein Nachfolger Rudolf Zorn beklagte, <strong>Erhard</strong> sei das Opfer eines ausufernden<br />
Denunziantentums geworden, eine Interpretation, die von der späteren Geschichtsschreibung<br />
oft ungeprüft übernommen wird. 26<br />
Doch <strong>Erhard</strong> sollte bald entschädigt werden. Einen Tag, nachdem er im Rundfunk seine Kritiker<br />
als „Verleumder, Ehrabschneider und Pharisäer“ bezeichnet hatte, wurde er am 7. November<br />
1947 vom Kultusminister, Alois Hundhammer, <strong>zu</strong>m Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre<br />
an der Universität München ernannt. Auch hier hatte der Opportunist vorgesorgt: Schon während<br />
s<strong>einer</strong> Fürther Zeit hatte er Kontakt <strong>zu</strong>m Kreis um den Nationalökonomen Adolf Weber aufgenommen.<br />
Weber, seit 1921 Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaft an der Münchner Universität,<br />
hatte die Nazi-Herrschaft problemlos überstanden und galt als konservativer und antikommunistischer<br />
Verfechter der „freien Marktwirtschaft“.<br />
20 Georg Fischer (KPD), ab 17. Januar 1946 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter <strong>Ludwig</strong> <strong>Erhard</strong>, Am 15.<br />
Juni 1946 wurde er wegen „ des illegalen Grenzübertritts in die sowjetische Besat<strong>zu</strong>ngszone“ von der Besat<strong>zu</strong>ngsbehörde<br />
<strong>zu</strong> 4 Monaten Gefängnis verurteilt und am 17. Juni entlassen. Fischer hatte mit anderen Parteimitgliedern<br />
an <strong>einer</strong> KPD Konferenz in Berlin teilgenommen.<br />
21 Mühle, Dieter: a.o.a.O. S.79<br />
22 Georg Fischer, Vom aufrechten Gang eines Sozialisten. Ein Parteiarbeiter erzählt, Berlin/Bonn 1979<br />
23 SOPADE Informationsdienst (Hrsg. SPD Parteivorstand) vom 27. 2.1947 Denkschrift Nr. 7 „Das bayerische<br />
Wirtschaftministerium unter Dr. <strong>Erhard</strong>“, zit. in Mühle a.o.a.O. S. 175<br />
24 „Die neue Zeitung“ München 6. Januar 1947<br />
25 Bernd Engelmann: „Wie wir wurden, was wir sind“ München 1982 S. 167 f.<br />
26 u.a. in Laitenberger, Volkhard, a.o.a.O. S. 52 f.