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Das Tier in der Religion, mit hundertzwei Abbildungen

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DAS TIER<br />

IN DER<br />

RELIGION<br />

VOK ERNST fXJHRMANN<br />

SBSSEBSSSSBBBBSS&BBBBS^<br />

VBRJLAiG GEOR.G ^^ ÜliliBB.


ERNST FUHRMANN / DAS TIER IN DER RELIGION


Relief des Heiligen Michael. Um 1467. Erfurt. Severikirche.


T<br />

ERNST FUHRMANN<br />

DAS TIER IN DER<br />

RELIGION<br />

MIT HUNDERTZWEI ABBILDUNGEN<br />

BEI GEORG MÜLLER MÜNCHEN IQ 22<br />

502306<br />

5. I so


COPYRIGHT MCMXXII BY<br />

GEORG MÜLLER VERLAG A. G. MÜNCHEN<br />

PRINTED IN GERMANY


DAS TIER IN DER RELIGION


Himmelswelt und <strong>Tier</strong>welt s<strong>in</strong>d die beiden<br />

Pole, zwischen denen sich e<strong>in</strong>st für die<br />

Menschen das Leben abgespielt hat. Soweit<br />

auch die Pflanze e<strong>in</strong>e Rolle spielte, war sie so<br />

lebendig gedacht, daß sie <strong>mit</strong> Bezug auf reli-<br />

giöse Vorstellungen <strong>in</strong> die <strong>Tier</strong>welt <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>ge-<br />

ordnet werden kann.<br />

Himmelswelt und <strong>Tier</strong>welt s<strong>in</strong>d die beiden be-<br />

deutendsten Faktoren, die ihre Formen für<br />

die religiösen Symbole abgegeben haben. Es<br />

wird trotzdem außerordentlich schwer se<strong>in</strong>,<br />

festzustellen, welche Bedeutung das <strong>Tier</strong> <strong>in</strong><br />

den religiösen Vorstellungen <strong>der</strong> Völker ge-<br />

habt hat, denn wir selbst s<strong>in</strong>d von den Be-<br />

ziehungen zum <strong>Tier</strong> losgelöst und wissen fast<br />

nichts mehr von <strong>der</strong> Gegenseitigkeit.<br />

<strong>Das</strong> wilde <strong>Tier</strong> aber war früher <strong>der</strong> ständige<br />

Begleiter und Gegner des Menschen. Se<strong>in</strong> Zu-<br />

sammenleben <strong>mit</strong> dem <strong>Tier</strong> vollzog sich durch-<br />

aus auf animistischer Basis.<br />

Es wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchmig<br />

nicht möglich se<strong>in</strong>, das ganze Gebiet erschöp-<br />

fend zu behandeln. Es soll also nur versucht<br />

werden, e<strong>in</strong>e klare Problemstellung herbeizu-<br />

führen und e<strong>in</strong>ige Lösungen zu geben, welche<br />

auf das Endgültige h<strong>in</strong>weisen.<br />

Die <strong>Tier</strong>e, über welche Betrachtungen ange-<br />

stellt werden sollen, möchte ich <strong>in</strong> drei Kate-<br />

gorien e<strong>in</strong>teilen:<br />

I. VORGESCHICHTLICHE TIERE. Hier<br />

wird es wesentlich se<strong>in</strong> zu prüfen, wie weit<br />

die Kulturmenschen, von denen wir Sprache,<br />

Berichte und Kunst kennen, noch Gelegen-<br />

heit gehabt haben, jetzt ausgestorbene <strong>Tier</strong>e,<br />

im beson<strong>der</strong>en Saurier, kennen zu lernen. Ich<br />

b<strong>in</strong> bestimmt <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, daß <strong>der</strong> Drache<br />

auf e<strong>in</strong> vorgeschichtliches <strong>Tier</strong> zurückgeht,<br />

was ich bei se<strong>in</strong>er Besprechung weiter aus-<br />

führen werde. Die sonstigen Sagentiere und<br />

ihre Verb<strong>in</strong>dungen <strong>mit</strong> Menschen sowie auch<br />

die Zwill<strong>in</strong>gsformen (Greif, Ziegenfisch <strong>in</strong> As-<br />

syrien, Sph<strong>in</strong>x, Kentaur und Phönix) schei-<br />

nen mir sämtlich <strong>in</strong>tellektuelle Konstruktio-<br />

nen.<br />

2. WILDE TIERE. Ihre ganze Reihe hier<br />

aufzuzählen sche<strong>in</strong>t mir überflüssig. Es ist<br />

klar, daß Elefant, Löwe und Tiger, Adler und<br />

Geier, Fuchs und Hase, Eule und Schildkröte<br />

die Beachtung verdienen, und um Wesentli-<br />

ches zu erreichen, werde ich mich auf e<strong>in</strong>e ge-<br />

r<strong>in</strong>ge Anzahl beschränken müssen. Für die wil-<br />

den <strong>Tier</strong>e o<strong>der</strong> besser gesagt für die wildleben-<br />

den gibt es wie<strong>der</strong>um zwei Gesichtspunkte.<br />

E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>d den Menschen diese <strong>Tier</strong>e we-<br />

gen ihrer magischen und dynamischen Wir-<br />

kung aufgefallen. An<strong>der</strong>erseits aber dadurch,<br />

daß sie e<strong>in</strong>e Lebensfunktion ausübten, die dem<br />

Menschen se<strong>in</strong>er Natur nach fremd war, wie<br />

z. B. die Fische durch ihr dauerndes Wasser-<br />

leben.<br />

3. DIE ZAHMEN ODER SPÄTER GE-<br />

ZÄHMTEN TIERE s<strong>in</strong>d selbstverständHch<br />

e<strong>in</strong>e ganz anthropomorphe Kategorie. Ihr Le-<br />

ben hat immer Bezug auf den Menschen. Ihr<br />

Leben ist das Symbol ganz entscheiden<strong>der</strong><br />

menschhcher Beziehimgen zum All. Und <strong>in</strong><br />

dieser weitesten Beziehung s<strong>in</strong>d die gezähm-<br />

ten <strong>Tier</strong>e alsdann <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> Göttern<br />

für uns dokumentiert.<br />

Wid<strong>der</strong> und Kuh, Hahn und Pferd, Himd und<br />

Katze werden <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht wesentlich<br />

zu betrachten se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e Untersuchung über <strong>Tier</strong> und <strong>Religion</strong><br />

wird nicht vorübergehen können an den Bil-<br />

<strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>kreise, die <strong>in</strong> sehr verschiedenen<br />

Formen über die ganze Erde verbreitet s<strong>in</strong>d.<br />

An dem Problem <strong>der</strong> Kalen<strong>der</strong>- o<strong>der</strong> Gestim-<br />

tiere wird aber vorläufig noch jede <strong>der</strong>artige<br />

Untersuchung scheitern, denn es wird für uns<br />

kaum möghch se<strong>in</strong>, zu erfahren, welche <strong>Tier</strong>e


jedes Volk gekannt hat und welche typische<br />

Wirkung jedes <strong>Tier</strong> auf die Völker gehabt hat.<br />

Wir wissen nicht, ob e<strong>in</strong>e Maus z. B. dem<br />

Volk, das sie im <strong>Tier</strong>kreis führt, begegnet <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Periode des <strong>in</strong>tensiven Ackerbaues, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> sie ihn schädigt und ihm e<strong>in</strong>en großen Teil<br />

se<strong>in</strong>er Ernte nimmt, o<strong>der</strong> ob er <strong>in</strong> ihr nur e<strong>in</strong><br />

fl<strong>in</strong>kes, sich ungeheuer vermehrendes <strong>Tier</strong> etc.<br />

sieht.<br />

Die weitere Untersuchung wird sich auf drei<br />

Gebieten bewegen müssen: <strong>Das</strong> <strong>Tier</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sprache. Auf diesem Gebiet werde ich mich<br />

sehr kurz fassen, da sonst diese Arbeit zu um-<br />

fassend werden würde. Zweitens auf dem Ge-<br />

biet <strong>der</strong> Berichte imd ÜberUeferungen aller<br />

Art, das heißt <strong>Religion</strong>sberichte, Sagen und<br />

Mythen.<br />

Drittens, das Gebiet <strong>der</strong> Kunst <strong>in</strong> religiösen<br />

Skulpturen und Architekturen aller Art.<br />

Bevor ich aber an dieses Material gehe,<br />

sche<strong>in</strong>t es mir zweckmäßig zu se<strong>in</strong>, über e<strong>in</strong>e<br />

Anzahl von <strong>Tier</strong>en e<strong>in</strong>mal vorweg e<strong>in</strong>e kurze<br />

Skizze zu geben, nach welcher man ungefähr<br />

voraussagen kann, welche Vorstellungen bei<br />

den Völkern im wesentlichen zu erwarten<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

DER BÄR. Unbekannt, wann und wo <strong>der</strong><br />

Eisbär <strong>in</strong> den Vorstellungen <strong>der</strong> Völker auf-<br />

taucht. Durchweg wird man annehmen kön-<br />

nen, daß es die schwarzen und braunen Bären<br />

s<strong>in</strong>d, die bis zur äußersten Menschengrenze<br />

leben, und die <strong>Tier</strong>welt des Nordens vollkom-<br />

men typisch vertreten.<br />

Der Bär <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>terschlaf vertritt<br />

durchaus die Nordsonne <strong>mit</strong> ihrem vielmona-<br />

tigen W<strong>in</strong>ter.<br />

Es sche<strong>in</strong>t sicher, daß die Menschen schon seit<br />

imdenklichen Zeiten nicht fähig gewesen s<strong>in</strong>d,<br />

sich im Herbst <strong>mit</strong> Honig, wilden Beeren und<br />

Fleisch so wie <strong>der</strong> Bär zu füllen. Es ist be-<br />

kannt, daß die Bär<strong>in</strong> eben <strong>in</strong> dieser W<strong>in</strong>ter-<br />

zeit ihre Jungen austrägt, von ihrem eigenen<br />

Leibe nährt und noch Kräfte genug hat, diese<br />

Jungen auf das wildeste <strong>in</strong> Gefahr zu vertei-<br />

digen.<br />

Es ist deshalb auch wohl verständlich, daß<br />

unser großes Nordgestirn den Namen des Bä-<br />

ren erhalten hat.<br />

DER LÖWE. Daß er von den Menschen e<strong>in</strong>er<br />

höheren Kultur nördlich des Mittelmeeres an-<br />

getroffen wurde, vielleicht aber auch <strong>in</strong> den<br />

südlichen Teilen von Deutschland, sche<strong>in</strong>t mir<br />

ke<strong>in</strong>em Zweifel zu unterHegen.<br />

Daß er trotzdem <strong>der</strong> Antipode des Bären ist,<br />

glaube ich ebenso sicher.<br />

Er ist <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> leuchtendsten Farbe<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>welt. Se<strong>in</strong>e Kraft ist allen an<strong>der</strong>en<br />

<strong>Tier</strong>en überlegen. Die gelegentUchen Ausnah-<br />

men spielen dabei ke<strong>in</strong>e Rolle.<br />

Häufigkeit und Gewalt des Löwen nahmen<br />

aber zu, je weiter die Völker zum Süden ka-<br />

men, genau wie die Macht <strong>der</strong> südlichen Son-<br />

ne wuchs, um schließHch unumschränkt und<br />

tödlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> großen Wüste von Nordafrika<br />

zu herrschen.<br />

Daß <strong>der</strong> Löwe e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> südHchsten Sternbil-<br />

<strong>der</strong> zugedacht wurde, ersche<strong>in</strong>t ebenso selbst-<br />

verständhch wie die Tatsache, daß er die<br />

höchste Sonne selbst dargestellt hat.<br />

DIE EULE. Ihre Fähigkeit, im Dunkel zu<br />

sehen, war für den Menschen je<strong>der</strong>zeit etwas<br />

Fremdes. Ihre Rufe <strong>in</strong> den stillen Nächten<br />

s<strong>in</strong>d stets von e<strong>in</strong>schneiden<strong>der</strong> magischer Be-<br />

deutung gewesen.<br />

Den Menschen ist das Wissen <strong>der</strong> nächthchen<br />

Welt vollkommen versagt gebUeben. Wenn er<br />

auch durchwachen kann, so ist doch se<strong>in</strong> Zu-<br />

stand so apathisch, daß er selten o<strong>der</strong> nie<br />

zu e<strong>in</strong>er Fortsetzung se<strong>in</strong>er logischen Reihen<br />

kommt. Die Traumwelt ist ihm Unverstand-


lieh und trotzdem erfährt er ihre Beziehung<br />

zum Tagdase<strong>in</strong>. Es s<strong>in</strong>d also beson<strong>der</strong>s die<br />

Eulen, welche ihm die Träume deuten kön-<br />

nen. Daß die Eule e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> geworden ist, das<br />

D<strong>in</strong>ge weiß, die auf normalem Wege nicht zu<br />

wissen s<strong>in</strong>d, ist noch heute die Bedeutung<br />

ihres Symboles. Außerdem aber ist die Eule<br />

zweifellos <strong>der</strong> wichtigste Wächter, wo <strong>der</strong><br />

Mensch den Hund noch nicht gezähmt hatte.<br />

Wie weit die Eule früher e<strong>in</strong> Wachtvogel ge-<br />

wesen ist, dafür sche<strong>in</strong>t mir nur wenig Be-<br />

weismaterial ausf<strong>in</strong>dbar. Die Tatsache selbst<br />

geht für mich aber beson<strong>der</strong>s deutUch daraus<br />

hervor, daß sie <strong>in</strong> den ältesten Gefäßen deut-<br />

lich überUefert ist. In frühester Zeit bedeutet<br />

jedes Gefäß samt se<strong>in</strong>em Inhalt e<strong>in</strong>e Errun-<br />

genschaft von ungeheurem W^ert. Der Anreiz<br />

zum Raub ist ebenso groß wie die Wichtigkeit<br />

<strong>der</strong> Bewachimg. Und mm möchte ich schon<br />

an dieser Stelle e<strong>in</strong>em Grundbegriff <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>-<br />

bedeutungen etwas näher kommen : Weshalb<br />

werden denn überhaupt <strong>Tier</strong>e abgebildet?<br />

Man weiß, daß unter allen <strong>Tier</strong>en gleicher<br />

Gattung e<strong>in</strong>e unglaubHch große soziale E<strong>in</strong>-<br />

heit besteht. E<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> tötet nicht das an<strong>der</strong>e.<br />

E<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> benachrichtigt das an<strong>der</strong>e von je<strong>der</strong><br />

Gefahr. Der animistische Grundgedanke <strong>der</strong><br />

<strong>Tier</strong>zeichnungen wird also vor allen D<strong>in</strong>gen<br />

etwa <strong>der</strong> folgende se<strong>in</strong><br />

Die Eulen wachen im Wald. Auch auf me<strong>in</strong>em<br />

Krug wacht e<strong>in</strong>e Eule. Wenn Gefahr droht,<br />

wird e<strong>in</strong>e Eule die an<strong>der</strong>e benachrichtigen.<br />

Ebenso heißt es <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a: Wenn <strong>der</strong> Drache<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne kämpft, schleu<strong>der</strong>t er BUtz ge-<br />

gen sie. Wenn ich auf me<strong>in</strong> Hausdach e<strong>in</strong>en<br />

Drachen setze, so wird <strong>der</strong> große Drache <strong>in</strong><br />

den Wolken dem kle<strong>in</strong>en Drachen auf dem<br />

Dach nichts tun. Die Kraft von dem Großen<br />

überträgt sich auf den Kle<strong>in</strong>en und <strong>der</strong> speit<br />

denBHtz weiter zur Erde, ohne mich zu treffen.<br />

DIE SCHILDKRÖTE. Sie ist <strong>in</strong> ihrem Le-<br />

ben unter e<strong>in</strong>er Schale genau wie die Eule e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>s merkwürdiges Nachttier. Ihr Le-<br />

ben unter <strong>der</strong> gewölbten Oberfläche <strong>der</strong> Erde<br />

entspricht durchaus dem <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sonne <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Nacht. Ihr Ausbrüten von Eiern wird ge-<br />

deutet auf das neue Aufgehen <strong>der</strong> Sonne. Daß<br />

ihr ebenfalls e<strong>in</strong> ungewöhnhches Wissen zu-<br />

geschrieben wird, hat die gleichen Ursachen<br />

wie bei <strong>der</strong> Eule. Wie bei uns die Eule auf deu<br />

Büchern sitzt, trägt die Schildkröte <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

auf ihrem Rücken die Inschrift- Stelen <strong>der</strong><br />

Weisen und <strong>der</strong> Mandar<strong>in</strong>en, die gute Exami-<br />

na gemacht haben.<br />

Daß man aus den Rissen <strong>der</strong> Schüdkröten-<br />

schale früher Orakel und Traumdeutung ver-<br />

sucht hat, ist natürlich. <strong>Das</strong> hexagonale<br />

Schriftsystem ch<strong>in</strong>esischer Priester wird be-<br />

stimmt ebenfalls auf die Schildkröte zurück-<br />

zuführen se<strong>in</strong>.<br />

DIE SCHLANGE. Ihre Eigenschaften s<strong>in</strong>d<br />

so zahlreich, daß man nicht weiß, welche man<br />

voranstellen soll. E<strong>in</strong>e Bewegung ohne beson-<br />

<strong>der</strong>e Bewegungsorgane, e<strong>in</strong> spiraliges Aufrol-<br />

len und wellenartige Bewegungen, e<strong>in</strong>e Er-<br />

neuerung durch das Häuten und e<strong>in</strong> dämo-<br />

nischer Bhck, <strong>der</strong> Vögel imd kle<strong>in</strong>ere <strong>Tier</strong>e<br />

absolut wehrlos macht, s<strong>in</strong>d die äußerhchsten<br />

Ersche<strong>in</strong>ungen, denen nun je nach <strong>der</strong> beson-<br />

<strong>der</strong>en Gattung e<strong>in</strong>es Landes oft noch ganz<br />

Wesentliches über die Kopfbekrönung, über<br />

die Zeichnungen <strong>der</strong> Haut, über das Legen<br />

von Eiern etc. h<strong>in</strong>zuzufügen wäre. Die Spi-<br />

rale deutet auf Sonne, die Wellenbewegung<br />

auf Wasser, die Häutung auf ewige Wie<strong>der</strong>-<br />

kehr, und so kann man schon nach diesen we-<br />

nigen Zeichen verstehen, daß die Schlange<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> bedeutendsten Ersche<strong>in</strong>ungen unter<br />

den rehgiösen <strong>Tier</strong>en ist. Im ganzen wird man<br />

aber wohl sagen können, daß ihre dämonische


Natur, ihre Schnelle, Unsichtbarkeit, ihr Gift<br />

und ihre Suggestion sämtlich dazu führen,<br />

sie zum Fe<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Menschen und menschen-<br />

ähnlichen Wesen zu machen. Sie ist e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong><br />

des Teufels. Sie zu bändigen, gehört zu den<br />

größten Aufgaben menschUcher Geisteskraft,<br />

und hieraus ergibt sich die Beziehung <strong>der</strong> In-<br />

<strong>der</strong> zu den Schlangen vor allen D<strong>in</strong>gen.<br />

DER ADLER. Über den siegreichsten Vogel<br />

braucht nicht viel gesagt zu werden. Wenn<br />

schon das Pr<strong>in</strong>zip des Fluges selbst für den<br />

Menschen erstaunHch ist, weil er <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />

Weise aus se<strong>in</strong>em eigenen Körper diese Funk-<br />

tion erzw<strong>in</strong>gen kann, so s<strong>in</strong>d natürlich <strong>der</strong><br />

Kondor und <strong>der</strong> Adler als Alle<strong>in</strong>herrscher über<br />

alle Vögel die höchsten Vertreter <strong>der</strong> Götter.<br />

Sie können überall <strong>in</strong> kurzer Zeit anwesend<br />

se<strong>in</strong>. Alle <strong>Tier</strong>e <strong>in</strong> Peru warten <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Ver-<br />

teilung e<strong>in</strong>er Beute, bis <strong>der</strong> Königskondor sich<br />

die edelsten Teile ausgewählt hat. E<strong>in</strong> solcher<br />

Vorgang <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur macht auf den Men-<br />

schen e<strong>in</strong>en erschütternden E<strong>in</strong>druck. Es ist<br />

klar, daß <strong>der</strong> Adler <strong>der</strong> Vertreter höchster ir-<br />

discher Gewalt geworden ist, daß er als Sym-<br />

bol auf Stangen und Fahnen den Truppen<br />

vorangeführt wird, und daß die Inkas ihren<br />

Kopf <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>en Fe<strong>der</strong>n ebenso wie die In-<br />

dianerhäuptl<strong>in</strong>ge schmücken.<br />

Der Adler ist aber auch ungefähr das e<strong>in</strong>zige<br />

<strong>Tier</strong>, das den Kampf <strong>mit</strong> großen Schlangen auf-<br />

genommen hat, und von Assyrien bis zu den<br />

Südsee<strong>in</strong>seln und Mexiko ist <strong>der</strong> Kampf zwi-<br />

schen Adler und Schlange das höchste Sym-<br />

bol geworden für den Wechsel aller polaren<br />

Kräfte und den Sieg des Aufgehenden. Der auf-<br />

rechtgehende Mensch hat, da er des Schwim-<br />

mens e<strong>in</strong>igermaßen kundig ist, die Macht von<br />

Landtier und Fisch : das Unerreichte für ihn<br />

ist Flug. Se<strong>in</strong> Streben zu den Göttern und<br />

übermenschhchen Kräften bewegt sich stets<br />

im S<strong>in</strong>ne des Daidalos.<br />

DER GEIER. In zwei Beziehungen ersche<strong>in</strong>t<br />

er <strong>in</strong> den Symbolen <strong>der</strong> Völker. E<strong>in</strong>erseits als<br />

mütterlichstes <strong>Tier</strong>, von dem zu Recht o<strong>der</strong><br />

zu Unrecht <strong>der</strong> Glaube gilt, daß er, um se<strong>in</strong>e<br />

Jungen zu erhalten, se<strong>in</strong> eigenes Brustfleisch<br />

von den Knochen reißt, an<strong>der</strong>erseits aber als<br />

aasfressen<strong>der</strong> Vogel.<br />

Daß er <strong>in</strong> dieser zweiten H<strong>in</strong>sicht im Orient<br />

viel Nutzen schafft und Krankheiten verhü-<br />

tet, ist schon sicher, aber die bedeutendste<br />

Ersche<strong>in</strong>ung haben wir <strong>in</strong> den Türmen des<br />

Schweigens <strong>in</strong> Indien, Siam etc. Man legt dort<br />

die Körper <strong>der</strong> Verstorbenen nie<strong>der</strong>, da<strong>mit</strong> sie<br />

von den Geiern aufgefressen werden und wir<br />

haben also e<strong>in</strong>e dreifache Beziehung <strong>der</strong> Men-<br />

schen zum Leben nach dem Tode zu erken-<br />

nen: Entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch geht wie<strong>der</strong> <strong>mit</strong><br />

se<strong>in</strong>em toten Leib <strong>in</strong> die Erde e<strong>in</strong>, um <strong>mit</strong><br />

Pflanzen imd <strong>Tier</strong>en langsam wie<strong>der</strong> aus ihr<br />

hervor zu wachsen o<strong>der</strong> er läßt sich verbren-<br />

nen, da<strong>mit</strong> das Unvergänghche <strong>in</strong> die Höhe<br />

getragen wird durch das Feuer.<br />

Der Gedanke <strong>der</strong> Ja<strong>in</strong>as geht aber dah<strong>in</strong>, daß<br />

ihr Körper re<strong>in</strong> materiell empor gewandelt<br />

wird zu <strong>der</strong> Funktion des Fliegens, die sie im<br />

Leben nicht erreichen konnten. Ihnen wird<br />

auf diese Weise e<strong>in</strong> künftiges <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> gesichert,<br />

<strong>in</strong>dem sie die höchste Bewegungsfreiheit <strong>der</strong><br />

Materie besitzen. Dieses wird <strong>der</strong> leitende<br />

Grundgedanke se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> dann später noch al-<br />

lerlei Variationen erlebt haben mag.<br />

DER ELEFANT. Se<strong>in</strong>e dunkle Farbe und<br />

se<strong>in</strong>e mächtigen gebogenen Stoßzähne, sowie<br />

auch se<strong>in</strong> Leben im Dickicht bestimmen ihn<br />

zu e<strong>in</strong>em Mond- und Nachttier. Auch se<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>en Augen werden dazu beigetragen ha-<br />

ben. In Indien ist er <strong>in</strong> gewisser Weise <strong>der</strong><br />

Antipode des Löwen, <strong>der</strong> die Sonne vertritt,<br />

und Götter wie Durga, die über Sonne und<br />

Mond herrschen, haben als Thron den Löwen,


<strong>der</strong> auf dem Elefanten ruht. Daß <strong>der</strong> Elefant<br />

<strong>in</strong> Slam <strong>in</strong> den sehr gesuchten gelben Exem-<br />

plaren die Sonne vertreten soll, sche<strong>in</strong>t mir<br />

e<strong>in</strong>e Ausnahme.<br />

DER FUCHS. Astronomisch ist er wohl kaum<br />

e<strong>in</strong>zuordnen. E<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>, das <strong>in</strong> Höhlenbauten<br />

lebt und oft zahlreiche Ausgänge anlegt, also<br />

unberechenbar ist, wird schon aus diesem<br />

Grunde als sehr mystisch gelten. Se<strong>in</strong> leuch-<br />

tendes Fell hat ihn aber <strong>in</strong> gewisser Weise<br />

zum Ersatztier des Löwen gemacht. Da das<br />

Sommerfell des Fuchses leuchtend ist und die<br />

W<strong>in</strong>terfarbe vielmehr <strong>in</strong>s Graue geht, hat man<br />

auch den Fuchs auf Grund dieser Mimikry<br />

zur Sonne <strong>in</strong> Beziehung gebracht. <strong>Das</strong> fran-<br />

zösische Wort renard für Fuchs bedeutet<br />

R e y-N o rd, das ist : Sonnenkönig des Nordens,<br />

und er ist <strong>in</strong> dieser Rolle etwa das, was <strong>der</strong> Narr<br />

<strong>mit</strong> Bezug auf den König ist. Er teilt <strong>mit</strong> ihm<br />

gleiche Rechte, darf ihm <strong>mit</strong> beliebigen Grob-<br />

heiten entgegentreten und hat im S<strong>in</strong>ne des<br />

Narren auch Gewalt über alle an<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>e.<br />

DER HASE. Er ist merkwürdig dadurch, daß<br />

er <strong>mit</strong> offenen Augen schläft . Auch<br />

se<strong>in</strong>eArt zu<br />

spr<strong>in</strong>gen hat vielleicht ihm e<strong>in</strong>ige Bedeutung<br />

verschafft . Es ist nicht ganz leicht zu verstehen<br />

weshalb <strong>der</strong> Hase <strong>in</strong> Afrika die Rolle des Fuchses<br />

übernommen hat. Der Haarwechsel mag<br />

e<strong>in</strong>e Rolle gespielt haben und das Wachen bei<br />

Tag- und Nachtzeit könnte ja als e<strong>in</strong> Zeichen<br />

beson<strong>der</strong>er List gelten. Hier müßte weiteres<br />

aus dem Sagenmaterial gefolgert werden.<br />

DIE ENTE. E<strong>in</strong>e seltsame Ersche<strong>in</strong>ung für<br />

die früheren Menschen war ihr Tauchen, das<br />

heißt, die unnatürliche Neigung e<strong>in</strong>es Vogels,<br />

<strong>in</strong> die Tiefe und nicht <strong>in</strong> die Höhe zu streben.<br />

Daß die Ente auf Gewichten als Zeichen vor-<br />

kommt, geht aus dieser Bedeutung hervor.<br />

Sprachlich wird über die Ente ausführlicher<br />

zu berichten se<strong>in</strong>.<br />

DIE FISCHE. Sie s<strong>in</strong>d die Vertreter von al-<br />

len <strong>Tier</strong>en, die dauernd im Wasser leben kön-<br />

nen, was den Menschen ebenfalls versagt ist.<br />

Die Fische müssen es se<strong>in</strong>, welche die Sonne<br />

nach ihrem Untergang im Westwasser <strong>in</strong> sich<br />

aufnehmen und bis ztun Osten h<strong>in</strong>tragen. Sich<br />

<strong>mit</strong> Fischen ernähren, bedeutet deshalb, e<strong>in</strong><br />

untergegangenes, sche<strong>in</strong>bar verlorenes Leben<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> sich aufnehmen. Hieraus ergibt sich<br />

die Nährung durch Fische an Trauertagen so-<br />

wie ihr Gegensatz zum Fleisch, das über <strong>der</strong><br />

Erde gelebt hat. Größere Fische, wie Delph<strong>in</strong>,<br />

Walfisch etc., s<strong>in</strong>d natürlich dazu geschaffen,<br />

im Tode des Westens imtergegangene Könige,<br />

Weise, Helden und Lichtbr<strong>in</strong>ger, wenn sie als<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> von ihren fe<strong>in</strong>dlichen Eltern o<strong>der</strong> Ver-<br />

wandten ausgesetzt waren, wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em<br />

neuen Leben empor und <strong>in</strong> das Land <strong>der</strong> Zu-<br />

kunft zu tragen.<br />

DER WOLF. Er gehört nicht eigentlich <strong>in</strong><br />

die religiösen Vorstellimgen. Se<strong>in</strong> russischer<br />

Name Wölk ist die richtige Form, aus <strong>der</strong><br />

man erkennt, wie die Rudel von Wölfen über<br />

unendliche Schneeflächen h<strong>in</strong>übergejagt s<strong>in</strong>d<br />

und Lebendiges angefallen und vernichtet ha-<br />

ben, wie die Herden <strong>der</strong> Wolken die Sonne<br />

verschl<strong>in</strong>gen. Gleichzeitig aber hat man wie-<br />

<strong>der</strong>um die Wolken des Himmels und das Volk,<br />

das heißt die Vielheit <strong>der</strong> Menschen auf <strong>der</strong><br />

Erde, die sich um die Könige o<strong>der</strong> die Sonne<br />

scharen, e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gleichgesetzt. Der Wolf ist<br />

deshalb das Symbol vieler Städte geworden.<br />

Besser gesagt die Wölf<strong>in</strong> <strong>mit</strong> ihrer großen An-<br />

zahl von bl<strong>in</strong>den Jungen, so wie sie als Wahr-<br />

zeichen von Rom beson<strong>der</strong>s für uns lebendig<br />

ist.<br />

Mit dieser ersten E<strong>in</strong>fühnmg glaube ich e<strong>in</strong>e<br />

Andeutung dafür gegeben zu haben, welche<br />

Art von Vorstellungen die Menschen früher<br />

<strong>mit</strong> den <strong>Tier</strong>en verbtmden haben kann. Die


tatsächlichen Beziehungen können dann wei-<br />

ter aus <strong>der</strong> Sprache den Berichten und <strong>der</strong><br />

Kunst entnommen werden.<br />

Nur die Teilfunktionen des <strong>Tier</strong>es haben noch<br />

ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung gefunden. Löwe und<br />

an<strong>der</strong>e <strong>Tier</strong>e gelten beson<strong>der</strong>s alsWasserspeier.<br />

In manchen Fällen wird hier die Beziehung<br />

des Löwen zur Sonne, des Elefanten zum Mond<br />

etc. noch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Deutung möglich ma-<br />

chen. Der Speichel <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e, <strong>der</strong> schon viele<br />

Teile <strong>der</strong> Nahrung auflöst, wird aber schon an<br />

sich von den früheren Völkern viel stärker be-<br />

achtet se<strong>in</strong>, als wir annehmen.<br />

Auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Fällen wird oft nur e<strong>in</strong> Teil<br />

des <strong>Tier</strong>es für e<strong>in</strong>e wesentliche Funktion ge-<br />

nommen. Wenn z. B. <strong>in</strong> Ägypten <strong>der</strong> Große<br />

Bär <strong>in</strong> den Sternbil<strong>der</strong>n durch e<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>teren<br />

<strong>Tier</strong>schenkel ersetzt ist, so ist e<strong>in</strong> Vergleich<br />

geme<strong>in</strong>t, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> h<strong>in</strong>tere Huf e<strong>in</strong>es <strong>Tier</strong>es<br />

stets den Nordpol des Wesens und Lebens be-<br />

rührt, da<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Kopf als <strong>der</strong> lebendigste Teil<br />

<strong>der</strong> Sonne entgegengetragen werden kann.<br />

Ich<br />

SPRACHE:<br />

glaube nicht, daß wir die Sprache <strong>der</strong><br />

frühen Menschen <strong>mit</strong> Bezug auf die <strong>Tier</strong>e<br />

schon richtig deuten können, weil wir selbst<br />

die <strong>Tier</strong>e nur noch ganz außerordentlich<br />

schlecht kennen. Trotzdem kann man kaum<br />

über das <strong>Tier</strong> <strong>in</strong> <strong>Religion</strong> und Ritus ungefähr<br />

Richtiges annehmen, wenn man nicht die<br />

Sprache <strong>der</strong> Frühzeit zu verstehen gesucht<br />

hat. Aus reichlichem Material kann ich hier<br />

nur e<strong>in</strong>ige kurze Andeutungen geben, weil die-<br />

se sprachliche Untersuchungsweise noch ke<strong>in</strong>e<br />

Mitarbeiter hat.<br />

DER BÄR. Ich möchte drei Sprachgruppen<br />

unterscheiden<br />

Bär, Boar, Björn. — Hierzu Boreas, Hyper-<br />

boreer etc.<br />

Ursus, Ours, span. Oso, Osso.<br />

Sanskr. : Arth, armen. Artsch, bask. Artza, os-<br />

set. Ars.<br />

Zu <strong>der</strong> ersten Reihe ist zu bemerken, daß<br />

Björn, Born etc. <strong>in</strong> engster Verwandtschaft<br />

zu schwed. Barn, dem K<strong>in</strong>de schlechth<strong>in</strong><br />

steht. Da <strong>der</strong> Nordpol als Ausgangspunkt des<br />

Lebens <strong>in</strong> solchen Fällen bezeichnet und ge-<br />

dacht ist, so ist <strong>der</strong> Nordpol auch <strong>der</strong> Mutter-<br />

punkt, und das erste <strong>Tier</strong>, das daraus hervor-<br />

geht, kann wohl als K<strong>in</strong>d bezeichnet worden<br />

se<strong>in</strong>, wenn dabei die Beziehung zu dem Wort-<br />

stamm Bar erhalten bUeb. Der Stamm Bar<br />

geht nun auf Af-ra zurück. Af-ra o<strong>der</strong> Ab-ra<br />

bedeutet Off-ra, also fortgegangene Sonne. Af<br />

als Negation ist <strong>in</strong> vielen Worten erhalten<br />

(Fleisch) und Ra und Af-ra s<strong>in</strong>d die klaren<br />

Bezeichnungen <strong>der</strong> Gegenpole. Af-ra ist iden-<br />

tisch <strong>mit</strong> No-ra, Narr, etc., sowie auch <strong>mit</strong><br />

Re-nard, Ra-nord, über das ich <strong>in</strong> an<strong>der</strong>em<br />

Zusammenhang schon sprach. Af-ra ist also<br />

für viele Begriffe e<strong>in</strong> Wortstamm geworden.<br />

Af-ra ergibt Far, das ist engl, fem, also fort-<br />

gegangen. Af-ra ist auch Fyr, das heißt Feuer,<br />

wegen <strong>der</strong> untergehend verbrennenden Sonne.<br />

Der Bär ist also <strong>der</strong> Antipode wie<strong>der</strong>um des<br />

Löwen, und so kann man auch verstehen, daß<br />

diese beiden <strong>Tier</strong>e e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> irgend-<br />

e<strong>in</strong>er <strong>mit</strong>tleren Zone begegnet s<strong>in</strong>d und schwer<br />

<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gerungen haben.<br />

Bar ist aber auch Ah-ra, nämUch abwesende<br />

Sonne, und so<strong>mit</strong> Norden. Ich halte es auch<br />

nicht für ausgeschlossen, daß e<strong>in</strong> Name, wie<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Brahmanen auf Bra, ßar- Norden<br />

zurückzuführen wäre, also auch das Brahma<br />

auf das e<strong>in</strong>poHge Ausgangspr<strong>in</strong>zip, das man<br />

im Norden gesehen hat.<br />

Urs, Ours, Ars, Arth, Artsch, Artzia gehören<br />

e<strong>in</strong>er zweiten Reihe an, und ich denke, daß<br />

span. Oso irgendwie e<strong>in</strong> R verloren haben


muß. Diese Reihe hat zwei wesentUche Be-<br />

ziehungen: Erstens zu e<strong>in</strong>er Wortreihe Ard-<br />

Erde und zweitens zu e<strong>in</strong>er Reihe: Erz, Archi,<br />

Arzt, etc., <strong>mit</strong> dem wir etwas Uraltes bezeich-<br />

nen, e<strong>in</strong>en Ausgangspunkt, etc.<br />

Daß Erz (Metallerde) und Erde selbst gleiche<br />

Worte s<strong>in</strong>d, möchte ich vorausschicken. Nun<br />

kann man aber gleichfalls erkennen, daß das<br />

deutsche Wort Erst, das im griech. Aristo <strong>mit</strong><br />

etwas verschobener Bedeutung lautet, <strong>mit</strong> Erz<br />

vollkommen identisch ist, und da wie<strong>der</strong>um<br />

wie bei dem Begriffe Barn - K<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Nord<br />

als Ausgangspunkt gedacht war, kann man<br />

nicht zweifelhaft se<strong>in</strong>, daß auch <strong>der</strong> Bär als<br />

»Der Erste« <strong>in</strong> mehreren H<strong>in</strong>sichten betrach-<br />

tet wurde, und eben nicht nur wegen se<strong>in</strong>es<br />

nördUchen Lebenspunktes, son<strong>der</strong>n auch we-<br />

gen se<strong>in</strong>er Kraft etc. Der Bär ist auch Herr<br />

<strong>der</strong> Erzschätze.<br />

Ob die Wortreihe Erde ebenfalls hierher ge-<br />

hört, möchte ich offen lassen, weil die Unter-<br />

suchimg hier zu weit führen würde.<br />

Von den übrigen Sprachformen für den Bären<br />

kann man nur sagen, daß die Fäden sehr weit<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>laufen. <strong>Das</strong> Litauische hat Lokis<br />

und lettisch Lahzis. Hier ist die Frage, ob <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ersten Silbe Lok o<strong>der</strong> Lah <strong>der</strong> Begriff LocÄ,<br />

umgekehrt Chol, Hole (engl.) wirkHch auf die<br />

alte Wohnung des Ursus Spelaeus zu deuten<br />

ist. Es hat sicher sehr wesentüch zur Bestim-<br />

mung <strong>der</strong> Bärenart beigetragen, daß viele<br />

ihrer Gattung <strong>mit</strong> den Menschen zugleich <strong>in</strong><br />

den Höhlen gelebt haben, denn so entspricht<br />

es <strong>der</strong> sich verbergenden Sonne. Die Endung<br />

Zis im Lettischen könnte auch auf Ses, Sitzen<br />

h<strong>in</strong>gedeutet werden, aber diese Worte s<strong>in</strong>d<br />

für e<strong>in</strong>e zweifellose Deutung nicht klar ge-<br />

nug.<br />

Slawische Worte wie Miedjwiedj o<strong>der</strong> Nied-<br />

zwiez geben <strong>in</strong> ihrer e<strong>in</strong>facheren Form Med-<br />

wed und Nedwed e<strong>in</strong>en Kern Med, <strong>der</strong> Mitte<br />

bedeutet, und <strong>der</strong> Nordpol war stets die Mitte<br />

<strong>der</strong> Welt wegen se<strong>in</strong>er absoluten Konstant-<br />

heit. Ned für iVa^Nacht geht dabei auf den<br />

gleichen Grundbegriff zurück. Es bleibt dann<br />

die Silbe Wed übrig, die <strong>mit</strong> Ved, Beth, Bett<br />

etc. auf den Begriff Wohnung etc. zu deuten<br />

wäre, also die Wohnung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittnacht.<br />

Ganz isoHert steht gaeUsch Tore für den Bä-<br />

ren, e<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>s wichtiges Jar-Wort,<br />

das ebenso auf Tar-Go zu <strong>in</strong>terpretieren ist,<br />

wie das alte Wort Draco, Drache. Daß hier<br />

zwischen Bären und Drachen Beziehungen be-<br />

standen haben und <strong>der</strong> Drache hier se<strong>in</strong>e<br />

Klauen erhielt, sche<strong>in</strong>t klar.<br />

Die Bärenworte <strong>der</strong> f<strong>in</strong>nischen Sprachgruppe<br />

müßten beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, und ich<br />

will sie aufzählen, soweit ich sie gerade zur<br />

Hand habe: f<strong>in</strong>n. Karhu, wotj. Karu, perm.<br />

Kurva und Kurla, Ostjak, samojed. Karg,<br />

Kürg, Kürga. Es ist e<strong>in</strong>e ganz entscheidende<br />

Frage, die erst <strong>mit</strong> mehr Material endgültig<br />

zu lösen ist, ob man aus diesen Worten so viel<br />

entnehmen darf, wie sie zu enthalten schei-<br />

nen. Kurla ist e<strong>in</strong> Wort, das <strong>mit</strong> Kerl, Yarl,<br />

Earl zusammengehört und die höchste Aus-<br />

zeichnung e<strong>in</strong>es Menschen zeitweilig gewesen<br />

se<strong>in</strong> mag, denn es hat sich <strong>in</strong> den Namen Karl<br />

und Kiralj, Karol - König bis heute erhalten.<br />

Daß <strong>der</strong> Bär als Erster ebenso das S5anbol<br />

des Königs o<strong>der</strong> Fürsten (First) im Norden<br />

gewesen ist, wie <strong>der</strong> Löwe im Süden und wie<br />

<strong>der</strong> Adler unter den Vögeln, sche<strong>in</strong>t mir sehr<br />

leicht begreiflich. Die Form Karu würde e<strong>in</strong>e<br />

Vorstufe von gleichem Stamme se<strong>in</strong>, imd <strong>mit</strong><br />

Haru - Herr identisch se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Fort-<br />

büdung wäre daim die Reihe Karhu, Karg,<br />

Kürg, zu <strong>der</strong> ich als analoge Reihe die Namen<br />

Jörg, Georg, George etc. stellen möchte. Wenn<br />

diese Analogie richtig wäre, würde sie ganz


wesentliche Aufschlüsse geben, denn <strong>der</strong>] örg,<br />

<strong>der</strong> den Drachen besiegt, würde dann <strong>der</strong> kö-<br />

nigliche Held und Anführer e<strong>in</strong>er neuen Zeit,<br />

<strong>der</strong> Bär se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> den Sauriern e<strong>in</strong> Ende be-<br />

reitet. Daß <strong>der</strong> sich leicht dem Menschen<br />

gleich und dem Menschen entgegen aufrich-<br />

tende Bär von den Menschen sehr hoch ge-<br />

setzt wurde, ist früher auch den Jägern be-<br />

kannt gewesen. Der Bär hat stets als bedeu-<br />

ten<strong>der</strong>, edler und gefährUcher Gegner gegol-<br />

ten, und da <strong>der</strong> Norden den Menschennamen<br />

Boem, Bjoem, Sigbjoern etc. erhalten hat,<br />

würde es mich nicht wundem, wenn die Na.-<br />

men Karl und Georg <strong>in</strong> südlicheren Komplexen<br />

ebenfalls den Bären zum Paten gehabt hät-<br />

ten.<br />

Um diesen Begriff zu kommentieren, möchte<br />

ich auch nicht unterlassen, auf die beson<strong>der</strong>s<br />

wichtige Bärenhaut h<strong>in</strong>zuweisen. Welche Rol-<br />

le sie noch als Kragen spielt, kann nicht über-<br />

sehen werden. Es ist durchaus nichts an<strong>der</strong>es,<br />

wie wenn Herakles das Löwenfell um die<br />

Schultern trägt, um zu zeigen, daß er den<br />

Löwen besiegt hat, und unter den Menschen<br />

wird e<strong>in</strong> Sieger über Bären sicher stets e<strong>in</strong>e<br />

große Rolle gespielt haben, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Zeit mehr pri<strong>mit</strong>iver Waffen. Wer se<strong>in</strong>e Mit-<br />

menschen von e<strong>in</strong>em solchen Gegner dauernd<br />

freihielt, konnte ihnen auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en D<strong>in</strong>-<br />

gen befehlen.<br />

Wenn man nun noch fragen will, welche<br />

Grundbedeutung <strong>der</strong> Silbe Korg zugrunde<br />

liegt, so kann man kaum die Reihe Kirk,<br />

Kork, Kirche, Kerk, Church aus <strong>der</strong> Acht las-<br />

sen, denn mir sche<strong>in</strong>t, daß diese beiden Kom-<br />

plexe nicht nur phonetisch nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

herlaufen. Der Sieg des heiligen Georg wird<br />

oft genug gedacht gewesen se<strong>in</strong> als <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

neuen christlichen Kirche über die Heiden,<br />

ifnd so kann man fragen, auf welche Grund-<br />

anschauungen solche Übertragungen zurück-<br />

gehen.<br />

Wir haben noch heute die Ausdrucksweise:<br />

Hoch im Norden. Weshalb <strong>der</strong> Norden als<br />

Höhe bezeichnet wurde, will ich außer Be-<br />

tracht lassen, jedenfalls f<strong>in</strong>det er sich vielfach.<br />

Hoch, Kok, Kauk, Hauk etc. s<strong>in</strong>d vielfache<br />

Ausdrücke, die dann <strong>mit</strong> Ra verbunden zu<br />

Kork, Cork etc. geworden s<strong>in</strong>d, und zweifellos<br />

schon lange Anhöhen im tiefen Land, ähnUch<br />

wie Warp etc. bezeichnet haben, sowie auch<br />

die Bauwerke, die auf <strong>der</strong> Höhe errichtet wa-<br />

ren. Da man nun <strong>in</strong> sehr weitem Umfang für<br />

die ältesten nordeuropäischen Kulturen die<br />

Nie<strong>der</strong>ungen am Meer anzunehmen hat, so<br />

ist die Errichtung von hölzernen Kultbauten<br />

auf den Werften die natürlichste Sache <strong>der</strong><br />

Welt, und De Kerk (auch Jork) ist zugleich<br />

e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Ortsbezeichnung, wie auch die An-<br />

deutung des Bauwerkes auf <strong>der</strong> Höhe, und es<br />

ist klar, daß das Allerheiligste auf die Höhe<br />

gelegt wird, zugleich e<strong>in</strong> Schutz für alle Woh-<br />

ner bei allen Stürmen, Kämpfen und Über-<br />

schwemmungen, so wie die Arche Noah bei<br />

e<strong>in</strong>er Überschwemmung auf e<strong>in</strong>er Bergspitze<br />

gehalten wird. Zugleich auch e<strong>in</strong> Wahrzeichen<br />

am Meer und am breiten Flußlauf, wie e<strong>in</strong>st<br />

die Nuraghe auf Sizilien etc. Hier wäre auch<br />

zu erwähnen, daß die Kirche als Schiff über-<br />

all bezeichnet worden ist, wo e<strong>in</strong> Langbau<br />

vorkam.<br />

Die Verb<strong>in</strong>dung von dem allem ist nun dies,<br />

daß das Hohe als Kerk bezeichnet worden ist,<br />

<strong>der</strong> ruhende Pol <strong>in</strong> allem Unsicheren, und so<br />

s<strong>in</strong>d Bär und Norden zu Symbolen des höchst<br />

Erreichbaren an Wissen imd Sicherheit ge-<br />

worden.<br />

Unser Bärenname *Braun« geht nicht auf die<br />

Farbe des <strong>Tier</strong>es alle<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n ist gleichen<br />

Stammes <strong>mit</strong> dem nordischen Worte Björn.


Unser Bärenname Petz ist gleichen Stammes<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> zweiten Silbe <strong>in</strong> Medwed <strong>der</strong> Slawen.<br />

Beide Worte gehen auf Bet-Ved-KoMs zurück,<br />

da <strong>der</strong> Wagen auch das Haus <strong>der</strong> Sonne war.<br />

E<strong>in</strong>e wertvolle Form des Namens haben wir<br />

bei den Eskimo <strong>mit</strong> Nana. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong> Wort-<br />

stamm für N<strong>in</strong>o, Ma<strong>in</strong> etc., sowie auch Neu<br />

und Neun. Die grundlegende Auffassung geht<br />

dah<strong>in</strong>, daß im höchsten Nordpunkt die Ge-<br />

burt alles Neuen anheben muß, weil dort die<br />

Sonne sich wendet, und e<strong>in</strong> Bärengott wird<br />

<strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form als Urheber solcher Ge-<br />

burten wohl auch aus den Sagen wie<strong>der</strong>zuf<strong>in</strong>-<br />

den se<strong>in</strong>. Man vergleiche Björn—Barn.<br />

LÖWE. Lei<strong>der</strong> habe ich nur e<strong>in</strong>e merkwürdig<br />

beschränkte Zahl von Namen des Löwen zur<br />

Hand. Ich zitiere die Wichtigsten<br />

Griech. Leon, frz., engl. Lion, span. Leon,<br />

lat. Leo, dtsch. Leu, altkirchenslaw. Livu,<br />

dtsch. Löwe, litauisch Liutai, hebr. Labia<br />

für Löw<strong>in</strong>. Sonst Abi als Stamm das Wahr-<br />

sche<strong>in</strong>lichste. Irob. Saho; Lubak.<br />

Indisch S<strong>in</strong>ha, S<strong>in</strong>ga, suaheH Simba, arab.<br />

Sseba.<br />

Ungarisch Oroszlan.<br />

E<strong>in</strong>ige Worte aus Afrika (Haussa, Mande etc.)<br />

Zaki (weit verbreitetes Haussawort) , Kulguli,<br />

Dzata, Dzara etc. Die Bezeichnungen von Chi-<br />

na und Siam lasse ich fort, weil sie immer e<strong>in</strong>e<br />

sehr ausführliche und an<strong>der</strong>sartige Behand-<br />

lung nötig machen. In Peru resp. Südamerika<br />

Puma statt Löwe.<br />

Was also geht aus <strong>der</strong> gegebenen Liste hervor ?<br />

Der Grundstamm für den Löwennamen ist Lev.<br />

Ich zweifle ke<strong>in</strong>en Augenblick, daß <strong>der</strong> Stamm<br />

Levi soviel wie Löwe bedeutet, und zeitweilig<br />

<strong>der</strong> führende <strong>der</strong> Israeliten war. Er vertrat<br />

die Dynastie und die Fürsten, er war die Kaste<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber, und das engl. Law für Gesetz<br />

geht auf den gleichen Grundstamm zurück.<br />

Für e<strong>in</strong>en Menschen des Nordens ist <strong>der</strong> Löwe,<br />

wie ich schon ausgeführt habe, das bezeich-<br />

nende <strong>Tier</strong> des Südens, <strong>der</strong> Wüste, <strong>der</strong> Sonne<br />

im Zenit, und zugleich für alle Menschen-<br />

gewalt und Kaiser, die <strong>der</strong> Südsonne entspre-<br />

chen. Es ist bekannt, daß Löwen und Bären<br />

die Wappenhalter <strong>der</strong> Herrscher gewesen und<br />

geworden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Wappen gibt im wesent-<br />

lichen das Emblem des Gebietes, das e<strong>in</strong>em<br />

Herrn untersteht, imd wenn nun auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Seite das <strong>Tier</strong> des Nordens, <strong>der</strong> Bär, auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>n Seite das <strong>Tier</strong> des Südens, <strong>der</strong> Löwe,<br />

das Gebietsemblem tragen, so ist da<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>e<br />

sehr weite Ausdehnung zwischen Norden und<br />

Süden sicher bezeichnet.<br />

Während <strong>der</strong> Buchstabe des Nordens N o<strong>der</strong><br />

B-W war, hatten wir stets als Zeichen des Sü-<br />

dens R und L angenommen und bewiesen ge-<br />

funden. Man kommt aber zu e<strong>in</strong>em gleich<br />

deutlichen Schluß, wenn man sagt : Der<br />

Son-<br />

nenfürst <strong>der</strong> Vorzeit hieß aus Ra - Sonne : Re,<br />

Rey, Roi, Rex. Hierzu <strong>in</strong> vollkommener Ana-<br />

logie aber steht lautlich Rey-Ley, Roi-Leu,<br />

Reo-Leo. Der Grundbegriff war aber nicht,<br />

Sonne, König und Löwen völlig gleichzustel-<br />

len, son<strong>der</strong>n es sollte heißen: König — Der<br />

von Ra herstammende: Ra-av, Re-ex etc., was<br />

dann zu Rey, Roi, Rex etc. Abwandlungen er-<br />

fahren hat. <strong>Das</strong> angehängte N ist <strong>in</strong> allen<br />

Sprachen erst später erschienen, und Lion,<br />

Leon haben die seltenere Form Leu-on, Liv-on.<br />

Wie Prov<strong>in</strong>zen o<strong>der</strong> Städte so oft zu dem<br />

Löwennamen gekommen s<strong>in</strong>d, wie das flä-<br />

mische Löwen, das span. Leon, läßt sich gründ-<br />

lich an dieser Stelle nicht untersuchen, aber<br />

wir haben die gleiche Ersche<strong>in</strong>ung <strong>mit</strong> dem<br />

Bären etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Bern, die auch den<br />

Bären, Björn im Wappen führt.<br />

<strong>Das</strong> litauische Liutai ist e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s merk-<br />

würdiges Wort. Es hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Sübe Liu-


Leu, aber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er zweiten Sübe e<strong>in</strong>en Anhang<br />

Tai, den man vielleicht als Tag, Day<br />

<strong>in</strong>terpretieren dürfte, aber ohne Analogiefor-<br />

men anführen zu können, begnügen wir uns<br />

Heber <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Andeutung. Die /yoö-5aÄo-Spra-<br />

che e<strong>in</strong>es w<strong>in</strong>zigen Volksstammes <strong>in</strong> Äthio-<br />

pien gibt <strong>mit</strong> Luhak e<strong>in</strong>e Garantie, daß Luh,<br />

Loh, Low etc. auch <strong>in</strong><strong>mit</strong>ten Afrikas als Wort-<br />

stamm vorherrschend gewesen ist, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ägyp-<br />

tischen archaischen Periode beson<strong>der</strong>s, die<br />

auch stets das Sonnenzeichen durch den Lö-<br />

wen ersetzt. Ob hier die Endung ak <strong>mit</strong> dem<br />

nordischen Stamm Hak, Hok, Kok etc. iden-<br />

tisch ist, läßt sich wie<strong>der</strong>um nicht entschei-<br />

den.<br />

S<strong>in</strong>ga, S<strong>in</strong>ha, Simha s<strong>in</strong>d dann <strong>der</strong> grund-<br />

legende Sprachkomplex um Indien herum et-<br />

wa zur Zeit <strong>der</strong> Ario-Sanskritischen Sprach-<br />

welle. Die Dravidas haben wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Wortformen, die ich lei<strong>der</strong> nicht vollständig<br />

genug zur Hand habe, um sie verwerten zu<br />

können.<br />

In diesen Worten nehme ich trotz <strong>der</strong> voka-<br />

lischen, mir stets unwesentlichenAbweichung,<br />

die Silbe S<strong>in</strong>-sim als Sun, Son an, und da<br />

eben aus dem Norden <strong>der</strong> 5iV-Stamm für Son-<br />

ne südwärts wan<strong>der</strong>te, ist es klar, daß er auch<br />

dem Löwen <strong>in</strong> dieser Region beigelegt wurde.<br />

Die zweite Silbe Ba und Ga ist entwe<strong>der</strong> Go-<br />

Geboren o<strong>der</strong> J5a-Go-Gang. <strong>Das</strong> wird nicht<br />

mehr zu entscheiden se<strong>in</strong>, denn diese Sprach-<br />

formungen hegen vor je<strong>der</strong> historischenGram-<br />

matik.<br />

<strong>Das</strong> ungarische Oroszlan enthält sowohl den<br />

?7rs-Bär-Begriff , wie auch den L^ow-Komplex.<br />

Er wird aus dem Türkischen wohl übernom-<br />

men se<strong>in</strong> imd ist als spätere Komposition er-<br />

kennbar. Zaki, Zata, Zara s<strong>in</strong>d dann die we-<br />

sentHchsten Worte, aus Afrika, die im Augen-<br />

blick noch zu prüfen wären. Dieselben s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

lO<br />

Afrika selbst, wohl ebenfalls während <strong>der</strong> gro-<br />

ßen Durchquerung durch die Seefahrer ent-<br />

standen, o<strong>der</strong> aber zur Zeit <strong>der</strong> ägyptischen<br />

Kultur, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Seth den Westen, die große<br />

Wüste <strong>mit</strong> ihren Löwen bezeichnete, wo man<br />

denn auch den Tod und die Gefahr und das<br />

Übel beheimatet hat. Zata und Set werden<br />

sicher aus den gleichen Begriffen entstanden<br />

se<strong>in</strong>, denn da im unteräquatorialen Afrika <strong>der</strong><br />

Löwe viel seltener wird, ist er für die Aegyp-<br />

ter ke<strong>in</strong>e südliche, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>e westli-<br />

che Angelegenheit, und wird auch wohl dort,<br />

wo es schwer wurde, sich gegen ihn zu wehren,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> kultischen Achtung nicht gestiegen se<strong>in</strong>.<br />

Der Löwe hat <strong>in</strong> den Bauten dann vor allen<br />

D<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Rolle gespielt als Wachtfigur vor<br />

den Portalen an Sakral- und Regierungsbau-<br />

ten o<strong>der</strong> Palästen. An den Toren <strong>der</strong> südlichen<br />

Zenitgewalt. Daß er zum Wächter als <strong>Tier</strong><br />

des Königs beson<strong>der</strong>s geeignet war, kann kei-<br />

nem Zweifel unterliegen. Mir aber sche<strong>in</strong>t, daß<br />

bei den Sakralbauten noch e<strong>in</strong>e andre Vor-<br />

stellung vorhanden se<strong>in</strong> muß. Die Löwen ha-<br />

ben immer e<strong>in</strong> Gebiet <strong>in</strong> ihrem H<strong>in</strong>tergnmd<br />

gehabt, das so wild und gefährlich war, daß<br />

die Menschen dorth<strong>in</strong> nicht dr<strong>in</strong>gen konnten.<br />

Diese Löwen- und Raubtierreservate werden<br />

immer viel Geheimnisvolles für die Menschen<br />

gehabt haben, weil sie nur zugänglich waren,<br />

wenn e<strong>in</strong> Mensch die <strong>Tier</strong>e überwand o<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

sie verwandelt wurde. Diese <strong>Tier</strong>heiligtümer<br />

also entsprechen <strong>in</strong> gewisser Weise zweifellos<br />

dem Neuland <strong>der</strong> Seele, <strong>in</strong> das die Menschen<br />

kommen, wenn sie <strong>mit</strong> ihrem Gott zusammen<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>der</strong> ja auch durchaus nicht immer e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>s friedlicher Gott gewesen ist, son-<br />

<strong>der</strong>n <strong>mit</strong> aller Gewalt und Kraft die Menschen<br />

zu wandeln versucht hat.<br />

DER HAHN. Er ist das <strong>Tier</strong> des Ostens, <strong>der</strong><br />

aufgehenden Sonne, obwohl es <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a heißt


daß er den Süden vertritt. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e späte<br />

Verschiebung aus <strong>der</strong> Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Ch<strong>in</strong>e-<br />

sen <strong>mit</strong> fünf Weltrichtungen zu rechnen be-<br />

gannen. Über die Hahnnamen <strong>der</strong> Völker<br />

habe ich schon mehrfach ausführlich Bericht<br />

erstattet und will hier nur das Wesentliche<br />

zusammenfassen<br />

Hahn ist schwed. Han und bedeutet Er,<br />

männliches Geschlecht.<br />

Hun ist das weibliche Geschlecht und ent-<br />

spricht unserm Huhn. Hier also liegen nur<br />

vokaHsche Varianten e<strong>in</strong>es Stammest««, Gen<br />

vor, die Geschlecht bedeuten. Unsere Hahn-<br />

und Huhnworte s<strong>in</strong>d also ke<strong>in</strong>e Bezeichnun-<br />

gen e<strong>in</strong>es beson<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>es, son<strong>der</strong>n bedeu-<br />

ten nur: Er und Sie.<br />

Lat. Gallus, span. Gallo, ital. GaUo, lettisch<br />

Gailis, gehen sämtlich auf den uralten Stamm<br />

Ca//-Rufen, <strong>der</strong> <strong>mit</strong> Hell identisch ist, weil<br />

e<strong>in</strong> Ruf e<strong>in</strong>e Begrüßimg von aufgehen<strong>der</strong> Hel-<br />

le ist.<br />

E<strong>in</strong>e lange Reihe von Worten geht auf den<br />

Stamm Kok, Hoch zurück, und zwar: Frz.<br />

Coq, engl. Cock, f<strong>in</strong>n. Kukko (daneben kommt<br />

Kana als Hahn vor), ung. Kakas, suaheli Ju-<br />

goo, ewe. Koklotsu, arabo-mehri Dijojit, poln.<br />

Kogut. Bei den Papua, bei denen <strong>der</strong> Hahn<br />

beson<strong>der</strong>s hoch verehrt wird, und auf dem<br />

Fries jedes Geme<strong>in</strong>schaftshauses und vielfach<br />

<strong>in</strong> Ornamenten zu sehen ist, heißt <strong>der</strong> Hahn<br />

Manckoko Snun, was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittelsilbe sicher<br />

ebenfalls auf den uralten /CoÄ-Stamm zurück-<br />

geht. Die Kuvi-Kond haben z. B. e<strong>in</strong>en Aus-<br />

druck Ganza, <strong>der</strong> also unsereGans an die Stelle<br />

des Hahnes setzt.<br />

An beson<strong>der</strong>en Ausnahmen möchte ich dann<br />

noch die folgenden erwähnen : Die Araber ha-<br />

ben e<strong>in</strong>en Namen Sserduk, <strong>der</strong> im ägyptischen<br />

Volksmund nur noch Dik lautet. Da Marduk<br />

<strong>der</strong> große Ostgott des östlichen Kle<strong>in</strong>asien ge-<br />

1<br />

wesen ist, dem auch <strong>der</strong> Hahn heilig war, ist<br />

Duk e<strong>in</strong> Ausdruck, den wir noch zum Locken<br />

<strong>der</strong> Hühner brauchen, für den Moment des<br />

Auftauchens <strong>der</strong> Sonne e<strong>in</strong> vollgültiger Gleich-<br />

wert für Kok - Hoch. Sser als Vorsilbe ist Us-<br />

ra, so daß <strong>der</strong> ganze Name als /lMs-/?a-Tauche<br />

zu übersetzen wäre. Vielleicht auch S-eeRa-<br />

Tttk.<br />

Die Griechen haben <strong>in</strong> ihrem Wort Alektryon<br />

e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>s feierlichen Namen für den<br />

Hahn <strong>in</strong> Gebrauch genommen, und zwar ist<br />

<strong>der</strong>selbe zusammengesetzt aus Alek-Elch und<br />

Tryon-Turn. E<strong>in</strong>e ältere Form dieses Namens<br />

ist das e<strong>in</strong>fache Alektor. Die SUbe Elk bedeu-<br />

tet <strong>in</strong> verschiedenen nordischen Sprachen, auf<br />

die alle<strong>in</strong> man sich beziehen kann, je<strong>der</strong>, je-<br />

des und die Grundbedeutung ist nach me<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung dies, daß <strong>der</strong> Hahn bei je<strong>der</strong> Dre-<br />

hung <strong>der</strong> Sonne <strong>der</strong> erste Begrüßer ist. Die Ab-<br />

leitung von /!/^a;o-Verteidigen halte ich für<br />

unrichtig. Die Beziehungen zum <strong>Tier</strong>e Elch<br />

wären erst <strong>in</strong> längerer Darlegung deutlich zu<br />

machen.<br />

In f<strong>in</strong>nischen Sprachen kommt auch e<strong>in</strong> Wort<br />

Oras für Hahn vor, das aus altnordisch Orri,<br />

unserm Auerhahn übrig blieb. <strong>Das</strong> Wort geht<br />

auf Ora, Hora, Gora imd andre Worte, die<br />

Stunde, Gehen, Aufgehen <strong>der</strong> Sonne bezeich-<br />

nen. Ich möchte aber hier an e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />

Beispiel zeigen, wie schwer oft die Sprachun-<br />

tersuchungen <strong>in</strong> diesem System s<strong>in</strong>d, und wie<br />

sie doch recht weit zu gleichen Resultaten zu-<br />

rückführen. E<strong>in</strong>e ganz lange Liste von Hahn-<br />

worten <strong>in</strong> den Dialekten <strong>der</strong> Adamaua gibt<br />

als Resultat folgende Gruppen.<br />

Kaeka, Tokaka, Kagdb<strong>in</strong>a als Varianten <strong>der</strong><br />

Kok-Yorvci, die wir sehr ausführlich belegt ha-<br />

ben.<br />

Daeke, Wadoka als Beispiele, die analog <strong>der</strong><br />

arabischen Duk-Yonn gebildet s<strong>in</strong>d.


Bokoi halte ich für analog dem se<strong>mit</strong>ischen<br />

Stamm Bukra, Boker, die Morgen bedeuten<br />

und <strong>mit</strong> Woke und engl. Wach gleichstehen.<br />

Hieraus auch Wacker für Schön etc. herge-<br />

leitet. Bokoi bedeutet also wohl eigentüch<br />

Wecker,<br />

Gabar sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong>e Inversion des gleichen<br />

Wortes, Bura ist Up-ra.<br />

Gata ist e<strong>in</strong>e Inversion von Tag, und Tekel<br />

Gamta könnte gleichen Ursprungs se<strong>in</strong>, doch<br />

muß man bei e<strong>in</strong>er langen dialektischen Liste<br />

immer gegenwärtig halten, daß die Europäer<br />

den Afrikaner fast niemals richtig verstehen.<br />

Die Form Basai hat bei den Zigeunern <strong>in</strong> Bas-<br />

no e<strong>in</strong>e Parallele, <strong>der</strong>en Grundgedanke mir<br />

nicht verständlich ist. Kowana und Gapan-<br />

säta s<strong>in</strong>d ebenfalls <strong>in</strong> Gapan identisch, wäh-<br />

rend die angehängte 5am-Silbe <strong>mit</strong> <strong>der</strong> vor-<br />

h<strong>in</strong> besprochenen 5sßy-Sübe des Arabischen<br />

identisch ist. Goloko ist aber wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Wort<br />

vom Stamme Gallo, dem auch unsere Glucke<br />

zu entnehmen ist. Man sieht also, daß Afrika<br />

e<strong>in</strong> Sammelbecken gewesen ist für alle früher<br />

im Norden entwickelten Formen, und nur un-<br />

ser Hahn-Wort f<strong>in</strong>det sich eben nicht, weil es<br />

nur Er bedeutet.<br />

DAS PFERD. Solange wir Berichte von den<br />

Völkern haben, spielt das Pferd bei ihnen e<strong>in</strong>e<br />

sehr große Rolle. Nur <strong>in</strong> Afrika ist es wohl<br />

erst <strong>in</strong> ganz junger Zeit, vielleicht wenig vor<br />

1000 V, Chr. e<strong>in</strong>geführt und war also dort durch<br />

den Esel vertreten. Die Besiedlung von Afrika<br />

kann nur im wesentlichen auf dem Seewege<br />

geschehen se<strong>in</strong>, und da ist es wohl <strong>in</strong> früheren<br />

Zeiten nicht möglich gewesen, die Pferde wäh-<br />

rend e<strong>in</strong>er langen Reise auf relativ e<strong>in</strong>fachen<br />

Schiffen, Schlittenschiffen beson<strong>der</strong>s, zu er-<br />

halten. Pferd und Esel s<strong>in</strong>d religiös <strong>in</strong> Oppo-<br />

sition. Pferd Süd. Esel Nacht. Pferd für Hel-<br />

den, Esel für Huren. Esel für den Jesus, bevor<br />

12<br />

er zum Zenit se<strong>in</strong>es Lebens steigt <strong>in</strong> Jeru-<br />

salem.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e merkwürdige Ersche<strong>in</strong>ung, aus <strong>der</strong><br />

man wohl noch ke<strong>in</strong>e Konsequenzen ziehen<br />

kann, daß die Ch<strong>in</strong>esen behaupten, daß das<br />

Pferd aus dem Leopard entstanden sei, und<br />

daß eben <strong>der</strong> Name des Leopard aus Löwe<br />

und Pferd zusammengesetzt ersche<strong>in</strong>t. Wir<br />

wollen aber e<strong>in</strong>mal versuchen, was sich aus<br />

den ungeheuer verschiedenen Namen des Pfer-<br />

des etwa schließen läßt.<br />

Die ältesten nördlichen Formen s<strong>in</strong>d Hross,<br />

Hros, Ros, Ross <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Nebenl<strong>in</strong>ie engl. Horse.<br />

Die Form Horse, sowie <strong>der</strong> Heerführemame<br />

Horsa zeigen, daß das Vorschlags-H des Nor-<br />

dens e<strong>in</strong> ursprünglicher Buchstabe <strong>mit</strong> Kon-<br />

sonantwert H-K ist. Ros ist nun e<strong>in</strong>e Silbe,<br />

die auf Rise, Reise, Rush etc. geht, und <strong>mit</strong><br />

dem Aufgang <strong>der</strong> Sonne zusammenfällt, <strong>der</strong><br />

Ra-us, Ra-Keraus genannt wurde. Die Form<br />

Ho-ra-us bedeutet dann nur Go-ra-us, Ra-go-<br />

us, also die Sonne geht heraus, und <strong>in</strong> diesem<br />

S<strong>in</strong>ne ist das Pferd das <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> aufgehenden<br />

und zum Zenit fahrenden Sonne gewesen.<br />

Die zweite Reihe ist : Cheval, Cavallo, Caballo.<br />

Sie ist zurückzuführen auf e<strong>in</strong>en Begriff Ak-<br />

val, Ko-val, <strong>der</strong> bedeutet : Geh Talwärts. Hier<br />

also ist nicht auf das aufgehende Sonnentier,<br />

son<strong>der</strong>n auf das forteilende, wilde <strong>Tier</strong> Bezug<br />

genommen. Vielleicht auf kastrierte Pferde.<br />

In schwed. Haest ist auch nur e<strong>in</strong>e Eigenschaft<br />

genannt, denn Haest ist <strong>mit</strong> deutsch Hast und<br />

lat. Hasta-Pieü. identisch, sowie ja das Fort-<br />

rennen des Pferdes immer <strong>mit</strong> dem Pfeil ver-<br />

glichen worden ist. Die late<strong>in</strong>ische Form Equus<br />

steht aber nur sche<strong>in</strong>bar isoliert. <strong>Das</strong> lat. Qu<br />

ist stets kv <strong>in</strong> älteren Formen, so daß das<br />

Pferd dort Ekvus o<strong>der</strong> Kevus geheißen hat.<br />

Zu Ekvus o<strong>der</strong> Kevus haben wir nun aber e<strong>in</strong>e<br />

vollständige Reihe, die <strong>mit</strong> f<strong>in</strong>n. Hevose, He-


po, Hevonen beg<strong>in</strong>nt, <strong>in</strong> <strong>in</strong>disch Akva für<br />

Hengst und Stute fortgesetzt wird, und <strong>in</strong><br />

griech. Hippos endet. Hierzu gehört dann<br />

auch die Reihe span. Yegua, portug. Egoa,<br />

sard<strong>in</strong>. Ebba, waUs. Eape, die alle überwie-<br />

gend Stute bedeuten. Ek-vos und Ek-va s<strong>in</strong>d<br />

nun sicher die ersten männlichen und weib-<br />

lichen Formen des Pferdenamens für e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Komplex und haben erst später<br />

Vermischung erlitten. Vos möchte ich dabei<br />

auf den alten Wasserstamm Was zurückfüh-<br />

ren, <strong>der</strong> fem<strong>in</strong><strong>in</strong> Va gelautet haben muß. Die<br />

Geschlechtsbezeichnung des Wassers ist ja<br />

ebenfalls im Lauf <strong>der</strong> Zeiten variabel gewe-<br />

sen.<br />

<strong>Das</strong> alte deutsche Wort Hengst, auch Hengist,<br />

hat wohl sicher nicht Wallach bedeutet, wie<br />

e<strong>in</strong>ige Forscher me<strong>in</strong>en. Da das Pferd slov.<br />

Kanj, tschech. Kun etc. heißt, so liegt dem<br />

Wort Hengst sicher e<strong>in</strong> Stamm Kon-Set zu-<br />

grunde, und älter Kong-Set, das heißt — Sitz<br />

des Königs. Und dies ist nicht nur e<strong>in</strong>e Ver-<br />

mutung. Kon ist e<strong>in</strong> Wort, das zugleich das<br />

männliche Geschlecht, wie auch den Herrn<br />

und Fürsten bezeichnet, und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> das Pferd noch nicht <strong>in</strong> so großer Zahl ge-<br />

zähmt und gezüchtet war, wissen wir sehr<br />

wohl, daß es den größten Fürsten als Reittier<br />

vorbehalten war, und es waren <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien<br />

die Fürsten <strong>der</strong> Hittiter, die sich Pferde im-<br />

tere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> schenkten, und auch den ägyp-<br />

tischen Fürsten solche Geschenke machten.<br />

Dafür aber gibt es noch e<strong>in</strong>en Beweis <strong>in</strong> dem<br />

russischen Wort Loschad für Pferd, das sonst<br />

sehr isoliert stände. Wenn wir Lo durch Ro<br />

ersetzen, so haben wir e<strong>in</strong>en Ro-Sat vor uns,<br />

e<strong>in</strong>en Ra - Sitz, <strong>der</strong> sich nun entwe<strong>der</strong> auf<br />

Ra - Sonne o<strong>der</strong> Ra, Rey - König bezieht. Im<br />

Ungarischen haben wir Lo für das Pferd alle<strong>in</strong><br />

und das Wort Lu bei den Wogulen zeigt, daß<br />

13<br />

Ro, Lo, Ru, Lu e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> ältesten Bezeichnun-<br />

gen des <strong>Tier</strong>es gewesen s<strong>in</strong>d.<br />

Litauen hat für das Pferd Arklis, was merk-<br />

würdig <strong>mit</strong> Herakles sich begegnet. Ra-klis<br />

wird ohne Zweifel ebenfalls auf e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>-<br />

dung <strong>mit</strong> Ra h<strong>in</strong>deuten.<br />

<strong>Das</strong> deutsche Wort Pferd endlich ist ohne<br />

Zweifel älter, als man zunächst annehmen<br />

möchte, denn die älteren Formen Perid,<br />

Paard haben bei den Suaheli e<strong>in</strong>e Form<br />

Frasi, die ich nicht auf neueren E<strong>in</strong>fluß zu-<br />

rückführen kann. Der Stamm Part ist aber<br />

für <strong>Tier</strong>e ungeheuer häufig, er ist sicher <strong>in</strong><br />

Brut, Burt zu suchen, wenn auch <strong>mit</strong> vielen<br />

Zwischenstufen, und bedeutet nur <strong>Tier</strong> an<br />

sich.<br />

Die Basken haben e<strong>in</strong> Wort Zaldia für das<br />

Pferd, und wegen des sicheren Alters muß<br />

man dieses Wort um so ernster nehmen, weil<br />

wir bei uns selbst, wie es sche<strong>in</strong>t, noch diesen<br />

Stamm <strong>in</strong> dem Wort Zelter haben. Es ist be-<br />

kannt, daß <strong>der</strong> Zelter die älteren Namen Zel-<br />

tari, Tel<strong>der</strong>i, Tjaldare führt, und das Z daher<br />

nach T h<strong>in</strong>über zu deuten wäre. Trotzdem<br />

halte ich bei dem Alter <strong>der</strong> baskischen Spra-<br />

che für möglich, daß hier Zal auf die Sonne<br />

geht, und Zel-ter, Zol-ter als <strong>der</strong> Sonnendreher<br />

geme<strong>in</strong>t gewesen ist.<br />

<strong>Das</strong> Wort bretonisch March hat deutsch MäA-<br />

re, Marah, Mark, und diese Formen waren<br />

sicher Maskul<strong>in</strong>, während angels. Myre, ndl.<br />

Merrie, anord. Merr von Anfang an Fem<strong>in</strong><strong>in</strong>e<br />

gewesen s<strong>in</strong>d. Ma ist übrigens auch e<strong>in</strong>e chi-<br />

nesische Bezeichnung für das <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a sehr<br />

bedeutende Pferd, und daß man es als Mara<br />

bezeichnet hat, also als Mutter des Sonnen-<br />

gottes, entspricht se<strong>in</strong>er kultischen Beziehung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorzeit durchaus.<br />

Bei den Mandschu heißt das Pferd Mor<strong>in</strong>,<br />

und hier sche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> alte Name Ren für das


Renntier, das dem Pferde sicher voraufg<strong>in</strong>g,<br />

durchzukommen<br />

Unser deutsches Wort Gaul hat nicht immer<br />

e<strong>in</strong>e abfäUige Bedeutung gehabt. <strong>Das</strong> alba-<br />

nische Calle, wal, Cal und arab. Chel beweisen<br />

das Alter dieser Form, die aber vielleicht<br />

ebenso, wie e<strong>in</strong>st Kon nur die Bezeichnung<br />

des männlichen <strong>Tier</strong>es se<strong>in</strong> sollte, wie noch <strong>in</strong><br />

mhd. GM/-Eber sichtbar. Es ist aber auch zu<br />

erkennen, daß die Worte Geil und Beschälen<br />

zum gleichen Komplex gehören, und daß be-<br />

son<strong>der</strong>s die arab. Form Chel <strong>mit</strong> beschälen ver-<br />

wandt ist (Belegung <strong>der</strong> Stute). <strong>Das</strong> Breto-<br />

nische hat noch e<strong>in</strong> Wort Belek für das Pferd,<br />

und ich denke, es wird durch Inversion <strong>in</strong> Ke-<br />

bel zu verwandeln se<strong>in</strong> und <strong>mit</strong> den Caval-<br />

Formen zusammenfallen, obwohl wir audl^ im<br />

F<strong>in</strong>nischen noch e<strong>in</strong>e Form Laikko zu erklären<br />

haben. Hebr. Susa und ähnliche Pferdworte<br />

bedeuten gleichzeitig Schwalbe etc. und s<strong>in</strong>d<br />

also nur Namen für »Schnell«, so daß sie <strong>mit</strong><br />

unserm Worte Sausen zusammenfallen. Sasa<br />

als Antriebwort für Pferde.<br />

Man kann nach dieser Untersuchung schon<br />

sagen, daß wir weite Gebiete durch die Ideen-<br />

e<strong>in</strong>heit <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>den konnten, und<br />

<strong>in</strong> unserm eigenen sehr reichen Bestand, ob-<br />

wohl <strong>der</strong>selbe noch nicht annähernd <strong>in</strong> den<br />

Dialekten ausgebeutet wurde, fast zu allen<br />

Formen <strong>der</strong> übrigen bewohnten Erde die Be-<br />

ziehungen knüpfen konnten. Es läßt sich auch<br />

nun <strong>mit</strong> voller Sicherheit sagen, daß unser<br />

Wort Gaul <strong>mit</strong> dem roman. Caval völUg gleich<br />

ist, und so kann es uns auch nicht wundem,<br />

daß die Irob-Saho uns e<strong>in</strong>e Form Faras zur<br />

Suaheli-Form Frasi darbieten, die <strong>mit</strong> unserm<br />

Pferd zusammenfällt. Unser Wort Pferd, Perd<br />

hat noch e<strong>in</strong>e alte Sagenform Falada, die<br />

durch R-L Vertauschung <strong>in</strong> Farada, Fard<br />

übergeht, und das arabische Mehri gibt uns<br />

14<br />

dazu Firh<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Stute, wobei H<strong>in</strong> wie<strong>der</strong><br />

die weibliche Endung ist, so daß Fir <strong>der</strong><br />

Stamm bleibt, <strong>der</strong> dann auf Fyr, Vier, Feuer<br />

etc. als älteste Form zurückgeht, die weiter<br />

auf Af-ra zu reduzieren bleibt. Es ist also<br />

auch nicht zu verwundem, daß e<strong>in</strong> Hengst-<br />

füllen bei den Esten den Namen Soenn hat,<br />

was zugleich Sohn und Sonne bedeutet.<br />

Wir spornen das Pferd <strong>mit</strong> dem Rufe Hopp<br />

an, und auch schwedisch kommt Happe, Hop-<br />

pe für die Stute vor. <strong>Das</strong> span. Yegua hat bei<br />

uns <strong>in</strong> vielen /«cÄ-Namen die Ortsbezeich-<br />

nungen ostpreußischer uralter Gestüte abge-<br />

geben, und wie<strong>der</strong>um heißt f<strong>in</strong>n. Hepo - Eile.<br />

Dieses Thema ist nicht zu erschöpfen, aber es<br />

konnte wenigstens gezeigt werden, wie tief das<br />

Pferd <strong>in</strong> unsere nordischen Vorstellungen e<strong>in</strong>-<br />

gegriffen hat, und wo so viele Pferdeworte al-<br />

ler Welt Heimatrecht haben, wird wohl auch<br />

die Pferdezucht ihren Ausgang genommen ha-<br />

ben. <strong>Das</strong> Keltische (gael) zeigt aber <strong>mit</strong> Bach<br />

und Eich, also Grundform Ek, daß die süd-<br />

lichen Formen Derivate des Nordens s<strong>in</strong>d,<br />

denn ich hoffe, daß die Vorstellungen von <strong>der</strong><br />

keltischen Sprachwan<strong>der</strong>ung längst erloschen<br />

und vergessen s<strong>in</strong>d, daß alle keltischen Dia-<br />

lekte als urseßhaft am Nordmeer längst aner-<br />

kannt s<strong>in</strong>d. Für die Bretonen erwähne ich des-<br />

halb noch das Wort Ronse, <strong>in</strong> dem Ron und<br />

Ren, <strong>der</strong> Begriff des Rennens aus dem Ra-<br />

j Gang, die Hauptrolle spielt. Die Nachsilbe Se<br />

wird sich ihrer Kürze halber nicht deuten las-<br />

sen, wenn es auch merkwürdig ist, daß e<strong>in</strong>ige<br />

Haussadialekte das Pferd Sa, Su etc. nennen.<br />

HUND. Er ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Völker<br />

fast ebenso wichtig, wie das Pferd. Bei den<br />

Ch<strong>in</strong>esen heißen die Nordvölker, die sicher<br />

die Väter <strong>der</strong> späteren Ch<strong>in</strong>esen s<strong>in</strong>d, schon<br />

<strong>in</strong> ältester Zeit Hunde, was also entwe<strong>der</strong> als<br />

Beleidigung gedacht ist, o<strong>der</strong> als Degenera-


tion, denn die ch<strong>in</strong>esischen Sagen s<strong>in</strong>d voll<br />

von geschlechtlichenVermischungen zwischen<br />

Menschen und Hunden, genau wie das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>i-<br />

gen Gegenden von Europa <strong>der</strong> Fall ist.<br />

In Persien dagegen genießt <strong>der</strong> Hund die al-<br />

lerhöchste Verehrung, und die Vergehen ge-<br />

gen e<strong>in</strong>e trächtige Hünd<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d fast die e<strong>in</strong>zi-<br />

gen todeswürdigen Verbrechen des Menschen.<br />

Wir wollen also untersuchen, was wohl die<br />

Sprache an e<strong>in</strong>igen Orten aus dem Hunde ge-<br />

macht hat.<br />

Ich erwähne zuerst die Reihen, die sich zu-<br />

sammenstellen lassen.<br />

Hund, Hunt, Hundr, Hound.<br />

Son<strong>der</strong>formen für Hünd<strong>in</strong> : Zoha, Zaupe, Lau-<br />

sche, Betze, Tiffe, Klüse, Bräck<strong>in</strong>.<br />

Griech. Kyon, sanskr. Cvan, lat. Canis, frz.<br />

Chien, wallon. Che<strong>in</strong>.<br />

Lothr. Chei, prov. Ches, Ut. Szu, Szuns, gael.<br />

Cu, bret. Ki, Kounn, ch<strong>in</strong>. Ki, Chi.<br />

Engl. Dog, vielleicht <strong>mit</strong> Dachs, Dackel zu-<br />

sammen.<br />

Span. Ferro vollkommen isoliert.<br />

Russ. Ssabaka, sonstige slaw. Sprachen Pes,<br />

Pies. Bei den Maya: Pec.<br />

Arab. Kelh.<br />

F<strong>in</strong>n. Rankt, Kaira, Peni, Pana. Bei den<br />

Haussa Karre und bei uns Karo als beson<strong>der</strong>s<br />

häufiger Hundename.<br />

Ewe: Atu, Suaheli: Möze'a, Papua: Naf, Ung.<br />

Kutya und Eb. Zigeuner: Xukel, Mehri: Mha-<br />

taye, Adamaua-Dialekte : Kare, Keri, Tonga:<br />

Mbyana, Jabim: Kiam, Mande: Bare.<br />

<strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d die Hauptpunkte <strong>der</strong> Reihe, die zu<br />

ordnen ist.<br />

Am klarsten geht aus dem schon oft behan-<br />

delten arabischen Worte Kelb hervor, welche<br />

typische Ersche<strong>in</strong>ung vom Hunde man be-<br />

zeichnen wollte. Kelb ist e<strong>in</strong> Wortstamm wei-<br />

testerVerbreitung, und es gehören Golpe, Klop-<br />

15<br />

fen, Klafen, Kläffen und viele an<strong>der</strong>e Worte<br />

hierher. Alle diese Worte bezeichnen e<strong>in</strong>e<br />

Zweispaltung, e<strong>in</strong> Auf- und Nie<strong>der</strong>schlagen<br />

<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Hammer, und wenn also die Araber<br />

an <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>asiatischen Küste e<strong>in</strong>en Fluß den<br />

Nar-el-Kelb nennen, was man heute <strong>mit</strong> Hun-<br />

defluß falsch übersetzt, so sollte da<strong>mit</strong> das<br />

stark pulsierende Auf- und Nie<strong>der</strong>gehen <strong>der</strong><br />

Flut und Ebbe <strong>in</strong> diesem engen Flußtal ge-<br />

me<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>. Kalb heißt im Arabischen das<br />

Herz und auch hier ist das pulsende Klopfen<br />

<strong>der</strong> Grundbegriff. Und dieses Wort Kelb ist<br />

auch e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> ältesten, denn von h<strong>in</strong>ten nach<br />

vom gelesen ergibt es Welk, Belk, und das ist<br />

<strong>in</strong> zwei H<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong>teressant. Während aus<br />

Kelb imser Wort Kläffen für das Bellen des<br />

Hundes verständlich wird, haben wir <strong>in</strong> Belk<br />

die Worte Bölken und Blöken, die sich im<br />

ersten ebenfalls auf den Hund, im zweiten auf<br />

das Schaf beziehen. Aber außerdem haben wir<br />

<strong>in</strong> Belk auch den uralten Stamm slaw. Volk<br />

für den Wolf, von dem wir ja auch noch den<br />

Hund ungefähr herleiten, und wir haben die<br />

Er<strong>in</strong>nerung an diese Beziehung wohl nur noch<br />

dadurch behalten, daß wir die Jungen von<br />

Hunden als Welpen, also als Wölfe bezeich-<br />

nen. Der Name Bracke für e<strong>in</strong>en heute sel-<br />

tenen, wertvollen Jagdhund aber ergibt, wenn<br />

man <strong>in</strong> ihm R durch L ersetzt, ebenfalls Blake,<br />

Balk, Volk, und er gehört also ebenfalls zur<br />

Hun<strong>der</strong>eihe. <strong>Das</strong> englische Wort Bark-{Ba}k)<br />

für Bellen hat un<strong>mit</strong>telbare Beziehung zu<br />

Brake.<br />

<strong>Das</strong> englische Wort Dog möchte ich, da es <strong>mit</strong><br />

dem Dachs sicher enge Beziehung hat, auf<br />

Z)«g- Graben, Z)wc^-Tauchen etc. h<strong>in</strong>überlei-<br />

ten und hier den Typ des sich e<strong>in</strong>grabenden<br />

Hundes erkennen.<br />

In baskisch Potzoa und den slawischen Pes-<br />

Formen kann man wohl kaimi die Beziehung


zum Fuchs verkennen, <strong>der</strong> ja bei uns vere<strong>in</strong>-<br />

facht Voß heißt. <strong>Das</strong> gleiche gilt natürUch für<br />

unsern Dialektausdruck: Betse, sowie auch<br />

für Zaupe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umkehrung. Man kann aber<br />

nicht verkennen, daß hier zugleich die Bestia,<br />

Bete-Fonnen für den <strong>Tier</strong>begriff überhaupt<br />

durchsche<strong>in</strong>en, und es kann auch ke<strong>in</strong> Zweifel<br />

darüber bestehen, daß vielerorts <strong>der</strong> Hund<br />

e<strong>in</strong>fach Beast, Vieh genannt worden ist, ohne<br />

daß e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Typ bedacht wurde.<br />

Bei den an<strong>der</strong>n Gruppen aber müssen wir<br />

vielleicht tiefere Gründe aufsuchen, und da<br />

kann wohl kaum <strong>der</strong> wesentlichste Charakter-<br />

zug des Hundes übersehen worden se<strong>in</strong> : Se<strong>in</strong>e<br />

Anhänglichkeit sklavischer Art, se<strong>in</strong>e Abhän-<br />

gigkeit und se<strong>in</strong> Folgen h<strong>in</strong>ter Mensch und<br />

Roß und Wagen. Da aber <strong>der</strong> Hund hier <strong>der</strong><br />

Nachfolger des Menschen ist, <strong>der</strong> die Sonne<br />

vertritt, so müßten ihm auch Namen gegeben<br />

se<strong>in</strong>, die hierauf schließen lassen.<br />

Daß nun das Sternbild des Sirius den Namen<br />

Hund erhalten hat, kann ich nicht für e<strong>in</strong>en<br />

Zufall halten, son<strong>der</strong>n denke bestimmt, daß<br />

man <strong>in</strong> ihm den treuen Folger, aber auch Ge-<br />

genpol <strong>der</strong> Sonne gesehen hat. Er war <strong>in</strong> dieser<br />

Gestalt die Asch-Sonne selbst, und wenn <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> altpersischen <strong>Religion</strong> <strong>der</strong> Hund so große<br />

Verehrung genossen hat, so kann ich nicht<br />

an<strong>der</strong>s denken, als daß es sich hier um e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Quellen des Sirius-Dienstes handelt, den<br />

wir ja auch <strong>in</strong> Ägypten kennen. Als Asch-Son-<br />

ne mußte natürlich <strong>der</strong> Name Asch-Ra den<br />

Grundtyp abgeben, aber wir f<strong>in</strong>den nur den<br />

T}^ Kari, wie aus den Verzeichnissen ersicht-<br />

lich, reichlich vor. Nur die baskische Sprache<br />

hat e<strong>in</strong>e Form Zacurra und Chucurra, die ich<br />

nach <strong>der</strong> Eigenart <strong>der</strong> baskischen Sprache<br />

glaube auf Skorra reduzieren zu dürfen, was<br />

dem gesuchten Grundbegriff ^scÄ-i?Ä entsprä-<br />

che. Gleichzeitig aber sche<strong>in</strong>t es mir, daß <strong>in</strong><br />

i6<br />

dieser Zacurra-Yorm. auch das Wort Secour,<br />

Secorro enthalten ist, und das kann wenig<br />

wun<strong>der</strong>n, da ja unser Wort Hilfe <strong>mit</strong> Kelb,<br />

Help etc. völlig übere<strong>in</strong>stimmt.<br />

<strong>Das</strong> russische Wort Ssahaka wird wohl e<strong>in</strong><br />

Komposit von Bak-M.und. se<strong>in</strong> und auf das<br />

Bellen Bezug nehmen. Der schwierigste Kom-<br />

plex aber ist die große Reihe ganz pri<strong>mit</strong>iver<br />

Formen, wie Cu, Ki, Gou, Chei, die dann wie-<br />

<strong>der</strong> <strong>mit</strong> den N-Verb<strong>in</strong>dungen Kyon, Chien,<br />

Che<strong>in</strong> etc. eng verbunden s<strong>in</strong>d. Diese Worte<br />

s<strong>in</strong>d zu exakter Interpretation zu kurz, denn<br />

es läßt sich zu viel <strong>in</strong> ihnen vermuten und zu<br />

wenig beweisen. Daß die Worte des Jagens<br />

<strong>mit</strong> dem Hund zusammenfallen, wie Hund<br />

und engl, to hunt, wie engl. Chase, deutsch<br />

Hetze und frz. Chasser und prov. Ches, ist nur<br />

natürlich, sowie auch die Kr-Fovmen <strong>mit</strong> dem<br />

Laufen und se<strong>in</strong>em Stamm Coro, Courir etc.<br />

verwandt s<strong>in</strong>d. Es ist nicht zu bezweifeln, daß<br />

<strong>der</strong> üCw-Komplex auf Go-<strong>in</strong> o<strong>der</strong> auf das Hi-<br />

ne<strong>in</strong>folgen <strong>in</strong> den Untergang, und bei e<strong>in</strong>er<br />

wesentlich erweiterten Untersuchung, die sich<br />

auf alle ältesten Eigennamen <strong>der</strong> Hunde er-<br />

strecken müßte, würde man sicherlich f<strong>in</strong>den,<br />

daß Ausdrücke wie Freund, Schatten etc. e<strong>in</strong>e<br />

große Rolle spielen. Man kann aber nicht f<strong>in</strong>-<br />

den, daß auf die Ausbildung <strong>der</strong> Nase <strong>in</strong> den<br />

Sprachformen beson<strong>der</strong>s Bezug genommen<br />

wäre, wenn auch die Grundbeziehung zwi-<br />

schen den e<strong>in</strong>fachen Ku- und Ki-Silhen zu<br />

unsrer Kuh, Cow etc. noch aufzuklären wäre,<br />

wie ja auch das arab. Kelb <strong>in</strong> unserm Kalb<br />

wie<strong>der</strong>kehrt.<br />

HASE. Auch dieser Komplex ist sprachlich<br />

sehr unerfreulich. Ich zitiere : engl. Hare, ro-<br />

man. Lievre, Liebre, Lefre, Lepus, russ. Sa-<br />

jaz, griech. Lagos, Ptox, bask. Erbia, <strong>in</strong>d.<br />

Sasa, altpr. Sasnis, K5niir. Ce<strong>in</strong>ach, bret.<br />

Gad, Chad, hebr. Arnebeth, gael. Maigheach,


Gearr, Haussa Kurege, suaheli Sungura, ada-<br />

maua Tergi, Tergtma, Zoma, Mehri Harneb.<br />

Völlig klar sche<strong>in</strong>t mir nur das romanische<br />

Lepre als dtsch. Läufer o<strong>der</strong> Leaper, das heißt<br />

Spr<strong>in</strong>ger. Auch Lepus geht e<strong>in</strong>fach auf Leap-<br />

Spr<strong>in</strong>gen zurück. Man muß sich die sprung-<br />

hafte Laufart des Hasen gegenwärtig halten,<br />

wenn man überhaupt verstehen will, wie <strong>der</strong><br />

Hase zvmächst das beson<strong>der</strong>e Mondtier <strong>der</strong><br />

Ch<strong>in</strong>esen geworden ist. Se<strong>in</strong>e Zweifarbigkeit<br />

im W<strong>in</strong>ter- und Sommerhaar, se<strong>in</strong> Auftau-<br />

chen und Verschw<strong>in</strong>den im Lauf und wohl<br />

auch die Zweispaltigkeit se<strong>in</strong>er Oberlippe ha-<br />

ben den Hasen zum zweiphasigen Mond <strong>in</strong><br />

Beziehung gesetzt, und die dauernd offenen<br />

Augen (auch während des Schlafes) werden<br />

ihn zum Nachttier o<strong>der</strong> Nachtwacher gemacht<br />

haben. <strong>Das</strong> aber gilt sicher am meisten dort,<br />

wo eben die Zweifarbigkeit e<strong>in</strong>e sehr große<br />

Rolle spielte.<br />

<strong>Das</strong> Wort Hase hängt sicher <strong>mit</strong> dem Stamm<br />

Chas zusammen, über den wir schon beim<br />

Hund gesprochen haben Auch im Slawischen<br />

Sajatz ist Jatz wohl <strong>mit</strong> Hast, Hetzen, Hatz<br />

etc. zu vergleichen.<br />

Weiter glaube ich, daß sowohl Sasa, Sasnis,<br />

wie auch bret. Gad und Chad auf die Sprung-<br />

worte: Satz, Sauter zu br<strong>in</strong>gen wären, aber<br />

Hare, Kurege, Sungura und Gearr auf den<br />

Stamm Kar, den wir beim Hund <strong>mit</strong> Courir<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung fanden, denn Go-ra als Bezie-<br />

hung zum Auf und Nie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sonne ist eben-<br />

sogut möglich, wie die gleiche Beziehung zum<br />

Mond. Hebr. Arnebeth wäre Ren-beth, Ren-<br />

nen und Bet (Haus)-Wat verbunden. Für den<br />

Westen ist ja <strong>der</strong> Hase als Sonnentier besser<br />

bezeugt, wie als Mondtier, denn erstens haben<br />

wir die Beziehung zur aufgehenden Sonne <strong>in</strong><br />

dem Kult des Osterhasen und se<strong>in</strong>er bunten<br />

Eier, und zweitens haben wir ihn <strong>in</strong> Afrika<br />

17<br />

an <strong>der</strong> Stelle des Fuchses, den wir alsi?a-des<br />

Nordens kennen gelernt hatten <strong>in</strong> allen Sagen<br />

und Märchen, also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>s klugen<br />

und überlegenen Form. Man darf auch nicht<br />

vergessen, daß e<strong>in</strong> guter Hund e<strong>in</strong>en gesun-<br />

den ausgewachsenen Hasen auch kaum e<strong>in</strong>-<br />

holen wird, wenn er nicht eben <strong>in</strong> Meute<br />

jagt.<br />

<strong>Das</strong> griechische Lagos halte ich zunächst für<br />

die gleiche Variante, wie Volk und Wolf,Vulp,<br />

also im Grunde für übere<strong>in</strong>stimmend <strong>mit</strong> La-<br />

pus.<br />

Weiter möchte ich <strong>in</strong> diesen Untersuchungen<br />

nicht gehen, weil ich zunächst zeigen wollte,<br />

daß wir von den <strong>Tier</strong>en zu wenig wissen, als<br />

daß wir ganz die vorgeschichtlichen Erschei-<br />

nungen und Deutungen voll verstehen könn-<br />

ten, und auch, um nicht <strong>mit</strong> übermäßig gro-<br />

ßem Material diese Arbeit zu sehr zu belasten.<br />

Es macht ja nicht die ger<strong>in</strong>gste Mühe, e<strong>in</strong><br />

baskisches Erbia für den Hasen als Ra-way<br />

umzudeuten, und also den Sonnenweg <strong>in</strong> die-<br />

sem <strong>Tier</strong> rituell wie<strong>der</strong> zu erkennen, aber ge-<br />

rade die große Leichtigkeit <strong>der</strong> Komb<strong>in</strong>atio-<br />

nen soll <strong>in</strong> gleicher Weise zu Komb<strong>in</strong>ationen<br />

und zur Vorsicht anregen. Erbia ist auch Ra-<br />

bia, Labia, Lauf.<br />

Ich habe <strong>in</strong> den Berichten über Ch<strong>in</strong>a aus-<br />

führlich dargetan, wie schwer es ist, irgend-<br />

e<strong>in</strong>en Unterschied zwischen den fernsten und<br />

nächsten Vorstellungsformen und Überliefe-<br />

rungen aufzuzeigen, und ebensowenig halte<br />

ich es für möglich, zwischen den Sprachen al-<br />

ler Welt <strong>in</strong> ihrer frühesten Form irgende<strong>in</strong>e<br />

Grenze zu ziehen, denn wenn schon die gan-<br />

zen Berichte lückenlos erhalten s<strong>in</strong>d, wie soll-<br />

ten da nicht die Werkste<strong>in</strong>e des Berichtes <strong>in</strong><br />

noch viel treuerer Form im Gedächtnis <strong>der</strong><br />

Völker geblieben se<strong>in</strong>? Es handelt sich bei sol-<br />

chen neuen Arbeiten ja um neue Wege, aber


mir sche<strong>in</strong>t, daß dieselben gangbar s<strong>in</strong>d, wenn<br />

wir nur erst <strong>mit</strong> den größten Dummheiten auf-<br />

geräumt haben, daß bald jedes deutsche Wort<br />

aus dem Late<strong>in</strong>ischen kommen muß.<br />

CHINA.<br />

Ch<strong>in</strong>esen haben die Natur zu allen Zei-<br />

Die<br />

ten beson<strong>der</strong>s sorgfältig beobachtet, und<br />

ihre Lehre vom Tao beweist das. Wo die Chi-<br />

nesen diese Beziehungen zur Natur gelernt<br />

haben, die sich heute noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unver-<br />

gleichlichen Landschafts- und <strong>Tier</strong>malerei<br />

auswirken, soll hier nicht nochmals erwogen<br />

werden.<br />

Die Ch<strong>in</strong>esen haben <strong>in</strong> den ältesten Zeiten,<br />

von denen uns berichtet wird, außerordent-<br />

lich enge Beziehungen zu den <strong>Tier</strong>en unter-<br />

halten. Es wird uns von ihren Weisen berich-<br />

tet, daß sie sagen: »Wir sehen an allen Tie-<br />

»ren Eigenschaften von großer Klugheit, von<br />

»Sparsamkeit, von Mutterliebe und viel an-<br />

»<strong>der</strong>en Eigenschaften, welche die Menschen<br />

»hochschätzen.<br />

»Wir sehen aber auch zuzeiten an Menschen<br />

»Eigenschaften, die an Grausamkeit ke<strong>in</strong><strong>Tier</strong><br />

ȟbertrifft : Deshalb sollen Menschen und Tie-<br />

»re grundsätzlich etwas Verschiedenes se<strong>in</strong> ?«<br />

Die Verwandlung von Menschen und <strong>Tier</strong>en<br />

spielt <strong>in</strong> alten ch<strong>in</strong>esischen Berichten e<strong>in</strong>e sehr<br />

große Rolle. Während <strong>in</strong> Westeuropa nur die<br />

Verwandlungen von Menschen <strong>in</strong> Bären und<br />

Wölfe große Volkstümlichkeit erlangt haben,<br />

wenn auch Spuren von allen an<strong>der</strong>en Ver-<br />

wandlungen nachzuweisen s<strong>in</strong>d, f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a viel häufiger Verwandlungen von Men-<br />

schen <strong>in</strong> Bären, Wölfe, Schildkröten, Fische,<br />

und selbst Verwandlungen <strong>in</strong> Insekten wer-<br />

den erwähnt.<br />

Bevor ich e<strong>in</strong>ige E<strong>in</strong>zelheiten erwähne, halte<br />

ich es für nötig, daß man sich ohne Vorurteil<br />

i8<br />

e<strong>in</strong>mal klar wird über die Erlebnisse, die zu<br />

dem Austausch zwischen Menschen und Tie-<br />

ren geführt haben.<br />

Die hauptsächlichen Möglichkeiten, unter de-<br />

nen sich e<strong>in</strong> Mensch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> verwandelt,<br />

s<strong>in</strong>d folgende:<br />

E<strong>in</strong> Mensch kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Krank-<br />

heitsstadium außer sich geraten und <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

böses <strong>Tier</strong> verwandelt werden. Da auch unsere<br />

Krankheitsgeschichten viele paroxistische Zu-<br />

stände kennen, wird es uns leicht, zu ver-<br />

stehen, daß e<strong>in</strong> Mensch,<strong>der</strong> <strong>in</strong>folge vonKrank-<br />

heit, Vergiftung, Wut o<strong>der</strong> Schmerz außer sich<br />

gerät, bestimmte Symptome zeigt, die <strong>in</strong> ei-<br />

nem gewissen Grade Eigenschaften des frühe-<br />

sten K<strong>in</strong>desalters s<strong>in</strong>d, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em höheren<br />

Grade <strong>in</strong> die Eigenschaften verschiedener Tie-<br />

re übergehen.<br />

Gerade unser Ausdruck »außer sich geraten«<br />

zeigt schon deutlich an, daß e<strong>in</strong> Mensch e<strong>in</strong>en<br />

Zustand haben kann, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Tagesnatur<br />

entgegengesetzt ist, und allenfalls als Nacht-<br />

seite se<strong>in</strong>er Existenz bezeichnet werden kann.<br />

Gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> allerletzten Zeit nun bemüht<br />

sich die europäische Wissenschaft, das zweite<br />

<strong>Das</strong>e<strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschen näher zu untersuchen.<br />

Alle früheren Auffassungen über das Zaubern<br />

und Hexen beleben sich neu <strong>in</strong> unseren Ver-<br />

suchen <strong>der</strong> anerkannten Hypnose und Sug-<br />

gestion. Vorfälle, <strong>in</strong> denen bei uns, um e<strong>in</strong><br />

Beispiel zu nennen, e<strong>in</strong>e Frau, obwohl sie ihr<br />

Haus nicht verläßt, nachts <strong>mit</strong> Dieben Raub-<br />

züge unternimmt und am Tage davon zu be-<br />

richten weiß, f<strong>in</strong>den bereits wie<strong>der</strong> vollen<br />

Glauben, und me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach dürfen<br />

wir e<strong>in</strong>e psychische Verwandlung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Austausch zwischen Menschen und <strong>Tier</strong>en als<br />

Erlebnis <strong>der</strong> ältesten Völker durchaus nicht<br />

von vornhere<strong>in</strong> bestreiten o<strong>der</strong> unglaubwür-<br />

dig f<strong>in</strong>den. Wir werden für <strong>der</strong>artige psychi


sehe Verwandlungen heute wissenschaftHch<br />

zwar e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Ausdruck wählen, aber<br />

im Grunde genau denselben Vorgang erleb-<br />

nismäßig wie<strong>der</strong>f<strong>in</strong>den, wie er die Gnmdlagen<br />

<strong>der</strong> alten Volkssagen bildet.<br />

Mir sche<strong>in</strong>t aber, daß man den Komplex <strong>der</strong><br />

Beziehungen zwischen den Lebewesen noch<br />

erweitem muß.<br />

In Mittelmeerlän<strong>der</strong>n, <strong>in</strong> Indien und vielen<br />

an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Erde begegnet uns gele-<br />

gentlich die Auffassung, daß alle Menschen,<br />

wenn sie nicht endgültig aus den Lebensfor-<br />

men befreit werden, nach ihrem Tode stets<br />

<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>e verwandelt werden und aus diesen<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Menschenformen zurückgehen, so<br />

daß also e<strong>in</strong> Teil des Geistes niemals wirklich<br />

erlischt, son<strong>der</strong>n von Stufe zu Stufe verwan-<br />

delt wird.<br />

Wenn man nun den Ausdruck Werwolf be-<br />

trachtet, so heißt es zwar landläufig, daß das<br />

Wort Wer Mann bedeuten soll, aber nach den<br />

an<strong>der</strong>en Sprachformen, die wir für Werwolf<br />

haben, nämUch z. B. Loup-Garou und War-<br />

kalak halte ich für sehr wahrsche<strong>in</strong>lich, daß<br />

Wer : Afra bedeutet, das heißt Sonne im Nacht-<br />

stand. Ich glaube bestimmt, daß auf Grund<br />

<strong>der</strong> alten, auch <strong>in</strong> Europa früher vollkommen<br />

heimischen taoistischen Begriffe die Vorstel-<br />

lungsform wie folgt g<strong>in</strong>g: Wenn e<strong>in</strong> Mensch<br />

nicht mehr er selbst ist, son<strong>der</strong>n außer sich,<br />

das heißt also, wenn er im Schlaf ohne Geist<br />

daliegt, wenn er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankheit völlig ver-<br />

än<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> auch gestorben ist, so kann die<br />

Bewegung se<strong>in</strong>es Geistes o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Seele<br />

nicht e<strong>in</strong>fach aufgehoben se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n durch<br />

die Bewegtheit se<strong>in</strong>es Geistes wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit<br />

se<strong>in</strong>er Passivität e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Wesen <strong>in</strong> Betrieb<br />

gesetzt.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten gesagt, denke ich, daß<br />

die Vorzeit nicht nur e<strong>in</strong> Gesetz von <strong>der</strong> Er-<br />

19<br />

haltung <strong>der</strong> Energie annahm, son<strong>der</strong>n auch<br />

e<strong>in</strong> Gesetz von <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Bewegung.<br />

Daß e<strong>in</strong>e solche Annahme möglich ist, kann<br />

niemand bezweifeln: Wie sich unsere eigene<br />

Weltkenntnis <strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Zeit zu ihr ver-<br />

halten wird, läßt sich noch nicht entscheiden.<br />

Unter e<strong>in</strong>em solchen Gesetz nun ergibt es sich<br />

von selbst, daß die Seele e<strong>in</strong>es Schlafenden<br />

z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Maus, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Wiesel, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Vo-<br />

gel verwandelt,o<strong>der</strong> auch als Rauchwolke sich<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt bewegt, Erlebnisse hat und Funk-<br />

tionen durchführt, nach <strong>der</strong>en Ende sie wie-<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Menschen e<strong>in</strong>geht, worauf bald das<br />

Erwachen folgt und <strong>der</strong> Mensch selbst die Be-<br />

wegungen fortsetzt. Ebenso zwanglos ergibt<br />

es sich, daß Menschen <strong>in</strong>folge verhältnismäßig<br />

langer Krankheit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kritischen Augen-<br />

blick zu e<strong>in</strong>er ungeheuren tierhaften Bewegt-<br />

heit verwandelt werden und ihren Mitmen-<br />

schen gefährlich werden. Als ganz allgeme<strong>in</strong>e<br />

Anschauung könnte aber zu irgende<strong>in</strong>er Zeit<br />

die Grundauffassung bestanden haben, daß<br />

die Bewegungslosigkeit aller Menschen im<br />

Schlaf die Bewegung <strong>der</strong> Stürme, <strong>der</strong> Nacht-<br />

tiere etc. auslöst, daß überall, wo viele Men-<br />

schen gestorben s<strong>in</strong>d, die <strong>Tier</strong>e sich entspre-<br />

chend vermehren, und wir werden <strong>in</strong> den<br />

E<strong>in</strong>zelheiten noch manchen Vorstellungen be-<br />

gegnen, welche diese Hypothese unterstützen.<br />

DER BÄR. Verwandlungen von Menschen<br />

geschehen unter drei Aspekten: i. <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Krankheit o<strong>der</strong> <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>es Fluches (hierbei<br />

liegt dann oft e<strong>in</strong> Vergehen, e<strong>in</strong>e Sünde <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Vorgeschichte) ; 2. nach dem Tode; 3. freiwil-<br />

lig, <strong>in</strong>dem die Menschen im Besitze des Ver-<br />

wandlungswillens s<strong>in</strong>d. Oft ver<strong>mit</strong>tels e<strong>in</strong>es<br />

beson<strong>der</strong>en Zaubers. Es kommt auch vor, daß<br />

<strong>in</strong> bestimmten Gegenden o<strong>der</strong> Landschaften<br />

die Bevölkerung beson<strong>der</strong>s zu <strong>der</strong>artigen Ver-<br />

wandlungen imstande ist.


Verwandlungen von Menschen <strong>in</strong> Bären kom-<br />

men nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> ältesten Zeit <strong>in</strong> wenigen Fällen<br />

vor. <strong>Das</strong> kann nur darauf zu deuten se<strong>in</strong>, daß<br />

die Ch<strong>in</strong>esen ursprünglich <strong>in</strong> Gegenden wohn-<br />

ten, <strong>in</strong> denen Bären häufig waren, später aber<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zone des Tigers lebten.<br />

TIGER. Der Tiger sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a die Rolle<br />

von Bären, Wölfen und Löwen gleichzeitig<br />

gespielt zu haben. Über die Verwandlungen<br />

f<strong>in</strong>den wir mancherlei E<strong>in</strong>zelheiten, die uns<br />

aus den Sagen des Westens ohne Ausnahme<br />

bekannt s<strong>in</strong>d. Echte Tiger, so heißt es, fressen<br />

überhaupt ke<strong>in</strong>e Menschen. Tiger, die Men-<br />

schen fressen, s<strong>in</strong>d sündige alte Männer, die<br />

zur Strafe <strong>in</strong> Tiger verwandelt wurden. Wenn<br />

man den menschlichen Namen des Tigers<br />

weiß und nennt, entflieht er sofort. Wenn e<strong>in</strong><br />

Mensch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Tiger verwandelt ist und hat<br />

e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>n Menschen verschlungen, so<br />

kann er nicht mehr zurück. Hat er aber noch<br />

ke<strong>in</strong>en Menschen gefressen, so kann er wie<strong>der</strong><br />

Mensch werden. <strong>Das</strong> Verhalten des Volkes<br />

richtet sich auch oft genug nach dieser Dia-<br />

gnose.<br />

WOLF. Während <strong>der</strong> Tiger und <strong>der</strong> Bär schon<br />

<strong>in</strong> den Berichten um 5—600 v. Chr. vorkom-<br />

men, wird <strong>der</strong> Wolf, sowie auch <strong>der</strong> Hund erst<br />

später erwähnt. Vom Wolf heißt es e<strong>in</strong>mal,<br />

daß alle Wölfe und Füchse e<strong>in</strong> Alter von 800<br />

Jahren erreichen können, sobald sie'abermehr<br />

als 500 Jahre alt s<strong>in</strong>d, können sie Menschen-<br />

gestalt annehmen. Bei den Berichten über<br />

Hunde ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Fall wesentlich, <strong>in</strong> dem<br />

<strong>der</strong> schwarze Hund e<strong>in</strong>es Herrn nachts <strong>in</strong> den<br />

Stall läuft, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Mann verwandelt,<br />

das Liebl<strong>in</strong>gspferd des Herrn sattelt, um weit<br />

und wild über viele H<strong>in</strong>demisse <strong>mit</strong> ihm zu<br />

reiten. Am Morgen br<strong>in</strong>gt er es zurück, nimmt<br />

den Sattel ab und verwandelt sich wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den Hund. <strong>Das</strong> zitternde und schweißtrie-<br />

20<br />

fende Pferd wird von den Stallknechten ge-<br />

bunden. — Hier sche<strong>in</strong>t es das Nächstliegen-<br />

de, daß <strong>der</strong> Herr selbst es ursprüngHch gewe-<br />

sen ist, <strong>der</strong> als Hund nachts se<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gs-<br />

pferd im Schlaf reitet.<br />

FUCHS. Über ihn wird vielleicht aus dem Sa-<br />

genmaterial noch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Betrachtung<br />

sich ergeben. Merkwürdigerweise verwandelt<br />

er sich <strong>in</strong> den meisten Fällen <strong>in</strong> Frauen, wel-<br />

che dann durch ungewöhnliche Schönheit<br />

Männer verführen. Aber auch, wenn es Män-<br />

ner s<strong>in</strong>d, welche die Frauen verführen, so liegt<br />

doch hier e<strong>in</strong> Zusammenhang vor, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Vorstellung <strong>der</strong> Werwölfe nicht alle<strong>in</strong> zu er-<br />

klären ist. Der Fuchs <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a lebt <strong>in</strong> beson-<br />

<strong>der</strong>s engem Kontakt <strong>mit</strong> den Gräbern. Er<br />

nimmt, wie es sche<strong>in</strong>t, häufig die letzten see-<br />

lischen Kräfte <strong>der</strong> Verstorbenen <strong>in</strong> sich auf<br />

und führt <strong>mit</strong> ihnen noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> mensch-<br />

liches <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> durch. Ebenso kommt es vor,<br />

daß e<strong>in</strong> Mensch stirbt und se<strong>in</strong> Körper entkommt<br />

als Fuchs aus dem Sarg. Die als Men-<br />

schen lebenden Füchse gelten als geschickte<br />

Künstler, Musiker etc. Hunde s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen<br />

Fällen ihre größten Fe<strong>in</strong>de.<br />

DER AFFE. Auch er kommt <strong>in</strong> den Ver-<br />

wandlungsgeschichten vor, aber verhältnis-<br />

mäßig erst spät. Die Berichte geben ihn e<strong>in</strong>-<br />

mal als e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>, das ausgesprochenen unter-<br />

weltlichen Teufelscharakter hat, aber <strong>in</strong> man-<br />

chen Fällen nimmt er menschliche Form an,<br />

wird <strong>mit</strong> dem Leben <strong>der</strong> Asketen bekannt<br />

und erreicht den Grad e<strong>in</strong>es Buddhisten. Sei-<br />

ne Beziehung zum geistlichen Leben, die auch<br />

beim Fuchs gelegentlich vorkommt, ist viel-<br />

leicht deshalb noch merkwürdig, weil im We-<br />

sten <strong>in</strong> engHscher Sprache <strong>der</strong> Affe Monkey<br />

heißt, was aus demselben Stamm wie Mönch<br />

abzuleiten ist. Beiden liegt das alte Wort<br />

Mensch zugrunde.


Von den Verwandlungen <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong><br />

Pferde, Hirsche und Ratten ist vielleicht zu-<br />

nächst nichts wesentlich Neues zu sagen. Wir<br />

f<strong>in</strong>den dagegen an e<strong>in</strong>igen Stellen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

auch Vorstellungen, nach denen träge Frauen<br />

<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e wilde Schwe<strong>in</strong>e verwandelt wurden,<br />

welche die Reisfel<strong>der</strong> verwüsteten. Der Bauer<br />

brachte <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Fel<strong>der</strong>n alsdann irgende<strong>in</strong><br />

Teil des Webstuhles an (die Trägheit <strong>der</strong><br />

Frauen hatte sich auf das Weben bezogen)<br />

und die Schwe<strong>in</strong>e kamen dann nicht wie<strong>der</strong>.<br />

Derartige Vorstellungen gehen aber schon,<br />

wenn nicht auf westUche E<strong>in</strong>flüsse zurück, so<br />

doch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neuere Zeit h<strong>in</strong>über, <strong>in</strong> denen<br />

schon e<strong>in</strong> geordneter Ackerbau die Voraus-<br />

setzung ist. Um diese Zeit hören die Bezie-<br />

hungen des Menschen zum <strong>Tier</strong> auf, wirklich<br />

lebendige Wechselfunktionen aus <strong>der</strong> Zeit des<br />

Zusammenlebens zu se<strong>in</strong>. Hier hat schon <strong>der</strong><br />

Mensch e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e zu se<strong>in</strong>em Dienst<br />

unterworfen und die übrigen <strong>Tier</strong>e bekriegt<br />

er <strong>mit</strong> vollem Erfolg.<br />

DIE SCHILDKRÖTE. Im wesentlichen f<strong>in</strong>-<br />

den wir sie <strong>in</strong> zwei typischen Formen. Zu-<br />

nächst kommt es mehrfach vor, daß alte<br />

Frauen während e<strong>in</strong>es Bades <strong>in</strong> Schildkröten<br />

verwandelt werden — und alsdann <strong>in</strong> irgend-<br />

e<strong>in</strong>en Teich untertauchen, und <strong>in</strong> diesem Fall<br />

möchte ich glauben, daß man hauptsächlich<br />

äußerlich alte Frauen <strong>mit</strong> den ebenso runz-<br />

ligen Schildkröten verglichen hat. Außerdem<br />

aber heißt es häufig, daß diese alten Frauen<br />

Mütter s<strong>in</strong>d, und da die Schildkröte <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

dasjenige <strong>Tier</strong> ist, das die Nacht, die schwarze<br />

Farbe sowie Nord und W<strong>in</strong>ter vertritt, so ist<br />

es klar, daß sie auch das ausgesprochene <strong>Tier</strong><br />

des Y<strong>in</strong> se<strong>in</strong> muß. Als solches ist sie wie<strong>der</strong>um<br />

die große Mutter <strong>der</strong> neugeborenen Sonne,<br />

und es kann, obwohl <strong>in</strong> den Sagen kaum et-<br />

was davon erwähnt wird, sehr wohl se<strong>in</strong>, daß<br />

21<br />

die alten Mütter sich <strong>in</strong> Schildkröten verwan-<br />

deln, um ihr Leben fortzusetzen und neue Ge-<br />

burten hervorzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Die Schildkröte ist für den Ch<strong>in</strong>esen vor allen<br />

D<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> größten Langlebigkeit,<br />

und auf den Klei<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Frauen ersche<strong>in</strong>t<br />

außer dem Drachen, <strong>der</strong> von Wolken umge-<br />

ben ist, e<strong>in</strong> Kranich, e<strong>in</strong>e Schildkröte und e<strong>in</strong><br />

Hirsch, wo<strong>mit</strong> die Symbole <strong>der</strong> menschlichen<br />

Wünsche ausgedrückt s<strong>in</strong>d. Auch bei uns im<br />

Westen hat das Symbol <strong>der</strong> Schildkröte <strong>in</strong>so-<br />

fern sich erhalten, als auf dem Scheitel, <strong>der</strong> ja<br />

<strong>in</strong> manchen Fällen den nördlichsten Punkt<br />

des Menschen darstellt, Haarkämme und Na-<br />

deln aus Schildpatt getragen werden.<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Schildkröte <strong>mit</strong> Bezug auf<br />

die neue Sonnengeburt wird auch klar aus<br />

e<strong>in</strong>em Bericht, <strong>in</strong> dem es heißt, daß e<strong>in</strong>e große<br />

Schildkröte auf e<strong>in</strong>en Gipfel gebracht wurde<br />

und dort von vielen an<strong>der</strong>en Schildkröten e<strong>in</strong>-<br />

gegraben wurde. E<strong>in</strong> Mann brachte e<strong>in</strong>en ver-<br />

storbenen Vater an die Stelle dieser großen<br />

Schildkröte <strong>in</strong> das Grab, und als er später<br />

drei Söhne bekam, wurden dieselben zu hohen<br />

Würden beför<strong>der</strong>t, was ja stets das höchste<br />

Glück <strong>der</strong> Ch<strong>in</strong>esen ist.<br />

Grabhügel werden im übrigen häufig <strong>in</strong> die<br />

Gestalt e<strong>in</strong>er Schildkrötenschale geformt.<br />

Aus e<strong>in</strong>er ganz an<strong>der</strong>en Vorstellungsreihe<br />

sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong> Bericht zu kommen, nachdem<br />

e<strong>in</strong> Fischer von se<strong>in</strong>en Eltern Geld erhält,<br />

50 gefangene Schildkröten kauft und frei läßt.<br />

Bevor <strong>der</strong> Fischer wie<strong>der</strong> bei se<strong>in</strong>en Eltern<br />

ist, ist schon e<strong>in</strong> Mann bei ihnen erschienen,<br />

und hat ihnen dann das Geld zurückgebracht.<br />

Ähnliche Sagen gibt es <strong>in</strong> Nordeuropa über<br />

Seehunde, und <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie s<strong>in</strong>d es wolil<br />

ethische Lehren, die <strong>in</strong> Sagen verbreitet wer-<br />

den sollten.


DIE SCHLANGE. In e<strong>in</strong>igen Fällen wird sie<br />

<strong>mit</strong> dem Drachen verwechselt, und wenn z.<br />

B. e<strong>in</strong>e sehr bösartige Frau <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e riesige rote<br />

Schlange verwandelt wird, so handelt es sich<br />

um dasselbe, wie wenn wir e<strong>in</strong>e ebensolche<br />

Frau e<strong>in</strong>en Drachen nennen.<br />

Der Drache ist, wie wir gesehen haben, das<br />

<strong>Tier</strong>, das, aus Sümpfen und Urwäl<strong>der</strong>n gebo-<br />

ren, bis zum Himmel aufsteigt und die Sonne<br />

<strong>mit</strong> BHtz und Donner bekämpft. Da nun die<br />

Sonne <strong>der</strong> junge männliche Held ist, so ver-<br />

steht es sich ganz von selbst, daß die früh-<br />

Hngsfrische Erde se<strong>in</strong>e Gemahl<strong>in</strong> ist, aber die<br />

f<strong>in</strong>stere Zeit großer Feuchtigkeit und Gewit-<br />

ter ist se<strong>in</strong>e Schwiegermutter, und deshalb ist<br />

auch bei uns die Beziehung zwischen Schwie-<br />

germutter und Drachen leer geworden.<br />

Menschen werden <strong>in</strong> eigentUche Schlangen<br />

fast nur auf <strong>der</strong> Flucht verwandelt.<br />

E<strong>in</strong>e Schlange <strong>mit</strong> neun Menschenköpfen<br />

kommt ebenfalls <strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischen Sagen vor.<br />

Sie wird wohl <strong>der</strong> herkulischen Lerna ent-<br />

sprechen. Ihre Farbe ist blau, und ich möchte<br />

annehmen, daß die neun Menschenköpfe neun<br />

Mondköpfe s<strong>in</strong>d und daß es sich genau wie<br />

bei <strong>der</strong> Lerna um e<strong>in</strong>e große Flutwelle han-<br />

delt, die an verschiedenen Stellen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Lande über alle Grenzen und Deiche bricht.<br />

Wo immer e<strong>in</strong> Haupt abgeschlagen wird, ent-<br />

steht e<strong>in</strong> Neues, und nur <strong>mit</strong> Hilfe des Feuers<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sonne, das heißt durch e<strong>in</strong>en Um-<br />

schlag des Wetters und e<strong>in</strong>setzende Dürre ist<br />

es möglich, die Fluten zu bannen.<br />

Es kommt vor, daß Frauen statt <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> ihnen zugleich Schlangen zur Welt<br />

br<strong>in</strong>gen. Es ist das für die Ch<strong>in</strong>esen e<strong>in</strong> be-<br />

son<strong>der</strong>es Glückzeichen und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ge-<br />

langen zu hohen Würden. Ich möchte aber<br />

annehmen, daß es K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong> Schlan-<br />

genzeichen <strong>mit</strong> zur Welt br<strong>in</strong>gen, das auf Un-<br />

22<br />

sterblichkeit deutet. Die Vorzeit betrachtet<br />

die neugeborenen K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehr genau, und die<br />

Prognose, die den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n von den Nomen<br />

gestellt wird, beruht hauptsächlich auf sol-<br />

chen Zeichen, die auch zweifellos bei scharfer<br />

Beobachtung außerordentHch viele richtige<br />

Schlüsse über die Entwicklung zulassen.<br />

VÖGEL. Viele Vögel haben nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong><br />

Ch<strong>in</strong>esen e<strong>in</strong> sehr großes Alter, und es heißt<br />

von ihnen, daß sie, sobald sie tausend Jahre<br />

erreicht haben, e<strong>in</strong> Menschengesicht anneh-<br />

men können. Es ist ke<strong>in</strong>e Frage, daß alte Vö-<br />

gel, Eulen, Adler, Papageien etc., sehr merk-<br />

würdig menschliche Gesichter annehmen kön-<br />

nen, und die Sagen aller Völker legen den al-<br />

ten Vögeln e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Weisheit zu.<br />

Unsere bekannteste Schwanensage f<strong>in</strong>det sich<br />

fast vollständig auch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a. E<strong>in</strong> Mann über-<br />

rascht e<strong>in</strong>e Anzahl Mädchen beim Bade. Sie<br />

haben ihre Fe<strong>der</strong>klei<strong>der</strong> abgelegt. Es gel<strong>in</strong>gt<br />

ihm, e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>klei<strong>der</strong> zu erfassen, zu<br />

verbergen, und als die Mädchen sich entdeckt<br />

sehen, fliegen sechs von ihnen als Vögel auf,<br />

während die letzte, die ihr Kleid nicht f<strong>in</strong>det,<br />

zurückbleibt und von dem Mann zur Frau genommen<br />

wird. Er hat von ihr drei Töchter, die<br />

e<strong>in</strong>es Tages das Fe<strong>der</strong>kleid <strong>der</strong> Mutter wie<strong>der</strong>-<br />

f<strong>in</strong>den, die dann fortfhegt und nach e<strong>in</strong>erWeile<br />

auch ihre Töchter holt. Ich glaube bestimmt,<br />

daß e<strong>in</strong> Sternbild die Grundlage zu diesem<br />

Märchen gegeben hat, das <strong>in</strong> an<strong>der</strong>em Zusam-<br />

menhang ausführlicher zu behandeln wäre.<br />

Von den Vögeln spielt <strong>der</strong> Hahn bei den Chi-<br />

nesen e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s große Rolle. E<strong>in</strong> Mann<br />

stirbt. In <strong>der</strong> Unterwelt befragt ihn <strong>der</strong> Haus-<br />

hahn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestalt e<strong>in</strong>es Richters, f<strong>in</strong>det sei-<br />

nen Herrn unschuldig und entläßt ihn wie<strong>der</strong><br />

zum Leben.<br />

Beson<strong>der</strong>s häufig wurden gemordete und zu<br />

früh gestorbene Menschen bei ihren Verwand-


ten als Hennen und Hähne wie<strong>der</strong>geboren, set-<br />

zen also die unerledigten Kräfte des mensch-<br />

lichen <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>s fort, um die Lebenden zu trö-<br />

sten. Auch als hilfreiche <strong>Tier</strong>e kommen Hähne<br />

<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a häufig vor.<br />

E<strong>in</strong> Mädchen wird drei Tage nach se<strong>in</strong>em Tode<br />

verwandelt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Papagei, <strong>mit</strong> dem es vor-<br />

her viel zusammen gelebt hat, und den es vor<br />

se<strong>in</strong>em Tode aus dem Käfig befreit hat.<br />

Von Kranichen heißt es, daß sie mehrere tau-<br />

send Jahre leben o<strong>der</strong> sogar unsterbUch s<strong>in</strong>d.<br />

Menschen, welche durch ihr Leben die Erhal-<br />

tung des Körperhchen erreicht haben, erschei-<br />

nen als Kraniche, warnen und helfen.<br />

Die Verwandlungen <strong>der</strong> Menschen gehen oft<br />

so weit, daß e<strong>in</strong>mal z. B. e<strong>in</strong> ganzes Heer, das<br />

zimi Kampf auszieht, verwandelt wird <strong>in</strong> Af-<br />

fen, Kraniche, soweit die Führer etc. <strong>in</strong> Frage<br />

kommen, sowie <strong>in</strong> Insekten und Sand, soweit<br />

die große Masse betroffen ist.<br />

FISCHE. Ertrunkene werden zu Fischen.<br />

Haare von Verstorbenen werden <strong>in</strong> Aale ver-<br />

wandelt. Fische, die gefangen werden, bitten<br />

um ihr Leben. E<strong>in</strong> alter Mann kommt zu<br />

Fremden, genießt bei ihnen gekochten Reis<br />

und verschw<strong>in</strong>det dann. Neugierig Folgen-<br />

de kommen aber nur an e<strong>in</strong>en Teich, <strong>in</strong> dem<br />

sie e<strong>in</strong>en großen weißen Fisch, umgeben von<br />

vielen kle<strong>in</strong>en, erblicken. Sie schießen nach<br />

ihm. Pfeile prallen ab. Bogen zerbrechen.<br />

Schließlich wird <strong>der</strong> große Fisch getroffen,<br />

an Land gezogen, geöffnet, und man f<strong>in</strong>det<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Leib gekochten Reis. Nach kurzer<br />

Zeit wird das Wasser erregt, überflutet das<br />

Land und verschl<strong>in</strong>gt die Menschen, die nach<br />

dem Fisch geschossen haben. Hier wie<strong>der</strong>um<br />

sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong>eLehre aus buddhistischerStim-<br />

mung vorzuliegen. Menschen werden <strong>in</strong> Ver-<br />

suchung geführt, ob sie unnötigerweise e<strong>in</strong><br />

<strong>Tier</strong> töten würden. Wer es tut, wird bestraft.<br />

23<br />

Tiefer zugrunde mag allerd<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Sage liegen, die auf Sternbil<strong>der</strong> zurückgeht.<br />

In diesem und an<strong>der</strong>en Fällen s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong> Fi-<br />

sche verwandelten Menschen vorher buddhi-<br />

stische Bettelmönche gewesen.<br />

In den südlichen Meeren kennen die Ch<strong>in</strong>esen<br />

auch Meer-Mädchen, Meer-Frauen und Meer-<br />

Männer, die sich <strong>in</strong> mancherlei Weise <strong>mit</strong> den<br />

Landmenschen verb<strong>in</strong>den. Sie we<strong>in</strong>en oft und<br />

die Tränen ihrer Augen s<strong>in</strong>d Perlen. Mir<br />

sche<strong>in</strong>t, daß viele Sagen von Meerfrauen dar-<br />

auf zurückzuführen s<strong>in</strong>d, daß früher weite<br />

Inseln- und Küstenstriche von den Fluten <strong>mit</strong><br />

allen darauf lebenden Menschen verschlungen<br />

wurden, und es ist für die Denkart <strong>der</strong> frühe-<br />

ren Völker unmöglich, daß <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em solchen<br />

Untergang das Leben <strong>der</strong> Menschen völlig be-<br />

endet ist. Die Menschen passen sich vielmehr<br />

an die neuen Lebensbed<strong>in</strong>gungen an und wer-<br />

den zu fischartigen Wesen, die große Sehn-<br />

sucht zum Lande haben.<br />

E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Sonnenmärchen Hegt, wie mir<br />

sche<strong>in</strong>t, folgendem Vorgang zugrunde: E<strong>in</strong><br />

Mann f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>en Schellfisch, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Mädchen verwandelt. Sie wird se<strong>in</strong>e Frau, als<br />

solche von e<strong>in</strong>em höheren Beamten zur Ne-<br />

benfrau verlangt, aber verweigert, und nun<br />

wird <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fache Mann von dem Höheren<br />

verfolgt, gequält und beauftragt. Unmögli-<br />

ches möglich zu machen.<br />

Die aus dem Fisch verwandelte Frau br<strong>in</strong>gt<br />

alles, was er braucht, auch das UnmögHche,<br />

und produziert zum Schluß e<strong>in</strong> Feuer fres-<br />

sendes und Feuer speiendes <strong>Tier</strong>, welches das<br />

Haus des höheren Beamten verbrermt. Hier<br />

hat <strong>der</strong> Fisch, <strong>der</strong> ja überall als Träger <strong>der</strong><br />

neuen Sonne gedacht wird, durch das neuge-<br />

borene Feuer das alte Sonnenreich vernichtet<br />

Es kommen bei den Ch<strong>in</strong>esen aber auch Er-<br />

sche<strong>in</strong>ungen vor, <strong>in</strong> denen Menschen <strong>in</strong> noch


kle<strong>in</strong>ere <strong>Tier</strong>e, <strong>in</strong> Seidenwürmer o<strong>der</strong> Zikaden<br />

verwandelt werden. Aus den Seelen erschla-<br />

gener Heerhaufen o<strong>der</strong> aus dem Atem <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Not Gestorbenen gehen Schwärme von Heu><br />

schrecken hervor.<br />

In an<strong>der</strong>en Fällen gelangen Holzwürmer,Wes-<br />

pen, Ameisen etc. zur Führung e<strong>in</strong>es <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>s,<br />

das <strong>der</strong> Art von Menschen entspricht. Holz-<br />

würmer ersche<strong>in</strong>en als Totengräber. Ameisen<br />

als Soldaten. Wenn sie aus e<strong>in</strong>er schwierigen<br />

Lage befreit werden, so helfen sie dem Be-<br />

freier wie<strong>der</strong>um aus e<strong>in</strong>er schlechten Lage,<br />

zernagen den Holzklotz, <strong>in</strong> dem er gefangen<br />

sitzt o<strong>der</strong> die Stricke : Kurz, es gibt genau wie<br />

überall auf <strong>der</strong> Erde bei den Ch<strong>in</strong>esen viele<br />

Sagen über die hilfreichen <strong>Tier</strong>e.<br />

In an<strong>der</strong>en Fällen irrt e<strong>in</strong> Mann <strong>in</strong> unbekann-<br />

ter Landschaft umher, sieht von fern e<strong>in</strong> Licht,<br />

wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em leuchtenden Haus aufgenom-<br />

men und genährt und sieht im Erwachen des<br />

Morgens,daß er<strong>in</strong> e<strong>in</strong>erMuschel geschlafen hat.<br />

Kurz, man könnte über die Symbiose von Tie-<br />

ren und Menschen bei den Ch<strong>in</strong>esen e<strong>in</strong> außer-<br />

ordentlich reiches Material zusammenstellen.<br />

Es handelt sich aber darum, aus den Berich-<br />

ten dieser Art zunächst e<strong>in</strong>mal den Grundge-<br />

danken zu fixieren, <strong>der</strong> den Menschen <strong>mit</strong> dem<br />

<strong>Tier</strong> verbunden hat.<br />

<strong>Das</strong> Ergebnis haben die Ch<strong>in</strong>esen <strong>in</strong> frühester<br />

Zeit selbst ausgesprochen, und es ist e<strong>in</strong>e ganz<br />

lebensfähige und lebenswichtige Vorstellung,<br />

die uns entgegentritt, wenn wir ihr nur aus<br />

westUcher Befangenheit entgegenkommen<br />

wollen.<br />

<strong>Das</strong> Wesentliche im <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d Lebenskeime,<br />

die überall vorhanden s<strong>in</strong>d und sich zu e<strong>in</strong>er<br />

Gestalt kristallisieren <strong>mit</strong> jedem Stoff zu-<br />

sammen, <strong>der</strong> sich ihren Kräften erschließt.<br />

Gelangt <strong>der</strong> Lebenskeim <strong>in</strong> das Wasser, so<br />

kristallisiert er sich als Fisch.<br />

24<br />

Berührt er zugleich Wasser und Erde, so ent-<br />

steht e<strong>in</strong> Frosch. Berührt er das Feld o<strong>der</strong> den<br />

Berg, so entsteht zuerst e<strong>in</strong>e Pflanze, aus de-<br />

ren Blättern bei e<strong>in</strong>er erneuten Belebung dann<br />

SchmetterUnge werden.<br />

Aus e<strong>in</strong>em Baum und e<strong>in</strong>em uralten Bambus-<br />

busch, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Schößl<strong>in</strong>ge mehr treibt, ent-<br />

steht e<strong>in</strong> Leopard : Aus<br />

diesem das Pferd und<br />

aus diesem <strong>der</strong> Mensch. Der Mensch aber,<br />

wenn er zerfällt, br<strong>in</strong>gt aus sich wie<strong>der</strong> alle<br />

an<strong>der</strong>en Wesen hervor.<br />

Diese Angaben s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e kurze Zusammen-<br />

fassung aus ch<strong>in</strong>esischer Quelle. Es geht aus<br />

ihr e<strong>in</strong> ganz konsequenter und durchgedach-<br />

ter Animismus hervor, für den wir sonst auf<br />

<strong>der</strong> Erde ke<strong>in</strong>e literarischen Dokumente ha-<br />

ben, obwohl er viele Jahrtausende lang ohne<br />

Zweifel die bedeutendste herrschende Lehre<br />

war. Wenn e<strong>in</strong> Baum lange gewachsen ist, so<br />

muß er e<strong>in</strong>en Lebensgeist durch se<strong>in</strong> Alter<br />

entwickelt haben, <strong>der</strong> als Gestalt so wenig<br />

nachzuweisen ist, wie <strong>der</strong> Geist e<strong>in</strong>es Men-<br />

schen. Wenn aber dieser Baum e<strong>in</strong>geht, so<br />

wird se<strong>in</strong> Lebensgeist <strong>der</strong> führende Same <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er neuen Geburt, die aus an<strong>der</strong>er pflanz-<br />

licher Materie, die <strong>in</strong> Verfall ist, e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> zum<br />

<strong>Das</strong>e<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gen kann. Durch das Alter, so<br />

heißt es immer wie<strong>der</strong>, werden die Wesen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> höheres Stadium verwandelt. Insekten,<br />

die tausend Tage alt s<strong>in</strong>d, werden zu Vögeln,<br />

und da<strong>mit</strong> kann nichts an<strong>der</strong>es geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>,<br />

als daß ihr hochentwickelter Lebensgeist zu<br />

neuen Verb<strong>in</strong>dungen geführt wird. Die Chi-<br />

nesen haben diese naturwissenschaftlichen<br />

Vorstellungen dann im höchsten Grade aus-<br />

geprägt <strong>in</strong> ihrer Lehre über den Menschen<br />

selbst. Der Mensch von hohem Alter ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

lebenden Natur die Ersche<strong>in</strong>ung von höch-<br />

stem Wert. Hier müssen sich die jungen Ge-<br />

nerationen bed<strong>in</strong>gimgslos unterwerfen und für


sie sorgen, denn nur dadurch, daß ihr Lebens-<br />

geist so hoch wie mögUch h<strong>in</strong>auf entwickelt<br />

wird, ist es mögHch, daß <strong>der</strong> Mensch selbst zu<br />

e<strong>in</strong>em höheren Wesen h<strong>in</strong>auf gestaltet wird.<br />

Die äußeren Formen, die <strong>der</strong> Lebensgeist zu<br />

se<strong>in</strong>er Wohnung nimmt, s<strong>in</strong>d dabei völlig un-<br />

wesentlich, denn sobald für den samenhaften<br />

Lebenskeim e<strong>in</strong> neuer Lehrboden vorhanden<br />

ist, wird er sich <strong>in</strong> demselben <strong>in</strong>karnieren.<br />

Dieses Stadium <strong>der</strong> Vorstellungen ist <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

sowie <strong>in</strong> Westeuropa schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit ent-<br />

wickelt gewesen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Trennung <strong>der</strong><br />

Völker noch nicht stattgefunden hatte. Die-<br />

ser Friede und dieses Mitleben <strong>mit</strong> den <strong>Tier</strong>en<br />

war e<strong>in</strong> religiöser Gipfelpunkt, <strong>mit</strong> dem die<br />

große Völkerwelle sich vom Norden aus über<br />

die Erde verströmte.<br />

Die Festlegung <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e als Symbole von<br />

Sonnenkonstellationen und Funktionen des<br />

Lebens an sich ist e<strong>in</strong>e noch frühere Periode,<br />

und über diese, die noch den Geist des Kamp-<br />

fes gegen das <strong>Tier</strong> <strong>in</strong> sich zu tragen sche<strong>in</strong>t,<br />

möchte ich noch e<strong>in</strong>ige ch<strong>in</strong>esische Vorstel-<br />

lungen aus den Berichten zusammenfassen.<br />

DER HAHN. Er spielt <strong>in</strong> den Vorstellungen<br />

des ältesten Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e sehr große Rolle. Auf<br />

den Karren, <strong>mit</strong> denen Opfer zu den Gräbern<br />

gefahren werden, sieht man zwischen den<br />

Stangen, die zum Ziehen dienen, e<strong>in</strong>en Hah-<br />

nenkopf. E<strong>in</strong> leben<strong>der</strong> weißer Hahn wird auf<br />

den Katafalken, welche Leichen enthalten,<br />

die noch längere Zeit nicht begraben werden<br />

sollen, angebunden. An e<strong>in</strong>er Stelle wird auch<br />

<strong>der</strong> Hahnenruf gedeutet: Da ist sie. Wenn<br />

man da<strong>mit</strong> vergleicht, daß wir z. B. den Hah-<br />

nenschrei, <strong>der</strong> an sich so wenig Konsonanti-<br />

sches enthält, daß alle Völker <strong>in</strong> ihm absolut<br />

Verschiedenes hören, als kikeriki <strong>in</strong>terpretie-<br />

ren, so ist es selbstverständlich, daß dieses<br />

nichts an<strong>der</strong>es bedeutet, alsKuk-Ra, DerHahn<br />

25<br />

ist <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> Sonne, <strong>der</strong> Ver-<br />

treter des Yang, während <strong>der</strong> Hase den Mond<br />

und das Y<strong>in</strong> vertritt. Der Ch<strong>in</strong>ese sagt: <strong>Das</strong><br />

Feuer flammt nach oben, und so gehört es<br />

zur Sonne und zum Yang. Beim Hahn flammt<br />

ebenfalls das Feuer auf: Er hat immer das<br />

Streben, den höchsten Punkt des Geflügel-<br />

hofes e<strong>in</strong>zunehmen, die Stimme eilt <strong>der</strong> Sonne<br />

entgegen und <strong>der</strong> Kamm des Hahnes gleicht<br />

den Flammen. Wie könnte also <strong>der</strong> Hahn et-<br />

was an<strong>der</strong>es se<strong>in</strong>, als das <strong>Tier</strong> des Yang.<br />

Wenn nun e<strong>in</strong> Toter noch nicht begraben wird,<br />

so geht wohl die Vorstellung dah<strong>in</strong>, daß se<strong>in</strong>e<br />

Seele wan<strong>der</strong>n muß,um den Ort und dasLand<br />

zu f<strong>in</strong>den, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Körper begraben wer-<br />

den soll, denn die Grabstätte ist <strong>der</strong> Ort sei-<br />

ner Wie<strong>der</strong>geburt: Deshalb muß man ihn<br />

sorgfältig auswählen, da<strong>mit</strong> das Wasser und<br />

<strong>der</strong> W<strong>in</strong>d im richtigen Maß bei <strong>der</strong> Geburt<br />

vertreten s<strong>in</strong>d.<br />

Während so die Seele wan<strong>der</strong>t, könnte <strong>der</strong><br />

Körper von den Mächten <strong>der</strong> Dunkelheit ge-<br />

holt werden: Deshalb setzt man den weißen<br />

Hahn auf den Katafalk, <strong>der</strong> dem Toten an jedem<br />

Morgen die Wie<strong>der</strong>kehr des Yang ver-<br />

kündet. Die Vorstellung, daß <strong>der</strong> Hahn <strong>mit</strong><br />

se<strong>in</strong>em Krähen alle bösen Geister verscheucht,<br />

wird <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a genau so deutHch ausgespro-<br />

chen wie <strong>in</strong> unseren eigenen Sagen und Mär-<br />

chen. Darum heißt es auch : Wenn e<strong>in</strong> Mensch<br />

<strong>in</strong> den Wäl<strong>der</strong>n und Bergen den Weg <strong>der</strong> Voll-<br />

endung sucht und se<strong>in</strong>e Seele deshalb häufig<br />

vom Körper getrennt ist, soll er weiße Hähne<br />

und weiße Hunde um sich halten, da<strong>mit</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

schlechten E<strong>in</strong>flüsse se<strong>in</strong>en Körper vernich-<br />

ten.<br />

In mancherlei Berichten von Ch<strong>in</strong>a und Tibet<br />

hören wir, daß die Heiligen, die <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>-<br />

samkeit gehen, den Schülern, die nach ihnen<br />

suchen, auf dem Wege als allerlei <strong>Tier</strong>e er-


sche<strong>in</strong>en. Auch können diese Heiligen Wochen<br />

und Monate ohne Nahrung leben.<br />

In dem feierlichen Ritual, <strong>in</strong> dem die Seelen-<br />

tafel des Verstorbenen angefertigt wird, hält<br />

e<strong>in</strong> Trauern<strong>der</strong>, meistens <strong>der</strong> älteste Sohn,<br />

diese Tafel, während <strong>der</strong> Mandar<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Tu-<br />

sche entwe<strong>der</strong> <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>igen Tropfen We<strong>in</strong> vermischt<br />

o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> dem Blut aus dem Kamm<br />

e<strong>in</strong>es weißen Hahnes. Während dann <strong>der</strong> Man-<br />

dar<strong>in</strong> die Zeichen <strong>der</strong> Tafel aufträgt, macht<br />

die Musik ihren größten Lärm, und man sieht<br />

daraus, daß dieses Zeichen <strong>der</strong> Seelentafel<br />

e<strong>in</strong>e Handlung ist, bei <strong>der</strong> die Gefahr für den<br />

Toten am größten ist, das heißt, se<strong>in</strong> künfti-<br />

ges Schicksal wird <strong>in</strong> diesem Augenblick ent-<br />

schieden, denn sobald die Seelentafel fertig<br />

ist, ist auch das Fortleben gesichert. Obwohl<br />

über diese Feier kaum wesentliche Kommen-<br />

tare vorhanden s<strong>in</strong>d, sche<strong>in</strong>t es doch, als wenn<br />

hier schon <strong>der</strong> Mandar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Richteramt <strong>in</strong>ne-<br />

hat und se<strong>in</strong> Verfertigen <strong>der</strong> Seelentafel e<strong>in</strong><br />

günstiges Urteil und die Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

künftiges Leben bedeutet. Der Mandar<strong>in</strong> han-<br />

delt <strong>in</strong> diesem Augenblick durchaus als Prie-<br />

ster. Wo e<strong>in</strong> Priester ist, bestand aber auch<br />

die Vorstellung e<strong>in</strong>es Richtergottes, und das<br />

Vermischen <strong>der</strong> Tusche <strong>mit</strong> dem Blut des<br />

weißen Hahnes läßt bestimmt das ältere Hahn-<br />

opfer und se<strong>in</strong>e Bedeutung erkennen.<br />

DAS PFERD. Bevor <strong>der</strong> Tote fortgetragen<br />

wird, f<strong>in</strong>det noch heute e<strong>in</strong> großes Totenmahl<br />

statt. Ihm werden Teller <strong>in</strong> großer Zahl vor-<br />

gesetzt, und zwar stets e<strong>in</strong>e gerade Zahl von<br />

Tellern, weil die Zahlen 2, 4, 6, 8 dem Y<strong>in</strong> und<br />

dem Tode angehören.<br />

Der Haupttrauernde, meistens <strong>der</strong> älteste<br />

Sohn, beugt se<strong>in</strong>e Stirn drei- o<strong>der</strong> viermal zu<br />

Boden und verweilt e<strong>in</strong>ige Augenblicke <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

letzten Verbeugung. Wenn man durch Orakel-<br />

stäbe festgestellt hat, daß die Seele gegessen<br />

26<br />

hat, werden die Teller gere<strong>in</strong>igt und falsches<br />

Papiergeld verbrannt. Dieses zeremonielle Op-<br />

fer heißt: Die Pferde loslassen.<br />

Heute werden bei <strong>der</strong> Beerdigung ke<strong>in</strong>e Pfer-<br />

de mehr gebraucht. Früher aber wurden die<br />

Opferwagen von Pferden gezogen und auch<br />

das Gefolge ist früher <strong>in</strong> Wagen gefahren.<br />

Noch weiter zurück f<strong>in</strong>det man, daß Pferde<br />

als Geschenke den Toten gesandt werden, und<br />

wenn man dann auf die älteste Zeit zurück-<br />

greift, so f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Han-Dynastie e<strong>in</strong>en<br />

Bericht, daß außer fabelhaften Mengen von<br />

Nahrungs<strong>mit</strong>teln und Gebrauchsgegenstän-<br />

den aller Art e<strong>in</strong>em Kaiser neun Staatswagen<br />

sowie 36 Strohmänner und Strohpferde <strong>in</strong>s<br />

Grab <strong>mit</strong>gegeben wurden. Da man ebenfalls<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er alten Zeit f<strong>in</strong>det, daß e<strong>in</strong> Verbot er-<br />

lassen werden muß, bei Trauerfeiern Pferde<br />

zu töten, sowie Gold, Silber und sonstige<br />

Wertsachen <strong>in</strong>s Grab <strong>mit</strong>zugeben, kann man<br />

aus diesem Erlaß e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar sehr armen<br />

Periode erkennen, daß auch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e Sitte<br />

bestanden hat, zusammen <strong>mit</strong> Kaisern und<br />

Fürsten etc. <strong>der</strong>en Pferde und Sklaven zu be-<br />

graben, denn das alle<strong>in</strong> kann <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Strohmänner und Strohpferde se<strong>in</strong>.<br />

Es ergibt sich gleichzeitig, daß das heute ver-<br />

brannte falsche Papiergeld e<strong>in</strong> Ersatz ist für<br />

die früheren außerordentlich großen Toten-<br />

Opfer und Grabbeigaben, und man kann im<br />

übrigen auch heute noch sagen, daß <strong>der</strong> Chi-<br />

nese zu ke<strong>in</strong>er Zeit e<strong>in</strong>en solchen Pomp ent-<br />

faltet wie bei <strong>der</strong> Beerdigung. Familien stür-<br />

zen sich bei dieser Gelegenheit <strong>in</strong> so große<br />

Schulden, daß sie oft daran zugrunde gehen,<br />

aber nichts ist ihnen wichtiger, als für die<br />

eigenen Vorfahren zu sorgen.<br />

Drei D<strong>in</strong>ge möchte ich <strong>in</strong> diesem Zusammen-<br />

hang noch erwähnen. Die Sitte, den Toten<br />

e<strong>in</strong>en großen Teil ihres Besitzes <strong>in</strong>s Grab <strong>mit</strong>-


zugeben, beruht natürlich nicht auf Aber-<br />

glauben irgendwelcher Art, son<strong>der</strong>n sie ent-<br />

hält die Entscheidung e<strong>in</strong>es Volkes über se<strong>in</strong>e<br />

eigene soziale Lebensführung und bedeutet<br />

letzten Endes, daß je<strong>der</strong> Lebende se<strong>in</strong>en Vor-<br />

fahren so wenig wie irgend mögUch schulden,<br />

daß er se<strong>in</strong> künftiges Leben durchaus von<br />

neuem und aus eigener Kraft aufbauen will,<br />

und daß er nur auf diese Weise sicher ist, den<br />

Samen o<strong>der</strong> die Früchte, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorzeit<br />

entstanden s<strong>in</strong>d, durch sich selbst höher h<strong>in</strong>-<br />

auf zu entwickeln. Diese Ersche<strong>in</strong>ung <strong>der</strong><br />

großen Opfer für die Verstorbenen ist <strong>in</strong> frühe-<br />

rer Zeit sehr allgeme<strong>in</strong> gewesen. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

war <strong>der</strong> Besitz des E<strong>in</strong>zelnen viel ger<strong>in</strong>ger als<br />

heute, aber desto höher haben wir die Grab-<br />

beigaben anzurechnen. In Ägypten ist dieser<br />

Kult, wie allgeme<strong>in</strong> bekannt, ungeheuer ent-<br />

wickelt gewesen, löst sich aber <strong>in</strong> den uns hi-<br />

storisch am besten bekannten Dynastien, sa-<br />

gen wir e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Schw<strong>in</strong>del auf, <strong>in</strong> dem die<br />

d<strong>in</strong>glichen Beigaben sich zu Bil<strong>der</strong>n genau so<br />

verflüchtigen, wie <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a zum falschen Pa-<br />

piergeld. Dieser Grabkult hat aber auf die so-<br />

ziale Struktur <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a zweifellos sehr großen<br />

E<strong>in</strong>fluß gehabt, und wir werden hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

<strong>der</strong> großen Unterschiede gegenüber unserer<br />

eigenen Kultur sehen müssen, <strong>in</strong>dem man nur<br />

anzuführen braucht, daß wir selbst versuchen,<br />

von den Toten so viel zu erben, wie nur irgend<br />

möglich. Daß jetzt <strong>der</strong> Staat <strong>in</strong> diese d<strong>in</strong>g-<br />

liche Erbschaft e<strong>in</strong>treten will, kann nicht sei-<br />

ne Lebensfähigkeit, son<strong>der</strong>n nur se<strong>in</strong>e Verwe-<br />

sung beför<strong>der</strong>n.<br />

Die Bedeutung des Pferdes selbst muß eben-<br />

falls noch erörtert werden. <strong>Das</strong> lebendige E<strong>in</strong>-<br />

graben <strong>der</strong> Pferde ist für westliche Kulturen<br />

bis zu Alarich bezeugt, und beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> al-<br />

ten Skythengräbern s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong>holt Pferde-<br />

skelette gefunden worden. Aus an<strong>der</strong>en Zu-<br />

27<br />

sammenhängen haben wir nun erkannt (Son-<br />

nenwagen von Trundholm) , daß das Pferd den<br />

Wagen <strong>der</strong> Sonne über den Taghimmel und<br />

vielleicht auch durch die Nachtwässer gezo-<br />

gen hat, <strong>in</strong>dem es selbst e<strong>in</strong>e Verwandlung<br />

zum Walroß durchgemacht hat. <strong>Das</strong> Pferd<br />

ist e<strong>in</strong>e lange Periode h<strong>in</strong>durch e<strong>in</strong> absolut<br />

königliches <strong>Tier</strong>, wird nur zwischen Fürsten<br />

als Geschenk erster Ordnung betrachtet, steht<br />

höher als die Frauen und Sklaven, und da die<br />

Fürsten sich selbst als Vertreter <strong>der</strong> Sonne<br />

betrachten, so ist es klar, daß ihnen auch die<br />

Pferde <strong>in</strong>s Grab <strong>mit</strong>gegeben werden, um ihren<br />

Weg durch die Unterwelt möglich zu machen.<br />

Man darf eben nicht vergessen, daß unsere<br />

heutige Staatskarosse e<strong>in</strong> absolut religiöses<br />

Kult<strong>in</strong>strument ist.<br />

DAS EINHORN. Dieses <strong>Tier</strong> taucht <strong>in</strong> den<br />

Sagen aller Völker auf. und wenn es z. B. bei<br />

den Assyrem <strong>mit</strong> dem Fisch zu e<strong>in</strong>em Stern-<br />

zeichen verbunden ist, welches man Ziegen-<br />

fisch nennt, so glaube ich, <strong>in</strong> dieser Darstel-<br />

lung e<strong>in</strong>e Bezeichnung zu sehen dafür, daß<br />

das <strong>Tier</strong> untergegangen ist.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten halte ich es für sicher,<br />

daß im vorgeschichtlichen Europa und Asien<br />

e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> gelebt hat, auf welches die Beschrei-<br />

bungen <strong>der</strong> Sagen anzuwenden s<strong>in</strong>d. Daß die<br />

paar paläolithischen Ausgrabungen nach mei-<br />

nem Wissen das <strong>Tier</strong> noch nicht ausdrücklich<br />

erwähnen, besagt wenig, denn diese Ausgra-<br />

bungen haben von Millionen <strong>Tier</strong>en, die be-<br />

stimmt gelebt haben, nur wenige Exemplare<br />

wie<strong>der</strong> ans Licht gebracht, und zwar am mei-<br />

sten doch, wo es sich um Sumpftiere handelte<br />

o<strong>der</strong> solche, die ihren Tod im Sumpf gefun-<br />

den haben.<br />

Aus den ch<strong>in</strong>esischen Berichten <strong>der</strong> ältesten<br />

Zeit geht bestimmt hervor, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen sel-<br />

tenen Fällen noch e<strong>in</strong> solches E<strong>in</strong>horn lebend


gefunden wurde. Ob es als e<strong>in</strong>e anormale Bil-<br />

dung e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>art möglich ist, wäre<br />

zwar zu prüfen, bleibt aber unwahrsche<strong>in</strong>-<br />

lich.<br />

Die Bislateralität aller <strong>Tier</strong>e und Wesen ist<br />

für die Vorzeit ebenso bekannt gewesen, wie<br />

heute. Der Grundsatz vom Yang und Y<strong>in</strong><br />

hat auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zweiseitigkeit o<strong>der</strong> Zweihälf-<br />

tigkeit <strong>der</strong> Menschen und <strong>Tier</strong>e ihre Unter-<br />

stützung gefunden, denn die l<strong>in</strong>ke und rechte<br />

Seite s<strong>in</strong>d stets verschieden bewertet wor-<br />

den.<br />

Wenn nun das E<strong>in</strong>horn sowie das Nashorn <strong>in</strong><br />

Afrika e<strong>in</strong>e Ausnahme von <strong>der</strong> Regel machte,<br />

so ist die hohe Bedeutung dieses <strong>Tier</strong>es für<br />

e<strong>in</strong>e vorgeschichtliche Auffassung durchaus<br />

klar. <strong>Das</strong> E<strong>in</strong>horn war gleichbedeutend <strong>mit</strong><br />

den Fürsten und Kaisern und schließHch auch<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne selbst.<br />

Obwohl wir aus Ch<strong>in</strong>a über das E<strong>in</strong>horn, das<br />

den Namen Ki-men hat, nur wenig Berichte<br />

vorf<strong>in</strong>den, sieht man doch aus dem e<strong>in</strong>zigen<br />

Satz, daß e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>horn die Ankunft bedeuten-<br />

<strong>der</strong> Herrscher verkündet, wie die Reihenfolge<br />

<strong>der</strong> Vorstellungen g<strong>in</strong>g. <strong>Das</strong> <strong>Tier</strong> wird <strong>in</strong> die-<br />

sem Zusammenhang angesehen als <strong>der</strong> Vor-<br />

läufer des Menschen. <strong>Das</strong> Ersche<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>es<br />

ungewöhnlichen <strong>Tier</strong>es hat stets auf die Men-<br />

schen Bezug, und beson<strong>der</strong>s wenn das <strong>Tier</strong><br />

e<strong>in</strong> solches von hohem Alter ist, denn es heißt,<br />

wie schon oft erwähnt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen<br />

Psyche, daß <strong>Tier</strong>e von hohem Alter sich <strong>in</strong><br />

Menschen verwandeln können.<br />

DER DRACHE. Für ihn gilt zunächst das<br />

gleiche wie für das E<strong>in</strong>horn. Wir haben <strong>in</strong> ihm<br />

bestimmt e<strong>in</strong>en Vertreter aus <strong>der</strong> Saurierzeit<br />

zu sehen, <strong>der</strong> ja auch <strong>in</strong> Europa durch alle<br />

Sagen und Mythen bezeugt wird. Im Westen<br />

und Osten f<strong>in</strong>den wir e<strong>in</strong>heitUch, daß <strong>der</strong> Dra-<br />

che beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Sümpfen gefunden wurde.<br />

28<br />

und zweifellos war Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit frühester<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong> ungeheures Dickicht von<br />

Dschungel und Urwald.<br />

Da <strong>der</strong> Drache e<strong>in</strong>e viel ungewöhnlichere Er-<br />

sche<strong>in</strong>ung gewesen ist, hat er <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e<br />

viel größere Rolle gespielt wie das E<strong>in</strong>horn,<br />

und nur aus se<strong>in</strong>em wirkUchen Vorkommen<br />

kann man die Attribute, die ihm zugelegt<br />

wurden, richtig verstehen.<br />

Der Drache ist das <strong>Tier</strong> des Ostens geworden,<br />

weil ihn die Völker antrafen, die von Westen<br />

her <strong>in</strong> den Urwald vordrangen. Der Drache<br />

ist <strong>der</strong> Herrscher von Wasser und Wolken.<br />

Als ihn die Menschen kannten, g<strong>in</strong>g er aus<br />

den dunstigen Nie<strong>der</strong>ungen hervor. Als er aus-<br />

starb, haben die Menschen ihn an den Him-<br />

mel versetzt und erkannten ihn wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

abenteuerlichen Formen <strong>der</strong> Wolken. Aus den<br />

Nie<strong>der</strong>ungen stiegen die Feuchtigkeiten auf<br />

und wurden am Himmel zu Wolken, welche<br />

die Sonne bekämpft haben. Während also <strong>in</strong><br />

Westeuropa <strong>der</strong> Drache <strong>mit</strong> Recht <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d<br />

<strong>der</strong> Sonne war, weil er versuchte, sie zu un-<br />

terdrücken und zu verdunkeln, wurde er im<br />

Osten das segensreiche Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>es Landes,<br />

über dem die Sonne <strong>in</strong> jener Periode immer<br />

glühen<strong>der</strong> aufg<strong>in</strong>g, um den Boden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Wü-<br />

ste zu verwandeln. Die Sonne wurde zu e<strong>in</strong>er<br />

ungeheuren Gefahr, weil das Leben verdorrte,<br />

und wir erkennen also deutlich, daß die Erde<br />

um jene Zeit im Osten e<strong>in</strong>e Verwandlung<br />

durchmachte : Aus<br />

e<strong>in</strong>er dunstigen, schweren<br />

und feuchten Periode von großer pflanzlicher<br />

Üppigkeit geschah <strong>der</strong> Übergang zur Dürre,<br />

und man mußte also zum Drachen beten und<br />

den Drachen verehren, wenn man den Segen<br />

<strong>der</strong> Pflanzenwelt und des Wassers wie<strong>der</strong> ge-<br />

nießen wollte. Die Zeit <strong>der</strong> großen Feuchtig-<br />

keit und Fruchtbarkeit hat bei den Ch<strong>in</strong>esen<br />

zweifellos den E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es goldenen Zeit-


alters h<strong>in</strong>terlassen, an dessen Rückkehr sie<br />

immer wie<strong>der</strong> gedacht haben.<br />

Wir f<strong>in</strong>den den Drachen deshalb als Symbol<br />

des Kaisers und se<strong>in</strong>er segensreichen Regie-<br />

rung, und die Tafeln, die e<strong>in</strong>en Erlaß des Kai-<br />

sers o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Namen tragen, wurden stets<br />

<strong>mit</strong> dem Drachen gezeichnet. Vor allen D<strong>in</strong>-<br />

gen aber hat <strong>der</strong> Drache <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hanzeit und<br />

früher <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a die wesentliche Rolle gespielt<br />

Der Sarg, <strong>in</strong> dem die Menschen <strong>der</strong> Erde über-<br />

lassen wurden, bestand aus vier Hölzern,<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich von verschiedenen Bäumen,<br />

die den vier Himmelsgegenden entsprachen,<br />

und das Holz wurde wahrsche<strong>in</strong>lich sogar von<br />

den entsprechenden Seiten <strong>der</strong> Bäume ge-<br />

nommen. Es s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>fache Bretter, die<br />

verwandt werden, son<strong>der</strong>n die äußeren Ab-<br />

schnitte <strong>der</strong> Rundung.<br />

Ich möchte bemerken, daß wir da<strong>mit</strong> auch den<br />

klaren Übergang zum eigentlichen Baumsarg<br />

haben, wie er <strong>in</strong> Westeuropa <strong>in</strong> früheren Zei-<br />

ten benutzt wurde, wie er noch heute aus un-<br />

seren Mooren zutage geför<strong>der</strong>t wird, und wie<br />

er auch die Vorstufe zum Mumiensarkophag<br />

gewesen ist. Über den Sarg kam e<strong>in</strong> Gehänge,<br />

welches <strong>in</strong> den vier Farben <strong>der</strong> Himmelsgegen-<br />

den gehalten war, und diese vier Seiten waren<br />

auch bezeichnet <strong>mit</strong> ihren <strong>Tier</strong>en als<br />

Ost, Blau, Drache.<br />

Süd, Rot, Kranich (o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Vogel, <strong>der</strong><br />

vielleicht auch dem Ibis entsprach). West,<br />

Weiß, Tiger.<br />

Nord, Schwarz, Schildkröte.<br />

<strong>Das</strong> Gehänge endete oben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Pyramide,<br />

bei <strong>der</strong>en Spitze bestimmt an den Nordpol<br />

gedacht wurde, denn auch die sieben Sterne<br />

des Großen Bären wurden an verschiedenen<br />

Stellen <strong>in</strong> die Darstellung des Sarges e<strong>in</strong>ge-<br />

fügt. Der ganze Sargkomplex war nichts an-<br />

<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Große Bär o<strong>der</strong> <strong>der</strong> große Wa-<br />

gen, <strong>in</strong> dem während <strong>der</strong> Nacht die Sonne<br />

über den Himmelsozean fuhr.<br />

Da die Vorstellung dah<strong>in</strong> g<strong>in</strong>g, daß <strong>der</strong> Un-<br />

tergang e<strong>in</strong>es Menschen dem Untergang <strong>der</strong><br />

Sonne entsprach, wurde die Leiche zur Zeit<br />

<strong>der</strong> Flut <strong>in</strong> den Sarg gelegt, denn das Wasser<br />

verschlang die Sonne, und es war e<strong>in</strong> Zeichen<br />

von künftigem Glück, wenn reichlicher Re-<br />

gen fiel, sobald das Grab geschlossen wurde.<br />

Für den Ort, an dem e<strong>in</strong> Mensch begraben<br />

wurde, war es imgeheuer wichtig, daß alle<br />

vier Weltgegenden <strong>mit</strong> ihren Kräften an dem-<br />

selben zu gleicher Entfaltung kamen, denn<br />

sie mußten bei <strong>der</strong> künftigen Geburt <strong>mit</strong> wir-<br />

ken. Die wichtigsten Vertreter aber waren <strong>der</strong><br />

Drache für den Osten und <strong>der</strong> Tiger für den<br />

Westen. Der Drache sollte aus den Umrissen<br />

<strong>der</strong> Berge im Osten erkennbar se<strong>in</strong> und das<br />

Wasser dort im richtigen Maße vorkommen.<br />

Die Westgegend sollte dagegen den Tiger<br />

erkennen lassen und etwa für den W<strong>in</strong>d<br />

freien Durchgang geben. Es heißt von <strong>der</strong><br />

Stadt Amoy, daß sie sich beson<strong>der</strong>s glück-<br />

lich entwickelte, weil die Felsen <strong>der</strong> Hafen-<br />

e<strong>in</strong>fahrt die Köpfe von Drachen und Tiger<br />

zeigten.<br />

Der wichtigste Vertreter war allerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong><br />

Drache alle<strong>in</strong>, aber für die Wissenschaft des<br />

Fung-Shui hat sich e<strong>in</strong>e ganze Klasse von Ge-<br />

lehrten o<strong>der</strong> Zauberern ausgebildet, die bei<br />

je<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lassung, bei je<strong>der</strong> Anlage e<strong>in</strong>es<br />

Tempels, e<strong>in</strong>es Hauses o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Grabes fest-<br />

zustellen hatten, ob W<strong>in</strong>d und Wasser <strong>in</strong> rich-<br />

tigem Maße vertreten wären. Wir haben <strong>in</strong><br />

diesen beiden herrschenden Kräften, im Was-<br />

serdrachen und W<strong>in</strong>dtiger die beiden großen<br />

Faktoren, die e<strong>in</strong> Ackerbauvolk geführt ha-<br />

ben, als es e<strong>in</strong> neues Gebiet von ungeheurem<br />

Umfang eroberte. Sie s<strong>in</strong>d beide <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise<br />

als Götter <strong>der</strong> Landwirtschaft anzusehen,aber<br />

29 «


wenn man die Wissenschaft des Fung-Shui<br />

genau prüfen könnte, würde man zweifellos<br />

das tiefe Gefühl für die lebenden Naturkräfte<br />

bei diesen ältesten Ch<strong>in</strong>esen aufs äußerste<br />

bewundem müssen. Wir sehen bei uns, daß<br />

sich auf verschiedenen Bodenarten die Volks-<br />

stämme <strong>mit</strong> außerordenthch verschiedenen<br />

QuaUtäten entwickeln, aber was wir nach-<br />

träglich fest stellen, hat <strong>der</strong> Ch<strong>in</strong>ese zweifel-<br />

los schon früh wissenschaftlich festzustellen<br />

versucht, um aus Nutzen für Zuchtprobleme<br />

zu ziehen.<br />

DER TIGER. Er vertritt den Westen, den<br />

W<strong>in</strong>d und das Weiß. Den Westen vertritt er<br />

genau wie <strong>der</strong> Löwe <strong>in</strong> Ägypten. Da <strong>der</strong> We-<br />

sten den Untergang bezeichnet, besteht ke<strong>in</strong><br />

Zweifel, daß <strong>der</strong> Mensch zwar den Tiger als<br />

Macht anerkannte, aber se<strong>in</strong>en Untergang<br />

wünschte. Wie weit Tiger und W<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Be-<br />

ziehung zu setzen s<strong>in</strong>d, ergibt sich ungefähr<br />

aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des Drachen. Im Osten<br />

steht h<strong>in</strong>ter dem Drachen <strong>der</strong> Wasser und <strong>der</strong><br />

Wolken se<strong>in</strong>e eigentliche Urheimat, das Meer,<br />

<strong>in</strong> das sich ja auch verschiedene Saurier, wie<br />

die Waltiere zurückgezogen haben sollen.<br />

Im Westen des Landes liegen gewaltige Wü-<br />

sten, und daß <strong>in</strong> ihnen <strong>der</strong> W<strong>in</strong>d die herr-<br />

schende Kraft ist, wäre gut zu verstehen. Daß<br />

<strong>der</strong> Tiger <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>en Bewegungen <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

Schnelle des W<strong>in</strong>des und se<strong>in</strong>en wirbelartigen<br />

Bewegungen die größte Verwandtschaft hat,<br />

halte ich für e<strong>in</strong>leuchtend.<br />

In den Westen verlegt <strong>der</strong> Ch<strong>in</strong>ese auch das<br />

Metall, während im Osten <strong>der</strong> Baum steht.<br />

Auch hier ist die Beziehung völlig klar. <strong>Das</strong><br />

Metall, um das es sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühesten Zeit<br />

immer handelt, ist Gold und Silber. Sonne<br />

und Mond vers<strong>in</strong>ken im Westen, und diese Me-<br />

talle s<strong>in</strong>d die Spuren ihres Unterganges, Teile<br />

von diesen Gestirnen selbst, die sie vielleicht<br />

* 30 *<br />

im Kampf des Unterganges abgeben mußten.<br />

Wenn nun <strong>der</strong> Tiger böse Geister fem hält<br />

und die Dämonen ihn fürchten, so liegt hier<br />

zweifellos die Verwandtschaft zugrunde.<br />

Wenn <strong>der</strong> Ch<strong>in</strong>ese auf die vier Ecken se<strong>in</strong>es<br />

Hauses, se<strong>in</strong>es Katafalks o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>es Kleides<br />

den Drachen setzt, so geschieht es zweifellos,<br />

weil dieser Drache <strong>mit</strong> dem großen Wolken-<br />

drachen, <strong>der</strong> im Gewitter <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne<br />

kämpft, verwandt ist, und weil also <strong>der</strong> Blitz<br />

des großen Drachen den kle<strong>in</strong>eren Brü<strong>der</strong>n<br />

nichts anhaben kann und will. Der Tiger ist<br />

selbst <strong>der</strong> Fürst <strong>der</strong> Dämonen, wenn das auch<br />

kaum absolut zum Ausdruck kommt, und er<br />

wird von den kle<strong>in</strong>en Dämonen wie e<strong>in</strong> Kai-<br />

serbeachtet, und alle halten sich von ihm fem.<br />

Es wäre noch mancherlei über die <strong>Tier</strong>e zu<br />

sagen. Z. B. wie <strong>der</strong> Hund für Tempel und<br />

Häuser <strong>in</strong><strong>mit</strong>ten kle<strong>in</strong>er Städte als Wächter<br />

aufgestellt wird. Wie vor den großen Inschrift-<br />

hallen vier mächtige Säulen stehen, die von<br />

riesigen Drachen umwunden s<strong>in</strong>d, wobei diese<br />

vier Säulen genau wie im Westen die Welt-<br />

grenzen darstellen, an denen <strong>der</strong> Himmel die<br />

Erde berührt.<br />

Sehr merkwürdig ist auch e<strong>in</strong>e kurze Erwäh-<br />

nung, daß <strong>der</strong> Schwanz des Yak die Macht<br />

<strong>der</strong> Fürsten verkörpern soll.<br />

Wir hatten auf den schwedischen Felsbildem<br />

gesehen, daß <strong>der</strong> Häuptl<strong>in</strong>g häufig <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em<br />

<strong>Tier</strong>schwanz dargestellt wird und gefunden,<br />

daß <strong>der</strong> König <strong>in</strong> Ägypten bei beson<strong>der</strong>en<br />

Feiern e<strong>in</strong>en Schwanz anlegte. Hier begegnet<br />

uns diese Ersche<strong>in</strong>ung zum drittenmal, und<br />

es ist nun nicht <strong>der</strong> Schwanz e<strong>in</strong>es Kaiser-<br />

symboltieres, wie z. B. des Löwen, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es friedlichen Herdentieres.<br />

Die Grundlage für diese Ersche<strong>in</strong>ung bleibt<br />

außerordentlich schwer verständUch. Zweifel-<br />

los aber s<strong>in</strong>d auch bei uns die luxuriösen Qua-


sten an Baldach<strong>in</strong>en und sonstigen Zeremo-<br />

nialstoffen noch letzte Beziehungen zu jener<br />

Vorstellung. Ich möchte zunächst noch glau-<br />

ben, daß doch e<strong>in</strong>e älteste Umkleidung des<br />

Heros <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Löwenfell nebst Löwen-<br />

schwanz <strong>in</strong> diesem Symbol zum Ausdruck<br />

kommt, aber wir wissen über die vorgeschicht-<br />

lichen D<strong>in</strong>ge noch immer so unendlich wenig,<br />

daß wir noch lange werden suchen müssen,<br />

um den eigentlichen Grund mancher Erschei-<br />

nungen zu erkennen. Vor allen D<strong>in</strong>gen aber<br />

werden wir erst aus eigenem Erlebnis erfah-<br />

ren können, welche Kräfte zwischen Menschen<br />

und <strong>Tier</strong>en bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>timen Berührung und<br />

gegenseitigen Suggestion h<strong>in</strong> und her gespielt<br />

haben.<br />

Vor allen D<strong>in</strong>gen aber ergibt sich aus diesen<br />

ch<strong>in</strong>esischen Studien <strong>mit</strong> größter Klarheit,<br />

daß dort, wo* nicht die Eigenart <strong>der</strong> Land-<br />

schaft und <strong>Tier</strong>welt beson<strong>der</strong>e Auffassungen<br />

erzeugen mußte, die ch<strong>in</strong>esischen <strong>Religion</strong>s-<br />

beziehungen, Sagen etc. bis <strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>sten<br />

E<strong>in</strong>zelheiten h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> absolute Übere<strong>in</strong>stim-<br />

mung <strong>mit</strong> den Vorstellungen von Westeuropa<br />

aufweisen, und wenn diese beiden Gegenpole<br />

von West und Ost so e<strong>in</strong>wandfrei e<strong>in</strong>e Urbe-<br />

ziehung erkennen lassen, ist es unmöglich, für<br />

die früheste Zeit e<strong>in</strong>e Eigenlebigkeit <strong>der</strong> chi-<br />

nesischen Kultur anzunehmen. Soweit e<strong>in</strong> ei-<br />

gentliches Märchenmaterial zur Erläuterung<br />

<strong>der</strong> Beziehungen zwischen <strong>Tier</strong> und <strong>Religion</strong><br />

dienen kann, ist dasselbe <strong>in</strong> diesen Untersu-<br />

chungen noch nicht verwandt, da ja bereits<br />

ch<strong>in</strong>esische Märchen allseitig zugänglich s<strong>in</strong>d.<br />

SÜDSEE.<br />

Geschichtsbücher von den Inseln <strong>der</strong> Süd-<br />

see gibt es nicht. Seit e<strong>in</strong>er Weile lernen<br />

die E<strong>in</strong>gebornen dort lesen und schreiben, also<br />

sich das gute Gedächtnis abzugewöhnen, und<br />

31<br />

was wir von ihrem Denken wissen, liegt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen tausend Mythen und Märchen, <strong>der</strong>en<br />

Zahl wohl kaum mehr wachsen wird, aber<br />

diese s<strong>in</strong>d auch noch lange nicht dem allge-<br />

me<strong>in</strong>en Studium zugänglich. Was bisher be-<br />

kannt ist, s<strong>in</strong>d Märchen von e<strong>in</strong>er ganz außer-<br />

ordentlichen Schönheit und von e<strong>in</strong>er Mensch-<br />

lichkeit zugunsten e<strong>in</strong>es idealen Heldentums,<br />

daß man nicht genug staunen kann. In diesen<br />

Märchen ist nichts so klar vorhanden, als <strong>der</strong><br />

Wille, das Unmögliche möglich zu machen,<br />

und das ist <strong>der</strong> größte Inhalt von <strong>Religion</strong><br />

überhaupt, den man vorstellen kann. Diese<br />

Märchen s<strong>in</strong>d so schön, wie die Menschen <strong>der</strong><br />

Inseln selbst und <strong>mit</strong> Ausnahme des Nordens<br />

f<strong>in</strong>det man ke<strong>in</strong> Gebiet, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> religiöse<br />

große Mythos noch so lebenswahr ist, wie hier<br />

<strong>in</strong> den lange vergessenen Inseln. E<strong>in</strong>e unge-<br />

heure Lebensklugheit können wir Europäer<br />

dort wie<strong>der</strong> zulernen, mühen uns aber, unsere<br />

eigene Dummheit dorth<strong>in</strong> zu br<strong>in</strong>gen.<br />

In beson<strong>der</strong>en Abhandlungen über die Süd-<br />

seesprachen habe ich mehrfach darauf h<strong>in</strong>ge-<br />

wiesen, wie unwahrsche<strong>in</strong>lich nah diese Spra-<br />

chen dem Norden stehen, und ich habe nur<br />

gefunden, daß es <strong>mit</strong> den Mythen nicht an-<br />

<strong>der</strong>s geht, was ja auch von vielen Seiten schon<br />

anerkannt ist.<br />

Daß diese Südseevölker dem <strong>Tier</strong> ungeme<strong>in</strong><br />

nahe stehen und <strong>mit</strong> ihm wie die Ch<strong>in</strong>esen <strong>in</strong><br />

lebendigster Form dauernd Verwandlungen<br />

vornehmen, brauche ich wohl kaum zu sagen<br />

Diese Völker haben ihre ganze Erlebnisweit,<br />

wie man heute sagt, animistisch gestaltet,<br />

und jedes Begegnen hat Bezug auf ihr eignes<br />

<strong>Das</strong>e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en Zufall gibt es nicht, und das<br />

ist das höchste Merkmal e<strong>in</strong>er <strong>Religion</strong> :<br />

Ausschaltung des Zufalls.<br />

Die<br />

Es ist e<strong>in</strong> wenig brutal, diese Märchen zu zer-<br />

legen, um irgende<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>zip an ihnen durch-


führend zu erläutern, und doch bietet das<br />

Material manches sehr Merkwürdige. Ich will<br />

daher e<strong>in</strong>ige <strong>Tier</strong>e wie<strong>der</strong>um erwähnen und<br />

<strong>in</strong> größter Kürze die vorkommenden Zusam-<br />

menhänge andeuten.<br />

DRACHE. Viele Beweise für ihn wird es wohl<br />

nicht geben, aber die Südseevölker kennen<br />

den Drachen, den man zu den Wolken auf-<br />

steigen läßt, und dieser wird zweifellos <strong>mit</strong><br />

den ersten Regungen <strong>der</strong> Kunst des Sp<strong>in</strong>nens<br />

<strong>in</strong> allen Völkern bekannt gewesen se<strong>in</strong>. In ei-<br />

ner <strong>der</strong> Versionen über Tafaki, e<strong>in</strong>en Häupt-<br />

l<strong>in</strong>g, <strong>der</strong> <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Frau des Himmels ver-<br />

mählt war, von ihr verlassen, ihr auf schwie-<br />

rigen Wegen doch wie<strong>der</strong> folgt und sie <strong>mit</strong><br />

se<strong>in</strong>er Tochter f<strong>in</strong>det, heißt es,daß er nicht an<br />

Seilen, die vom Himmel herabhängen, h<strong>in</strong>auf<br />

gelangt sei (und es s<strong>in</strong>d da<strong>mit</strong> sicher die Re-<br />

genseile geme<strong>in</strong>t), son<strong>der</strong>n an dem Tau se<strong>in</strong>es<br />

eignen Drachens. Er stößt, oben angelangt,<br />

e<strong>in</strong> Loch <strong>in</strong> den Himmel, und es stürzen unge-<br />

heure Wassermassen heraus, von denen se<strong>in</strong>e<br />

Fe<strong>in</strong>de ersäuft werden. Der Drache ersche<strong>in</strong>t<br />

also hier durchaus als das auf- und nie<strong>der</strong>-<br />

steigende <strong>Tier</strong> des Wassers und <strong>der</strong> Wolken,<br />

wie <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a.<br />

ELEFANT. Man kann ihn auf den Südsee-<br />

<strong>in</strong>seln kaum erwarten, und doch f<strong>in</strong>den wir<br />

Berichte von Kämpfen <strong>der</strong> Menschen <strong>mit</strong> un-<br />

geheuren Riesen, die ganze Dörfer vernichten<br />

und auch zahllose Menschen zur Nahrung for-<br />

<strong>der</strong>n. Dabei aber verschonen sie die Frauen,<br />

und man kann daraus erkennen, daß <strong>der</strong> Riese,<br />

<strong>der</strong> auch oft am Meer <strong>mit</strong> dem Fang von<br />

Schildkröten zu tun hat, e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> Nacht<br />

und des Mondes ist, also nur gegen die Son-<br />

nenmänner kämpft. Se<strong>in</strong>e ursprüngliche Waffe<br />

ist also auch e<strong>in</strong>e Mondflut gewesen. Daß<br />

dieser Riese aber e<strong>in</strong> Elefant ist, sieht man<br />

an se<strong>in</strong>er Bekämpfung, die <strong>der</strong> Held dadurch<br />

32<br />

erreicht, daß er dem Riesen die Sehnen h<strong>in</strong>ter<br />

den Kniekehlen zerschlägt, und zwar zweimal<br />

zwei, das heißt, die Sehnen aller vier Be<strong>in</strong>e.<br />

Als letzte Notwehr reißt dann <strong>der</strong> Riese e<strong>in</strong>en<br />

mächtigen Baum aus <strong>der</strong> Erde, unter dem <strong>der</strong><br />

Held e<strong>in</strong>e Weile begraben liegen bleibt, und<br />

als <strong>der</strong> Riese ihn <strong>in</strong> dieser Not fassen will,<br />

sticht ihm e<strong>in</strong> Vogel die Augen aus.<br />

DER HAHN kommt <strong>in</strong> mancherlei Märchen<br />

vor, aber die sehr große Rolle, die er bei den<br />

Südseevölkern gespielt hat, und die man aus<br />

den Ornamenten an allen großen Versamm-<br />

lungsbauten deutlich erkennt, f<strong>in</strong>de ich <strong>in</strong> den<br />

Märchen noch nicht belegt. - Es wohnen zwei<br />

Hähne auf den beiden entgegengesetzten Ber-<br />

gen des Horizontes, und ich irre wohl nicht,<br />

wenn <strong>der</strong> Berg des armen Hahnes, Rots ra be-<br />

sek, im Osten zu denken ist, während <strong>der</strong> Berg<br />

des reichen Hahnes <strong>der</strong> Geisterberg Ngeraod<br />

ist, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Menschenkopf hat und Gold aus-<br />

brütet, so daß <strong>der</strong> Berg unter ihm immer rei-<br />

cher wird. Der reiche Hahn ärgert sich nun,<br />

wenn <strong>der</strong> arme Hahn kräht und will ihn um-<br />

br<strong>in</strong>gen, aber als er f<strong>in</strong>det, wie arm dieser<br />

Hahn ist, schließt er <strong>mit</strong> ihm Frieden.<br />

SCHWAN. <strong>Das</strong> <strong>in</strong> Westeuropa und <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

vollkommen identische Schwanenmärchen,<br />

das ich schon zitiert habe, sche<strong>in</strong>t mir auch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Südsee, aber sehr verborgen, vorhan-<br />

den zu se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Mann entdeckt nach großer<br />

Ermüdung auf se<strong>in</strong>er Wan<strong>der</strong>ung sieben<br />

Schwestern <strong>mit</strong> ihrem Grabstock. Er lauert<br />

ihnen auf und nimmt zweien den Grabstock<br />

fort. Er sieht, wie sie sich von Ameisen näh-<br />

ren. Fünf von den Mädchen verschw<strong>in</strong>den,<br />

aber die beiden, denen er den Grabstock fort-<br />

genommen hat, kann er ergreifen, und sie wer-<br />

den se<strong>in</strong>e Frauen, <strong>mit</strong> denen er e<strong>in</strong>e Weile lebt,<br />

bis er sie e<strong>in</strong>es Tags auffor<strong>der</strong>t, Tannenr<strong>in</strong>de<br />

zum Feuermachen zu holen. Sie weigern sich.


denn es sche<strong>in</strong>t auch hier, daß Ameisen und<br />

Taimen eng zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gehören. Die Frauen<br />

gehen endhch doch fort, aber nach ihrem er-<br />

sten Schlag gegen die Tannen fangen die Bäume<br />

ungeheuer an zu wachsen und nehmen sie<br />

<strong>mit</strong> h<strong>in</strong>auf <strong>in</strong> die Höhe. Sie wachsen so bis <strong>in</strong><br />

den Himmel h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und f<strong>in</strong>den oben E<strong>in</strong>laß<br />

durch die fünf Schwestern, die schon im Him-<br />

mel warten. <strong>Das</strong> Ganze s<strong>in</strong>d diePlejaden, de-<br />

ren Gewimmel den Ameisen verglichen ist,<br />

und auch die Schwestern s<strong>in</strong>d Ameisen, die<br />

durch die Tannen h<strong>in</strong>aufgehoben werden, weil<br />

nicht <strong>der</strong> Baum so sehr wächst, son<strong>der</strong>n weil<br />

sie selbst so kle<strong>in</strong> werden, sobald sie sich aus<br />

den Frauen <strong>in</strong> Ameisen zurückverwandeln.<br />

Die Plejaden gelten hier als e<strong>in</strong> ganz nörd-<br />

liches Sternbild, und s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong> Kälte <strong>in</strong> engem<br />

Zusammenhang gedacht, denn die fünf Schwe-<br />

stern s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Eiszapfen gehüllt. In irgende<strong>in</strong>er<br />

Zeit des Jahres fällt Eis von den Plejaden her-<br />

ab, und dann nimmt man die Eiszapfen und<br />

hält sie gegen die Nasenscheidewand <strong>der</strong> K<strong>in</strong>-<br />

<strong>der</strong>, die dann gefühllos s<strong>in</strong>d und fast ohne<br />

Schmerz durchbohrt werden können. Erst<br />

dann können die K<strong>in</strong><strong>der</strong> gut s<strong>in</strong>gen, und auch<br />

das S<strong>in</strong>gen kommt von den Plejadenmädchen,<br />

bei denen also e<strong>in</strong>e Er<strong>in</strong>nerung an das Kl<strong>in</strong>-<br />

gen <strong>der</strong> Eisflächen und Eiszapfen noch vor-<br />

handen ist. <strong>Das</strong> Fangen von zwei <strong>der</strong> Plejaden<br />

wird ohne Zweifel auf ihren zeitweiligen Un-<br />

tergang am Horizont gehen. Die ganze Zeit-<br />

rechnung <strong>der</strong> Südsee sche<strong>in</strong>t sich nach den<br />

Plejaden zu richten.<br />

FISCH. Daß <strong>der</strong> Fisch <strong>in</strong> fast allen Sagen <strong>der</strong><br />

Südsee e<strong>in</strong>e Rolle spielt, ist klar, aber ich<br />

möchte wie<strong>der</strong>um nur die ganz großen Tradi-<br />

tionen berühren. — E<strong>in</strong>e Frau geht im Gar-<br />

ten am Meer. E<strong>in</strong> Fisch nähert sich ihr und<br />

reibt sich an ihren Füßen und schnuppert bis<br />

zu ihren Hüften h<strong>in</strong>auf. Sie bekommt e<strong>in</strong>e<br />

33<br />

große Geschwulst an <strong>der</strong> Hüfte, die <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Ste<strong>in</strong>splitter geöffnet werden muß. E<strong>in</strong> Knabe<br />

kommt zur Welt, wächst, hat ungewöhnliche<br />

Kraft, hat viel Zank <strong>mit</strong> den Knaben des Dor-<br />

fes durch se<strong>in</strong>e Überlegenheit und wirft sie<br />

<strong>mit</strong> Speeren tot. Er muß schheßlich fliehen,<br />

und die Frau br<strong>in</strong>gt den Knaben zurück zu<br />

se<strong>in</strong>em Vaterfisch, <strong>der</strong> den Knaben weit fort<br />

nach Osten br<strong>in</strong>gt. Vor se<strong>in</strong>em Fortgang rät<br />

<strong>der</strong> Knabe allen, die ihm günstig gewesen<br />

s<strong>in</strong>d, die Pflanzungen <strong>in</strong> den Schatten großer<br />

Bäume o<strong>der</strong> Berge zu br<strong>in</strong>gen, und nach e<strong>in</strong>er<br />

Weile geht er dann als e<strong>in</strong>e ungeheuer starke<br />

und todbr<strong>in</strong>gende Sonne wie<strong>der</strong> auf, bis ihm<br />

dann se<strong>in</strong>e Mutter Kalk <strong>in</strong> das glühende Ge-<br />

sicht bläst, wodurch die Glut abnimmt und<br />

sogar wie<strong>der</strong> Regenwolken entstehen. Der<br />

Fisch als Sonnenträger ist hier so deutüch,<br />

wie <strong>in</strong> allen Sagen von <strong>der</strong> Arche, Kiboto etc.<br />

An<strong>der</strong>eVersionen desgleichen Motivs kommen<br />

vielfach vor. Ich zitiere noch e<strong>in</strong> Beispiel ohne<br />

den Namen des Fisches selbst. — Die Sonne<br />

verliebt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mädchen, und sie br<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>en Knaben zur Welt. Er entzweit sich <strong>mit</strong><br />

den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>der</strong> Menschen wie<strong>der</strong> wegen sei-<br />

ner Überlegenheit und zieht aus, se<strong>in</strong>en Va-<br />

ter zu suchen. Er fährt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Segelboot<br />

nach Osten, aber <strong>der</strong> Sonne Vater geht vor<br />

ihm <strong>in</strong> die Höhe und <strong>der</strong> Sohn erreicht ihn<br />

ihn nicht. Er fährt dem Vater nach Westen<br />

nach, aber <strong>der</strong> ist schon vor ihm <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefe<br />

verschwunden. In <strong>der</strong> Nacht fährt er noch<br />

schneller nach Osten und erreicht den Vater<br />

so zeitig, daß er noch eben ihn anrufen kann,<br />

bevor er höher h<strong>in</strong>aufsteigt. Er beüstet auch<br />

den Vater soweit, daß er noch e<strong>in</strong>en Augen-<br />

bHck e<strong>in</strong>e Wolke zwischen sich und die Men-<br />

schen zieht und ziun Sohn h<strong>in</strong>absteigt. Der<br />

Sonnenvater rät ihm, auf den Mond zu war-<br />

ten, denn diese se<strong>in</strong>e Schwester würde ihm


e<strong>in</strong> Geschenk geben können, wenn er das rich-<br />

tige wählt. Der Sohn erwartet auch die Mond,<br />

nimmt aber von ihr das falsche Geschenk,<br />

nämlich nicht das Glückspr<strong>in</strong>zip Mel, son<strong>der</strong>n<br />

das Nacht- und Wasserpr<strong>in</strong>zip Mun. Bevor er<br />

nun wie<strong>der</strong> das Land erreicht, öffnet er gegen<br />

Verbot das Geschenk, und alle <strong>Tier</strong>e des Mee-<br />

res stürzen sich auf die wun<strong>der</strong>bare Mun-<br />

Muschel, so daß se<strong>in</strong> Boot voll Wasser läuft<br />

und s<strong>in</strong>kt. Fisch und Schlange s<strong>in</strong>d auch die<br />

<strong>Tier</strong>e <strong>der</strong> ungeme<strong>in</strong>en Vermehrung, <strong>mit</strong> Be-<br />

zug auf Reichtum und Geld.* Ich will auch<br />

hier ganz kurz zwei Versionen skizzieren,<br />

möchte aber vorher auf den Begriff des Gel-<br />

des kommen. <strong>Das</strong> Geld <strong>in</strong> <strong>der</strong> frühesten Zeit<br />

<strong>der</strong> Menschen sche<strong>in</strong>t über ganz weite Strek-<br />

ken die Muschel gewesen zu se<strong>in</strong>, bevor <strong>in</strong> den<br />

meisten Län<strong>der</strong>n das Gold als Reliquie <strong>der</strong><br />

Sonne den Platz <strong>der</strong> Muschel e<strong>in</strong>nahm. Die<br />

Muschel selbst kommt ja zunächst <strong>in</strong> bedeu-<br />

ten<strong>der</strong> Vielheit vor, und es müssen schon<br />

stellenweise seltenere Arten ausgewählt wor-<br />

den se<strong>in</strong>, um dieses Symbol nicht zu billig zu<br />

machen. Daß man nun aber nicht ohne be-<br />

son<strong>der</strong>e Vorstellungen die Muschel gewählt<br />

hat, ist nach <strong>der</strong> Psyche <strong>der</strong> Vorzeit klar, und<br />

die Muschel ist durch das Öffnen <strong>der</strong> Schale<br />

und Schließen zweifellos e<strong>in</strong> Ebenbild von<br />

Sonne o<strong>der</strong> Mond. Für den Mond glaube ich<br />

aber, daß viel mehr Symptome zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d,<br />

denn sie wird durch die großen Fluten des<br />

Mondes an die Küsten geworfen, und alle<br />

Mengenbegriffe werden ja <strong>in</strong> den nordischen<br />

Sprachen beson<strong>der</strong>s vom Monde hergeleitet,<br />

weil Manche, Menge, Many, Money, Monga,<br />

Mnogo etc. sämtlich Mondworte s<strong>in</strong>d. An die<br />

Ableitung des Wortes Muschel von Musculus<br />

glaube ich nicht, weil auch Shell im Eng-<br />

lischen alle<strong>in</strong> für die Muschel vorkommt und<br />

Schale bedeutet. Muschel ist also Mao-Schale<br />

o<strong>der</strong> Mw- Schale, wobei <strong>in</strong> ältester Verb<strong>in</strong>dung,<br />

wie im Ch<strong>in</strong>es. : Mu wahrsche<strong>in</strong>lichMut-<br />

ter bedeuten wird, und also die sich vermeh-<br />

rende Schale geme<strong>in</strong>t ist. Lat. Musculus aber<br />

ist Mus-Maus im Dim<strong>in</strong>utiv. Nun zu den<br />

Märchen<br />

Zwei Frauen f<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>e Schlange, nehmen<br />

sie als K<strong>in</strong>d an, pflegen sie sorgsam, zuerst <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Kokosschale, die aber platzt, dann <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Korb, <strong>der</strong> aber aufreißt, dann<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schwe<strong>in</strong>etragkorb, <strong>der</strong> aber wie<strong>der</strong><br />

reißt, und zuletzt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen Holzkasten,<br />

<strong>der</strong> aber birst. Die Schlange ist nun so groß<br />

imd gefährlich geworden, daß sie zuerst die<br />

beiden Frauen und dann alle an<strong>der</strong>en Men-<br />

schen bis auf zehn frißt. Sie for<strong>der</strong>t dann den<br />

HäuptUng, <strong>der</strong> noch am Leben ist, und die<br />

Tochter des Häuptl<strong>in</strong>gs entschließt sich, für<br />

den Vater zu sterben imd zur Schlange zu<br />

gehen. Sie wird <strong>mit</strong> vielen Geschenken und<br />

e<strong>in</strong>em schönen Gürtel ausgestattet, begegnet<br />

auf dem Wege e<strong>in</strong>em fremden Mann und sei-<br />

ner Frau, tauscht <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Frau ihren Schmuck<br />

und ihren Gürtel, und von diesem AugenbHck<br />

an folgt dem Mädchen <strong>der</strong> Hund des Mannes,<br />

<strong>der</strong> sie nach dem Geruch für die Frau des<br />

Fremden hält. Der Hund frißt den Schwanz<br />

<strong>der</strong> Schlange, sobald die Begegnung beg<strong>in</strong>nt,<br />

und die Schlange stirbt. Der Mann erhält,<br />

nachdem e<strong>in</strong> Betrüger versucht hat, das Mäd-<br />

chen zu nehmen, die Häuptl<strong>in</strong>gstochter als<br />

zweite Frau. Se<strong>in</strong> Hund hat durch Ausspeien<br />

des Schlangenschwanzes bewiesen, daß se<strong>in</strong><br />

Herr <strong>der</strong> Schlangenüberw<strong>in</strong><strong>der</strong> gewesen ist.<br />

In e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Sage ist es e<strong>in</strong> Fisch, <strong>der</strong> ge-<br />

fangen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kokosschale gepflegt wird.<br />

Die Kokosschale platzt und man nimmt e<strong>in</strong>e<br />

Holzschüssel. Darauf das Badeloch des Dor-<br />

fes, und schließlich muß <strong>der</strong> Fisch h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong><br />

die Lagune, wo er e<strong>in</strong>e Tochter zur Welt<br />

34 *


<strong>in</strong>gt, die an Land gut aufgenommen wird<br />

vom Häuptl<strong>in</strong>g, selbst dann ungeheuer an-<br />

schwillt, und wenn sie die F<strong>in</strong>ger abstreicht,<br />

den Menschen Geld <strong>in</strong> die Taschen fließen läßt.<br />

Wegen Neid muß das Mädchen die Menschen<br />

verlassen, die Fischmutter holt sie ab, und<br />

läßt das Mädchen, während es über das Meer<br />

getragen wird, das Treibholz sammeln. Aus<br />

diesem Treibholz wird e<strong>in</strong>e Insel gebaut, auf<br />

<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> die Tochter ihre Nie<strong>der</strong>kunft er-<br />

lebt. — Sie br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Brachvogel zur Welt<br />

und die ganze Insel wird <strong>mit</strong> Geld überschüt-<br />

tet. Ich glaube zunächst sicher, daß hier <strong>der</strong><br />

Kembegriff des Geldes nichts an<strong>der</strong>es als<br />

Gold se<strong>in</strong> kann. Der Fisch ist <strong>der</strong> Sonnen-<br />

träger <strong>mit</strong> mehreren Geburten. Die Sonne<br />

hier deshalb als Frau gedacht, weil immer nur<br />

e<strong>in</strong>e Frau aus sich selbst e<strong>in</strong>e neue Sonne<br />

gebären kann.<br />

Diese Züge, die man noch nach manchen Sei-<br />

ten kommentieren kann, s<strong>in</strong>d doch stets als<br />

eigentlich rituell aufzufassen. Ganz ungeme<strong>in</strong><br />

menschlich ist dagegen e<strong>in</strong>e Anzahl von Mär-<br />

chen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Frau von fe<strong>in</strong>dlichen Män-<br />

nern <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>s Wasser ge-<br />

stoßen wird und <strong>mit</strong> wun<strong>der</strong>barer Mutter-<br />

kraft das Ufer erreicht und das K<strong>in</strong>d am Le-<br />

ben hält, während sie selbst stirbt. Der Knabe<br />

wächst auf und kommt <strong>in</strong> viele sehr schwie-<br />

rige Lagen, genau den Heraklessagen entspre-<br />

chend, aber se<strong>in</strong>e Mutter ersche<strong>in</strong>t ihm im<br />

Traum und gibt ihm Rat, steigert auch se<strong>in</strong>e<br />

Kräfte bis zum Äußersten. Dieser Sohn <strong>der</strong><br />

Ertrunkenen ist e<strong>in</strong>äugig, also auch e<strong>in</strong> Ver-<br />

treter <strong>der</strong> Sonne, und e<strong>in</strong> Vogel fliegt vor ihm<br />

her, um ihm die schwersten Wege zu zeigen.<br />

Se<strong>in</strong> Kampf geht dann gegen den Elefanten,<br />

von dem ich schon ausführlicher berichtet<br />

habe. Mutter und Fisch s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> gleicher<br />

E<strong>in</strong>heit, wie Mutter und wun<strong>der</strong>bar schwim-<br />

35<br />

mendes Kästchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Perseussage. Der Gebome<br />

und durch den Tod <strong>der</strong> Mutter weit im<br />

Osten Gerettete ist die Sonne <strong>in</strong> männhcher<br />

Form. Der große Fe<strong>in</strong>d ist <strong>der</strong> Elefant, <strong>der</strong><br />

also im Grunde nur e<strong>in</strong> Vertreter des Mondes<br />

se<strong>in</strong> kann.<br />

FROSCH. Er hat die Fähigkeit zur Ver-<br />

wandlung, wie er sie schon bei se<strong>in</strong>em ersten<br />

Wechsel bewiesen hat, erhalten. Er kann sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Mann verwandeln und ist e<strong>in</strong> Königs-<br />

sohn, genau wie im Norden. E<strong>in</strong>mal sitzt e<strong>in</strong><br />

Frosch fast an jedem Tage gegenüber e<strong>in</strong>em<br />

Mädchen und läßt <strong>mit</strong> sich spielen. Als das<br />

Mädchen reif ist, beschläft er sie und verwan-<br />

delt sich wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Frosch zurück. Daim<br />

aber kommt es zur Heirat, und <strong>der</strong> Frosch<br />

wird dauernd Mensch. Se<strong>in</strong>e Mutter aber ist<br />

Besitzer<strong>in</strong> von großen Mengen Geld. — Auch<br />

hier kann man nur annehmen, daß <strong>der</strong> Frosch<br />

<strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Sümpfe ist, <strong>in</strong> die die Sonne täg-<br />

lich e<strong>in</strong>geht. Hier, wie auch <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>en<br />

Sagen sche<strong>in</strong>t mir Voraussetzung, was bei den<br />

Ch<strong>in</strong>esen deutlich ausgesprochen wird, daß <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em hohen Alter die <strong>Tier</strong>e sich <strong>in</strong> Menschen<br />

verwandeln können, aber daß auch die Menschen<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>Tier</strong>e verwandelt werden, um<br />

nach e<strong>in</strong>er Weile wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Freiheit zu kom-<br />

men. Die Dauerverbannung, wie sie bei den<br />

In<strong>der</strong>n stark betont ist, sche<strong>in</strong>t aber kaum<br />

auf den Südsee<strong>in</strong>seln vertreten zu se<strong>in</strong>. Man-<br />

che D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d gut beobachtet. Manches ließe<br />

sich nur durch sehr weitgehende Untersuchun-<br />

gen feststellen. Die Teufel und Riesen, wie<br />

auch die menschenfressenden Daimonen s<strong>in</strong>d<br />

stets ausgesprochene Nasentiere, <strong>der</strong>m sie un-<br />

terscheiden den fremden Menschen durch den<br />

Geruch. Wenn <strong>der</strong> Geruch gestört wird, kön-<br />

nen sie den Menschen und Sonnensohn nicht<br />

mehr f<strong>in</strong>den. <strong>Das</strong> läßt darauf schließen, daß<br />

man ganz richtig erkannt hatte, daß Sonne und


Augenentwicklung <strong>der</strong> Weg des Kommenden<br />

wären, aber die Nasenentwicklung dauernd<br />

zurückgeht, obwohl auch die SüdseeVölker<br />

den Geruch noch bewun<strong>der</strong>nswert benutzen<br />

können. Durch Brandgeruch täuscht man die<br />

Unterweltwesen beson<strong>der</strong>s leicht, so daß auch<br />

das Feuer als ihr Fe<strong>in</strong>d zu erkennen ist.<br />

Ebenso sehen wir auch mehrfach, daß diese<br />

Wesen, die dem Menschen zu fe<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d, vollkommen<br />

nächtlicher Natur s<strong>in</strong>d. Wenn es ge-<br />

l<strong>in</strong>gt, sie <strong>in</strong> den Häusern, <strong>in</strong> die sie nächtlich<br />

e<strong>in</strong>kehren, so lange zu halten, daß sie durch das<br />

Verstopfen <strong>der</strong> Ritzen nicht merken, wie das<br />

Licht e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt, so verdorren sie e<strong>in</strong>fach an<br />

<strong>der</strong> Sonne, sowie die Quallen und an<strong>der</strong>en<br />

Fischwesen, <strong>mit</strong> denen die Südseevölker durch<br />

ihr gutes Schwimmen und Tauchen viel und<br />

auch wohl oft physiologisch sehr merkwürdige<br />

Bekanntschaft gemacht haben.<br />

Auch die Daidalossehnsucht hat den Men-<br />

schen hier nicht gefehlt. Sie haben aus den<br />

Bäumen den Leib e<strong>in</strong>es Fregattvogels ge-<br />

schnitzt, haben ihn auf e<strong>in</strong>e Lichtung getra-<br />

gen und e<strong>in</strong>en Zauber darüber gesprochen, so<br />

daß alle Vögel, die vorüberflogen, ihre Fe<strong>der</strong>n<br />

h<strong>in</strong>abwarfen. Mit diesen Fe<strong>der</strong>n haben sie den<br />

Vogelleib fliegend gemacht, und er trägt Men-<br />

schen. Er stürzt wie <strong>der</strong> Sonnenphönix <strong>in</strong>s<br />

Wasser, kann sich e<strong>in</strong>e Weile auch wie e<strong>in</strong><br />

Fisch erhalten, <strong>der</strong> aber e<strong>in</strong>es Tages sich wie-<br />

<strong>der</strong> erhebt und auch Menschen aus dem Land<br />

<strong>der</strong> Toten zu den Lebenden zurückbr<strong>in</strong>gt.<br />

Die Beziehungen <strong>der</strong> Südseevölker zu den Tie-<br />

ren haben etwas so sehr Selbstverständliches,<br />

daß es wohl schwer fällt. Rituelles vom e<strong>in</strong>-<br />

fach Erlebten zu trennen, aber alle <strong>Tier</strong>mög-<br />

lichkeiten s<strong>in</strong>d es beson<strong>der</strong>s, die <strong>der</strong> Mensch<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Märchen <strong>in</strong> den Besitz se<strong>in</strong>er Helden<br />

br<strong>in</strong>gt, und erst <strong>mit</strong> diesen <strong>Tier</strong>kräften zu-<br />

sammen, so sche<strong>in</strong>t es mir, ist es ihm möglich.<br />

36<br />

die Ebenbürtigkeit des Himmels und des All<br />

zu erreichen.<br />

DIE INDIANER<br />

Thre Kultur zu zerstören ist den Abendlän-<br />

<strong>der</strong>n noch schneller gelungen, wie bei den<br />

Südseevölkem, wo die Menschen auf zahllosen<br />

Inseln zerstreut leben. Trotzdem also kaum<br />

e<strong>in</strong>e große Fülle von Material vorhanden ist,<br />

lassen sich e<strong>in</strong>ige sehr entscheidende Berichte<br />

besprechen.<br />

SCHÖPFUNGSSAGEN / ALGONKIN. Im<br />

Anfang war e<strong>in</strong> unendliches Wasser über <strong>der</strong><br />

Erde. Auf e<strong>in</strong>em Floß fuhr e<strong>in</strong> Großer Hase,<br />

<strong>der</strong> die Herrschaft über e<strong>in</strong>e Anzahl andrer<br />

<strong>Tier</strong>e hatte. Ke<strong>in</strong> Land war zu f<strong>in</strong>den und man<br />

sah nur die Vögel über dem unendlichen Was-<br />

ser. Biber, Fischotter und Moschusratte muß-<br />

ten nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> tauchen, um Erde vom Bo-<br />

den des Meeres heraufzuholen, aber nur die<br />

Moschusratte kam zurück, zwar ohne Lebens-<br />

zeichen, aber sie hatte Erde <strong>in</strong> den Krallen,<br />

und daraus machte <strong>der</strong> Große Hase e<strong>in</strong>e In-<br />

sel, <strong>in</strong>dem er viele Male um den Rand dieses<br />

Erdkoms herumrannte, und bei je<strong>der</strong> Um-<br />

kreisung wuchs das Land. Nach dem Hasen<br />

umrannte <strong>der</strong> Fuchs wie<strong>der</strong>um das Land, und<br />

es wuchs noch erheblich weiter. Als dann die<br />

ersten <strong>Tier</strong>e starben, machte <strong>der</strong> Große Hase<br />

aus den Leichen Menschen. Hieraus ergibt<br />

sich, daß alle Menschen e<strong>in</strong>en Ahn haben, <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> war, und dieses <strong>Tier</strong> ist stets noch an<br />

ihnen zu erkennen und sche<strong>in</strong>t auch ihr To-<br />

temtier zu se<strong>in</strong>.<br />

Dieser erste kurze Bericht von etwa 1700 n.<br />

Chr. ist wohl sicher e<strong>in</strong>e sehr echte und wesent-<br />

Uche Fassung, aber ihn zu deuten, ist nicht<br />

ganz leicht. In <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Welt steht un-<br />

bewegt e<strong>in</strong> Floß, denn da das Meer r<strong>in</strong>gs her-<br />

ufti unendlich ist, so ist das Floß e<strong>in</strong> ruhen-


<strong>der</strong> Punkt, und man kann ihn nur <strong>mit</strong> dem<br />

Nordpolarstern vergleichen. Der Name des<br />

Großen Hasen ist Mitschabo, was sehr wohl<br />

e<strong>in</strong> altes Müten-Wort se<strong>in</strong> kann. Nachdem<br />

nun <strong>der</strong> Mittelpunkt des Himmelsfloßes e<strong>in</strong>en<br />

Gegenpol <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Erdkorn gefunden hat,<br />

wird dieser Mittelpunkt vom Hasen umkreist,<br />

und ich habe kaum Zweifel, daß dieser Hase<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Form des Großen Bären ist. Er<br />

umkreist stetig die Erde und sie wächst da-<br />

durch, wobei vielleicht die Vorstellung <strong>der</strong><br />

Auftrocknung des Ozeans durch Reibungs-<br />

wärme <strong>mit</strong>gespielt haben mag. (Quirlung und<br />

Meru.)<br />

Der Fuchs aber, <strong>der</strong> dann das Umkreisen fort-<br />

setzt, sche<strong>in</strong>t mir wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Renard, die Son-<br />

ne des Nordens, zu se<strong>in</strong>.<br />

Gegen 1840 wurden dann die Aufzeichnungen<br />

über die Algonk<strong>in</strong>mythe fortgesetzt, und es<br />

heißt : Die Großmutter des Großen Hasen war<br />

vom Mond herabgefallen und e<strong>in</strong>e Tochter<br />

wurde vom gioßen Westw<strong>in</strong>d N<strong>in</strong>gabtun<br />

schwanger und getötet. Mitschabo ist <strong>der</strong> Sohn<br />

dieserTochter. Er nimmt den Kampf <strong>mit</strong> dem<br />

Vater Westw<strong>in</strong>d auf und <strong>der</strong> Vater räumt<br />

dem Großen Hasen endlich e<strong>in</strong>en Platz neben<br />

se<strong>in</strong>em Bru<strong>der</strong>, dem Nordw<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>.<br />

Über diese Fortsetzung, die ohne Zweifel echt<br />

ist, wäre aber folgendes zu sagen. Die Groß-<br />

mutter des Hasen kam vom Mond. Sie war<br />

also ebenfalls e<strong>in</strong> Hase, genau wie <strong>der</strong> Hase<br />

<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a das Mondtier ist. Wer die Tochter<br />

des Mondes auf <strong>der</strong> Erde ist, wird kaum zu<br />

erraten se<strong>in</strong>. Sie wird vom Westw<strong>in</strong>d, dem<br />

ältesten W<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Welt (wie <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a <strong>der</strong> Ti-<br />

ger), geschwängert und stirbt. Da es nunheißt,<br />

daß die Menschen die K<strong>in</strong><strong>der</strong> des Mondes s<strong>in</strong>d,<br />

solange Mond weibhch war, ist die Mondha-<br />

sentochter wohl <strong>der</strong> erste Mensch, <strong>der</strong> im We-<br />

sten e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zur Welt br<strong>in</strong>gt, aber selbst<br />

37<br />

sterben muß. Ihr Sohn, <strong>der</strong> Große Hase, ist<br />

also zugleich <strong>der</strong> erste Mensch. Und nachdem<br />

er über se<strong>in</strong>en Vater im Westen gesiegt hat,<br />

wird ihm e<strong>in</strong> Platz neben dem Nordpol, also<br />

<strong>der</strong> Platz des Großen Bären zugewiesen, <strong>der</strong><br />

da<strong>mit</strong> zugleich wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> erste Mensch ist,<br />

Menschen als Mondk<strong>in</strong><strong>der</strong> habe ich mehrfach<br />

aus den Manisko- und Mäwmms-Worten abge-<br />

leitet. Ich glaube, daß auch hier e<strong>in</strong> Grund<br />

<strong>der</strong> ganzen Sagen dar<strong>in</strong> liegt, daß <strong>der</strong> Mensch<br />

durch se<strong>in</strong>e Heraklestaten vom Mondsohn<br />

zum Sonnensohn h<strong>in</strong>überwechselt, aber das<br />

ließe sich nur <strong>mit</strong> viel reicherem Material un-<br />

tersuchen.Da es übrigens an e<strong>in</strong>er Stelle heißt,<br />

daß <strong>der</strong> Große Hase den Wolf zum Jagdge-<br />

fährten hat, so halte ich es nur um so wahr-<br />

sche<strong>in</strong>licher, daß <strong>der</strong> Große Hase <strong>in</strong> allen Fäl-<br />

len <strong>der</strong> Bär ist, <strong>der</strong> aber verheimlicht wird,<br />

weil es verboten wird, ihn zu nennen, denn<br />

wenn <strong>der</strong> Bär genannt wird, so kommt er<br />

auch gerannt.<br />

Wo <strong>der</strong> Große Hase nun <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte e<strong>in</strong>er<br />

Flutsage steht, möchte ich denken, daß e<strong>in</strong><br />

ganz getrennter Komplex vorliegt. Der junge<br />

Wolf, Begleiter des Hasen, ist im Eis e<strong>in</strong>ge-<br />

brochen und von den Schlangen des See ge-<br />

fressen. Mitschabo will sich an ihnen rächen.<br />

Auf e<strong>in</strong>er Sandbank im See stellt er sich, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en ßaumstamm verwandelt, auf Lauer. Er<br />

wird von neun Schlangen umwunden und bei-<br />

nah erdrückt, aber da er ke<strong>in</strong>e Empf<strong>in</strong>dung<br />

zeigt, fühlen die Schlangen sich sicher, und<br />

er schießt <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Pfeil den Schlangen-<br />

häuptUng von Unks. Dann wird er von den<br />

Schlangen verfolgt, sie treiben die Flut h<strong>in</strong>ter<br />

ihm her, und er rettet sich auf den Baum, <strong>der</strong><br />

se<strong>in</strong> Großvater ist und sich zweimal höher<br />

reckt. In <strong>der</strong> letzten Not hört das Steigen <strong>der</strong><br />

Flut auf, und Mitschabo siegt. E<strong>in</strong>mal also<br />

siegt <strong>der</strong> Hase dadurch,daß er auf e<strong>in</strong>en Baum


steigt und sich zum Himmel aufreckt, e<strong>in</strong> an-<br />

<strong>der</strong>es Mal dadurch, daß er e<strong>in</strong> Floß baut und<br />

die <strong>Tier</strong>e zu sich nimmt. Beziehungen zur<br />

Noah-S2.ge s<strong>in</strong>d also vorhanden, und beson-<br />

<strong>der</strong>s Hegen die Gedanken <strong>der</strong> Großen Spirale<br />

diesen Vorstellungen zugrunde, denn das e<strong>in</strong>e<br />

Mal geschieht die E<strong>in</strong>kreisung durch das Um-<br />

schHngen <strong>der</strong> Schlangen und ihrer Flut, das<br />

an<strong>der</strong>e Mal ist es e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> Spi-<br />

rale durch das Umkreisen des Landes und e<strong>in</strong>e<br />

Beziehung zur Wärme. <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>e ist also wohl<br />

als die Sommersage, das an<strong>der</strong>e als die W<strong>in</strong>-<br />

tersage <strong>der</strong> Sonne im letzten Ende zu be-<br />

trachten. Ich b<strong>in</strong> erstaunt, daß man so wenig<br />

die Natur sieht, daß man nicht erkannt hat,<br />

daß alle Flutsagen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie, lange be-<br />

vor dar<strong>in</strong> reale Katastrophen sich spiegeln,<br />

dieseE<strong>in</strong>engung<strong>der</strong>Sonnenspiralebezeichnen.<br />

Auch die älteste Sage <strong>der</strong> Irokesen von Nord-<br />

amerika möchte ich hier kurz skizzieren, da<br />

man dieselbe nicht häufig erwähnt f<strong>in</strong>det. —<br />

Im Anfang ist e<strong>in</strong> unendliches Meer <strong>mit</strong> den<br />

Wasserwesen. Über den Ozean ist <strong>der</strong> Him-<br />

mel gewölbt, über dem himmHsche Wesen le-<br />

ben. Atänsik, e<strong>in</strong>e Frau, fällt schwanger aus<br />

<strong>der</strong> Höhe <strong>in</strong> den Ozean und gelangt auf den<br />

Rücken e<strong>in</strong>er Schildkröte. Dorth<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt ihr<br />

e<strong>in</strong> Biber e<strong>in</strong> wenig Erde aus dem Grund, und<br />

sie macht da<strong>mit</strong> den Rücken <strong>der</strong> Schildkröte<br />

zur Insel. Sie br<strong>in</strong>gt dann ihre Tochter zur<br />

Welt, die aber bald nach e<strong>in</strong>er ungeschlecht-<br />

lichen Empfängnis dadurch umkommt, daß<br />

e<strong>in</strong>er ihrer beiden Zwill<strong>in</strong>ge, <strong>der</strong> von Anfang<br />

an böse ist, nicht auf dem normalen Wege<br />

zum Tag kommt, son<strong>der</strong>n durch die Achsel-<br />

höhle. Der böse Sohn heißt Tawiskara und<br />

<strong>der</strong> gute Joskeha. Die Lebenswege dieser We-<br />

sen s<strong>in</strong>d so, daß die Mutter stirbt und sich <strong>in</strong><br />

die nährende Erde verwandelt, auf <strong>der</strong> die<br />

Pflanzen gedeihen. Der böse Sohn ist <strong>der</strong> Wi-<br />

38<br />

<strong>der</strong>part des an<strong>der</strong>n. Der Gute schafft Bäche<br />

und Flüsse und <strong>der</strong> Böse tr<strong>in</strong>kt sie <strong>in</strong> sich als<br />

e<strong>in</strong> Riesenfrosch. Der gute Sohn Joskeha muß<br />

erst dem Frosch die Seite aufstechen, da<strong>mit</strong><br />

die Wasser wie<strong>der</strong> auf die verdorrte Erde zu-<br />

rückströmen. Tawiskara versucht sich zu rä-<br />

chen, aber er bleibt unterlegen, wird schwer<br />

verwundet und zieht sich weit nach Westen<br />

zurück und regiert das Reich <strong>der</strong> Toten. Der<br />

gute Sohn schafft dann die <strong>Tier</strong>e imd macht<br />

sie alle e<strong>in</strong> wenig h<strong>in</strong>ken, da<strong>mit</strong> sie leichter<br />

zu erlegen s<strong>in</strong>d. Nur <strong>der</strong> Wolf entgeht ihm.<br />

Von <strong>der</strong> Schildkröte hat er gelernt, Feuer zu<br />

machen und gibt diese Lehre den Menschen,<br />

die er selbst schafft. Am Ende lehrt er sie den<br />

Maisbau, verschw<strong>in</strong>det dann nach dem fernen<br />

Osten, wo er <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er Großmutter zusam-<br />

menlebt als Gatte. Diese Großmutter ist e<strong>in</strong><br />

Wesen, das sich <strong>in</strong> alle verwandeln kann, und<br />

sie hat auch die Bestimmung über die Lebensdauer<br />

<strong>der</strong> Menschen. —<br />

Über die <strong>Tier</strong>e ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

nicht so gc<strong>in</strong>z viel zu sehen. Die große Ver-<br />

ehrung <strong>der</strong> Schildkröte ist wichtig, imd sie<br />

ist vor allem die Schöpfer<strong>in</strong> des Feuers. Daß<br />

sie die Sonne unter ihrer Schale verwahrt<br />

während <strong>der</strong> Nachtzeit, ist zu verstehen, und<br />

auch das Wissen selbst sahen wir <strong>in</strong> ihr <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a verkörpert. Ob ihre Schale zur Feuer-<br />

zündung selbst Beziehung hat, bleibt an an-<br />

<strong>der</strong>er Stelle zu untersuchen. Die Erkenntnis,<br />

daß aus dem sterbHchen Teil <strong>der</strong> ersten Frau<br />

die Pflanzen gedeihen, ist e<strong>in</strong> deutliches Wis-<br />

sen von dem vegetativen Charakter <strong>der</strong> Frau<br />

selbst. Die Scheidung <strong>der</strong> beiden Söhne ist<br />

vollkommen dem Tao entsprechend. Der e<strong>in</strong>e<br />

vertritt das Wasser, Y<strong>in</strong>, und das Westmeer<br />

ist also zugleich <strong>der</strong> Zugang zum Totenreich,<br />

aber das Yang schafft <strong>Tier</strong>e und Menschen<br />

und Feuer.


In Mexiko haben alle <strong>Tier</strong>beziehungen e<strong>in</strong>e<br />

Lebendigkeit erreicht, die e<strong>in</strong>e ganz e<strong>in</strong>gehen-<br />

de Beschäftigung <strong>mit</strong> <strong>der</strong>Materie nötigmacht,<br />

auch ganz ungewöhnlich erschwert, weil die<br />

Texte für uns noch immer ke<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Zu-<br />

sammenhang gefunden haben, aber beson<strong>der</strong>s<br />

wohl deshalb nicht, weil wir die Typisierung<br />

von Ersche<strong>in</strong>ungen aller Art im <strong>Tier</strong> noch<br />

nicht umfassend genug verstehen. Die eigent-<br />

liche <strong>Tier</strong>sprache o<strong>der</strong> Ausdrucksweise durch<br />

die <strong>Tier</strong>ersche<strong>in</strong>ungen hat sich <strong>in</strong> Mexiko jahr-<br />

tausendelang ganz ungestört entwickehi kön-<br />

nen , und es kann uns <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

nur <strong>in</strong>teressieren, welche ältesten Beziehun-<br />

gen zwischen den Menschen und <strong>Tier</strong>en dort<br />

bestanden haben. Altes und Junges vone<strong>in</strong>-<br />

an<strong>der</strong> zu trennen, ist aber außerordentlich<br />

schwierig.<br />

EUROPA.<br />

T ch möchte nun den engeren Umkreis ziehen<br />

und Europa, die kle<strong>in</strong>en Ausbuchtungen Indien,<br />

Persien und Ägypten betrachten, um<br />

schheßlich zum Zentrum <strong>der</strong> vorgeschichth-<br />

chen <strong>Religion</strong>en vorzudr<strong>in</strong>gen.<br />

DRACHE. In den ältesten Höhlenzeichnun-<br />

gen etc. f<strong>in</strong>den wir bisher ke<strong>in</strong>e Darstellung,<br />

die auf ihn schüeßen läßt, und so kann man<br />

sich auf e<strong>in</strong>en kurzen ÜberbUck beschränken,<br />

den uns die Län<strong>der</strong> bieten.<br />

Homer gibt mehrfach Bericht vom Drachen.<br />

Er ist riesengroß, ger<strong>in</strong>gelt und hat manche<br />

Ähnlichkeit <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Schlange. Se<strong>in</strong> Blick ist<br />

furchtbar. Se<strong>in</strong>e Farbe meistens dunkel, ab^r<br />

auch regenbogenfarbig. E<strong>in</strong> o<strong>der</strong> drei Köpfe.<br />

Später hat das Ungeheuer meistens zwei Füße<br />

und zwei Flügel, die denen <strong>der</strong> Fle<strong>der</strong>maus<br />

entsprechen. Der Drache ist <strong>der</strong> Artemis hei-<br />

lig und dem Bakchos, sowie dem Ares als <strong>Tier</strong><br />

des Krieges. Daß er das Kriegstier ist, wird<br />

39<br />

tausendfach bestätigt, <strong>in</strong>dem er auf den Stan-<br />

darten <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen Reiterei ebenso ersche<strong>in</strong>t,<br />

wie als japanischer Fahnenkopf. Ebenso aber<br />

auch auf den Fahnenwagen und Fahnen <strong>der</strong><br />

skand<strong>in</strong>avischen und germanischen Fürsten,<br />

als bei den Römern, <strong>der</strong>en Fahnenträger nach<br />

ihm Draconarii heißen, was bei uns <strong>der</strong> Name<br />

<strong>der</strong> Dragoner geworden ist. Auch hier <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd <strong>in</strong> engster Gegenpol-Beziehung.<br />

Es s<strong>in</strong>d zwei göttUche Ersche<strong>in</strong>ungen des Mit-<br />

telmeergebietes, die den Drachen beson<strong>der</strong>s<br />

vor ihrem Wagen haben. Medea und Demeter.<br />

Medea möchte ich sprachlich als Dea Me o<strong>der</strong><br />

Dea-Mu wie<strong>der</strong>geben, also als die Gott-Mut-<br />

ter und sie ist daher völlig identisch <strong>mit</strong> De-<br />

Meter, <strong>der</strong> Gott Mutter, <strong>der</strong>en Wagen von<br />

Drachen gezogen wird, während sie Perse-<br />

phone sucht.<br />

Da nun weiter im Lande Kolchis e<strong>in</strong> Drache<br />

das Goldene Vlies bewacht, und <strong>der</strong> Götter-<br />

held Jason diesen Drachen tötet, aus dessen<br />

Zähnen dann Krieger erwachsen, haben wir<br />

<strong>in</strong> diesen knappen Angaben doch e<strong>in</strong>e recht<br />

ausführliche Legende, aus <strong>der</strong> man schon ei-<br />

nige Klarheit gew<strong>in</strong>nen kann. Der Drache,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibel als <strong>der</strong> Zerstörer alles Guten<br />

geschil<strong>der</strong>t und den bösen Machthabem ver-<br />

güchen wird, also e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> Unterwelt und<br />

des Teufels ist, hat am Himmel se<strong>in</strong>en Stand<br />

zwischen dem Großen und dem Kle<strong>in</strong>en Bä-<br />

ren, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte se<strong>in</strong>es Schwanzes stand<br />

vor etwa 5000 Jahren <strong>der</strong> ruhende Polstern<br />

des Nordens. Der Nordpunkt ist nun <strong>der</strong> Sitz<br />

<strong>der</strong> ewigen Mutter Medea, und vor ihrem Hau-<br />

se lagert <strong>der</strong> Drache. <strong>Das</strong> Goldene Vlies, das<br />

er bewacht, ist zunächst wegen <strong>der</strong> goldenen<br />

Farbe e<strong>in</strong> Sonnenattribut. Als VHes muß es<br />

nun wohl e<strong>in</strong>em Wid<strong>der</strong> gehören, und wir ha-<br />

ben hier also e<strong>in</strong>en goldenen Sonnenwid<strong>der</strong>.<br />

Daß e<strong>in</strong>e Vorstellung vorhanden war, nach


<strong>der</strong> dieser Wid<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht und im W<strong>in</strong>-<br />

ter umgebracht war, dafür wüßte ich im Au-<br />

genbUck ke<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Beleg. Die voll-<br />

ständige Reihe dieser Vorstellungen sche<strong>in</strong>t<br />

mir nun so zu laufen, daß am Tage die Rosse<br />

den Wagen e<strong>in</strong>es Sonnengottes ziehen, wäh-<br />

rend <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht <strong>der</strong> Drache, <strong>der</strong> dem Gro-<br />

ßen Wagen ganz nahe steht, das Gefährt <strong>der</strong><br />

Gottmutter durch die Nacht br<strong>in</strong>gt. Sagen<br />

dieser Art gew<strong>in</strong>nen aber beson<strong>der</strong>s an Wich-<br />

tigkeit, wenn man sie als Mythen denkt von<br />

e<strong>in</strong>em Volk, das wirklich im höchsten Nor-<br />

den monatelang die Sonne entbehren muß,<br />

denn dann bekommt auch das Schiff Argo<br />

o<strong>der</strong> Rago, Ra-Ga.ng e<strong>in</strong>en tiefen S<strong>in</strong>n, <strong>mit</strong><br />

dem die Sonne wie<strong>der</strong> hervorgeholt wird. Ar-<br />

temis ist zunächst die Gött<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jagd, und<br />

wenn wir <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a gesehen haben, daß sich<br />

stets <strong>in</strong> nächster Nähe des Drachen auch <strong>der</strong><br />

Hirsch bef<strong>in</strong>det, so läßt er sich nun nicht län-<br />

ger übersehen, wenngleich ich versucht habe,<br />

die Anzahl <strong>der</strong> betrachteten <strong>Tier</strong>e immer so<br />

kle<strong>in</strong> wie nur möglich zu halten. Se<strong>in</strong>e kulti-<br />

sche Bedeutung ist im vorgeschichtlichen<br />

Norden sehr groß, und man muß fragen, wor<strong>in</strong><br />

denn se<strong>in</strong>e Bedeutung beruht.<br />

<strong>Das</strong> Geweih ist natürlich <strong>der</strong> Mittelpunkt des<br />

bewun<strong>der</strong>nden Interesses, und das Geweih <strong>mit</strong><br />

se<strong>in</strong>em vollkommen vegetativen Charakter ist<br />

denn auch e<strong>in</strong>e Ersche<strong>in</strong>ung, die größte Be-<br />

achtung verdient. <strong>Das</strong> Geweih, das <strong>mit</strong> dem<br />

Alter <strong>der</strong> Hirsche zunimmt, aber jährHch ab-<br />

geworfen wird, macht den Träger zu e<strong>in</strong>em<br />

Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ewigkeit, denn e<strong>in</strong> Baum, <strong>der</strong><br />

nicht mehr an se<strong>in</strong>en Boden gebunden ist,<br />

son<strong>der</strong>n auf e<strong>in</strong>em immer warmen <strong>Tier</strong> getra-<br />

gen wird, kann nur e<strong>in</strong> Symbol <strong>der</strong> Dauer se<strong>in</strong>.<br />

Daß <strong>der</strong> Hirsch e<strong>in</strong> Mondtier wurde, ist zu<br />

begreifen aus <strong>der</strong> Lebensart <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e, die bei<br />

vollem Tage schwer zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, und nur<br />

* 40<br />

<strong>in</strong> den mondklaren Nächten gesehen wurden.<br />

Artemis war also Gött<strong>in</strong> des Mondes, weil Mit-<br />

temacht und Mondgötter oft zusammenfallen,<br />

und wenn sie zugleich Gött<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entb<strong>in</strong>dun-<br />

gen u. a. ist, so ist auch hier zu erkennen,<br />

daß sie erstens selbst die Sonnenmutter ist,<br />

daß aber auch die Mondphasen beson<strong>der</strong>e Zei-<br />

ten für die Geburt anweisen. Artemis ist als<br />

Ra-Temis wohl als Nachtsonne zu verstehen.<br />

Als Gött<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entb<strong>in</strong>dung, wie<strong>der</strong> auf die<br />

Sonne bezüglich, war sie auch Frühl<strong>in</strong>gsgöt-<br />

t<strong>in</strong> und wurde als die Vielbrüstige <strong>in</strong> Ephesos<br />

abgebildet und <strong>in</strong> vielen Frühl<strong>in</strong>gsfeiern ver-<br />

ehrt. Aber auch <strong>der</strong> Hirsch ist wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> ganz<br />

entscheidendes Frühl<strong>in</strong>gstier, denn das ewige<br />

Wachsen auf se<strong>in</strong>em Zweighaupt bedeutet,<br />

daß er das Wachsen im Herbst gerettet und<br />

auf se<strong>in</strong>em Haupt <strong>in</strong> das neue Jahr wie<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>getragen hat.<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e wesentliche Ersche<strong>in</strong>ung ist <strong>der</strong><br />

Drache, <strong>der</strong> die Äpfel <strong>der</strong> Hesperiden be-<br />

wacht. Hesperid ist <strong>in</strong> Vesperid zu verwan-<br />

deln, und Vesper ist Was-Va-Ra, die <strong>in</strong>s Was-<br />

ser gehende Sonne des Westens und Abends.<br />

Daß die Kulte <strong>der</strong> Vesperiden <strong>in</strong> Spanien o<strong>der</strong><br />

auf e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> atlantischen Inseln stattfanden,<br />

kann als sicher gelten, und hier war es <strong>der</strong><br />

ungeheure Drache des Meeres, <strong>der</strong> an jedem<br />

Abend die Sonne verschlang, und sie als Äpfel<br />

bei sich behielt und sammelte. Herakles tötete<br />

diesen Drachen, <strong>der</strong> dann von Hera zu den<br />

Sternen versetzt wurde.<br />

Die Ersche<strong>in</strong>ung des Drachen ist auch aus die-<br />

ser Version klar, und es kann se<strong>in</strong>, daß noch<br />

manche Sagen e<strong>in</strong>en realenBoden haben ; denn<br />

es heißt auch, daß noch Regulus zwei Dra-<br />

chenschlangen von je etwa 80 Fuß Länge er-<br />

legt habe <strong>in</strong> Etrurien und die Häute <strong>der</strong>sel-<br />

ben nach Rom sandte. Auch zur Zeit des Gro-<br />

ßen Alexan<strong>der</strong> wird e<strong>in</strong> Drache Odontotyran-


nos erwähnt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sumpf lebte und<br />

e<strong>in</strong>en Elefanten auf e<strong>in</strong>mal fressen konnte.<br />

Wie weit die Sage des Dool<strong>in</strong> von Ma<strong>in</strong>z über<br />

den Drachen von Rhodos zurückgeht, ist wohl<br />

schwer zu sagen. Die Legende vom heiigen<br />

St. Georg, <strong>der</strong> die Königstochter Aja aus den<br />

Klauen des Drachen befreit, ist zweifellos e<strong>in</strong>e<br />

verspätet berichtete Medea-Sage, denn diese<br />

kann man auch sehr gut <strong>in</strong> <strong>der</strong> Version ver-<br />

stehen, daß Medea von dem Drachen selbst<br />

gefangen gehalten wird, da sie nachher dem<br />

Befreier Jason folgt. Daß aber diese Legende<br />

e<strong>in</strong>e so ungeheure Verbreitung von England<br />

bis Rußland (Moskau) gefunden hat, bezeugt<br />

für mich <strong>mit</strong> völliger Sicherheit, daß solche<br />

Legende <strong>in</strong> ihrem Kern schon längst im Nor-<br />

den verbreitet war.<br />

Im Norden f<strong>in</strong>den wir zunächst Drachen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er jüngeren Zeit als E<strong>in</strong>rahmung von Ru-<br />

nenste<strong>in</strong>en, aber da diese Ste<strong>in</strong>e wohl <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen Denkste<strong>in</strong>e und Grabste<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>d, ist es ja auch ganz s<strong>in</strong>ngemäß, daß e<strong>in</strong><br />

Drache den Ste<strong>in</strong> selbst und den Toten, für<br />

den er e<strong>in</strong> Symbol ist, als im Wasser erstarrte<br />

Sonne umschlungen und gefangen hält.<br />

Wenn wir nun weiter zum Norden gehen,<br />

sche<strong>in</strong>t mir, daß man die Midgardschlange<br />

kaum als Schlange, son<strong>der</strong>n mehr als Dra-<br />

chen ansprechen muß. Sie hegt tief im gro-<br />

ßen Meer, das alle Län<strong>der</strong> umgibt. Zeitweilig<br />

gerät sie <strong>in</strong> gewaltigen Zorn, Joetunmoth o<strong>der</strong><br />

Joden-Mut, und peitscht die Ozeane auf. Nah<br />

<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Midgardorm s<strong>in</strong>d auch Loki und <strong>der</strong><br />

Fenrirswolf verwandt. Er ist als <strong>der</strong>Verschl<strong>in</strong>-<br />

ger von Sonne und Mond e<strong>in</strong>seitig als Wolken-<br />

masse zu verstehen. Tor und Tyr bekämpfen<br />

Schlange und Wolf, das heißt durch die Auf-<br />

wärtsdrehung im Frühjahr werdenWasser und<br />

Wolken überwunden. Die Drachen ersche<strong>in</strong>en<br />

aber ausdrücklich als solche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Volkssage<br />

41<br />

<strong>in</strong> vielerlei Mythen, sie hegen auf Gold, wach-<br />

sen aus Nebel, Wolken und Meteoren o<strong>der</strong><br />

Blitzen zum Himmel h<strong>in</strong>auf und vernichten<br />

bei ihren Fahrten durch das Land die Wäl<strong>der</strong>,<br />

Pflanzungen und Menschen. Die Hebung des<br />

Hortes ist jedesmal die Wie<strong>der</strong>gew<strong>in</strong>nung <strong>der</strong><br />

Sonne. In den Hochgebirgen lebt <strong>der</strong> Drache<br />

<strong>in</strong> den großen Wasserstürzen, um wasserreiche<br />

Brunnen und A<strong>der</strong>n geht <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> Ge-<br />

witter wil<strong>der</strong>, als an<strong>der</strong>wärts, und <strong>der</strong> Don-<br />

ner erschüttert die Län<strong>der</strong>. Der Drache steigt<br />

hier, wie <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, h<strong>in</strong>auf gegen die Sonne<br />

und wie<strong>der</strong> h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> die Tiefen und Täler, sei-<br />

ner Heimat zu, wenn er besiegt ist, denn wenn<br />

die gewaltigen Bergbäche talwärts gehen, so<br />

ist ja schon <strong>der</strong> Gewitterkampf für den Dra-<br />

chen verloren.<br />

Siegfried hat im Drachenblut gebadet. Er ist<br />

unverletzlich bis auf e<strong>in</strong>e Stelle im Schulter-<br />

blatt. Dort trifft ihn Hagen. Da nun Siegfried<br />

<strong>mit</strong> Sicherheit <strong>der</strong> aufsteigende junge Früh-<br />

l<strong>in</strong>gsgott ist, geht diese Vorstellung wohl deut-<br />

lich so : Er<br />

ist geboren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittemacht bei<br />

e<strong>in</strong>er Erdmutter o<strong>der</strong> Gottmutter und steigt<br />

nun am Sommerhimmel empor. Da die Hitze<br />

auf dem Höhenweg ungeheuer wächst, muß<br />

er sich zur Quelle <strong>der</strong> Erde h<strong>in</strong>abbeugen, wie<br />

er sich ja auch zu e<strong>in</strong>em Weibe gleichzeitig<br />

beugt, die wie<strong>der</strong>um die Erde ist. Er ist also<br />

über den ganzen Himmel gewölbt, wie <strong>der</strong><br />

Himmel auch bei den Ägyptern gedacht wird<br />

als Gött<strong>in</strong> Nut o<strong>der</strong> Neith, die ihr Gesicht <strong>der</strong><br />

Erde zuneigt. So ist also se<strong>in</strong> Rücken nach<br />

oben gewandt, und hier ist es Hagen (von<br />

Hauk, Kauko, Hoch, Jug abgeleitet) , e<strong>in</strong>ehöhe-<br />

re Gewalt, die ihn trifft und zum Untergang<br />

zw<strong>in</strong>gt. Jug, das slawische Wort für Süden,<br />

ist unser altes Wort Hoch, aber zugleich unser<br />

Wort Joch, das heißt, e<strong>in</strong>e Grenze, die dem<br />

Höhersteigen aufgelegt wird, wie dem Zug-


tier das Geschirr und <strong>der</strong> Sattel. <strong>Tier</strong>haft<br />

also <strong>mit</strong> dem Rücken ist Siegfried <strong>der</strong> Höhe<br />

zugewandt, wie auch <strong>der</strong> Mann über <strong>der</strong> Frau<br />

liegt bei <strong>der</strong> Zeugung, und wenn nun im<br />

R<strong>in</strong>gkampf e<strong>in</strong> Mann den an<strong>der</strong>n besiegt,<br />

ist es das Schulterblatt wie<strong>der</strong>, <strong>mit</strong> dem<br />

<strong>der</strong> Gegner auf den Boden gezwungen wer-<br />

den muß, so daß er die Stellung <strong>der</strong> Frau<br />

e<strong>in</strong>nimmt.<br />

Siegfried ist also <strong>mit</strong> dem Sonnenroß eben-<br />

falls identisch, und es würde mich wenig wun-<br />

dem, wenn man <strong>in</strong> ihm die Endung Fried als<br />

Pferd wie<strong>der</strong>erkennen sollte.<br />

Im Veda, e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> ältesten Dokumente nach<br />

<strong>der</strong> großen Wan<strong>der</strong>ung, sieht man schon deut-<br />

lich die Versuche, die <strong>Tier</strong>beziehungen <strong>der</strong> Vor-<br />

zeit abzustoßen, da man hier schon das <strong>Tier</strong><br />

als niedrig empf<strong>in</strong>det, sowie es viele Forscher<br />

bei uns ebenfalls e<strong>in</strong>schätzen. Hier s<strong>in</strong>d nur<br />

sehr wenig<strong>Tier</strong>beziehungen erwähnt, aber das<br />

Roß des Indra wird verehrt, und ihm werden<br />

Körneropfer dargebracht. Als Wasserdämon<br />

<strong>der</strong> Tiefe f<strong>in</strong>den wir die Schlange erwähnt,<br />

Pferdeopfer kommen auch im vedischen In-<br />

dien vor, und zwar br<strong>in</strong>gen die Fürsten Pfer-<br />

deopfer, wenn sie e<strong>in</strong>en großen Sieg errungen<br />

haben, o<strong>der</strong> wenn sie e<strong>in</strong>en solchen wünschen.<br />

Es ist also immer wie<strong>der</strong> die Vorstellung, auf<br />

den Sonnenzenit als höchste Sieger h<strong>in</strong>auf-<br />

gefahren zu werden, und dann die Pferde al-<br />

le<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Unterwelt weiterfahren zu lassen.<br />

Bei dem Opfer vor dem Sieg wird die erste<br />

Vorstellung wohl so laufen, daß <strong>der</strong> König<br />

von se<strong>in</strong>em reichen Bestand an Rossen dem<br />

Sonnenherrn e<strong>in</strong>es <strong>mit</strong>teilt, um so <strong>mit</strong> ihm<br />

geme<strong>in</strong>sam den Aufwärtsweg zu machen. Man<br />

kann sicher se<strong>in</strong>, daß diese Pferdeopfer auch<br />

zu e<strong>in</strong>er entsprechenden Tageszeit stattf<strong>in</strong>-<br />

den, also am Abend, wenn <strong>der</strong> Sieg schon er-<br />

reicht ist, und am Morgen, wenn <strong>der</strong> Aufstieg<br />

42<br />

erfolgen soll. Es ist immer <strong>in</strong> diesen Opfern,<br />

die den Besitzern ungeheuer echt und schmerz-<br />

lich geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Suggestion des Welt-<br />

ablaufes, <strong>mit</strong> dem sie sich verb<strong>in</strong>den wollen,<br />

das sich <strong>in</strong> ihnen abspielen soll für die Leere,<br />

die sie <strong>in</strong> sich geschaffen haben. — Später ist<br />

<strong>der</strong> Elefant das Reittier des Indra geworden,<br />

und ohne Zweifel war es e<strong>in</strong> weißer Elefant,<br />

denn es wurden als Vertreter <strong>der</strong> Fürsten na-<br />

türlich immer nur Ausnahmegeburten, die<br />

sichtbare Merkmale <strong>der</strong> Überlegenheit zeig-<br />

ten, ausgewählt.<br />

Wie sehr überhaupt die Menschen daran ge-<br />

dacht haben, sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne zu verglei-<br />

chen, zeigt vor allem die Geschichte <strong>der</strong> Haar-<br />

trachten. Man kann sicher se<strong>in</strong>, daß das blon-<br />

de Haar <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er äußersten Ersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong><br />

erstrebtes und erreichtes Ziel <strong>der</strong> Zucht ist.<br />

<strong>Das</strong> Haar wurde von je den Strahlen <strong>der</strong> Son-<br />

ne verglichen, und nun gibt es verschiedene<br />

Formen, die Sonne <strong>in</strong> sich nachzuahmen. Hier-<br />

zu gehört zunächst die Tonsur, die ohne Zwei-<br />

fel längst vor <strong>der</strong> christlichen Ära bekannt<br />

war. Zweitens gehört dazu das lange blonde<br />

Haar <strong>der</strong> Vornehmen, während die Sklaven<br />

<strong>in</strong> kurzen Haaren leben mußten. Noch wich-<br />

tiger ist aber das Rasieren überhaupt, und<br />

das Rasiermesser ist also e<strong>in</strong> altes Kult<strong>in</strong>-<br />

strument, das zunächst sicher den Fürsten<br />

alle<strong>in</strong> vorbehalten war, und auch das Rasie-<br />

ren <strong>der</strong> Priester gehört ohne Zweifel <strong>in</strong> diesen<br />

Sonnenkult. —<br />

Um die <strong>Tier</strong>gestalten des Veda an dieser Stel-<br />

le dann noch etwas zu vervollständigen, will<br />

ich auch erwähnen, daß <strong>der</strong> Ziegenbock als<br />

Symbol des Feuers ersche<strong>in</strong>t, daß <strong>der</strong> Stier<br />

ebenfalls e<strong>in</strong> Geschöpf des Indra ist, weil alles<br />

Neugeborenwerden auf <strong>der</strong> Erde als die Zeu-<br />

gungen <strong>der</strong> Sonne betrachtet, und diese kraft-<br />

volle Zeugung nur dem Stier verglichen wer-


den kann. <strong>Das</strong> setzt wohl sicher e<strong>in</strong>e Vieh-<br />

zucht treibende Periode voraus.<br />

Die Kuh wird als absolut unantastbares <strong>Tier</strong><br />

erwähnt, während Falke und Adler das himm-<br />

lische Soma den Menschen herabbr<strong>in</strong>gen, und<br />

da unter Soma wohl kaum ursprünglich et-<br />

was an<strong>der</strong>es als Same zu verstehen ist,<br />

nimmt man an, daß er bis zur Sonne auf-<br />

steigt und ihren Samen den Wesen h<strong>in</strong>ab-<br />

trägt. Vishnu wird durch e<strong>in</strong>en Vogel ver-<br />

ehrt, und man hat selbst se<strong>in</strong>en Namen so<br />

übertragen; daß Vi Vogel bedeuten soll, wäh-<br />

rend Snu unser altes Sun Sonnenwort ist. Ihm<br />

gegenüber steht Varuna, <strong>der</strong> schwarz ist und<br />

durch e<strong>in</strong>en Fisch verehrt wird. Es heißt aber,<br />

daß vor dem Fisch <strong>der</strong> Wid<strong>der</strong> se<strong>in</strong> Zeichen<br />

gewesen ist, und so haben wir hier wie<strong>der</strong> das<br />

Wid<strong>der</strong>fell <strong>in</strong> <strong>der</strong> kolchischen Drachenlegen-<br />

de. Der Wid<strong>der</strong> <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em ungeheuren Woll-<br />

kleid ist auch ohne Zweifel mehr e<strong>in</strong> Vertre-<br />

ter <strong>der</strong> Nord- und Nachtsonne, als <strong>der</strong> des<br />

Taggottes.<br />

L WE . Verste<strong>in</strong>erte Exemplare h at man noch<br />

im Harz gefunden. In Ägypten ist <strong>der</strong> Löwe<br />

zunächst das Zeichen <strong>der</strong> Sonne im Zenit,<br />

des Feuers als Potenz und dem Horus heilig.<br />

Er war auch e<strong>in</strong> Symbol <strong>der</strong> Nilflut, und diese<br />

Rolle hängt sicher zunächst da<strong>mit</strong> zusammen,<br />

daß die Nilflut beson<strong>der</strong>s aus den Gebirgs-<br />

kräften des abess<strong>in</strong>ischen Südens entsprang.<br />

Aber diese beson<strong>der</strong>e ägyptische Vorstellung<br />

hat e<strong>in</strong>e merkwürdig weitgehende Verbrei-<br />

tung, denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Architektur <strong>der</strong> Griechen<br />

imd Römer, wie auch bei den Mauren (Al-<br />

hambra) ist <strong>der</strong> Löwe <strong>der</strong> große Quellenwäch-<br />

ter, und über die ganze eurasische Erde sche<strong>in</strong>t<br />

mir <strong>der</strong> Gebrauch verbreitet, den Löwen als<br />

Wasserspen<strong>der</strong> an allen Brunnen anzubr<strong>in</strong>-<br />

gen, wie auch die Ausflüsse <strong>der</strong> Dachr<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> Löwenköpfen münden zu lassen. Diese Ver-<br />

43<br />

b<strong>in</strong>dung kann nur verstanden werden, wenn<br />

man an die großen Gewitter denkt, die durch<br />

die Sonne im höchsten Stand h<strong>in</strong>abgeschleu-<br />

<strong>der</strong>t werden und mächtigere Ströme von Was-<br />

ser enthalten, als alle an<strong>der</strong>en Jahreszeiten.<br />

Es gibt also e<strong>in</strong>e Grundvorstellung, daß es<br />

jenseits des Himmels wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en unendli-<br />

chen Ozean gibt, <strong>der</strong> im Löwenkopf <strong>der</strong> Sonne<br />

mündet.<br />

Diese Vorstellung gehört noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zeit, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> die Sonne auch im Nachen über den Him-<br />

melsozean fuhr, und ist von Skand<strong>in</strong>avien bis<br />

nach Peru vorhanden gewesen.<br />

In Persien ist <strong>der</strong> Löwe im Mühraskult eben-<br />

falls von Bedeutung gewesen. Wir wissen über<br />

diesen Kult fast nur aus römischen Quellen<br />

und haben auch von den Graden <strong>der</strong> E<strong>in</strong>ge-<br />

weihten ke<strong>in</strong>e genaue Vorstellung, nur daß<br />

die Männer des zweiten Grades Löwen ge-<br />

nannt wurden, und die Frauen im gleichen<br />

Grade Hyänen. Der höchste Grad sche<strong>in</strong>t auch<br />

hier <strong>der</strong> Adler und Habicht (Falke) gewesen<br />

zu se<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> aber ist bestimmt, daß Mithra<br />

auf e<strong>in</strong>em herrlichen Königswagen fahrend<br />

gedacht wurde und auf dem Berge/fam wohn-<br />

te, also zu e<strong>in</strong>er ausgesprochenen i?a-Kultur<br />

gehört hat. Er war aber mehr als die Götter<br />

<strong>der</strong> Sonne und des Mondes, er stellte das Licht<br />

selbst dar, das auch außer diesen Gestirnen<br />

vorhanden ist, und man dachte ihn allwissend<br />

<strong>mit</strong> zehntausend Ohren und Augen. Darge-<br />

stellt wurde er als Löwe, und Persien hat da-<br />

her noch heute den Löwen im Wappen. Der<br />

Löwe war geflügelt und von Schlangen um-<br />

wunden, also e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit von Adler, Löwe<br />

und Schlange, wobei die Schlange ohne Zwei-<br />

fel ansagen soll, daß <strong>in</strong> dieser Tr<strong>in</strong>ität auch<br />

die unterweltüche Macht, die alles zum Wan-<br />

del durch das Dunkel zw<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>geschlossen<br />

ist. In allen Tr<strong>in</strong>itätsvorstellungen <strong>der</strong> Vorzeit


kann man sicher se<strong>in</strong>, daß die Lehre vom Tao<br />

die vorhergehende Auffassung ist, die still-<br />

schweigend e<strong>in</strong>geschlossen wird. <strong>Das</strong> erste ist<br />

<strong>der</strong> Ausatem, das heißt, die erste sichtbare<br />

Ersche<strong>in</strong>ung, die erste aufgehende Sonne. <strong>Das</strong><br />

zweite ist <strong>der</strong> Weg <strong>der</strong> Dunkelheit, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>-<br />

atem, denn was e<strong>in</strong>mal sichtbar war, muß <strong>in</strong><br />

die Unsichtbarkeit zurück. Beide aber s<strong>in</strong>d<br />

ganz fest ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gebunden und zum ewi-<br />

gen Wechsel gezwungen, so daß es ke<strong>in</strong> Auf-<br />

hören gibt. Wenn also die Sonne wie<strong>der</strong> auf-<br />

geht, so s<strong>in</strong>d die beiden Vorstufen unbed<strong>in</strong>gt<br />

e<strong>in</strong>geschlossen, und von da an wie<strong>der</strong>holt sich<br />

immer das gleiche, so daß nichts über die Zahl<br />

drei h<strong>in</strong>übergeht.<br />

Da ich nun die <strong>Tier</strong>beziehungen nicht <strong>in</strong> ihren<br />

letzten Auswirkungen und Darstellungen un-<br />

tersuchen und darlegen wollte, noch auch <strong>in</strong><br />

ihrer Gesamtheit, son<strong>der</strong>n auf ihren anfäng-<br />

lichen S<strong>in</strong>n kommen möchte, halte ich es für<br />

zweckmäßig, auf e<strong>in</strong> sehr altes Material e<strong>in</strong>-<br />

zugehen, von dem aus noch mancherlei Ver-<br />

gleiche zur Peripherie gezogen werden kön-<br />

nen.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> merkwürdigsten Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Vorzeit ist ohne Zweifel die Pasiegahöhle <strong>in</strong><br />

den Pyrenäen. Ihre Haupthalle hat <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Mitte e<strong>in</strong>en Altar, <strong>der</strong> gehauen ist, und die<br />

Wände <strong>der</strong> Höhle s<strong>in</strong>d bedeckt <strong>mit</strong> den Zeich-<br />

nungen von R<strong>in</strong>d, Pferd, Hirsch, Gemse <strong>in</strong><br />

meistens gut zu scheidenden männlichen und<br />

weiblichen Exemplaren und auch Elefanten.<br />

Sobald es möglich ist, reichliche, gute Bil<strong>der</strong><br />

zu geben, soll e<strong>in</strong>e Besprechung dieser <strong>Tier</strong>-<br />

beziehungen stattf<strong>in</strong>den. Zunächst aber halte<br />

ich es für notwendig, e<strong>in</strong>e Stellung zu <strong>der</strong><br />

Ersche<strong>in</strong>ung dieser Höhlen von Pasiega,<br />

Cogul etc. zu f<strong>in</strong>den. Es s<strong>in</strong>d an manchen<br />

Stellen, wie auch beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> erwähnten<br />

Haupthalle, ausschHeßlich <strong>Tier</strong>e dargestellt.<br />

44<br />

und diese Darstellungen <strong>in</strong> den doch recht<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich ganz wenig erleuchteten Höh-<br />

len hat, wie ich das für alle vorgeschichtlichen<br />

Felsritzungen etc. betone, e<strong>in</strong>e ungeheure<br />

Mühe gemacht. Diese Höhlen s<strong>in</strong>d also ganz<br />

große heilige Orte gewesen, und zwar Stätten<br />

<strong>der</strong> geheimen, seltenen, mystischen Feier. Es<br />

ist nun klar, daß die Feier zum Wie<strong>der</strong>auf-<br />

gang <strong>der</strong> Sonne, zur Reife <strong>der</strong> Früchte o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Ernte, falls es schon Saat von Menschen-<br />

hand gab, über Tag vor sich g<strong>in</strong>gen. Nur die<br />

großen Nacht- und Totenfeiern des W<strong>in</strong>ters,<br />

des großen Sterbens, konnten <strong>in</strong> Höhlen ge-<br />

dacht und berechtigt se<strong>in</strong>, wie auch die un-<br />

terirdischen Gottesdienste <strong>der</strong> Christen spä-<br />

ter durchaus nicht Zufluchtsorte, son<strong>der</strong>n ur-<br />

alte Höhlen aufsuchten o<strong>der</strong> solche neu schu-<br />

fen. Diese Höhlen s<strong>in</strong>d die unterweltüchen<br />

Höhlen und Wohnhäuser <strong>der</strong> Sonne. Die Son-<br />

ne ist für den E<strong>in</strong>wohner Spaniens <strong>in</strong> den Py-<br />

renäen im hohen Norden untergegangen, viel-<br />

leicht zu e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> weiter nördlich he-<br />

gende Gegenden e<strong>in</strong>e Eiszeit aushalten muß-<br />

ten, und sei es nun, daß man fürchtete, daß<br />

diese Eiswehe, die man <strong>in</strong> jahrtausendlanger<br />

Tradition vielleicht nahen fühlte, durch die<br />

Verehrung hier zum Stehen gebracht werden<br />

sollte, sei es, daß es sich um e<strong>in</strong>en durchaus<br />

normalen W<strong>in</strong>tersonnenwendenkult handelte,<br />

so kann <strong>der</strong> Höhlenbegriff als Wohnung <strong>der</strong><br />

Sonne zunächst nicht bezweifelt werden. Die<br />

<strong>Tier</strong>e, die hier versammelt s<strong>in</strong>d, kennen wir<br />

ohne Ausnahme schon. Raubtiere s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

diesen spanischen Höhlen zunächst nicht ver-<br />

treten, son<strong>der</strong>n es s<strong>in</strong>d die <strong>Tier</strong>e, die vom<br />

Pflanzenwuchs leben, <strong>der</strong> im W<strong>in</strong>ter ver-<br />

schw<strong>in</strong>det.<br />

Es ist nebenbei ja auch klar, daß alsdann, un-<br />

ter <strong>der</strong> Voraussetzung ziemlich strenger W<strong>in</strong>-<br />

ter, auch diese <strong>Tier</strong>e fortzogen, und die Men-


sehen, die stark auf solche <strong>Tier</strong>e angewiesen<br />

waren, gerieten <strong>in</strong> Not. <strong>Das</strong> ist vielleicht<br />

e<strong>in</strong> gewisser Auftakt zu e<strong>in</strong>em solchen Höh-<br />

lenmystizismus, aber es steht nur <strong>in</strong> loser Ver-<br />

b<strong>in</strong>dung zu solchen Arbeitsleistungen <strong>in</strong> Räu-<br />

men, die nicht als Menschenwohnung benutzt<br />

waren. Die Darstellung dieser <strong>Tier</strong>e, die <strong>in</strong><br />

die Höhlen ebenfalls als Tote <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>gegan-<br />

gen s<strong>in</strong>d, kann man nicht denken ohne Bezug<br />

auf die Seelenwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschen. Wie-<br />

<strong>der</strong>um ist es aber auch klar, daß die <strong>Tier</strong>e ihre<br />

Rangordnung hatten, wie auch die Menschen,<br />

und daß bestimmte Totems an e<strong>in</strong>em Ort vor-<br />

gezogen werden, <strong>der</strong> zur höchsten Sonnenver-<br />

ehrung bestimmt ist,br<strong>in</strong>gt ebenfalls e<strong>in</strong>eVor-<br />

stufe <strong>der</strong> afrikanischen Totementwicklung zur<br />

Annahme, die eigentlich unentbehrlich ist. Es<br />

gibt zweierlei Beziehungen zum <strong>Tier</strong>, wie sich<br />

schon aus dem bisher besprochenen Material<br />

ergibt. Wir haben zuerst die psychische Ähn-<br />

lichkeit zwischen dem Menschen und allenTie-<br />

ren <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>em Punkt. Sie ist unbestreit-<br />

bar und es gibt zunächst ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>e Lö-<br />

sung über die Frage, ob die <strong>Tier</strong>e e<strong>in</strong>zelne<br />

Züge <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> sich forttragen und also<br />

den ganzen Menschen unter ihrer tierischen<br />

Gesamtheit teilen, wobei ohne Zweifel auch<br />

die Erfahrung lehren wird, daß <strong>Tier</strong>e, die <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Landschaft nicht vorhanden s<strong>in</strong>d, auch<br />

<strong>in</strong> den Menschenzügen fehlen.<br />

Die an<strong>der</strong>e Möglichkeit ist, daß die Menschen<br />

alle <strong>Tier</strong>züge <strong>in</strong> sich aufgenommen haben und<br />

e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung aller <strong>Tier</strong>e darstellen, und<br />

diese magische Beziehung zwischen <strong>Tier</strong> und<br />

Mensch ist die reale Grundlage <strong>der</strong> Bedeutung<br />

des <strong>Tier</strong>es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Religion</strong>. Darüber ist noch<br />

weiteres zu sagen. An<strong>der</strong>s aber ist die bewer-<br />

tende Beziehung <strong>der</strong> Menschen zu den <strong>Tier</strong>en.<br />

Hier s<strong>in</strong>d die Raubtiere wohl gefürchtet und<br />

verehrt, aber sie s<strong>in</strong>d nicht gewollt. <strong>Das</strong>, was<br />

45<br />

den Menschen nützt, gehört zu e<strong>in</strong>er ganz an-<br />

<strong>der</strong>en Kategorie, und hier rangieren natürlich<br />

die R<strong>in</strong><strong>der</strong>, Pferde, ziegenartigen und schaf-<br />

artigen <strong>Tier</strong>e an erster Stelle, während das<br />

Schwe<strong>in</strong> <strong>in</strong> früher Zeit kaum ersche<strong>in</strong>t. Von<br />

den nützlichen <strong>Tier</strong>en, die hier die Begleiter<br />

<strong>der</strong> Sonne <strong>in</strong> die Unterwelt s<strong>in</strong>d, ist nur <strong>der</strong><br />

Elefant uns nicht ganz geläufig, weil wir nicht<br />

wissen, wie früh er gezähmt worden ist, o<strong>der</strong><br />

ob se<strong>in</strong> Fell früh von sehr großem Nutzen ge-<br />

wesen ist.<br />

Wir haben hier also e<strong>in</strong>e deutHche Trennung<br />

bei<strong>der</strong> Kategorien, und da e<strong>in</strong>e solche Schei-<br />

dung sonst nirgends so klar ist, können wir<br />

verspüren, daß wir hier den Quellen <strong>der</strong> ei-<br />

gentlichen Haustierzucht schon näher kom-<br />

men, und können weitere Schlüsse vielleicht<br />

wagen.<br />

Zunächst die magischeVerb<strong>in</strong>dung vonMensch<br />

und <strong>Tier</strong>. In dieser Gedankenwelt ist <strong>mit</strong> al-<br />

len o<strong>der</strong> doch fast allen <strong>Tier</strong>en die Idee <strong>der</strong><br />

Unsterblichkeit <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e sehr stark verbun-<br />

den, imd das ist so durchaus selbstverständ-<br />

lich, daß es fast lächerlich sche<strong>in</strong>t, darüber<br />

noch Worte zu machen. <strong>Das</strong> <strong>Tier</strong>junge ist <strong>in</strong><br />

ganz kurzer Zeit e<strong>in</strong> fertiges und sich selbst<br />

nährendes und verteidigendes Wesen, und das<br />

ist gegenüber den Menschen e<strong>in</strong> ganz großer<br />

Unterschied. Bei den Menschen ist nicht nur<br />

die Zeit bis zum vollen Zenit e<strong>in</strong>es neuen<br />

Menschen so lang, daß darüber das Gedächt-<br />

nis <strong>der</strong> Mitmenschen <strong>in</strong> mancher W^eise ver-<br />

sagt, son<strong>der</strong>n die K<strong>in</strong><strong>der</strong> fallen auch ganz an-<br />

<strong>der</strong>s aus, wie die Eltern. Ich habe schon mehr-<br />

fach erwähnt, daß es aus e<strong>in</strong>er sehr alten Zeit<br />

datiert, daß <strong>der</strong> Enkel als Ahn-kel, d. h. klei-<br />

ner Ahn erkannt ist, und daß das Wort Ähn-<br />

lich als Ahn-Like, also ahnengleich ebenfalls<br />

darauf h<strong>in</strong>weist, daß bei den Menschen bis<br />

zur Ähnlichkeit erst e<strong>in</strong>e Generation über-


Sprüngen werden muß . Auf diesen Unterschied<br />

gellt es denn auch zurück, daß die In<strong>der</strong> den<br />

Menschen als das bezeichnen, was wir <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Übersetzung als Twicehorn, zum zweitenmal<br />

geboren bezeichnet haben. Die <strong>Tier</strong>e leben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kont<strong>in</strong>enz, die sogleich von e<strong>in</strong>em<br />

<strong>Tier</strong> auf das an<strong>der</strong>e übergeht, es werden zwi-<br />

schen diesen Stufen ke<strong>in</strong>e Wesenseigenschaf-<br />

ten vergessen, und ich will nicht darüber dis-<br />

kutieren, ob hier die Inzucht <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e von<br />

irgende<strong>in</strong>er entscheidenden E<strong>in</strong>wirkung se<strong>in</strong><br />

kann. Wir wollen aber nicht vergessen, daß<br />

es auch für uns heute noch e<strong>in</strong> Unsterblich-<br />

keitsproblem des <strong>Tier</strong>es gibt, und zwar bei<br />

den nie<strong>der</strong>en, e<strong>in</strong>zelhgen Wesen, die aus Tei-<br />

lung hervorgehen. Da nun diese Teilung und<br />

die dazu gehörende Regenerationsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Teile zum Ganzen auch heute noch nicht<br />

im Pr<strong>in</strong>zip gelöst ist, also die Frage, wie lange<br />

e<strong>in</strong> Regenwurm lebt, <strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> geteilt<br />

wird und sich entsprechend verjüngt, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

ähnlicher Vorgang noch heute sehr zu Gedan-<br />

ken über die Unsterblichkeit Anlaß gibt, fragt<br />

es sich, wie weit dieselbe fühlbar ist auch <strong>in</strong><br />

höheren Klassen <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e. Und da sche<strong>in</strong>t es<br />

mir doch unübersehbar, daß <strong>der</strong> hohe Grad<br />

von Fertigkeit, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> die Säugetiere ihre<br />

Jungen zur Welt br<strong>in</strong>gen, gerade bei den<br />

Pflanzenfressern durchaus e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Teilung<br />

zur Voraussetzung hat, also e<strong>in</strong>e ganz e<strong>in</strong>-<br />

fache SelbstVerjüngung, und erst wenn diese<br />

viele Male vor sich gegangen ist, stirbt <strong>der</strong><br />

Rest ab. Die Unterschiede <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>jungen von<br />

ihren Eltern s<strong>in</strong>d aber im ganzen doch sehr<br />

unwesentUch, wenn sie auch früheVölker hun-<br />

<strong>der</strong>tmal besser und schärfer als wir beobach-<br />

tet haben, aber diese Unterschiede konnten<br />

wohl auf Unterschiede <strong>der</strong> Nahrung etc. un-<br />

schwer h<strong>in</strong>übergeleitet werden, wie ja auch<br />

<strong>der</strong> Unterschied <strong>der</strong> Nahrung immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

beträchtlichen E<strong>in</strong>fluß auf den Menschen hat.<br />

Jetzt bleibt vor allen D<strong>in</strong>gen noch die Frage<br />

offen, <strong>in</strong> welcher Weise das <strong>Tier</strong> als zeitweiliger<br />

Träger <strong>der</strong> Menschenseele auf dem Weg<br />

<strong>der</strong> Wandlung gedacht werden konnte. Und<br />

hier möchte ich die Auffassung über die ab-<br />

solute Kont<strong>in</strong>enz <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>seele doch schon zur<br />

Voraussetzung machen für die frühere Psyche.<br />

Wenn schon das <strong>Tier</strong> absolut se<strong>in</strong>e Seele von<br />

Alt auf Jung weitergibt, so kann <strong>der</strong> Mensch<br />

schon wegen se<strong>in</strong>er großen Ähnlichkeit <strong>mit</strong> den<br />

<strong>Tier</strong>en schon nicht als e<strong>in</strong> so ganz an<strong>der</strong>esWe-<br />

sen betrachtet werden. Dabei aber ist die Fort-<br />

läufigkeit <strong>der</strong> Menschenseele so evident unter-<br />

brochen, daß e<strong>in</strong>e Lösung notwendig ist. Und<br />

da wie<strong>der</strong> muß man auf das Sonnenpr<strong>in</strong>zip zu-<br />

rückgreifen. Der Tagweg ist das fortgeschrit-<br />

tene, das ausgewachsene Stadium <strong>der</strong> Sonne.<br />

Die Nachtperiode ist ebenfalls e<strong>in</strong> Weg, aber<br />

<strong>der</strong> des Vergessens, und nun ist das <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> ge-<br />

samteNachtweg des Menschen, den wir also zu-<br />

nächst nur als Tagwesen kennengelernt haben.<br />

<strong>Das</strong> läßt nun zunächst nur den e<strong>in</strong>en Schluß<br />

zu, daß <strong>der</strong> Mensch vom <strong>Tier</strong> stammt, und<br />

daß, je höher die Seele e<strong>in</strong>es Menschen war,<br />

auch e<strong>in</strong> desto höheres <strong>Tier</strong> dieselbe durch die<br />

Nacht zu tragen hat. Aber diese Auffassung<br />

schUeßt zugleich die re<strong>in</strong> physische Abstam-<br />

mung des Menschen vom <strong>Tier</strong> nach anatomi-<br />

schenVergleichsgrundsätzen vollkommen aus,<br />

denn die Menschen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Struktur e<strong>in</strong>-<br />

an<strong>der</strong> rundweg identisch, aber e<strong>in</strong> Mensch<br />

kann vom Elefant, und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e von e<strong>in</strong>er<br />

Eidechse abstammen. Es ist die Seele, die sich<br />

im Körper des <strong>Tier</strong>es e<strong>in</strong>en äquivalenten Leib<br />

baut, <strong>der</strong> eben nur die e<strong>in</strong>e wesentlichste Be-<br />

son<strong>der</strong>heit erhält, während alle geme<strong>in</strong>samen<br />

Funktionen nichts an<strong>der</strong>es s<strong>in</strong>d, als das, was<br />

die Menschen auf dem soziologischenWeg von-<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> annehmen.<br />

46 #


<strong>Das</strong> etwa sche<strong>in</strong>t mir zunächst das magische<br />

Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Verbundenheit. Hiergegen steht<br />

aber <strong>der</strong> Komplex, <strong>der</strong> auf dem Zuchtwillen<br />

beruht. Es ist den fernen Völkefn nicht unbe-<br />

kannt geblieben, wie großen E<strong>in</strong>fluß die Nah-<br />

rung auf die Menschen hat, und die Zucht-<br />

tiere s<strong>in</strong>d ohne Zweifel gerade nur Renten-<br />

tiere, R<strong>in</strong>dvieh gewesen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz be-<br />

wußten Gegensatz zum Jagdtier, das ja nicht<br />

aufgehört hatte, aber nun, um die wildesten<br />

Inst<strong>in</strong>kte zu brechen, <strong>in</strong> stets sich wie<strong>der</strong>-<br />

holenden Perioden abgesetzt wurde. Es ist<br />

uns gerade von spanischen Völkern berich-<br />

tet worden, daß dieselben streng von Pflan-<br />

zennahrung und freiwilligen <strong>Tier</strong>abgaben ge-<br />

lebt haben, und sie haben sich also bewußt<br />

zu e<strong>in</strong>em bestimmten Pr<strong>in</strong>zip h<strong>in</strong> erziehen<br />

wollen. Man wollte die Menschenseele auch<br />

nur noch ganz bestimmten, friedlichen <strong>Tier</strong>en<br />

anvertrauen, die dann auch die Menschensee-<br />

len <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne durch den W<strong>in</strong>ter trugen.<br />

Wir haben ja oft genug den Bericht gefunden,<br />

daß e<strong>in</strong>e Ziege o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Opfertier <strong>mit</strong><br />

den sündigen Seelen <strong>der</strong> Menschen beladen<br />

und <strong>in</strong> die Wüste gejagt o<strong>der</strong> geopfert wurde,<br />

und alle diese <strong>Tier</strong>e, die <strong>in</strong> Pasiega im Bilde<br />

zu sehen s<strong>in</strong>d, wurden <strong>der</strong> untergehendenSon-<br />

ne als Opfer <strong>mit</strong>gesandt als Träger <strong>der</strong> Men-<br />

schenseelen. Und da<strong>mit</strong> bekommen wir e<strong>in</strong>en<br />

Anschluß an die Begräbnisgebräuche allerVöl-<br />

ker. Es wird dem scheidenden Fürsten Pferd<br />

und Sklave und Reichtum <strong>mit</strong> <strong>in</strong>s Grab gege-<br />

ben. Es wird ihm auch <strong>in</strong> späteren Perioden<br />

e<strong>in</strong> Ersatz, e<strong>in</strong> Strohpferd und e<strong>in</strong> Strohmann<br />

und Papiergeld nachgesandt. Ebenso aber wer-<br />

den <strong>in</strong> Ägypten die ganz wesentlichen Opfer<br />

nur noch im Bilde <strong>mit</strong>gegeben, und wie sollte<br />

nun <strong>der</strong> Sonne nicht das gleiche Opfer <strong>mit</strong>ge-<br />

geben werden, wie dem König und dem Für-<br />

sten? Die <strong>Tier</strong>e haben die Sonne über den<br />

47<br />

Sommer begleitet, wie die Sklaven durch das<br />

Leben <strong>der</strong> Fürsten <strong>mit</strong>g<strong>in</strong>gen. So läßt man<br />

die Sonne nicht alle<strong>in</strong> scheiden, son<strong>der</strong>nbr<strong>in</strong>gt<br />

das große Herbstopfer.<br />

Die schwedischen Felsbil<strong>der</strong>, die ich an dieser<br />

Stelle nur kurz berühren will, entsprechen den<br />

spanischen Höhlen stilistisch ja kaum, aber<br />

im <strong>Tier</strong>bestand ist doch die auffallende Aehn-<br />

lichkeit, daß hier ke<strong>in</strong>erlei fe<strong>in</strong>dliche <strong>Tier</strong>e<br />

vorhanden s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n nur Pferde, Stiere,<br />

Geweihtiere, sowie e<strong>in</strong>ige Vögel und Schlan-<br />

gen ohne Typisierung. In e<strong>in</strong>igen Bil<strong>der</strong>n ist es<br />

möglich, Füchse o<strong>der</strong> Hunde zu erkennen,und<br />

daß <strong>der</strong> Bär fehlt, ist doch sehr ungewöhnUch.<br />

Daß dagegen <strong>der</strong> Elefant auch hier, und zwar<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz ungewöhnHchen Bilde, zusam-<br />

men <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Giraffe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wichtigen Verb<strong>in</strong>-<br />

dung <strong>mit</strong> den großen Rä<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gestirne vor-<br />

kommt, habe ich schon ausführlich dargelegt.<br />

Daß es sich um e<strong>in</strong>en Mammut handelt, <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>em Saurier gleich noch überlebte, sche<strong>in</strong>t<br />

mir arg unwahrsche<strong>in</strong>Hch. Hier bleibe ich da-<br />

bei, daß ihn die Seefahrer auf ihrer Fahrt<br />

nach Süden gefunden haben und <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>en<br />

beiden Mondhauem zum Bild machten.<br />

Auf e<strong>in</strong>igen Bil<strong>der</strong>n könnte man daran den-<br />

ken, daß e<strong>in</strong> Mann e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>, e<strong>in</strong>e Kuh be-<br />

gattet. Daß dieser Vorgang ausdrücklich dar-<br />

gestellt wird, gilt mir als e<strong>in</strong> vollkommener<br />

Beweis für Astrisches, wie ich überhaupt<br />

glaube, daß man diese Felsbil<strong>der</strong> nicht ernst<br />

genug untersuchen kann. Hier könnte aber<br />

auch e<strong>in</strong> Akt von größter Bedeutung vorlie-<br />

gen, <strong>der</strong> zum Gebiet <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>züchtung ge-<br />

hört, <strong>der</strong>en erste Anfänge uns <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>-<br />

sicht noch vollkommen dunkel s<strong>in</strong>d. Es geht ja<br />

durch alle Völker von den Alpen bis nach Chi-<br />

na e<strong>in</strong>e Kette von Berichten über die Begat-<br />

tung zwischen Menschen und Ziegen, Kühen<br />

etc. sowie Menschen und Hunden. Was kann


denn von diesen Berichten nach aller Wahr-<br />

sche<strong>in</strong>lichkeit richtig und wesentlich se<strong>in</strong> au-<br />

ßer den vere<strong>in</strong>zelten menschlichen oberfläch-<br />

lichen Perversionen?<br />

Menschen und <strong>Tier</strong>e reagieren stark aufe<strong>in</strong>an-<br />

<strong>der</strong>. <strong>Das</strong> ist außer Zweifel. Mannmensch und<br />

<strong>Tier</strong>weib, sowie Fraumensch und <strong>Tier</strong>mann<br />

ziehen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stark an, wie man bei Haus-<br />

tieren und Raubtieren, bei Hunden, Pferden,<br />

Kühen und Löwen, Tigern etc. gut beobach-<br />

ten kann. E<strong>in</strong>e Kuh gibt dem Mann mehr<br />

Milch als <strong>der</strong> <strong>mit</strong> mehr Sorgfalt melkenden<br />

Frau, und e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>bändiger steht sich <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Löw<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>er Äff<strong>in</strong> besser als <strong>mit</strong> den männ-<br />

Uchen <strong>Tier</strong>en, wenn er selbst, das ist dabei<br />

nochzubeachten, wirklich e<strong>in</strong> spezifisch männ-<br />

liches Exemplar ist. Ebenso ist es bekannt,<br />

daß <strong>der</strong> Geruch <strong>der</strong> menschlichen Geschlechts-<br />

organe auf die <strong>Tier</strong>e des wechselseitigen Ge-<br />

schlechts ganz großen E<strong>in</strong>fluß hat, wesent-<br />

liche Anziehung bed<strong>in</strong>gen kann, und deshalb<br />

<strong>in</strong> früherer Zeit ohne Zweifel e<strong>in</strong> Mittel <strong>der</strong><br />

Zähmung gewesen ist. Dagegen s<strong>in</strong>d wir heute<br />

nicht kompetent <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage, wieweit e<strong>in</strong>e<br />

geschlechtliche Verb<strong>in</strong>dung zwischen Men-<br />

schen und <strong>Tier</strong>en wirksam ist, wenn auch kei-<br />

ne Kreuzungen zustande kommen. Wir kommen<br />

aus e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> diesen lebendigen<br />

Beziehungen ganz erfahrungsarmen Zeit. Es<br />

wird von früher berichtet, daß nach Paarungen<br />

zwischen verschiedenrassigen Menschen, die<br />

ohne Frucht blieben, doch bei e<strong>in</strong>er späteren<br />

Geburt zwischen gleichen Rassen die alten<br />

geschlechthchen Beziehungen zum Austrag<br />

kamen, und wir müssen auch D<strong>in</strong>ge für mög-<br />

lich halten für die wir im Augenblick ke<strong>in</strong>e<br />

Erfahrung haben.<br />

In den schwedischen Felsbil<strong>der</strong>n ist ke<strong>in</strong>e An-<br />

deutung von e<strong>in</strong>em <strong>Tier</strong>kreis vorhanden, und<br />

da diese Motive sonst <strong>in</strong> allen umfangreiche-<br />

48<br />

ren Bildwerken <strong>der</strong> Frühzeit auftreten, kann<br />

man auch wohl sicher se<strong>in</strong>, daß diese Fels-<br />

bil<strong>der</strong> noch vor die eigentHchen Kalen<strong>der</strong>ar-<br />

beiten irgende<strong>in</strong>er Periode zu setzen s<strong>in</strong>d. Da<br />

hier auch das Schiff <strong>in</strong> ungeheurer, überwie-<br />

gen<strong>der</strong> Bedeutung auftritt, beg<strong>in</strong>nt ja erst die<br />

ganze Überflutung an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> und da-<br />

<strong>mit</strong> auch <strong>der</strong> Aufbau des nautischen Mate-<br />

rials <strong>in</strong> festen Formen, die als allgeme<strong>in</strong>e Sym-<br />

bole zu verwenden s<strong>in</strong>d . Ganz<br />

an<strong>der</strong>s aber hegt<br />

es <strong>mit</strong> den viel späteren und doch alten Me-<br />

tallfunden, den Goldhörnern von Gallehus und<br />

dem Silberkessel von Gundestrup. Auch diese<br />

bieten viel sehr Interessantes, stehen aber <strong>mit</strong><br />

an<strong>der</strong>en Kulturen, wie Mittelmeer <strong>in</strong> gleicher<br />

L<strong>in</strong>ie, und ich möchte von diesen nur die Er-<br />

sche<strong>in</strong>ung des Kentauren hervorheben.<br />

Der Kentaur ist zunächst ke<strong>in</strong> Sagentier, son-<br />

<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Wesen <strong>der</strong> psychischen Erfahrung.<br />

E<strong>in</strong> Pferd ist nicht nur e<strong>in</strong> treues, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong><br />

ungeme<strong>in</strong> suggestives <strong>Tier</strong>. Es gehört zu den<br />

Nasentieren und se<strong>in</strong> Gesichtsfeld ist sehr be-<br />

schränkt. Wie es trotzdem jahrelang e<strong>in</strong>mal<br />

gelaufene Wege im Gedächtnis behält, ist für<br />

den Menschen e<strong>in</strong> Rätsel, solange er nicht e<strong>in</strong>e<br />

neue psychische Lehre besitzt, von <strong>der</strong> aber<br />

die eigentliche Wissenschaft noch ke<strong>in</strong>e Spu-<br />

ren enthält. Wenn nun e<strong>in</strong> Mensch das Pferd<br />

bestiegen hat, <strong>mit</strong> dem Willen, da<strong>mit</strong> zu ja-<br />

gen, sich selbst durch die physischen Kräfte<br />

des Pferdes zu übertreffen, zu erweitern, dann<br />

geht e<strong>in</strong>e merkwürdige Verwandlung vor sich<br />

das Pferd hört auf, se<strong>in</strong>en eigenen Kopf zu<br />

haben, und <strong>der</strong> Oberkörper des Menschen tritt<br />

an se<strong>in</strong>e Stelle. Im altch<strong>in</strong>esischenBildzeichen<br />

ist die Verschmelzung so vor sich gegangen,<br />

daß die Be<strong>in</strong>e des Menschen und die Vor<strong>der</strong>-<br />

be<strong>in</strong>e des Pferdes e<strong>in</strong>s geworden s<strong>in</strong>d. Es gibt<br />

tatsächlich e<strong>in</strong>e Verschmelzung von Mann und<br />

Roß, sofern <strong>der</strong> Mann wirklich stark genug


ist, mehr als se<strong>in</strong>en eigenen Körper durch den<br />

Willen zu Ungewöhnlichem zu zw<strong>in</strong>gen, und<br />

dieses ist <strong>der</strong> erste und echteste Zustand des<br />

Kentauren, den alle wirklich mutigen Reiter<br />

an sich selbst erlebt haben. Gleiches ist ja<br />

vielleicht auch bei noch höherer Suggestions-<br />

kraft bei e<strong>in</strong>em Stier möglich, und schließlich<br />

noch bei e<strong>in</strong>em Kamel, aber für die Erschei-<br />

nung <strong>der</strong> Ersetzung des Kopfes e<strong>in</strong>es Wesens<br />

durch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es konnte doch nur das Roß<br />

typisch werden. Kentaur ist aber doch ohne<br />

Zweifel e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung von G<strong>in</strong>-Mensch o<strong>der</strong><br />

Frau und Taur-Stiev. Daß diese Bezeichnung<br />

für e<strong>in</strong>en Volksstamm gültig gewesen ist, un-<br />

terliegt wohl ke<strong>in</strong>em Zweifel, soweit die Grie-<br />

chen für den Begriff <strong>in</strong> Frage kommen. Es<br />

waren tatarische Nordvölker o<strong>der</strong> Ostvölker,<br />

die nach Süden vorgedrungen waren, und recht<br />

gewaltsam <strong>mit</strong> dem Besitz <strong>der</strong> Unterworfenen<br />

imig<strong>in</strong>gen. Die Formel für den Kentaur ist<br />

aber bei Völkern zu suchen, die ganz ausge-<br />

prägte frühe Pferdezüchter gewesen s<strong>in</strong>d, wie<br />

es auch nur für Gebiete <strong>mit</strong> weiten Flächen<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich ist. Uns kann nur noch be-<br />

schäftigen, <strong>in</strong> welcher Weise <strong>der</strong> Kentaur <strong>in</strong><br />

die Opposition zu Herakles gekommen ist, so<br />

daß dieser ihn dauernd bei je<strong>der</strong> Gelegenheit<br />

bekämpfte, mordete und am Ende se<strong>in</strong> Weib<br />

Deianira gegen den Tod des letzten Kentaur<br />

hergeben mußte, um am Ende doch an ihrer<br />

o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Rache <strong>in</strong> Qualen zu vergehen, <strong>in</strong>-<br />

dem er e<strong>in</strong> Feuerhemd bekam (aus dem Ken-<br />

taurenblut), das ihn wahns<strong>in</strong>nig machte.<br />

Es sche<strong>in</strong>t, daß auch auf den Goldhömern<br />

von Gallehus <strong>der</strong> Kentaur als Gegenpol des<br />

Sonnenlieros, also auch als Vertreter <strong>der</strong> Un-<br />

terwelt verwertet wurde. Die Sage von He-<br />

rakles ist aber vor allem e<strong>in</strong>e astronomi-<br />

sche Erzählung und nur bei ausführlicher<br />

Deutung des ganzen Himmelsbildes zu ver-<br />

stehen. Die immer wie<strong>der</strong>kehrende Betonung<br />

des großen Frauenbedarfes <strong>der</strong> Kentauren<br />

aber möchte ich als e<strong>in</strong>e Charakteristik<br />

östlicher Haremsvölker wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Rea-<br />

lität zuschreiben, und so glaube ich, daß es<br />

wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e psychische Beobachtung ist,<br />

die den Kentauren <strong>in</strong> gewissem Grade <strong>in</strong><br />

die <strong>Religion</strong>sprobleme br<strong>in</strong>gen konnte. Der<br />

Mann, <strong>der</strong> das <strong>Tier</strong> so vollkommen se<strong>in</strong>em<br />

Willen unterwirft, wächst e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> sei-<br />

ner physischen Macht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise, daß<br />

er sich allen an<strong>der</strong>en weit überlegen halten<br />

muß. Dabei aber geht er unmerklich <strong>in</strong> dem<br />

Pferde unter, er verfällt den physisch-anima-<br />

len Energien und verblödet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten<br />

Grade und wird unseelisch. <strong>Das</strong> sche<strong>in</strong>t mir<br />

e<strong>in</strong>e Sache, die noch heute leicht an e<strong>in</strong>em<br />

Menschentyp wie den Jockeys, zu beobachten<br />

ist.<br />

Der Mensch hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schnelligkeit sei-<br />

ner Bewegung <strong>der</strong> Sonne um e<strong>in</strong>en bedeuten-<br />

den Grad genähert, sowie wir motorischen<br />

Menschen das dauernd fortzusetzen suchen.<br />

Er ist also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise sonnenähnlicher ge-<br />

worden, aber trotzdem s<strong>in</strong>kt er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e tiefere<br />

Kulturschicht zurück und geht nun genau wie<br />

die <strong>Tier</strong>e hordenweise zugrunde. Daß <strong>der</strong> Ken-<br />

taur tief am südlichen Himmel steht, dort,<br />

wo er nur eben noch für die Augen <strong>der</strong> Mittel-<br />

europäer zu erreichen ist, versteht sich bei <strong>der</strong><br />

Beziehung zum Sonnenpferd von selbst.<br />

Bei dem Silberkessel von Gundestrup begeg-<br />

nen uns wie<strong>der</strong> die Elefanten als Begleiter<br />

e<strong>in</strong>er Sonnenmuttergött<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Kontakt zwi-<br />

schen Mensch und Elefant hat <strong>in</strong> Europa nie-<br />

mals aufgehört, und ich halte auch den Na-<br />

men /// für nordisch, da er <strong>mit</strong> den übrigen<br />

^/^/>Ä-Homformen zusammengehört. Nun ist<br />

aber Elefant e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> baskisches Wort und nur<br />

aus dem Baskischen zu erklären, denn es heißt<br />

49 *


Andia-GroQ und Aleph-Andia ist <strong>der</strong> große<br />

Homträger. <strong>Das</strong> Wort /// alle<strong>in</strong> ist also eben-<br />

sogut ohne Beiwort zu verwenden. Es ist selbst<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich, daß <strong>der</strong> Buchstabe Aleph vom<br />

Elefanten, vom großen A und Anfang, <strong>der</strong><br />

zum Mammut zurückführt, se<strong>in</strong>en Namen<br />

erhalten hat, denn <strong>der</strong> Orient hat se<strong>in</strong>e Schrift<br />

etc. erst über Kreta vom Westen erhalten.<br />

Auch das E<strong>in</strong>horn ist auf dem Silberkessel <strong>in</strong><br />

ganz klar gezeichneten Exemplaren vertreten.<br />

Es geht durchaus nicht an, aus <strong>der</strong> Profil-<br />

stellung dieser <strong>Tier</strong>e auf zwei Hörner zu schlie-<br />

ßen, wie man aus nur e<strong>in</strong>em gezeichneten Be<strong>in</strong><br />

auf zwei Be<strong>in</strong>e schließt. Die Zahl <strong>der</strong> vier Bei-<br />

ne ist das absolut von selbst VerständUche,<br />

das man nicht zu zeichnen braucht, aber auf<br />

die Homer kommt es an, und im gleichen<br />

Stück s<strong>in</strong>d denn auch zweihornige <strong>Tier</strong>e <strong>in</strong><br />

gleich scharfer Profilstellung gezeigt. Über<br />

das E<strong>in</strong>horn <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a haben wir schon e<strong>in</strong>en<br />

Vorbegriff erhalten, und wenn ich das E<strong>in</strong>-<br />

horn, wie auf e<strong>in</strong>em Bild aus dem Dom <strong>in</strong> Lü-<br />

beck, vor dem Schoß <strong>der</strong> Maria sehe, so ist es<br />

für mich sofort klar, daß hier genau wie <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a das E<strong>in</strong>horn die Ankunft e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zig-<br />

artigen großen Herrschers über die Menschen<br />

verkünden soll. <strong>Das</strong> E<strong>in</strong>horn ist für den Eu-<br />

ropäer immer e<strong>in</strong> Rätsel geblieben. Er hat <strong>in</strong><br />

Mittelafrika und <strong>in</strong> Indien und Birma und<br />

Tibet und Siam von dem <strong>Tier</strong> gehört, hat ge-<br />

naueste Beschreibungen von ihm erhalten und<br />

selbst gehört, daß das E<strong>in</strong>horn herdenweise<br />

vorkommt und wild <strong>in</strong> angebauten Gegenden<br />

gehaust hat, aber er hat es nicht zu Gesicht<br />

bekommen, wenigstens ist mir noch von ke<strong>in</strong>em<br />

Fall e<strong>in</strong> zuverlässiger Bericht bekannt<br />

geworden.<br />

Älian hat das <strong>Tier</strong> ebenfalls genau beschrie-<br />

ben, und es heißt bei den alten Griechen, daß<br />

es den Menschen, <strong>der</strong> ihm begegnet, tötet,<br />

50<br />

aber sich von e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Jungfrau ganz leicht<br />

bändigen lasse.<br />

Wenn man diese Sage nun als Ritual nimmt,<br />

ergibt sich e<strong>in</strong> bestimmtes Bild, nimmt man<br />

es aber als Erfahrung, so ergibt sich e<strong>in</strong>e ganz<br />

an<strong>der</strong>e Vorstellung, und ich möchte beide<br />

Möglichkeiten kurz berühren. Als Ritual ha-<br />

ben wir den Faden von Ch<strong>in</strong>a aufzunehmen.<br />

Da sagt das E<strong>in</strong>horn die Ersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>es<br />

ungewöhnlichen Menschen voraus, <strong>der</strong>dasJao<br />

<strong>in</strong> sich hat, und e<strong>in</strong> solcher Mensch o<strong>der</strong> Halb-<br />

gott o<strong>der</strong> selbst Gottähnlicher kann nach al-<br />

len Traditionen nur auf e<strong>in</strong>em ungewöhnlichen<br />

Wege geboren werden, weil ja die Geburt aus<br />

zwei Vorfahren wie<strong>der</strong> die Zweiheit <strong>in</strong> sich<br />

schließt. Die Sonne, sobald sie als Frau ge-<br />

dacht wird, aber hat ke<strong>in</strong>en eigentlichen Ge-<br />

mahl, son<strong>der</strong>n verjüngt sich aus sich selbst,<br />

und nicht an<strong>der</strong>s ist es <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Erde, o<strong>der</strong><br />

Danae, wenn sie den Goldregen <strong>der</strong> unter-<br />

gehenden Sonnenstrahlen <strong>in</strong> sich aufnimmt.<br />

Ich kann hier nicht über die Frage diskutie-<br />

ren, ob e<strong>in</strong>e unbefleckte Empfängnis möglich<br />

ist, o<strong>der</strong> welche Vorgänge zur Denkbarkeit<br />

e<strong>in</strong>er solchen führen konnten. In allen Sagen<br />

<strong>der</strong> Völker f<strong>in</strong>den wir immer wie<strong>der</strong>, daß e<strong>in</strong><br />

Fisch, e<strong>in</strong>e verschlungene Beere o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong><br />

etc. die Ursache dieser Empfängnis waren,<br />

und <strong>in</strong> vielen FäUen ist es auch e<strong>in</strong> unerlaub-<br />

ter Umgang <strong>mit</strong> <strong>Tier</strong>en, den die Mädchen ge-<br />

habt haben sollen, welche dann vor den Men-<br />

schen fliehen, um dann nach unendHchen Qua-<br />

len e<strong>in</strong>en Knaben am Leben zu erhalten, und<br />

selbst über <strong>der</strong> Geburt zugrunde zu gehen.Wir<br />

können aber aus manchen e<strong>in</strong> wenig entstellten<br />

Fällen schUeßen, daß die Befruchtung durch<br />

e<strong>in</strong> ganz seltenes Sonnen- o<strong>der</strong>T^o-<strong>Tier</strong> <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

imbefleckten Empfängnis gleichgestellt wur-<br />

de, und so ist denn auch die Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong><br />

dem Marienkult zu verstehen.


E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Frage wäre die Möglichkeit des<br />

Erlebens. Wenn das E<strong>in</strong>horn etwa beson<strong>der</strong>s<br />

die Männer umbrachte, zu den Frauen aber<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> sympathisches Verhältnis trat, so be-<br />

weist das etwa, daß es e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s männ-<br />

liches <strong>Tier</strong> gewesen ist, was ja auch durch<br />

se<strong>in</strong>e Wildheit bestätigt wird. Ob nun auch<br />

das Weibchen an<strong>der</strong>s ausgesehen hat, als<br />

das männliche <strong>Tier</strong>, entzieht sich unserer<br />

Kenntnis, und es wäre immerh<strong>in</strong> nicht ausge-<br />

schlossen, daß hier e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bastardbil-<br />

dung vorliegt, die sich beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> männH-<br />

chen Exemplaren ausgewirkt hat. So wie also<br />

die großen Arten von Affen ganz positivFrauen<br />

geraubt haben, und nur aus dem Grunde <strong>der</strong><br />

geschlechtlichen Symbiose, so könnte es auch<br />

<strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>en se<strong>in</strong>, und wenn dann e<strong>in</strong><br />

solches beson<strong>der</strong>s seltenes <strong>Tier</strong> zu den Jung-<br />

frauen, bei denen die weibHche Energie aus-<br />

strahlt, noch beson<strong>der</strong>e Zuneigung zeigt, so<br />

liegt <strong>der</strong> Schluß sehr nahe, daß e<strong>in</strong>e solche Frau<br />

dann e<strong>in</strong> <strong>in</strong> gleicher Weise ungewöhnliches<br />

K<strong>in</strong>d zur Welt br<strong>in</strong>gen muß.<br />

Es wird vielleicht <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, wie wir uns<br />

nach den bisherigen Erfahrungen zu e<strong>in</strong>em<br />

nordischen Märchen stellen werden. Ich nehme<br />

als Beispiel die dänische Sage vom König<br />

L<strong>in</strong>dwurm. Da sie bekannt ist, fasse ich ganz<br />

kurz zusammen: König und König<strong>in</strong> wissen<br />

nach dem Brautbett, daß sie ohne K<strong>in</strong><strong>der</strong> se<strong>in</strong><br />

werden. König<strong>in</strong> klagt ihr Leid e<strong>in</strong>erWaldfrau.<br />

Sie erhält den Rat, e<strong>in</strong>e umgekehrte Schale<br />

<strong>in</strong> den Garten zu stellen, und es f<strong>in</strong>den sich<br />

darunter am Morgen e<strong>in</strong>e rote und e<strong>in</strong>e weiße<br />

Rose. Sie sollte davon e<strong>in</strong>e essen, nimmt aber<br />

beide, imd br<strong>in</strong>gt, als <strong>der</strong> König abwesend ist,<br />

e<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>dwurm zur Welt. Der verlangt als<br />

Sohn vom Vater anerkannt zu werden, ver-<br />

langt e<strong>in</strong>e Frau und frißt sie auf, verlangt e<strong>in</strong>e<br />

zweite Frau und tötet sie, so daß <strong>mit</strong> den bei-<br />

51<br />

den Vätern <strong>der</strong> Mädchen Krieg entsteht. End-<br />

lich kommt die Tochter e<strong>in</strong>es Schäfers an die<br />

Reihe, sucht Rat und erhält ihn bei <strong>der</strong> Wald-<br />

frau, und kleidet sich zur Brautnacht <strong>in</strong> zehn<br />

Hemden, legt <strong>mit</strong> dem L<strong>in</strong>dwurm Haut um<br />

Haut ab, bis er nur noch als regungsloser, blu-<br />

ten<strong>der</strong> Leib daliegt. Sie schlägt den <strong>mit</strong> Ru-<br />

ten und badet ihn dann <strong>in</strong> süßer Milch und<br />

wickelt ihn <strong>in</strong> ihre Hemden. Da fällt sie <strong>in</strong><br />

Schlaf und erwacht, als sie e<strong>in</strong>en schönen Kö-<br />

nigssohn im Arm hält.— Die Mär geht noch<br />

weiter, aber ich glaube, daß hier zwei D<strong>in</strong>ge<br />

<strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden s<strong>in</strong>d, die sich zunächst<br />

loslösen lassen, denn es soll hier nicht ver-<br />

sucht werden, ganze Märchenfolgen zu über-<br />

setzen.<br />

Bei den nordischen Märchen ist es zunächst<br />

allgeme<strong>in</strong> häufig, daß sie sich unter Königen<br />

abspielen, und das sche<strong>in</strong>t selbstverständlich,<br />

denn die Könige s<strong>in</strong>d immer Ra-Re, die Son-<br />

nenfürsten ohne aristokratische o<strong>der</strong> persön-<br />

liche Wirklichkeit. Zweitens werden die Mär-<br />

chen am Abend gesagt und gedacht, und das<br />

hat se<strong>in</strong>e Bedeutung. Am Abend s<strong>in</strong>d die Men-<br />

schen nah am Untergang, sie fühlen den Fort-<br />

gang des Lichtes <strong>mit</strong> ihrem ganzen Körper<br />

und kommen dadurch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gewissen Zu-<br />

stand <strong>der</strong> Furcht. Ihr WiUe ist nun, am näch-<br />

sten Tag beson<strong>der</strong>s strahlend aufzugehen, wie<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kommenden Leben im isla<strong>mit</strong>i-<br />

schen S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong> paradiesisches Se<strong>in</strong> zu führen,<br />

vmd das bestimmt den ganzen Charakter des<br />

Märchens. Die Gefahr des bevorstehenden<br />

Unterganges muß unterstrichen werden, muß<br />

<strong>in</strong> je<strong>der</strong> Weise gesteigert werden, da<strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

Mensch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht sich freikämpft von al-<br />

lem Alten. Erst dann ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit des<br />

ganz freien Aufganges, und die Me<strong>in</strong>ung, daß<br />

e<strong>in</strong> blutiger Abend, e<strong>in</strong> roter Sonnenunter-<br />

gang gerade das Vorzeichen e<strong>in</strong>es prächtigen


Aufganges ist, geht durch alle Märchen h<strong>in</strong>-<br />

durch. Welche Gefahren gibt es nun für den<br />

untergehenden Menschen <strong>mit</strong> Bezug auf Schlaf<br />

und auf Tod? Daß nachts die Seele des Men-<br />

schen von <strong>Tier</strong>en übernommen und weiterge-<br />

tragen wird, ist e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Bewußtse<strong>in</strong>,<br />

und so besteht zuerst die Gefahr, daß die Be-<br />

freiung aus dem <strong>Tier</strong> nicht rechtzeitig vor sich<br />

geht. Beim Tode gibt es natürlich zunächst<br />

das gleiche Problem, aber außerdem ist die<br />

Nachkommenschaft von ganz e<strong>in</strong>schneiden-<br />

<strong>der</strong> Bedeutung. <strong>Das</strong> ist nirgends deutlicher<br />

als <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a geworden, und man kann <strong>der</strong><br />

Quelle dieser Vorstellungen nicht weit genug<br />

nachgehen. Mensch und K<strong>in</strong>d bilden zusam-<br />

men die Unsterblichkeitsvorstellung <strong>der</strong> Ver-<br />

gangenheit, wie ich das kürzlich für das <strong>Tier</strong><br />

beson<strong>der</strong>s nachgewiesen habe. Der Enkel lebt<br />

völlig real den Ahn fort, und e<strong>in</strong> Mensch, <strong>der</strong><br />

ke<strong>in</strong>en Sohn hat, ist also ausgeschieden aus<br />

<strong>der</strong> Reihe des Se<strong>in</strong>s. Erst hierdurch kann man<br />

verstehen, welchen Gang die Psyche g<strong>in</strong>g,<br />

wenn sich die Menschen entschlossen, keusch<br />

zu leben und selbst e<strong>in</strong>en alten Stamm frei-<br />

wiUig aussterben zu lassen, wie es die ersten<br />

irischen etc. Mönche verlangten. Ahnenkult<br />

und metaphysische Auffassung stoßen erst<br />

hier zusammen, und alle geheimen Auswege,<br />

die <strong>der</strong> Adel, (denn er hat <strong>in</strong> Deutschland etc.<br />

so gut wie alle<strong>in</strong> die Klöster aufgebaut,) gele-<br />

gentlich aus dem geistlichen Gewand sucht,<br />

s<strong>in</strong>d zugleich durch Besitz<strong>in</strong>st<strong>in</strong>kte und Ah-<br />

nenvorstellungen bed<strong>in</strong>gt.<br />

Wie es nun <strong>in</strong> so vielen Märchen aller Zeiten<br />

geht, beg<strong>in</strong>nt auch hier <strong>der</strong> Vorgang da<strong>mit</strong>,<br />

daß zwei Menschen fürchten, ke<strong>in</strong>e Nachkom-<br />

men zu haben. Da nun <strong>der</strong> König best<strong>in</strong>wnt<br />

die Sonne ist, kann man zunächst voraus-<br />

setzen, daß die König<strong>in</strong> Mond war, imd es<br />

würde <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz liegen, daß durch<br />

52<br />

den Mond später die Sonne geboren wird,<br />

wenn auch durch zwölf Monde. Die Mondkö-<br />

nig<strong>in</strong> bekommt nun die Wahl, von zwei Ro-<br />

sen, die über Nacht unter e<strong>in</strong>er umgekehrten<br />

Schüssel entstanden s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e auszuwählen<br />

und zu essen. Die rote Rose soll e<strong>in</strong>en Kna-<br />

ben br<strong>in</strong>gen, und die weiße Rose e<strong>in</strong> Mäd-<br />

chen. Diese Stelle ist wohl nie ganz <strong>mit</strong> Si-<br />

cherheit zu lösen, aber ich denke, daß die um-<br />

gekehrte Schale <strong>der</strong> Nachthimmel ist, und die<br />

beiden Rosen s<strong>in</strong>d also Sterne, und zwar <strong>der</strong><br />

rote Knabenstem muß <strong>der</strong> Mars se<strong>in</strong>, und <strong>der</strong><br />

weiße Mädchenstern istVenus. Die Mondköni-<br />

g<strong>in</strong> ist also über diese beiden Sterne h<strong>in</strong>weg-<br />

gegangen, statt über e<strong>in</strong>en, trotz <strong>der</strong> Unheil-<br />

warnung, und man kann daraus entnehmen,<br />

daß an sich zwei solche Durchgänge als unheil-<br />

br<strong>in</strong>gend betrachtet wurden. Infolgedessen<br />

br<strong>in</strong>gt die Mondkönig<strong>in</strong> nun e<strong>in</strong>en L<strong>in</strong>dwurm,<br />

das heißt, e<strong>in</strong>en Drachen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Schlange<br />

hervor, die den Sonnenkönig bei se<strong>in</strong>em Wie-<br />

<strong>der</strong>ersche<strong>in</strong>en begrüßt. <strong>Das</strong> kann nichts an-<br />

<strong>der</strong>es bedeuten, als daß <strong>der</strong> Drache nach sei-<br />

ner alten Gewohnheit schwere Wolken <strong>der</strong><br />

Sonne entgegentreibt, denn <strong>der</strong> Kimimer des<br />

Sonnenkönigs s<strong>in</strong>d eben Wolken, und zwar gilt<br />

das für e<strong>in</strong>en Monat, und zwar den Januar.<br />

Nun for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Drache e<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>, und es<br />

kommt zur Hochzeit. Diese Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> ist wohl<br />

wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Mond, <strong>der</strong> von den Wolken auf-<br />

gefressen wird. Nach e<strong>in</strong>er Weile for<strong>der</strong>t <strong>der</strong><br />

Drache wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>, und auch sie<br />

wird getötet, und es handelt sich also um die<br />

Monate Februar und den ersten Märzmond<br />

etwa. Die Wolken des schlechten Wetters be-<br />

drohen nun den Sonnenkönig für se<strong>in</strong>en neuen<br />

Aufgang, und <strong>der</strong> Drache for<strong>der</strong>t zum dritten<br />

Male e<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Frau, und da<br />

f<strong>in</strong>det sich endlich <strong>mit</strong> Mühe die Töchter e<strong>in</strong>es<br />

Schäfers. Sie ist also e<strong>in</strong> Mond, <strong>der</strong> die kld-


nen Schäfchen leichterer Wolken am Himmel<br />

sieht, und sie holt <strong>in</strong> ihrer Not Rat bei e<strong>in</strong>er<br />

Waldfrau, die das erstemal, wie es sche<strong>in</strong>t, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Herbstgleiche, diesmal <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühjahrs-<br />

gleiche ihren Stand hat. Dort bekommt sie<br />

den Rat, <strong>der</strong> ihr nützen soll. Sie zieht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Brautnacht, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie <strong>mit</strong> dem Wolkendra-<br />

chen zusammenkommen soll, also im Oster-<br />

mond, außer ihrem eigenen Hemd neun Hem-<br />

den übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, und es s<strong>in</strong>d alles schöne<br />

weiße L<strong>in</strong>nenhemden, wie die hellen Tage des<br />

Jahres. Sie stellt da<strong>mit</strong>, wie mir sche<strong>in</strong>t, selbst<br />

neun o<strong>der</strong> zehn Monate dar, die sie im voraus<br />

angelegt hat, ihre eigenen neun o<strong>der</strong> zehn Mo-<br />

nate nämlich, bis sie wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Sonne zur<br />

Welt br<strong>in</strong>gen soll. Für jedes ihrer hellen Hem-<br />

den muß nun <strong>der</strong> f<strong>in</strong>stere Drache e<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Häute ablegen, und nun stehen sie<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gegenüber, die nackte, schöne Früh-<br />

jahrsgött<strong>in</strong> <strong>mit</strong> den Lämmerwolken des März<br />

und <strong>der</strong> Drache, <strong>der</strong> nur noch e<strong>in</strong> roher Fleisch-<br />

klumpen ist, wie es heißt, und das kann nur<br />

e<strong>in</strong> ganz junges K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>, das den Sonnen-<br />

gott o<strong>der</strong> König darstellt, <strong>der</strong> ja auch nun auf<br />

den Thron gehoben werden muß. Er wird also<br />

<strong>in</strong> die neun Hemden gew<strong>in</strong>delt, (es s<strong>in</strong>d wohl<br />

oft genug W<strong>in</strong>deln aus Heraden gemacht wor-<br />

den) und <strong>in</strong> süßer Milch gebadet, und da-<br />

<strong>mit</strong> vollkommen wie e<strong>in</strong> Neugebomer behan-<br />

delt. Und sie schläft e<strong>in</strong>en Augenblick e<strong>in</strong>,<br />

die Szene verwandelt sich, es sieht zwar noch<br />

recht chaotisch aus, denn <strong>der</strong> Frühjahrsmond<br />

hat an dem Wolkendrachen se<strong>in</strong>e sämtlichen<br />

Ruten, die kahlen Zweige <strong>der</strong> Bäume zerschla-<br />

gen, aber jetzt ist <strong>der</strong> neue Frühl<strong>in</strong>gsgott ge-<br />

boren und begattet sich sogleich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> jun-<br />

gen Erde.<br />

Ich glaube, daß man kaum e<strong>in</strong>e schönere Sage<br />

von dem neuen Jahr f<strong>in</strong>den wird. Sie ist e<strong>in</strong><br />

wenig verrätselt, aber so wie eben die Rätsel<br />

53<br />

des Volkes immer s<strong>in</strong>d: allgeme<strong>in</strong>verständ-<br />

lich für jeden, <strong>der</strong> die Allen geme<strong>in</strong>same Spra-<br />

che e<strong>in</strong>mal gelernt hat. Den Sommer über ist<br />

nichts von Bedeutung zu berichten, und ich<br />

glaube deshalb auch, daß ich den zweiten Teil<br />

<strong>der</strong> Mär nicht mehr herzusetzen brauche, denn<br />

wenn man e<strong>in</strong>mal die schöne Aufgabe beg<strong>in</strong>nt,<br />

Märchen zu deuten, so ist schwer e<strong>in</strong> Ende<br />

zu f<strong>in</strong>den. Es werden aber nur im W<strong>in</strong>ter Mär-<br />

chen erzählt, weil da eben <strong>der</strong> große Unter-<br />

gang bevorsteht, und wenn man auch weiß,<br />

daß man selbst den W<strong>in</strong>ter schon viele Male<br />

überstanden hat, so ist doch die Zeit von sechs<br />

Monaten lang genug, daß man e<strong>in</strong>e Mythe <strong>der</strong><br />

Ermutigung brauchen kann, denn wir müssen<br />

an e<strong>in</strong>e Zeit schwererer W<strong>in</strong>terkämpfe den-<br />

ken, als wir sie heute und hier erleben.<br />

Ich möchte nun <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Sprung auf e<strong>in</strong>en<br />

ganz femliegenden Komplex e<strong>in</strong>gehen, <strong>in</strong> dem<br />

wir noch am ersten ganz Fremdes erwarten<br />

könnten. Es ist bekannt genug, wieviel Ver-<br />

wandtes und Verb<strong>in</strong>dendes uns die peruani-<br />

sche Vor-Inkakultur gebracht hat. Ich möchte<br />

dabei nur an die Ornamentik von Tiahuanaco<br />

er<strong>in</strong>nern, aber trotzdem möchte doch die Psy-<br />

che <strong>der</strong> südamerikanischen Indianer uns aus<br />

<strong>der</strong> fast die ganze Erde umspannenden Ver-<br />

b<strong>in</strong>dung, die wir hergestellt haben, ganz Frem-<br />

des bieten. Südamerikanische Märchen, — und<br />

an<strong>der</strong>e Dokumente gibt es ja kaum außer den<br />

Gefäßen <strong>der</strong> Inkakultur, — haben e<strong>in</strong>e be<strong>in</strong>ah<br />

so lebensnahe Beziehung zum <strong>Tier</strong>, wie wir<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Südsee erlebt haben, und es kaim<br />

nur die e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Type aus e<strong>in</strong>em rei-<br />

chen Material herausgegriffen werden. Ich<br />

skizziere also e<strong>in</strong>zelne Vorgänge:<br />

VON DEN WARRAU AM ORINOCO. Die<br />

Warrau wohnten vor <strong>der</strong> Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schö-<br />

nen Gegend über dem Himmel. Ihre jungen<br />

Jäger lebten von Vogeljagd. An<strong>der</strong>e <strong>Tier</strong>e


gab es nicht. E<strong>in</strong> Jäger Okonorote schießt<br />

e<strong>in</strong>es Tags e<strong>in</strong>en Vogel, fehlt, <strong>der</strong> Pfeil ver-<br />

schw<strong>in</strong>det, ist nicht zu f<strong>in</strong>den, und <strong>der</strong> Jäger<br />

kommt an e<strong>in</strong> Loch, durch das <strong>der</strong> Pfeil ge-<br />

fallen se<strong>in</strong> muß. Okonorote blickt h<strong>in</strong>ab, sieht<br />

e<strong>in</strong>e Welt von <strong>Tier</strong>en,"Wildschwe<strong>in</strong>e und Rehe,<br />

friedlich durch Prärien und Wäl<strong>der</strong> streifen,<br />

und er verfertigt aus Baumwolle e<strong>in</strong> langes<br />

Tau und steigt mühevoll monatelang abwärts.<br />

Er schießt e<strong>in</strong> Reh, macht Feuer und be-<br />

schließt <strong>mit</strong> dem Rest des Bratens, <strong>der</strong> ihm<br />

sehr gut schmeckt, wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Himmel h<strong>in</strong>-<br />

aufzusteigen. Er kommt zurück, se<strong>in</strong>e Leute<br />

beschUeßen, <strong>in</strong> dieses Land <strong>der</strong> größeren Beu-<br />

te h<strong>in</strong>abzusteigen, und das geschieht, denn alle<br />

s<strong>in</strong>d jung und kräftig. Als sie unten s<strong>in</strong>d, be-<br />

merken sie, daß die e<strong>in</strong>zige dicke Frau, die<br />

<strong>mit</strong> ihnen lebte, im Loch steckengeblieben<br />

ist, und da man fürchten muß, falls man sie<br />

losbekommt, daß sie den, <strong>der</strong> sie freigemacht<br />

hat, durch ihren Sturz töten wird, läßt man<br />

sie oben, und da kann sie noch von allen ge-<br />

sehen werden. Die Leiter zerriß.<br />

Dieses Märchen gehört zunächst natürlich<br />

nicht ausgesprochen <strong>in</strong> den <strong>Tier</strong>zusammen-<br />

hang, und die Fassung ist zwar alt, aber nicht<br />

die ursprüngliche. Die Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong><br />

den nordamerikanischen Sagen vom Nie<strong>der</strong>-<br />

fallen vom Himmel auf die Erde will ich nur<br />

kurz andeuten.<br />

Die Menschen lebten also im Himmel und wa-<br />

ren ewig jung. Der Himmel wird <strong>in</strong> ungeheu-<br />

rer Entfernung von <strong>der</strong> Erde berechnet und<br />

nur von Vögeln bewohnt. Daß da oben auch<br />

Baumwolle für e<strong>in</strong>e Strickleiter und Holz für<br />

Pfeile und Bogen wächst, wird nicht erklärt.<br />

E<strong>in</strong>e ungewöhnHch dicke Frau bleibt nach-<br />

her als Sonne o<strong>der</strong> Mond am Himmel stehen,<br />

und die normalen jimgen Menschen s<strong>in</strong>d im<br />

Vergleich zu ihr also die Sterne. Daraus kann<br />

# 54<br />

sich nur ergeben, daß die Menschen <strong>der</strong> Erde<br />

bei ihrem Tode an den Himmel versetzt wer-<br />

den und dort weiterleben. Die Leiter, die zer-<br />

bricht, sobald die dicke Frau oben sichtbar<br />

stecken bleibt, ist <strong>der</strong> Regenbogen, auf dem<br />

die Menschen h<strong>in</strong>unter gewan<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Vorgang:<br />

E<strong>in</strong>e verheiratete Frau verschw<strong>in</strong>det häufig<br />

<strong>in</strong> den Wald. Der Mann sucht sie und f<strong>in</strong>det,<br />

daß die Frau jeden Tag zu e<strong>in</strong>em männhchen<br />

Faultier geht und es zärtHch streichelt und<br />

Liebster nennt. Als dann <strong>der</strong> Mann h<strong>in</strong>ter<br />

e<strong>in</strong>em Baum lauert, ist das Faultier böse,<br />

kratzt und reißt sie am Haar. Danach tötet<br />

<strong>der</strong> Mann das Faultier und die Frau geht nach<br />

kurzem Schmerz zum Manne zurück. — <strong>Das</strong><br />

ist ke<strong>in</strong> Märchen, son<strong>der</strong>nnur e<strong>in</strong> verwun<strong>der</strong>ter<br />

Bericht nach Tatsachen. Natürlich s<strong>in</strong>d <strong>Tier</strong>e,<br />

denen <strong>der</strong> Inst<strong>in</strong>kt nicht schnelle Flucht vor<br />

dem Menschen befiehlt, zu großer geschlecht-<br />

licher Zuneigung fähig, und zu ebenso großer<br />

Eifersucht, wenn sie irgendwie e<strong>in</strong>en gleich-<br />

geschlechthchen Gegner spüren. E<strong>in</strong> Jagdvolk<br />

wird tausend solche Beobachtungen machen,<br />

und nur <strong>der</strong> Europäer, <strong>der</strong> Märchen sammelt,<br />

f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> ihnen lei<strong>der</strong> etwas, was er nicht ver-<br />

steht.<br />

An<strong>der</strong>es Beispiel : Früher gab es zahllose Bie-<br />

nennester <strong>mit</strong> Honig im Wald. E<strong>in</strong> Mann<br />

konnte solche Nester f<strong>in</strong>den, wo sonst nie-<br />

mand e<strong>in</strong>s entdeckte. E<strong>in</strong>es Tags hieb er wie-<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en hohlen Baum an und hörte e<strong>in</strong>e<br />

Stimme: Du tötest mich. Er öffnete sehr vor-<br />

sichtig und fand e<strong>in</strong>e schöne nackte Frau, <strong>der</strong><br />

er e<strong>in</strong>en Lendengurt verfertigte. Sie wurde<br />

se<strong>in</strong>e Frau unter <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gung, daß er nie-<br />

mals ihren Namen Maba nenne. Er behielt<br />

se<strong>in</strong>e Fähigkeit, Honig zu f<strong>in</strong>den, während sie<br />

den besten Honigwe<strong>in</strong> braute, und wenn es<br />

nur e<strong>in</strong>e Schale voll war, die sie hatte, so


eichte es doch für soviel Gäste, als gerade<br />

kamen. E<strong>in</strong>es Tages, als alle trunken waren,<br />

sagte er zu den Gästen, se<strong>in</strong>e Frau sollte das<br />

nächste Mal noch mehr brauen. Dabei nannte<br />

er ihren Namen Maba und im gleichen Augen-<br />

blick flog sie davon. Da<strong>mit</strong> war se<strong>in</strong> Glück<br />

zu Ende und <strong>der</strong> Honig wurde selten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Gegend.<br />

Hierzu noch e<strong>in</strong>e zweite Erzählung aus <strong>der</strong><br />

gleichen Gegend : E<strong>in</strong> Mann erlegt nach lange<br />

erfolgloser Jagd e<strong>in</strong>e Brülläff<strong>in</strong>. Er übernach-<br />

tet im Wald, schneidet <strong>der</strong> Äff<strong>in</strong> den Schwanz<br />

ab und ißt ihn gebraten. Am nächsten Tag<br />

hatte er viel Erfolg, aber als er zurückkam,<br />

war da e<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Hängematte. Die<br />

Äff<strong>in</strong>, die er auf das Bratrost gelegt hatte,<br />

war fort. Sie wurde bald se<strong>in</strong>e Frau, aber erst<br />

viel später gab sie zu, als sie schon sehr glück-<br />

lich waren, daß sie selbst die Äff<strong>in</strong> war, wie<br />

er es vermutet hatte, da sie gekrümmte F<strong>in</strong>ger<br />

hatte. Aber er soUte niemals darüber spre-<br />

chen. Sehr bald darauf g<strong>in</strong>gen sie <strong>in</strong> die Heimat<br />

des Mannes, niemandem wurde ihr Name<br />

verraten und sie lebten sehr glücklich. E<strong>in</strong>es<br />

Tages sagte die Frau, ihr vornehmster Ver-<br />

wandter gäbe den Brüllaffen e<strong>in</strong> Tr<strong>in</strong>kfest.<br />

Sie wollte h<strong>in</strong>. Er g<strong>in</strong>g <strong>mit</strong> und konnte leicht<br />

se<strong>in</strong>en Weg über den Pfad <strong>der</strong> Brüllaffen f<strong>in</strong>-<br />

den. Sie kamen an e<strong>in</strong> großes Haus, es wurde<br />

sehr viel getrunken, und dabei verriet <strong>der</strong><br />

Mann ihr Geheimnis. Im gleichen Augenbhck<br />

war alles verschwunden. Er saß alle<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>em<br />

Baum imd konnte nicht h<strong>in</strong>unter. Am<br />

Ende kam e<strong>in</strong> Vogel, löste die Luftwurzeln<br />

<strong>der</strong> Schhngpflanzen und bald war e<strong>in</strong>e Ket-<br />

te fertig, an <strong>der</strong> er h<strong>in</strong>unterklettem konnte.<br />

E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er KoHbri zeigte ihm dann den Weg<br />

zu se<strong>in</strong>em Haus.<br />

Diese beiden Berichte haben zunächst zweier-<br />

lei geme<strong>in</strong>sam; E<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>wesen, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Menschenfrau verwandelt ist, verschw<strong>in</strong>det<br />

auf Anruf, sobald das Geheimnis se<strong>in</strong>er Her-<br />

kunft klar wird. Der Name spielt nur e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s deutliche Rolle, aber auch hier<br />

ist das Gefühl, daß man durch e<strong>in</strong>en Namen<br />

das D<strong>in</strong>g selbst hat, fühlbar. Beide Märchen<br />

haben auch geme<strong>in</strong>sam, daß <strong>der</strong> Verrat <strong>in</strong><br />

Trunkenheit geschieht. — Dieser Märchenstoff<br />

f<strong>in</strong>det siph auf <strong>der</strong> ganzen Erde, nur daß statt<br />

<strong>der</strong> Trunkenheit es meistens <strong>der</strong> Zorn ist, <strong>der</strong><br />

zum Verrat führt, aber Zorn und Trunkenheit<br />

s<strong>in</strong>d ja sehr nah verwandte, außergewöhnliche<br />

Zustände.<br />

Auch Märchen dieser Art können nach zwei<br />

Richtungen betrachtet werden; Sie können<br />

astrisch se<strong>in</strong>, <strong>in</strong>dem die <strong>Tier</strong>frau entwe<strong>der</strong> Son-<br />

ne o<strong>der</strong> Mond ist. Sie können aber auch dem<br />

magischen Erlebnis des ^lenschen entsprun-<br />

gen se<strong>in</strong>. Wir wollen beide Möghchkeiten ver-<br />

folgen.<br />

* 55 *<br />

Im Falle <strong>der</strong> Bienenkönig<strong>in</strong> ist die Sonne also<br />

verglichen <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Schwärm ;3ienen, und<br />

sobald diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Baumstamm e<strong>in</strong>geschlos-<br />

sen s<strong>in</strong>d, so entspricht das <strong>der</strong> Nachtwohnung<br />

<strong>der</strong> Sonne. Die Sonnentiere werden am Mor-<br />

gen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frau verwandelt, <strong>mit</strong> denen die<br />

Menschen sehr gut leben. <strong>Das</strong> aber ist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Brüllaffensage ausdrückUch ausgeschlossen,<br />

denn am Abend wird das <strong>Tier</strong> erlegt, und am<br />

nächsten Abend f<strong>in</strong>det erst <strong>der</strong> Mann die Frau,<br />

deshalb ist es e<strong>in</strong> Mondtier, das am Tage auf<br />

<strong>der</strong> Erde lebte, und als <strong>der</strong> Mann an e<strong>in</strong>en<br />

hohlen Baum kam, wurde dah<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Mond<br />

sichtbar, und die Mondfrau war es, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> er<br />

sich verband. Ebenso ist ja die Brülläff<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Wesen, das an sich kaum vom Baum loszu-<br />

lösen ist, imd auch hier wäre die Frau e<strong>in</strong><br />

Mondwesen. Wir dürfen aber an diesem Re-<br />

sultat doch nicht ganz gleichgültig vorüber-<br />

gehen, denn es schließt vielleicht e<strong>in</strong>e lange


Kulturgeschichte <strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>. Der Mann ist <strong>in</strong><br />

allen diesen Fällen <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Sonne verglichen.<br />

Der Mann hat ke<strong>in</strong>e ebenbürtige Frau als Son-<br />

ne, son<strong>der</strong>n sie stehen alle weit unter ihm,<br />

und so ist die Frau <strong>mit</strong> dem Affen verglichen,<br />

sobald sie dem Monde entspricht. <strong>Das</strong> ist wohl<br />

nicht immer auf <strong>der</strong> Erde so gewesen, unter<br />

den Menschen hat es e<strong>in</strong>e Gleichsetzung zwi-<br />

schen Mann und Frau wohl oft gegeben, denn<br />

zuzeiten ist ja auch die Frau <strong>der</strong> Sonne gleich-<br />

gesetzt worden und war also dem Manne über-<br />

legen. Ich kann nicht bestreiten, daß ich sehr<br />

geneigt b<strong>in</strong>, alle Berichte, die e<strong>in</strong>e Neigung<br />

haben, die Frau zu disquaUfizieren, als Fol-<br />

gen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er höherwertigen<br />

Bevölkerung von überwiegend Männern anzu-<br />

nehmen, aber das wird e<strong>in</strong>e Streitfrage bleiben,<br />

denn es läßt sich unendliches Material dafür<br />

und dagegen anführen. Im ganzen sollte man<br />

<strong>in</strong> Südamerika, wo die Sage zu Hause ist, mehr<br />

e<strong>in</strong>e Bevorzugung <strong>der</strong> Frau und des Mondes<br />

für wahrsche<strong>in</strong>lich halten, denn <strong>der</strong> Mond ist<br />

hier wohltätig, während die Sonne reichlich<br />

gewaltsam ist, während es sich auch <strong>in</strong> diesen<br />

Gegenden von Südamerika häufig f<strong>in</strong>det, daß<br />

die Männer schon <strong>in</strong> hohem Grade impotent<br />

geworden s<strong>in</strong>d. Wenn wir aber nun dabei blei-<br />

ben müssen, daß diese <strong>Tier</strong>frauen nur dem<br />

Mond entsprechen können, so haben wir die<br />

folgenden beiden Vorgänge. Bienenschwärme<br />

im Wald <strong>mit</strong> dem Monde verglichen. Mutter<br />

<strong>der</strong> Bienen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohlen Baum verborgen,<br />

Gefahr, den Bienenmond anzuschneiden,Voll-<br />

mondfrau <strong>mit</strong> dem Mann verbunden. Glück-<br />

liches Leben, Erfolg bei <strong>der</strong> Bienenjagd.JMond-<br />

frau braut nachts Honigwe<strong>in</strong>. Großes Mond-<br />

tr<strong>in</strong>kgelage. Braumutter Mond wird verraten<br />

und verschw<strong>in</strong>det. Vielleicht auch Tr<strong>in</strong>kfest<br />

am letzten Tage <strong>der</strong> sichtbaren, abnehmen-<br />

den Mondsichel, worauf man schüeßen kann,<br />

56<br />

weil <strong>der</strong> Verrat geschieht, als dei Trank er-<br />

schöpft ist.<br />

Zusammenhang bei <strong>der</strong> Affenmär ganz ver-<br />

wandt. Brülläff<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht zur Frau ver-<br />

wandelt, während Sonne abwesend war. Gro-<br />

ßer Erfolg seither bei <strong>der</strong> Vollmondjagd (o<strong>der</strong><br />

bei zunehmendem Mond). Später untergehen-<br />

<strong>der</strong> Mond und <strong>der</strong> Mensch steigt dem Monde<br />

nach. Versteigt sich <strong>in</strong> den Bäumen.<br />

Der tote Mond ist wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> zurück-<br />

verwandelt. Nun aber hat auch e<strong>in</strong> Bericht,<br />

wie dieser, e<strong>in</strong>e Vorgeschichte. Wenn nämlich<br />

<strong>der</strong> Mond <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Dunkelzeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> ver-<br />

wandelt ist, so geht es nicht an<strong>der</strong>s <strong>mit</strong> den<br />

Menschen, die von <strong>der</strong> Mondfrau abstammen,<br />

wie wir ja <strong>in</strong> den Man-Is-Go-Worten gesehen<br />

haben. Die Menschen s<strong>in</strong>d also ebenfalls hier<br />

e<strong>in</strong>er SeelenWan<strong>der</strong>ung unterworfen, <strong>in</strong>dem <strong>in</strong><br />

Nacht und Tod die <strong>Tier</strong>e ihren Geist weiter-<br />

tragen.<br />

Übrigens kann man hier erkennen, daß alle<br />

Mondtiere durchweg <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>eren Art an-<br />

gehören. Affe, Katze, Hase etc. entsprechen<br />

<strong>in</strong> ihrer ungefährlichen Kraft dem Monde,<br />

während <strong>der</strong> Sonne durchweg die gewaltigen<br />

<strong>Tier</strong>e entsprechen, denen <strong>der</strong> Mensch unter-<br />

worfen ist.<br />

Ich komme nun zu <strong>der</strong> magischen Seite <strong>der</strong><br />

Frage, die sich vielleicht auch für den be-<br />

schränkten Europäer weiter als bisher durch-<br />

führen läßt. Ich nehme da als Beispiel nur die<br />

Mär von den Brüllaffen. E<strong>in</strong> Mann ist vollkommen<br />

ermüdet von <strong>der</strong> Jagd. Er erlegt zu-<br />

letzt noch e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>. Er hat lange vorher ke<strong>in</strong>e<br />

Frau gehabt. Er schneidet <strong>der</strong> Äff<strong>in</strong> den<br />

Schwanz ab und ißt ihn, das heißt, er macht<br />

das affenähnliche <strong>Tier</strong> zum Menschen. Er lebt<br />

<strong>mit</strong> dieser Frau im Walde, das heißt, er be-<br />

f<strong>in</strong>det sich dauernd <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unnatürUchen<br />

Zustand. Er br<strong>in</strong>gt die Frau am Ende, als er


vollkommen e<strong>in</strong>gelebt ist, zu se<strong>in</strong>en Verwand-<br />

ten, und lebt dort e<strong>in</strong>e Weile noch <strong>mit</strong> ihr. In<br />

e<strong>in</strong>em Zustand von Zorn o<strong>der</strong> Trunkenheit<br />

aber löst sich ganz plötzUch das Verhältnis<br />

zwischen Mensch und <strong>Tier</strong>geist, und <strong>der</strong> Mann<br />

kehrt nur <strong>mit</strong> Mühe <strong>in</strong> se<strong>in</strong> gewöhnhches Le-<br />

ben zurück.<br />

Wenn ich nun auf alle bekannten e<strong>in</strong>fachen<br />

Geistergeschichten <strong>der</strong> kaum vergangenen<br />

Zeit mich e<strong>in</strong>stelle, die zwar dem Aberglauben<br />

schlechth<strong>in</strong> zugeschrieben werden, denen man<br />

aber doch wohl näher zu kommen trachten<br />

muß, weil sie <strong>mit</strong> so ungeheurer Häufigkeit<br />

auftreten, sokommen wir zu folgendem Grund-<br />

typ. E<strong>in</strong> Mensch ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schlafartigen,<br />

versunkenen Zustand, und vor ihm ersche<strong>in</strong>t<br />

<strong>der</strong> Geist e<strong>in</strong>es Schlosses <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestalt, die<br />

nach allen früheren Berichten für ihn glaub-<br />

haft ist. Er spricht auf den Halbschläfer e<strong>in</strong>,<br />

und <strong>der</strong> kann nicht erwi<strong>der</strong>n, wenn er es auch<br />

glaubt. Nach e<strong>in</strong>er Weile wächst <strong>in</strong> dem Halb-<br />

schläfer etwas wie Zorn o<strong>der</strong> Rausch, und es<br />

gel<strong>in</strong>gt ihm, den Namen des Geistes auszu-<br />

sprechen, und im gleichen AugenbUck ist die<br />

Ersche<strong>in</strong>ung verschwunden. Analogien zu die-<br />

sem Hergang brauche ich, da allgeme<strong>in</strong> und<br />

durchaus typisch, nicht aufzuzählen.<br />

Ich möchte nun sagen, daß ich e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

Bewußtse<strong>in</strong>sspaltung durchaus für möglich<br />

halte. Es ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Schlag gegen un-<br />

sere heutigen psychischen Auffassungen, aber<br />

aus Mangel an e<strong>in</strong>em neuen System kann man<br />

nicht alle Erfahrungen e<strong>in</strong>fach bestreiten, und<br />

so stellt sich für mich folgen<strong>der</strong> Hergang als<br />

möglich und wahrsche<strong>in</strong>lich dar, wenn man<br />

ihn auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Zeit vielleicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an-<br />

<strong>der</strong>e Form wird übersetzen können. — E<strong>in</strong><br />

Mensch, <strong>der</strong> lebt, baut sich zu e<strong>in</strong>em großen<br />

Teil auf aus den Strömen des Lebens, die auf<br />

ihn aus an<strong>der</strong>en Menschen, <strong>Tier</strong>en, Blumen,<br />

57<br />

Farben etc. zukommen. Diese Ströme aber<br />

muß er erwi<strong>der</strong>n, das heißt, se<strong>in</strong>e eigenen Aus-<br />

strahlungen bleiben durchaus nicht ohne Wirkung<br />

auf die gleiche, tote o<strong>der</strong> lebende Um-<br />

welt, son<strong>der</strong>n <strong>Tier</strong>e, Menschen, Blumen, Vö-<br />

gel und Wände und Möbel können se<strong>in</strong>e Aus-<br />

strahlungen aufnehmen und bewahren. <strong>Das</strong><br />

leblos Genannte kann nun ohne Zweifel diese<br />

E<strong>in</strong>wirkungen nicht wie<strong>der</strong> vollkommen selb-<br />

ständig reproduzieren, son<strong>der</strong>n es muß e<strong>in</strong><br />

Mensch <strong>in</strong> diesem Milieu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> aus irgend-<br />

e<strong>in</strong>em Grunde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en, wie wir sagen, trance-<br />

artigen Zustand geraten ist, und dieser Zu-<br />

stand besteht nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bewußtse<strong>in</strong>s-<br />

spaltung, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kräftespaltung, <strong>in</strong>-<br />

dem an die Umwelt Kräfte abgegeben wer-<br />

den, <strong>mit</strong> denen sich frühere Nie<strong>der</strong>schläge von<br />

Ausstrahlungen verb<strong>in</strong>den können, und es er-<br />

folgt alsdann e<strong>in</strong>e Materialisation, die nicht<br />

nur für das Bewußtse<strong>in</strong> des Halbschlafenden,<br />

son<strong>der</strong>n auch alsWirkHchkeit besteht. Da aber<br />

<strong>der</strong> Halbschlafende für das Zustandekommen<br />

<strong>der</strong> Ersche<strong>in</strong>ung selbst e<strong>in</strong>en großen Teil sei-<br />

ner Kräfte hergegeben hat, so wird er auch<br />

für etwas, was zur Hälfte schon se<strong>in</strong> eigenes<br />

Geschöpf ist, auch leichter die Sichtbarkeit<br />

und Wahmehmbarkeit erfahren als e<strong>in</strong> an-<br />

<strong>der</strong>er Mensch. Der Halbschlaf muß schon im-<br />

gewöhnüch tief se<strong>in</strong>, muß schon von e<strong>in</strong>em<br />

beson<strong>der</strong>s zu solchen tiefen Spaltimgen ge-<br />

eigneten Menschen, den wir ja Medium nen-<br />

nen, ausgehen, da<strong>mit</strong> die Ersche<strong>in</strong>ung ganz<br />

wirkHch o<strong>der</strong> eben an<strong>der</strong>en sichtbar wird. Es<br />

gehört nun natürlich nicht hierher, ob dieser<br />

Zustand krankhaft zu nennen ist, imd auf wel-<br />

cher Krankheitsursache er beruht. <strong>Das</strong> gehört<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>e Betrachtungen und ist an an<strong>der</strong>er<br />

Stelle weiter behandelt, aber die Tatsache wird<br />

heute von <strong>der</strong> Wissenschaft kaum mehr be-<br />

stritten, imd es ist auch für me<strong>in</strong> Gefühl e<strong>in</strong>e


große Dummheit, alle Häuser <strong>der</strong> Welt, <strong>in</strong><br />

denen <strong>der</strong> Spuk Hun<strong>der</strong>ten von Menschen er-<br />

schienen ist, aus <strong>der</strong> Welt zu streichen, <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Zeit, wo noch ke<strong>in</strong> Mensch etwas<br />

von Tischrücken und Klopfgeistern wußte.<br />

Für mich gibt es hier e<strong>in</strong>en vollkommen rea-<br />

len Tatbestand, und da <strong>der</strong>selbe früher noch<br />

viel stärker ausgesprochen war, weil die Men-<br />

schen e<strong>in</strong> Leben voll viel höherer Spannung<br />

geführt hatten, kann die Spur solcher Vor-<br />

gänge nicht untergegangen se<strong>in</strong>. Aber früher<br />

haben das Haus und die Möbel e<strong>in</strong>e viel ger<strong>in</strong>-<br />

gere Rolle gespielt als heute, und da müssen<br />

wir denn noch e<strong>in</strong>en Schritt vorwärts gehen.<br />

Was ist es denn, was e<strong>in</strong>en, wie wir denken,<br />

ganz bösen, alten Schloßherrn treibt, se<strong>in</strong>en<br />

Geist den Wänden zuzuschreien? <strong>Das</strong> ist, wie<br />

wir ja ohne Mühe schließen können, e<strong>in</strong>e ganz<br />

ausnahmsweise starke Besessenheit, e<strong>in</strong> Über-<br />

sprudeln irgende<strong>in</strong>er Dynamik, die sich im<br />

gewöhnlichen Leben nicht austoben konnte,<br />

weil ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Menschen stark genug war,<br />

diesen Ansturm von Brutalität und vielleicht<br />

auch sexueller Perversität auszuhalten. Es ist<br />

also e<strong>in</strong> Mensch, <strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en Partner hat, <strong>mit</strong><br />

dem er se<strong>in</strong>e Kräfte voll austauschen kann,<br />

<strong>der</strong> dieselben entladen muß, woh<strong>in</strong> es nun eben<br />

trifft, und <strong>der</strong> auch von allen verlassen wird.<br />

Und das ist ja merkwürdigerweise auch unge-<br />

fähr <strong>der</strong> Typ <strong>der</strong> Berichte von den Menschen,<br />

die die Ursache des Spuk gewesen s<strong>in</strong>d. Ich<br />

kann nun aber ke<strong>in</strong>en Augenblick bezweifeln,<br />

daß Hauswände und Möbel die denkbar un-<br />

geeignetsten D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d, solche Energien auf-<br />

zunehmen, und e<strong>in</strong>e Reproduktion <strong>der</strong>selben<br />

geschieht ja auch nur, wenn <strong>der</strong> Hausherr vie-<br />

le Jahre <strong>in</strong> demselben Raum se<strong>in</strong>e Wut aus-<br />

toben mußte. Und für den früheren Menschen<br />

kommen ja auch wohl außer Menschen nur<br />

<strong>Tier</strong>e dafür <strong>in</strong> Frage, daß sie <strong>der</strong>artige unge-<br />

58<br />

me<strong>in</strong>e Energien <strong>in</strong> sich aufnehmen. Daß aber<br />

solche <strong>Tier</strong>e nun <strong>der</strong>gleichen Kräfte <strong>in</strong> Be-<br />

ziehung zu an<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>en ausleben können,<br />

halte ich für unwahrsche<strong>in</strong>hch, und so müssen<br />

sie e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> den Menschen her-<br />

stellen, und es ist ja auch klar, daß nur solche<br />

<strong>Tier</strong>e Menschengeist aufnehmen, die ohneh<strong>in</strong><br />

dafür irgendwie geeignet s<strong>in</strong>d, wie sich ja auch<br />

aus <strong>der</strong> Zähmungsprobe nachweisen läßt.<br />

Man sollte diese D<strong>in</strong>ge nicht irgendwie für<br />

ungewöhnlich halten, denn was geschieht,<br />

wenn e<strong>in</strong> Mensch <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Hund so <strong>in</strong>tensiv<br />

zusammenlebt, daß dieser Hund an<strong>der</strong>en Men-<br />

schen gegenüber so handelt, wie es sonst <strong>der</strong><br />

Herr getan hätte? Wie könnte es sonst ge-<br />

schehen, daß <strong>der</strong> Hund, <strong>der</strong> niemals e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dif-<br />

ferentes Wort verstehen kann, genau befolgt,<br />

was <strong>der</strong> Herr sagt, wenn nicht ganz an<strong>der</strong>e<br />

Kräfte als die des Wortes übertragen würden.<br />

Glaubt denn <strong>in</strong>Wahrheit e<strong>in</strong> Mensch, daß Hun-<br />

de alle Sprachen beliebig lernen können? Ich<br />

muß lachen, welche unendHch dummen Vor-<br />

aussetzungen unserer Psychologie zugrunde<br />

gelegt worden s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Mensch kann niemals<br />

etwas an<strong>der</strong>es übertragen, als Kräfte allerArt.<br />

<strong>Das</strong> wußten schon die Menschen vor langen<br />

Zeiten, denn als sie e<strong>in</strong>mal den Versuch mach-<br />

ten, welche Sprache e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aus sich selbst<br />

sagen würde, da wurde es allen Menschen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Umgebung dieser K<strong>in</strong><strong>der</strong> verboten, e<strong>in</strong><br />

Wort zu sprechen. Man hatte aber e<strong>in</strong>en Feh-<br />

ler gemacht, denn man hat zur Bewachung<br />

sicher nicht Stumme, son<strong>der</strong>n sprechende Men-<br />

schen genommen, und diese hatten die größte<br />

Furcht vor ihrem Herrn, überhaupt irgend-<br />

wie Kräfte von sich zu den Versuchsk<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

h<strong>in</strong>überströmen zu lassen. Und eben- weil sie<br />

aUe ihre Kräfte an sich hielten, konnten die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> nicht gedeihen und s<strong>in</strong>d gestorben,<br />

bevor <strong>der</strong> Versuch e<strong>in</strong>en Erfolg hatte. Hier


ist nun nicht <strong>der</strong> Ort, e<strong>in</strong>e ganze Psychologie<br />

neuer Art aufzubauen, aber wir können sicher<br />

se<strong>in</strong>, daß es <strong>in</strong> früherer Zeit e<strong>in</strong> Erlebnis gab,<br />

das sich zwischen Menschen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em be-<br />

stimmten Zustand halb aus sich herausgehen<br />

konnten, und zwischen <strong>Tier</strong>en gibt. Auf Neu-<br />

seeland vermehrte sich das Volk im gleichen<br />

Maße, <strong>in</strong> dem die Moa-Vögel ausstarben. <strong>Tier</strong>e<br />

s<strong>in</strong>d tatsächUch Träger menschlichen Geistes,<br />

und nur <strong>der</strong> Mensch kann diesen Geist wie<strong>der</strong><br />

von den <strong>Tier</strong>en nehmen. Es ist auch vollkom-<br />

men richtig, daß Menschen, die <strong>in</strong> E<strong>in</strong>samkeit<br />

sterben, e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>s großen Teil ihres Gei-<br />

stes, <strong>der</strong> nun eben nicht an die Umgebenden<br />

übertragen werden kann, auf e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nähe übergeben, das dann zu den Menschen<br />

<strong>in</strong> irgende<strong>in</strong> Verhältnis tritt. Ich möchte über<br />

die E<strong>in</strong>samkeitszustände des Menschen e<strong>in</strong>e<br />

merkwürdige japanische alte Erzählung bei-<br />

tragen, obwohl dieselbe nicht ganz zum Thema<br />

gehört.<br />

Auf dem Hiyesan steht das Ste<strong>in</strong>bild e<strong>in</strong>es<br />

Heiligen, dessen Geschichte e<strong>in</strong>e gewisse Be-<br />

ziehung zum <strong>in</strong>dischen Naga-Kult aufweist,<br />

aber <strong>der</strong> auch e<strong>in</strong> gewisses Erleben zugrunde<br />

zu hegen sche<strong>in</strong>t : Nah bei Osaka baute man<br />

vor langer Zeit stets Vorratskammern etwa <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Art, wie sie als Pfahlbauüberreste überall<br />

<strong>in</strong> Sibirien bei den entferntesten Völkern vor-<br />

kommen, und sie wurden angelegt bei norma-<br />

ler Ernte, um zur Zeit <strong>der</strong> Not verbraucht zu<br />

werden. Die Schlüssel zu diesen Häusern er-<br />

hielt <strong>der</strong> Oberste <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de, Als nun nach<br />

langer guter Zeit e<strong>in</strong>mal die Stapel verbraucht<br />

werden sollten, erschraken die Menschen vor<br />

e<strong>in</strong>em unbegreiflichen Wesen. Auf e<strong>in</strong>em zu-<br />

sammengerollten Leib stak <strong>der</strong> Kopf e<strong>in</strong>es<br />

Greises. Er fand die Sprache und erzählte, daß<br />

er <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>geschlossen war, als <strong>der</strong> Reis gesta-<br />

pelt wurde. Er merkte zu spät, daß er e<strong>in</strong>ge-<br />

59<br />

schlossen war, und konnte nicht h<strong>in</strong>auskom-<br />

men. Er hatte genug Reis zu essen, aber er litt<br />

unter <strong>der</strong> Kälte. Bald aber merkte er, daß auch<br />

e<strong>in</strong>e Schlange <strong>in</strong> das Vorratshaus e<strong>in</strong>geschlos-<br />

sen war, wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegend häufig ist. Er<br />

hatte zwar Furcht vor <strong>der</strong> Größe, aber er<br />

wurde <strong>mit</strong> ihr Freund, und sie begann ihn zu<br />

umr<strong>in</strong>ge<strong>in</strong> . So verg<strong>in</strong>gen Jahre, se<strong>in</strong> Haar wur-<br />

de lang, und so fand man den Greis, umwun-<br />

den von se<strong>in</strong>em Schlangenfreund. Da dachten<br />

denn die Menschen, Mensch und Schlange wä-<br />

ren zusammen e<strong>in</strong>e schützende Gottheit, sie<br />

machten das Bild und nannten es Takusho-<br />

Uga-J<strong>in</strong>. — Hier ist nicht mehr zu entschei-<br />

den, wieviel von diesem Vorgang schon rituell<br />

imd wieviel noch Erlebnis ist, aber die ganz<br />

enge Verb<strong>in</strong>dung zwischen Mensch und <strong>Tier</strong><br />

sowie die Idee, daß es vielleicht <strong>der</strong> Mensch<br />

selbst war, <strong>der</strong> die Schlange erst zu ihrer Grö-<br />

ße durch se<strong>in</strong>e Kräfte brachte, s<strong>in</strong>d doch ent-<br />

scheidend, <strong>in</strong> welcher Weise überhaupt My-<br />

then entstanden.<br />

Und wenn wir nun zurückkommen auf unsere<br />

südamerikanischen Beispiele, so möchte ich<br />

auch <strong>in</strong> ihnen trotz <strong>der</strong> ganz evidenten Moiid-<br />

rituale folgende Synthese machen, die aber<br />

auch weit vor <strong>der</strong> Entstehung dieser Märchen<br />

liegen wird : Der Mensch lebt eng <strong>mit</strong> den We-<br />

sen <strong>der</strong> Natur zusammen. Er kennt die Ab-<br />

hängigkeit se<strong>in</strong>er Stimmungen und Krank-<br />

heiten von den Gestirnen genauer wie wir,<br />

die ja immerh<strong>in</strong> allenfalls zugeben, daß die<br />

Zeit des VoUmondes auf die menschliche Psy-<br />

che ungewöhnliche E<strong>in</strong>flüsse hat, die dah<strong>in</strong><br />

gehen, daß <strong>der</strong> Mensch se<strong>in</strong>e gewöhnliche Kör-<br />

perregeneration <strong>der</strong> Nacht zeitweilig unter-<br />

bricht, um etwa gefährHche Wege zu gehen<br />

<strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Stabilität, die sonst se<strong>in</strong>er Psyche<br />

unbekannt ist, und nur <strong>mit</strong> <strong>der</strong> von Katzen<br />

o<strong>der</strong> auch Affen vergHchen werden kann. Es


ist also e<strong>in</strong> Zustand möglich, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Mensch<br />

sehr weit von sich entfernt ist, und man hat<br />

nicht das Recht, anzunehmen, daß dieser Zu-<br />

stand nur auf e<strong>in</strong>er Schwächung beruht, son<strong>der</strong>n<br />

es liegt e<strong>in</strong>e physische Spaltung vor. Im<br />

Laufe <strong>der</strong>selben kann sich e<strong>in</strong> Teil se<strong>in</strong>es We-<br />

sens nicht <strong>mit</strong> <strong>der</strong> vollen menschlichen Qua-<br />

lität <strong>der</strong> Reflexion etc. vergleichen, dafür aber<br />

ist die dynamische Spannung ungleich größer»<br />

imd bekommt etwas <strong>Tier</strong>haftes.Wie lange die-<br />

ser Zustand dauern kann, und wieweit <strong>der</strong><br />

Übergang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Tier</strong>form mögUch ist, o<strong>der</strong><br />

auch wieweit e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> diese wan<strong>der</strong>nden Kräf-<br />

te aufnimmt, darüber haben wir zunächst ke<strong>in</strong>e<br />

Erfahrung. Sicher ist nur das e<strong>in</strong>e, daß man<br />

e<strong>in</strong>en Menschen <strong>in</strong> diesem Zustand nicht an-<br />

rufen soll, solange er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gefährlichen La-<br />

ge ist. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> bekannter Tatbe-<br />

stand, und er ist aus diesen Märchen nicht<br />

wegzudenken. Es ist also astrischer Vorgang<br />

und psychodynamischer Son<strong>der</strong>zustand ganz<br />

eng <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden, und wir können<br />

sicher se<strong>in</strong>, daß solche, krankhaft sche<strong>in</strong>enden<br />

Zustände wegen ihrer UngewöhnHchkeit auch<br />

nur dann anerkannt und berichtet wurden,<br />

wenn sie <strong>in</strong> hohem Grade <strong>mit</strong> den von Allen<br />

erlebten astrischen Ersche<strong>in</strong>ungen vollkom-<br />

men übere<strong>in</strong>stimmten, denn durchaus patho-<br />

logische Zustände wird je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> sie erlebt,<br />

für sich behalten, weil ihr Inhalt die norma-<br />

len Mitmenschen abstößt o<strong>der</strong> zu Zweifel und<br />

Spott veranlaßt. Sobald aber e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

Gültigkeit sich herausstellt, gew<strong>in</strong>nen diese<br />

D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong> ganz ungeheures Interesse, denn<br />

auch heute noch schwanken wir <strong>in</strong> jedem Au-<br />

genbück, wenn es sich darum handelt, zwi-<br />

schen Pathologie und Heiligkeit zu unterschei-<br />

den. Im gleichen Augenblick, <strong>in</strong> dem aber <strong>der</strong><br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Umwelt, <strong>mit</strong> dem<br />

Kosmos hergestellt ist, und also alle Wesen<br />

60<br />

durch den Zustand, <strong>in</strong> dem sich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e be-<br />

f<strong>in</strong>det, <strong>mit</strong>gerissen werden, ist e<strong>in</strong>e ungewöhn-<br />

liche Ersche<strong>in</strong>ung gegeben, die zu e<strong>in</strong>er Le-<br />

gende volle Berechtigung gibt. Es hat aber<br />

wohl wenig Aussicht, dem Wortlaut <strong>der</strong> Le-<br />

gende weiter als bis hier nachzugehen, da bei<br />

<strong>der</strong> Übersetzung aus dem Magischen <strong>in</strong>s Kos-<br />

mische die Züge stilisiert werden und sich<br />

doch um e<strong>in</strong>iges von dem Befund entfernen.<br />

Ganz ähnhche Berichte, wie über Brülläff<strong>in</strong><br />

und Bienenmutter haben wir auch über die<br />

Jaguar<strong>in</strong> und manche an<strong>der</strong>e <strong>Tier</strong>e, und es<br />

ist sehr auffallend, daß <strong>der</strong> Verrat stets im<br />

Rausche geschieht, während wir <strong>in</strong> Europa<br />

dafür viel häufiger den Zorn haben. In beiden<br />

Fällen er<strong>in</strong>nert aber <strong>der</strong> Zustand sehr stark<br />

an den Untergang <strong>der</strong> Sonne o<strong>der</strong> an <strong>der</strong>en<br />

Aufgang. Jedenfalls an die Morgenröte o<strong>der</strong><br />

Abendröte, und es wird rituell sicher die Be-<br />

ziehung des Mon<strong>der</strong>blassens bei Sonnenauf-<br />

gang, o<strong>der</strong> die des Sonnenerblassens bei Mond-<br />

aufgang vorausgesetzt se<strong>in</strong>. Diese beiden Be-<br />

ziehungen aber, die rituelle und die magische,<br />

zu berücksichtigen, müßte die Hauptaufgabe<br />

se<strong>in</strong>, wenn man sich <strong>mit</strong> Märchen beschäftigt.<br />

Es ist für mich sehr wahrsche<strong>in</strong>lich, daß beide<br />

zugleich entstanden s<strong>in</strong>d, aber re<strong>in</strong> örtlich<br />

kann auch das e<strong>in</strong>e nach dem Vorbild des an-<br />

<strong>der</strong>en gewachsen se<strong>in</strong>.<br />

Um nun noch e<strong>in</strong> Beispiel zu wählen über erd-<br />

liche Übere<strong>in</strong>stimmungen über alle Meere h<strong>in</strong>-<br />

über, möchte ich das Märchen von Tiri und<br />

Karu erwähnen, das die Yurakare <strong>in</strong> BoUvien<br />

besitzen. Es ist zu lang, um hier vollends an-<br />

geführt zu werden, aber e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Hauptmo-<br />

mente ist, daß e<strong>in</strong> Mann vom Jaguar zerris-<br />

sen wird, die Frau legt die Knochen genau<br />

richtig zusammen, und <strong>der</strong> Mann wird wie<strong>der</strong><br />

lebendig. Thor hatte zwei Böcke, die konnten<br />

je<strong>der</strong>zeit geschlachtet und gegessen werden,


wenn nur das Fell und die Knochen vollständig<br />

übrig blieben. Er schwang den Hammer<br />

und sie waren wie<strong>der</strong> heil. Sie waren die Zug-<br />

tiere se<strong>in</strong>es Wagens.<br />

Es wird sich wohl lohnen, auch diesen Kom-<br />

plex e<strong>in</strong>mal näher zu betrachten. Von den<br />

nordischen Göttern ist j a Od<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s wich-<br />

tig, denn er ist <strong>mit</strong> <strong>der</strong> slawischen Zahl E<strong>in</strong>s<br />

identisch, also auch als e<strong>in</strong> All-Pr<strong>in</strong>zip ge-<br />

dacht gewesen und se<strong>in</strong>e beiden Raben s<strong>in</strong>d<br />

die beiden hauptsächlichen Attribute, denn<br />

als Vögel verkörpern sie die Luft und den<br />

Atem, und stellen also genau das gleiche dar,<br />

wie das Y<strong>in</strong> und Yang <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a. Alle ande-<br />

ren Götter <strong>der</strong>gleichen Periode stehen als ganz<br />

sekundär unter ihm, weil sie Naturpr<strong>in</strong>zipien<br />

s<strong>in</strong>d, und nicht philosophische Gestalten des<br />

All, die nur durch viele Mißverständnisse zur<br />

Gestalt überhaupt gekommen s<strong>in</strong>d. Man kann<br />

das am leichtesten demonstrieren an dem Be-<br />

griff des Folkwang. Über das Wort ist schon<br />

viel gestritten, aber zunächst ist es klar, daß e<strong>in</strong><br />

Aufenthalt <strong>der</strong> Götter geme<strong>in</strong>t war. Zum an-<br />

<strong>der</strong>en wissen wir, daß Volk und Wolke durch-<br />

aus identische Begriffe s<strong>in</strong>d, und schließlich<br />

halte ich das Wort Waitg für das gleiche wie<br />

Bank, wenn es auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen e<strong>in</strong>e<br />

Wiese bedeuten mag, die wohl dann die Form<br />

e<strong>in</strong>er Bank hatte. Im ganzen ist also <strong>der</strong> Folk-<br />

Wang die Wolkenbank o<strong>der</strong> Wolkenwiese, die<br />

über <strong>der</strong> Erde liegt und nun natürlich nur ganz<br />

bestimmten Göttern zum Aufenthalt dient,<br />

nämlich denen, die am Zustand des bewölkten<br />

H<strong>in</strong>miels teilhaben und auch die Soime selbst<br />

bekämpfen. Es s<strong>in</strong>d die Gewalten des Was-<br />

sers, des Regens, des W<strong>in</strong>des, sowie Donner<br />

und BUtz. Der Gott Sonne thront <strong>in</strong> dieser<br />

Zeit <strong>der</strong> Wolkenversammlung über allen, wie<br />

man es ja aus <strong>der</strong> Erfahrung von hohen Ber-<br />

gen weiß, und er wird von den übrigen be-<br />

6l<br />

kämpft, um dann am letzten Ende doch sieg-<br />

reich zu bleiben. Od<strong>in</strong> ist aber nicht selbst<br />

Sonne, son<strong>der</strong>n All.<br />

<strong>Das</strong> wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betrachtung <strong>der</strong> vorchrist-<br />

lichen <strong>Religion</strong> <strong>in</strong> Nordeuropa weiter auszu-<br />

wirken se<strong>in</strong>, aber bei Thor sche<strong>in</strong>t es zu-<br />

nächst, daß er nur e<strong>in</strong> Gewittergott gewesen<br />

ist, und se<strong>in</strong>e <strong>Tier</strong>e s<strong>in</strong>d die Böcke. Se<strong>in</strong> Zei-<br />

chen ist <strong>der</strong> Hammer. Die Ziege haben wir<br />

bisher kaum <strong>in</strong> unseren Betrachtungskreis ge-<br />

zogen, denn es wird sich manches nicht ganz<br />

klarstellen lassen, was etwa die Verehrung zu<br />

Mendes betrifft, und auch <strong>der</strong> Bock <strong>in</strong> <strong>der</strong> Per-<br />

son des Pan verlangt e<strong>in</strong>e schwierige kritische<br />

Untersuchung, denn er ist es, <strong>der</strong> zum Stern-<br />

bild des Ste<strong>in</strong>bocks erhoben wurde, als Pan<br />

gegen Typhon stritt.<br />

Die Ziege hat zwei Homer, die flachgedrückt<br />

s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>e merkwürdige Streifung haben.<br />

Die Form ist durchweg Sichel, und so wäre<br />

zunächst e<strong>in</strong>e Anlehnung an den Mond gut<br />

denkbar. <strong>Das</strong> <strong>Tier</strong> ist aber weiter geschlecht-<br />

lich wohl beson<strong>der</strong>s reizbar, was ja auch schon<br />

je<strong>der</strong> <strong>Tier</strong>besitzer weiß, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>e Ziege fast<br />

immer e<strong>in</strong>e Frau zu stoßen sucht, aber kaum<br />

e<strong>in</strong>en Mann. Umgekehrt hat <strong>der</strong> Bock zu den<br />

Frauen wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> freundschaftHches Verhält-<br />

nis, und es gilt, was früher über die Kuh ge-<br />

sagt wurde. Der Bock kann gut hun<strong>der</strong>t o<strong>der</strong><br />

mehr Ziegen decken, und es mag schon aus<br />

<strong>der</strong> griechischen Zeit herrühren, daß er als<br />

Symbol <strong>der</strong> Sirmenlust tmd Sündhaftigkeit<br />

angesehen wurde, aber vielleicht ist auch<br />

diese Beziehung, die im Hebräisch-Christ-<br />

lichen wesentlich auftaucht, schon erheblich<br />

älter.<br />

Die Ziege ist e<strong>in</strong> merkwürdig launiges <strong>Tier</strong>,<br />

ungeme<strong>in</strong> willkürlich <strong>in</strong> ihren Handlungen des<br />

Augenblicks, und auch seltsam empf<strong>in</strong>dlich.<br />

Beson<strong>der</strong>s leicht auch bricht es <strong>in</strong> Ohnmacht


zusammen bei e<strong>in</strong>er straffen Umschnürung<br />

des Halses. <strong>Das</strong> Bocken ist dann noch e<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>s auffallende Ersche<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Ziege<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie nach dem Bock ver-<br />

langt. Es ist auch vielleicht nicht zu übersehen,<br />

daß die Eicheln auf die Ziegen wie Gift wirken,<br />

und da die Eiche e<strong>in</strong> heihger Baum ist, sche<strong>in</strong>t<br />

mir folgende Komb<strong>in</strong>ation e<strong>in</strong>igeWahrsche<strong>in</strong>-<br />

lichkeit zu haben: Die große Willkür unbe-<br />

rechenbarer Bewegungen <strong>der</strong> Ziege hat etwas<br />

Blitzartiges, und deshalb ist auch die Ziege<br />

vielleicht e<strong>in</strong> BUtztier geworden. Ziege und<br />

Blitz waren <strong>in</strong> diesem Fall <strong>in</strong> gleicher Weise<br />

Fe<strong>in</strong>de <strong>der</strong> Eichen. Und nun haben wir den<br />

Bericht, nach dem e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Böcke des Thor<br />

dadurch h<strong>in</strong>kend wird, daß e<strong>in</strong> Knochen, als<br />

das <strong>Tier</strong> gerade geschlachtet ist, gespalten wird<br />

von Thjalfi, <strong>der</strong> das Mark daraus haben will,<br />

und als das<strong>Tier</strong> durch das Schw<strong>in</strong>gen des Ham-<br />

mers wie<strong>der</strong> lebendig wird, ist es auf e<strong>in</strong>em<br />

Be<strong>in</strong> lahm. <strong>Das</strong> h<strong>in</strong>kende <strong>Tier</strong> aber sche<strong>in</strong>t<br />

mir wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong> Bild des gebrochenen Blitzes<br />

zu se<strong>in</strong>. Wenn man nun bedenkt, daß zur Zeit<br />

des Gewitters die Verdunklung darauf schlie-<br />

ßen läßt, daß <strong>der</strong> Mond die Sonne überw<strong>in</strong>-<br />

den will, so läßt sich auch das Sichelhom <strong>der</strong><br />

Ziege <strong>in</strong> dieser Beziehung dem Bilde anglie-<br />

<strong>der</strong>n, und auch <strong>der</strong> Teufel hat seit langer Zeit<br />

Attribute, die vielleicht statt Pferdehuf nur<br />

e<strong>in</strong> Bockshuf s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en Bocksgestank, und<br />

an<strong>der</strong>e Zeichen <strong>der</strong> Unterwelt und <strong>der</strong> Ziege,<br />

beson<strong>der</strong>s auch gern <strong>der</strong>en Bart und Homer.<br />

Merkwürdig ist es, daß bei dem Namen <strong>der</strong><br />

Ziege im Lat. zwei Formen auftauchen : Ca-<br />

pra und Hircus. Hircus ist dabei unser Wort<br />

Hirsch, <strong>der</strong> frz. Cerf heißt, was <strong>mit</strong> Kerf die<br />

Inversion von Capra ist. Weiter aber hat <strong>der</strong><br />

Kiefer des Skelettes auch den Namen Ziege,<br />

während wir dem Blitz den Weg des Zick-<br />

zacks beilegen, und diese Sühe Zick wie<strong>der</strong> die<br />

62<br />

<strong>der</strong> Ziege ist. Daraus läßt sich dann schon die<br />

vollständige Synthese machen, die also Kapra,<br />

Kerfe, Cerf, Chevre, Kiefer etc. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reihe<br />

stellt, die auf Corvo-Korf geht, und krumm,<br />

gebogen bedeutet, während die an<strong>der</strong>e aus Zie-<br />

ge und Zickzack ähnliches, aber e<strong>in</strong>e schär-<br />

fere Brechung <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ie bedeutet. Der Kiefer<br />

imd die Kiefer s<strong>in</strong>d also <strong>mit</strong> Bezug auf die<br />

Eckigkeit <strong>der</strong> Knochen o<strong>der</strong> Zweigl<strong>in</strong>ien iden-<br />

tisch. Alles bestätigt also die Ziege als <strong>Tier</strong><br />

des Teufels o<strong>der</strong> des Blitzgottes, und so s<strong>in</strong>d<br />

denn auch die W<strong>in</strong>kelzüge, die <strong>der</strong> Teufel<br />

macht, um Seelen zu fangen, nur Bocks-<br />

sprünge.<br />

Schwer ist nun aber die Bedeutung des Ske-<br />

lettes <strong>in</strong> diesem Zusammenhang. Wenn Thor<br />

den Hammer schw<strong>in</strong>gt, spr<strong>in</strong>gen die Blitz-<br />

böcke, s<strong>in</strong>d also am Leben, bevor er nie<strong>der</strong>-<br />

schlägt, das heißt : <strong>der</strong> Blitz ist früher, als <strong>der</strong><br />

Hammerschlag wahrzunehmen. Wenn aber<br />

das Leben <strong>der</strong> Böcke nach dem Gewitter für<br />

e<strong>in</strong>e Weile zu Ende ist, müssen sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erde<br />

als Skelette liegen, und so kann man nur dar-<br />

auf schließen, daß die sogenannten Donner-<br />

keile als Skeletteile <strong>der</strong> Ziegen gedacht wur-<br />

den, und daß e<strong>in</strong> Vergleich zwischen den Don-<br />

nerkeilen und den Ziegenhömem möglich ist*<br />

kann kaum bestritten werden. Es handelt sich<br />

hier aber ohne Zweifel um e<strong>in</strong>e zunächst nicht<br />

gerade e<strong>in</strong>fache Konstruktion, imd wenn an-<br />

<strong>der</strong>wärts ohne dieselbe e<strong>in</strong>e Möglichkeit ohne<br />

den Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Blitz besteht,<br />

so denke ich durchaus an e<strong>in</strong>e direkte Über-<br />

lieferung. Daß aber <strong>der</strong> Jaguar die Sprünge<br />

<strong>der</strong> Ziege <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>n ohne Ziegen übernom-<br />

men haben kann, ist verständlich. In Kolum-<br />

bien haben wir e<strong>in</strong>en heilbr<strong>in</strong>genden Raben;<br />

Jelch, <strong>der</strong>, wieviele Heiligen des alten Europa,<br />

dadurch geboren wird, daß se<strong>in</strong>e Mutter <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Not e<strong>in</strong>en Kiesel im Walde verschUngt und


schwanger wird. Jelch, <strong>der</strong> Rabe, wird dann<br />

<strong>in</strong> vielfacher Weise verfolgt, und am Ende<br />

br<strong>in</strong>gt er den Menschen unendliche Hilfe, <strong>in</strong>-<br />

dem er das Feuer holt, die Sonne und den<br />

Mond schafft, und so alle Pr<strong>in</strong>zipien des Yang<br />

durch sich selbst verwirklicht, d. h. ich halte<br />

auch hier die Gestalt des Raben nur für den<br />

ältesten Kommentar für den gleichen Raben,<br />

<strong>der</strong> von Osten nach Westen fliegt, als das Pr<strong>in</strong>-<br />

zip des Yang und des Aufganges. Ich kann<br />

mir sonst nur schwer erklären, wie e<strong>in</strong> Rabe<br />

gerade <strong>in</strong> Kolumbien zu e<strong>in</strong>er so entscheiden-<br />

den Rolle kommen konnte, und <strong>der</strong> Kranz<br />

<strong>der</strong> Legenden um se<strong>in</strong>en Namen ist reich und<br />

wichtig.<br />

So<strong>mit</strong> sche<strong>in</strong>t es mir, daß wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Feme<br />

ke<strong>in</strong>e wesentlichen neuenErsche<strong>in</strong>ungen, wohl<br />

aber ganz unentbehrliche Kommentare zu un-<br />

seren eigenen vorgeschichthchen Vorstellun-<br />

gen gew<strong>in</strong>nen werden, und ich möchte des-<br />

halb auf den nächsten Umkreis zurückkom-<br />

men.<br />

Zum Thema <strong>der</strong> Ziege möchte ich das Mär-<br />

chen von dem Wolf und den sieben Geißle<strong>in</strong><br />

heranziehen. Geiß und Gis s<strong>in</strong>d Inversionen<br />

des Wortes Ziege, und mir sche<strong>in</strong>t auch, daß<br />

dieses Wolfsmärchen sich auf die Ziege als<br />

Mondtier bezieht. Wolf imd Ziege s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>mal<br />

Fe<strong>in</strong>de, und da es e<strong>in</strong>e weiße Ziege ist, die<br />

dem schwarzen Wolf fe<strong>in</strong>d ist, haben wir den<br />

Gegensatz zwischen dem weiblichen Mond und<br />

den männlichen Wolken. Die alte Geiß hat<br />

sieben kle<strong>in</strong>e Geißle<strong>in</strong>, und das s<strong>in</strong>d sieben<br />

Tage. E<strong>in</strong>mal kommt nun <strong>der</strong> Wolf, und die<br />

kle<strong>in</strong>e Schar von sieben Zickle<strong>in</strong>, die zusam-<br />

men soviel wie ihre Mutter s<strong>in</strong>d, lassen sich<br />

nicht betrügen, denn se<strong>in</strong>e St<strong>in</strong>mie ist zu rauh.<br />

E<strong>in</strong> zweites Mal wird er abgewiesen, weil er<br />

nicht e<strong>in</strong>e weiße Pfote wie die Mutter hat,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e schwarze. <strong>Das</strong> dritte Mal hat er<br />

63<br />

Erfolg und frißt nun die kle<strong>in</strong>en <strong>Tier</strong>chen, und<br />

nur e<strong>in</strong>es bleibt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Uhrkasten o<strong>der</strong> h<strong>in</strong>-<br />

ter e<strong>in</strong>em Ofen verborgen. Also ist die Deutung:<br />

Zuerst ist Neumond, und nun kommen<br />

sieben Geißle<strong>in</strong>, gegen die <strong>der</strong> Herr <strong>der</strong> Wol-<br />

ken und <strong>der</strong> Dunkellieit nicht aufkommen<br />

kann. Sie machen das Mondfenster vor ihm<br />

zu. Dann kommen an<strong>der</strong>e sieben Tage, und<br />

wie<strong>der</strong> wird die Fensterscheibe geschlossen.<br />

Dann aber kommt er zurück und legt e<strong>in</strong>e<br />

weiße Pfote <strong>in</strong>s Fenster, das heißt, er macht<br />

die Scheibe <strong>der</strong> vierzehn Tage vollständig, und<br />

da<strong>mit</strong> ist <strong>der</strong> Verrat vollkommen. Der Wolf<br />

dr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> und frißt nun alle sieben kle<strong>in</strong>en<br />

Tagzickle<strong>in</strong>, aber das letzte <strong>Tier</strong> verbirgt sich<br />

im Uhrkasten, im Zeitmesser des Mondmen-<br />

schen. Und nun kommt die alte Geiß nach<br />

Hause. Sie hört den Bericht des verborgenen<br />

letzten Viertels des Mondes, das niemand wie-<br />

<strong>der</strong>f<strong>in</strong>det, und jetzt f<strong>in</strong>det sie den Wolf nach<br />

se<strong>in</strong>er Gewalttat schlafen. Da schneidet sie<br />

ihm den Bauch auf, und die kle<strong>in</strong>en Zickle<strong>in</strong><br />

kommen heraus und können die Mondscheibe<br />

wie<strong>der</strong> wachsen lassen. Aber dieser Vorgang,<br />

wie auch alle astrischen Sonnen- und Mond-<br />

märchen wie<strong>der</strong>holen sich dauernd, imd so<br />

müssen sie zu ihrer Zeit wie<strong>der</strong>holt werden.<br />

In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Märchen hat e<strong>in</strong> König drei<br />

Söhne, imd das Reich soll <strong>der</strong> haben, <strong>der</strong> ihm<br />

drei ganz seltene D<strong>in</strong>ge br<strong>in</strong>gt : den kle<strong>in</strong>sten<br />

Hund, das fe<strong>in</strong>ste Stück Le<strong>in</strong>wand imd das<br />

schönste Mädchen. Der kle<strong>in</strong>ste Hund ist <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Eichel verborgen, und die Eichel ist <strong>in</strong><br />

diesem Falle die allerkle<strong>in</strong>ste Mondsichel, die<br />

man aus dem schwach schimmernden Voll-<br />

kreis während <strong>der</strong> ersten Zunahme beson<strong>der</strong>s<br />

gut herausschimmem sieht. <strong>Das</strong> fe<strong>in</strong>ste Stück<br />

Le<strong>in</strong>wand, das durch e<strong>in</strong> Nadelöhr geht, ist<br />

wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mond, denn durch den w<strong>in</strong>zigsten<br />

ersten Spalt wird dann das ganze weiße Tuch


langsam h<strong>in</strong>durchgezogen. <strong>Das</strong> schönste Mäd-<br />

chen ist aber wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mond, und zwar wohl<br />

nun <strong>der</strong> Vollmond, und als <strong>der</strong> jüngste Sohn<br />

diese drei D<strong>in</strong>ge erreicht hat, wird er <strong>der</strong><br />

Nachfolger des Vaters, denn die Sonne wird<br />

erst für neu gerechnet, wenn sie sich <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em<br />

vollen Mond verb<strong>in</strong>den kann zur Ehe. Kopf<br />

und Schwanz, <strong>der</strong> erst <strong>der</strong> Katze abgeschla-<br />

gen werden muß, s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> zunehmende und<br />

abnehmende Teil und die Katze ist wie<strong>der</strong>um<br />

<strong>der</strong> Mond selbst.<br />

Die Märchen haben e<strong>in</strong>en durchaus exakten<br />

S<strong>in</strong>n gehabt, als sie zuerst ausgegeben wur-<br />

den, und sie s<strong>in</strong>d schöne Lehren von Priestern,<br />

nicht aber eigene Erf<strong>in</strong>dungen des Volkes, das<br />

noch nie die ger<strong>in</strong>gste schöne Erzählung er-<br />

funden ha.t, son<strong>der</strong>n immer nur lesen und hö-<br />

ren will. Die Dichter s<strong>in</strong>d Vorstufen <strong>der</strong> grö-<br />

ßeren Priester, denn die Dichter haben wohl<br />

die Kraft und Lust, die Welt, die sie gesehen<br />

haben, zu verdichten und zu gestalten, aber<br />

die Priester fassen die ganzeWelt <strong>in</strong> ihremWis-<br />

sen zusammen und vere<strong>in</strong>fachen das Wissen,<br />

im gleichen Grade, wie ihre Klarheit wächst.<br />

Es ist für mich durchaus wahrsche<strong>in</strong>Uch, daß<br />

die Menschen, die zuerst Märchen erzählt ha-<br />

ben, diese immer zu <strong>der</strong> passenden Konstel-<br />

lation erzählt und auch auf diese h<strong>in</strong>gewiesen<br />

haben, so daß durchaus ke<strong>in</strong>e Geheimnistuerei<br />

beabsichtigt war. <strong>Das</strong> große Werk dieser Zei-<br />

ten bestand vielmehr dar<strong>in</strong>, daß sie <strong>in</strong> allen<br />

Kreisen, im Menschen, im <strong>Tier</strong> und <strong>in</strong> den Ster-<br />

nen die Bewegungen übere<strong>in</strong>stimmend fanden<br />

und dann ihre Berichte gaben, die <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />

ganzen, damals erkennbaren Welt im Gleich-<br />

gewicht standen.<br />

D<strong>in</strong>ge aber, die wir heute etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Edda<br />

f<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d kaum allgeme<strong>in</strong>er Besitz gewe-<br />

sen, son<strong>der</strong>n sie gehörten e<strong>in</strong>er Priesterschaft,<br />

<strong>in</strong>dem diese versucht hatte, fortschreitend von<br />

64<br />

Zeit zu Zeit ihre besten Erklärungen über die<br />

Wissenschaft desKosmos nie<strong>der</strong>zulegen.Wenn<br />

schon die Menschen so vieldeutig s<strong>in</strong>d durch<br />

das Gleichgewicht <strong>in</strong> den drei Stufen des Men-<br />

schen, des <strong>Tier</strong>es und des Himmels o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Naturgewalten, so ist es um so schwieriger,<br />

die Vorstellungen nachzusuchen, die <strong>in</strong> dem<br />

abstrakten priesterlichen Wissen o<strong>der</strong> For-<br />

schen enthalten waren,denn daß es sichum Ab-<br />

strakte handelt, wird aus dem e<strong>in</strong>en Beispiel<br />

von Od<strong>in</strong>s Raben doch vollkommen deutlich.<br />

E<strong>in</strong>en merkwürdigen Bericht haben wir außer<br />

vielen <strong>in</strong> dem von <strong>der</strong> Kuh Audhumhla. Die<br />

Urweltströme waren zu Eis geworden. Es be-<br />

g<strong>in</strong>nt zu tauen. <strong>Das</strong> Eis schmilzt. Da entstand<br />

die Kuh Audhumbla <strong>mit</strong> vier Eutern, die dem<br />

Riesen Ymir und se<strong>in</strong>em Geschlecht Nahrung<br />

gaben. Die Kuh begann dann an den Eisblök-<br />

ken zu lecken, und sie waren salzig. Am ersten<br />

Abend hatte sie Menschenhaar freigelegt. Am<br />

zweiten Abend sah man e<strong>in</strong> Manneshaupt,<br />

und am dritten Abend war e<strong>in</strong> ganzer Mann<br />

frei, <strong>der</strong> den Namen Buri hatte. Von ihm<br />

stammte Bör und <strong>der</strong> verband sich <strong>mit</strong> Bestla,<br />

die war Tochter e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Riesenmannes,<br />

<strong>der</strong> BöÜhorn heißt. Von diesen beiden Men-<br />

schen stammt die große Tr<strong>in</strong>ität des Od<strong>in</strong>,<br />

Will und We.<br />

Was läßt sich nun aus diesem Bericht ent-<br />

nehmen?<br />

Die Urweltströme waren zu Eis geworden.<br />

<strong>Das</strong> heißt, man kannte o<strong>der</strong> er<strong>in</strong>nerte sich an<br />

e<strong>in</strong>en Zustand, <strong>in</strong> dem diese Ströme e<strong>in</strong>st frei<br />

gewesen waren, und es war also e<strong>in</strong>e Eiszeit<br />

über die Menschen here<strong>in</strong>gebrochen. Da<strong>mit</strong><br />

haben wir schon e<strong>in</strong> Zeichen, daß nicht eigent-<br />

lich e<strong>in</strong> SchöpfImgsbericht geme<strong>in</strong>t ist, son-<br />

<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Übersicht über große Perioden.<br />

<strong>Das</strong> Eis beg<strong>in</strong>nt zu schmelzen, weil wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e wärmere Zeit begonnen hat, aus Grün-


den, die niemand nennt o<strong>der</strong> kennt. Was sich<br />

aus dem Auftauenden ergibt, ist zunächst e<strong>in</strong>e<br />

Kuh, Kuh ist nun e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong>, das Milch gibt,<br />

das <strong>der</strong> Mutter Erde je<strong>der</strong>zeit vergUchen wird,<br />

weil sie ihre und an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> nährt, und<br />

so bedeutet die Kuh nichts an<strong>der</strong>es, als das<br />

fruchtbare Land.<br />

Diese Kuh hat vier Euter und aus diesen Eu-<br />

tern ergießen sich vier Ströme. Die Euter <strong>der</strong><br />

Kuh haben natürhch immer e<strong>in</strong>e große Be-<br />

deutung gehabt, und man hat <strong>in</strong> ihnen zuerst<br />

auch Flüssigkeiten aufbewahrt, denn das frz.<br />

Wort Outre für Schlauch ist nichts an<strong>der</strong>es,<br />

als Euter. Außerdem kennt je<strong>der</strong> aus den frü-<br />

heren Kulturen die Zeit <strong>der</strong> Keramik, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

überwiegend solche Gefäße gemacht wurden,<br />

die unten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Spitze ausUefen. Es ist sehr<br />

erstaunhch, daß man an dieser Form, die nichts<br />

an<strong>der</strong>es ist als die des Euters, festgehalten hat,<br />

und die Gefäße mußten also auf Untersätze<br />

gestellt werden, aber es gab auch Gefäße, an<br />

denen man zugleich drei o<strong>der</strong> vier Zitzen sieht,<br />

und die dadurch zum Stehen taugHch waren.<br />

Die Kuh war nun das flache o<strong>der</strong> fruchtbare<br />

Land, imd es ergossen sich daraus vier Strö-<br />

me, die sehr an die alttestamentlichen vier<br />

Ströme er<strong>in</strong>nern, die hier sehr wohl ihren<br />

Ursprung haben könnten, aber die Untersu-<br />

chung über dieses Thema würde hier zu weit<br />

führen. Ebenso aber sche<strong>in</strong>t es mir nicht un-<br />

möghch, zu forschen, welches die vier Ströme<br />

dieser Kuh gewesen se<strong>in</strong> mögen. Da die Euter<br />

nach unten neigen, sollte man zuerst an die<br />

Flüsse denken, die nach Norden zu strömen,<br />

imd alsdann könnten sehr wohl diejenigen<br />

Flüsse <strong>in</strong> Frage kommen, die sich <strong>in</strong> die Ost-<br />

see ergießen. In diesem Falle möchte ich noch<br />

weiter die Analogie ziehen und sagen, daß die<br />

Halb<strong>in</strong>sel Jütland den Be<strong>in</strong>en entsprochen<br />

haben könnte, während das an<strong>der</strong>e Be<strong>in</strong>paar<br />

65<br />

bis nach F<strong>in</strong>nland h<strong>in</strong>aufgereicht haben wür-<br />

de.<br />

In diesem Falle würden O<strong>der</strong>, Weichsel, NJe-<br />

men und Düna die vier Euterströme se<strong>in</strong>. Der<br />

Riese Ymir und se<strong>in</strong> Geschlecht, <strong>der</strong> nun von<br />

diesen vier Strömen lebt, ist nun aber eigent-<br />

lich ohne Frage die Ostsee, denn sie ist als<br />

Oe-Mer, als Meer <strong>der</strong> Inseln, und kaum an-<br />

<strong>der</strong>s zu übersetzen. Und wenn man bei dieser<br />

Basis bestehen bleibt, so ist es wohl wahr-<br />

sche<strong>in</strong>lich, daß auch <strong>der</strong> herabgeneigte Kopf<br />

im eigentUchen Jütland za suchen ist, und da-<br />

<strong>mit</strong> beg<strong>in</strong>nt die Kuh zu lecken und legt zuerst<br />

die Haare e<strong>in</strong>es Mannes frei. Da <strong>der</strong> Mann<br />

nichts an<strong>der</strong>es als Skand<strong>in</strong>avien se<strong>in</strong> kann,<br />

so ist <strong>der</strong> Kopf des Mannes sicher das Gebirge<br />

des norwegischen Langfjell, und dieses also<br />

wird zunächst eisfrei. Dann folgt <strong>der</strong> Kopf,<br />

<strong>der</strong> etwa <strong>in</strong> Schonen zu suchen ist, imd so-<br />

dann <strong>der</strong> ganze Körper, von dem nicht weiter<br />

gesprochen wird. Der ganze Mann heißt Buri,<br />

was <strong>mit</strong> Pyr ebenso nah verwandt ist, wie <strong>der</strong><br />

Name des Sohnes Bör. Beide Worte s<strong>in</strong>d aus<br />

Af-Ra, untergehende Sonne, Nordsonne ent-<br />

standen, und auch deshalb kann <strong>mit</strong> ihnen<br />

sehr wohl Skandia geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>. Ob man zu-<br />

gleich <strong>in</strong> Bör das Wort Bär sehen soU, ist nicht<br />

zu entscheiden, denn wenn auch die Form von<br />

Skandia als e<strong>in</strong> Bär, <strong>der</strong> h<strong>in</strong>unterspr<strong>in</strong>gt,<br />

durchaus zu denken wäre, so kann man nicht<br />

entscheiden, ob diese Gestalt kartenmäßig gut<br />

<strong>der</strong> Vorzeit bekannt war.<br />

Nun aber haben wir noch zwei sehr schwierige<br />

Komplexe, die im Namen des zweiten Riesen,<br />

BöUhorn, und se<strong>in</strong>er Tochter Bestla enthalten<br />

s<strong>in</strong>d. Leicht sche<strong>in</strong>t mir die Frage im ersten<br />

Anfang bei Bestla. Wenn wir als Steigerung<br />

von Gut, das ja auch Tag bedeutet. Best sa-<br />

gen, so ist es nicht eigentlich e<strong>in</strong>e Steigerung,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> konsequente Fortgang, nämlich


West, das auf den Zenit folgt. Deshalb brau-<br />

chen wir kaum im Zweifel zu se<strong>in</strong>, ob wir durch<br />

Best o<strong>der</strong> West zu übersetzen haben, da beide<br />

auf das gleiche h<strong>in</strong>auslaufen. Ob nun e<strong>in</strong> Wort<br />

// für Insel vorhanden war, läßt sich kaum<br />

entscheiden. Daß aber <strong>mit</strong> dieser Tochter e<strong>in</strong>e<br />

Insel o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Land im Westen geme<strong>in</strong>t ist,<br />

kann ich nicht bezweifeln, und so müßte <strong>der</strong><br />

Vater dieser Insel <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em Namen BöUhorn<br />

untersucht werden. Er schreibt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Edda als Böl-Thor, ist also e<strong>in</strong>e Abart des<br />

Thor, und ich möchte schon für möglich hal-<br />

ten, daß hier e<strong>in</strong> Wellentor dem Himmels-<br />

tor gegenübergestellt ist, als e<strong>in</strong>e Gottheit<br />

des wilden Nordseemeeres, aber dafür ist ja<br />

nicht leicht e<strong>in</strong> weitergehen<strong>der</strong> Beweis zu er-<br />

br<strong>in</strong>gen. Wenn aber die West-Il die Tochter<br />

des Nordmeeres ist, so haben wir hier e<strong>in</strong>e<br />

Verb<strong>in</strong>dung zwischen Skandia und England,<br />

<strong>der</strong>en Natur zwar nicht leicht festzustellen<br />

ist, aber die auf mehreren Gebieten liegen<br />

kann. Aus dieser Verb<strong>in</strong>dung aber s<strong>in</strong>d dann<br />

Od<strong>in</strong>, Will und We entstanden, und Od<strong>in</strong> sagt<br />

im Havamal, daß ihn <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> Bestlas, <strong>der</strong><br />

nicht <strong>mit</strong> Namen genannt wird, neun wesent-<br />

liche Weisen gelehrt hat. Auch hier wird also<br />

<strong>der</strong> Begriff Od<strong>in</strong> erklärt als entstanden aus<br />

e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dung des Ostens <strong>mit</strong> dem Westen,<br />

und vielleicht waren es auch damals schon<br />

die E<strong>in</strong>wohner Irlands, die zu allen Zeiten<br />

e<strong>in</strong>e ganz ungewöhnlich hoch entwickelte Prie-<br />

sterschaft gehabt haben, die dem Kont<strong>in</strong>ent<br />

neue Ideen gegeben haben, ähnlich, wie sie<br />

im an<strong>der</strong>en Falle die südHche christliche Re-<br />

ligion zuerst nicht nur vollwertig aufgefaßt<br />

haben, son<strong>der</strong>n wohl zu vielem gemacht hat-<br />

ten, was sie vorher noch nicht war, (sei es gut<br />

o<strong>der</strong> schlecht,) und die vielen irischen Mönche<br />

haben dann die Lehre auf dem Kont<strong>in</strong>ent ver-<br />

breitet kraft des Temperamentes, das ihnen.<br />

66<br />

wie wir gerade jetzt wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihren Kämpfen<br />

gegen England sehen, eigen ist.<br />

Es könnte freilich angenommen werden, daß<br />

dieser Prozeß des Auftauens <strong>der</strong> Kuh <strong>der</strong> nord-<br />

deutschen Tiefebene <strong>in</strong> jedem Jahr vor sich<br />

geht, und daß erst später <strong>der</strong> skand<strong>in</strong>avische<br />

Mann frei wird, aber ich glaube nicht, daß<br />

man sich viel <strong>mit</strong> alltägigen Erlebnissen <strong>in</strong><br />

diesem Bericht befaßt hat, son<strong>der</strong>n also, daß<br />

man anknüpft an e<strong>in</strong>e Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die nord-<br />

deutsche Ebene (man wird nicht wissen, wann<br />

und zum wievielten Male) vom Eis frei, und<br />

auch Norwegen zugängUch wird. Es kann<br />

dann ganz gut se<strong>in</strong>, daß man <strong>in</strong> dieser Zeit <strong>in</strong><br />

Skand<strong>in</strong>avien Schiffe gebaut hat und die Ver-<br />

b<strong>in</strong>dung <strong>mit</strong> Irland und England herstellte,<br />

die dann zu e<strong>in</strong>er Theosophie des Od<strong>in</strong> führte,<br />

die dem Tao entsprach und jener Lehre auch<br />

die Grundlage gegeben hat. Da wir alle älte-<br />

ren Märchen hier und dort geme<strong>in</strong>sam f<strong>in</strong>den,<br />

halte ich dieses Resultat <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise über-<br />

raschend, und möchte da<strong>mit</strong> im wesentUchen<br />

auch diese Betrachtungen schließen.<br />

Mit Bezug auf das <strong>Tier</strong> wird man zu e<strong>in</strong>er end-<br />

gültigen Kenntnis noch nicht so bald kom-<br />

men, und ich möchte <strong>mit</strong> dieser Arbeit nur<br />

die Wege e<strong>in</strong> wenig freigelegt haben. Wir Heu-<br />

tigen unterschätzen das <strong>Tier</strong> <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Form,<br />

denn wir haben es so lange <strong>in</strong> unserer Gewalt,<br />

bis wir gerade von ihm abhängig s<strong>in</strong>d, und<br />

man kann schon sagen, daß <strong>in</strong> unserem letzten<br />

Krieg manchmal e<strong>in</strong> Pferd und e<strong>in</strong> Schwe<strong>in</strong><br />

mehr gegolten haben als e<strong>in</strong> Mensch. <strong>Das</strong> aber<br />

bezog sich nur auf materielle Wertungen,wäh-<br />

rend die Psyche bei unseren Vorfahren e<strong>in</strong>e<br />

ungleich größere Rolle gespielt hat, und zum<br />

wenigsten die Analogie des Tao gezogen wur-<br />

de, <strong>in</strong>dem man sagte: Erst fressen wir das<br />

<strong>Tier</strong>, und dann nimmt das <strong>Tier</strong> unsere Seele.<br />

Beide brauchen sich gegenseitig, um zu leben.


Auch <strong>der</strong> Begriff von den hilfreichen <strong>Tier</strong>en<br />

ist auf diesem Wege entstanden, und unsere<br />

Arbeit versagt beson<strong>der</strong>s da, wo uns trotz<br />

dem besten Willen, den Möghchkeiten nach-<br />

zugehen, e<strong>in</strong>fach die Beweise auch des un-<br />

glaubwürdigsten eigenen Erlebnis e<strong>in</strong>fach feh-<br />

len, und dieser Mangel ist <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise zu<br />

ersetzen.<br />

In solchen Arbeiten fällt man leicht <strong>in</strong> ganz<br />

große Fehler, und <strong>der</strong> hauptsächliche entsteht<br />

daraus, daß man Erzeugnisse von dem Geist<br />

vieler tausend Jahre und vieler Millionen Menschen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Augenblick untersucht. Was<br />

ich hoffe vermieden zu haben, ist die Ger<strong>in</strong>g-<br />

schätzung <strong>der</strong> Vorzeit, denn ich habe von ihr<br />

bisher so viel gelernt, daß ich nicht glaube,<br />

daß wir Heutigen so bald das höchste Niveau<br />

<strong>der</strong> Vorzeit erreicht haben werden. Es mag<br />

wohl richtig se<strong>in</strong>, daß es viele Menschen ge-<br />

geben hat, denen heute je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne über-<br />

legen ist, aber das schließt längst nicht aus,<br />

daß die Vorzeit <strong>in</strong> ihrer Gesamtleistung, und<br />

vor e<strong>in</strong>er solchen stehen wir dauernd, e<strong>in</strong>en<br />

Geist beherrscht hat, dem ke<strong>in</strong>er von uns<br />

E<strong>in</strong>zelnen standhalten kann. Ganz wesentlich<br />

f<strong>in</strong>de ich auch e<strong>in</strong> begleitendes Resultat. In<br />

<strong>der</strong> Vorzeit hat ke<strong>in</strong>e Kultur daran gedacht,<br />

daß <strong>der</strong> Mensch von den <strong>Tier</strong>en abstammen<br />

könnte.Und ich glaube,daß e<strong>in</strong>eWissenschaft,<br />

die so ganz gegen den Inst<strong>in</strong>kt geht, ke<strong>in</strong>e<br />

<strong>Das</strong>e<strong>in</strong>sberechtigung haben kann, auch wenn<br />

man schon so weit revidiert hat, daß man<br />

e<strong>in</strong>e längere geme<strong>in</strong>same L<strong>in</strong>ie von e<strong>in</strong>em äl-<br />

teren Ursprung her annehmen will.<br />

Viele Son<strong>der</strong>betrachtungen lassen sich an e<strong>in</strong>-<br />

zelne Themata schließen, und es wäre gut,<br />

wenn dieselben <strong>in</strong> die religionsgeschichtlichen<br />

und psychologischen neueren Arbeiten auf-<br />

genommen würden.<br />

<strong>Das</strong> romanische Wort für <strong>Tier</strong> ist Besiia und<br />

67<br />

bedeutet West-Ga, also Westwärtsgehendes,<br />

Untergehendes. Ob diese Erkenntnis vom Un-<br />

tergang des <strong>Tier</strong>es o<strong>der</strong> vom Untergang des<br />

Menschlichen durch das <strong>Tier</strong> schon e<strong>in</strong> hohes<br />

Alter hat, ist schwer zu sagen. Auch wir s<strong>in</strong>d<br />

<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ung, daß das <strong>Tier</strong> untergeht, denn<br />

<strong>der</strong> Mensch will und kann diese Aufgabe durch-<br />

führen, und er hat recht <strong>mit</strong> allem, was er<br />

will, denn er muß die Folgen davon selbst<br />

tragen. <strong>Das</strong> <strong>Tier</strong> geht unter und steht am<br />

Himmel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en letzten Bil<strong>der</strong>n, aber es hat<br />

e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, daß es dorth<strong>in</strong> kam. Wenn wir auch<br />

immer größeren Zahlen von <strong>Tier</strong>en <strong>der</strong> Haus-<br />

zucht Weide und <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> schaffen, so ist doch<br />

<strong>der</strong> Geist des freien <strong>Tier</strong>es untergegangen, und<br />

die Qualität ist verloren zugunsten <strong>der</strong> Menge.<br />

Wenn <strong>der</strong> Mensch se<strong>in</strong>e <strong>Tier</strong>e drei Tage lang<br />

nicht pflegt, s<strong>in</strong>d sie alle tot, wie er selbst,<br />

und <strong>in</strong> wenigen Monaten kann er sie auch<br />

ohne Wi<strong>der</strong>stand ihrerseits aufessen. <strong>Das</strong> aber<br />

war nicht <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n des <strong>Tier</strong>es. Der Mensch<br />

hat also ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Weg, als sich selbst<br />

zu spalten <strong>in</strong> Klassen, die sich weit von e<strong>in</strong>-<br />

an<strong>der</strong> entfernen, und er ist auf dem besten<br />

Weg dazu. Ohne oben und unten gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

Höhe, und es ist wohl e<strong>in</strong> Irrtum, wenn die<br />

E<strong>in</strong>en sagen, daß die Oberen versuchten, die<br />

Unteren zu unterdrücken. Der Inst<strong>in</strong>kt be-<br />

weist <strong>in</strong> jedem Augenblick das Gegenteil, und<br />

wenn die letzten <strong>Tier</strong>e sagenhaft verschwun-<br />

den wären, hätte man den besten Beweis für<br />

die Aufwärtsbewegung des Ganzen. Aber die<br />

lebendigen Kräfte gehen von <strong>der</strong> Höhe aus,<br />

wenn auch die Höhe durch die lebendige Masse<br />

geschaffen ist. <strong>Das</strong> sche<strong>in</strong>t mir wesentlich,<br />

wenn wir auch we<strong>der</strong> Kraft an sich, noch Masse<br />

an sich kennen, son<strong>der</strong>n immer nur als Gegen-<br />

pole annehmen müssen, um uns zu erklären<br />

den Weg <strong>der</strong> Funktionen, <strong>der</strong> unser Leben<br />

aufbaut und ausmacht.


Wenn die Menschen von ihresgleichen verlas- von ihresgleichen erhalten und ist ihre Seele,<br />

sen s<strong>in</strong>d, bleibt ihnen fast immer irgende<strong>in</strong> Weshalb sollte nicht auch das <strong>Tier</strong> die Seele<br />

<strong>Tier</strong> treu. <strong>Das</strong> Gedächtnis <strong>der</strong> Menschen wird des Menschen tragen können?


BEMERKUNGEN ZU DEN BILDERN<br />

Sämtliche E<strong>in</strong>zelheiten <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> können natürlich an dieser Stelle nicht besprochen werden.<br />

Es soll nur versucht werden, aufmerksam zu machen auf verschiedene Bedeutungen, die<br />

dem gewöhnlichen Betrachter oft genug entgehen. Absichtlich soll <strong>in</strong> den nachfolgenden An-<br />

gaben die Möglichkeit <strong>der</strong> Bedeutungen weiter ausgeführt werden, als es vielleicht <strong>in</strong> diesem<br />

Augenblick <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheiten zu beweisen wäre.<br />

Abb. I. Der Rachen des Untieres spielt <strong>in</strong> <strong>der</strong> entwickeln können. Trotzdem f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong><br />

Vergangenheit die allergrößte Rolle. Die Un-<br />

terwelt wird vorgestellt als e<strong>in</strong> unendliches<br />

Wasser, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> drachenartiges Ungeheuer<br />

lebt. Dieses Ungeheuer verschl<strong>in</strong>gt im Westen<br />

am Abend die Sonne. Die beiden Kiefer des<br />

Ungeheuers haben sich entwickelt zu den bei-<br />

den Faktoren <strong>der</strong> Unterwelt, wie solche <strong>in</strong> al-<br />

len mexikanischen Handschriften dargestellt<br />

werden. Der Oberkiefer des Unterwelttieres<br />

ist aber gleichzeitig das Portal sämtlicher Kir-<br />

chen geworden. Perlstäbe alsVerzierungen <strong>der</strong><br />

Portale zeigen noch heute die Zahnreihen an.<br />

Man darf niemals vergessen, daß jede Kirche<br />

gedacht ist als e<strong>in</strong> unterweltlicher Bau, <strong>in</strong> wel-<br />

chem <strong>in</strong> frühester Zeit e<strong>in</strong>e Begegnung statt-<br />

f<strong>in</strong>det zwischen <strong>der</strong> abwesenden Sonne und<br />

den Menschen, welche den Gott anflehen, zu-<br />

rückzukehren.<br />

Abb. 2 u. 3. Die Chorgestühlplastik ist von ei-<br />

ner imerschöpflichen Reichhaltigkeit und die<br />

symboHschen Vorstellungen stammen durch-<br />

aus nicht ausschheßlich aus den christHchen<br />

<strong>Religion</strong>squellen. Man darf nur nicht verges-<br />

sen, daß die christlichen <strong>Religion</strong>squellen ei-<br />

nen Bestand an heidnischen Auffassungen bei<br />

ihrem E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen vorfanden, <strong>der</strong> <strong>in</strong> außer-<br />

ordentlich vielen D<strong>in</strong>gen Zusammenstimmun-<br />

gen zwischen Süden und Norden ergab, denn<br />

bei den Auffassungen lag e<strong>in</strong>e uralte Sonnen-<br />

religion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache geme<strong>in</strong>sam zu-<br />

grunde. Alle<strong>in</strong> aus den Bibeltexten heraushät-<br />

te sich wohl kaimi e<strong>in</strong>e so reichhaltige Kunst<br />

69<br />

diesem Komplex <strong>der</strong> <strong>mit</strong>telalterlichen imd<br />

späteren Kirchenkunst nicht immer e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong><br />

symbolische Verwertung <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e, son<strong>der</strong>n<br />

hier beg<strong>in</strong>nt bereits die Periode, <strong>in</strong> welcher h<strong>in</strong><br />

und wie<strong>der</strong> die unrituellen Vorstellungen des<br />

Menschen e<strong>in</strong>e Rolle spielen.<br />

Wir sehen d^xdAbb. 2 immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teufels-<br />

kopf, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Stamm <strong>mit</strong> abgeschlagenen<br />

Zweigen krönt. Untergangsymbole s<strong>in</strong>d daher<br />

auch hier vertreten. Es sei daran er<strong>in</strong>nert, daß<br />

das Wort Teufel gleichbedeutend ist <strong>mit</strong> Deo-<br />

Wal, dem Gott <strong>der</strong> Unterwelt.<br />

Abb. 5. E<strong>in</strong> großer Teil des gotischen Baustiles<br />

kann nur daraus verstanden werden, daß die<br />

Kirche gedacht ist als e<strong>in</strong> Raum <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unter-<br />

welt. Die Kuppelgräber <strong>der</strong> Vorzeit waren die<br />

Vorstufen, aber immer blieb die Vorausset-<br />

zimg, daß ungeheuerliche Lasten auf den Pfei-<br />

lern des unterirdischen Ramnes auch dann<br />

ruhten, wenn die Kirche über <strong>der</strong> Erde stand.<br />

Die Omamentl<strong>in</strong>ien des vor<strong>der</strong>en Kapitals<br />

weisen deutlich auf e<strong>in</strong>e alte Beziehung zu<br />

den Wasserl<strong>in</strong>ien h<strong>in</strong>. Wann das Bewußtse<strong>in</strong><br />

dieser unterweltlichen Bauten erloschen ist<br />

und wann man vergaß, daß diese Räume ei-<br />

gentlich sämtlich nüt Wasser gefüllt wären,<br />

läßt sich kaum bestimmen, aber je<strong>der</strong> wird<br />

er<strong>in</strong>nern, daß <strong>in</strong> vielfachen Sagen und Mär-<br />

chen <strong>in</strong> den Wassertiefen immer die schönsten<br />

Paläste und Gebäude gedacht wurden. Die<br />

Schlangenomamentik des Bildes beweist <strong>in</strong><br />

gewissem Grade noch e<strong>in</strong> Vorhandense<strong>in</strong> <strong>der</strong>


Tradition. Die Köpfe <strong>der</strong> Schlangenleiber<br />

sche<strong>in</strong>en diejenigen von Enten zu se<strong>in</strong>, aber<br />

wir haben aus zahllosen Beweisen bereits er-<br />

kannt, daß gerade die Ente e<strong>in</strong> Unterwelts-<br />

tier ist, weil sie entgegen ihrer Vogelnatur<br />

stets bestrebt ist, <strong>mit</strong> dem Kopf zur Tiefe<br />

zu gelangen.<br />

Abb. 6. <strong>Das</strong> E<strong>in</strong>horn hat auf <strong>der</strong> ganzen Erde<br />

fast immer die gleiche Bedeutung. Da <strong>in</strong> ihm<br />

die Zweiteiligkeit <strong>der</strong>Tiematur, die ganze Bis-<br />

laperalität zu e<strong>in</strong>er deutlichen E<strong>in</strong>heit gewor-<br />

den ist, bedeutet e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>horn, daß <strong>der</strong> Zwie-<br />

spalt <strong>der</strong> Menschen erlöschen wird, weil e<strong>in</strong><br />

neuer Heros kommt, <strong>der</strong> die beiden Hälften<br />

des Yang und Y<strong>in</strong> <strong>in</strong> sich vere<strong>in</strong>igt. Daß hier<br />

im Kirchbau die Er<strong>in</strong>nerung an die Bedeu-<br />

tung des E<strong>in</strong>horns ironisch ist, ist kaum zu<br />

bestreiten.<br />

Abb. 8. Die Chorgestühlplastik bietet bisher<br />

noch ziemlich viele unbekannten Schönhei-<br />

ten, bei denen bisher die Frage <strong>der</strong> Herkunft<br />

<strong>der</strong> Ideen durchaus noch nicht geklärt ist.<br />

Zwischen den Bankreihen <strong>der</strong> Chorgestühle<br />

f<strong>in</strong>det man häufiger ähnliche Darstellungen,<br />

wie unser Bild sie zeigt, <strong>in</strong> denen häufig <strong>in</strong><br />

gewisser Weise das <strong>Tier</strong> über den Menschen<br />

triumphiert. Die StiUsierung geht dabei mei-<br />

stens so weit, daß man nicht mehr durchaus<br />

an e<strong>in</strong> bestimmtes <strong>Tier</strong> denken kann.<br />

Abb. g. Am Fuße e<strong>in</strong>es Sarkophags Darstel-<br />

lungen von <strong>Tier</strong>en, beweisen deutlich, daß <strong>der</strong><br />

Körper selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterwelt von <strong>Tier</strong>en be-<br />

wacht werden muß, man kann wohl sicher e<strong>in</strong><br />

Bewußtse<strong>in</strong> annehmen, daß bestimmte Teile<br />

<strong>der</strong> Seele während <strong>der</strong> Unterweltfahrt nur<br />

von <strong>Tier</strong>en am Leben erhalten werden kön-<br />

nen, welche an den Grenzen <strong>der</strong> Unterwelt,<br />

also unter Westen und imter Osten liegen.<br />

Abb. II. Die Darstellungen an den Pfeilern<br />

sche<strong>in</strong>en als Jagddarstellungen zu gelten, aber<br />

70<br />

<strong>der</strong> Geheims<strong>in</strong>n dieser Darstellung läßt sich<br />

vorläufig nicht entziffern. <strong>Das</strong> verschlungene<br />

Bandomament ist dabei beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teres-<br />

sant, denn e<strong>in</strong> Doppelkreis und e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher<br />

Kreis s<strong>in</strong>d <strong>mit</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden. <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>e<br />

bedeutet die Zahl 8, das an<strong>der</strong>e die Zahl 4,<br />

zusammen also die Zahl 12.<br />

Beachtenswert ist vor allen D<strong>in</strong>gen aber, daß<br />

sowohl auf diesem Bilde als auch auf dem fol-<br />

genden <strong>in</strong> den Kirchenfenstem <strong>Tier</strong>darstel-<br />

lungen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, imd zwar sche<strong>in</strong>bar<br />

Löwen, Wid<strong>der</strong>, Stiere etc. Ich glaube per-<br />

sönlich, daß <strong>in</strong> diesen <strong>Tier</strong>en vor den Fenstern<br />

ursprünglich wie<strong>der</strong>um <strong>Tier</strong>e <strong>der</strong> Unterwelt<br />

und Wächter <strong>der</strong> westöstHchen Weltgrenzen<br />

angedeutet se<strong>in</strong> sollen.<br />

Abb. 14. Es soll e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>gewiesen<br />

se<strong>in</strong>, daß die Welt des Tages die Zahlen i,<br />

3, 5 trägt, während die Welt <strong>der</strong> Nacht auf<br />

2, 4, 6, 8 aufgebaut ist. Ich glaube also, aus<br />

dem paarweisen Vorkommen <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e schon<br />

von vornhere<strong>in</strong> behaupten zu können, daß sich<br />

dasselbe auf die Unterwelt bezieht. Mit dieser<br />

Reihe möchte ich also kurz e<strong>in</strong>e Andeutung<br />

gegeben haben, daß im europäischen, christ-<br />

lichen Kirchenbau noch vielerlei Belege dafür<br />

zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, daß e<strong>in</strong>e sehr weitgehende Ver-<br />

wertung von heidnischen Motiven <strong>in</strong> den An-<br />

lagen und E<strong>in</strong>zelheiten stattgefunden hat.<br />

Abb. 16— ig. Der Inhalt dieser Bil<strong>der</strong> ist un-<br />

ter allen Umständen astrologisch und ihre<br />

völlige Ausdeutung würde den Umfang e<strong>in</strong>es<br />

großen Werkes ausmachen. Es gibt zunächst<br />

ke<strong>in</strong>e Ursache anzunehmen, daß diese Arbei-<br />

ten, die im Norden gefunden wurden, auf süd-<br />

lichen E<strong>in</strong>fluß zurückgehen. Trotzdem f<strong>in</strong>den<br />

wir Motive aus ungefähr allen denkbaren Kul-<br />

turen, <strong>Tier</strong>e von affenartiger Form, vieUeicht<br />

<strong>mit</strong> Vogelköpfen und dabei den Schwänzen<br />

von Seeungeheuern o<strong>der</strong> Schlangen, Menschen


<strong>mit</strong> phantastischen <strong>Tier</strong>köpfen, Menschendar-<br />

stellungen <strong>mit</strong> verschlungenen Schlangenlei-<br />

bem, Darstellungen von Kentauern, Men-<br />

schen <strong>mit</strong> riesengroßen Hörnern, Menschen<br />

<strong>mit</strong> drei Köpfen, Fische und unendlich viel<br />

an<strong>der</strong>es. Wir wollen uns nicht verhehlen, daß<br />

e<strong>in</strong>e wirkliche Lesung dieser Bil<strong>der</strong> für uns<br />

den Schlüssel geben wird für die Kenntnis<br />

<strong>der</strong> Astrologie im Norden. Wenn dort <strong>in</strong> fer-<br />

neren Vorzeiten bereits e<strong>in</strong>e entwickelte Pla-<br />

netenlehre etc. vorhanden war, werden wir<br />

e<strong>in</strong>en Grund mehr haben, die Grundbegriffe<br />

<strong>der</strong> nordischen Lehren immer weiter zu unter-<br />

suchen. Beson<strong>der</strong>s zu beachten ist aber, daß<br />

auf dem Bilde i6, zweite Reihe, Wesen <strong>mit</strong><br />

vogelartigen Köpfen zu erkennen s<strong>in</strong>d, welche<br />

genau den viel älteren schwedischen Felsbildem<br />

<strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht entsprechen. Menschen<br />

<strong>mit</strong> Vogelköpfen und <strong>Tier</strong>köpfen spielen über-<br />

haupt, vor allen D<strong>in</strong>gen aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> ägypti-<br />

schen Kultur, die größte Rolle.<br />

Die <strong>mit</strong> Abb. i8 u. ig gezeigten Bil<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d so<br />

erstaunlich, wie kaum e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Dokument<br />

<strong>der</strong> Vorzeit. Elefanten, Geflügel <strong>der</strong> Vierfüß-<br />

ler <strong>mit</strong> Papageienköpfen, E<strong>in</strong>hornen, Leopar-<br />

den und Hunde sowie auch Pferde ersche<strong>in</strong>en<br />

auf den Bil<strong>der</strong>n ; Menschen bekleidet und unbe-<br />

kleidet, auf den Köpfen Vögel und an<strong>der</strong>e Tie-<br />

re. Auch hier wird e<strong>in</strong>e Deutung bisher kaum<br />

möglich se<strong>in</strong>. <strong>Das</strong> Vorkommen von Schlange<br />

und e<strong>in</strong>em geflügelten <strong>Tier</strong>e, also die Vorstufe<br />

von Naga und Garuda, f<strong>in</strong>den wir ebenso wie<br />

den Fischreiter. Merkwürdigerweise f<strong>in</strong>denwir<br />

aber auch verstreut <strong>in</strong> diesen Bil<strong>der</strong>n Orna-<br />

mente von kolonartigen Reihen, welche beson-<br />

<strong>der</strong>s deutlich er<strong>in</strong>nern an die Darstellung des<br />

Nabels vom Delph<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Spezialarbeit über<br />

dieses Thema wäre von höchstem Interesse.<br />

Abb. 20—2j. In diesen Lappentrommeln, wel-<br />

che dem Werke von Rudbeck entnommen<br />

71<br />

s<strong>in</strong>d, haben wir aber e<strong>in</strong>en weiteren Beweis,<br />

daß die <strong>Tier</strong>vorstellungen <strong>in</strong> den <strong>Religion</strong>en<br />

des Nordens vollkommen seßhaft s<strong>in</strong>d. Rud-<br />

beck selbst hat manche Deutungen zu diesen<br />

Bil<strong>der</strong>n gegeben, doch halten dieselben kaum<br />

e<strong>in</strong>er tiefer e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>genden Kritik stand. Man<br />

braucht es ja nicht völlig abzulehnen, daß <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Lappentrommeln e<strong>in</strong> christlicher E<strong>in</strong>-<br />

fluß, beson<strong>der</strong>s <strong>mit</strong> Bezug auf die Dreie<strong>in</strong>heit<br />

vorhanden wäre, aber man kommt oft vollkommen<br />

ohne diese Deutung aus. Die Lap-<br />

pentrommeln s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> vielen Fällen <strong>in</strong> drei Teile<br />

zerlegt, welche drei Welten entsprechen, wo-<br />

bei <strong>der</strong> obere Teil dem Himmel, <strong>der</strong> <strong>mit</strong>tlere<br />

Teil <strong>der</strong> Erde und <strong>der</strong> untere Teil <strong>der</strong> Unter-<br />

welt entspricht. Auf Abb. 20 sehen wir, wie<br />

das Gebiet <strong>der</strong> Unter- und Mittelwelt durch-<br />

zogen wird von e<strong>in</strong>er ganz gewaltigen Schlan-<br />

ge, wir sehen weiter <strong>in</strong> dem Mittelfelde e<strong>in</strong>en<br />

Kahn, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> gehörntes <strong>Tier</strong> trägt, genau wie<br />

solche auf den Felsbil<strong>der</strong>n ersche<strong>in</strong>en. Vögel al-<br />

ler Art und Geflügel des Vierfüßlers spielen e<strong>in</strong>e<br />

große Rolle, aber es ist auch sehr wohl denk-<br />

bar, daß geflügelte o<strong>der</strong> <strong>mit</strong> Vogelkopf ver-<br />

sehene Wesen stets Gestirne se<strong>in</strong> sollen. E<strong>in</strong>e<br />

Deutung dieser Lappentrommeln ist ebenfalls<br />

noch nicht möglich. Beson<strong>der</strong>s bemerkenswert<br />

ist aber auf Abb. 23 im oberen Felde die Dar-<br />

stellung e<strong>in</strong>er Frau <strong>mit</strong> vielen Brüsten und<br />

über ihr das bekannte ägyptische Edelkeits-<br />

zeichen, bei dessen Darstellung wir sehen, daß<br />

es <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>kehr <strong>der</strong> Sonne über dem Ost-<br />

horizont entspricht, was ja aus den ägypti-<br />

schen Darstellungen nicht <strong>mit</strong> Sicherheit zu<br />

entnehmen war. Mit diesem Material werden<br />

wir uns noch für lange Zeit immer e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong><br />

zu beschäftigen haben.<br />

Abb. 24 u. 25. Nur zur Er<strong>in</strong>nerung haben wir<br />

dem Bil<strong>der</strong>teil e<strong>in</strong>ige Skizzen aus den schwe-<br />

dischen Felsbildem beigegeben. <strong>Das</strong> Studium


dieses Materials hat noch kaum begonnen.<br />

Daß <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Felsbil<strong>der</strong> teils Vorgänge<br />

aus <strong>der</strong> Erde von großer Bedeutung, teils Vor-<br />

gänge am Sternhimmel zu bedeuten hat, habe<br />

ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er. Ausgabe dieser Felsbil<strong>der</strong> er-<br />

wähnt. Auch dort konnte zunächst nur e<strong>in</strong>e<br />

Anregungzum weiteren Studium gegeben wer-<br />

den, und diese wird <strong>in</strong> nächster Zeit noch<br />

e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung dadurch erfahren, daß viel<br />

neues Material <strong>in</strong> den letzten Jahren gefun-<br />

den wurde und demnächst im Folkwang-Ver-<br />

lag zu e<strong>in</strong>em großen Teil <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s sorg-<br />

fältiger Weise veröffentlicht werden kann.<br />

Daß wir <strong>in</strong> manchen Fällen <strong>der</strong> Darstellungen<br />

Menschen <strong>mit</strong> Vogelköpfen haben, wurde be-<br />

reits erwähnt, und wird nur durch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

Skizze belegt. Die Pflugdarstellung Abb. 24<br />

läßt deutlich erkennen, daß es sich nicht um<br />

e<strong>in</strong>e Realdarstellung handelt, son<strong>der</strong>n um ei-<br />

nen astralen Himmelspflug: denn e<strong>in</strong>es <strong>der</strong><br />

Spanntiere ist gehörnt. Auf <strong>der</strong>selben Seite<br />

unten f<strong>in</strong>den wir wie<strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e <strong>in</strong> paarweiser<br />

Gegenstellung, wie wir solche schon <strong>in</strong> Kir-<br />

chenomamenten fanden, Abb. 26 u. 27 zeigen<br />

e<strong>in</strong>fache Wagen, <strong>in</strong> welche die Spanntiere <strong>in</strong><br />

den Raum zwischen den Deichseln o<strong>der</strong> Zü-<br />

geln gezeichnet s<strong>in</strong>d. Lei<strong>der</strong> konnte nicht <strong>mit</strong><br />

Sicherheit festgestellt werden, ob <strong>in</strong> <strong>der</strong> schwe-<br />

dischen Ausgabe die kle<strong>in</strong>en Strichstemchen<br />

e<strong>in</strong>e Bedeutung haben. Hier<strong>mit</strong> möchten wir<br />

den nordischen Teil abschließen, aus dem sich<br />

natürlich noch e<strong>in</strong> viel reichhaltigeres Mate-<br />

rial an Bil<strong>der</strong>n hätte beschaffen lassen.<br />

Abb. 28 u. 2g. Die Elfenbe<strong>in</strong>manschetten aus<br />

<strong>der</strong> Ben<strong>in</strong>- Gegend von Afrika zeigen Dar-<br />

stellungen, <strong>der</strong>en restlose Deutung erst mög-<br />

lich se<strong>in</strong> wird, wenn wir über die Rehgions-<br />

beziehungen <strong>der</strong> Völker und die Herkunft <strong>der</strong><br />

Völker Genaueres erfahren haben. In Abb. 28<br />

haben wir e<strong>in</strong>e Gottheit, die auf e<strong>in</strong>em Ele-<br />

72<br />

fanten steht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verwandten Stil, wie<br />

wir denselben <strong>in</strong> Indien etc. f<strong>in</strong>den. Die kul-<br />

tische Grundlage <strong>der</strong> Ornamente wird aber<br />

noch deutlicher auf Abb. 2g, auf welcher wir<br />

die Schlange unten erkennen, welche e<strong>in</strong>en<br />

Menschen verschl<strong>in</strong>gt. Die SchlangenW<strong>in</strong>dun-<br />

gen selbst bilden jeweils das Zeichen 8, wel-<br />

ches wir für die Ewigkeit kennen. Der doppel-<br />

köpfige Vogel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des Bildes wird<br />

ebenfalls kultische Bedeutung haben. Man<br />

wird annehmen dürfen, daß <strong>der</strong> Vogel auch<br />

<strong>in</strong> dieser Kultur dem Süden o<strong>der</strong> dem Zenit-<br />

stand <strong>der</strong> Sonne angehört. Daß er von dort<br />

gleichzeitig nach beiden Seiten h<strong>in</strong>überblickt,<br />

wäre natürlich. Nach <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Seite wären<br />

also die Embleme des Ostens und nach <strong>der</strong><br />

rechten diejenigen des Westens und <strong>der</strong> Nacht<br />

zu suchen. Der Zusammenhang <strong>der</strong> Darstel-<br />

lung wäre nur nach e<strong>in</strong>em abgerollten Bilde<br />

möglich.<br />

Abb. 31. Dieses Königssymbol ist von aller-<br />

größter Bedeutung. Aus welcher Zeit die<br />

Grundgedanken <strong>der</strong> Kultbil<strong>der</strong> von Ben<strong>in</strong> her-<br />

rühren, ist noch kaum erörtert worden. Wir<br />

sehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Darstellung e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von Frauen, <strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>in</strong> den<br />

Händen e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d trägt, auf dem Kopf aber e<strong>in</strong><br />

ungefähr rundes Gefäß, das von fünf Hähnen<br />

gekrönt ist. Die Frau, welche dieses Hahn-<br />

S3mibol trägt, ist also die fruchtbare Nacht<br />

und Erde, die den Königssohn, die junge Son-<br />

ne zur Welt gebracht hat. Die Hähne auf dem<br />

Gefäß lassen deutlich erkennen, daß <strong>der</strong>Kron-<br />

hahn auf <strong>der</strong> Spitze nach Osten blickt, die üb-<br />

rigen vier nach den vier Weltgegenden, wenn<br />

man annimmt, daß die ganze Schar <strong>der</strong> Men-<br />

schen unten sich nach Süden gewandt hat.<br />

Es versteht sich also durch dieses e<strong>in</strong>zige Sym-<br />

bol, daß auch <strong>in</strong> Afrika <strong>der</strong> Kult des Hahnes<br />

von großer Bedeutung war, daß <strong>der</strong> Hahn als


Begrüßen<strong>der</strong> des Morgens verehrt wurde und<br />

deshalb auch die Ankunft e<strong>in</strong>es Herrschers<br />

zu verkünden hatte, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>en Weg zum Ze-<br />

nit antrat. Ich möchte an dieser Stelle daran<br />

er<strong>in</strong>nern, daß unser Wort für den Hahnenruf:<br />

Kikeriki: durchaus nicht e<strong>in</strong>e Nachahmung<br />

^ <strong>der</strong> Stimme bedeutet, son<strong>der</strong>n Kik-ri, Kik-ri<br />

zu deuten ist, das heißt Guck-ra.<br />

Abb. 32 u. 33. Schalentragende <strong>Tier</strong>e o<strong>der</strong><br />

Reiter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kultur von Ben<strong>in</strong> und Jo-<br />

ruba sehr häufig. Ich halte es für unwahr-<br />

sche<strong>in</strong>lich, daß diese Gebilde aus <strong>der</strong> Phan-<br />

tasie entstanden s<strong>in</strong>d, glaube vielmehr be-<br />

stimmt, daß auch hier <strong>in</strong> Afrika e<strong>in</strong> sicheres<br />

Bewußtse<strong>in</strong> vorhanden ist, daß jede geweihte<br />

Schale die Bedeutung des großen Meeres unter<br />

<strong>der</strong> Erde hat. Wenn dieselbe also von e<strong>in</strong>em<br />

<strong>Tier</strong> getragen wird, o<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>em Reiter,<br />

so ist ursprünglich sicher die Vorstellung des<br />

Lebens <strong>mit</strong> dem <strong>Tier</strong>e verbunden, das heißt<br />

die Seelen <strong>der</strong> Menschen werden durch das<br />

<strong>Tier</strong> vom Westen zum Osten getragen und <strong>der</strong><br />

Reiter ist <strong>der</strong> Sonnengott.<br />

Abb. 34. Es ist allgeme<strong>in</strong> bekannt, daß die<br />

<strong>Tier</strong>verehrung o<strong>der</strong> besser gesagt die Verwen-<br />

dung des <strong>Tier</strong>es für ReHgionsvorstellungen <strong>in</strong><br />

Ägypten e<strong>in</strong>en ungewöhnlichen Höhepunkt<br />

erreicht hat. <strong>Das</strong> Bildmaterial ist deshalb auf<br />

diesem Gebiet bis auf wenige Dokumente re-<br />

duziert.<br />

Wir sehen die Gött<strong>in</strong> Isis <strong>mit</strong> dem jimgen<br />

Horusk<strong>in</strong>d. Isis wird stets als Kuh gedacht.<br />

Selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Spätzeit fallen die Homoma-<br />

mente auf ihrem Haupte nicht fort. Zwischen<br />

ihnen steht die aufgehende Sonnenscheibe.<br />

Abb. 35. Auch die Katze wurde im ägyptischen<br />

Kult verehrt, während <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Religion</strong>en<br />

verhältnismäßig wenig an dieses <strong>Tier</strong> gedacht<br />

worden ist. Daß sie als böses Pr<strong>in</strong>zip gegolten<br />

hat, steht außer Frage. Sie ist <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>d <strong>der</strong><br />

73<br />

Vögel und vernichtet schon die Jungen <strong>in</strong> den<br />

Eiern.<br />

Abb. 36. In <strong>der</strong> Abtrennung des Schenkels ei-<br />

ner Antilope selbst muß man e<strong>in</strong> religiöses<br />

Symbol erkennen. Die Art, wie <strong>der</strong> Schenkel<br />

vom <strong>Tier</strong>e abgetrennt wird, läßt darauf schlie-<br />

ßen, daß bei je<strong>der</strong> Schlachtung daran gedacht<br />

wurde, daß <strong>der</strong> Schenkel auch e<strong>in</strong>e kosmische<br />

Bedeutung hat. Man muß sich vorstellen, daß<br />

jede Bewegung nur dadurch möghch ist, daß<br />

e<strong>in</strong> Fuß auf e<strong>in</strong>en Punkt <strong>der</strong> Erde aufgesetzt<br />

wird, also e<strong>in</strong>en Augenblick ruht, und gleich-<br />

zeitig <strong>der</strong> ganze an<strong>der</strong>e Körper fortbewegt<br />

wird. Die Zehenspitze des Fußes entspricht<br />

also dem e<strong>in</strong>zigen festen Punkt im Sternhim-<br />

mel, dem Nordpol, <strong>der</strong> Schenkel ist <strong>der</strong> Be-<br />

g<strong>in</strong>n aller Bewegung, und wenn wir also <strong>in</strong><br />

Amerika e<strong>in</strong>e Legende f<strong>in</strong>den, nach welcher<br />

die erste Spur von Erde zwischen den Krallen<br />

e<strong>in</strong>es <strong>Tier</strong>es dadurch zum Erdball erweitert<br />

wird, daß die <strong>Tier</strong>e endlos um diesen w<strong>in</strong>zigen<br />

Erdklumpen kreisen, so erkennen wir deut-<br />

lich, welche Bedeutimg <strong>der</strong> Schenkel des Opfertieres<br />

auch <strong>in</strong> Ägypten haben mußte, wo<br />

<strong>der</strong> Schenkel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des Stemkreises<br />

steht.<br />

Abb. 3y. Die OmamentHrüen dieses e<strong>in</strong>fachen<br />

Jorubaschildes s<strong>in</strong>d für uns von allergrößter<br />

Bedeutung. In <strong>der</strong> Mitte f<strong>in</strong>den wir die Schlan-<br />

ge <strong>der</strong> Unendüchkeit. Neben <strong>der</strong>selben e<strong>in</strong> ver-<br />

schlungenes Ornament, welches aus <strong>der</strong> Ver-<br />

b<strong>in</strong>dung von e<strong>in</strong>em Viereckkreis <strong>mit</strong> zwei<br />

abgeflachten Kreisen besieht. Dieses Orna-<br />

ment beruht also auf den Zahlen 2 und 4. <strong>Das</strong><br />

folgende unendHche Ornament beruht dage-<br />

gen auf <strong>der</strong> Zahl 3.<br />

Ebenfalls erkennen wir aber, daß l<strong>in</strong>ks <strong>der</strong><br />

Mann, rechts die Frau steht ; daß unter dem<br />

Mann e<strong>in</strong> aufsteigendes und unter <strong>der</strong> Frau<br />

e<strong>in</strong> absteigendes <strong>Tier</strong> zu erkennen ist. Es ist


also dieselbe Grundlage <strong>der</strong> Symbolik, die wir<br />

überall f<strong>in</strong>den.<br />

Abb. 38—41. Die peruanischen Tongefäße s<strong>in</strong>d<br />

Dokumente e<strong>in</strong>er außerordentlich belebten<br />

Vergangenheit. Unsere Studien über dieses<br />

Material sche<strong>in</strong>en mir noch <strong>in</strong> den Anfängen<br />

zu stehen. Über die Gefäße selbst glaube ich<br />

annehmen zu können, daß dieselben überwie-<br />

gend <strong>der</strong> Bereitung des Rauschtrankes Cicha<br />

gedient haben. E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die unter-<br />

gegangene Kultur von Peru habe ich versucht,<br />

<strong>in</strong> dem »Reich <strong>der</strong> Inka« (Folkwang-Verlag)<br />

zu geben. Auf Abb. 38 sehen wir die alte Fe<strong>in</strong>d-<br />

schaft zwischen Fisch und Vogel o<strong>der</strong> Naga<br />

und Garuda. Die Darstellung des Fisches (Ro-<br />

chen) ist deutlich auf die Zahl 4 gebracht, und<br />

die Augen selbst kommen ausdrücklich zwei-<br />

mal zu Gesicht. Der Vogel ist dagegen aus-<br />

drücklich im Fluge dargestellt, also als das<br />

<strong>Tier</strong> <strong>der</strong> Oberwelt. Der S<strong>in</strong>n sche<strong>in</strong>t mir also<br />

zu se<strong>in</strong>, daß <strong>der</strong> Vogel se<strong>in</strong>e Begeisterung zum<br />

Fluge aus <strong>der</strong> Überw<strong>in</strong>dung des Fisches ge-<br />

w<strong>in</strong>nt, daß <strong>der</strong> Fisch, <strong>der</strong> die Sonne während<br />

des Nachtweges <strong>in</strong> sich trug, also ungewöhn-<br />

liche Kräfte gekeltert hat. Auf Abb. 3g sehen<br />

wir e<strong>in</strong>en Menschenkopf <strong>mit</strong> <strong>Tier</strong>hauern und<br />

Krebsscheren. Sowohl <strong>in</strong> Abb. 40 wie auch 59<br />

glaube ich zu erkennen, daß man von <strong>der</strong> Wir-<br />

kung des Rauschtrankes zwar e<strong>in</strong>erseits die<br />

Folge <strong>der</strong> Erhebung zum Vogel ableitete, aber<br />

den Untergang zum <strong>Tier</strong> für die weitere un-<br />

vermeidliche Folge hielt.<br />

Die Darstellung 41 wird sich kaum deuten<br />

lassen. E<strong>in</strong>e Mondsichel ersche<strong>in</strong>t zweimal <strong>in</strong><br />

dem sagenhaften <strong>Tier</strong>, das e<strong>in</strong>en großen Speer<br />

o<strong>der</strong> Pfeil trägt. E<strong>in</strong> Kampf gegen die Sonne<br />

wird vielleicht das Motiv für diesen Mondvogel<br />

gewesen se<strong>in</strong>.<br />

Abb. 42. Die Fettschale aus Nordamerika zeigt<br />

ebenfalls e<strong>in</strong> Wesen <strong>mit</strong> merkwürdigen skor-<br />

74<br />

pionartigen Be<strong>in</strong>en, das e<strong>in</strong> menschliches Ge-<br />

sicht, wahrsche<strong>in</strong>lich den Sonnenhelden, <strong>in</strong><br />

die Tiefe h<strong>in</strong>abzieht.<br />

In Abb. 43 haben wir e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>faches Schlangen-<br />

gefäß aus Mexiko. Aber e<strong>in</strong> sehr umfangrei- |<br />

ches Material gerade aus Mexiko liegt über dei I<br />

Verwertung des <strong>Tier</strong>symboles vor. Ich möchte l<br />

dieses große Material aber nur im größeren<br />

Zusammenhang anschneiden, denn die Sym-<br />

bolisierung, die wir <strong>in</strong> Mexiko f<strong>in</strong>den, ist be-<br />

son<strong>der</strong>s kompliziert. In den Grundlagen ent-<br />

spricht sie durchaus den europäischen Vor-<br />

stellungen. Der Begriff <strong>der</strong> Klapptore an den<br />

Grenzen des Meeres ist beispielsweise <strong>in</strong> Me-<br />

xiko beson<strong>der</strong>s häufig vertreten, während wir<br />

<strong>in</strong> Europa nur <strong>in</strong> dem Symplegalen etc. diese<br />

Andeutung f<strong>in</strong>den, abgesehen von dem Mär-<br />

chenmaterial.<br />

Abb. 44 u. 45. Für die Darstellung des <strong>Tier</strong>es<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Religion</strong> wird gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Südsee e<strong>in</strong><br />

unendliches Material zu f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong> imd e<strong>in</strong>i-<br />

ges Bil<strong>der</strong>material wird me<strong>in</strong> Buch über Neu-<br />

Gu<strong>in</strong>ea (Folkwang-Verlag) auch <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>-<br />

sicht enthalten. Auf Neu- Gu<strong>in</strong>ea f<strong>in</strong>den wir<br />

merkwürdigerweise häufig Darstellungen vom<br />

Kampf e<strong>in</strong>es Mannes <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Drachen o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Schlange, die sich gegen ihn aufrichtet,<br />

und es ist ke<strong>in</strong>esfalls <strong>der</strong> heilige Georg als<br />

eigentliche Deutung abzulehnen. Auf Neu-<br />

Mecklenburg f<strong>in</strong>den wir aber ebenso wie a^f<br />

Neu-Seeland e<strong>in</strong>e weitere Kultzentrale, <strong>der</strong>en<br />

Bedeutung sich noch nicht übersehen läßt.<br />

Die Malanganfiguren s<strong>in</strong>d sowohl als Hohl-<br />

plastik von ganz beson<strong>der</strong>em Interesse, als<br />

auch <strong>in</strong> den Deutungen ihrer sämtlichen E<strong>in</strong>-<br />

zelheiten, auf die wir hier nicht vollkommen<br />

e<strong>in</strong>gehen können. In Abb. 44 sehen wir e<strong>in</strong>en<br />

Mann, dessen Brust durch e<strong>in</strong>en Sonnenschild<br />

bezeichnet ist, während zu se<strong>in</strong>en Füßen e<strong>in</strong><br />

<strong>Tier</strong> <strong>mit</strong> zwei Augen, also wahrsche<strong>in</strong>Hch e<strong>in</strong>


Eulensymbol dargestellt ist. Auf dem Haupte<br />

trägt er e<strong>in</strong> großes Symbol, das den Kampf<br />

des Vogels <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Schlange zeigt. Garuda<br />

und Naga. Vogel- und Schlangenmotive s<strong>in</strong>d<br />

auch auf den folgenden Bil<strong>der</strong>n <strong>in</strong> vielfältigen<br />

Komb<strong>in</strong>ationen zu sehen.<br />

Abb. 46—52. Die großartigste Verwendung<br />

des <strong>Tier</strong>symboles f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Spätzeit, das heißt <strong>in</strong> <strong>der</strong> M<strong>in</strong>g-Dynastie. Die-<br />

selbe regierte zuerst <strong>in</strong> Nank<strong>in</strong>g, aber <strong>der</strong> zwei-<br />

te Kaiser verlegte se<strong>in</strong>en Sitz nach Pek<strong>in</strong>g, und<br />

etwa 50 Kilometer nördlich von dieser Stadt<br />

bei Schang-P<strong>in</strong>g begann er <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er grandio-<br />

sen Grabanlage, <strong>in</strong> welcher <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Zeit 13<br />

Kaiser beigesetzt wurden. Die <strong>Tier</strong>reihen, die<br />

zu den Gräbern h<strong>in</strong>führten, bestanden, soweit<br />

wir unterrichtet s<strong>in</strong>d, aus zwei stehenden Lö-<br />

wen, zwei liegenden Löwen, zwei E<strong>in</strong>hornen,<br />

zwei Kamelen, zwei Elefanten und zwei Pfer-<br />

den, aber auch Menschen standen <strong>in</strong> diesen<br />

Reihen, und zwar vier Militärmandar<strong>in</strong>en und<br />

acht Zivilmandar<strong>in</strong>en, im ganzen also zwölf<br />

<strong>Tier</strong>e und zwölf Menschen. Der genaue Ge-<br />

dankengang, <strong>der</strong> dazu geführt hat, diese <strong>Tier</strong>-<br />

alleen zu bauen, sche<strong>in</strong>t mir noch nicht genau<br />

bekannt zu se<strong>in</strong> Aber <strong>der</strong> Weg zur Unterwelt<br />

führt durch e<strong>in</strong>e lange <strong>Tier</strong>reihe, und <strong>der</strong><br />

Mensch hat daran gedacht, bis zu se<strong>in</strong>em Ende<br />

alle Tiematur aus sich heraus zu schaffen<br />

durch die Überw<strong>in</strong>dung dieser <strong>Tier</strong>e, um also <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> höheres <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> übergehen zu können.<br />

Abb. 53. Der Löwe, <strong>der</strong> <strong>in</strong> manchen Formen<br />

zum Hunde übergeht, ist <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a und Siam<br />

beson<strong>der</strong>s häufig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Darstellung vertreten.<br />

Er steht vor Tempeln o<strong>der</strong> auch <strong>mit</strong>ten auf<br />

dem Marktplatz, aber es wird sich wohl kaum<br />

entscheiden lassen, ob er als Tagwächter, also<br />

als Zenitsonne, dasteht o<strong>der</strong> als Wächter zu<br />

e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die Unterwelt.<br />

Abb .54— 52 . Die<strong>Tier</strong>darstellungen gehen aber<br />

75<br />

<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a schon recht häufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> künst-<br />

lerische Form über, bei <strong>der</strong> sich über die sym-<br />

bolische Vorstellung kaum mehr etwas sagen<br />

läßt. Bei Abb. 55 sehen wir wahrsche<strong>in</strong>Uch<br />

e<strong>in</strong>en großen Wasserschlauch auf dem Rücken<br />

e<strong>in</strong>es Kameles, dessen Zweizahl von Höckern<br />

ihm von vornhere<strong>in</strong> die Bedeutung des <strong>Tier</strong>es<br />

sichert, welches <strong>mit</strong> unendlich ger<strong>in</strong>gem Be-<br />

darf an Wasser durch das Reich <strong>der</strong> Sonne<br />

h<strong>in</strong>durch kommen kann. In den <strong>Religion</strong>en ist<br />

das Kamel nur selten ausdrücklich vertreten<br />

und gerade deshalb wird e<strong>in</strong> systematisches<br />

Forschen nach se<strong>in</strong>er Bedeutung wertvoll se<strong>in</strong>.<br />

Über die Pferde <strong>in</strong> Abb. 56 und 5y braucht<br />

kaum etwas gesagt zu werden, die Liebe <strong>der</strong><br />

SteppenVölker für dieses <strong>Tier</strong> hat <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a<br />

lange Zeit die allergrößte Rolle gespielt.<br />

Abb. 58 u. 5g. Die Tonfiguren dieser Bil<strong>der</strong><br />

stellen außerordentHch merkwürdige Wesens-<br />

gebilde dar. Vor allen D<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d die schwer-<br />

fälligen Be<strong>in</strong>e auffallend, die nüt leichten Flü-<br />

geln am Oberschenkel bezeichnet s<strong>in</strong>d. In Ab-<br />

bildung 60 und 61 f<strong>in</strong>den wir wie<strong>der</strong>um die<br />

Schenkel von <strong>Tier</strong>en durch Spiralen bezeich-<br />

net, und man kann erkennen, daß die Vorstel-<br />

lung des festen Poles, <strong>mit</strong> dem <strong>der</strong> Fuß ver-<br />

bunden ist, und von den Schenkeln, durch<br />

welche unendliche Bewegung entsteht, hier<br />

die genau gleiche Grundlage hat, wie <strong>in</strong> Ägyp-<br />

ten o<strong>der</strong> Nordamerika.<br />

Abb. 62. Die Schildkröte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verehrung <strong>der</strong><br />

Ch<strong>in</strong>esen wurde schon besprochen. In unserem<br />

Bilde sehen wir dieselbe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großen<br />

Raum, welcher <strong>der</strong> Unterwelt entsprechen<br />

soll, liegen. Auf ihrer Schale erhebt sich e<strong>in</strong><br />

großer Inschriftste<strong>in</strong>, das heißt, aus ihr ist<br />

das Wissen <strong>der</strong> Nacht hoch aufgestiegen.<br />

Abb. 63. Der Drache als Träger e<strong>in</strong>es \mter-<br />

weltlichen Gebäudes wurde schon erwähnt.<br />

Er entspricht <strong>in</strong> dieser Beziehung durchaus


den Greuelungeheuem <strong>der</strong> nordischen Sa-<br />

gen, zu denen immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sonnenheld<br />

h<strong>in</strong>absteigen muß, bei denen er aber auch Ge-<br />

heimnisse und Schätze f<strong>in</strong>det.<br />

Abb. 64. Hier ist <strong>der</strong> Drache im Aufsteigen aus<br />

den Urwäl<strong>der</strong>n, an se<strong>in</strong>en Pranken s<strong>in</strong>d schon<br />

die Wellenl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Wolken zuerkennen. Se<strong>in</strong><br />

Begleiter, <strong>der</strong> Hirsch, ist rechts oben ebenfalls<br />

zu erkennen. Er bekämpft die Sonne, aber <strong>in</strong><br />

Ch<strong>in</strong>a ist bereits die praktische Erfahrung von<br />

<strong>der</strong>Wohltat desRegens soweit durchgedrungen,<br />

daß er als Wohltäter des Volkes gelten konnte.<br />

Abb. 65. Wir haben hier gleichzeitig <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

untersten Reihe über Wellenmotiven zwei<br />

menschliche Darstellungen <strong>mit</strong> verschlunge-<br />

nen Schuppenleibern, die e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu-<br />

gewandt s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>esmal vone<strong>in</strong>an-<br />

<strong>der</strong> abgekehrt. Ob auch auf diesem Bilde die<br />

Dreiteiligkeit ursprünglich den drei Regierun-<br />

gen Himmel, Erde imd Unterwelt entspre-<br />

chen sollte, läßt sich nur als Möglichkeit an-<br />

deuten. Ich er<strong>in</strong>nere aber daran, daß wir auch<br />

<strong>in</strong> den nordischen Bil<strong>der</strong>n auf die verschlun-<br />

genen Schuppenleiber menschlicher Wesen<br />

aufmerksam gemacht haben.<br />

Abb. 66. Dieses Opfergefäß zeigt e<strong>in</strong>en Men-<br />

schen <strong>in</strong> den Klauen e<strong>in</strong>es <strong>Tier</strong>es, das sei-<br />

ne Lungen umfaßt. Aus dem Munde des Men-<br />

schen geht <strong>der</strong> Atem hervor. Daß alles Räu-<br />

chern also die Bedeutung hat, daß die Lebens-<br />

kraft <strong>der</strong> Pflanzen dem Gott zurückgegeben<br />

wird, ist hier deutlich symboHsch dargestellt,<br />

deshalb hat auch das Untier auf se<strong>in</strong>emHaupt<br />

zwischen Blattomamenten den Kopf e<strong>in</strong>es<br />

Waldtieres, sche<strong>in</strong>bar e<strong>in</strong>es Rehes.<br />

Abb. 67. Dieses Opfergefäß kann wohl nur ge-<br />

deutet werden als e<strong>in</strong> Euter <strong>mit</strong> drei Zitzen,<br />

das vom Leib e<strong>in</strong>es Muttertieres abgetrennt<br />

ist. Daß Milch, Butter und Honig im Orient<br />

früher die kostbarsten Opfer waren, um die<br />

76<br />

neugeborene Sonne zu ernähren, steht <strong>mit</strong><br />

<strong>der</strong>artigen Gefäßen <strong>in</strong> engem Zusammenhang.<br />

Abb. 68 u. 6g zeigen die <strong>Tier</strong>e als Wächter vor<br />

Toren, e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a und e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Birma.<br />

Man erkennt darauf, daß jedes Haus, wo es<br />

auch sei, e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>gang zur Unterwelt bedeu-<br />

tete, <strong>in</strong> welchem <strong>der</strong> Mensch ruhen wollte, wie<br />

auch die Sonne <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht ruht.<br />

Abb. 70—yy. In Angkorvat hat die h<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>di-<br />

sche Kulturwelt e<strong>in</strong> künstlerisches Dokument<br />

geschaifen, wie es solche wohl nur selten auf<br />

<strong>der</strong> Erde gibt, e<strong>in</strong> Dokument, das zwar nicht<br />

die MonumentaHtät des Boro-Budur erreicht,<br />

aber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en ungeheueren Wandreliefs e<strong>in</strong>e<br />

Darstellung des großen <strong>in</strong>dischen Epos Maha<br />

Barata wie<strong>der</strong>gibt, wie wohl nie e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

Epos dargestellt worden ist. Es ist hier nicht<br />

möglich, weiter e<strong>in</strong>zugehen auf den großen<br />

Platz von vorgeschichtUchen Vorstellungen,<br />

die uns Indien erhalten hat und die bis heute<br />

im letzten W<strong>in</strong>kel dieses Kulturkreises, <strong>der</strong><br />

an den austrahschen grenzt, das Leben <strong>der</strong><br />

Völker durchdrungen hat. Fast jede Darstel-<br />

lung, jedes Theater, jede neuere Dichtung f<strong>in</strong>-<br />

det ihren Stoff <strong>in</strong> dieser großen Quelle. Die<br />

Verwegenheit <strong>der</strong> Darstellungen von Angkor-<br />

vat übertrifft alle an<strong>der</strong>enVersuche <strong>der</strong> Kunst,<br />

und trotzdem ist niemals das Gleichmaß über-<br />

schritten. Es versteht sich von selbst, daß die<br />

<strong>Tier</strong>e durchweg <strong>in</strong> diesen Darstellungen <strong>der</strong><br />

Unterwelt angehören, und man darf wohl <strong>mit</strong><br />

Recht sagen, daß die ungeheuer fruchtbaren<br />

Gebiete von H<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dien nicht nur den Men-<br />

schen, son<strong>der</strong>n auch dem <strong>Tier</strong> Zeiten h<strong>in</strong>durch<br />

e<strong>in</strong>e glänzende Entwicklung ermöglicht ha-<br />

ben. Als <strong>der</strong> Mensch dieses Gebiet für sich er-<br />

obern wollte, hat er schwere Kämpfe durch-<br />

führen müssen, um den heutigen Zustand zu<br />

erreichen, <strong>in</strong> dem beispielsweise <strong>in</strong> Siam e<strong>in</strong><br />

Tiger doch schon e<strong>in</strong>e Seltenheit geworden


ist. Aber es ist kaum alle<strong>in</strong> dieser wirkliche<br />

Kampf, <strong>der</strong> den Menschen zu se<strong>in</strong>en religiösen<br />

Darstellungen veranlaßt hat ; denn bevor das<br />

Land den Menschen offen stand, haben hier<br />

die Naturgewalten e<strong>in</strong>en Kampf gekämpft,<br />

dessen Endphasen noch heute mancher Rei-<br />

sende erleben kann. Die Flüsse haben aus den<br />

hohen Gebirgen von Tibet fruchtbares Land<br />

herabgesprengt, aber das Meer hat dieses Land<br />

immer wie<strong>der</strong> verschlungen. Garuda und Na-<br />

ga haben deshalb <strong>in</strong> H<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dien wohl zu al-<br />

len Zeiten e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gliche Be-<br />

deutung gehabt. Die Unterwelttiere <strong>in</strong> den<br />

Darstellungen haben überwiegend Ähnlich-<br />

keit <strong>mit</strong> Hunden o<strong>der</strong> Affen. In Abb. 75 er-<br />

sche<strong>in</strong>t auch <strong>der</strong> Vogel Hansa, <strong>der</strong> ursprüng-<br />

lich wohl durchaus unserer Gans entsprach.<br />

In Abb. y$ firden wir aber auch die gekrönte<br />

Schildkröte <strong>in</strong> ihrem unterweltlichen Wasser-<br />

reich. Die Bedeutimg <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>e wird hier wohl<br />

kaum <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht von den bisher<br />

besprochenen Vorstellungen abweichen.<br />

Abb. y8. Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> buddhistischen Welt s<strong>in</strong>d<br />

dann die Symbole aus <strong>der</strong> Vorzeit genau so<br />

lebendig geblieben, wie die Vorstellungen <strong>der</strong><br />

Heiden <strong>in</strong> <strong>der</strong> christlichen <strong>Religion</strong>. Wir sehen<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e h<strong>in</strong>tei<strong>in</strong>dische Darstellung, die<br />

e<strong>in</strong>gerahmt wird von Zackenreihen, die sämt-<br />

lich auf die Zähne des westlichen Unterwelt-<br />

rachens zurückgehen.<br />

Abb. 80 gibt diesen Unterweltrachen, <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

manchen Fällen zum Elefanten übergeht, wie-<br />

<strong>der</strong>. Hier als Ende e<strong>in</strong>es Türpfostens.<br />

In Abb. 82 u. 83 sehen wir auf <strong>der</strong> Insel Bali<br />

e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Opferhaus e<strong>in</strong> Po-<br />

stament, auf welchem sich e<strong>in</strong> Unterweltwe-<br />

sen <strong>in</strong> die Tiefe stürzt, während an<strong>der</strong>erseits<br />

die Umfassungsmauer endet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em tierarti-<br />

gen Leib, <strong>der</strong> wohl auf e<strong>in</strong>en Tiger geht, <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Pranken Beute hält.<br />

n<br />

Abb. 100 u. loi. Von <strong>der</strong>selben Insel Särge <strong>in</strong><br />

<strong>Tier</strong>gestalt, aus denen nun ganz deutlich wird,<br />

wie je<strong>der</strong> Tote zuerst vom Unterwelttier ver-<br />

schlungen wird, aber wie se<strong>in</strong>e Seele später<br />

durch das Feuer <strong>der</strong> Läuterung aus dem <strong>Tier</strong>-<br />

leib wie<strong>der</strong> befreit wird, woraus sich e<strong>in</strong> gro-<br />

ßer Teil <strong>der</strong> <strong>Tier</strong>opfer erklären läßt, wobei al-<br />

lerd<strong>in</strong>gs auch die praktische Vorstellung <strong>mit</strong>-<br />

spricht, daß jedes <strong>Tier</strong>, das e<strong>in</strong> Mensch erlegt,<br />

schon irgendwie früher Ursache des Todes von<br />

Menschen gewesen ist.<br />

Abb. 84. Wie<strong>der</strong>um <strong>Tier</strong>e als Wächter zum<br />

E<strong>in</strong>gang e<strong>in</strong>er Pagode, die also unterweltlich<br />

gedacht ist. Aus <strong>der</strong> Sprachvergleichung er-<br />

gibt sich, daß <strong>in</strong> Nordeuropa das deutsche<br />

Wort Stube <strong>in</strong> engster Beziehung steht zu<br />

englisch Stov, <strong>der</strong> Ofen. Italienisch Stufa. Im<br />

Ofen werden Pflanzen und <strong>Tier</strong>stoffe ver-<br />

brannt. Sie geben ihre besten Kräfte, näm-<br />

lich die Wärme, an den Menschen ab. In Tirol<br />

haben wir die Schlickertürme, welche Stubai<br />

genannt werden, und ich glaube, daß hier<strong>mit</strong><br />

<strong>der</strong> Beweis erbracht ist, woher <strong>der</strong> Name und<br />

Begriff <strong>der</strong> Stupa <strong>in</strong> Indien etc. gekommen<br />

ist. Dort wird <strong>der</strong> Körper des Heihgen o<strong>der</strong><br />

nur e<strong>in</strong>e Reliqide e<strong>in</strong>geschlossen, um langsam<br />

se<strong>in</strong>e besten Kräfte an die Geme<strong>in</strong>de aus-<br />

strahlen zu lassen.<br />

Abb. 85. Aus dem großen Tempel von Anura-<br />

dapura e<strong>in</strong>e Treppenwange <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em Ele-<br />

fantenkopf <strong>mit</strong> enorm verlängertem Rücken.<br />

In <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Innenseite hat man<br />

aber zugleich den E<strong>in</strong>druck, daß die rechte<br />

Treppenwange e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Unterwelttier ge-<br />

wesen ist. Der Rüssel blieb aber <strong>der</strong> Sym-<br />

metrie wegen unverän<strong>der</strong>t.<br />

Abb. 86. Aus e<strong>in</strong>em ungeheueren Monument,<br />

welches das Nie<strong>der</strong>steigen <strong>der</strong> Ganda zeigt,<br />

sehen wir e<strong>in</strong>erseits wie<strong>der</strong>um die Elefanten<br />

als Vertreter <strong>der</strong> Nachtwelt. An<strong>der</strong>erseits


sehen wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte des Bildes zwischen<br />

gewaltigen Felsen die persönliche Darstellung<br />

<strong>der</strong> Ganda <strong>mit</strong> ihrem Schlangenleib.<br />

Abb. 88. E<strong>in</strong>gang zur Tigerhöhle, umrahmt<br />

von elf mächtigen Köpfen von Raubtieren,<br />

die jedoch teils gehörnt sche<strong>in</strong>en. Über den<br />

Kult dieser Höhle können hier lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

Angaben gemacht werden.<br />

Abb. 8g—9^ s<strong>in</strong>d wie<strong>der</strong>um verschiedene Dar-<br />

stellungen aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen <strong>Tier</strong>skulptur. Re-<br />

ligiöse Vorstellungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Fällen <strong>mit</strong><br />

<strong>der</strong>selben verbunden. Wenn <strong>in</strong> Abb. gi <strong>der</strong><br />

Löwe als Wächter vor e<strong>in</strong>er großen Pagode<br />

liegt, so wird man wohl sagen dürfen, daß <strong>in</strong><br />

diesem Fall <strong>der</strong> Löwe als Wächter des Him-<br />

mels gedacht ist, wie <strong>der</strong> Löwe ja auch bei<br />

uns das südhche Sternbild vertritt. In den<br />

Pagoden von H<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dien begegnet uns <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> spitzen Türme o<strong>der</strong> Dagobas<br />

sehr häufig e<strong>in</strong>e phaUische Vorstellung, nach<br />

welcher also e<strong>in</strong>e starke maskul<strong>in</strong>e Kraft nach<br />

oben gerichtet ist, welche ihr Bewegungsver-<br />

mögen, den Sternhimmel, zum Kreisen br<strong>in</strong>gt.<br />

Es ist nicht ausgeschlossen, daß die verschie-<br />

denen R<strong>in</strong>ge an diesen Türmen sich beziehen<br />

auf die Kreisl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Gestirne. Ursprüng-<br />

lich war wahrsche<strong>in</strong>lich die Spitze auf den<br />

Nordpolarstern h<strong>in</strong>gerichtet, und die sieben<br />

Kreisl<strong>in</strong>ien <strong>der</strong> Sterne des Großen Bären wür-<br />

den also vielleicht <strong>der</strong> Anfang zu diesen Vor-<br />

stellungen se<strong>in</strong>, genau wie <strong>der</strong> Große Hase<br />

um e<strong>in</strong>en bestimmten Zentralpunkt kreist und<br />

an<strong>der</strong>e <strong>Tier</strong>e ihm später folgen. Es sche<strong>in</strong>t<br />

mir, als wenn wir recht nahe vor <strong>der</strong> letz-<br />

ten Klarheit <strong>in</strong> diesen Zusammenhängen<br />

ständen.<br />

<strong>Das</strong>s <strong>in</strong> Abb. 92, wo wir e<strong>in</strong>e Reihe von Pfer-<br />

den sehen, welche meistens löwen- o<strong>der</strong> bären-<br />

artige <strong>Tier</strong>e unter ihre Hufe br<strong>in</strong>gen, ebenfalls<br />

kultische Vorstellungen vorliegen, halte ich<br />

ebenfalls für wahrsche<strong>in</strong>lich, wenn auch das<br />

Bauwerk selbst noch sehr jung ist.<br />

die E<strong>in</strong>zelheiten ist nicht möglich. Die Spitze<br />

des Bauwerkes ist ebenfalls gekrönt durch e<strong>in</strong><br />

schon stark stiHsiertes <strong>Tier</strong> und se<strong>in</strong>en ver-<br />

größerten Rachen. Da<strong>mit</strong> ergibt sich aber so-<br />

fort, daß das ganze Gebäude ebenfalls als un-<br />

terweltlich gedacht ist und also ursprünglich<br />

auf vier Stufen <strong>der</strong> Unterwelt Bezug haben<br />

sollte.<br />

Abb. 95. Die große Pagode von Madura (die<br />

auf dem Bilde natürlich zu kle<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>t)<br />

enthält zahllose Beziehungen zwischen den<br />

Göttern und ihren <strong>Tier</strong>en.<br />

Abb. g6. <strong>Das</strong> Naga-Rehef e<strong>in</strong>er siebenköpfi-<br />

gen Schlange. Die Schlangenw<strong>in</strong>dungen s<strong>in</strong>d<br />

wie<strong>der</strong>um zu 8 zusammengelegt, das heißt<br />

zum Zeichen <strong>der</strong> Unendlichkeit im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

ewigen Wie<strong>der</strong>kehr.<br />

Abb. 97. <strong>Das</strong> Marmortor auf dem Wege zum<br />

Grabe des Kung-tse enthält vielfache Dar-<br />

stellungen vom Drachen und an<strong>der</strong>en <strong>Tier</strong>en.<br />

Es braucht nicht mehr gesagt zu werden, daß<br />

sämtliche Darstellungen <strong>in</strong> kausaler Bezie-<br />

hung zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen. <strong>Das</strong> restlose Neben-<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>stellen dieser Bil<strong>der</strong> wäre e<strong>in</strong>e be-<br />

son<strong>der</strong>s dankenswerte Aufgabe.<br />

Abb. g8. Diese Aufnahmen stellte mir Herr<br />

Regierungsbaurat E.E. Schlieper freundlichst<br />

zur Verfügung. Es handelt sich um außer-<br />

ordentUch merkwürdige tibetanische Skulp-<br />

turen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe von Pek<strong>in</strong>g ausgegra-<br />

ben worden waren, aber nach verhältnismäßig<br />

kurzer Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sche<strong>in</strong>bar ziemlich uner-<br />

klärlichen Weise wie<strong>der</strong> verschwunden s<strong>in</strong>d.<br />

Wir haben rechts e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>mit</strong> verschlungenen<br />

Hörnern, bei dem man sche<strong>in</strong>bar an e<strong>in</strong> ent-<br />

stehendes E<strong>in</strong>horn gedacht hat. Femer ha-<br />

ben wir e<strong>in</strong>en Hirsch, zwei Kühe, e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>mit</strong><br />

menschlichem Gesicht und e<strong>in</strong>en Elefanten.


Alle sechs <strong>Tier</strong>e tragen je zwei Gottheiten, die<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> eng umschl<strong>in</strong>gen. Es wäre erfreulich,<br />

wenn man über den S<strong>in</strong>n dieser Darstellungen<br />

ausführliche Erklärungen erhalten könnte.<br />

Abb. gg. Aus ungefähr dem gleichen Kultur-<br />

kreis haben wir hier zwei Götterdarstellungen,<br />

die e<strong>in</strong>e deutlich erkennbar als Trimurti. Die<br />

Füße <strong>der</strong> beiden ruhen auf Menschen, die da-<br />

durch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Tier</strong>stellung gezwungen s<strong>in</strong>d.<br />

Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesamtdarstellung <strong>der</strong> nord<strong>in</strong>di-<br />

schen und tibetanischen <strong>Religion</strong>svorstellun-<br />

gen wird es möghch se<strong>in</strong>, auf diese Darstel-<br />

lungen weiter e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Abb. 100. Der gekrönte Ganesha <strong>in</strong> mensch-<br />

licher Stellung <strong>mit</strong> zusammengelegten Füßen<br />

und nach oben offen gehaltenen Händen gilt<br />

wohl als e<strong>in</strong> Vertreter <strong>der</strong> Weisheit. Er ist<br />

von e<strong>in</strong>er Schlange umbunden, die ihm über<br />

die l<strong>in</strong>ke Schulter sieht. Daß <strong>der</strong> Elefant als<br />

e<strong>in</strong> <strong>Tier</strong> <strong>der</strong> Weisheit galt, ist <strong>der</strong> praktischen<br />

Erfahrung nach kaum zu verwun<strong>der</strong>n, und<br />

da die Schlange <strong>mit</strong> ihm im Rüssel schon auf<br />

natürlichem Wege verbunden ist, wäre dieses<br />

Attribut eigentlich schon überflüssig. Man hat<br />

ja auch wohl bei den <strong>Tier</strong>en genau beobachtet,<br />

wie lange dieselben ihre Jungen austragen,<br />

und da beim Elefanten hierfür zwei Jahre <strong>in</strong><br />

Frage kommen und die zwei ebenfalls zur<br />

Nacht gehörten, kann man schon für den Be-<br />

griff <strong>der</strong> Weisheit mancherlei Beziehungen<br />

f<strong>in</strong>den.Es wird aber wohl noch h<strong>in</strong>zukommen,<br />

daß das ungewöhnliche Gedächtnis des Ele-<br />

fanten <strong>mit</strong> Bezug auf die Menschen, die ihm<br />

freundlich o<strong>der</strong> fe<strong>in</strong>dlich waren, zu beson<strong>der</strong>en<br />

Vorstellungen geführt hat, nach denen <strong>der</strong><br />

Mensch <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er Psyche <strong>in</strong> dieses <strong>Tier</strong> e<strong>in</strong>-<br />

zugehen vermag, wie <strong>in</strong> ke<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es. Es ist<br />

wohl auch bekannt, daß junge Elefanten <strong>mit</strong><br />

<strong>der</strong> Brustmilch von Frauen aufgezogen wer-<br />

den, und daß diese Frauen zu allen Zeiten des<br />

Lebens auf den Elefanten e<strong>in</strong>en ganz außer-<br />

ordentlichen E<strong>in</strong>fluß behalten, und <strong>in</strong> H<strong>in</strong>ter-<br />

<strong>in</strong>dien, wo <strong>der</strong> Elefantenkult von großer Be-<br />

deutung ist, <strong>in</strong> hoher Verehrung gehalten wer-<br />

den. Die russische Sprache hat merkwürdiger-<br />

weise e<strong>in</strong> selbständiges Wort, nämUch Slon<br />

für den Elefanten. Es gibt für dieses Wort<br />

zwei Möglichkeiten <strong>der</strong> Lesart, nämlich: So-<br />

Ion, das zu verstehen wäre <strong>in</strong> Anlehnung an<br />

das se<strong>mit</strong>ische Salom, Salon im S<strong>in</strong>ne von<br />

Frieden, o<strong>der</strong> aber Aßluna, das heißt : wie <strong>der</strong><br />

Mond. Es ist aber auch sehr wohl möglich,<br />

daß beide Deutungen den geme<strong>in</strong>schaftlichen<br />

Kern haben und zusammenfallen.<br />

In diesen Interpretationen b<strong>in</strong> ich mir bewußt,<br />

<strong>in</strong> manchen Fällen e<strong>in</strong>en neuen Weg<br />

versucht zu haben, und nach mancher Seite<br />

h<strong>in</strong> wird e<strong>in</strong>e Berichtigung ebenso wie auch<br />

e<strong>in</strong>e Erweiterung möglich se<strong>in</strong>. Vor allen D<strong>in</strong>-<br />

gen aber möchte ich zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen,<br />

daß unsere heutige vielfache Beschäftigung<br />

<strong>mit</strong> den Exoten nur e<strong>in</strong>en Wert haben kann,<br />

wenn wir uns <strong>mit</strong> dem Inhalt <strong>der</strong> fremden<br />

<strong>Religion</strong>en sehr e<strong>in</strong>gehend ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.


TAFELN


. Teil e<strong>in</strong>es Chorgestühles,<br />

Valenciennea, Museum.


2. Löwe im Chorgestühl. Ende XIV. Jahrh. Doberan. Cistercienserkitche.<br />

.84


j. Seitenwand des Chorgestühles. Judas, <strong>der</strong> sich erhängt. Um 1500. Erfurt. Dom.<br />

85


4. Kapital. Um 1300. Naumburg. Dom.<br />

86


5. Zwei Kapüälle <strong>der</strong> Krypta. Um 1120. Quedl<strong>in</strong>burg. Servatiuskirche.<br />

87


6. Zwickelfüllung. Halle. Brabant. Liebfrauenkirche.


7- Teil <strong>der</strong> Chorschranken. Frühromanisch. Trier. Dom.<br />

89


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10. Chorgestühl. Basel. Münster.<br />

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. JagddarStellungen. Schwab. Gmünd. Johanniskirche.<br />

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j^. Kapital, norditalienisch. 12. Jahrh. Kalkste<strong>in</strong>. Höhe 45 cm.<br />

Frankfurt a. M. Städtische Galerie.<br />

96


15. Hirten aus e<strong>in</strong>er Verkündigung. XII. Jahrh. Oberitaliemsch. Kalkste<strong>in</strong>. Höhe 72 cm.<br />

Frankfurt a. M. Städtische Galerie.<br />

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24. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil<strong>der</strong>n.<br />

Ältere Bronze-Zeit.<br />

25. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil<strong>der</strong>n.<br />

Ältere Bronze-Zeil.<br />

102


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26. Avisschnitt aus westschwedischen Felsbil<strong>der</strong>n.<br />

Altere Bromc-Zcit.<br />

27. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil<strong>der</strong>n.<br />

Ältere Bronze-Zeit.<br />

10:


25, Manschette. Höhe ca. 25 cm. Elfenbe<strong>in</strong>. Ben<strong>in</strong>. Afrika.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum für Völkerkunde.<br />

104


2g. Manschette. Elfenbe<strong>in</strong>. Höhe ly'/gCm. Ben<strong>in</strong>. Afrika.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum für Völkerkunde.<br />

105


jo. Manschette. Ellfcnhe<strong>in</strong>. Höhe ig cm. Ben<strong>in</strong>. Afrika.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum iür Völkerkunde.<br />

106


31. Königssymhol <strong>mit</strong> Raucherschale. Mess<strong>in</strong>g. Höhe 31 cm. Goldküste. Gebiet von Ben<strong>in</strong>. West-Afrtka.<br />

Hessisches Landesmuseum Darmstadl.<br />

107


32. Schale aus Holz. Höhe iS^/^cm. Durchmesser <strong>der</strong> Schale 16^/2 cm. Joruba. West-Afrika.<br />

Berl<strong>in</strong>. Miiseum für V ölkerkunde.<br />

108


33- Reiter <strong>mit</strong> Schale. Höhe ca. 30 cm. Holz. Joruba. West-Afrika.<br />

Leipzig. Oraasi-Museum.<br />

109


34- fsis <strong>mit</strong> Homs. Höhe ca. 15cm. Ägypten. Spätzeit.<br />

HaOen. Folkwang- Museum.<br />

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35- Katze. Bronze. Höhe ca. 15 cm. Ägypten,<br />

üat/en. Folkwano-Muaeum.<br />

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37. Schild. Länge ca. 160 cm. Holz. Joruba. Afrika.<br />

Hauen. Folkwang- Museum.<br />

113


38. Tongefäß. Höhe ca. 30 cm. Peru. Vorcolumbisch.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum für Völkerkunde.<br />

114


39. Tongefäß. Höhe ca. 20 cm. Peru. Vorcolumbisch.<br />

Berl<strong>in</strong>. Mwteum fär Völkerkunde.<br />

115


40. Tongefäß. Höhe ca. 30 cm. Peru. Vorcolumbisch.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum für Völkerkunde.<br />

116


41. Tongefäß. Höhe ca. 20 cm. Peru. Vorcoiumbisch.<br />

Berl<strong>in</strong>. Mtiseurn für Völkerkunde.<br />

117


42. Fettschale aus hellbraunem Bergschafhorn <strong>mit</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschnittenen Figur e<strong>in</strong>es Bibers.<br />

V3 nat. Gr. Haida. Nord-West-Amerika.<br />

Berl<strong>in</strong>. Mtiseum für Völkerkunde.<br />

118


43. Schlangengefäss aus hellgrauem Ton. V.nat. Gr. Koro. Staat Oaxaca. Mexiko.<br />

Berl<strong>in</strong>. Museum für Völkerkunde.<br />

119


44- Malagganfigur. Höhe ca. i m. Bemaltes Holz. Neu-Mecklenburg. Südsee.<br />

Hagen. Folkwang- Museum.<br />

I20


45- Zwei Malagganfiguren. Bemaltes Holz. Neu- Mecklenburg. Südsee.<br />

Leipzig, Orassimuseum.<br />

121


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52. M<strong>in</strong>g-Gräber , nördlich von Pek<strong>in</strong>g. M<strong>in</strong>g-Zeit, 1338— 1644 nach Chr.<br />

128


5J.<br />

Löwe als Wächter. Ste<strong>in</strong>skulptur. West-Ch<strong>in</strong>a.<br />

129


34- Kamel. Höhe ca. 60 cm. Gebrannter und glasierter Ton. Ch<strong>in</strong>a.<br />

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35' Kamel. Höhe 60 cm. Gebrannter Ton. Ch<strong>in</strong>a. Tang-Zeit, 618— goy nach Chr.<br />

Köln. Museum für ostasiatische Kunst.<br />

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jö. Reiter. Höhe 35 cm. Ton. Gelb glasiert. Ch<strong>in</strong>a. Tang-Zeit, 618—go7 nach Chr.<br />

Frankfurt a. M. Städtische Galerie.<br />

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5§. Tonfigur. Höhe 68 cm. Ch<strong>in</strong>a. Tang-Zeit, 6i8— goj nach Chr.<br />

Köln. M-useum iür ostasiatische Kunst.<br />

134


59- Tonfigur. Höhe 36 cm. Ch<strong>in</strong>a. Tang-Zeit. 618— goj nach Chr.<br />

Köln. Museum für ostasiatiache Kunst.<br />

135


6o. <strong>Tier</strong>-Metall-Relief. Chtna. Ca. Vs natürliche Größe.<br />

AUai-Iran-Kreis. Köln. Museum für ostasiatische Kunst. Sonnenkreise <strong>in</strong> Vor<strong>der</strong>- und H<strong>in</strong>terschenkcl.<br />

136


i. Bronzegefäß von zwei Wid<strong>der</strong>n getragen. Schenkel als große Spiralen. Höhe ca. 40 cm. Vor Chr. Ch<strong>in</strong>a.<br />

Brüssel. Sammlung Stoclet.<br />

137


62. Schildkröte <strong>mit</strong> Inschriftste<strong>in</strong>. Ch<strong>in</strong>a.<br />

138


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63. Tragende Säule <strong>mit</strong> Drachen, <strong>der</strong> herabsteigt. Majolika-Tempel südöstlich von Pek<strong>in</strong>g.


64. Drache, Hirsch und an<strong>der</strong>e glückliche Vorzeichen. Denkste<strong>in</strong> des Li-Hsi. lyi v. Chr. Ch<strong>in</strong>a.<br />

140


63. Kl.^.j U.i- .U... _. J.i:..,..::..i^:- ----. - - -<br />

In <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ieren Reihe Fu-Ai Mn-Kmt, die liegrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ordnung <strong>mit</strong> liichtniaHS und KomiKUtn, jedoch oedachtatH untfrurtlUtche OutUtrtIrn<br />

<strong>mit</strong>Schui>penschwanzzur E<strong>in</strong>heit im II aaser verbunden. L<strong>in</strong>ks <strong>mit</strong> Kreuz nach Sonnenau/uang, rechts <strong>mit</strong> Unten/anusur<strong>in</strong>kel nach Westen.<br />

141


66. Opfergefäss. Bronze, vor Chr. Ch<strong>in</strong>a.<br />

142


6y. Trankopferschale. Bronze, vor Chr. Ch<strong>in</strong>a.<br />

'43


68. Grosse Gildenhalle. Von Süd -West aufgenommen. Shanghai.<br />

144


6g. E<strong>in</strong>gang zur Schlangenpagode. Mandatay. Birma.<br />

145


yo. Wandrelief. Hanumant. XII. Jahrh. Angkor-Vat. Cambodja.<br />

Hanumant ist das Pr<strong>in</strong>zip des Bösen, <strong>der</strong> Affengott.<br />

146


71. Wandrelief aus dem Ramayana. Rama steigt auf Hanumant. XII. Jahrh. Angkor-Vat. Cambodfa.<br />

^^1


72. Wandrelief. Ravana von Hanumant angegriffen. XII. Jahrh. Angkor-Vat. Camhodja.<br />

148


7J. Wandrelief. Kampf <strong>der</strong> Devas <strong>mit</strong> Asuras Vogel Hansa. XII . Jahrh. Augkor-Vat. Cambodja.<br />

149


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So. Makara-Kopf als seitliches Türpfostenende. Tjandi Ardjoena. Java.<br />

1.6


8i. Banaspatikopf. Tjandi S<strong>in</strong>gasart, Oberes Stockwerk. XIII. Jahrh. Java.<br />

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82. Opferhäuschen. Bali.<br />

158


83. Umfassungsmauer e<strong>in</strong>es Opferhauses. Bali.<br />

159<br />

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9^. E<strong>in</strong>gangstor zur Dagoba. II. Jahrh. v. Chr. Sanchi. Indien.<br />

170


g^. Grosse Pagode. XVII. Jahrh. Madura. Süd<strong>in</strong>dien.<br />

171


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gy. Grab des Kungtse. Marmortor.<br />

173


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gg. Nord<strong>in</strong>dische Götterdarstellung.<br />

175


100. <strong>Tier</strong>särge. Bali.<br />

176


101. Särge <strong>in</strong> Gestalt von Stieren. Bali.<br />

177


I02. Ganesha. Java.<br />

Hagen. Fölkwang-Museum.<br />

I7S


VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN<br />

Erzengel Michael. Erfurt Vor dem Titel<br />

1. Teil e<strong>in</strong>es Chorgestühles. Valenciennes . 83<br />

2. Löwe am Chorgestühl. Doberan .... 84<br />

3. Teil des Chorgestühles. Erfurt .... 85<br />

4. Kapital. Affen. Naumburg 86<br />

5. Zwei Kapitale <strong>der</strong> Krypta. Quedl<strong>in</strong>burg. 87<br />

6. Notre Dame. Halle. Brabant 88<br />

7. Teil <strong>der</strong> Chorschranken. Trier 8q<br />

8. Chorgestühl, Cappenberg c/)<br />

g. Sarkophag. Bielefeld 91<br />

IG. Chorgestühl. Basel Q2<br />

11. Jagddarstellungen. Schwab. Gmünd . . 03<br />

12. <strong>Tier</strong>figuren. Worms 04<br />

13. Teil <strong>der</strong> Heiligengrabkapelle. Gernrode. 95<br />

14. Kapital, norditalienisch 96<br />

15. Hirten aus e<strong>in</strong>er Verkündigung, oberita-<br />

lienisch 97<br />

16. Goldhörner von Gallehus 98<br />

17. Goldhörner von Gundestrup 98<br />

18. Kessel von Gundestrup 99<br />

19. Kessel von Gundestrup 99<br />

20. Lappentrommeln 100<br />

21. Lappentrommeln 100<br />

22. Lappentrommeln loi<br />

23. Lappentrommeln loi<br />

24. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil-<br />

<strong>der</strong>n<br />

25. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil-<br />

<strong>der</strong>n<br />

102<br />

102<br />

26. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbildem<br />

103<br />

27. Ausschnitt aus westschwedischen Felsbil-<br />

<strong>der</strong>n 103<br />

28. Manschette. Ben<strong>in</strong> 104<br />

29. Manschette. Ben<strong>in</strong> 105<br />

30. Manschette. Ben<strong>in</strong> 106<br />

31. Königssymbol. Ben<strong>in</strong> 107<br />

32. Schale. Joruba 108<br />

33. Reiter <strong>mit</strong> Schale. Joruba 109<br />

34. Isis <strong>mit</strong> Hör US. Ägypten iio<br />

35. Katze. Ägypten <strong>in</strong><br />

36. Szene aus e<strong>in</strong>em ägyptischen Totenkult . 112<br />

2,7. Schild. Joruba 113<br />

38. Tongefäß. Peru 1 14<br />

39. Tongefäß. Peru 115<br />

179<br />

40. Tongefäß. Peru 116<br />

41. Tongefäß. Peru 117<br />

42. Fettschale. Nord-West-Amerika . . . ,118<br />

43. Schlangengefäß. Mexiko 119<br />

44. Malagganfigur. Neu-Mecklenburg ... 120<br />

45. Zwei Malagganfiguren. Neu-Mecklenburg 121<br />

46. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 122<br />

47. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 123<br />

48. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 124<br />

49. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 125<br />

50. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 126<br />

51. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 127<br />

52. M<strong>in</strong>g-Gräber. Ch<strong>in</strong>a 128<br />

53. Löwe als Wächter. West-Ch<strong>in</strong>a . . . .129<br />

54. Kamel. Ch<strong>in</strong>a 130<br />

55. Kamel. Ch<strong>in</strong>a 131<br />

56. Reiter. Ch<strong>in</strong>a 132<br />

57. Grabstatuette. Ch<strong>in</strong>a 133<br />

58. Tonfigur. Ch<strong>in</strong>a 134<br />

59. Tonfigur. Ch<strong>in</strong>a 135<br />

60. <strong>Tier</strong>-Metall-Relief. Ch<strong>in</strong>a 136<br />

61. Bronzegefäß. Ch<strong>in</strong>a 137<br />

62. Schildkröte. Ch<strong>in</strong>a 138<br />

63. Tragende Säule <strong>mit</strong> Drachen. Ch<strong>in</strong>a .<br />

64. Drache, Hirsch und an<strong>der</strong>e glückliche Vor-<br />

. 139<br />

zeiten. Ch<strong>in</strong>a 140<br />

65. Relief. Ch<strong>in</strong>a 141<br />

66. Opfergefäß. Ch<strong>in</strong>a 142<br />

67. Trankopferschale. Ch<strong>in</strong>a 143<br />

68. Große Gildenhalle. Shanghai 144<br />

69. E<strong>in</strong>gang zur Schlangcnpagode. Birma . 145<br />

70. Wandrelief. Hanumant. Ankgor .... 146<br />

71. Wandrelief aus dem Ramayana. Ankgor 147<br />

72. Wandrelief. Ankgor 148<br />

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Wandrelief, .\nkgor 149<br />

74. Wandrelief. Ankgor J 50<br />

75. Wandrelief. Schildkröte. Ankgor. . . . 151<br />

76. Wandrelief. Deva auf Elefant. Ankgor . 152<br />

yj. Wandrelief. Hanumants Tod. .\nkgor . 153<br />

78. Giebelfeldrelief, Ch<strong>in</strong>a 154<br />

79. Götterrelief. Madura 155<br />

80. Tjandi Ardjoena: Makara, Java ... 156<br />

81. Tjandi S<strong>in</strong>gasari: Banaspatikopf. Java . 157<br />

82. Opferhäuschen. Bali 158<br />

83. Umfassungsmauer e<strong>in</strong>es üpferhauses. Bali 159


84- Schlangenpagode. Slam i6o<br />

85. Treppenwange. Ceylon 161<br />

86. Felsrelief. Süd<strong>in</strong>dien 162<br />

87. Nakula-Rathaus. Süd<strong>in</strong>dien 163<br />

88. Tigerhöhle. Süd<strong>in</strong>dien 164<br />

89. Monolith Tempel. Süd<strong>in</strong>dien 165<br />

90. Skulptur des Zebu-R<strong>in</strong>des. Süd<strong>in</strong>dien . 166<br />

91. Große Pagode. Birma 167<br />

92. Roßskulpturen. Süd<strong>in</strong>dien . , . , . .168<br />

93. Große Pagode. Süd<strong>in</strong>dien 169<br />

94. E<strong>in</strong>gangstor zur Dagoba. Indien .... 170<br />

95. Große Pagode. Süd<strong>in</strong>dien 171<br />

96. Ste<strong>in</strong>skulptur und Naga-Relief bei den<br />

Ru<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>er Dagoba "... 172<br />

97. Grab des Kungtse. Ch<strong>in</strong>a 173<br />

98. Tibetanische Bronzegruppe 174<br />

99. Nord<strong>in</strong>dische Götterdarstellung . . . . 175<br />

IOC. <strong>Tier</strong>särge. Bali 176<br />

loi. Särge <strong>in</strong> Gestalt von Stieren. Bali . . . 177<br />

102. Ganesha. Java 178<br />

Die meisten Vorlagen stellte das Orient-Archiv und die Photographische Bildstelle des Folkwang-Verlages<br />

<strong>in</strong> Hagen zur Verfügung. Nach Aufnahmen des Herrn Dr. Schöne wurden die folgenden <strong>Abbildungen</strong><br />

hergestellt: 46, 47, 48, 49, 50, 52, nach Aufnahmen des Museums für Ostasiatische Kunst <strong>der</strong> Stadt Köln:<br />

55. 58, 59, 60. Für die freundliche Erlaubnis zur Wie<strong>der</strong>gabe danken Verfasser und Verlag.


VERZEICHNIS DER VO<br />

Adler 4, 43<br />

Affe 20, 77, 85, 86<br />

Ameisen 24<br />

Bär 2, 6, 19, 65<br />

Biene 55<br />

Bock 61<br />

Brüllaffe 55<br />

Drache 22,28,29,32,39,63,64,75<br />

E<strong>in</strong>horn 27, 28, 50, 75, 88, 108<br />

Elefant 4, 32. 44, 46, 47, 49, 50, 51. 7^, 77, 79, 122<br />

123, 125, 126, 127, 162, 163<br />

Ente 5<br />

Esel<br />

Eule 2<br />

Falke 43<br />

Fisch 5, 23, 33, 74<br />

Frosch 35<br />

Fuchs 5. 20, 37<br />

Gaul 14<br />

Geier 4<br />

Gemse 44<br />

Giraffe 47<br />

Hahn 11, 22, 25, 32, 72, 107<br />

Hase 5, 16, 17, 36<br />

Hengst 13<br />

Hirsch 40. 44. 140<br />

Holzwurm 24<br />

Huhn<br />

Hund 14, 16, 20, 30, 93, 97<br />

Hyäne 43<br />

Jagdtier 47<br />

12<br />

10<br />

RKOiM MENDEN TIERE<br />

Kalb 15<br />

Kamel 75, 124, 130, 131<br />

Katze 73, III<br />

Kentaur 48<br />

Kranich 29<br />

Kuh 46, 47, 65<br />

Leopard 12<br />

L<strong>in</strong>dwurm 51<br />

Löwe 2, 9, 10, 43, 70, 75, 80, 84, 91, 94, 128, 129,<br />

144, 165, 167<br />

Muschel 34<br />

Nashorn 28<br />

Pferd ... 12, 14, 26, 42, 44, 48, 78, 132, 133, 168<br />

Rabe 63,64<br />

R<strong>in</strong>d 44, 90<br />

Schildkröte 3, 21, 29, 75, 138, 151<br />

Schlange . . . . 3, 22, 73, 96, loi, 145, 160, 172<br />

Schwan 32<br />

Schwe<strong>in</strong> 21<br />

Stier 70, loi, 155, 177<br />

Tiger 20, 29, 30, 164<br />

Vögel . . 22, 72, 74, 89, IOC, loi, 107, 114, 120<br />

Vorgeschichtliche <strong>Tier</strong>e i<br />

Werwolf 19<br />

Wid<strong>der</strong> 39. 70. ^37<br />

Wilde <strong>Tier</strong>e 1<br />

Wolf 5. 15. 20<br />

Zahme <strong>Tier</strong>e<br />

Ziege<br />

i<br />

61, 63


INHALTSÜBERSICHT<br />

ALLGEMEINES i<br />

SPRACHE<br />

CHINA<br />

SÜDSEE<br />

'.<br />

DIE INDIANER 36<br />

EUROPA 39<br />

VON DEN WARRAU AM ORINOCO 53<br />

BEMERKUNGEN ZU DEN BILDERN 69<br />

TAFELN<br />

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN<br />

VERZEICHNIS DER VORKOMMENDEN TIERE 181<br />

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i8<br />

31<br />

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I79


Dieses Werk wurde im A uftrage des Verlages<br />

Georg Müller <strong>in</strong> München von <strong>der</strong> Bayer.<br />

Hofbuchdruckerei Gebrü<strong>der</strong> ReichelA ugsburg<br />

im Frühjahre ig22 gedruckt


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