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Foto: Reinhard Kraus<br />
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Jahres-Abo (4 Ausgaben): Eur 18.–<br />
ausgabe frühling 2013<br />
übergänge<br />
zeitschrift für freie pädagogik<br />
herausgegeben von der lernwerkstatt im wasserschloss pottenbrunn – für aktives und selbstbestimmtes lernen
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freigeist frühling 2013 3<br />
inhalt<br />
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editorial, impressum, screenshot<br />
erwachsen werden in einer unreifen<br />
gesellschaft<br />
gemeinsam durchs feuer gehen<br />
lws goes walkaway<br />
alles leben bewegt sich in kreisen<br />
13 monde unter einer sonne -<br />
eine männerinitiation<br />
interview malidoma somé<br />
unbekannte reformpädagogInnen:<br />
loris malaguzzi<br />
natur&lernwerkstatt<br />
was wurde eigentlich aus: daya<br />
varkonyi?<br />
pädagogik - mehr matsch!<br />
schulalltag: schwanensee<br />
„elfen gibts doch nicht!“<br />
fest der bildung<br />
dramolett, cartoon<br />
das war der schlossball 2013<br />
die zukunft ist erneuerbar<br />
veranstaltungen<br />
impressum<br />
Medieninhaber und Herausgeber (Verleger):<br />
Verein „Mit Kindern wachsen“ -<br />
Initiative für aktives und oenes Lernen<br />
Verlagspostamt: 3140 Pottenbrunn<br />
Aufgabepostamt: 3100 St. Pölten<br />
Redaktion: Kay Mühlmann, Rainer Wisiak, Maria<br />
Altmann-Haidegger, Paul Braunstätter, Franz Josef<br />
und Brigitte Gaugg, Reinhard Kraus, Tobias Steirer,<br />
Luise Muschailov (Cartoon)<br />
freigeist@lernwerkstatt.ws<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss Pottenbrunn<br />
Josef-Trauttmansdor-Str. 10<br />
3140 Pottenbrunn<br />
Schulinfo/Aboservice: fon 02742-43550 (fax 42457)<br />
info@lernwerkstatt.ws, www.lernwerkstatt.ws<br />
Kto 22996, Sparkasse Herzogenburg, BLZ 20219<br />
IBAN: AT 382021900000022996, BIC: SPHEAT21<br />
Anzeigen: Brigitte Gaugg, gaugg@lernwerkstatt.ws<br />
Layout: Franz Josef Gaugg, Reinhard Kraus<br />
Druck: DURABO Čelákovice<br />
Oenlegung gemäß §25 Mediengesetz: ,<br />
Der Verein „Mit Kindern wachsen“ ist zu 100% Inhaber<br />
dieser Zeitschrift. Es erscheinen keine weiteren<br />
Medien.<br />
editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />
Vergangenes Jahr hat der deutsche Autor<br />
Peter Maier zwei Bände zum Thema „Initiation“<br />
veröentlicht. Im Wesentlichen<br />
weist er dort darauf hin, wie wichtig es<br />
wäre, Jugendlichen geeignete Übergangs-<br />
und Initiationsrituale anzubieten,<br />
um kraftvoll durch die Phase der Pubertät<br />
hindurchzukommen und gestärkt in<br />
den Lebensabschnitt des Erwachsenseins<br />
eintreten zu können.<br />
Die wichtigsten Gedanken diesbezüglich<br />
hat Peter Maier im Artikel „Erwachsenwerden<br />
in einer unreifen Gesellschaft“<br />
zusammengefasst und dem freigeist als<br />
Leitartikel zur Verfügung gestellt. Für die<br />
Redaktion war dies der Anlass dafür, sich<br />
ausführlicher diesem Thema zu widmen.<br />
So nden Sie in dieser Ausgabe zwei Artikel<br />
darüber, wie in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
Übergangsrituale angeboten werden:<br />
Artis Franz Jansky erzählt von einem<br />
Walkaway, Reinhard Kraus über den Feuerlauf<br />
im vergangenen Herbst.<br />
Anne Tscharmann, die gemeinsam mit<br />
ihrem Mann Robert Pilak das Seminarzentrum<br />
„Mae Terra“ leitet, erzählt von<br />
einem dort stattgefundenen „Roten<br />
Fest“ - einem Übergangsritual vom Mädchen<br />
zur Frau. Abschließend wollen wir<br />
dieses große Thema der Übergangs-<br />
screenshot<br />
rituale mit einem Bericht von Roland<br />
Helmuth Richter über eine Männer-Initiationsgruppe<br />
und dem Interview mit<br />
Malidoma Somé, der über Initiationsrituale<br />
in seinem Volk der Dagara in Burkina<br />
Faso einst und heute berichtet.<br />
In den Rubriken „Schulalltag“ und „Buchtexte“<br />
soll ein in unserer Gesellschaft sehr<br />
tabuisiertes Thema zu Wort kommen:<br />
der Übergang vom Leben in den Tod.<br />
In den anderen regelmäßigen Rubriken<br />
stellen wir als unbekannten Reformpägagogen<br />
Loris Malaguzzi und als Schulprojekt<br />
die erste Freie Schule in Kärnten<br />
vor: die Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> in der Nähe<br />
von Velden.<br />
Vielleicht haben Sie es schon bemerkt,<br />
als Sie diese Ausgabe in die Hand genommen<br />
haben: auch der freigeist be-<br />
ndet sich in einem Übergang. Er ist auf<br />
48 Seiten angewachsen und wird vielleicht<br />
noch weiter wachsen! Dass dies so<br />
möglich ist, verdanken wir vor allem der<br />
zunehmenden Zahl an AutorInnen, die<br />
uns ihre Texte unentgeltlich zur Verfügung<br />
stellen. Ihnen allen an dieser Stelle<br />
einmal ein großes DANKESCHÖN !<br />
Und Ihnen, liebe Leserinnen und liebe<br />
Leser, wünsche ich viel Freude mit dieser<br />
aktuellen Ausgabe.<br />
Rainer Wisiak<br />
im Namen der Redaktion<br />
www.worldmapper.org<br />
Worldmapper - the world as<br />
you‘ve never seen it before
freigeist frühling 2013 4<br />
erwachsenwerden<br />
in einer unreifen<br />
gesellschaft<br />
Was Initiationen bieten und leisten können. Peter Maier<br />
w<br />
was ist mit unseren Jungen los?<br />
Koma-Saufen, gefährliche Autofahrten,<br />
verrückte Mutproben<br />
wie »S-Bahn-Surfen«, Vandalismus, zunehmende<br />
Gewaltexzesse, Drogen- und<br />
Computersucht, extremes Piercing und<br />
Tätowieren. Diese Reihe könnte fast beliebig<br />
fortgesetzt werden. Aber auch<br />
noch ein anderes Phänomen ist gerade<br />
bezüglich unserer Jungen heute mehr<br />
und mehr zu beobachten: Viele kommen<br />
einfach nicht in die Puschen, hängen jahrelang<br />
orientierungslos herum, scheitern<br />
oftmals in der Schule, neigen zur Depression<br />
und nden einfach nicht in ihr eigenes<br />
Leben, auch wenn sie schon längst<br />
volljährig sind. Also was ist mit unseren<br />
Jungen los?<br />
Wir Eltern, Pädagogen, Psychologen und<br />
Politiker stehen diesem Verhalten eines<br />
Teils unserer Jungen im Grunde hilos<br />
gegenüber, auch wenn sich viele Lehrer<br />
mit großem Engagement gerade um die<br />
»schwierigen« von ihnen bemühen. Was<br />
bringt Jungen dazu, sich aggressiv und<br />
gewalttätig zu verhalten?Warum besaufen<br />
sich viele von ihnen regelmäßig und<br />
glauben, keine Party ohne viel Alkohol bestreiten<br />
zu können? Warum sind so viele<br />
von ihnen orientierungslos und nden<br />
nicht den »Dreh« für ein selbstverantwortliches<br />
Leben? Fragen über Fragen. Sicher<br />
kann man eine Reihe von Argumenten<br />
dazu anführen: schlechtes soziales Milieu,<br />
fehlende männliche Vorbilder, überforderte<br />
Eltern, unkontrollierter Computerkonsum.<br />
Aber keine dieser Ursachen wirkt<br />
wirklich als befriedigende Erklärung.<br />
Jungen brauchen Mutproben<br />
Betrachtet man die gesamte Thematik<br />
jedoch aus der Perspektive des Initiationsgedankens,<br />
so wird sofort vieles<br />
verständlicher: Jungen brauchen geeignete<br />
Übergangsrituale, sogenannte »rites<br />
of passage«, um kraftvoll durch<br />
die Phase der Pubertät hindurchzukommen<br />
und in den Lebensabschnitt<br />
des Erwachsenseins eintreten zu können.<br />
Doch in unserer Gesellschaft ist<br />
das Bewusstsein für Initiation und für<br />
Initiationsrituale weitgehend verloren<br />
gegangen. Es wird vielmehr beständig<br />
der Traum einer »ewigen Jugend«<br />
beschworen, die nie erwachsen wird.<br />
Andererseits wird von der selben Gesellschaft<br />
ganz selbstverständlich er-<br />
Fotos: Rainer Wisiak<br />
freigeist frühling 2013 5<br />
wartet, dass junge Menschen erwachsen<br />
und voll verantwortlich sind, sobald sie<br />
einen Beruf ergreifen. Das erscheint mir<br />
als großer Widerspruch, der vielfältige<br />
Fragen aufwirft:<br />
> Was bedeutet eigentlich »Erwachsensein«<br />
und wie kann man erwachsen werden?<br />
> Welche Kriterien kennzeichnet das »Erwachsensein«<br />
in unserer Gesellschaft?<br />
> Wie, auf welchem Wege und mit welchen<br />
Ritualen und Zeremonien können<br />
Jungen in unserer Gesellschaft den Lebensabschnitt<br />
der Jugend verlassen und<br />
in die neue Lebensphase des Erwachsenseins<br />
hinübergeleitet werden?<br />
> Wohin, besser gesagt »wo hinein«,<br />
also in welches moderne Weltbild und<br />
in welches Wertesystem, wollen wir als<br />
Gesellschaft unsere Jungen zu Beginn<br />
des dritten Jahrtausends eigentlich initiieren?<br />
> Und: wer soll dies machen, wer kann<br />
ein »Initiations-Mentor« sein, der den<br />
Jungen bei diesem so würdevollen Übergang<br />
mit Rat und Tat zur Seite steht und<br />
sie dabei einfühlsam begleitet?<br />
Traditionelle Kulturen wussten<br />
über das Erwachsenwerden<br />
Bescheid<br />
Viele traditionelle Völker wie beispielsweise<br />
die Indianer Nordamerikas hatten<br />
ein selbstverständliches Urwissen<br />
über die Notwendigkeit und Bedeutung<br />
von solchen »Initiationsritualen«. Nur<br />
wenn ihre Jungen von erfahrenen Mentoren<br />
- meist den »Ältesten« ihres Stammes<br />
- bewusst und mit herausfordernden<br />
Prüfungen in das Erwachsensein hinüber<br />
geleitet wurden, konnten sie danach Verantwortung<br />
übernehmen und zum Schutz<br />
ihrer Gemeinschaft beitragen.<br />
Wir Menschen in westlichen Gesellschaften<br />
meinen dagegen, solche Übergangszeremonien<br />
seien nicht erforderlich.<br />
Welch ein großer Irrtum! Denn dann<br />
kann es passieren, dass bereits längst<br />
Volljährige in der Tiefe ihrer Psyche nicht<br />
wirklich erwachsen geworden sind.<br />
Manchmal kann man den Eindruck bekommen,<br />
dass selbst 40- oder 50-Jährige<br />
sehr unverantwortlich handeln. Egoismus,<br />
Gier, Konsumdenken und der persönliche<br />
Vorteil sind oft die Antriebskräfte<br />
von Männern, die sich doch eigentlich<br />
längst für unsere Gemeinschaft engagieren<br />
sollten, wenn diese weiterhin gut<br />
funktionieren will. Wie aber sollen dann<br />
unsere Jungen, die nicht selten noch sehr<br />
idealistisch ausgerichtet sind und etwas<br />
für die Gemeinschaft tun wollen, geeignete<br />
Vorbilder bei den oziell erwachsenen<br />
Männern nden, wenn diese in manchen<br />
Verhaltensweisen und Haltungen<br />
selbst nicht erwachsen sind? Dann trit<br />
leider zu, wovon der Titel dieses Beitrags<br />
spricht: »Erwachsenwerden in einer unreifen<br />
Gesellschaft«. Wie also sollen aus<br />
Jungen Männer mit Kraft, Biss, Verantwortungsgefühl<br />
und Herz werden?<br />
Zehn Thesen zum Erwachsenwerden<br />
Die bisherigen Gedanken sollen in zehn<br />
Thesen plakativ zusammengefasst und<br />
ergänzt werden:<br />
1. These :<br />
In unserer Gesellschaft wird »volljährig«<br />
permanent mit »erwachsen« verwechselt<br />
oder gleichgesetzt. Volljährige werden<br />
zwar juristisch als Erwachsene behandelt,<br />
sind es in ihrer Psyche oft aber<br />
(noch) nicht.<br />
2. These:<br />
Volljährige fühlen sich fälschlicherweise<br />
schon deshalb »erwachsen«, weil sie 18<br />
Jahre alt geworden sind und vielleicht<br />
zusätzlich eine Führerscheinprüfung abgelegt<br />
und das Abitur geschat haben.<br />
3. These:<br />
In unserer Gesellschaft gibt es fast kein<br />
Bewusstsein mehr darüber, was »Erwachsensein«<br />
eigentlich bedeutet.<br />
Folglich gibt es auch keinen Sinn für<br />
die Notwendigkeit von echten »Erwachsenenprüfungen«,<br />
das heißt von<br />
geeigneten Übergangsritualen ins Erwachsensein.<br />
Der Prozess des Erwachsenwerdens<br />
kann sich daher über Jahrzehnte<br />
hinziehen.<br />
4. These:<br />
Jungen haben ein tiefes Bedürfnis nach<br />
Initiation. Sie wollen ihre Kraft, ihre Fä
freigeist frühling 2013 6<br />
higkeiten und ihren Mut zeigen und<br />
unter Beweis stellen und dafür von den<br />
Erwachsenen, vor allem von Männern,<br />
anerkannt werden. Da ihnen aber von<br />
den Erwachsenen und von der Gesellschaft<br />
insgesamt keine geeigneten Rituale<br />
angeboten werden, suchen sie sich<br />
selbst oft gefährliche Ersatzrituale wie<br />
beispielsweise verrückte Autofahrten,<br />
Schlägereien, Koma-Saufen.<br />
5. These:<br />
»Erwachsensein« wird in unserer Gesellschaft<br />
oft auf »Leistung« und »Produktivität«<br />
reduziert. Gerade in Schulen und<br />
sozialen Einrichtungen sollten daher<br />
viel mehr echte persönlichkeitsbildende<br />
Projekte angeboten werden, die den<br />
ganzen Menschen im Blick haben.<br />
6. These:<br />
Die Orientierungslosigkeit vieler Jungen<br />
ist die Folge des Fehlens eines Bewusstseins<br />
in der Gesellschaft über das<br />
»Erwachsensein« und von rechtzeitig<br />
durchgeführten geeigneten »Erwachsenenprüfungen«.<br />
7. These:<br />
Die Autoritätsschwierigkeiten vieler Eltern<br />
gegenüber ihren heranwachsenden<br />
Kindern beruhen auch darauf, dass viele<br />
Eltern in mancher Hinsicht selbst noch<br />
nicht richtig erwachsen geworden sind.<br />
Dann fehlt den Jugendlichen - insbesondere<br />
den Jungen - eine Orientierung an<br />
wirklich erwachsenen Vorbildern.<br />
8. These:<br />
In unserer Gesellschaft wird die »ewige<br />
Jugend« verherrlicht. Dies macht es unseren<br />
Jugendlichen schwer zu erkennen,<br />
was »Erwachsensein« eigentlich bedeutet<br />
und worin der Sinn dafür bestehen<br />
soll. Erwachsensein erscheint vielen Jugendlichen<br />
nicht wirklich attraktiv.<br />
9. These:<br />
Da in unserer Gesellschaft echte Übergangsriten<br />
zum Erwachsensein fehlen, haben<br />
Fernsehshows bei Privatfernsehsendern<br />
wie etwa Germany’s Next Topmodel,<br />
Deutschland sucht den Superstar oder<br />
Das Dschungel-Camp Hochkonjunktur.<br />
Hier soll anscheinend mit seltsamen Pseudo-Ritualen<br />
dieses Vakuum mangelnder<br />
Initiationsangebote gefüllt werden.<br />
10. These:<br />
Jungen können ohne geeignete, erwachsene<br />
Initiations-Mentoren nicht wirklich<br />
erwachsen werden. Lehrer könnten sol-<br />
che Mentoren sein, aber auch alle durch<br />
das Leben gereifte Männer, die Jungen<br />
auf ihrem Weg durch die Pubertät und<br />
dann ins Erwachsensein begleiten.<br />
Kriterien des Erwachsenseins<br />
Nun stellt sich aber die Frage, wie solche<br />
Übergangsrituale in unserer heutigen,<br />
technisch und medial ausgerichteten<br />
Gesellschaft aussehen könnten. Sie<br />
sollten ja ansatzweise all die Kriterien<br />
enthalten, die zu einem echten Erwachsensein<br />
gehören:<br />
Ablösung von den Eltern<br />
die Fähigkeit, allein sein zu können<br />
das Aushaltenkönnen von Entbehrungen<br />
Ängste bestehen können<br />
Möglichkeiten, seinen Mut und seine<br />
Entschlossenheit zu zeigen (Mutproben)<br />
Kontakt zu seinem eigenen Inneren<br />
bekommen und die eigene Identität<br />
erkennen<br />
seine Stärken und Schwächen sehen<br />
und sich selbst annehmen<br />
Kontakt zum eigenen Familiensystem,<br />
zu den Ahnen und zur<br />
Geschichte herstellen<br />
seine Lebensaufgabe, seine Lebensspur,<br />
seine Berufung und damit<br />
seinen Beruf erkennen<br />
Bestätigung durch die Erwachsenen<br />
(Initiationszeichen)<br />
Grundsätzlich sehe ich mehrere Wege,<br />
wie diese »Kriterien des Erwachsenseins«<br />
erworben werden könnten. Manche<br />
Jungen und junge Volljährige haben die<br />
Kraft, sich alleine auf eine Reise zu machen<br />
- weit weg von den Eltern. Ein Gastschul-Aufenthalt<br />
während der Schulzeit<br />
ist solch eine Möglichkeit, eine selbst<br />
Foto: Martin A. Gleiss<br />
freigeist frühling 2013 7<br />
organisierte Weltreise unmittelbar nach<br />
dem Abitur eine andere, eine »Workand-travel-Auslandsreise«<br />
eine dritte.<br />
Diese äußere Reise kann gleichzeitig zu<br />
einer »Heldenreise in die eigene Psyche«<br />
werden, während derer Mut gefragt ist,<br />
Alleinsein bewältigt werden muss und<br />
Ängste zu bestehen sind, die aber zum<br />
Schluss den Schatz wirklicher Persönlichkeitsreifung<br />
und echten Erwachsenwerdens<br />
mit sich bringen kann.<br />
Geeignete Übergangsrituale für<br />
unsere Zeit: Jugend-Visionssuche<br />
und WalkAway<br />
Eine andere, sehr geeignete Möglichkeit<br />
ist die »Jugend-Visionssuche«. Diese<br />
wurde von den beiden Ethnologen und<br />
Psychologen Steven Foster und Meredith<br />
Little entwickelt. Sie erkannten bei<br />
ihrer Beobachtung nordamerikanischer<br />
Indianerstämme schon vor über 30<br />
Jahren die Bedeutung und die Wichtigkeit<br />
von Initiationsritualen. Sie übernahmen<br />
davon den Grundgedanken<br />
und entwickelten für unseren heutigen<br />
westlichen Kulturkreis die sogenannte<br />
Jugend-Visionssuche. Dieses Ritual zum<br />
Erwachsenwerden, das von erfahrenen<br />
Initiations-Mentoren geleitet wird, hat<br />
drei Abschnitte:<br />
vier Tage Vorbereitung in der Gruppe<br />
drei Tage und drei Nächte »Solozeit« -<br />
Verlassen der Gemeinschaft<br />
vier Tage Rückkehr und Wiedereingliederung<br />
in die Gemeinschaft<br />
In der »Solozeit« geht jeder Jugendliche<br />
allein und ohne Essen in die »Wildnis«; er<br />
hat nur einen Rucksack, einen Schlafsack,<br />
eine Regenplane und genug Wasser dabei,<br />
verzichtet aber auf alle sonstigen<br />
Kommunikationsmittel wie Uhr, Handy,<br />
MP3Player, Smart-Phone; er gilt drei<br />
Tage und drei Nächte lang als unsichtbar.<br />
Wenn er dann wieder zurückkehrt aus<br />
dem Wald, ist er ein anderer Mensch,<br />
weil er Ängste durchlitten, das Alleinsein<br />
ausgehalten und in der Regel zu sich<br />
selbst gefunden hat. Viele Jugendliche<br />
sind dabei erwachsen geworden. Dies<br />
wird dann von den Leitern und von den<br />
angereisten Eltern sehr gewürdigt.<br />
Dieses insgesamt elftägige Ritual sprengt<br />
jedoch in der Regel den Rahmen von<br />
Schule und Jugendarbeit. Daher wurde<br />
speziell für 15- bis 18-jährige Jugendliche<br />
eine viertägige Kurzform entwickelt, der<br />
»WalkAway«. Er hat ebenfalls drei Phasen,<br />
die Solozeit dauert jedoch nur 24<br />
Stunden. Dennoch ist diese Zeit des Alleinseins<br />
ohne die gewohnten Kommunikationsmittel<br />
für Jugendliche dieser<br />
Altersgruppe Herausforderung genug.<br />
Der »WalkAway« ist auch als Schulveranstaltung<br />
möglich - ein geeignetes Sicherheitskonzept<br />
vorausgesetzt. Als Gymnasiallehrer<br />
und »WalkAway«-Leiter habe<br />
ich damit seit Jahren ausschließlich gute<br />
Erfahrungen gemacht: Gerade die Jungen<br />
waren danach mächtig stolz, dass sie den<br />
Mut hatten, solch eine »Prüfung« mitzumachen;<br />
die angereisten Eltern waren erleichtert<br />
und erstaunt, dass sich ihr Sohn<br />
zu solch einem Schritt aufgerat und sich<br />
dieser Herausforderung gestellt hatte.<br />
Der persönliche Gewinn daraus war für<br />
die Jugendlichen enorm. Daher sollte die<br />
Thematik »Persönlichkeitsentwicklung -<br />
Erwachsenwerden - Initiation - Initiationsrituale«<br />
noch viel mehr in den Mittelpunkt<br />
pädagogischen Wirkens gestellt werden.<br />
Ich wünsche allen Jungen, einen guten<br />
Weg zu nden, wie sie ihr Erwachsenwerden<br />
bewältigen und dann feiern können.<br />
Ein besonderer Dank an Switschboard<br />
(www.maennerzeitung.de) für die Genehmigung<br />
zum Nachdruck!<br />
info<br />
Peter Maier<br />
Jg. 1954, Gymnasiallehrer in Bayern, Lehrer<br />
für Themenzentrierte Interaktion, Supervisor,<br />
Initiations-Mentor und Autor.<br />
info@initiation-erwachsenwerden.de<br />
Peter Maier<br />
Initiation. Erwachsenwerden in einer<br />
unreifen Gesellschaft<br />
Band I: Übergangsrituale (ISBN 978-3-<br />
86991- 406-6; 16,50 Eur), Band II: Heldenreisen<br />
(ISBN 978-3-86991-409-1;<br />
16,80 Eur), beide MV-Verlag, Münster.<br />
In meinen beiden Büchern habe ich die<br />
Rituale »WalkAway«, »Jugend-Visionssuche«<br />
und »Auslandsreise« ausführlich<br />
beschrieben und unter dem Aspekt der<br />
»Initiation« gedeutet. Nähere Informationen<br />
dazu sind unter der Homepage<br />
www.initiation-erwachsenwerden.de zu<br />
nden, wo die beiden Bücher auch bezogen<br />
werden können. Peter Maier
freigeist frühling 2013 8<br />
gemeinsam<br />
durchs feuer gehen<br />
Wie sich ein zündender Funke bei gutem Wind in<br />
einen wahren Feuerlauf verwandeln kann.<br />
Erzählt von Reinhard Kraus<br />
„w<br />
ie sieht’s aus, Reini, hast Lust dich<br />
mit ein paar Leuten zu treen, um<br />
eine gemeinschaftsfördernde Akti-<br />
on in der Sekundaria zu organisieren?“ So<br />
oder so ähnlich lautete der Aufruf eines<br />
befreundeten Vaters an einem sonnigen<br />
Istrien-Vormittag letzten Jahres. Bald<br />
darauf traf sich eine Gruppe engagierter<br />
Sekundaria-Eltern, um zu beratschlagen,<br />
wie sie ihre Kinder im Gruppenndungsprozess<br />
des anstehenden Schuljahres<br />
unterstützen können. Dabei wurde sehr<br />
rasch klar, dass es zwei sensible Übergangsphasen<br />
ins Sekundaria-Dasein gibt,<br />
die für manche durchaus größere Hürden<br />
darstellen können.<br />
Der erste Übergang beginnt im Alter<br />
von 12 Jahren, ab dem den Kindern in<br />
der <strong>Lernwerkstatt</strong> oen steht, die Sekundaria-Räumlichkeiten<br />
zu nutzen. Der<br />
zweite Übergang stellt die Integration<br />
der Jugendlichen in die sogenannte Sekundaria-Kerngruppe<br />
dar.<br />
Aus der Vergangenheit wussten wir, dass<br />
die Bildung einer „arbeitsfähigen“ Sekundaria<br />
zu einem langwierigen Prozess<br />
führen kann, da damit einige Anforderungen<br />
an die Jugendlichen verknüpft<br />
sind und das soziale Gefüge innerhalb<br />
der Gruppe natürlich nicht immer reibungsfrei<br />
funktioniert.<br />
Letzteres kam dann auch gleich ganz<br />
oen zu Tage, als wir einige Jugendliche<br />
zu einer der Besprechungen in<br />
Istrien eingeladen haben. „Wenn ich mit<br />
dem was Gemeinsames machen muss,<br />
dann bin ich sicher nicht dabei!“ Diese<br />
und noch deutlich schärfere Aussagen<br />
zeigen wie die Bendlichkeit zwischen<br />
manchen Jugendlichen aussehen kann.<br />
Foto: Reinhard Kraus<br />
freigeist frühling 2013 9<br />
Als wesentlich erachteten wir, dass zu der<br />
geplanten Veranstaltung auch die Eltern<br />
eingeladen werden. In einer Schule wie<br />
der <strong>Lernwerkstatt</strong>, in der die sozialen Beziehungen<br />
untereinander eine so große<br />
Bedeutung haben, kann eine gemeinschaftsbildende<br />
Aktion für die Sekundaria<br />
nicht losgelöst von den Beziehungen zwischen<br />
den Jugendlichen und ihren Eltern<br />
und auch den Beziehungen zwischen den<br />
Eltern untereinander betrachtet werden.<br />
Nach dem Gespräch mit den Jugendlichen<br />
war auch ganz klar, dass es bei der<br />
Aktion um eine wirkliche Herausforderung<br />
gehen muss - für die Jugendlichen<br />
und für die Eltern! Nun ja, mit welcher Ver-<br />
Das Seminarhaus am Wachtberg<br />
und Martin Crillovic beim<br />
Einschwingen in den Ort<br />
anstaltung konnten wir der Anforderung<br />
gerecht werden? Einer der Reichtümer der<br />
großen <strong>Lernwerkstatt</strong>-Familie ist der, dass<br />
es für beinahe jede Nachfrage auch einen<br />
Anbieter gibt. Und so war es sicher nicht<br />
Zufall, dass sich gerade Martin Crillovic<br />
in Istrien befand, ein Ex-LWS-Vater und<br />
erfahrener Begleiter von bewusstseinsbildenden<br />
Prozessen. Und das bedeutete,<br />
unsere Aktion wird ein Feuerlauf.<br />
Im Plenum vorgestellt, erzeugte das Vorhaben<br />
große Resonanz unter den Eltern.<br />
Die Jugendlichen gaben sich dagegen<br />
betont cool, aber man merkte, wie die<br />
Spannung zunehmend stieg, nachdem<br />
wir Eltern beschlossen hatten, die Sache<br />
notfalls auch ohne die Beteiligung der<br />
Jugendlichen durchzuziehen.<br />
Wieder nach Österreich zurückgekehrt<br />
gelang es innerhalb kürzester Zeit den<br />
geeigneten Ort für die Aktion zu nden<br />
– den Wachtberg bei Gars am Kamp.<br />
Dort wird von Helene und Dieter Graf ein<br />
Seminarhaus betrieben, mit einem Gelände<br />
rundum, voll mit Kunstobjekten in<br />
der Natur – ein Ort, an dem der Funken,<br />
der in Istrien entstand mit Sicherheit zum<br />
Glühen gebracht werden kann.<br />
Mitte Oktober – keine zwei Monate nach<br />
Geburt der Idee - war es dann soweit.<br />
Rund 50 Leute besiedelten den Wachtberg<br />
mit Zelt und Wohnwagen und ließen
freigeist frühling 2013 10<br />
die sommerliche Energie von Istrien im<br />
herbstlichen Waldviertel wiederaueben.<br />
Am Freitag Abend wurde gleich mit<br />
einer Redestabrunde gestartet. Seine<br />
persönliche Bendlichkeit vor 50 Leuten<br />
auszubreiten, dazu gehört auch Mut.<br />
Dann ins Gelände, Hand in Hand mit geschlossenen<br />
Augen. Ein(e) jede(r) führt<br />
einmal die ganze Gruppe – eine Vertrauenssache.<br />
Am nächsten Tag wunderbares<br />
Spätsommerwetter, wir haben es<br />
uns verdient. Ein martialischer Tanz mit<br />
Atemübungen zur Einstimmung auf das,<br />
was uns am Abend erwartet. Die Feuerstelle<br />
vorbereiten – in der Großgruppe<br />
ein Leichtes. Am Nachmittag ab in die<br />
Natur – jeder für sich, allein.<br />
Für was oder für wen gehe ich ins<br />
Feuer? Die Natur bietet Antworten.<br />
Als dann am Abend das Feuer entzündet<br />
wurde, war allen klar, dass der Feuerlauf<br />
ein mächtiges Ritual sein wird. Feuer<br />
und Trommeln regten uns zu einem<br />
archaisch-ausgelassenen Tanz um den<br />
Feuerplatz an.<br />
Martin hat uns behutsam und mit viel<br />
Feingefühl auf den Punkt X vorbereitet<br />
– den Schritt ins Feuer, den sich wohl<br />
kaum einer im Vorfeld wirklich vorstellen<br />
konnte.<br />
Dieser Schritt ist mir persönlich dann<br />
überraschend leicht gefallen. Die enorme<br />
Kraft des Kreises von 50 Menschen,<br />
die auf das zentrale Feuer fokussiert waren,<br />
war deutlich zu spüren. Wunderbar<br />
war das Gefühl empfangen zu werden<br />
am Ende des Glutteppichs – von Menschen,<br />
die einem nahestehen. Tiefe Ver-<br />
bundenheit und wahre Lebensfreude.<br />
Am nächsten Tag – die Reexion: das<br />
gemeinsam Erfahrene teilen. Redestabrunden<br />
in kleinen Menschenkreisen, wo<br />
sich Jugendliche und Erwachsene bunt<br />
durchmischten. Und Gespräche auf gleicher<br />
Augenhöhe – zwischen Jung und<br />
Alt, nie habe ich das in der Art vorher<br />
schon erlebt. Erzählungen von der Kraft<br />
des ersten Schrittes ins Unbekannte.<br />
Ob es nun im Nachhinein betrachtet den<br />
Zweck erfüllt und die Schwellen für die<br />
Sekundaria-Jugendlichen erleichtert hat,<br />
ist wohl nicht so leicht zu beantworten.<br />
Das Bewusstsein, den Schritt ins Feuer<br />
gewagt zu haben, wird uns aber immer<br />
gewahr sein. Ein unglaublich kraftvolles<br />
Wochenende der Gemeinschaft war es<br />
allemal und viele spürten die Energie<br />
des Feuers noch tagelang ganz kräftig in<br />
ihren Herzen.<br />
www.wachtberg.org<br />
www.atmos.or.at<br />
Reinhard Kraus<br />
Landschaftsökologe, Wildnispädagoge<br />
und Vater von drei Kindern<br />
in der <strong>Lernwerkstatt</strong>.<br />
Fotos: Leonie Mayr, Reinhard Kraus<br />
Foto: Artis Franz Jansky<br />
freigeist frühling 2013<br />
lws goes walkaway,<br />
der eichelhäher begleitet<br />
Schon vor ein paar Jahren fand mit einigen Abgängern der <strong>Lernwerkstatt</strong> im<br />
Wasserschloss ein Walkaway statt. Davon soll hier erzählt werden, vielleicht<br />
auch deshalb, um zu einem weiteren anzuregen.<br />
Von Artis Franz Jansky<br />
v<br />
vom 8. bis zum 10. Juni 2009 waren<br />
sechs interessierte Abgänger der<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> Pottenbrunn auf<br />
einem WalkAway, dem Kurzformat der<br />
Visionssuche. Wir verbrachten eine gemeinsame<br />
Nacht rund um das Basislager.<br />
Am nächsten Morgen ging es für jeden<br />
Teilnehmer auf einen selbst gewählten<br />
Platz im waldigen Gelände, in dem der<br />
ganze Tag und die Nacht alleine und<br />
fastend verbracht wurde. Die Rückkehr<br />
erfolgte am folgenden Morgen bei Tageslicht.<br />
Natürlich gab es gründliche Vorbereitungen:<br />
Vorgespräche mit den interessierten<br />
Jugendlichen Jonathan, Kai, Mario,<br />
Patrick, Petzi und Yasmin.<br />
Vorgespräche mit den Betreuern Lilli<br />
und David.<br />
Verpichtend für die TeilnehmerInnen<br />
war vor dem Walkaway die Durchführung<br />
einer Medizinwanderung,<br />
einem Ganztagessolo, fastend im<br />
Freien, sowie eine Absichtserklärung,<br />
die klar machen sollte, wofür<br />
der WalkAway absolviert wird.<br />
Ein Elternabend vor dem WalkAway.<br />
Als passender Ort wurde das Gelände<br />
des Jagdschlosses Wolfstein im Dunkelsteiner<br />
Wald gefunden. Der Eichelhäher<br />
hatte das Gebiet schon lange vor uns in<br />
Verwaltung.<br />
Er hat ja unentwegt zu tun und panzt<br />
Tausende Bäume im Laufe seines Lebens.<br />
Man nennt das in der Forstwirtschaft die<br />
Hähersaat.<br />
In der zweiten Juniwoche war es dann<br />
soweit: Der Platz für das Basislager wurde<br />
gemäht, das Großzelt als Basislager<br />
aufgebaut und innen für das erste Zusammentreen<br />
vor Ort hergerichtet.Die<br />
Jugendlichen wurden von den Eltern<br />
und Betreuern zum Gelände gebracht<br />
und das Programm wurde vorgestellt.<br />
Nach dem Aufbau der Übernachtungsquartiere<br />
(Zelte und Hängematten) begann<br />
im Basislager die erste Runde mit<br />
dem Erzählen der Erlebnisse während<br />
der Medizinwanderungen. Diese wurde<br />
sehr unterschiedlich erlebt, von interessant<br />
und bereichernd bis zu extrem<br />
langweilig und vorzeitig beendet. Auch<br />
die Begleiter David und Lilli hatten sich<br />
bald entschlossen, die gesamte Zeit mit<br />
dabei zu sein. Beide erzählten von ihren<br />
Medizinwanderungen.<br />
Nun wurde an den Absichtserklärungen<br />
gefeilt. Kai formuliert:<br />
„Ich möchte mir nun als Ziel meiner Vi-<br />
11<br />
sionssuche setzen, herauszunden, was<br />
ich in meinem Leben wirklich will. Ich<br />
möchte meine momentane Lebensweise<br />
loslassen. Ich möchte mich mehr dem<br />
widmen, was mir Kraft gibt, soziale Kontakte,<br />
Musik, Feuer…“<br />
Unsere Zusammenarbeit war, wie auch in<br />
der Vorbereitungszeit, an diesem Abend<br />
perfekt und völlig friktionsfrei. Zwischen<br />
uns oss es ständig.<br />
Der Eichelhäher hatte uns längst entdeckt<br />
und gemeldet. Auch wir meldeten<br />
uns mit viel und guter Musik, Lilli ist, so<br />
wie ich auch, begeisterte Sängerin. Die<br />
Stimmung war ausgezeichnet, das Verhältnis<br />
zwischen uns allen bewegte sich<br />
sehr leicht und in jede Richtung. David<br />
erklärte dazu, die LWS sei vor allem auch<br />
eine Beziehungsschule. Für mich als gelernter<br />
Regelschullehrer und dem üblichen<br />
System stets kritisch gegenüberstehend,<br />
eine Wohltat im Miterleben.<br />
Kai, David und Yasmin im Basislager
freigeist frühling 2013 12<br />
Die Nacht war hereingebrochen und die<br />
Schlafstätten, die noch bei Tageslicht<br />
vorbereitet worden waren, fanden ihre<br />
Benützer. Mario und seine Schwester<br />
Yasmin hatten sich in ihre Hängematten<br />
gelegt.<br />
Zeitig am nächsten Morgen wurde es<br />
ernst. Die Stunde des Hinausgehens war<br />
gekommen. Petzi und Patrick und den<br />
anderen war so etwas wie Spannung anzumerken.<br />
Es galt nun, die Schwelle mit<br />
dem vorbereiteten Absichtssatz zu überschreiten.<br />
Das Eintauchen in die Anderswelt<br />
wurde mit großem Ernst vollzogen,<br />
als eine(r) nach der(m) anderen über die<br />
Schwelle traten - und da geschah es: Exakt<br />
nachdem der Letzte über die Schwelle<br />
getreten war, og der Eichelhäher sehr<br />
leise auf die benachbarte Föhre und anschließend<br />
genau entlang der gesamten<br />
Schwelle in den Questwald.<br />
Stille und Ergrienheit machte sich breit.<br />
Jetzt waren tatsächlich alle auf ihrem<br />
WalkAway und für 24 Stunden ganz mit<br />
sich alleine. Was alles wird dieses Erlebnis<br />
bewirken und verändern?<br />
Jonathan, den ich kürzlich traf, erzählte mir,<br />
wie sehr sich sein Leben seit der Visionssuche<br />
verändert hatte. Ich muss zugeben,<br />
dass ich ihn nicht mehr erkannt hätte.<br />
Wir hatten versprochen, die energetische<br />
Verbindung die gesamte Zeit bis<br />
zur Rückkehr zu halten, was wir auch<br />
taten und nützten die Auszeit, um Geschenke<br />
herzustellen und viel zu bereden.<br />
Der Eichelhäher besuchte uns wieder<br />
und og langsam und mit Pausen<br />
eine große Runde rund um uns. Es war<br />
ein magischer Besuch.<br />
Ein Teilnehmer war zurückgekommen,<br />
konnte aber dazu gebracht werden,<br />
den WalkAway im eigenen Zelt weiter<br />
zu halten und am nächsten Morgen<br />
wieder über die Schwelle zurückzukeh-<br />
Die erste Stärkung nach der Rückkehr Die Eltern treffen ein<br />
ren. Es wurde allmählich dunkel und<br />
wir gingen schlafen mit der Zuversicht,<br />
dass alle unversehrt und gestärkt zurück<br />
kommen würden. In der Nacht begann<br />
es zu regnen und es regnete auch noch<br />
am Morgen. Ich räumte das Basislager<br />
sauber und arrangierte den Platz für das<br />
Geschichten erzählen.<br />
Die Eltern wurden am späten Vormittag<br />
erwartet, die Rückkehr der Walker war für<br />
acht Uhr ausgemacht und da kamen sie,<br />
einzeln und wohlbehalten. Nach der geglückten<br />
Rückkehr aller Jugendlichen el<br />
für uns viel an Spannung und Belastung<br />
ab. Nun wurde ausgeruht, noch nichts erzählt<br />
und für sich selbst und den eigenen<br />
Magen gesorgt. Es spürte sich gut an,<br />
wieder Zivilisation zu schmecken.<br />
Nachdem die erste Mutter eingetroen<br />
war, kam bald der Rest der Eltern(teile).<br />
Kein einziger der teilnehmenden Jugendlichen<br />
hat Vater und Mutter un-<br />
Fotos: Artis Franz Jansky<br />
freigeist frühling 2013 13<br />
ter einem Dach, eine Gegebenheit der<br />
heutigen Zeit. Die Scheune neben dem<br />
Basislager war geönet worden und der<br />
Gabentisch wurde mit mitgebrachten<br />
Lieblingsspeisen belegt. Vorerst jedoch<br />
standen noch das Geschichten erzählen<br />
und das Spiegeln auf dem Programm.<br />
Ein wichtiger Moment war gekommen,<br />
die Geschichten wurden einzeln und<br />
vor allen Zeuginnen erzählt. Die Eltern<br />
hatten sich Taschentücher bereit gelegt.<br />
Spannung und Berührtheit waren dicht<br />
und gut spürbar.<br />
Der Eichelhäher kam nahe zum<br />
Basislager.<br />
Ich spiegelte als Erster die Geschichten<br />
(Spiegeln ist das „angereicherte“ Wiedererzählen<br />
der Geschichte in der dritten<br />
Person), Lilli und David waren die<br />
nächsten Spiegler, auch die anwesenden<br />
Die Geschichten werden<br />
erzählt ...<br />
Eltern ergrien die Gelegenheit und<br />
das Wort und oft auch das Taschentuch,<br />
bewegende Raum-Zeit. Natürlich kam<br />
die Heiterkeit nicht zu kurz, es gab zwei<br />
Pausen zwischen all den Geschichten<br />
und am Ende ein gemeinsames Tönen<br />
mit gefassten Händen. Mir war am Ende<br />
des Tönens nach einem Lust- und Befreiungsschrei,<br />
dieser hatte Echos.<br />
Der Eichelhäher verschwand kopfschüttelnd<br />
in seinem Wald. Der WalkAway war<br />
zu Ende und in bester Stimmung wurden<br />
die Heimreisen angetreten. So good to<br />
be alive und am richtigen Platz.<br />
Der Eichelhäher war noch einmal zu hören:<br />
Sein Lachen kam aus dem gegenüber<br />
liegenden Wald.<br />
Artis Franz Jansky<br />
Großvater, Pädagoge, Kunsttherapeut,<br />
Aufsteller und Visionssucheleiter, kurz:<br />
Begleiter<br />
A-3382 Loosdorf, Hürmer Straße 5,<br />
T 0043 2754 2369, H 0043 699 123 77 849,<br />
E: art.is@aon.at
freigeist frühling 2013 14<br />
alles leben bewegt sich<br />
in kreisen<br />
Anne Tscharmann, von Beruf diplomierte Lebens- und Sozialberaterin, ist auch Ritualbegleiterin, ausgebildet<br />
in der School of Lost Borders für die Begleitung von Visionssuchen und Übergangsritualen sowie bei Nicolai<br />
Van der Bellen für die Begleitung von Schwitzhütten. Sie ist aktiv im www.ritualnetz.at Gemeinsam mit ihrem<br />
Mann Robert Pilak hütet sie einen wunderbaren Platz in der Natur in Schattendorf und gründete dort das<br />
Seminarzentrum „Mae Terra“ (port.: Mutter Erde), wo viele ihrer Seminare stattnden. Im folgenden Artikel,<br />
ergänzt durch einen Beitrag von Iris Graf, erzählt sie über die Wichtigkeit eines Übergangsrituals vom Mädchen<br />
zur Frau.<br />
o<br />
ft frage ich mich: wie war es möglich,<br />
dass auf dieser wunderschönen<br />
Erde das geschehen konnte,<br />
was geschehen ist: Umweltzerstörung,<br />
Ausbeutung von Ressourcen, Tieren,<br />
Menschen, Ausrottung von Lebewesen,<br />
Zerstörung von Lebensräumen ...<br />
Wir hören es von allen Seiten und vor<br />
allem die Völker alter Kulturen erinnern<br />
uns wieder daran: Wir haben den Blick<br />
auf die Quelle allen Lebens aus den Augen<br />
verloren. Die tiefe Wahrheit, die al-<br />
len Menschen, die mit der Natur leben,<br />
noch eine Selbstverständlichkeit ist, ist<br />
uns westlich geprägten Menschen der<br />
industrialisierten Gesellschaften abhanden<br />
gekommen: die Tatsache, dass die<br />
Erde ein lebendiges Wesen ist, die aus<br />
sich heraus lebendige, beseelte Wesen<br />
hervorbringt. Die Einladung der Zeit<br />
heißt: Nehmen wir die Heiligkeit (heil,<br />
heilig, holy, whole - kommt von ganz,<br />
vollkommen) der Erde und all ihrer Lebewesen<br />
wieder ernst, übernehmen wir<br />
Verantwortung für unser Handeln und<br />
muten wir uns den Verantwortungs- und<br />
EntscheidungsträgerInnen mit dieser<br />
Botschaft zu!<br />
Die Verbindung zu unserer Urheimat<br />
wieder herstellen<br />
Der Ausdruck dieser Verbundenheit mit<br />
allem Lebendigen war in allen alten Kulturen,<br />
auch bei unseren europäischen Ureinwohnern,<br />
eine spirituelle Alltagspraxis.<br />
freigeist frühling 2013 15<br />
Die Menschen wussten sich geborgen in<br />
der Großen Mutter, die Leben spendete,<br />
dieses nährte und das Leben wieder zurück<br />
nimmt, um es zu wandeln und neu<br />
zu gebären. Sie beobachteten den Mond<br />
in seinem zyklischen Erscheinungsbild,<br />
sie sahen, dass die Frauen im gleichen<br />
Rhythmus schwingen wie der Mond. Die<br />
Menschen beobachteten den Kreis des<br />
Jahres und fanden sich darin wieder -<br />
das Kind des Frühlings, der erwachsene<br />
Mensch im Sommer, der / die weise Alte<br />
im Herbst und das Sterben im Winter.<br />
Lebensübergänge feiern<br />
Die Menschen beobachteten, dass diese<br />
Übergänge von einer Lebensphase in die<br />
nächste nicht so einfach zu nehmen waren,<br />
es braucht die kundige Begleitung<br />
von lebenserfahrenen Erwachsenen, die<br />
an der Schwelle stehen, ihr Wissen mit<br />
den Jungen teilen und sie einführen in<br />
die Qualität der neuen Lebensphase, in<br />
deren Herausforderungen und deren Geschenke.<br />
Viele dieser alten Initiationsrituale<br />
sind verloren gegangen, bzw. nur noch<br />
in sehr verstümmelter und kraftloser Form<br />
in unserer Gesellschaft zu nden. Doch sie<br />
werden wiederbelebt, immer mehr Menschen<br />
schaen kreative neue Formen und<br />
lassen sich inspirieren von dem Geist der<br />
Verbundenheit mit Mutter Erde.<br />
Vom Mädchen zur Frau<br />
Männer und Frauen hatten in den alten<br />
Kulturen ihre eigenen Initiationsriten,<br />
denn es war allen bewusst, dass Männer<br />
und Frauen trotz vieler Gemeinsamkeiten<br />
auch ihre ganz eigene Kraft haben,<br />
ihre ganz eigenen Qualitäten und<br />
Fähigkeiten, die gepegt und vertieft<br />
gehören, um sich voll und ganz in der<br />
Männer- und Frauenkraft entfalten zu<br />
können und um herauszunden, wie sie<br />
mit ihren Gaben der Gemeinschaft, die<br />
sie trägt, am besten dienen können.<br />
Ich möchte hier speziell auf die Kraft und<br />
Qualitäten der Frau eingehen, denn diese<br />
wurde in den vergangenen Jahrtausenden<br />
von einer ursprünglich heiligen,<br />
lebensspendenen Kraft in ihr Gegenteil<br />
verkehrt. Gut sichtbar wird das anhand<br />
des Umgangs mit der Menstruationszeit.<br />
Versteckt, ignoriert, verfärbt wird diese<br />
Zeit, abgewertet und oft weggewünscht.<br />
Wenn wir uns die Alten anhören, dann<br />
klingt das ganz anders: Ursprünglich war<br />
die Frau als Symbol der Großen Mutter<br />
tief geschätzt und verehrt, vor allem deshalb,<br />
weil sie das große Geheimnis in sich<br />
trägt, Leben heranwachsen zu lassen und<br />
zu gebären. Jeder Mann und jede Frau<br />
kommen aus dem Schoß einer Mutter!<br />
Die Kraft der Mondzeit<br />
Jedem Mädchen, das an diese Schwelle<br />
kommt , das erste Mal blutet, gebührt<br />
die entsprechende Einweihung und die<br />
Würdigung der Gemeinschaft, eine aus<br />
diesem Kreis zu werden, die das Leben<br />
nun weiter geben kann.<br />
Was ist nun die besondere Qualität dieser<br />
Zeit? Ich gebe an dieser Stelle gern<br />
die Gedanken von Brook Medicine Eagle,<br />
einer indianischen Heilerin und Schamanin<br />
wieder. In den indigenen Kulturen<br />
wird die Menstruationszeit „Moontime“<br />
genannt:<br />
Die Mondzeit ist ein großes Geschenk<br />
der Natur an die Frauen und an ihre Gemeinschaft.<br />
Das war allen Mitgliedern<br />
des Stammes bewusst. Den Frauen wurde<br />
am schönsten Platz eine sogenannte<br />
Mondhütte gebaut, in die sie sich zurückziehen<br />
konnten, um sich ganz der<br />
Verbindung zu Mutter Erde, dem großen<br />
Geist und ihren Träumen und Visionen zu<br />
widmen. Die Mondhütte ist ein Platz der<br />
Ruhe, sie mussten nicht arbeiten, nicht<br />
kochen, konnten in Kontakt mit sich selber<br />
und ihrer tiefen Weisheit kommen.
freigeist frühling 2013 16<br />
info<br />
Zentrum Mae Terra<br />
Anne Tscharmann<br />
& Robert Pilak<br />
Mae Terra Mädchen- und Frauenseminare<br />
2013:<br />
Frauen-Schwitzhütten: 9. März, 25.<br />
Mai, 19. Oktober 2013<br />
Frauen-Ritualabende und -Tage<br />
im Kreis des Jahres in Wien und<br />
Burgenland<br />
Wanderseminare für Frauen im<br />
Waldviertel: 29. Mai. - 2. Juni<br />
2013, 14. -17. August 2013<br />
Mädchenseminare für 10 - 14 Jährige<br />
7. - 9. Juni 2013, 7 - 10 Jährige<br />
20. August 2013<br />
Erdzeit für Frauen im Burgenland:<br />
1. - 7. Juli 2013<br />
7022 Schattendorf, Vorstadt 8a,<br />
02686-3865 www.maeterra.at<br />
Sie waren nicht eingebunden in die<br />
täglichen Pichten. Männer, Kinder und<br />
Großmütter übernahmen die Dienste<br />
der Frauen und versorgten sie, damit diese<br />
ihnen Kraftvolles aus ihrer Mondzeit<br />
bringen konnten.<br />
In der Mondzeit hat die Erde Informationen<br />
für sie, wie wir leben sollen, was es<br />
für uns hier und heute zu tun gibt. Und<br />
die Mondzeit würdigt den Schoß als Ort,<br />
wo Schöpfung stattndet. Schwangerschaft<br />
ist das sich erneuernde Leben<br />
selbst, die Frauen sind eingeladen, sich<br />
in dieser besonderen Zeit für dieses<br />
große Geheimnis in sich zu önen.Nicht<br />
nur Kinder werden aus diesem Zentrum<br />
heraus geboren. Auch Visionen entstehen<br />
dort, alle Kreativität und Lebendigkeit<br />
kommt von dort.<br />
Brook erinnert daran, wenn wir Frauen<br />
uns nicht frei nehmen, nehmen wir unserem<br />
Volk, unserer Gemeinschaft, un-<br />
seren Familien etwas weg, weil wir ihnen<br />
nicht das Geschenk machen können, das<br />
wir in uns tragen. Sie lädt uns Frauen<br />
dringend ein, Wege zu nden, diese<br />
Mondzeit als Auszeit wieder in unser Leben<br />
einzubauen!<br />
Alte Rituale - neu mit Leben versehen<br />
Ich selbst habe als Patin zwei meiner<br />
Patentöchter in dieses Fest begleitet. In<br />
meinen Seminaren habe ich mit vielen<br />
Frauen mit der Qualität der Mondzeit<br />
gearbeitet, Rituale gefeiert und Ideen<br />
gesammelt, wie sie mit ihren Töchtern<br />
diese große und wichtige Schwelle in ihrem<br />
Frauenleben begehen können. Ich<br />
tree immer wieder Mütter, Großmütter<br />
und Patinnen, die die ihnen anvertrauten<br />
jungen Mädchen einladen, diesen Übergang<br />
in ihre Fruchtbarkeit ganz bewusst<br />
zu begehen. Nicht immer kommt diese<br />
Einladung an, da es noch sehr fremd ist,<br />
dieses tabuisierte, leider oft immer noch<br />
abgewertete Thema in einer wertschätzenden<br />
Weise aufzugreifen. Insofern<br />
sind wir erwachsenen Frauen eingeladen,<br />
den Mädchen, die wir begleiten, ein<br />
lebendiges Vorbild zu sein in der Würdigung<br />
und Wertschätzung unserer Mondzeit,<br />
denn nur dadurch macht dieses Fest<br />
Sinn, gefeiert zu werden.<br />
Ich gebe an dieser Stelle die Erfahrung<br />
eines Mädchens wieder, der Tochter meiner<br />
Freundin und Kollegin, Claudia Graf,<br />
mit der ich die Frauenwanderseminare<br />
gestalte.<br />
Claudia hat für und mit Iris dieses sogenannte<br />
„Rote Fest“ geplant und gefeiert:<br />
„Das erste Mal von einem „Roten Fest“ gehört<br />
habe ich auf einem Mädchenseminar<br />
von Anne. Mit geel die Vorstellung eines<br />
festlichen Übergangs vom Mädchen zur<br />
Frau. Mit 14 Jahren war es dann soweit und<br />
meine Mutter bot mir an, dieses Fest für<br />
mich und mit mir zu gestalten.<br />
Ich hatte viele Ideen, wie ich dieses Fest<br />
gestalten möchte, doch am schwierigsten<br />
war die Überlegung, wen ich dabei haben<br />
will. Es gibt ja viele, die das vielleicht befremdlich<br />
nden.<br />
Ich lud nach langem Überlegen neun Gäste<br />
ein, von einer 12jährigen Freundin bis<br />
zu meiner 70jährigen Oma ging die Alterspanne<br />
der Frauen. Jede der Eingeladenen<br />
sollte mindestens ein rotes Kleidungsstück<br />
tragen, ein kleines Geschenk mitbringen<br />
und überlegen, was ihr am Frausein gefällt.<br />
Ich selbst wollte unbedingt ein rotes Kleid<br />
an diesem Tag tragen und so ging ich mit<br />
meiner Mutter einkaufen. Es war für alle<br />
Fotos: maeterra<br />
freigeist frühling 2013<br />
Frauen spannend, weil sie noch nie zu so<br />
einem Fest geladen waren. Einige wollten<br />
etwas zu essen mitbringen und ich bat um<br />
rote Speisen.<br />
Meine Vorbereitung sah so aus, dass ich von<br />
jedem Lebensjahr ein Foto heraussuchte<br />
und es in einem bunten Rahmen aufstellte.<br />
Für jede meiner Gäste bastelte ich aus<br />
Salzteig eine rote Rose, die sie als Andenken<br />
mit nach Hause nehmen sollten.<br />
Als die Frauen dann am Nachmittag kamen,<br />
war ich sehr gespannt und aufgeregt.<br />
Wir versammelten uns im Wohnzimmer<br />
und sangen einige meiner Lieblingslieder,<br />
die ich von Anne kannte (z.B. „Niemand<br />
kann mir sagen, ich sei weniger als wunderschön<br />
...“). Ich hielt eine kleine Ansprache,<br />
in der ich alle nochmals begrüßte und<br />
mich bedankte, dass sie zu meinem Fest<br />
gekommen sind. Meine Mutter erönete<br />
die Runde mit der Frage: „Was mag ich<br />
am Frausein? Und wie war es bei meiner<br />
ersten Blutung?“ Das war ein sehr beeindruckendes<br />
Erzählen, weil es ganz unterschiedlich<br />
war, ob meine Oma erzählte,<br />
oder eine Freundin meiner Mama, meine<br />
Tante oder meine Schwester.<br />
Nach dem Lied („Home is where the heart<br />
is“) begannen wir mit dem Ritual: Ich legte<br />
mich auf eine Decke am Boden und wurde<br />
mit einem dünnen Tuch ganz zugedeckt.<br />
Alle Frauen setzten sich um mich herum<br />
und legten eine Hand auf mich. Nun sagte<br />
jede, was sie mir für mein Frauenleben<br />
wünschte. Das waren fröhliche Wünsche,<br />
bei denen ich auch lachen musste und<br />
auch schöne berührende Wünsche (die<br />
kamen zum Beispiel von meiner Oma und<br />
Tante). Danach zog meine Mama das Tuch<br />
ganz langsam von mir weg und ich wurde<br />
mit den Worten „Willkommen in deinem<br />
Frausein“ zuerst von ihr und dann von allen<br />
anderen umarmt. Wir sangen und ich<br />
önete die Geschenke. Die meisten hatten<br />
etwas mit meinem Frausein zu tun. Da gab<br />
es Stöckelschuhe, eine Kette, einen Ring,<br />
ein Ob-Täschchen, ein Bild ...<br />
Alle waren hungrig und wir gingen zur<br />
schön gedeckten roten Tafel. Es gab rote<br />
Rübensuppe, rotes Brot, einen Himbeerkuchen<br />
mit rosa Schlagobers, roten Saft und<br />
Früchtetee.<br />
Es war für mich ein ungewöhnliches und<br />
ganz besonderes Fest!“<br />
Iris Graf, damals Schülerin, geb. 1995<br />
In unseren Frauenseminaren bekommt<br />
die Mondzeit immer ihren gebührenden<br />
Platz und wir ermutigen die Frauen, mit<br />
dieser Vision der Mondhütte in ihr Leben<br />
zu gehen und sich den Raum dafür zu<br />
nehmen, der im Alltag jeder Frau möglich<br />
ist und größer und weiter werden<br />
kann, darf und auch soll.<br />
Die weise Alte & Närrin<br />
Brook erzählt über den Kreis des Lebens,<br />
wenn er sich weiter dreht, wenn die Frau<br />
aus der fruchtbaren Zeit herausgeht und<br />
nicht mehr blutet. Die Frau wird zur weisen<br />
Alten. Diese Frauen sind die kraftvollsten,<br />
sie sind zuständig, das Wissen<br />
über die Zusammenhänge und die Ordnung<br />
des Lebens an die Jungen weiter<br />
zu geben, sie diesen Ort der Intuition zu<br />
17<br />
lehren, ihr Wissen in die Welt zu bringen,<br />
zu Frauen, zu Männern, zu Kindern. Die<br />
Alten haben ihre Verantwortung für die<br />
Familien hinter sich, ihre Aufgabe ist das<br />
spirituelle Wachstum aller Wesen im Kreis<br />
des Lebens. Diese Frauen setzen sich mit<br />
der Kraft der Kriegerin ein gegen Krieg,<br />
Umweltverschmutzung, Zerstörung, für<br />
das gute Leben aller Wesen ... Sie halten<br />
das Blut und haben die Kraft. Bei uns sind<br />
die Alten abgemeldet und das ist falsch<br />
und traurig zugleich. Wenn Frauen in<br />
diesem Selbstverständnis altern, dann<br />
sind sie voller Energie, wir sollten sie ehren<br />
und an ihre Aufgaben und Pichten<br />
erinnern!! Sie haben die Möglichkeit,<br />
wirklich was zu verändern in dieser Welt.<br />
Es ist wichtig die Mädchen zu würdigen<br />
und zu feiern, wenn sie bluten, und die<br />
Alten, wenn sie nicht mehr bluten.<br />
Anne Tscharmann
13 monde unter einer sonne<br />
– eine männerinitiation<br />
Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich als Mittzwanziger mal selbst fragte, ob ich mich als<br />
Mann fühlte. Die Antwort damals war ein recht substanzloses großes Fragezeichen in mir. Mit<br />
diesem Fragezeichen in meinem Herzen bewegte ich mich durch mein halbes Erwachsenenleben,<br />
nicht genau wissend, was mir fehlte, aber wissend, dass etwas fehlte. Nun, in meinen<br />
Mittvierzigern, bin ich in einer Gruppe mit sechs Mitmännern unterwegs, um dieses Fehlende<br />
nachzuholen: meine Initiation. Roland Helmuth Richter<br />
z<br />
freigeist frühling 2013 18<br />
zu Beginn eine kurze Denition, was<br />
ich unter einer Initiation verstehe:<br />
Eine Initiation ist ein (im Idealfall)<br />
begleiteter Übergang von einer Lebensphase<br />
in die nächste, meist ist damit jener<br />
von Jugendlichen ins Erwachsenenleben<br />
gemeint.<br />
Die verschiedenen Lebensphasen haben<br />
unterschiedliche Aufgaben und Herausforderungen<br />
für uns. Werden wir von<br />
erfahrenen Menschen in die neue Lebensphase<br />
hinein begleitet, gelingt der<br />
Übergang leichter und – das ist wesentlich<br />
- abgeschlossener. Das Abschließen<br />
der vergangenen Lebensphase ermöglicht<br />
uns in der Gegenwart zu leben und<br />
unsere Lebensenergie auf die Aufgaben<br />
des neuen Lebensabschnitts zu richten.<br />
Ich glaube auch, dass es ein menschliches<br />
Bedürfnis ist, Klarheit im Abschluss<br />
von Lebensphasen zu erfahren. Wie wir<br />
diese Herausforderung des Übergangs<br />
meistern, kann wesentlich für den weiteren<br />
Verlauf unseres Lebens sein.<br />
Seit etwa zehn Jahren beschäftige ich mich<br />
mit Männerthemen. Letztlich auch als Folge<br />
meiner eigenen Erfahrung, was passiert<br />
oder auch nicht passiert, wenn man als<br />
Junge von Männern allein gelassen wird,<br />
wenn präsente Männer als Vorbilder fehlen.<br />
Mit dieser Erfahrung bin ich in unserer<br />
Gesellschaft sicher nicht alleine.<br />
Vor etwa einem Jahr hatte ich mir Lebensumstände<br />
gesucht, die mir sehr klar<br />
machten, dass ein Teil von mir noch immer<br />
bedürftiges Kind war und sich dem<br />
Erwachsenwerden widersetzte. Als ich<br />
mir dessen bewusst wurde, wollte ich<br />
Fotos: Gert Lanser<br />
freigeist freigeist herbst frühling 2012 2013 19 15<br />
diesem Persönlichkeitsanteil von mir<br />
einen Übergang ermöglichen, um aus<br />
seiner dunklen Trauervergangenheit ins<br />
schöpferische gegenwärtige Leben hineinwachsen<br />
zu können.<br />
Initialzündung war das Buch „Wie Phönix<br />
aus der Asche“ von Stefan Wol, in dem<br />
er seinen eigenen Such(t)- und Erwachsenwerdensprozess<br />
ähnlich beschrieb,<br />
wie ich es bei mir selbst erlebte. Er bot<br />
eine acht Monate dauernde „Manngeburt“<br />
an. Ich überlegte daran teilzunehmen<br />
und zu dieser nach Bayern zu reisen,<br />
mailte ein wenig mit ihm hin und her, bis<br />
mir klar wurde: Nein, ich wollte nicht wieder<br />
an einem Seminar irgendwo in der<br />
Ferne mit fremden Männern, verbunden<br />
mit hohen Kosten, teilnehmen.<br />
Ich hatte 2007 an der Männerinitiation<br />
mit Richard Rohr in der Steiermark teilgenommen<br />
und so wichtig dieser Impuls<br />
damals für mich war, aus meiner heutigen<br />
Sicht benötigt ein Übergangsprozess<br />
einerseits deutlich mehr Zeit als eine<br />
Seminarwoche lang ist - und was mir<br />
andererseits nun wesentlich erscheint,<br />
ist, dass beginnende persönliche Veränderungen<br />
eine lebbare Rückbindung an<br />
den stinknormalen Alltag brauchen, um<br />
dauerhaft wirksam werden zu können.<br />
Persönliches Wachstum fordert einen<br />
Übungsrahmen, benötigt die oftmalige<br />
Bestätigung, dass sich das Neue in uns<br />
auch tatsächlich weiterhin ausbilden<br />
kann und darf. Auch die Erkenntnisse<br />
der modernen Gehirnforschung zeigen<br />
in diese Richtung: zu Veränderungen in<br />
uns kommt es dann, wenn wir emotional<br />
starke und länger andauernde Erfahrungen<br />
machen. Dann können sich neue<br />
Bahnungen in unserem Gehirn entwickeln<br />
und neue Erfahrungen verankern<br />
sich dauerhaft. Veränderungen brauchen<br />
einfach Zeit und Raum.<br />
Das führt mich wieder zurück zur Bedeutung<br />
und Wirksamkeit von Initiationen in<br />
jenen Kulturen, die von der Wichtigkeit<br />
dieses begleitenden Übergangs noch<br />
wissen. Initiationen hatten ja auch den<br />
Sinn, jungen Menschen in einer Gemeinschaft<br />
den Platz zu geben, an dem sich<br />
ihre Kräfte konstruktiv entfalten konnten.<br />
Junge Menschen brauchen einen Raum,<br />
an dem sich ihr Geschenk an die Welt entfalten<br />
darf, einen Raum, in dem ihre Indi-<br />
vidualität erkannt und gewürdigt wird<br />
und in dem ein herzliches Willkommen<br />
für sie und ihre Kräfte möglich wird.<br />
Ursprünglich wurden Initiationen von<br />
erfahrenen Menschen ausgerichtet, die<br />
bereits selbst durch diesen Prozess gegangen<br />
waren. Eine Initiation ist eine<br />
Prüfung durch das Leben und durch die<br />
Gemeinschaft, in der man zukünftig einen<br />
Platz haben will. Dahinter steht die<br />
Frage: Bist du bereit, die volle Verantwortung<br />
für dein Leben und für deine<br />
Aufgabe in unserer Gemeinschaft zu<br />
übernehmen?<br />
In unserer Gesellschaft gibt es diese Art<br />
der Begleitung nicht mehr. Es ist ein – nahezu<br />
- verloren gegangenes Wissen über
freigeist frühling 2013 20<br />
die Notwendigkeit der Begleitung in das<br />
Erwachsenwerden, über die Notwendigkeit,<br />
einen Platz in einer überschaubaren<br />
Gemeinschaft zu nden und die Notwendigkeit,<br />
die eigenen Kräfte konkret<br />
zu erfahren und sie auch in den Dienst<br />
von etwas Größerem stellen zu können.<br />
Ja, sogar darüber hinausgehend, nämlich<br />
zu erfahren, dass eine Gemeinschaft<br />
genau dieser Kräfte junger Menschen<br />
bedarf, um weiterexistieren zu können.<br />
Die Not, in die so viele Menschen im<br />
Laufe ihres Lebens geraten, macht den<br />
Verlust dieses Wissens ebenfalls deutlich<br />
und zeigt, wie wenig verbunden wir uns<br />
mit vielem in unserem Leben fühlen.<br />
Ganz kann dieses Wissen, aus meiner<br />
Sicht, jedoch nicht verloren gehen, da<br />
es ein Bedürfnis unserer Seele zu sein<br />
scheint, Übergangserfahrungen zu machen.<br />
Mehr oder weniger unbewusst<br />
schaen wir uns daher auch manchmal<br />
Lebenssituationen, die uns unser Festhalten<br />
an Vergangenem verdeutlichen, uns<br />
in die Enge und Not treiben, so dass ein<br />
Übergang buchstäblich not-wendig wird.<br />
Von diesem Blickwinkel aus sind vielleicht<br />
manche Extremsituationen, in die sich<br />
junge Menschen begeben und auch Lebenskrisen<br />
bei erwachsenen Menschen,<br />
Versuche von Selbstinitiationen.<br />
So bin ich heute überzeugt, dass meine<br />
tiefe Lebenskrise der letzten Jahre der<br />
Hinweis meiner Seele für mich war, dass<br />
es höchste Zeit sei sich aus der Erstarrung<br />
einer vergangenen Lebensphase<br />
zu lösen, die ich auf unbestimmte und<br />
unbewusste Weise noch immer nicht<br />
loslassen konnte.<br />
Auf der Basis meiner oben beschriebenen<br />
Erkenntnisse suchte ich mir am<br />
Höhepunkt meiner Krise einerseits therapeutische<br />
Begleitung, die mir sehr gut<br />
tat und tut, und andererseits wusste ich,<br />
dass ich auch noch etwas Zusätzliches,<br />
etwas im Alltag Verankertes, brauchen<br />
würde, um in eine langfristige Lebensänderung<br />
hinein leben zu können.<br />
So schrieb ich etwa zwanzig mir bekannte<br />
Männer an, schilderte ihnen meinen<br />
gerade stattndenden inneren Prozess<br />
und meine Idee einer selbstgestalteten<br />
Initiation. Sechs Männer beschlossen mitzureisen<br />
und gemeinsam entwickelten<br />
wir einen Rahmen, der uns Übergangserfahrungen<br />
und den endgültigen und<br />
bewussten Abschluss unserer Kindheit<br />
ermöglichen sollte. Besser spät als nie…<br />
Die Gründe an dieser Initiation teilzunehmen<br />
waren für die anderen Männer u.a:<br />
den Zugang zu den eigenen männlichen<br />
Potentialen zu nden,<br />
die Förderung von Klarheit und Entschlusskraft,<br />
die Lokalisierung der persönlichen<br />
“goldenen” Fähigkeiten,<br />
die Ermächtigung zur Kreativität,<br />
der Ausstieg aus Sucht-Prozessen,<br />
Reifung statt Vergeudung,<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Initiation als Übergangsritual zu nützen,<br />
das von der krankhaften Erschöpfung<br />
durch unwesentliche Abläufe hin<br />
zu einer bewussten Hingabe an die<br />
eigene Bestimmung führt,<br />
die Erleichterung, sein Leben in die<br />
Hand zu nehmen und den anderen<br />
zu berichten,<br />
die eigene „Vision“ vielleicht in der<br />
Begegung mit anderen zu nden,<br />
dass der Austausch mit Männern sehr<br />
bereichernd ist.<br />
Der Rahmen, in dem unsere Initiation<br />
nun abläuft, sieht folgendermaßen aus:<br />
Der Initiationsprozess geht über ein ganzes<br />
Jahr, da in diesem Zeitraum alle Kräfte<br />
des Lebens beinhaltet sind: das Werden<br />
(Frühling), die Kraft der Fülle (Sommer),<br />
das Loslassen (Herbst), das Sein in der<br />
Stille (Winter).<br />
Unserer Natur folgend, ist er häug mit<br />
Naturerfahrungen verbunden.<br />
Die Themen, denen wir uns bei unseren<br />
Begegnungen stellen, berühren die wesentlichsten,<br />
archetypischen Kräfte unseres<br />
Menschseins und helfen uns so,<br />
Fotos: Martin A. Gleiss<br />
freigeist frühling 2013 21<br />
diese neu zu erfahren und zu entfalten.<br />
Diese Kräfte sind:<br />
die ursprünglichste, wilde Kraft in<br />
uns,<br />
unsere Hingabe- und Liebesfähigkeit,<br />
unsere Durchsetzungskraft,<br />
unsere schöpferische Gestaltungskraft,<br />
die Kraft der Verantwortung für unser<br />
Leben und unser Handeln in einer<br />
Gemeinschaft,<br />
die Kraft der Vision für unser Leben.<br />
Diese Erfahrungen machen wir in einer<br />
Gruppe von Männern, die regional<br />
nahe zueinander leben und so einander<br />
nach diesem Jahr ohne großen Aufwand<br />
weiterhin begegnen können. Wir teilen<br />
in diesem Jahr tiefe persönliche Erfahrungen<br />
und Prozesse miteinander, um<br />
danach bewusster unser Leben gestalten<br />
zu können. Das führt uns auch zu einem<br />
weiteren Ziel unserer gemeinsamen<br />
Reise: durch das eigene Erleben einer<br />
Initiation wieder selbst fähig zu werden,<br />
unsere eigenen Kinder zu initiieren und<br />
somit Erneuerer eines alten Wissens zu<br />
werden. Auch im Sinne der Weisheit,<br />
dass es ein ganzes Dorf braucht, um Kinder<br />
großzuziehen.<br />
Nun, wir sind seit Juni letzten Jahres gemeinsam<br />
unterwegs. Alle zwei Monate<br />
verbringen wir von Freitagnachmittag<br />
bis Sonntagnachmittag ein Wochenende<br />
miteinander. Dieses steht im Zeichen<br />
einer der oben genannten Kräfte. Zwischen<br />
den Wochenenden verbringen wir<br />
einen Samstagnachmittag miteinander,<br />
tauschen uns darüber aus, was sich in<br />
uns und unserem Leben tut und bereiten<br />
gemeinsam das kommende Wochenende<br />
vor. Am Ende dieses Initiationsjahres<br />
werden wir gemeinsam eine Woche lang<br />
auf eine Visionssuche gehen. Begleitend<br />
gibt es, ermöglicht durch unsere regionale<br />
Nähe, zufällige und vereinbarte Begegnungen,<br />
die durch die gemeinsam<br />
erlebten Initiationserfahrungen nun<br />
eine viel größere Verbundenheit und Innigkeit<br />
haben.<br />
Wir alle spüren, dass uns diese gemeinsame<br />
Reise in unserem persönlichen<br />
Veränderungs- und Wachstumsprozess<br />
unterstützt und vorwärtsbringt und es<br />
ist für mich auch erstaunlich, wie sich die<br />
Themen der einzelnen Wochenenden in<br />
meinem Alltagsleben zeigen und welche<br />
Verbindungen und Auswirkungen deutlich<br />
und wirksam werden.<br />
Zum Schluss:<br />
Unsere Initiationsgruppe heißt „13<br />
Monde unter einer Sonne“. Ein Jahr hat 13<br />
Monde (auch unser Wort Monat stammt<br />
daher). Von alters her ist dem Mond das<br />
Weibliche, Empfängliche, das sich stetig<br />
Wandelnde und Verändernde, zugedacht.<br />
Die Sonne wiederum steht für das<br />
aktive, beständig ausstrahlende Prinzip,<br />
was wiederum als männliche Qualität<br />
gedeutet wird. Somit steht unser Name<br />
für das sich Ergänzende und Zusammengehörende<br />
von polaren Kräften in uns.<br />
Die Verwirklichung des Ganzen in unserem<br />
Leben als Männer - als Menschen.<br />
Roland Helmuth<br />
Richter<br />
ist Psychotherapeut<br />
i.A.u.S. (Integrative<br />
Therapie), Trainer in der<br />
Erwachsenenbildung<br />
und Sozialpädagoge<br />
www.wegederseele.at
freigeist frühling 2013 22<br />
was es bedeutet,<br />
ein ältester zu sein<br />
Auf Einladung der Studierwerkstatt und zweier Männergruppen hielt Malidoma Somé am<br />
21. Februar abends in Neulengbach einen Vortrag zum Thema „Initiationen“. Am Nachmittag<br />
nahm er sich Zeit für ein Interview mit dem „freigeist“, das Roland Helmuth Richter und Rainer<br />
Wisiak mit ihm führten.<br />
freigeist: Herr Somé, immer wieder besuchen<br />
Sie ihre Heimat Burkina Faso. Wie<br />
hat sich das Land seit ihrer Initiation verändert?<br />
Somé: Seit meiner Initiation sind ja jetzt<br />
35 Jahre vergangen – und natürlich hat<br />
sich das Land in vielerlei Hinsicht sehr<br />
verändert. Da ist zum einen der Wandel<br />
in der Landschaft selbst, denn die<br />
Hauptenergiequelle in Burkina Faso ist<br />
das Holz. Durch das Fällen der Bäume<br />
Malidoma Somé als „Freigeist“-Leser<br />
verschwindet die Natur mehr und mehr.<br />
Dann gibt es ein starkes Ansteigen der<br />
Bevölkerungszahl. Vor 35 Jahren hatte<br />
die Hauptstadt eine halbe Million Einwohner,<br />
jetzt sind es zwei Millionen. Viele<br />
von ihnen wohnen in „shanty towns“<br />
und sind dort gefangen zwischen einem<br />
Leben in einer Großstadt und dem einstigen<br />
Leben im Dorfe und fühlen sich<br />
nirgendwo mehr zugehörig.<br />
Und dann hat sich auf sozialer Ebene viel<br />
verändert. Es gibt jetzt viel mehr Schu-<br />
len, aber man darf nicht vergessen, dass<br />
die ozielle Sprache in den Schulen immer<br />
noch Französisch ist. Und wenn man<br />
davon ausgeht, dass die Sprache der Träger<br />
einer Kultur ist, so bedeutet das einfach,<br />
dass die französische Kultur mehr<br />
und mehr Einzug hält.<br />
freigeist: Werden junge Menschen dort<br />
noch initiiert?<br />
Somé: Das moderne Erziehungssystem<br />
Fotos: Margarita Mlinar<br />
freigeist frühling 2013 23<br />
konkurriert mit dem traditionellen, und<br />
viele der 13-15Jährigen und deren Familien<br />
sehen keinen Sinn mehr darin, sich<br />
für eine Initiation einen oder eineinhalb<br />
Monate von der Schule freizunehmen.<br />
Und der Staat fördert dies auch nicht,<br />
weil er den Wert dieser Traditionen ebenfalls<br />
nicht mehr sieht. So bleiben nur jene<br />
Kinder, die sich den staatlichen Schulen<br />
entziehen und die darum bitten, an der<br />
einen oder anderen Form einer Initiation<br />
teilzunehmen. Und wenn eine Initiation<br />
stattndet, ist sie nicht mehr so formell<br />
wie früher, sondern meistens die „private<br />
Sache“ einer Familie, die das dann für ein<br />
oder zwei junge Menschen durchführt.<br />
Und die Ältesten in den Dörfern, die<br />
dieses Wissen um den ursprünglichen<br />
Prozess noch als ein Geschenk anzubieten<br />
hätten, sind jetzt sozusagen „arbeitslos“.<br />
So sitzen sie herum, warten, manche<br />
einfach auf das Sterben. Das ist sehr traurig<br />
– denn in Afrika gibt es ja auch den<br />
Spruch: „Wenn ein Ältester stirbt, brennt<br />
eine ganze Bibliothek nieder.“ Das<br />
stimmt zum Teil, denn wenn das Wissen<br />
nicht weitergegeben wird, mutiert eine<br />
Kultur zu etwas ganz anderem.<br />
freigeist: Ist das in ganz Burkina Faso so?<br />
Somé: In ganz Burkina Faso ist es so. Aber<br />
der größte Teil der Dagara lebt in Ghana<br />
und ich habe gehört – selbst war ich noch<br />
nie dort – dass in Ghana die Traditionen<br />
lebendiger sind. Aber nicht in meiner<br />
Heimat, und das ist sehr schade. Denn<br />
ich bin durch alle Initiationen durchgegangen<br />
und habe erfahren, wie wichtig<br />
und wertvoll sie sind. Sie sind ein Teil jenes<br />
Stoes, der die Kultur und Dinge wie<br />
info<br />
Malidoma Patrice Somé<br />
ist ein in den Traditionen seines Stammes, der<br />
Dagara, initiierter Schamane und Ältester.<br />
Als kleiner Junge wurde er in den frühen<br />
sechziger Jahren von einem französischen<br />
Missionar entführt. Dieser steckte ihn in ein<br />
Jesuitenseminar, ein Schicksal, das Somé mit<br />
Tausenden Afrikanern teilt. Das Ziel der Jesuiten<br />
war es damals, eine „Eingeborenen-<br />
Missionstruppe“ aufzustellen, um ein Volk<br />
zu bekehren, das der kolonialen Ünterdrückung<br />
der Franzosen und damit auch ihrer<br />
ideologischen Botschaft längst überdrüssig<br />
geworden war. Die folgenden fünfzehn<br />
Jahre verbrachte Malidoma Somé in einem<br />
Internat, weit weg von seiner Familie.<br />
„Im Alter von zwanzig Jahren“, so schreibt<br />
er in seinem autobiograschen Buch `Vom<br />
Geist Afrikas´, „riss ich aus und ging zu<br />
meinem Volk zurück, musste aber feststellen,<br />
dass ich nicht mehr in die Stammesgemeinschaft<br />
passte. Ich riskierte mein Leben<br />
und unterzog mich der Dagara-Initiation,<br />
um wieder in mein Volk aufgenommen zu<br />
werden. Während dieses wochenlangen<br />
Rituals wurde ich, so gut es ging, in die mir<br />
angestammte Wirklichkeit reintegriert.<br />
Aber niemals konnte ich die Spuren meiner<br />
westlichen Ausbildung abstreifen. Ich<br />
bin also ein Bürger zweier Welten und versuche<br />
in beiden zu Hause zu sein – gewiß<br />
keine leichte Aufgabe.“<br />
In seiner Sprache bedeutet sein Name Malidoma:<br />
„Sei ein Freund den Fremden und<br />
dem Feind“. Bei den Dagara ist der Name<br />
eines Menschen auch mit seinem Schicksal<br />
verbunden. Und so wird Malidoma nur<br />
kurze Zeit nach seiner Initiation von den Ältesten<br />
seines Stammes aufgefordert, in die<br />
Welt der Weißen zurückzukehren, um später<br />
einmal als „Kulturbotschafter“ zwischen<br />
beiden Welten vermitteln zu können.<br />
Seine akademische Karriere führte Somé<br />
über die Pariser Sorbonne und die Bostoner<br />
Brandeis University zu einer Professur in Kulturwissenschaft<br />
an der Michigan State University.<br />
Heute widmet er sich ganz der Aufgabe,<br />
Menschen der westlichen Länder die<br />
Welt des Rituals zugänglich zu machen. Er<br />
lebt als Lehrender und Autor in Kalifornien/<br />
USA sowie in seiner Heimat Burkina Faso.<br />
Vom Geist Afrikas<br />
Das Leben eines afrikanischen<br />
Schmananen<br />
von Malidoma Patrice Somé<br />
Diederichs Gelbe Reihe<br />
€ 20,60
freigeist frühling 2013 24<br />
Erwachsensein, Zugehörigkeit oder Identität<br />
zusammenhält. Und Initiationen geben<br />
einem Menschen auch das Gefühl,<br />
eine Aufgabe zu haben, ein Geschenk für<br />
das Dorf, für die Familie zu sein.<br />
Ich habe festgestellt, dass jene, die sich<br />
nicht initiieren ließen, sich selbst auch<br />
oft nicht als Geschenk gesehen haben.<br />
Dieses Lebensgefühl kommt jenem der<br />
Menschen im Westen sehr nahe: Man<br />
geht in die Schule und lässt sich ausbilden.<br />
Aber nicht dazu, um ein Teil dieser<br />
Welt zu werden, sondern um einen Job<br />
zu kriegen, Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
zu erlernen im Interesse mancher Konzerne,<br />
die ihm dann den Job geben.<br />
Aber unter dieser Oberäche ist wenig<br />
Substanz.<br />
freigeist: Lässt sich an dieser Entwicklung<br />
etwas ändern?<br />
Somé: Ich habe auf vielen Seminaren in<br />
Europa und Amerika festgestellt, dass<br />
es einen großen Hunger nach ursprünglicher<br />
Weisheit gibt. Aber es scheint so,<br />
als müsse man erst alles verlieren, bevor<br />
das Bedürfnis danach wieder erwacht.<br />
Und Afrika scheint sich in diese Richtung<br />
zu entwickeln. Ich habe manchmal sogar<br />
das Gefühl, was immer ich auch tue, ich<br />
kann es nicht verhindern, dass dieses<br />
Wissen verschwindet. Und erst wenn es<br />
verschwunden ist, löst es eine Art existenzieller<br />
Krise aus. Was dann dazu führt,<br />
dass man wieder dort zu graben beginnt,<br />
wo man die ursprüngliche Kultur<br />
begraben hat. Ich sehe im Westen überall<br />
schon diese Sehnsucht nach Verbindung<br />
mit der Natur, Ritualen, Bewusstheit.<br />
freigeist: Und wo beginnt man zu graben,<br />
wenn, wie im Westen, diese Traditionen<br />
schon seit Jahrtausenden verschwunden<br />
sind?<br />
Somé: Ja, das ist ein großes Problem.<br />
Und ich hoe, in Afrika dauert es nicht<br />
tausend Jahre, bis man wieder zu graben<br />
beginnt. Aber was Europa betrit,<br />
so sehe ich, dass hier das Bedürfnis, sich<br />
wieder mit altem Wissen zu verbinden,<br />
exponentiell steigt. Und was ich noch<br />
sehe, ist, dass die ursprünglichen Traditionen<br />
weltweit gar nicht so unterschiedlich<br />
sind. Der Unterschied besteht oft nur<br />
in der Umwelt oder der Choreograe. In<br />
fast allen Kulturen ndet man zum Beispiel<br />
Visionssuchen. Es gibt da eine Gemeinsamkeit.<br />
freigeist: Einen Samen, den man hier<br />
panzen könnte?<br />
Somé: Ja, solange es nicht ein Import an<br />
Ritualen ist. Es müsste mehr so sein, dass<br />
man den Samen der Energie präsentiert,<br />
die schon hier ist. Man kann nicht etwas<br />
woanders hin verpanzen und glauben,<br />
dass es dort so sein wird wie an dem Ort,<br />
von dem es kommt.<br />
freigeist: Was bräuchte es für einen Neubeginn?<br />
Somé: Die Sehnsucht danach.<br />
freigeist: Und wie weiter? Nach dem Konzept<br />
von „Versuch und Irrtum“?<br />
Somé: Ja! Denn schaut, in diesem Falle<br />
sind Fehler gut, denn sie önen die Augen,<br />
um sehen zu lernen, wo man nicht<br />
hintreten soll. In diesem Falle sind Fehler<br />
ein Segen. Das Schwanken, das Hinfallen,<br />
das ist es ja, wie ein Baby das Gehen<br />
lernt. Es geht auch nicht darum, wie oft<br />
man hinfällt, sondern darum, wie oft man<br />
aufsteht. Und etwas tut – denn wenn du<br />
etwas getan hast, muss es die nächste<br />
Generation nach dir nicht mehr tun, weil<br />
es schon da ist. Und so, vielleicht nach<br />
vielen Jahrhunderten, könnte wieder<br />
eine Tradition entstehen, die einst schon<br />
verloren war.<br />
freigeist: Wie wurden in der Kultur der<br />
Dagara junge Frauen initiiert?<br />
Somé: Bei den Dagara sind die Initiationen<br />
von Männern und Frauen ganz<br />
verschieden voneinander, weil auch<br />
die Pichten der Männer andere sind<br />
als die der Frauen. Grundsätzlich muss<br />
man dazu sagen, dass der wesentliche<br />
Unterschied darin besteht, dass die Initiation<br />
der jungen Frauen eine stufenwei-<br />
Fotos: Reinhard Kraus, Norbert Winzenhörlein<br />
freigeist frühling 2013 25<br />
se fortschreitende ist. Man beginnt die<br />
Mädchen mit 7 Jahren zu initiieren, das<br />
scheint eine kraftvolle weibliche Zahl zu<br />
sein. Dann durchlaufen die Mädchen fast<br />
zehn Jahre lang eine gut choreograerte<br />
Zeremonie, die sehr vom Jahr und dem<br />
Zyklus des Mondes abhängig ist. Die<br />
Initiation der Mädchen ist also ganz verschieden<br />
von der der Jungen, die für eine<br />
sehr intensive Zeit von ungefähr einem<br />
Monat an ihre psychischen und physischen<br />
Grenzen kommen (Anmerkung<br />
der Redaktion: von Malidomas Gruppe der<br />
60 zu initiierenden Jugendlichen kamen 5<br />
nicht lebend zurück). So gesehen, würde<br />
ich die stufenweise fortschreitende Initiation<br />
vorziehen! (lacht ...)<br />
freigeist: Neben dieser ersten Initiation für<br />
Jugendliche gibt es noch eine weitere …<br />
Somé: Ja, wenn man zu einem „Älteren“<br />
initiiert wird. Im Gegensatz zur ersten<br />
Initiation, die im Wald stattndet, ndet<br />
die Initiation zu einem Ältesten im Dorf<br />
selbst statt. Diese durchlief ich 1999 und<br />
sie dauerte 29 Tage. Ich machte sie nicht,<br />
weil ich wollte, sondern weil ich gefragt<br />
... und mit Dolmetscher<br />
Johann Kneihs in Neulengbach<br />
wurde. Auch, weil die Ältesten wollten,<br />
dass sie durch mich eine Stimme „draußen“<br />
in der Welt haben. Ich war der einzig<br />
zu Initiierende und es ging viel um<br />
das Erlernen der Geheimnisse traditioneller<br />
Spiritualität, wie man zum Beispiel<br />
die Jungen in ihrem Initiationsprozess<br />
begleitet, aber auch darum, das eigene<br />
Ego auszulöschen. Ich erinnere mich<br />
zum Beispiel an den „Tag der Schande“.<br />
Ich musste halbnackt und mit Asche<br />
bestreut in der Mitte des Dorfes sitzen<br />
und jeder im Dorf sagte mir, was er an<br />
mir nicht leiden kann. Ich durfte nicht<br />
antworten, und nach ein paar Stunden<br />
hatte ich das Gefühl, komplett zerfetzt<br />
worden zu sein.<br />
Eine solche Initiation führt aber auch zu<br />
Antworten auf Fragen wie: Was hält ein<br />
Dorf zusammen? Was bedeutet es, ein<br />
Ältester zu sein? Für welches Geheimnis<br />
ist es gut, dass du sein Hüter bist? Aber<br />
Somé mit den<br />
Interviewpartnern ...<br />
es hatte auch einen anderen Eekt:<br />
Während des ganzen Prozesses gab es<br />
mit anderen Leuten Gespräche darüber<br />
im Radio. Viele fragten sich, wieso jemand<br />
wie ich mit Doktortitel das macht.<br />
Es wurde debattiert: Was ist der Wert<br />
dieser Traditionen? Was ist die Kraft<br />
dahinter? Manche meinten, es sei eine<br />
Schande und ich würde nicht verstehen,<br />
dass das „Primitive“ in der modernen<br />
Welt keinen Platz mehr hat. Viele<br />
aber sagten: Redet nicht so! Da gibt es<br />
viel zu lernen!<br />
freigeist: Das glauben wir auch. Vielen<br />
Dank für das Gespräch.<br />
Somé: You´re welcome.<br />
***
‚s<br />
freigeist frühling 2013 26<br />
loris malaguzzi<br />
Villa Cella, ein Vorort der norditalienischen Stadt Reggio Emilia, im April 1945: Der Krieg ist gerade<br />
beendet, und große Teile der Stadt sind zerstört. Bei ersten Aufräumarbeiten entdecken Männer und<br />
Frauen in den Ruinen einen Panzer. Sie zerlegen ihn und verkaufen die Einzelteile auf dem Schwarzmarkt.<br />
Gemeinsam entwickelt die Gruppe Vorschläge, wie der Erlös verwendet werden soll. In einer<br />
Abstimmung setzt sich die Idee der Frauen durch: „Wir wollen eine Stätte für Kinder bauen. Die beste<br />
Antwort auf einen Krieg ist ein Kindergarten, in dem wir eine neue Generation und uns selbst erziehen.“<br />
Von Rainer Wisiak<br />
o beginnen die Arbeiten am ersten<br />
Volkskindergarten in Villa Cella, der<br />
später den Namen „25. April“ (dem<br />
Tag des Kriegsendes in Italien) haben<br />
wird. Ohne nanzielle Unterstützung und<br />
ohne Fachwissen, jedoch mit viel Engagement,<br />
ist die ganze Dorfbevölkerung<br />
am Aufbau des neuen Kindergartens beteiligt.<br />
Ein solches Modell einer gemeinschaftlichen<br />
Erziehung gibt es in Italien<br />
bis dahin noch nicht, und in den zahlreichen<br />
Diskussionsrunden wird immer<br />
wieder die Frage erörtert: Wohin wollen<br />
wir unsere Kinder nach dem Krieg erziehen?<br />
Denn nicht allein ein neues Haus<br />
soll Stein für Stein entstehen, auch neue<br />
Erziehungsziele wollen die Eltern nden<br />
und verwirklichen, um den Erfahrungen<br />
des Faschismus demokratische Erziehungsformen<br />
entgegenzusetzen.´ (1).<br />
Die Nachricht über diese Initiative geht<br />
in Reggio Emilia um und erreicht dort<br />
auch einen jungen Grundschullehrer.<br />
Fasziniert von der Vorstellung, dass dort<br />
Laien ohne Mittel und Unterstützung<br />
einen Kindergarten bauen, macht er<br />
sich mit dem Rad auf den Weg nach Villa<br />
Cella. Er wird dort bleiben, mit vielen anderen<br />
engagierten Pädagogen und Bürgern<br />
aus Villa Cella eine neue Sichtweise<br />
auf die Arbeit mit Kindern entwerfen, die<br />
später unter dem Begri „Reggio-Pädagogik“<br />
bekannt werden wird. Heute gilt<br />
Loris Malaguzzi (1920-1994) vielen als Begründer<br />
der Reggio-Pädagogik. Obwohl<br />
keine Gründergestalt im traditionellen<br />
Sinne wie etwa Rudolf Steiner oder Fröbel,<br />
hat er wesentlich zur Entwicklung<br />
dieses außergewöhnlichen Konzepts<br />
kommunaler Kindertageseinrichtungen<br />
beigetragen und die entsprechende<br />
„Theorie“ geliefert. Er hat nicht nur den<br />
Prozess des Aufbaus und die Anfänge<br />
protokolliert, er hat auch über Jahrzehnte<br />
die kommunalen Kindergärten<br />
und -krippen geleitet (heute existieren<br />
22 Kindergärten und 13 Kinderkrippen<br />
nach diesem Konzept) und durch Vortragsreisen<br />
und Wanderausstellungen<br />
ihre Idee in die Welt hinaus getragen.<br />
Doch zurück zu den Anfängen.<br />
„Die Frauen in Villa Cella wurden zu den<br />
eigentlichen Protagonisten einer neuen<br />
Erziehung für Kinder … die vor allem<br />
den Dialog und die Kommunikation in<br />
den Mittelpunkt stellte und zusammenfügen<br />
wollte, was sonst in Kindergärten<br />
getrennt war: das Kind, seine Familie<br />
und seine Umgebung“ schrieb Loris<br />
Malaguzzi. Das Zusammenwirken von<br />
engagierten Eltern, phantasievollen Pädagogen<br />
und reformwilligen Kommunalpolitikern<br />
ist bis heute ein wichtiger<br />
Teil des Konzepts der Reggio-Pädagogik<br />
geblieben. Das zeigt sich nicht zuletzt<br />
darin, dass im Leitungsgremium jeder<br />
Initiative Bürger, Eltern und Mitarbeiter<br />
paritätisch vertreten sind. Dieses „vivere<br />
insieme“, das „gemeinsame Leben“ hat<br />
in der Region Emilie Romagna aber eine<br />
lange Tradition. So war Reggio im Mittelalter<br />
eine der ersten freien Kommunen<br />
in Italien. Nach der Französischen Revolution<br />
erklärte sich Reggio zur Republik,<br />
hier entstand auch jene grün-weiß-rote<br />
Fahne, die heute Nationalagge der Republik<br />
Italien ist. Ab 1943 kämpfte hier<br />
organisierter Widerstand um die Befreiung<br />
der Stadt (vom Faschismus), die vor<br />
dem Einzug der Alliierten auch aus eigener<br />
Kraft gelang.<br />
Seit der Jahrhundertwende sind die<br />
meisten Betriebe und Landwirtschaften<br />
als Kooperativen organisiert, aus denen<br />
heraus dann das „modello emiliano“ entstehen<br />
konnte, eine in der Verfassung<br />
Loris Malaguzzi (1920 - 1994)<br />
freigeist frühling 2013 27<br />
unbekannte reformpädagogInnen<br />
des Landes festgelegte sozialorientierte<br />
Wirtschaftspolitik, ein Modell, das unter<br />
anderem Investitionen im sozialen<br />
und edukativen Bereich als produktive<br />
Investitionen begreift. So gibt die Stadt<br />
Reggio Emilia, was ihre pädagogischen<br />
Einrichtungen angeht, etwa 40 Prozent<br />
ihrer Haushaltsmittel dafür aus, ein<br />
Zeichen dafür, so Loris Malaguzzi, dass<br />
„die (Region) Emilia Romagna die Forschungswerkstatt<br />
für den sozialen Bereich<br />
in ganz Italien ist.“<br />
Ein neues Bild vom Kinde.<br />
„Kinder sind Träger unserer und<br />
Erfinder eigener Kultur“<br />
(Loris Malaguzzi)<br />
Bis viele Jahre nach dem 2. Weltkrieg<br />
war die katholische Kirche Träger aller<br />
Kindereinrichtungen für 3- bis 6jährige<br />
in Italien. Diese wurden „scuola materna“<br />
(mütterliche Schulen) genannt und<br />
auch in der Gesellschaft in diesem Sinne<br />
als Notbehelfe oder „Mutterersatz“<br />
angesehen. Es gab auch kaum Ausbildungsorte<br />
für Kindergärtnerinnen und<br />
oft waren „mütterliche Fähigkeiten“ die<br />
wichtigsten Qualikationsmerkmale für<br />
eine Anstellung in einem Kindergarten.<br />
Erst 1968 wurde per Gesetz die Einrichtung<br />
von Kindergärten durch nichtkirchliche<br />
Träger gestattet und geregelt.<br />
Diesem Modell der „scuola materna“ stellten<br />
die Menschen in Reggio Emilia von<br />
Anfang an (und somit über viele Jahre<br />
hinweg entgegen dem gültigen Gesetz)<br />
die „scuole dell´ infanzia“ gegenüber, die<br />
Kindheitsschulen, die das Kind in einem<br />
gänzlich anderen Lichte wahrnehmen:<br />
Hier geht man von der Annahme aus,<br />
dass ein Kind erheblich mehr und vielfältigere<br />
Ausdrucksmöglichkeiten besitzt<br />
als bisher angenommen („Die hundert<br />
Sprachen der Kinder“). Jedes Kind besitzt<br />
Forschergeist, Entdeckungsfreude<br />
und Abenteuerlust. Es ist selbst Quelle<br />
schöpferischer Kraft, deshalb muss ihm<br />
größtmögliche Autonomie in Bezug auf<br />
Lernmöglichkeiten, Wahrnehmung und<br />
Bewegung geboten werden.<br />
Die Rolle der ErzieherInnen in einem<br />
solchen pädagogischen Kontext fasst<br />
Malaguzzi in dem einen Satz zusammen:<br />
„Wir erziehen unsere Kinder nicht,<br />
wir assistieren ihnen.“ ErzieherInnen<br />
sollen Partner sein, die dem Kind Anerkennung,<br />
Vertrauen, Unterstützung und<br />
Solidarität entgegenbringen und die<br />
Sicherheitsbedürfnisse der Kinder ernst<br />
nehmen, denn „ein unsicheres Kind ist<br />
nicht neugierig, es kann nicht forschen.<br />
Ein sicheres Kind hingegen ist reich – so<br />
wie alle Kinder eigentlich reich sind - ,<br />
denn es hat Neugier und Vorstellungskraft.“<br />
Nicht zuletzt, so Loris Malaguzzi,<br />
„wird die Sicherheit der Kinder auch dadurch<br />
größer, je mehr sie sehen, dass die<br />
Beziehungen zwischen ihrem Leben zu<br />
Hause und dem in der Kita enger und<br />
kommunikativer werden.“<br />
Eine enge Zusammenarbeit zwischen<br />
Eltern und ErzieherInnen ist aber nicht<br />
nur den Kindern dienlich, sondern auch<br />
den Erwachsenen selbst, denn „wenn<br />
Erwachsene ihre Lust daran entdecken,<br />
gemeinsam, in der Zusammenarbeit,<br />
zu reektieren, Projekte zu entwickeln,<br />
zu diskutieren und zu forschen, eine<br />
Haltung entsteht, die das Spektrum<br />
der Fragen, Zweifel und Vertiefungen<br />
vervielfacht und die eigene Flexibilität<br />
erweitert.“ „Diese Arbeit ist schwer“,<br />
konstatiert Malaguzzi an anderer Stelle,<br />
„aber sie zahlt sich zweifellos aus.“<br />
Der Raum als dritter Erzieher<br />
Neben diesem Merkmal der „partizipatorischen<br />
Pädagogik“ (einer engen Zusammenarbeit<br />
aller Beteiligten), dem Bild<br />
vom Kind als kompetentes und aktives<br />
Wesen und der Rolle der ErieherInnen<br />
im Sinne einer Begleitung von Kindern<br />
anstelle ihrer Belehrung kommt auch der<br />
Gestaltung der Räume eine wesentliche<br />
Bedeutung zu. Die gesamte Einrichtung<br />
und Gestaltung der Kindergärten und<br />
Krippen folgen in Reggio dem Prinzip<br />
des „Raumes als dritter Erzieher“, womit<br />
man meint, dass anregende Materialien<br />
und transparente räumliche Strukturen<br />
den Kindern freie Erkundungen und autonome<br />
Lernschritte ermöglichen sollen.<br />
Mittelpunkt jeder Einrichtung ist die „Piazza“,<br />
vergleichbar mit dem Marktplatz<br />
in der Mitte einer Stadt. Große bodentiefe<br />
Fenster und oene Lichtbereiche
freigeist frühling 2013 28<br />
vermitteln den Eindruck von Weite. Die<br />
Piazza ist Trepunkt, zentraler Spielplatz<br />
– das Kommunikationszentrum.<br />
An den Wänden benden sich viele<br />
Spiegel und große Wandtafeln mit Fotos,<br />
Kinderbildern, Zeichnungen, Ankündigungen<br />
oder Auswertungen von<br />
Projekten. Indem „die Wände sprechen“,<br />
wird auf anschauliche Weise präsentiert,<br />
was während einen Tages passiert oder<br />
auch für die Familien von Belang ist.<br />
Die Förderung der Kommunikation und<br />
Ausdrucksfähigkeit ist ein wichtiges Ziel<br />
der Reggio-Pädagogik, nicht aber das<br />
Schreibenlernen, obwohl 60 % der Kinder<br />
schreiben und lesen können, bevor<br />
sie den Kindergarten verlassen.<br />
Der Wunsch nach Kommunikation wird<br />
gefördert, jedes Kind hat (in der „Ecke<br />
der Freundschaft“) einen Pappbriefkasten.<br />
Am Anfang tauschen die Kinder<br />
kleine Geschenke, wie Bonbons, kleine<br />
Federn oder schöne Steine über den<br />
Briefkasten aus, dann folgen Bilder und<br />
Kritzelbriefe mit Botschaften. Später<br />
taucht der Wunsch auf, sich schriftlich<br />
mitzuteilen. Naturmaterialien, Sammelgegenstände<br />
aller Art laden zum Tasten,<br />
Fühlen, Vergleichen und Experimentieren<br />
ein. In speziellen Funktionsräumen<br />
und Werkstätten stehen Materialien wie<br />
Ton, Holz oder Steine und Werkzeuge<br />
zur Verfügung. In einer Kultur, welche<br />
die Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern<br />
immer stärker auf Erfahrungen aus<br />
zweiter Hand (wie durch Fernseher oder<br />
Computer) beschränkt, zeigt Reggio, wie<br />
Kinder in einer anregenden Umgebung<br />
wieder selbst tätig werden, mit der Welt<br />
experimentieren und sie sich selbst aneignen<br />
können. „Unsere Einrichtungen<br />
sind vor allem Werkstätten, in denen die<br />
Kinder die Welt untersuchen und erforschen“,<br />
so Loris Malaguzzi.<br />
Die Kinder haben Einsicht in die Küche,<br />
die auch jederzeit besucht werden kann.<br />
Die Köchinnen sind in die pädagogische<br />
Arbeit integriert, wie es auch beim Zusammenleben<br />
mit den Kindern keine<br />
Hierarchisierung gibt, die ErzieherInnen<br />
zu wichtigen Pädagogen und Köchinnen<br />
oder Putzfrauen zu Hilfskräften macht.<br />
Alle Mitarbeiter einer Einrichtung verstehen<br />
sich als Team, was sich bis zur Bezahlung<br />
hin bemerkbar macht, die nicht<br />
nach Tätigkeitsbereichen, sondern nach<br />
Berufsjahren gestaelt ist.<br />
Zu jeder Einrichtung gehört auch ein<br />
Atelier, in dem KunsterzieherInnen die<br />
Kinder begleiten. Die Stadt hat auch<br />
Puppenspieler angestellt und unterhält<br />
eine Werkstatt für Puppenspieler.<br />
Der Prozess ist wichtig, nicht das<br />
Produkt<br />
„Man muss den Kindern auf dem sehr<br />
weiten Feld ihrer Ausdrucksmöglichkeiten,<br />
ihrer Kommunikationsformen, ihrer<br />
Gefühle Hilfestellung geben und vor<br />
allem Achtung haben vor ihrem Erstaunen<br />
und den Fragen, die sie sich stellen.“<br />
(L. Malaguzzi)<br />
So gehen viele Projekte in Reggio von<br />
alltäglichen Erfahrungen der Kinder aus,<br />
zum Beispiel dem Regen, dem Schatten,<br />
der Weinlese, den steinernen Löwen auf<br />
dem Marktplatz.<br />
Ein Beispiel: Eine Erzieherin hatte beobachtet,<br />
dass ein etwa 18 Monate altes<br />
Mädchen vor einer Mauer stand und dort<br />
seinen Schatten beobachtete. Irgendwann<br />
schob sich eine Wolke vor die Sonne<br />
und der Schatten verschwand. Das<br />
Kind lief daraufhin hinter die Mauer, um<br />
seinen Schatten zu suchen. Da es dort<br />
keinen Schatten fand, suchte es unter<br />
einem Auto und unter den Sträuchern<br />
des Gartens seinen Schatten. Die Erzieherin<br />
erzählte ihren KollegInnen von dieser<br />
Beobachtung, die erstaunt waren, dass<br />
das Kind bereits eine eigene Vorstellung<br />
von Schatten hatte. Um mehr über die<br />
Ideen der Kinder zu erfahren, wurde ein<br />
lang angelegtes Projekt zum Thema Licht<br />
und Schatten durchgeführt, in dem auch<br />
die ErzieherInnen selbst Phänomene des<br />
Lichts und Schattens untersuchten.<br />
„Diese Ereignisse wie mit dem Schatten<br />
geschehen – so glauben wir – mit<br />
allen Kindern. Aber damit diese Begegnungen<br />
und Vertraulichkeiten nicht verloren<br />
gehen, ist ein erwachsener Zeuge<br />
notwendig, einer von jenen ein bisschen<br />
verrückten und so notwendigen Erwachsenen,<br />
der mitspielt, der Interesse und<br />
Erstaunen zeigt und den Wunsch hat,<br />
sich Fragen zu stellen und sich wie die<br />
Kinder in einen Detektiv und Forscher zu<br />
verwandeln.“ (L. Malaguzzi)<br />
1971 organisiert Loris Malaguzzi mit<br />
vielen anderen die erste nichtkirchliche<br />
Tagung zum Thema Kleinkindpädagogik<br />
in Reggio, an der auf eigene Kosten ca.<br />
freigeist frühling 2013 29<br />
unbekannte reformpädagogInnen<br />
900 ErzieherInnen teilnehmen. Reggio<br />
beginnt, sich zum Zentrum der Kleinkindpädagigik<br />
zu entwickeln. Kongresse<br />
auf internationaler Ebene und mehrere<br />
Austellungen („Wenn das Auge über<br />
die Mauer springt“, „Die hundert Sprachen<br />
der Kinder“) in anderen europäischen<br />
Ländern folgen. 1985 geht Loris<br />
Malaguzzi in den „Ruhestand“, arbeitet<br />
aber beratend weiter in Reggio mit. Zusammen<br />
mit Egle Becchi und Susanna<br />
Mantovani gründet er die kleinkindpädagogische<br />
Zeitschrift „bambini, in una<br />
societa che cambi“ mit Redaktionsgruppen<br />
in ganz Italien. 1991 wählt das<br />
US-Magazin „Newsweek“ die Kindertagesstätten<br />
von Reggio zur besten vorschulischen<br />
Einrichtung der Welt, 1992<br />
wird ihnen der „Lego-Preis“ (Beitrag zur<br />
Verbesserung von Lebensbedingungen<br />
von Kindern in allen Teilen der Welt) verliehen.<br />
Die vielfachen Ehrungen und Anerkennungen<br />
nahm Malaguzzi eigenen<br />
Aussagen zufolge stellvertretend für die<br />
Kinder und ihre Sache an. Er selbst verstand<br />
sich als „Provokateur in Sachen<br />
Kindheit“. „Provokateure stören die<br />
Ruhe der Bürger, sie wollen aufwühlen<br />
und Versäumnisse zeigen“, so Malaguzzi.<br />
1993 wird die Stiftung „Reggio children“<br />
gegründet, im Jänner 1994 stirbt Loris<br />
Malaguzzi in Reggio an den Folgen eines<br />
Herzinfarkts.<br />
Schließlich, 1996, nach bald 30jähriger<br />
Praxis der Einrichtungen, interessiert sich<br />
auch das Erziehungsministerium in Rom<br />
für die Konzeption. In Absprache mit den<br />
reggianischen Kitas und der Stiftung<br />
Reggio children will das Ministerium<br />
ErzieherInnen aus ganz Italien zur Fortbildung<br />
nach Reggio schicken. Ob das<br />
Modell „Reggio“ in anderen Orten oder<br />
Ländern umsetzbar ist, wird sich zeigen.<br />
Der bekannte brasilianische Pädagoge<br />
Paolo Freire, der 1990 Reggio besuchte,<br />
meinte diesbezüglich:<br />
„Eine Übertragung von Ideen ist möglich,<br />
aber es kann keinen Import oder Ex-<br />
port von Erfahrungen geben, denn diese<br />
muss man selbst machen. Erfahrungen<br />
sind immer verbunden mit der Geschichte<br />
eines Menschen und mit historischen<br />
Ereignissen.“<br />
Sämtliche Zitate sind entnommen aus:<br />
Dreier, Anette: Was tut der Wind, wenn<br />
er nicht weht? Begegnung mit der<br />
Kleinkindpädagogik in Reggio Emilia.<br />
Luchterhand-Verlag (1)<br />
Göhlich, Michael: Oener Unterricht,<br />
Community Education, Alternativ-<br />
<br />
schulpädagogik, Reggio-Pädagogik.<br />
Beltz-Verlag<br />
Thesing, Theodor: Leitideen und Konzepte<br />
bedeutender Pädagogen. Lambertus-Verlag<br />
Links:<br />
www.reggiochildrenfoundation.org<br />
www.reggiochildren.it/centro-internazionale-loris-malaguzzi<br />
www.reggiopaedagogik.eu<br />
Rainer Wisiak<br />
ist Waldorf- und<br />
Montessori-Pädagoge<br />
und Vater einer Jugendlichen<br />
in der LWS<br />
Hundert Sprachen hat das Kind<br />
Ein Kind ist aus hundert gemacht.<br />
Ein Kind hat<br />
hundert Sprachen<br />
hundert Hände<br />
hundert Gedanken<br />
hundert Weisen zu denken<br />
zu spielen und zu sprechen.<br />
Immer hundert Weisen<br />
zuzuhören<br />
zu staunen und zu lieben<br />
hundert Weisen zu singen und zu verstehen<br />
hundert Welten<br />
zu entdecken<br />
hundert Welten<br />
zu ernden<br />
hundert Welten<br />
zu träumen.<br />
Ein Kind hat hundert Sprachen<br />
doch es werden ihm neunundneunzig geraubt.<br />
Die Schule und die Umwelt<br />
trennen ihm den Kopf vom Körper.<br />
Sie bringen ihm bei<br />
ohne Hände zu denken<br />
ohne Kopf zu handeln<br />
ohne Vergnügen zu verstehen<br />
ohne Sprechen zuzuhören<br />
nur Ostern und Weihnachten<br />
zu lieben und zu staunen.<br />
Sie sagen ihm<br />
dass die Welt bereits entdeckt ist<br />
und von den hundert Sprachen<br />
rauben sie dem Kind neunundneunzig.<br />
Sie sagen ihm<br />
dass das Spielen und die Arbeit<br />
die Wirklichkeit und die Phantasie<br />
die Wissenschaft und die Vorstellungskraft<br />
der Himmel und die Erde<br />
die Vernunft und der Traum<br />
Dinge sind, die nicht zusammengehören.<br />
Sie sagen also<br />
dass es die hundert Sprachen nicht gibt.<br />
Das Kind aber sagt:<br />
Und die hundert gibt es doch.<br />
Loris Malaguzzi
Die Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> wurde 2008 als erste Freie Schule Kärntens mit Naturschwerpunkt im Gemeindegebiet<br />
Wernberg, in Kantnig – am Fuße des Sternbergs - gegründet. Sie orientiert sich in ihrer Ausrichtung<br />
vorwiegend an den reformpädagogischen Grundsätzen von Maria Montessori. Mit Ende des ersten<br />
Schuljahres 2008/09 wurde die Arbeit der Lehrer und Schüler in der Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> mit der Verleihung<br />
des Öentlichkeitsrechts anerkannt und bestätigt. In der Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> in Wernberg lernen<br />
Kinder mit und in der Natur fürs Leben. Zurück zur Natur – vorwärts im Leben.<br />
<br />
inter der Idee der Schulgründung<br />
steckt vor allem der<br />
Wunsch, dass unseren Kindern<br />
die Natur nahe gebracht wird, sie ihr verbunden<br />
bleiben oder eben wieder zu ihr<br />
zurücknden, denn in der Auseinandersetzung<br />
und im Arbeiten und Lernen mit<br />
und in der Natur liegen unerschöpiche<br />
Potentiale, die für das allgemeine Lernen<br />
sehr förderlich und nützlich sind“, meint<br />
Schulleiterin Anita Kramer. Ideal dafür ist<br />
die Lage des Schulgebäudes: Das Schulhaus<br />
ist umringt von Wald und Wiese,<br />
liegt auf einem Pferdehof mit Blick auf<br />
das Sternberg-Kircherl und strahlt eine<br />
sehr familiäre Atmosphäre aus. Gelernt<br />
wird in themenbezogenen Räumen und<br />
Bereichen wie Sprachen-, Mathematik-<br />
und Kosmoszimmer, gespielt und Pause<br />
gemacht wird in der Küche und im Aufenthalts-<br />
bzw. Kreativraum. Allerdings<br />
nur, wenn das Wetter nicht mitspielt,<br />
denn sonst ndet viel Unterricht im Freien<br />
statt. „Für die Kinder ist es spannend,<br />
Sachunterricht oder Mathematik im Freien<br />
zu lernen oder nach Werkmaterialien<br />
im Wald zu suchen“, so Montessori-Pädagogin<br />
Kramer.<br />
<br />
<br />
Träger der Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> ist der<br />
„Verein zur Förderung ganzheitlichen<br />
Lernens“. Alle Eltern sind Mitglieder des<br />
Vereins. Die Arbeit in der Verwaltung wird<br />
von der Schulleitung und von den Eltern<br />
im Rahmen der Elternarbeit geleistet.<br />
Das so wichtige Kooperationsdreieck<br />
„Schüler – Lehrer – Eltern“ als Basis für<br />
positives, gelungenes Lernen funktioniert<br />
in dieser Schule durch regen Austausch,<br />
respektvolles Miteinander und<br />
gegenseitige Hilfe ausgezeichnet. Die<br />
derzeit 15 SchülerInnen werden in alters-<br />
und klassenübergreifenden Gruppen<br />
von der Primaria (Schulstufen 1 bis<br />
4) bis zur Sekundaria ( Schulstufe 5 bis 9)<br />
gemeinsam unterrichtet und können so<br />
auch voneinander lernen.<br />
<br />
<br />
Die Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> versteht sich<br />
nicht als abgeschlossene Vormittags-<br />
Institution, sondern als Lebensraum, in<br />
dem gerne „gearbeitet“ wird, in dem sich<br />
jeder wohl und „daheim“ fühlen soll. So<br />
bietet er die beste Basis für lustvolles<br />
und erfolgreiches Lernen. Pädagogische<br />
Vorbilder sind Maria Montessori, Jean<br />
Piaget, Joseph Cornell und andere Vertreter<br />
der humanistischen Pädagogik.<br />
Spielerisches, ganzheitliches Lernen mit<br />
Herz, Hand und Hirn in und mit der Natur<br />
ist dabei ein zentrales Element. Ein<br />
Beispiel: Lernen die Schüler im Mathematikunterricht<br />
über die Maßeinheit Meter,<br />
dann haben die Schüler die Freiheit,<br />
draußen beim Weitspringen ihre „Meter-<br />
Leistungen“ zu messen! Besonders wichtig<br />
ist dem Pädagogenteam dabei auch<br />
die Förderung von Begabung und Leistungsfähigkeit<br />
entsprechend dem „Tempo“<br />
des Kindes. Einen hohen Stellenwert<br />
wird dem sozialen Lernen eingeräumt.<br />
Das tägliche Miteinander wird im Schülerrat<br />
besprochen. Gemeinsam mit den Kindern<br />
wird dann an Lösungen gearbeitet.<br />
Die Leistungsbeurteilung erfolgt in Form<br />
eines Pensenbuches (1.- 8.Schulstufe). Die<br />
Leistungen werden verbal beurteilt. Nach<br />
Wunsch - oder sollte es zu Übertritten in<br />
andere Schulsysteme kommen - werden<br />
Notenzeugnisse erteilt.<br />
<br />
„Wenn die Musik erklingt, dann geht es<br />
los“ - so erleben die Schüler den Unterrichtsbeginn<br />
ohne Schulglocke. Mit<br />
einem „Morgenkreis“ starten Kinder<br />
und Lehrer am Montag in der Früh in<br />
die kommende Arbeitswoche. Da werden<br />
von den Lehrerinnen die Lern- und<br />
Aktivitätenangebote für die Woche vor-<br />
<br />
<br />
<br />
Fotos: Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong>-Schule<br />
<br />
gestellt und sie besprechen gemeinsam<br />
mit den Kindern die individuellen Pläne<br />
(Schwerpunkte, gemeinsame Erarbeitungseinheiten,<br />
Projekte, Außenaktivitäten,<br />
Exkursionen usw.). „Ich nde die<br />
Schule toll, weil man alles lernen kann,<br />
was man will. Wir müssen aber in einer<br />
Woche einiges erledigt haben. Das steht<br />
auf meinem Plan und ich kann es mir aussuchen,<br />
wann ich es mache“, schildert<br />
Paula, 10 Jahre, ihre Arbeitsweise. Die<br />
Kinder strukturieren ihre Zeit selbst und<br />
<br />
<br />
können in der Freiarbeitsphase wählen,<br />
womit sie sich beschäftigen wollen und<br />
ob sie Unterstützung brauchen. Freiarbeit<br />
wechselt sich mit der verpichtenden<br />
Erarbeitungszeit, in der neue<br />
Lerninhalte und Materialien vorgestellt<br />
werden, ab. Die neuen Inhalte werden<br />
wieder in der Freiarbeit geübt und gefestigt.<br />
Am Ende jeden Tages erfolgen die<br />
gemeinsame Reexion und ein gemeinsamer<br />
Abschluss.<br />
<br />
Gerade in Zeiten des Aufbrechens der<br />
starren schulischen Strukturen hin zu<br />
reformpädagogischen Ansätzen ist die<br />
Gründung einer Freien Schule eine besonders<br />
schöne Herausforderung. Die<br />
erste Freie Schule Kärntens mit dem<br />
Schwerpunkt „Natur“ leistet ihren Beitrag<br />
zur Entwicklung einer freien, offenen<br />
und humanen Gesellschaft, die<br />
Kinder auf ihrem freudvollen Weg zu<br />
selbstbestimmten, selbstverantwortlichen,<br />
selbstorganisierten, selbstbewussten,<br />
gebildeten Persönlichkeiten<br />
mit hoher sozialer Kompetenz begleitet.<br />
<br />
<br />
Unterrichtsstufen<br />
Primaria und Sekondaria von der 1. bis<br />
zur 9. Schulstufe.<br />
Unterrichtszeit<br />
Der Unterricht dauert von Montag bis<br />
Freitag von 8.30 bis 13.00 Uhr. Bei Bedarf<br />
gibt es von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr Nachmittagsbetreuung<br />
inkl. Mittagessen in<br />
der Schule.<br />
Schulgeld<br />
Das Schulgeld beträgt Euro 255,-/280,-<br />
pro Monat (Geschwister-Ermäßigungen),<br />
12 x im Jahr, einmalige Einschreibegebühr<br />
Euro 290,-) Ausgaben für Exkursionen<br />
und Projekte extra. Die Schule nanziert<br />
sich derzeit ausschließlich über<br />
das Schulgeld.<br />
Aufnahme<br />
Informationsgespräch zwischen Eltern<br />
und Pädagogen<br />
Mindestens zwei Schnupper- und Kennenlerntage<br />
vorab in der Schule, Eltern-<br />
Lehrer-Kind-Gespräche, aktive Mitarbeit<br />
der Eltern<br />
Adresse und nähere Auskünfte<br />
Natur&<strong>Lernwerkstatt</strong> -<br />
Schule für ganzheitliches Lernen<br />
Kantniger Straße 31, 9220 Velden<br />
Tel 0699/12152463
ach acht Schuljahren in der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
wechselte ich 2002 ins<br />
Sport-Gymnasium St. Pölten in der<br />
Josefstraße. Ich freute mich auf etwas<br />
Neues.<br />
Seit meiner Kindheit liebte ich Sport und<br />
spielte im Verein Obbc Herzogenburg<br />
Basketball.<br />
Im Gymnasium gewöhnte ich mich<br />
schnell ein, fand Freunde und genoss<br />
die neue Umgebung. Etwas länger<br />
brauchten die Lehrer, um sich an mich zu<br />
gewöhnen. Obwohl die ersten Schularbeiten<br />
etwas daneben gingen, weil mir<br />
das System fremd war, schloss ich die 5.<br />
Klasse Oberstufe erfolgreich ab.<br />
Im darauf folgenden Sommer ng ich<br />
an, in der Damen-Bundesliga zu trainieren,<br />
das hieß noch mehr Training, mehr<br />
Spiele. Nach ein paar Monaten hatte ich<br />
Probleme mit den Schienbeinen, und<br />
mein Körper fand eindeutig, dass es Zeit<br />
für eine Auszeit war. Ich musste länger<br />
pausieren.<br />
Ohne Sport fehlte mir der Antrieb, ich<br />
hatte keinen Spaß mehr in der Schule<br />
und wollte nicht in einen anderen Zweig<br />
wechseln.<br />
Ich entschied in der 6. Klasse Oberstufe,<br />
die Schule abzubrechen. Die darauf folgenden<br />
Monate waren eine sehr schwere<br />
Zeit, ich fühlte mich antriebslos, orientierungslos<br />
und leer. Um Abstand zu<br />
gewinnen und mir selbst eine Pause zu<br />
scha en, og ich zu einer Freundin nach<br />
Neuseeland. Die Zeit dort war nett, aber<br />
immer noch etwas trostlos; ohne das tun<br />
zu können, was ich immer getan hatte,<br />
fehlte mir der Boden unter den Füßen.<br />
Danach jobbte ich ein bisschen hier und<br />
da und beschloss dann recht spontan,<br />
mit Birgit nach Indien zu reisen. Diese<br />
halbjährige Reise war für mich sehr<br />
wichtig, intensiv und prägend. In dieser<br />
Zeit lernte ich sehr viel von dem, was mir<br />
heute wichtig ist über Religion, Kultur,<br />
Menschen, aber am meisten wahrscheinlich<br />
über mich, innere Werte und meinen<br />
Herzensweg (und natürlich über die gute<br />
alte Freundin). Wir waren teils zusammen,<br />
teils getrennt unterwegs: Tempel, Ashrams,<br />
Rainbows, Partys, Flüsse, Berge, am<br />
Meer und im Himalaja Gebirge. Es war<br />
gut, manchmal allein zu sein und doch zu<br />
wissen, dass sie auch da war, hier, irgendwo,<br />
ein klein-winziger Punkt in diesem<br />
riesengroßen erstaunlichen Land.<br />
Das Zurückkommen war nicht leicht<br />
und ich verkroch mich ein paar Monate.<br />
Langsam verdauend wurde mir klar, dass<br />
die Aufgabe und Herausforderung darin<br />
bestand, das Gelernte und Gesehene<br />
mitzunehmen, einzusetzen, zu leben,<br />
nicht dem Erlebten nachzuhängen. Viel<br />
später auf den nächsten Reisen bemerkte<br />
ich, dass man Zurückkommen auch<br />
lernen kann, es wurde jedes Mal leichter<br />
und gelang besser.<br />
Ja, life goes on, ich ging als Kindermädchen<br />
auf Saison nach Lech am Arlberg<br />
und og anschließend geradewegs zu<br />
meinem Freund nach Israel. Das Land<br />
hatte etwas Faszinierendes in seiner<br />
Vielfalt und Kraft, aber bleiben konnte<br />
ich dort nicht, es war so ruhelos.<br />
Back in Austria kam allmählich der<br />
Wunsch nach etwas Standfestem, Greifbarem,<br />
nach beru icher Orientierung.<br />
Ich hatte keine Ahnung, was aus mir<br />
„werden“ sollte.<br />
Aus dem Blauen heraus besuchte ich<br />
einen Tanzkurs... und da war es wieder,<br />
das alte Feuer. Bewegung! Noch dazu<br />
zur Musik! Genial! Ein paar Monate später<br />
war ich schon mitten in einer Ausbildung<br />
(Bühnentanz), zog nach Wien, -<br />
nanzierte Ausbildung und Wohnung mit<br />
Wochenend-Nachtschichten am Kahlenberg<br />
(Kellnern, Hochzeiten vorbereiten<br />
und begleiten etc.).<br />
Ich liebte die Ausbildungszeit, im Nachhinein<br />
vermisse ich sie manchmal, diese<br />
erste stabile und doch unabhängige,<br />
freie Zeit. Aber neben der körperlichen<br />
Anstrengung noch die Nächte durchzulaufen,<br />
war auch nicht immer lustig.<br />
Nach der Ausbildung hatte ich viele Pläne<br />
und Ideen. Ich tanzte, probierte neue<br />
Stile aus, fuhr nach Bratislava und Berlin<br />
auf Camps, ng zu unterrichten an, hatte<br />
Projekte, Ideen und Events. Ich war am<br />
Sprung nach Berlin zu ziehen, als ich mir<br />
den Oberarm brach und für zwei Monate<br />
zur Pause gezwungen wurde. Ich hatte<br />
mich überfordert, aber da dies nun<br />
das zweite Mal geschah, machte ich mir<br />
Gedanken, ob es wieder Zeit für einen<br />
Wechsel sei. Es war schwer für mich, es<br />
kam mir vor, als blockierte mich etwas,<br />
immer dann weiter zu gehen, wenn ich<br />
mich zu sehr auf eine Richtung xierte.<br />
Der Bruch heilte, ich tanzte und trainierte<br />
weiter, ging nach Griechenland arbeiten<br />
und entdeckte dort durch die Arbeit eine<br />
neue Leidenschaft: die Malerei. Seither<br />
male ich regelmäßig und habe im Februar<br />
2013 meine erste Ausstellung.<br />
Fotos: Autorin<br />
<br />
Mit dem Gesparten ging ich nach Barcelona,<br />
fand dort ein nettes kleines Zimmer<br />
und trainierte am „Area Dance y Theatre<br />
de Barcelona.“<br />
Als nach 4 Monaten meine Lieblingslehrer<br />
die Schule verließen, war es auch für<br />
mich Zeit weiter zu ziehen, also packte<br />
ich wieder einmal meinen kleinen grünen<br />
Rucksack und og nach Mexiko, wo mich<br />
mein Bruder und seine damalige Freundin<br />
herzlich begrüßten.<br />
In Mexiko und Guatemala lernte ich Spanisch,<br />
verkaufte selbst gemachte Traumfänger,<br />
tanzte auf der Straße, kraxelte auf<br />
alte Tempel, nahm an Maya- Zeremonien<br />
teil und genoss noch mal so richtig das Leben,<br />
die Freiheit und das Reise eber.<br />
Ich hatte den Wunsch, für immer zu bleiben,<br />
doch wahrscheinlich genau deshalb,<br />
weil ich spürte, dass es vorerst die letzte<br />
Reise sein würde, denn gleichzeitig wuchs<br />
der Wunsch nach Sesshaftigkeit, nach<br />
einem weiteren beru ichen Lernen.<br />
Ich ging wieder zurück nach Griechenland,<br />
das mittlerweile meine zweite Heimat<br />
geworden war, unterrichtete Tanz,<br />
arbeitete und kam sehr unerwartet und<br />
überrascht mit Freund und Babybauch<br />
nach Hause zurück.<br />
Früher dachte ich, ich würde spät Kinder<br />
bekommen wegen des Tanzens und des<br />
Sports, doch der Meinung war Jonathan<br />
o ensichtlich nicht.<br />
Im Mai 2011 kam Jonathan Amin-Noel zur<br />
Welt. Es war eine sehr schöne Schwangerschaft,<br />
eine wundervolle Geburt und<br />
eine ruhige Stillzeit. Mir war klar, dass ich<br />
nicht sehr lange nur zuhause bleiben<br />
konnte, da es mir an Bewegung mangelte<br />
und ich „wissensdurstig“ war.<br />
Jetzt, vielleicht durch diese lange Pause,<br />
hat die jahrelange Suche nach dem „Wie<br />
weiter“ endlich mal ein Ende gefunden -<br />
vorerst. Zum ersten Mal seit der Tanzausbildung<br />
weiß ich wieder, was ich wirklich<br />
will und wo ich hin gehöre,…<br />
Ich mache die SBP (Studienberechtigungsprüfung),<br />
studiere Sportwissenschaft<br />
(back to the roots), tanze, unterrichte<br />
und genieße es, Jonah wachsen,<br />
gedeihen, lernen und blühen zu sehen<br />
und ihn zu begleiten…<br />
Ich bin Mutter (seit ich auch wieder etwas<br />
für mich tue, kann ich diese Rolle viel<br />
freudvoller leben), Tänzerin, Tanzlehrerin,<br />
Sportlerin, Frau, Studentin, Schwester,<br />
Tochter und noch so einiges;) und<br />
gehöre genau da hin, wo ich bin: Hierher!<br />
Abschließend möchte ich eine Frage be-<br />
antworten, die ich jetzt häu g gefragt<br />
werde: ob ich es bereue, die Schule damals<br />
abgebrochen zu haben, da ich jetzt<br />
alles nachholen muss.<br />
Nein! Ich muss ja nicht, ich will und da<br />
lernt es sich auch viel leichter. Wenn ich<br />
bedenke, was ich alles nachzuholen hätte,<br />
hätte ich die drei Jahre auf der Schulbank<br />
statt auf Reisen verbracht … das<br />
<br />
Erlebte, Erfahrene, die Self-studies. Jetzt<br />
lerne ich mit Freude und Leichtigkeit in<br />
einem Jahr, statt in drei, und auf dem<br />
Weg hierher sammelte ich viel Wissenswertes,<br />
was ich jetzt brauche, wie Englisch,<br />
Tier-, P anzenwelt, Kulturen und<br />
ich weiß, wofür ich dies tue und lerne.<br />
Damals wollte ich nicht studieren, ich<br />
war viel zu unruhig, ich wollte erleben!<br />
Dazwischen schien es mir manchmal,<br />
als stagniere ich, wusste nicht wohin<br />
und wie weiter. Im Nachhinein weiß ich,<br />
dass dies nur meine Ungeduld war. Ich<br />
erkannte, dass durch das Vertrauen, das<br />
trotz der Orientierungslosigkeit immer<br />
da blieb, sich immer eines dem anderen<br />
fügte, und die Phasen dazwischen nur<br />
Verdauungs- und Vorbereitungsphasen<br />
waren, die genauso wichtig wie die folgenden<br />
Handlungen waren.<br />
Und so bin ich lebensfroh und glücklich,<br />
freue mich über Zukunft und Ver-<br />
gangenheit, hatte eine wunderschöne<br />
Kindheit, Jugend, einen wunderschönen<br />
Lernweg und bin meinen Eltern sehr<br />
dankbar dafür, dass sie mir diesen Weg<br />
ermöglichten und mir Freiheit und Vertrauen<br />
schenkten, ihn zu gehen!<br />
Daya Varkonyi
Kinder lieben und brauchen Natur. Doch<br />
heute strolchen sie kaum mehr im Freien<br />
herum. Eine Katastrophe für die Gesellschaft,<br />
sagt der Philosoph und Biologe Andreas<br />
Weber. Denn nur im Kontakt mit der<br />
Natur entfalten sich seelische, körperliche<br />
und geistige Potentiale, die Kinder zu erfüllten<br />
Menschen werden lassen.<br />
Bei der Lektüre dieses Buches fanden wir<br />
überwiegend unsere Erfahrungen aus unserem<br />
Leben, aus unserer pädagogischen<br />
Arbeit und vor allem aus unserem 10-jäh-<br />
<br />
terben: nicht verstanden, doch<br />
versöhnt<br />
Die zentrale Beschäftigung jedes<br />
Menschen während seiner Kindheit liegt<br />
darin, unbewusst das Leben zu verstehen,<br />
von dem er ein Teil ist. Ohne dieses<br />
tiefe Verständnis kann niemand im<br />
vollen Sinne lebendig und auch nicht im<br />
vollen Sinne human sein. Das scheinbar<br />
Paradoxe ist somit: Ohne die Natur fehlt<br />
uns auch die Fähigkeit zur Zivilisation.<br />
Einen Aspekt der Lebendigkeit verbannt<br />
unsere Zivilisation in eine Tabuzone: Das<br />
ist der Tod. Einerseits zerlegt unsere Kultur<br />
alles in die toten Bausteine der Materie,<br />
um die Welt zu beherrschen und zu<br />
verbessern. Zugleich klammert sie den<br />
Tod so weit wie möglich aus. Apparatemedizin<br />
und Sicherheitsstandards sollen<br />
das Sterben verschwinden lassen. Zugleich<br />
werden Kinder durch die populären<br />
Medien von Toten und Sterbenden<br />
überschwemmt – aber es sind virtuelle<br />
Sterbefälle, die weniger Ehrfurcht vor der<br />
eigenen verletzlichen Lebendigkeit lehren,<br />
als vielmehr das Gefühl der Allmacht<br />
über alle Eventualitäten verstärken. Reales<br />
Sterben ist im Leben der heutigen<br />
Kinder nicht anwesend. Es ist fast schon<br />
ein Glücksfall für sie, wenn beim Begräbnis<br />
eines greisen Verwandten der Sarg<br />
rigen Waldfexxx-Erfahrungsschatz wieder.<br />
Die elementare Bedeutung von kontinuierlicher<br />
Naturerfahrung und -begegnung<br />
wird in sehr strukturierten Kapiteln sehr<br />
kraftvoll und mitreißend beschrieben.<br />
Wir präsentieren nun ein Kapitel dieses<br />
Buches, welches ein Thema behandelt, das<br />
gemeinhin nicht im Zusammenhang mit<br />
Kindern und deren Lebendigkeit gesehen<br />
wird und obendrein ein Tabu unserer Gesellschaft<br />
ist: „Vergänglichkeit und Tod“.<br />
Dazu gibt es auch viele Beispiele aus un-<br />
geö net bleibt, sie einen Blick auf die<br />
Kehrseite des seltsamen Wunders der<br />
Lebendigkeit tun dürfen und feststellen<br />
können, dass ein Leichnam nicht mehr<br />
die Person ist, die er war, sondern nur<br />
noch deren unbeseelte Kehrseite.<br />
In der Natur hingegen ist der Tod in Fülle<br />
präsent, und hier ist er nicht tabu. Im<br />
Welken und Dahinsterben der Vegetation<br />
ist die zentrale Lektion des Lebens,<br />
<br />
serer Waldfexxx Erfahrung - wie Kinder,<br />
wenn sie die Möglichkeit haben, in der<br />
Natur aufzuwachsen, ganz natürlich auch<br />
mit diesem Thema in Kontakt kommen<br />
und wie diese Erfahrungen ihr Leben bereichern.<br />
Dazu Fotobeispiele aus dem Waldfexxx<br />
Leben. Mehr davon und viele andere<br />
Themen bei unseren Seminaren:<br />
.<br />
Doch nun laden wir zur Leseprobe von<br />
„Mehr Matsch – Kinder brauchen Natur“<br />
ein:<br />
dass nämlich in seiner Mitte der Tod<br />
steht, ohne Einschränkung o enbar.<br />
Auch der Umstand, sterben zu müssen<br />
und dieses Sterben bereits in sich zu tragen,<br />
ist somit ein Teil tief erfahrener Fülle<br />
des Lebens. Natur zeigt diese Tiefe gerade<br />
darin, dass in ihr Sterben und Leben<br />
untrennbar voneinander zur gleichen<br />
Zeit und am gleichen Ort vorkommen.<br />
Die Birkenblattwespe in ihrer singulären<br />
Schönheit ist für ein anderes Wesen zur<br />
lebenspendenden Nahrung geworden.<br />
Die Birnen, die unter dem Baum verfaulen,<br />
nachdem sie von zarten Fraßminen<br />
durchlöchert schon im Juli vom Stamm<br />
gefallen sind, werden unübersehbar<br />
wieder zu Erde. Am Meeresstrand ist<br />
dieses Phänomen besonders intensiv erfahrbar.<br />
Es duftet nach Jod und Verwesung,<br />
nach der Frische der See und nach<br />
ihrem vertrockneten Nährschleim, der<br />
jeden Tropfen süßt. Die Fülle des Lebens,<br />
die den Spülsaum bedeckt (schauen Sie<br />
jetzt nicht auf das Plastik!), war eben<br />
noch Proliferation und ist nun bereits<br />
Leichnam.<br />
In der Erfahrung einer in die Natur eingebetteten<br />
kindlichen Subjektivität bedeutet<br />
das: Das Kind ist dem Gedeihen<br />
und Verderben des Körpers, aus dem<br />
es selbst besteht, nicht vollständig aus-<br />
Fotos: Sabine Polatschek<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
LWS Org. Leitung, Pädagogin,<br />
Waldfexxx-Mitbegründerinund<br />
Wegbegleiterin.<br />
geliefert. Selbst der Tod wird es nicht<br />
vollständig verschlingen, weil in der Biosphäre<br />
immer das Leben gewinnt. Diese<br />
Erfahrung, nicht die Verfügungsmacht<br />
über den Drücker der virtuellen Wa en,<br />
gibt wahre Souveränität. Ungeachtet<br />
seiner Endgültigkeit ist der Tod der Humus,<br />
den das Neue benötigt. Diese Form<br />
von Todeserfahrung gehört zum tieferen<br />
Sinn jeder Bindung: Ich erlebe die<br />
Geschicke des Bindungspartners als die<br />
<br />
<br />
Waldfexxxgründerin<br />
und Leiterin<br />
Andreas Weber:<br />
MEHR MATSCH!<br />
Kinder brauchen Natur<br />
Verlag Ullstein 2012<br />
meinen und meine an die seinen gebunden,<br />
über die ich keine Macht habe. Das<br />
eine Leben und Sterben ist in das Gelingen<br />
oder Scheitern eines größeren Zusammenhangs<br />
eingefügt. Sterben bleibt<br />
die unau ösbare Ungereimtheit, an die<br />
man sich nie gewöhnen kann – und zugleich<br />
zeigt es sich im Rahmen des weiteren<br />
Lebenszusammenhanges als eine<br />
Notwendigkeit, die das Leben spendet.<br />
Als Erwachsener hat diese Erfahrung,<br />
<br />
im Ganzen getröstet zu sein, der amerikanische<br />
Öko-Pionier und Er nder des<br />
Yosomite-Nationalparks John Muir unübertre<br />
ich so ausgedrückt: „Wie interessant<br />
wäre es, ein ganzes Leben lang an<br />
der Seite einer Wasseramsel zu bleiben<br />
bis zu ihrer Sterbestunde! Ganz gewiss<br />
wäre da keine Düsternis, kein Schmerz.<br />
Ich stelle mir vor, sie würde vergehen wie<br />
eine Blume, oder wie eine Gischtglocke<br />
am Fuße eines Wasserfalls.“
Von Ulrike Tinhofer-Sonntag<br />
<br />
er Schwan ist wo dagegen ge-<br />
ogen. Er lebt noch, aber der R...<br />
wird ihn jetzt erschlagen, damit<br />
er nicht leiden muss.“ „Unsinn, der ist<br />
schon tot.“ „Er ist gegen die Brücke geogen.“<br />
„Er ist tot.“ „Nein, er lebt noch!“ Im<br />
zweiten Stock brodelte die Gerüchteküche<br />
und was wirklich passiert ist, werden<br />
wir nicht mehr herausnden.<br />
Tatsache war: Jedes Jahr schwamm ein<br />
Schwanenpaar im Schlossteich. Jedes<br />
Jahr brüteten die beiden und jedes Jahr<br />
zogen sie wuscheligen grauen Schwanen-Nachwuchs<br />
auf. Bis auf ein Jahr.<br />
Die großen Eier lagen auch im Herbst<br />
noch im Nest. Vorsichtig holten ein paar<br />
Buben sie heraus – und die Neugierde<br />
war groß. Was ist da wohl drinnen?<br />
In der Werkstatt wurden sie vorsichtig<br />
aufgebohrt. Eine stinkende Soße oss<br />
heraus. Dann wurden die Schalen gereinigt<br />
und als wertvoller Schatz mit nach<br />
Hause genommen. Im nächsten Frühjahr<br />
passierte es dann. Der Schwanen-<br />
Mann war schon alt. Vielleicht konnte er<br />
nicht mehr gut sehen. Wahrscheinlich ist<br />
er zuerst gegen die Stromleitung geogen<br />
und dann gegen einen Baum. Dort<br />
wurde er gefunden. Für viele Kinder<br />
war er ein guter Freund. Gerade junge<br />
Kinder, Schulanfänger, die noch nicht<br />
so viele Freunde hatten, teilten oft ihre<br />
Jause mit ihm. Er kam ganz nah und ließ<br />
sich manchmal sogar berühren. Und nun<br />
lag er da. Manche machten gleich Pläne.<br />
„Wir könnten ihn sezieren! Wie schaut so<br />
ein Schwan von innen aus?“<br />
Andere waren den Tränen nahe. Man<br />
kann einen Freund doch nicht einfach<br />
so aufschneiden. Ein toter Freund muss<br />
begraben werden. Aber dürfen wir das?<br />
Das Gelände gehört nicht uns! Der tote<br />
Schwan wurde in eine Scheibtruhe ge-<br />
<br />
legt und zugedeckt. Am nächsten Tag<br />
in der Früh wussten wir: unser Vermieter<br />
hatte nichts gegen ein Schwanenbegräbnis<br />
einzuwenden. So fand der<br />
Schwan seine letzte Ruhestätte im kleinen<br />
Wäldchen.<br />
Einige Tage blieb die Schwanenfrau<br />
noch da, dann og sie davon. Nach einigen<br />
Wochen hieß es: Sie ist zurück! Und<br />
sie hat einen Mann mitgebracht!<br />
Erst im nächsten Jahr wurde wieder gebrütet<br />
– doch ausgerechnet diesmal wurde<br />
wegen Bauarbeiten der Schlossteich<br />
ausgelassen. Bald saßen die Schwäne<br />
auf dem Trockenen. Aber sie ließen sich<br />
nicht entmutigen. Sie brüteten weiter.<br />
Doch wie sollten die Kleinen ins Wasser<br />
gelangen?<br />
Der Schulschluss kam und unsere Sorge<br />
blieb. Im Sommer hatte ich in der Schule<br />
zu tun. Als ich die kleine Brücke über den<br />
Mühlbach überqueren wollte, wurde ich<br />
böse angezischt. Ich bin richtig erschrocken<br />
– aber dann habe ich sie gesehen:<br />
<br />
die ganze Schwanenfamilie, die Eltern<br />
und drei prächtige graue Jungschwäne,<br />
fast schon ausgewachsen. Sie hatten es<br />
geschat. Erst im Oktober wurde der<br />
Schlossteich wieder eingelassen. Wieder<br />
schwimmt ein (unser?) Schwanen-Paar<br />
über das Wasser. Der Schwanen-Mann<br />
passt gut auf. Er scheucht seine Frau von<br />
den Menschenkindern weg. Er selbst<br />
aber nimmt schon Kontakt auf. Und wieder<br />
sind es die jüngeren Kinder, denen<br />
„zufällig“ ein Stückchen Brot ins Wasser<br />
fällt. Groß ist die Freude, wenn nicht nur<br />
die Entenschar kommt, sondern auch<br />
der große weiße Schwan.<br />
<br />
<br />
ist LWS-Begleiterin,<br />
Mutter von 2 Söhnen,<br />
Schüler der LWS<br />
Foto: R ainer Wisiak<br />
Foto: Tobias Steirer<br />
<br />
<br />
ie und wann bist du auf die Idee<br />
gekommen, ein Buch zu schreiben?<br />
Man kommt ja nicht einfach auf die<br />
Idee und sagt „du schreibst jetzt irgendwie<br />
ein Buch oder so”. Ich schreibe schon<br />
seit vielen Jahren Geschichten, aber die<br />
meisten wurden nicht vollendet. Das<br />
war eigentlich die erste, die ein Ende hat,<br />
das mir gefällt. Eigentlich hab ich die Geschichte<br />
ja nur für mich aufgeschrieben,<br />
ich hab sie dann aber noch mehrmals<br />
umgeschrieben und weiter ausgebaut<br />
und so.<br />
Wo schreibst du?<br />
Hauptsächlich in der Schule. Gemeinsam<br />
mit der Muriel. Dort hab ich es<br />
mit der Hand geschrieben, und zuhause<br />
hab ich es dann abgetippt.<br />
Hattest du beim Schreiben Menschen,<br />
die dich besonders unterstützt haben?<br />
Die Muriel. Eigentlich kann man ja<br />
sagen, sie ist Mitautorin, auch wenn sie<br />
selber das nicht so sieht. Mama hat Korrektur<br />
gelesen. Und es gab auch ganz<br />
viele, die es einfach vorher gelesen und<br />
dann auch kritisiert haben. Das weiß ich<br />
heute gar nicht mehr so genau, wer das<br />
aller war. Das waren so viele.<br />
Wie hast du deinen Verlag united p.c. gefunden?<br />
Das hab ich schon oft erzählt. Wir<br />
waren auf einer Buchmesse in Wien. Da<br />
waren viele Stände von verschiedenen<br />
Verlagen. Bei einem ist ganz groß gestanden,<br />
dass sie auch von neuen Autoren,<br />
<br />
Mit Begeisterung habe ich das Erstlingswerk „Estrella – Elfen gibt´s doch nicht!” von Anna Breiteneder<br />
gelesen und die junge Autorin zum Gespräch getroen. Anna ist 15 Jahre alt, lebt in Krems an der Donau<br />
und ist Schülerin der <strong>Lernwerkstatt</strong>. Das Interview führte Tobias Steirer.<br />
<br />
also auch jemandem, der noch nie etwas<br />
veröentlicht hat, Manuskripte nehmen.<br />
Denen habe ich mein Manuskript dann<br />
geschickt. Die haben dann zurückgeschrieben:<br />
„Ja, ganz toll und so, aber wenn<br />
du es veröentlichen willst, dann zahlst<br />
du 3.000 Euro” … so ungefähr. Da hab ich<br />
dann zurückgeschrieben, dass mir das zu<br />
teuer ist und ich das nicht zahlen kann. Ich<br />
wollte das auch nicht. Nach einem Monat<br />
haben sie mir zurückgeschrieben, dass sie<br />
es weiterleiten könnten, an einen Verlag,<br />
der das gratis macht (der zur gleichen<br />
Verlagsgruppe gehört). Ich habe gesagt,<br />
ja, sie sollen das machen. Dann hat der<br />
andere Verlag zurückgeschrieben, dass<br />
das passt und sie es veröentlichen würden.<br />
Und sie haben mir gesagt, wie das<br />
Layout sein muss. Das war ein bißchen<br />
kompliziert, weil die Angaben sehr genau<br />
waren. Hier so viel Abstand und oben so<br />
viel Abstand… Das Cover habe ich selber<br />
ausgesucht. Das war auch kompliziert,<br />
denn die wollten Bilder mit 300dpi oder<br />
so haben. Ich habe gar nicht gewusst, was<br />
das ist. Das Bild habe ich ungefähr fünfmal<br />
hingeschickt, bis es gepasst hat. Zuerst<br />
war es ein anderes Foto, aber das war<br />
vom Handy und da ist die Qualität doch<br />
nicht so gut.<br />
Welchen Bezug hast du zu dem Ort, an<br />
dem dein Roman spielt?<br />
Wir fahren von der Schule aus jedes<br />
Jahr nach Istrien. Eine Woche, das<br />
ist quasi die erste Schulwoche. Das Buch<br />
spielt eben auch dort. Ich fahre dort seit<br />
ungefähr 9 Jahren hin. Die Idee zum<br />
Buch ist auch dort entstanden.
Du erzählst deine Geschichte aus drei<br />
Perspektiven…<br />
Ja, ich erzähle aus der Perspektive<br />
von der 14-jährigen Elfe Estrella, und<br />
aus der Perspektive von Melissa, einem<br />
13-jährigen Mädchen - als Tagebuch –<br />
wo sie sich ein bisschen selbst kritisiert.<br />
Und aus der Perspektive von Chamaedris,<br />
das ist ein kleiner Elfenjunge, der erzählt<br />
seine Erlebnisse seinem Eichhörnchen<br />
Vulgarys, das ist sozusagen sein<br />
Haustier.<br />
Woher kommen eigentlich diese<br />
Namen?<br />
Die etwas ausgefalleneren Namen<br />
stammen aus einem P anzenbuch<br />
(lacht). Naja, wir haben eben eine ganze<br />
Reihe von Namen gebraucht und da haben<br />
wir uns ein P anzenbuch geholt, wo<br />
die lateinischen Namen drunterstehen,<br />
haben sie ein bisschen verändert und<br />
dann die genommen.<br />
Elfen entstammen der nordischen Mythologie.<br />
In der neueren Literatur sind<br />
sie uns als Elben aus Tolkiens "Herr der<br />
Ringe" als ein uns Menschen überlegenes<br />
Volk bekannt, oder in J.K.Rowlings<br />
"Harry Potter" als den Heinzelmännchen<br />
ähnliche Wesen. Woher stammt die Inspiration<br />
für deine Elfen?<br />
Tja, gute Frage. Ich weiß es gar<br />
nicht so genau… Das ist einfach meine<br />
Vorstellung von Elfen. Es gab eigentlich<br />
nichts Besonderes, was mich dazu inspiriert<br />
hat.<br />
Die Flügel der Elfen sind ja nicht für jeden<br />
sichtbar. Steht da auch ein gesellschaftskritischer<br />
Gedanke dahinter?<br />
<br />
Nein. Ich weiß, es wirkt ein bisschen<br />
so, aber eigentlich nicht.<br />
Du spielst also nicht auf die mangelnde<br />
Phantasie der Menschen an?<br />
Das ist mir eigentlich erst im Nachhinein<br />
aufgefallen. Beim Schreiben war<br />
das einfach so. Da gab es keinen speziellen<br />
Grund dafür.<br />
Identi zierst du dich mit einem Charakter<br />
besonders?<br />
Nicht mit einem mehr als mit den<br />
anderen. Eher mit allen, denn ich habe<br />
sie ja auch erfunden. In allen steckt vielleicht<br />
ein bisschen was von mir.<br />
Viele Menschen haben den Traum, iegen<br />
zu können. Wie ist das bei dir?<br />
Ich habe schon ganz lange den<br />
Wunsch, einen Hubschrauber ug zu<br />
machen. Ich habe das aber noch nie<br />
gemacht. Selber iegen können muss<br />
ich nicht. Mit einem Flugzeug iegen ist<br />
aber schon super.<br />
Planst du noch weitere Bücher zu schreiben?<br />
Planen kann man so was eben<br />
nicht. Also, ich schreibe schon gerade<br />
eine neue Geschichte, aber ich weiß<br />
nicht, ob sie fertig wird.<br />
Danke für das Gespräch.<br />
Gern geschehen<br />
Anna Breiteneder:<br />
Estrella: Elfen gibt‘s doch nicht!<br />
United p.c. 2012<br />
Fotos: Johannes Norz<br />
<br />
<br />
<br />
ltern für ihre Kinder“ – wir wollen<br />
feiern, was in den letzten über 20<br />
Jahren an reformpädagogischen<br />
Initiativen gewachsen ist, gemeinsam mit<br />
unseren über 2000 Kindern. Wir kehren<br />
zurück auf den St. Pöltner Rathausplatz,<br />
wo wir vor 7 Jahren, im Oktober 2006,<br />
zum ersten Mal gemeinsam aufgetreten<br />
sind als Niederösterreichische reformpädagogische<br />
„Schulen unter freiem<br />
Himmel“. Inzwischen haben wir in unsere<br />
NÖ-Plattform „ZukunftBildung“ auch<br />
reformpädagogische Kindergärten und<br />
Kindergruppen aufgenommen und sind<br />
auf 70 Mitgliedsinitiativen angewachsen.<br />
Wir haben konfessionelle Gräben<br />
überwunden und inzwischen auch 2<br />
katholische reformpädagogische Initiativen<br />
auf unserer NÖ-Plattform. Mit einer<br />
evangelischen Reformschule sind wir im<br />
Gespräch. In NÖ ist es gelungen, Schulen<br />
aller Verbände auf einer Plattform zu vereinen:<br />
Waldorf, Netzwerk, PBÖ, Förderverband<br />
und Verband Privatschulen mit<br />
wissenschaftlicher Begleitung.<br />
Was diese breite Vernetzung auf Österreichebene<br />
bewirkt hat, wurde 2011<br />
mit der übergreifenden Plattform „Freie<br />
Schulwahl – jetzt“ sichtbar: Eltern aller<br />
Verbände sammelten über 20.000 Unterschriften<br />
für eine Bürgerinitiative, die<br />
NR-Präsidentin Barbara Prammer übergeben<br />
und im Bildungsunterausschuss<br />
behandelt wurden. Dadurch kamen Gespräche<br />
mit allen im Nationalrat vertretenen<br />
politischen Parteien ins Rollen und<br />
zuletzt im Herbst 2012 Verhandlungen<br />
über neue Finanzierungsmöglichkeiten<br />
der Privatschulen in freier Trägerschaft<br />
mit dem Unterrichtsministerium. Auch<br />
wenn wir noch nicht das erreicht haben,<br />
was uns vorschwebt – 80% Finanzierung<br />
der Schulen in freier Trägerschaft durch<br />
ö entliche Mittel bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung<br />
ihrer Autonomie – wir<br />
bleiben dran. Bildungsministerin Claudia<br />
Schmid und die Bildungssprecher<br />
von ÖVP und SPÖ haben uns zugesichert,<br />
dass die Novellierung des in die<br />
Jahre gekommenen Privatschulgesetzes<br />
(1962) unter Berücksichtigung der seit<br />
den 1990er Jahren gewachsenen Privatschulen<br />
in freier Trägerschaft im Regierungsprogramm<br />
der nächsten Koalition<br />
stehen wird.<br />
Doch zurück nach Niederösterreich:<br />
Nach dem gemeinsamen „Aktionstag“<br />
2006 haben wir im Jahr 2010 die Tradition<br />
begonnen, jährlich einen noe:reform.<br />
tag gemeinsam zu veranstalten. 2010<br />
in Pottenbrunn beim lws:fest.tag der<br />
<br />
„Wir warten nicht, bis sich im Bildungssystem etwas ändert, wir starten selbst eine Initiative“ - das haben<br />
sich Eltern von ca. 1% der (Nieder-)Österreichischen Kinder seit Beginn der 1990er Jahre gesagt.<br />
Von Egbert Amann-Ölz<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong>, die ihr 20-jähriges Jubiläum<br />
feierte. 2011 in Schönau an der Triesting<br />
beim 20-Jahrfest der Rudolf Steiner<br />
Landschule. 2012 dezentral an allen<br />
Standorten unserer Initiativen gleichzeitig.<br />
Wir tre en uns alle 3-4 Monate bei<br />
einer anderen Initiative. Als wir im Waldkindergarten<br />
St. Andrä Wördern den<br />
Reformtag 2012 nachbesprachen und<br />
in Richtung 2013 schauten, war der einhellige<br />
Tenor, wieder eine gemeinsame<br />
Veranstaltung zu machen. Wir wollen<br />
die Schulen hochleben lassen, uns über<br />
das Gewachsene freuen und es auch<br />
nach außen sichtbar machen. Wiederum<br />
mit vielen Angeboten zum „Be-greifen“,<br />
wie sich Bildung jenseits von konventionellen<br />
Klassenzimmern anfühlt. Auf der<br />
Bühne werden Theater, Tänze, Spiele<br />
etc. aufgeführt. Mit von der Partie ist<br />
auch wieder das „Cinema Paradiso“ am<br />
Rathausplatz, das den ganzen April 2013<br />
Filme zum Thema Bildung zeigt. Am 27.<br />
April u.a. „Wie Kinder lernen“ (Ilse Crillovich)<br />
und „1+1=100“ (Doris Kittler) mit<br />
den Autorinnen.<br />
<br />
<br />
Neu ist diesmal die Ö nung für ö entliche<br />
Schulen und Kindergärten. Uns ist<br />
es ein Anliegen, Verbindungen zu schaffen,<br />
Reformpädagogik überall zu stärken,<br />
wo engagierte PädagogInnen und<br />
Eltern am Werk sind. Beim noe:reform.<br />
tag2010 in einem zarten Ansatz sichtbar<br />
durch die Präsenz der ö entlichen
„Volksschule zum Glück“ aus Oed mit<br />
einem Stand, der sich von unseren reformpädagogischen<br />
Ständen um nichts<br />
unterschied, wollen wir diesmal über<br />
einen Foto- und Malwettbewerb alle<br />
ö entlichen Schulen und Kindergärten<br />
erreichen. Das Motto: „Erlebnis-reich<br />
lernen – Bildung begreifen“. Alle Niederösterreichischen<br />
SchülerInnen und<br />
Kinder, ob in ö entlichen oder privaten<br />
Schulen, Hausunterricht, Kindergärten<br />
oder Kindergruppen sind eingeladen,<br />
ein Bild einzusenden, in dem dieses Motto<br />
sichtbar wird. Die Bilder werden beim<br />
Fest der Bildung ausgestellt und durch<br />
eine Jury von Bildungsexperten aus dem<br />
privaten und ö entlichen Bereich prämiert.<br />
LH Erwin Pröll und Bgm. Matthias<br />
Stadler sind eingeladen, die Preise zu<br />
übergeben.<br />
Apropos Landeshauptmann: in einem<br />
Gespräch mit ihm im Dezember 2012<br />
konnten wir eine kleine Erfolgsmeldung<br />
mit nach Hause bringen zu allen Privatschulen<br />
– konfessionelle wie in freier Trägerschaft:<br />
der jährliche Landeszuschuss<br />
wird von 90€ auf 115€ pro Kind erhöht.<br />
Wohlgemerkt pro Jahr – wir bräuchten<br />
es pro Monat. Aber auch hier bleiben wir<br />
dran. Der nächste Schritt ist ein Gespräch<br />
mit den Gemeindevertreterverbänden.<br />
Und auch im Kindergruppenbereich ist<br />
dzt. eine Evaluation durch eine Beratergruppe<br />
am Laufen, in die wir einbezogen<br />
werden.<br />
Einstweilen aber sehen wir uns am 27. April<br />
am Rathausplatz in St. Pölten: Alle, auch Eltern<br />
und PädagogInnen, aus ö entlichen<br />
wie privaten Bildungsträgern, sind herzlich<br />
eingeladen – sei es als „Aussteller“<br />
(Infos und Anmeldung : info@zukunftbildung.net)<br />
oder sei es als „Besucher“. Es<br />
lebe die Reformpädagogik – sie lebe hoch!<br />
<br />
Sa. 27. April 2013 „Fest der Bildung“<br />
St. Pöltner Rathausplatz: 70 NÖ reformpädagogische<br />
Bildungsinitiativen<br />
auf einer Plattform noe.reform.tag2013<br />
Ab Jänner 2013 Foto- und Malwettbewerb<br />
„Erlebnis-reich lernen - Bildung<br />
begreifen“ an allen NÖ Schulen und vorschulischen<br />
Bildungseinrichtungen<br />
Detailinformationen zum Fest der Bildung<br />
sowie zum Foto- und Malwettbewerb:<br />
<br />
<br />
<br />
ist Vater von 4 Buben (2 davon dzt. in der LWS),<br />
Obmann der NÖ-Plattform ZukunftBildung<br />
<br />
<br />
<br />
Angebote zum Be-greifen für Kinder &<br />
Erwachsene<br />
<br />
Erö nung durch LH Dr. Erwin Pröll<br />
<br />
Au ührungen von Kindergruppen<br />
und SchülerInnen (Chor, Orchester,<br />
Schauspiel, Theater, …)<br />
<br />
Podiumsdialog mit Bildungsexperten<br />
und Politikern im Cinema Paradiso,<br />
Saal3, Eintritt frei<br />
<br />
Kurz lme / Diashows einzelner Schulen<br />
und Kindergärten im Beislkino,<br />
Eintritt frei<br />
<br />
Film: „Wie Kinder lernen“ von<br />
Ilse Crillo vich, <strong>Lernwerkstatt</strong>,<br />
Gespräch mit der Autorin,<br />
Cinema Paradiso, Saal 3,<br />
Eintritt frei<br />
<br />
Kindertheater Pistatschios: „Grü elo“,<br />
im Cinema Paradiso, großer Saal (1)<br />
<br />
Film „1+1=100 oder Die Schule des<br />
Lebens“, von Doris Kittler, Wien,<br />
Gespräch mit der Autorin,<br />
Cinema Paradiso, Saal 3
Du wirst jetzt bald volljährig, Sohn.<br />
Zeit für deinen Initiationsritus.<br />
Naa, bitte nicht. Das ist so peinlich.<br />
Aber geh. Das sind nur deine unterdrückten<br />
Wünsche nach elterlicher Unterstützung.<br />
Ich werde doch von euch unterstützt.<br />
Das war so blöd beim Ulli, ich mach da<br />
nicht mit.<br />
Ja, dieser Eierlauf erschien mir doch<br />
ein bisschen…überspannt.<br />
Siehst du, sogar die Mama ndet das.<br />
Frauen verstehen von Eierläufen nix.<br />
So ein Lauf mit Ei und Lö el, was hat<br />
denn das mit Mannsein zu tun?<br />
Oh, nein, jetzt wird’s wieder peinlich.<br />
Da siehst du, was dieser mütterliche<br />
Ein uss wieder anrichtet. Totale Verunsicherung.<br />
Und das, weil dir die Symbolik<br />
von Lö el und Ei vollkommen entgeht.<br />
Legen nicht die Hennen das Ei?<br />
Ha!<br />
Ja, aber sie tragen es nicht. Die Frau<br />
legt die Eier, der Mann trägt sie!<br />
Ich habe ja gesagt, peinlich. Und ich<br />
weigere mich ein Ei zu tragen, das eine<br />
Frau gelegt hat.<br />
Dein Vater versucht dir nur beim Erwachsenwerden<br />
zu helfen, Schatz.<br />
Eben. Die Naturvölker haben schon ge-<br />
<br />
wusst, was sie tun. Riten tun wieder Not.<br />
Aber nicht mit mir, ich bin kein Buschmann.<br />
Nein, noch ein Buschbaby, aber das<br />
werden wir bald ändern. (reibt sich die<br />
Hände)<br />
Aber das Messer nde ich cool, darf<br />
ich mir eins aussuchen? Ich hätt gern so<br />
ein Riesenmesser mit GPS-Funktion.<br />
Die sind ja die Teuersten.<br />
Sonst mach ich beim Eierlauf nicht<br />
mit.<br />
Na gut, na gut. Deal. (Haut ihm<br />
männlich auf die Schultern)<br />
Und was ist mit den Mädchen?<br />
Da lass dir was einfallen, die Mitzi ist<br />
ja erst in drei Jahren soweit.<br />
Neeeiiin.<br />
Ich habe da auch schon so eine<br />
Idee. Rauchrituale und als Initiationsgeschenk…Stöckelschuhe!<br />
Stöckelschuhe, jö!<br />
Stöckelschuhe?<br />
Davon verstehst du als Mann nichts.<br />
Der Stöckelschuh – Symbol für Größe<br />
und Wehrhaftigkeit.<br />
Wehrhaftigkeit?<br />
Schon mal Stöckelschuhe in deine<br />
Symbolik bekommen?<br />
Frauen sind immer so aggressiv.<br />
<br />
<br />
Luise Muschailov<br />
Und das Rauchen? Darf ich schon mal<br />
anfangen?<br />
Na klar. In den Naturvölkern hat das<br />
Rauchritual seinen festen Platz.<br />
Aber keine Stöckelschuhe.<br />
Oh, es gibt durchaus entsprechende<br />
Rituale. Denk an diese 30 cm langen<br />
Hälse der Frauen, die nur mehr mit Metallringen<br />
halten. Würden sie die abnehmen,<br />
wäre das ihr sicherer Tod. Ursprünglich<br />
waren diese Ringe ein Schutz<br />
gegen Tierbisse.<br />
Und was hat das mit Stöckelschuhen<br />
zu tun?<br />
Die waren früher mal ein Schutz gegen<br />
Hochwasser. Das weiß nur keiner mehr.<br />
Was wir uns alles von den ursprünglichen<br />
Völkern abschauen können, toll.<br />
Da fällt das Erwachsenwerden leicht.<br />
Mir gefallen die Foltermethoden der<br />
Siouxindianer gut….<br />
Na, vielleicht bauen wir die auch<br />
noch ein. Kinder, das wird ein Spaß.<br />
Da wird man wieder jung, gell, Schatz.<br />
Und wenn du willst, erklär ich dir das mit<br />
den Eiern mal unter vier Augen.<br />
(Va und Mu kichern)<br />
und Peinlich.<br />
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann<br />
werden sie noch heute erwachsen.<br />
Luise Muschailov<br />
Fotos: David Meixner
Wir bedanken<br />
uns herzlich bei den<br />
Sponsoren unseres<br />
Schlossballs!<br />
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den Spendern unserer Tombola-Preise:<br />
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Weltladen, St. Pölten<br />
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Spezieller Dank gilt Jürgen<br />
Hörhan für seine Geldspende<br />
Fotos: David Meixner<br />
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<br />
Die Revitalisierung bestehender historischer<br />
Kraftwerke ist ein neuer Weg in<br />
eine grüne Zukunft, den das österreichische<br />
Familien-Unternehmen AAE erfolgreich<br />
beschreitet.<br />
Für die Revitalisierung eines Kleinwasserkraftwerks<br />
in Laas im Gailtal wurde<br />
die AAE (Alpen Adria Energie), mit dem<br />
Euro-Solar Preis ausgezeichnet. Das Kraftwerk<br />
aus dem Jahr 1927 war, wie viele<br />
andere Kleinkraftwerke in den letzten<br />
Jahrzehnten, abgeschaltet und vergessen<br />
worden. Man setzte damals auch in<br />
Österreich auf die relativ billigen fossilen<br />
und atomaren Energien. Klein, fein und<br />
sauber waren leider keine gefragten Kriterien<br />
in der Stromerzeugung. Es bedurfte<br />
schon einer ordentlichen Portion Mut<br />
und einem beherzten Blick über den Tellerrand<br />
hinaus, um ein mehr als achtzigjähriges<br />
Kleinwasserkraftwerk aus dem<br />
Dornröschenschlaf zu küssen. Wilfried<br />
Klauss jun., Geschäftsführer der AAE fühlt<br />
sich Tradition und Umwelt gleichermaßen<br />
verp ichtet: „Unsere Familie hat vor<br />
127 Jahren eines der ersten Wasserkraftwerk<br />
Österreichs gebaut. Wir sehen es als<br />
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„mit der Zeit tanzen“<br />
Leitung und Infos: Auguste Reichel<br />
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Foto: Don Ferguson www.tintezirkus.at<br />
<br />
<br />
Das österreichische Familien-Unternehmen AAE revitalisiert erfolgreich historische Wasserkraftwerke<br />
und setzt so ein weiteres Zeichen für eine grüne Energiezukunft.<br />
Verp ichtung an, alte Werte zu erhalten<br />
und sie mit moderner Technik den heutigen<br />
Bedürfnissen anzupassen.“<br />
<br />
Mit einer Leistung von 150 Kilowatt ist das<br />
Kleinkraftwerk im Ort Laas jetzt vollautomatisiert.<br />
Es kann aus der Ferne gesteuert<br />
und überwacht werden. Störungen<br />
wurden minimiert und die Produktion<br />
Wilfried Klauss jun., Geschäftsführer<br />
der AAE: „Ziel unseres Unternehmens<br />
ist es, durch ein ganzheitliches Konzept<br />
mit einem Mix aus unterschiedlichen<br />
Energiequellen 100 Prozent<br />
reinen Ökostrom zu produzieren.“<br />
optimiert. Durch den Umbau gelang es,<br />
die Erzeugung um 40 Prozent zu steigern,<br />
ohne die bestehende Wasserzufuhr zu<br />
erhöhen. Das revitalisierte Kraftwerk liefert<br />
aktuell bis zu 800.000 kWh pro Jahr,<br />
350.000 kWh mehr als vor dem Umbau.<br />
Durch die erhöhte Produktivität werden<br />
der Umwelt pro Jahr 330 Tonnen CO2 und<br />
578g radioaktiven Abfall erspart. (Errechnet<br />
nach ENTSO E-Mix 2011).<br />
Einst Stromversorger der Lungenheilstätte<br />
ist das Wasserkraftwerk nun Lieferant<br />
für 230 Haushalte und damit eine<br />
wichtige Stütze der regionalen Versorgungssicherheit.<br />
<br />
Durch den Erhalt historischer Kraftwerke<br />
können neuerliche Eingri e in Natur und<br />
Landschaft vermieden werden. „Alleine<br />
im Gailtal in Kärnten gibt es weit über<br />
100 historische Kraftwerke, die nach einer<br />
Revitalisierung zur Versorgungssicherheit<br />
beitragen könnten. Damit wären wir<br />
dem Ziel 100 Prozent sauberen Strom zu<br />
produzieren ein großes Stück näher,“ ist<br />
Wilfried Klauss jun. überzeugt. Das von<br />
Anton Thuswaldner geplante und 1927<br />
fertiggestellte Kraftwerk stellt in seiner<br />
Form ein Unikat dar, die von der AAE entwickelte<br />
Kraftwerksteuerung lässt sich jedoch<br />
einfach und wirtschaftlich in jedem<br />
Kraftwerk umsetzen – durch ein Konzept,<br />
das für Kleinkraftwerke maßgeschneidert<br />
ist. „Gäbe es in Kärnten weitere so vorbildliche,<br />
unermüdliche Energie-Pioniere<br />
wie Ing. Wilfried Klauss und sein Team,<br />
dann wäre dieses sonnige Bundesland<br />
längst energieautark und auch Proteste<br />
gegen Atomkraftwerke und Atomstrom-<br />
Autobahnen über üssig“, erklärte Eurosolar-Austria-Vorsitzender<br />
Dr. Hans Otto<br />
Schmidt, bei der Überreichung des Eurosolar-Preises<br />
an die AAE.<br />
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Herbert Renz-Polster<br />
perKussiv<br />
Thomas Declaude<br />
„Der Grüffelo“<br />
nach Julia Donaldson (ab 4 Jahren)<br />
Samstag | 16. März 2013 | 15:00<br />
im Dorfhaus Neustift, 3123 Obritzberg<br />
Infos: Anita Engelhart (Tel. 0660/56 000 59 )<br />
„Schneewittchen und der böse Wolf“<br />
ein unterhaltsames Märchenpotpourri für Jung und Alt<br />
Sonntag | 14. April 2013 | 14:30 und 17:00<br />
im Kraftwerk Theiß<br />
Freitag | 15. März 2013 | Vortrag 19:00<br />
Dr. Herbert Renz-Polster - Born to be wild<br />
Was bringen Kinder mit ins Leben?<br />
Unter welchen Umständen gedeihen Kinder am<br />
besten? Wodurch haben sie Rücken- bzw. Gegenwind?<br />
Viele der in der Erziehung verbreiteten<br />
Glaubenssätze erweisen sich aus evolutionärer<br />
Sicht als reine Ammenmärchen.<br />
Ort: LWS Pottenbrunn<br />
Eintrittspende: € 15 (ermäßigt bis 26 Jahre: € 12)<br />
Anmeldung erbeten: info@lernwerkstatt.ws<br />
Samstag | 06. April 2013 | Einlass/Buet ab 19:30<br />
Trommelkonzert „perKussiv“<br />
Mit ihrer Musik erzählen perKussiv Geschichten,<br />
die aus der Stille emporwachsen,<br />
sich entwickeln, dahintreiben und mit großem<br />
Getöse oder in die Stille zurückkehrend enden.<br />
Hörprobe unter www.klangwege.at<br />
Ort: LWS Pottenbrunn<br />
Eintrittsspende: € 13, (ermäßigt bis 26 Jahre: € 11)<br />
Samstag | 20. April 2013 | 10:00 bis 16:00 und<br />
Sonntag | 21. April 2013 | 10:00 bis 14:00<br />
„Theaterreisen-Seminar“ mit Thomas<br />
Declaude<br />
Seminar zur Förderung kreativer Potenziale mit<br />
Übungen für Stimme und Körper (Ausdruck)<br />
sowie spielerischer Vermittlung von Imaginationstechniken.<br />
Ort: LWS Pottenbrunn<br />
Eintrittsspende: € 90, Anmeldungen (unbedingt erforderlich) bis 05.04.2013<br />
unter info@lernwerkstatt.ws<br />
www.thomasdeclaude.at, www.theaterreisen.info<br />
Samstag | 27. April 2013 | ab 9:00<br />
Fest der Bildung - noe.reform.tag<br />
70 NÖ reformpäd. Bildungsinitiativen auf einer<br />
Plattform (siehe Artikel ab S. 39)<br />
Ort: Rathausplatz St. Pölten<br />
www.zukunftbildung.net<br />
Vorschau zu allen geplanten Veranstaltungen<br />
auch unter www.lernwerkstatt.ws<br />
Wollen Sie unsere Schule<br />
und unsere Pädagogik<br />
näher kennen lernen?<br />
schulführung<br />
am 14.03.2013 und 23.05.2013<br />
jeweils Do, 16-18:30<br />
Eintritt frei!<br />
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!<br />
info@lernwerkstatt.ws oder 02742/43550<br />
Führung Spielwerkstatt 14:30 - 16 Uhr,<br />
Anmeld. 02742/43802<br />
Eine Schulführung bietet die Gelegenheit, einen<br />
Einblick in das Leben der <strong>Lernwerkstatt</strong> zu bekommen.<br />
Anhand von Filmszenen aus dem Schulalltag<br />
und einer Führung durch die Räume im Wasserschloss<br />
stellen wir Ihnen die Pädagogik der <strong>Lernwerkstatt</strong><br />
vor.<br />
Die gezeigten Filmausschnitte stammen aus der<br />
DVD „Wie Kinder Lernen“, erhältlich bei den Schulführungen<br />
sowie unter www.lernwerkstatt.ws<br />
Nach Absolvierung einer Schulführung ist das<br />
Hospitieren während des Schulvormittages<br />
gerne möglich. Nach der Hospitation ndet ein<br />
Abschlussgespräch statt. Kostenbeitrag: € 35/25<br />
(Stud.). Für interessierte<br />
Eltern ist die Hospitation<br />
kostenfrei.<br />
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einschreibung<br />
Um eine gute Entscheidung des Schuleintrittes<br />
Ihres Kindes treen zu können, haben wir für Sie<br />
einen Aufnahmemodus entwickelt. Für die Terminplanung<br />
bitten wir um rechtzeitige Kontaktaufnahme.<br />
Ein Schulwechsel von der Regelschule<br />
ist vor der zweiten Klasse Volksschule möglich.<br />
Ausnahme: Wechsel aus einer Alternativschule.<br />
mit allen sinnen lernen<br />
Aktiv und selbstbestimmt den eigenen Entwicklungsplan<br />
entfalten!<br />
Vortrag, Filmvorführung: „Wie Kinder lernen“ (Regie:<br />
Ilse Crillovich) über den Schulalltag in der LWS<br />
und Diskussionsrunde. Termine auf Anfrage für Elternabende<br />
in Kindergruppen und Kindergärten.<br />
raumvermietung<br />
Es besteht die Möglichkeit, Räume im Wasserschloss<br />
in der schulfreien Zeit zu mieten. Terminvereinbarung<br />
und Preisinformation:<br />
raummiete@lernwerkstatt.ws<br />
weitere informationen:<br />
<strong>Lernwerkstatt</strong> im Wasserschloss<br />
Josef-Trauttmansdor-Straße 10<br />
3140 Pottenbrunn<br />
info@lernwerkstatt.ws<br />
02742 435 50 (Di-Fr 8:00-12:00)<br />
www.lernwerkstatt.ws<br />
Unverbindliche<br />
Voranmeldungen<br />
jederzeit möglich!<br />
Die <strong>Lernwerkstatt</strong> ist<br />
ein Teil der „Sinn-Stiftung<br />
– Prof. Dr. Gerald Hüther“<br />
www.schulen-der-zukunft.org<br />
P.b.b. Erscheinungsort 3140 Pottenbrunn / Aufgabepostamt 3107 St. Pölten<br />
Ausgabenummer: 1/2013, Zulassungsnummer: 04Z035787