Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag
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dungen, die erst nach Vorliegen des amtsärztlichen Gutachtens<br />
erhoben werden. Ob eine solche Erklärung abgegeben wurde,<br />
kann hier dahingestellt bleiben. Wäre diese Erklärung nicht abgegeben<br />
worden, wäre es Sache des Verhandlungsleiters gewesen,<br />
die Beschwerdeführer, die die dort protokollierte Absicht bekundeten,<br />
erst nach Vorliegen des sanitätspolizeilichen Gutachtens ihre<br />
Stellungnahme zur Projekt abgeben zu wollen, über die mit einer<br />
solchen Vorgangsweisen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der<br />
Möglichkeit Parteistellung im Verfahren zu erwerben, iSd § 13a<br />
AVG zu belehren. Auch in diesem Fall wären die Beschwerdeführer<br />
ohne ihr Verschulden iSd § 356 Abs 3 zweiter Satz GewO<br />
1994 gehindert gewesen, rechtzeitig ihre Einwendungen zu erheben.<br />
Anmerkung:<br />
Siehe die Anm zu dem unten abgedruckten Erk 98/05/0141.<br />
Peter Kastner<br />
Baurecht<br />
7710<br />
§ 42 Abs 1 AVG 1991 (idF vor der Nov 98);<br />
§ 31 Abs 4 OÖ BauO 1994<br />
Einwendungen können zeitgerecht nur vor oder<br />
in der mündlichen Verhandlung erhoben werden;<br />
wenn in der Verhandlung die Möglichkeit<br />
zur Äußerung zu einem Sachverständigengutachten<br />
eingeräumt wird, dann können in dieser<br />
Äußerung jedenfalls nicht andere bzw neue Einwendungen<br />
erhoben werden (s schon das hg Erk<br />
vom 27. 6. 1978, 522/76).<br />
VwGH 25. 1. <strong>2000</strong>, 98/05/0141<br />
Aus den Gründen:<br />
Um die Präklusionswirkungen des § 42 Abs 1 AVG zu verhindern,<br />
hat der Nachbar ein Vorbringen zu erstatten, dem zu entnehmen<br />
sein muss, dass die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet<br />
wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Dem Begriff der Einwendung<br />
ist die Behauptung einer Rechtsverletzung in Bezug auf<br />
ein bestimmtes Recht immanent (s das hg Erk vom 23. 3. 1999,<br />
98/05/0217 mwN).<br />
In den Verhandlungen wurden von den Mitbeteiligten keine Einwendungen<br />
erhoben. Den Niederschriften lässt sich nur entnehmen,<br />
dass sie Beeinträchtigungen befürchten; ob sie diese Befürchtungen<br />
zum Gegenstand einer Einwendung machen würden,<br />
wollten sie erst nach Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens<br />
entscheiden. Nur so können ihre auf Seite 7 des Protokolls vom<br />
Rechtsprechung<br />
8. Juli 1997 wiedergegebenen Erklärungen verstanden werden.<br />
Danach wollten sie ihre Stellungnahme zum Projekt erst nach Vorliegen<br />
des sanitätspolizeilichen Gutachtens abgeben.<br />
Grundsätzlich ist der Vorbehalt, später Einwendungen zu erheben,<br />
keine „Einwendung“ im Rechtssinn (s den Nw bei Neuhofer, Oö<br />
Baurecht4 , 138). Ob der Verhandlungsleiter mit der „Einladung“<br />
an die Mitbeteiligten, sich binnen 14 Tagen nach Erhalt des Gutachtens<br />
zu äußern, eine – dem § 42 Abs 1 AVG widersprechende<br />
– prozessleitende Verfügung iSd § 43 Abs 4 AVG getroffen<br />
hat, die Nachbarn dürften nicht jetzt, sondern erst in diesem<br />
Schriftsatz Einwendungen erheben, kann aus folgenden Gründen<br />
dahingestellt bleiben:<br />
...<br />
Aus dem amtsärztlichen Gutachten ergab sich, dass eine bis dahin<br />
offenbar im Raum stehende Einwendung, das Projekt würde Bestimmungen<br />
verletzen, die gesundheitlichen Belangen oder dem<br />
Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen, nicht erfolgreich<br />
sein würde. In ihrer Äußerung zum Sachverständigengutachten<br />
haben die Mitbeteiligten erstmals eine andere Einwendung<br />
erhoben, nämlich diejenige, dass das Projekt den Bestimmungen<br />
des Flächenwidmungsplanes widerspreche, ohne damit in irgendeiner<br />
Weise eine erhebliche Belästigung (§ 22 Abs 2 iVm Abs 1<br />
ROG 1992) durch das Vorhaben darzutun.<br />
Auszugehen ist davon, dass Einwendungen entweder zeitgerecht<br />
vor oder bei der Verhandlung erhoben werden können; wenn in<br />
der Verhandlung die Möglichkeit zur Äußerung zu einem Sachverständigengutachten<br />
eingeräumt wird, dann können in dieser Äußerung<br />
jedenfalls nicht andere bzw neue Einwendungen erhoben<br />
werden (s schon das hg Erk vom 27. 6. 1978, 522/76).<br />
Die eingetretene Präklusion hätte die belangte Behörde bei Behandlung<br />
der Vorstellung der Mitbeteiligten zu beachten gehabt.<br />
Anmerkung:<br />
Beide Entscheidungen gründen auf ein und demselben Sachverhalt.<br />
Die bau- und gewerberechtliche Verhandlung wurde in<br />
einem abgeführt. Nur gewerberechtlich drang die mitbeteiligte<br />
Partei durch. Maßgeblich war – auch für den VwGH – die Rechtslage<br />
vor der AVG-Nov 1998.<br />
Seit 1. 1. 1999 gilt § 42 Abs 3 AVG idF BGBl 1998/I/158: Demnach<br />
kann „eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein<br />
unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war,<br />
rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden<br />
oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, . . . binnen zwei<br />
Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens<br />
bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei<br />
der Behörde Einwendungen erheben“. Die Bestimmung ermöglicht<br />
den Eintritt in das Verfahren. Ihr Anwendungsbereich setzt beim<br />
Schluss der mündlichen Verhandlung an. Insoweit ist § 42 Abs 3<br />
AVG dem § 356 Abs 3 GewO vergleichbar (s dazu VwGH 3. 9.<br />
1996, 94/04/0257).<br />
AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong> 689