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Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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d) Übermäßiger Aufwand (Z 3)<br />

Das Kriterium der Unwirtschaftlichkeit wird in Z 3 mehrfach betont:<br />

Zunächst muss die Handlung „entgegen Grundsätzen ordentlichen<br />

Wirtschaftens“ erfolgen. Dabei muss der Aufwand übermäßig<br />

sein, dh mit den Vermögensverhältnissen oder der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit des Schuldners in auffallendem Widerspruch stehen.<br />

Nach den EBRV soll ein übermäßiger Aufwand dann vorliegen,<br />

wenn die Aufwendungen zu Einkommen und Vermögen „in<br />

eklatantem Missverhältnis“ stehen. „Unter Aufwand fallen sowohl<br />

Ausgaben im Privatinteresse (auch überhöhte Privatentnahmen) als<br />

auch für geschäftliche Zwecke (übermäßige geschäftliche Anschaffungen,<br />

Personal-, Werbe- oder Repräsentationsaufwand)“.<br />

Problematisch erscheinen geschäftliche Anschaffungen, die auf<br />

Kredit getätigt werden, etwa eine neue Computeranlage oder ein<br />

aufgestockter Fuhrpark. Die im Entwurf 1997 noch als Tathandlung<br />

vorgesehene unverhältnismäßige Kreditaufnahme ist nach der<br />

nun verwirklichten Reform als Tatbestandsvariante entfallen. Nach<br />

den Ausführungen des Gesetzgebers hätte selbst eine einschränkende<br />

Formulierung keine hinreichende Gewähr dafür geboten,<br />

dass damit nicht eine indirekte Generalklausel geschaffen würde:<br />

Eine Zahlungsunfähigkeit ohne Kreditaufnahme sei gar nicht denkbar;<br />

die unverhältnismäßige Kreditaufnahme als solche ist daher<br />

nach dem reformierten Tatbestand nicht mehr strafbar19 ). Die oben<br />

anhand mehrerer Fälle dargestellte unverhältnismäßige Kreditbenützung<br />

kann zumindest per se als Tathandlung nicht mehr erfasst<br />

werden.<br />

Da die Kreditaufnahme nicht mehr vorgeworfen werden darf, muss<br />

die Anschaffung als solche bewertet werden. Berücksichtigt werden<br />

also nur noch Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Investition,<br />

etwa der neuen Computeranlage oder der neuen Kraftfahrzeuge.<br />

Für die Frage des Übermaßes werden Einkommen und Vermögen<br />

zwar berücksichtigt; zu beurteilen ist aber nicht das Maß<br />

der Kreditbenützung, sondern der Wirtschaftlichkeit der Anschaffung.<br />

Dies gilt auch für Personal-, Werbe- oder Repräsentationsaufwand.<br />

Die Anschaffung ist unwirtschaftlich, wenn die Leistungsfähigkeit<br />

des Täters in unvertretbarer Weise überstiegen wurde, wobei die<br />

gesamte Vermögenslage des Kridatars, Umsatz, Kosten und Unternehmenschancen<br />

zu berücksichtigen sind20 ). Aussichtslose Investitionen<br />

(zB Luxusanschaffungen) werden also erfasst, nicht aber<br />

Sanierungsbemühungen, nur weil sie nicht erfolgssicher sind21 ).<br />

Selbst Verlustgeschäfte, bei denen der Unternehmer von Anfang<br />

an einen Verlust einplant, werden nicht als unwirtschaftlich angesehen,<br />

wenn zu erwarten ist, dass sich aufgrund dieses Geschäfts<br />

alsbald ein Gewinn bringendes anschließt22 ).<br />

be) Vernachlässigung der Buchführung und der Aufstellung<br />

von Jahresabschlüssen (Z 4, 5)<br />

Kridaträchtig handelt ebenso, wer Geschäftsbücher oder geschäftliche<br />

Aufzeichnungen zu führen unterlässt oder bloß so führt, dass<br />

Abhandlungen<br />

ein zeitnaher Überblick über die wahre Geschäftslage erschwert<br />

wird, oder sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen,<br />

die diesen Überblick verschaffen, unterlässt (Z 4) oder Jahresabschlüsse<br />

entweder überhaupt zu erstellen unterlässt oder auf<br />

eine solche Weise oder so spät erstellt, dass genannter Überblick<br />

erheblich erschwert wird (Z 5) 23 ). Durch diese Tathandlungen soll<br />

ein „wirtschaftlicher Blindflug“ vermieden werden. Der Unternehmer<br />

soll ein möglichst getreues Bild der tatsächlichen Verhältnisse<br />

erhalten24 ).<br />

Der Gesetzgeber betont ausdrücklich, dass „die kridaträchtigen<br />

Handlungen des § 159 Abs 5 Z 4 und 5 . . . kausal mit dem Eintritt<br />

des tatbildlichen Erfolges (Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit<br />

bzw Vereitelung oder Schmälerung der Gläubigerbefriedigung)<br />

verknüpft sein müssen“. Dabei ist zu beachten, dass die Kridahandlungen<br />

der Z 4 und 5 eine Unterlassung umschreiben. Diese<br />

ist nach hM nur dann kausal, wenn mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Erfolg bei Vornahme des gebotenen<br />

Tuns nicht eingetreten wäre25 ). Wird dem Schuldner also<br />

der mangelnde Überblick aufgrund fehlender Kontrollmaßnahmen<br />

vorgeworfen, müsste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit<br />

feststehen, dass der Schuldner bei deren Vorliegen den<br />

Überblick bewahrt hätte und dadurch seine Zahlungsunfähigkeit<br />

bzw kein zusätzlicher Gläubigerschaden eingetreten wäre.<br />

Der mangelnde Überblick allein kann eine Zahlungsunfähigkeit<br />

bzw einen zusätzlichen Schaden nicht herbeiführen. Dieser Erfolg<br />

kann eben nur durch die – wenn auch im Blindflug erfolgende –<br />

19) Die im früheren Entwurf als Kriterium vorgesehene grobe Unangemessenheit<br />

der Kreditbenützung wäre auch nicht einfach zu bestimmen<br />

gewesen. Nach den damaligen EBRV hätte die Kreditbenützung gegenüber<br />

der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Kridatars grob unangemessen<br />

sein müssen, dh „außer jeder Relation“ zu seiner wirtschaftlichen<br />

Lage stehen müssen. Dies war schon nach der bisher erfassten<br />

(schlichten) Unverhältnismäßigkeit der Kreditaufnahme anerkannt. Sowohl<br />

für § 159 aF als auch für die vorgeschlagene grobe Unverhältnismäßigkeit<br />

hätte der selbe Maßstab gegolten; die neue Regelung wäre<br />

überflüssig gewesen.<br />

20) Tröndle/Fischer, StGB 49 § 283 Rz 14; Tiedemann, LK <strong>11</strong> § 283 Rz 66;<br />

nach Stree in Schönke/Schröder, StGB 25 § 283 Rz 14, ist hingegen<br />

„allein dieses Verhältnis zum Vermögensstand zZ der Ausgaben“ entscheidend.<br />

Die Frage, ob der Vermögensstand dynamisch, dh ertragswertbezogen,<br />

oder statisch, dh rein rechnerisch, zu beurteilen ist, erinnert<br />

an den Begriff der insolvenzrechtlichen Überschuldung (vgl dazu<br />

Viehböck/Breiter, Verlustbetrieb und Überschuldung, in Druck).<br />

21) Tiedemann, LK <strong>11</strong> Vor § 283 Rz <strong>11</strong>7; Tröndle/Fischer, StGB 49 § 283<br />

Rz 12.<br />

22) Stree in Schönke/Schröder, StGB 25 § 283 Rz 12.<br />

23) Die Qualifikation nach § 159 Abs 3 aF erfasste das vorsätzliche<br />

Beiseite-Schaffen, Verfälschen oder Vernichten der Geschäftsbücher als<br />

erschwerende Umstände im Rahmen eines Fahrlässigkeitsdelikts; vgl<br />

dazu Eberl, Fahrlässige Krida durch Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit<br />

(§ 159 Abs 1 Z 1 StGB), unveröff Diss (Wien 1990) 237.<br />

24) Vgl EBRV.<br />

25) Zum diesbezüglichen Meinungsstreit und der Anwendung bei Kridafällen<br />

vgl Breiter, Fahrlässige Krida nach Zahlungsunfähigkeit 212ff.<br />

AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong> 661

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