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Anwaltsblatt 2000/11 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

wesentlich ist, dass die Freiheit und Unabhängigkeit der Rechtsbeistände<br />

gewährleistet ist, den Abschluss eines Zusatzprotokolles zur<br />

EMRK in die Wege zu leiten. Das Zusatzprotokoll hätte die Freiheit<br />

zur Übernahme und Durchführung aller Mandate, die Geheimhaltungspflicht<br />

aller im Rahmen eines Mandates anvertrauten Dinge<br />

und das Recht zur Verweigerung jeglicher Zeugenaussage sowie<br />

das Verbot von Benachteiligungen wegen Übernahme eines Mandates<br />

zu gewährleisten29 ).<br />

RAA Dr. Gustav Breiter, Mödling<br />

I. Der typische Kridafall<br />

Der typische Kridatar beginnt seine Geschäftstätigkeit zumeist mit<br />

nur geringem Eigenkapital. In der Folge ist er zur Aufnahme von<br />

Krediten gezwungen. Aufgrund stetiger Verluste wächst die Verschuldung.<br />

Zahlreiche Exekutionen werden geführt, Kredite teilweise<br />

fällig gestellt. Letztendlich ist das Unternehmen zahlungsunfähig.<br />

Der Kridatar wartet dennoch Monate – manchmal Jahre –<br />

mit dem gebotenen Insolvenzantrag, in der Hoffnung, das Unternehmen<br />

werde „sich erfangen“ und es werde „schon irgendwie<br />

weitergehen“. Bis zum unvermeidbaren Ende, oft in Form eines<br />

von der zuständigen Krankenkasse eingebrachten Konkursantrags,<br />

werden neue Schulden eingegangen1 ).<br />

So eröffnete etwa ein Kellner ein Restaurant: Gemeinsam mit seiner<br />

Gattin gründete er eine GmbH. Das Stammkapital wurde zur<br />

Hälfte einbezahlt. Für die nötigen Umbauarbeiten waren Investitionen<br />

in Höhe von ca S 2,5 Mio erforderlich, wobei etwa die Hälfte<br />

in Form eines Bankkredits aufgebracht wurde. Der Geschäftsgang<br />

entwickelte sich jedoch „eigentlich nie so“, wie er es sich vorgestellt<br />

hatte. Da das Lokal nicht verkauft werden konnte, beschloss<br />

er, es in eine Pizzeria umzubauen. Neuerlich waren Investitionen<br />

nötig. Nachdem die Zahlungsschwierigkeiten immer größer wurden,<br />

stellte der Schuldner letztendlich den Insolvenzantrag.<br />

Was nach einem im Wirtschaftsleben „ganz normalen Scheitern“<br />

klingt, das bekanntlich zur Marktwirtschaft ebenso gehört wie der<br />

Erfolg, konnte bisher – bei erfolgter Strafanzeige etwa durch einen<br />

erbosten Gläubiger – strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Der<br />

Tatbestand der fahrlässigen Krida hat dementsprechend in der Vergangenheit<br />

immer wieder Kritik hervorgerufen: Die weit gefassten<br />

und zudem bloß demonstrativ aufgezählten Tathandlungen würden<br />

eine Insolvenz ohne Strafbarkeit des Unternehmers nahezu unmöglich<br />

machen. Der Gesetzgeber reformierte nunmehr den strafrecht-<br />

Die Österreichische Anwaltschaft und die österreichischen Teilnehmer<br />

des Konventes sollten 80 Jahre Verfassungsrechtsschutz durch<br />

den VfGH als Europa- und Weltmodell zum Anlass nehmen, anzuregen,<br />

den Rechtsbeistand in Ausübung seines Mandates als<br />

Rechtsschützer auch im Grundrechtekatalog der EU gegen staatliche<br />

Gewalt gemeinschaftsrechtlich abzusichern.<br />

29) AnwBl 1975/5, 198.<br />

Die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen<br />

§ 159 StGB nach der Kridareform – ein erster Befund<br />

lichen Kridatatbestand, dies mit Wirksamkeit vom 1. 8. <strong>2000</strong>. Die<br />

folgenden Ausführungen stellen einen ersten Befund dar.<br />

II. Fahrlässige Krida nach § 159 Absatz 1 aF<br />

1. „Herbeiführungstatbestand“: Mangelndes Eigenkapital<br />

und unverhältnismäßige Kreditaufnahme (Z 1)<br />

Die Strafgerichte begründeten ihre Feststellungen zu den gesetzlichen<br />

Tathandlungen, sofern nicht allzu offenkundig, mit dem Gutachten<br />

des idR bestellten Sachverständigen. Letztlich wurde festgestellt,<br />

dass der Schuldner etwa zu viel Lagerbestand oder zu viele<br />

Fahrzeuge hatte, das Personal zu rasch aufstockte, zu wenig Aufträge<br />

vorhanden waren oder dass er keine ausreichenden Kenntnisse<br />

für das betreffende Geschäft hatte2 ).<br />

Im oben genannten Beispiel des gescheiterten Kellners wäre ein<br />

Strafgericht wohl in erster Linie davon ausgegangen, dass er früher<br />

hätte erkennen müssen, dass an diesem Standort ein zumindest<br />

kostendeckender Betrieb nicht möglich sein wird. Dementspre-<br />

1) Hinter dem Mut zum Unternehmertum steht oftmals der Wunsch von<br />

Angestellten, endlich einmal „sein eigener Herr“ zu sein und ein<br />

„Geschäft auf(zu)machen“: Restaurants werden eröffnet oder Baufirmen<br />

gegründet, Botendienste betrieben, mit Friseurartikeln oder Blumen<br />

gehandelt, Textilien erzeugt; Verurteilungen nach § 159 aF betrafen<br />

aber auch Landwirte, Dachdecker, Tierärzte oder Zahntechniker.<br />

2) Aus einer Urteilsbegründung: „. . . von Beginn an ohne Eigenkapital<br />

. . . Die Entwicklung war von Beginn an negativ, die von den Geschäftsführern<br />

als kostendeckend ermittelten Umsätze in Höhe von monatlich<br />

S 300.000,– bis S 500.000,– wurden in keinem Monat auch nur annähernd<br />

erreicht, sodass . . . erhebliche Verluste entstanden sind. Von<br />

Beginn an war auch kein Unternehmensführungskonzept und keine<br />

Plankostenrechnung vorhanden . . . obwohl . . . Verlust . . . wurden die<br />

Fixkosten wesentlich erhöht. Der Auftragsstand war sehr gering . . .<br />

weit entfernt von der Möglichkeit, die überhöhten Fixkosten abzudecken.“<br />

658 AnwBl <strong>2000</strong>/<strong>11</strong>

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