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Aktenvermerk Kostenübernahme des Mittagessens in teilstationären ...

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<strong>Aktenvermerk</strong><br />

<strong>Kostenübernahme</strong> <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> <strong>in</strong> <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtungen<br />

1. Rechtslage nach Auffassung <strong>des</strong> Bezirks Mittelfranken<br />

Seit dem Inkrafttreten <strong>des</strong> SGB XII fällt das Mittagessen, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung<br />

erbracht wird -rechtlich gesehen- nicht mehr unter die E<strong>in</strong>gliederungshilfe.<br />

Die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstatt oder Förderstätte<br />

für beh<strong>in</strong>derte Menschen stellen ab 01.01.2005 eigenständige Leistungen<br />

dar. Soweit der Leistungsberechtigte die Voraussetzungen <strong>des</strong> IV. Kapitels<br />

SGB XII erfüllt, hat er für das Mittagessen Anspruch auf Leistungen<br />

der Grundsicherung.<br />

Für Leistungen der Grundsicherung s<strong>in</strong>d die Bezirke nur zuständig, soweit<br />

der Leistungsberechtigte zugleich Leistungen/Hilfen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er stationären<br />

E<strong>in</strong>richtung nach anderen Kapiteln <strong>des</strong> SGB XII erhält.<br />

Nachdem die externen Besucher der WfbM nicht gleichzeitig stationäre<br />

Hilfen nach anderen Kapiteln <strong>des</strong> SGB XII erhalten, ist der Bezirk Mittelfranken<br />

nicht für die Gewährung der Grundsicherungsleistungen zuständig<br />

(Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AGSG). Entsprechende Leistungen s<strong>in</strong>d von dem<br />

örtlichen Träger der Sozialhilfe zu erbr<strong>in</strong>gen.<br />

Die vom Bezirk Mittelfranken vertretene Auffassung wird von allen bayer.<br />

Bezirken geteilt, ebenso vom zuständigen Bayer. Staatsm<strong>in</strong>isterium für<br />

Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. In anderen Bun<strong>des</strong>ländern<br />

stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit der <strong>Kostenübernahme</strong> <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtungen nicht, weil dort der Kostenträger<br />

der E<strong>in</strong>gliederungshilfe und der Kostenträger der Grundsicherung identisch<br />

ist.<br />

2. Bezirksgremien<br />

Der Bezirkstag von Mittelfranken hat zu dieser Thematik am 30.03.2006<br />

folgenden Beschluss gefasst:<br />

Der Bezirk soll künftig die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> für die teilstationär <strong>in</strong><br />

Werkstätten für Beh<strong>in</strong>derte betreuten Menschen übernehmen, soweit und<br />

solange diese <strong>in</strong> bestehenden Entgeltvere<strong>in</strong>barungen enthalten s<strong>in</strong>d.<br />

Die Verwaltung wird beauftragt, über den Verband der Bayerischen Bezirke<br />

auf e<strong>in</strong>e lan<strong>des</strong>weit e<strong>in</strong>heitliche und e<strong>in</strong>vernehmliche Lösung mit dem Sozialm<strong>in</strong>isterium<br />

und den Kostenträgern der Grundsicherung zu drängen.<br />

Dieser Bezirkstagsbeschluss wurde dem Sozialausschuss <strong>in</strong> der Sitzung<br />

vom 5.4.2006 zu Kenntnis gegeben.


3. AGSG<br />

Entsprechend dem Beschluss <strong>des</strong> Bezirktages vom 30.03.2006 wurde bei<br />

e<strong>in</strong>em Gespräch der Facharbeitsgruppe „Zuständigkeiten“ am 06.12.2006<br />

zwischen den teilnehmenden Vertretern <strong>des</strong> Verbands der bayer. Bezirke,<br />

der kommunalen Spitzenverbände, <strong>des</strong> StAMAS, <strong>des</strong> StMI und StMF u.a.<br />

der Vorschlag erörtert, die Zuständigkeit für das Mittagessen <strong>in</strong> <strong>teilstationären</strong><br />

E<strong>in</strong>richtungen im Rahmen e<strong>in</strong>er Änderung <strong>des</strong> AGSG den Bezirken zu<br />

übertragen.<br />

Hierzu teilte der Verband der bayer. Bezirke mit Schreiben vom 06.03.2007<br />

dem StMAS mit, dass der Hauptausschuss der bayer. Bezirke <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Sitzung am 02.03.2007 e<strong>in</strong>er Ausdehnung der Zuständigkeit der Bezirke<br />

bei <strong>teilstationären</strong> Hilfen auf die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> zugestimmt hat.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs muss durch die dazu notwendige Änderung <strong>des</strong> AGSG sichergestellt<br />

se<strong>in</strong>, dass für die übrigen Leistungsbereiche der Grundsicherung<br />

und der Hilfe zum Lebensunterhalt nach wie vor die örtlichen Sozialhilfeträger<br />

zuständig bleiben.<br />

Bis dato ist e<strong>in</strong>e Änderung <strong>des</strong> AGSG dah<strong>in</strong>gehend nicht erfolgt.<br />

4. Gerichtsverfahren<br />

Für 4 Leistungsberechtigte, die extern e<strong>in</strong>e WfbM bzw. Förderstätte besuchen,<br />

wurde der Bezirk Mittelfranken ab 2005 die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

<strong>in</strong> der <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtung nicht mehr übernommen.<br />

Gegen diese Entscheidungen klagten die Betroffenen vor dem Sozialgericht<br />

Nürnberg.<br />

In 3 Fällen wurde der Bezirk Mittelfranken verpflichtet, die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

<strong>in</strong> der <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtung zu übernehmen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fall<br />

wurde die Klage gegen den Bezirk abgewiesen.<br />

In den 3 Fällen, <strong>in</strong> denen wir zur Zahlung <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> verurteilt wurden,<br />

wurde Berufung zum Lan<strong>des</strong>sozialgericht e<strong>in</strong>gelegt mit dem Antrag,<br />

das Urteil <strong>des</strong> Sozialgerichtes Nürnberg aufzuheben und festzustellen,<br />

dass für die Übernahme der Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong> <strong>in</strong> der <strong>teilstationären</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung der örtliche Sozialhilfeträger zuständig ist.<br />

Der Leistungsberechtigte, <strong>des</strong>sen Klage auf Bezahlung <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

vom Sozialgericht Nürnberg zurück gewiesen wurde, legte ebenfalls Berufung<br />

e<strong>in</strong> mit dem Antrag, den Bezirk zu verpflichten, die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

<strong>in</strong> der <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtung zu übernehmen.<br />

Das LSG Schwe<strong>in</strong>furt verhandelte die 3 Berufungsfälle <strong>des</strong> Bezirks am<br />

27.06.2006 und änderte <strong>in</strong> allen 3 Fällen das jeweilige Urteil <strong>des</strong> Sozialgerichtes<br />

Nürnberg ab soweit der Bezirk zur Übernahme der Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

verpflichtet wurde.<br />

Den Berufungsfall <strong>des</strong> Leistungsberechtigten verhandelte das LSG am<br />

31.07.2006 und wies die Berufung <strong>des</strong> Leistungsberechtigten gegen das<br />

Urteil <strong>des</strong> Sozialgerichtes Nürnberg zurück.


Gegen die Urteile <strong>des</strong> LSG erhoben die Leistungsberechtigten Revision<br />

zum Bun<strong>des</strong>sozialgericht. Der erste Tag der Revisionsverhandlung fand<br />

am 26.08.2008 statt. Er endete mit e<strong>in</strong>em Antrag auf Ablehnung <strong>des</strong> vorsitzenden<br />

Richters sowie <strong>des</strong> Berichterstatters wegen Befangenheit durch<br />

den Rechtsanwalt <strong>des</strong> Bezirks Mittelfranken (vgl. dazu 5.).<br />

Zwischenzeitlich wurde am 18.04.2008 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof<br />

e<strong>in</strong> Verfahren gegen den Bezirk Schwaben dah<strong>in</strong>gehend entschieden,<br />

dass der überörtliche Sozialhilfeträger die Kosten <strong>des</strong> <strong>Mittagessens</strong><br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>teilstationären</strong> E<strong>in</strong>richtung nicht übernehmen muss.<br />

5. Antrag auf Befangenheit<br />

Der Prozessbevollmächtigte <strong>des</strong> Bezirks Mittelfranken hat Befangenheitsanträge<br />

gegen den vorsitzenden Richter und gegen den beisitzenden Richter<br />

und Berichterstatter aus folgenden Gründen gestellt:<br />

5.1 Der vorsitzende Richter fragte den Prozessbevollmächtigten und die<br />

Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>des</strong> Bezirks nach den Plädoyers der Parteien s<strong>in</strong>ngemäß,<br />

ob sie wüssten, wie es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Werkstatt für beh<strong>in</strong>derte Menschen ablaufe.<br />

Auf Nachfrage <strong>des</strong> Prozessvertreters <strong>des</strong> Bezirks, wie diese<br />

Frage geme<strong>in</strong>t sei, erklärte der vorsitzende Richter, dass die Richterbank<br />

mit der Thematik vertraut sei, weil se<strong>in</strong>e Frau <strong>in</strong> der Beh<strong>in</strong>dertenhilfe<br />

arbeitet und der Berichterstatter selbst zwei autistische K<strong>in</strong>der hat.<br />

Diese Erklärung ließ der vorsitzende Richter zu Protokoll geben.<br />

Anschließend erklärte der vorsitzende Richter mehrfach s<strong>in</strong>ngemäß,<br />

dass beh<strong>in</strong>derte Menschen nicht mit normalen Arbeitnehmern gleichgesetzt<br />

werden könnten. Beh<strong>in</strong>derte Menschen <strong>in</strong> Werkstätten könnten<br />

im Gegensatz zu „normalen“ Arbeitnehmern nicht selbst entscheiden,<br />

ob und wann sie Mittagessen wollen. Se<strong>in</strong>e wörtliche Aussage dazu:<br />

„Die brauchen e<strong>in</strong>fach nach zwei oder vier Stunden das Essen“.<br />

Alle<strong>in</strong>e die Tatsache, dass die Ehefrau <strong>des</strong> vorsitzenden Richters <strong>in</strong><br />

der Beh<strong>in</strong>dertenhilfe arbeitet, macht den vorsitzenden Richter nicht befangen.<br />

Dass er diese Tatsache aber mitten <strong>in</strong> der Verhandlung <strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er emotionalen Frage an den Beklagtenvertreter<br />

mitteilt, lassen berechtigte Zweifel an se<strong>in</strong>er Unparteilichkeit aufkommen.<br />

Dies wird noch unterstützt durch se<strong>in</strong>e weitere Verhandlungsführung,<br />

<strong>in</strong> der er offensichtlich nur aufgrund von Hörensagen aus der Arbeit<br />

se<strong>in</strong>er Ehefrau sehr pauschale Aussagen zu den Bedürfnissen beh<strong>in</strong>derter<br />

Menschen macht.<br />

5.2 Schwerwiegender ist noch der Zweifel an der Unparteilichkeit <strong>des</strong> beisitzenden<br />

Richters und Berichterstatters. Es ist zwar nur bekannt, dass<br />

der beisitzende Richter und Berichterstatter zwei autistische K<strong>in</strong>der hat<br />

und nicht, ob diese K<strong>in</strong>der Beh<strong>in</strong>dertene<strong>in</strong>richtungen besuchen. E<strong>in</strong>e<br />

Klarstellung durch den beisitzenden Richter und Berichterstatter erfolgte<br />

<strong>in</strong> der Verhandlung nicht und wurde auch vom vorsitzenden Richter<br />

nicht e<strong>in</strong>gefordert.<br />

Es ist aber durchaus anzunehmen, dass der beisitzende Richter und<br />

Berichterstatter im Verfahren e<strong>in</strong>e Entscheidung treffen muss, von der<br />

er und se<strong>in</strong>e Familie direkt betroffen se<strong>in</strong> können.<br />

Deshalb hätte der beisitzende Richter und Berichterstatter hätte sich selbst<br />

für befangen erklären müssen und den Beisitz und die Berichterstattung <strong>in</strong><br />

diesem Fall nicht annehmen dürfen.


6. Beteiligung <strong>des</strong> Bezirkstagspräsidenten und <strong>des</strong> Bezirktages<br />

Über den Gerichtsterm<strong>in</strong> war der Bezirkstagspräsident nicht <strong>in</strong>formiert; ebenso<br />

wenig war er mit der Entscheidung, ob e<strong>in</strong> Befangenheitsantrag gestellt<br />

werden soll, befasst. Gleiches trifft auch auf alle anderen Bezirkstagsmitglieder<br />

zu.<br />

7. Aktueller Sachstand (Stichtag: 13.11.2008)<br />

Die Befangenheitsanträge gegen den vorsitzenden Richter und den beisitzenden<br />

Richter wurden zurückgewiesen. Begründet wurde dies <strong>in</strong>sbesondere<br />

damit, dass die <strong>in</strong> den Befangenheitsanträgen vorgetragene Begründung<br />

nicht h<strong>in</strong>reichend sei, um Zweifel an der Unparteilichkeit aufkommen<br />

zu lassen. Die Ablehnung der Befangenheitsanträge ist nicht anfechtbar.<br />

Neuer Term<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e mündliche Verhandlung vor dem Bun<strong>des</strong>sozialgericht<br />

wird voraussichtlich im Dezember 2008 se<strong>in</strong>.<br />

Ansbach, den 13.11.2008<br />

Bezirk Mittelfranken<br />

- Sozialreferat -<br />

gez.<br />

Bernhard Amend<br />

Direktor der Bezirksverwaltung

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