Exkursion des britischen Forstvereins in Thüringen - Deutscher ...
Exkursion des britischen Forstvereins in Thüringen - Deutscher ...
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Bericht über die <strong>Exkursion</strong> <strong>des</strong> Königlich Britischen <strong>Forstvere<strong>in</strong>s</strong><br />
(Gruppe Nordwales)<br />
<strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen vom 01.05.2006 bis zum 05.05.2006<br />
Mart<strong>in</strong> Balke, Student FHS Schwarzburg, Imma`02<br />
Am Abend <strong>des</strong> ersten Mai erreichten die 12 Gäste aus Wales ihr Basislager im<br />
Hotel „Adler“ <strong>in</strong> Rudolstadt, um an den folgenden 4 Tagen an e<strong>in</strong>er <strong>Exkursion</strong><br />
durch die Thür<strong>in</strong>ger Welt der Forstwirtschaft und auch der Kultur teilzunehmen.<br />
E<strong>in</strong> umfangreiches und vielgestaltiges Programm wurde unter der Leitung von<br />
Frank Rowley und Professor Mart<strong>in</strong> He<strong>in</strong>ze im voraus zusammengestellt.<br />
Die Woche versprach schon am ersten <strong>Exkursion</strong>stag bei königlichem Wetter<br />
spannend und <strong>in</strong>formativ zu werden.<br />
Herr Hohle von der Handwerkskammer Ostthür<strong>in</strong>gen empf<strong>in</strong>g die Gruppe <strong>in</strong><br />
Rudolstadt und begleitete sie über den Tag h<strong>in</strong>weg.<br />
Das Sägewerk der Firma KLAUSNER <strong>in</strong> Friesau bot unter Führung von Herrn<br />
von Bodelschw<strong>in</strong>gh e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Profilzerspaner<strong>in</strong>dustrie.<br />
Mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schnittmenge von ca. 2 Mio. Festmeter im Jahr 2005 und an die<br />
300 pro Tag im Werk e<strong>in</strong>treffenden LKW, stellt dieses Werk e<strong>in</strong>es der größten<br />
<strong>in</strong> Europa dar. Dies sorgte für viele Fragen und Antworten. Nach e<strong>in</strong>em<br />
stärkenden Mittagessen im Werk mit Thür<strong>in</strong>ger Klößen und Roulade, wobei die<br />
Begeisterung der Gäste une<strong>in</strong>geschränkt blieb, g<strong>in</strong>g die Reise weiter zu Herrn<br />
Groll (Revierleiter im Forstamt Neustadt/ Orla).
Hier kamen Themen wie „Mobilisierung von Holz im Privatwald“ und „Bildung<br />
von Forstbetriebsgeme<strong>in</strong>schaften“ zur Sprache. Bee<strong>in</strong>druckend für unsere Gäste<br />
waren praktische Beispiele aus dem forstlichen Alltag, die verdeutlichten, wie<br />
sich aktiver Waldbau und Vernachlässigung von Beständen auf die Entwicklung<br />
und das damit verbundene Waldbild auswirken können. Die gute<br />
Walderschließung stieß auf positives Erstaunen.<br />
Die teilweise problematische forstliche Situation im Thür<strong>in</strong>ger Privatwald<br />
konnten die walisischen Gäste aus eigenen Erfahrungen von zu Hause her<br />
nachempf<strong>in</strong>den. Daran sieht man, daß also auch auf europäischer Ebene<br />
Lösungen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d und im Gedankenaustausch vone<strong>in</strong>ander gelernt<br />
werden kann. E<strong>in</strong> Hauptanliegen dieser <strong>Exkursion</strong> wurde damit schon befriedigt.<br />
Im Anschluß daran wurde dem 1912 gegründeten Familienbetrieb „KEUTSCH“<br />
<strong>in</strong> Bad Klosterlausnitz e<strong>in</strong> Besuch abgestattet.
Hier werden <strong>in</strong> nun be<strong>in</strong>ahe 100 jähriger Tradition pro Jahr ca. 2500 Holzleitern<br />
hergestellt. E<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e aus den 20er Jahren trägt auch heute noch zum<br />
erfolgreichen Bestehen der Manufaktur bei. Innovative Ideen der Familie<br />
„KEUTSCH“, zum Beispiel <strong>in</strong> Form von zusammenklappbaren Holzleitern<br />
führen dazu, das Holzleitern immer noch e<strong>in</strong>en Marktanteil von 13 % haben. Für<br />
die Teilnehmer der <strong>Exkursion</strong> waren das überraschende Zahlen, ähnliches<br />
kannte man von Wales nicht. Dort gäbe es nur Alum<strong>in</strong>iumleitern, die dazu<br />
führen, das man Flecken an den frisch gemalerten Wänden bekommen kann.<br />
Verwunderung brachte auch der Fakt hervor, daß trotz e<strong>in</strong>es sehr hohen<br />
Fichtenanteils <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen, das Holz für die Leitern aus den USA importiert<br />
werden muß.<br />
Die <strong>in</strong> der Vergangenheit berühmten Thür<strong>in</strong>ger Holzlandfichten mit engem und<br />
gleichmäßigen Jahrr<strong>in</strong>gaufbau s<strong>in</strong>d „ausgestorben“ und werden auch <strong>in</strong> naher<br />
Zukunft nicht mehr zur Versorgung der lokalen Holzmanufakturen beitragen.<br />
E<strong>in</strong>ige Waliser berichteten von ähnlichen absurden Fällen, wo P<strong>in</strong>us radiata aus<br />
Neuseeland zum Erosionsschutz an walisischen Hängen verbaut wird. Die<br />
Frage: „Wer weiß wo Britische und Deutsche Rohholzware <strong>in</strong> Neuseeland<br />
verbaut wird?“ wurde unbeantwortet <strong>in</strong> den Raum der kle<strong>in</strong>en Werkstatt gestellt.<br />
Abschließend verlief die <strong>Exkursion</strong> vorbei am Jagdschloß Hummelsha<strong>in</strong> zum<br />
„Rieseneck“, e<strong>in</strong>er Jagdanlage aus dem Jahre 1720.<br />
Nach e<strong>in</strong>em langen Tag freuten sich alle Gäste auf das wohlverdiente d<strong>in</strong>ner <strong>in</strong><br />
Rudolstadt.<br />
Der Mittwoch begrüßte alle mit strahlendem Sonnensche<strong>in</strong>, was für den Besuch<br />
<strong>des</strong> Baumkronenpfa<strong>des</strong> im Nationalpark Ha<strong>in</strong>ich mehr als optimal war.
Dort angekommen empf<strong>in</strong>g uns Herr Wilhelm und leitete die Gruppe nach<br />
kurzer E<strong>in</strong>führung über den 300 m lagen und bis zu 44 m hohen „tree top path“<br />
(besser „canopy walk“).<br />
Den Bäumen „Auge <strong>in</strong> Auge“ gegenüber zu stehen verschlug auch dem<br />
erfahrensten Förster vor Schönheit die Sprache. Der Frühl<strong>in</strong>g mit se<strong>in</strong>en Blüten<br />
und dem frischen Grün tat se<strong>in</strong> bestes um herrliche E<strong>in</strong>drücke zu gewähren.
Bis zu 10 Baumarten, e<strong>in</strong>e üppige Bodenflora und verschiedenste Vögel, die den<br />
Gästen aus Wales auch bekannt waren, sorgten für angeregte Gespräche.<br />
Der offene Aussichtspunkt auf der Spitze <strong>des</strong> Turmes bot ebenfalls bei guter<br />
Sicht e<strong>in</strong> umwerfen<strong>des</strong> Bild von der erwachenden Landschaft.<br />
Alle <strong>Exkursion</strong>steilnehmer waren überwältigt und hätten am liebsten noch mehr<br />
Zeit im Ha<strong>in</strong>ich verbracht. Leider konnte nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Ausschnitt aus dem<br />
vielfältigsten Lebensraum der Erde betrachtet werden, aber das versprochene<br />
Mittagessen mit Wildspezialitäten entschädigte die „Verluste“.<br />
Am Nachmittag <strong>in</strong> der Thür<strong>in</strong>ger Lan<strong>des</strong>anstalt für Forsten <strong>in</strong> Gotha<br />
angekommen wurden e<strong>in</strong>ige Informationen zum forstlichen Versuchswesen und<br />
zur Arbeit der Lan<strong>des</strong>anstalt vermittelt.<br />
In der größten frühbarocken Schlossanlage Deutschlands, dem Schloß<br />
Friedenste<strong>in</strong>, stand die Kultur im Vordergrund. Die Gemälde- und Porzellansammlung<br />
gefiel allen sehr gut und manches heimliche Foto wurde gemacht.
Die Schlossführung <strong>in</strong> gutem Englisch ehrte die Gäste und wurde entsprechend<br />
gewürdigt.<br />
Am Donnerstag dem 04. Mai führte die <strong>Exkursion</strong>, jetzt auch unter Begleitung<br />
von Herrn Uli Klüßendorf (FAL Oldisleben) mit e<strong>in</strong>er Traditionsbahn von<br />
Rottenbach nach Obstfelderschmiede.<br />
Die Bahn ist seit mehreren Jahrzehnten <strong>in</strong> Betrieb und steigerte den Erlebniswert,<br />
obwohl e<strong>in</strong>ige Waliser schmunzelnd me<strong>in</strong>ten, daß diese Art Eisenbahn <strong>in</strong><br />
Großbritannien auch heute noch zu den gängigen Verkehrsmitteln gehört.
Mit der Bergbahn g<strong>in</strong>g es dann hoch h<strong>in</strong>auf nach Lichtenha<strong>in</strong>. Die Fernsicht<br />
zeigte Thür<strong>in</strong>gen wieder von se<strong>in</strong>er besten Seite.<br />
Anschließend g<strong>in</strong>g die Reise weiter zur Talsperre Leibis. Dieses im letzten Jahr<br />
eröffnete Wasserreservoir sollte den ursprünglichen Plänen zufolge den<br />
Industrieraum Halle – Leipzig mit Tr<strong>in</strong>kwasser versorgen.
Die Anschauungstafeln gaben neben allgeme<strong>in</strong>en Informationen zum Bau <strong>des</strong><br />
Dammes auch E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Geologie Thür<strong>in</strong>gens.<br />
Nach e<strong>in</strong>em leider zu kurzem Abstecher zum Schloß Schwarzburg,<br />
empf<strong>in</strong>g uns Herr Thiele (Verwaltungsleiter) <strong>in</strong> der Thür<strong>in</strong>ger Fachhochschule<br />
für Forstwirtschaft.<br />
E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Vortrag mit dem Thema „Fakten zur Forstwirtschaft im<br />
Freistaat Thür<strong>in</strong>gen“ wurde <strong>in</strong> Englisch gehalten und mit aufschlussreichen
Grafiken untermauert. E<strong>in</strong>e lange Gesprächs- und Diskussionsrunde startete und<br />
ließ alle be<strong>in</strong>ahe den Fortgang der <strong>Exkursion</strong> vergessen.<br />
Professor He<strong>in</strong>ze stellte als nächsten Punkt stolz den Botanischen Garten vor<br />
und erzählte so manche Anekdote zur E<strong>in</strong>bürgerung bestimmter Bäume.<br />
Vom Trippste<strong>in</strong> hörte man bereits den Klang der Hörner <strong>des</strong> Chors der<br />
Fachhochschule, als der Marsch zum 200 m höher gelegenen Aussichtspunkt<br />
begann.<br />
Dort angekommen empf<strong>in</strong>g man die weitgereisten Gäste mit Musikstücken und<br />
nicht zu vergessen mit Tee und selbstgebackenem Kuchen. Für die<br />
ausgezeichnete Versorgung war Frau Reg<strong>in</strong>a Mart<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e „Kräuterhexe“ aus<br />
Cordobang, verantwortlich.
Um die Forstwirtschaft nicht gänzlich außer Acht zu lassen wurde unter Leitung<br />
von Revierleiter Ralf Attula vom Trippste<strong>in</strong> aus e<strong>in</strong>e Strecke durch das Revier<br />
Schwarzburg nach Cordobang gewählt. Dabei kamen Themen wie die Erhaltung<br />
und Weiterentwicklung der vorhandenen Weißtannenbestände und wie der<br />
Waldumbau h<strong>in</strong> zu Dauerwaldgesellschaften durchgeführt wird zur Sprache.<br />
Frau Mart<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>g uns <strong>in</strong> ihrer „Hexenküche“ <strong>in</strong> Cordobang und sorgte für<br />
e<strong>in</strong>e überwältigende kul<strong>in</strong>arische Gestaltung <strong>des</strong> Abends mit allerlei<br />
„zusammengebrauten“ Kräutern und Delikatessen.
Die mit Löwenzahn versetzte We<strong>in</strong>bowle und selbst angesetzter Kräuterschnaps<br />
sorgten für ausgelassene, aber britisch diszipl<strong>in</strong>ierte Stimmung.<br />
Von der Bewegung und dem Essen noch nicht müde, lud uns Frau Mart<strong>in</strong> zu<br />
e<strong>in</strong>em Spaziergang <strong>in</strong> ihren 8 ha großen Privatwald e<strong>in</strong>, wo erneut Ziele und<br />
Umgangsweisen mit dem Besitz besprochen wurden.<br />
Der Freitag stand unter dem Schatten der Abreise, so daß bereits Donnerstag<br />
Abend der Abschied nahte.<br />
Unsere Gäste aus Wales versicherten uns e<strong>in</strong>e wunderbare Woche <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen<br />
verbracht zu haben und mit sehr hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ke<strong>in</strong> letztes Mal hier<br />
gewesen zu se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>ige von ihnen waren überhaupt das erste Mal <strong>in</strong> Deutschland. Dies erfreut<br />
natürlich noch mehr, wenn der erste E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong> guter war.<br />
E<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung an den Thür<strong>in</strong>ger Forstvere<strong>in</strong> nach Wales blieb auch nicht aus.<br />
Vielleicht ergibt sich ja <strong>in</strong> naher Zukunft e<strong>in</strong>e Möglichkeit, erneut <strong>in</strong> Wales<br />
Menschen und Forstwirtschaft kennen zu lernen?