„Frauen ins Museum“ vom 9. – 10. März 1990 in Bremen im ...
„Frauen ins Museum“ vom 9. – 10. März 1990 in Bremen im ...
„Frauen ins Museum“ vom 9. – 10. März 1990 in Bremen im ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ERÖFFNUNGSREDE<br />
Zur Tagung <strong>„Frauen</strong> <strong><strong>in</strong>s</strong> <strong>Museum“</strong> <strong>vom</strong> <strong>9.</strong> <strong>–</strong> <strong>10.</strong> <strong>März</strong> <strong>1990</strong> <strong>in</strong> <strong>Bremen</strong> <strong>im</strong> Kultursaal der<br />
Angestelltenkammer<br />
Me<strong>in</strong>e Damen und Herren,<br />
Ursula Kerste<strong>in</strong>, Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung<br />
der Gleichberechtigung der Frau (ZGF)<br />
ich freue mich sehr. Sie heute zu unserer Tagung begrüßen zu können. Ich hoffe, daß das<br />
Programm, welches wir zusammengestellt haben, nicht nur Ihren Erwartungen entsprechen wird,<br />
sondern uns auch angeregte und fruchtbare Debatte ermöglichen wird. Unser Thema hat, wie ich<br />
me<strong>in</strong>e, solche Debatten dr<strong>in</strong>gend nötig.<br />
Frauen f<strong>in</strong>den sich <strong>im</strong> Museum kaum wieder. Wir wissen z.B. <strong>in</strong>zwischen, daß es seit dem<br />
Mittelalter stets Künstler<strong>in</strong>nen Aber alle<strong>in</strong> die Tatsache, daß die Arbeitsverträge der <strong>in</strong> dieser Zeit<br />
juristisch unmündig geltenden Frauen von Männern beglaubigt werden mußten, hat eigenständige<br />
Wirken von Frauen <strong>in</strong> Malerei und Literatur fast unsichtbar werden lassen. Die Ausgrenzung der<br />
Frauen aus den sich öffentlich mit Kunst und Wirtschaft befassenden Akademien und Universitäten<br />
hat bewirkt, daß Werke von Frauen <strong>in</strong> der Regel als exotische und daher bemerkenswerte, aber<br />
leider misslungene Versuche weiblicher Kreativität abqualifiziert worden s<strong>in</strong>d.<br />
Erst die Frauenforschung neuerer Zeit hat begonnen, Produkte weiblichen Kunstschaffens <strong>in</strong> das<br />
Licht der Öffentlichkeit zu stellen und deren besondere Qualität zu untersuchen. Nach wie vor<br />
bleibt zu fordern, daß Kulturleistungen von Frrauen angemessen dargestellt und, ebenso wie die<br />
der Männer, öffentlich zugänglich gemacht werden.<br />
Nach spezifischen Kunst- und Kulturtraditionen von Frauen muß künftig ebenso gefragt werden,<br />
wie dies bei Werken männlicher Künstler schon lange selbstverständlich ist. Erst wenn dies<br />
gelungen ist, wird die abendländische Kunst- und Kulturgeschichte umfassend erkannt und<br />
gewürdigt werden können.<br />
Frauenforschung hat auch bei der Betrachtung von Kunstwerken geschlechtsspefische<br />
Betroffenheit als unleugbaren Teil der Wahrnehmung und damit als e<strong>in</strong> Kriterium der<br />
wissenschaftlichen Beobachtung <strong>in</strong> die Forschung e<strong>in</strong>geführt.<br />
Mit e<strong>in</strong>em solcherart veränderten Problembewußtse<strong>in</strong> gelangen Wissenschaftler<strong>in</strong>nen zunehmend<br />
zu neuen Ergebnissen, unabhängig von den untersuchten Forschungsgegenständen. Aber auch<br />
der Kulturbegriff selbst und damit der Gegenstandsbereich von Forschung ändern sich: Erst die<br />
Frauenforschung hat die Untersuchung der Alltagskultur zu e<strong>in</strong>er wissenschaftlich allgeme<strong>in</strong><br />
anerkannten Tätigkeit werden lassen. Und wenn <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von best<strong>im</strong>mten<br />
Menschen Kritik geäußert wird/ fem<strong>in</strong>istische Forschung sei gegen Männer gerichtet, so ist das<br />
völlig falsch. Fem<strong>in</strong>ismus richtet sich nicht gegen Männer pauschal. Fem<strong>in</strong>ismus richtet sich gegen<br />
die Macht von Männern und Frauen und gegen die Strukturen, die das ermöglichen.<br />
Lebens- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen von Frauen s<strong>in</strong>d mittlerweile zwar zunehmend Gegenstand der<br />
Forschung, aber bislang werden die Ergebnisse dieser Forschung ur ausnahmsweise <strong>in</strong> unseren<br />
Museen sichtbar. Historische Erfahrungen, Alltagsleben und darüber h<strong>in</strong>ausgehende Entwürfe von<br />
Frauen müssen nach me<strong>in</strong>er Überzeugung nicht nur "ausgegraben" oder <strong>in</strong> dicken<br />
wissenschaftlichen Werken "vergraben" werden, sie sollen vielmehr wieder lebendig werden. Das<br />
ist die Voraussetzung dafür, daß Frauen e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong> ihrer besonderen Geschichte entwickeln<br />
und damit ihre historischen Erfahrungen als Vorgaben für eigenes Handeln nutzen können. Denn<br />
erst die bewußte Aneignung der Vergangenheit ermöglicht es, <strong>in</strong> die Prozesse gegenwärtiger
Geschichte handelnd und verändernd e<strong>in</strong>zugreifen.<br />
Und die Frau, die z. B. mit ihren K<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong> Museum besucht?<br />
Selbstverständlich sieht sie <strong>in</strong> jedem Museum der Welt viele Darstellungen von Frauen. Sie sieht -<br />
von Nofretete bis Maria Theresia - Bilder und Skulpturen, die Kaiser<strong>in</strong>nen oder König<strong>in</strong>nen oder <strong>in</strong><br />
anderer Weise bedeutende Frauen wiedergeben. Sie sieht Märtyrer<strong>in</strong>nen und weibliche Heilige, die<br />
zum Ruhme der katholischen Kirche gewirkt haben und daher der Überlieferung wert erschienen.<br />
Sie sieht unendlich viele Bilder von Frauenakten, und sie sieht allegorische weibliche Figuren, etwa<br />
die der Philosophia, zu deren Füßen Sokrates und Plato sitzen - e<strong>in</strong>e Philosoph<strong>in</strong> ist hier<br />
selbstverständlich nicht vorgesehen.<br />
Frauen als eigenständig handelnde Personen werden mith<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von Männern dom<strong>in</strong>ierten<br />
Kultur dann wahrgenommen, wenn sie sich <strong>in</strong> männliche Normen von Bedeutung und Wichtigkeit<br />
e<strong>in</strong>passen lassen. Und Bilder von Frauenakten werden, wie <strong>in</strong>zwischen nachgewiesen worden ist,<br />
seit der Renaissance nicht für e<strong>in</strong> geschlechtsloses, "objektives" Publikum gemalt, sondern für den<br />
genießenden männlichen Betrachter. Solange sich die Frauen diesen Kriterien und dieser Sehweise<br />
unterordnen, kann. die subjektive Befangenheit der männlichen Sichtweise und damit der von<br />
dieser Sichtweise ausgehenden Forschung nicht überwunden werden.<br />
Dabei gibt es, etwa <strong>in</strong> den Bauerndarstellungen des Mittelalters oder <strong>in</strong> der Ikonographie von<br />
Adam und Eva, durchaus Ansätze dafür, daß Künstler die Eigenständigkeit auch nicht bedeutender<br />
Frauen gesehen und deren spezifische politische Handlungsfähigkeit betont haben. Aus<br />
Darstellungen etwa des Bauernkriegs können wir schließen, daß ohne die logistischen Leistungen<br />
der Bäuer<strong>in</strong>nen der Aufstand der Bauern kaum hätte stattf<strong>in</strong>den können. Aber der bornierte Blick<br />
des 1<strong>9.</strong> und 20. Jahrhunderts auf das weibliche Geschlecht hat - auch <strong>in</strong> der Kunstgeschichte - die<br />
Erforschung der kommunikativen, politischen und <strong>in</strong>tellektuellen Kompetenzen von künstlerisch<br />
dargestellten Frauen stets verh<strong>in</strong>dert.<br />
Diese und weitere Überlegungen haben Pate gestanden bei der E<strong>in</strong>richtung unseres Arbeitskreises<br />
"FRAUEN UND MUSEUM", des Arbeitskreises, der - auf Initiative von Frau Ellen Koopmann -<br />
unsere heutige Tagung angeregt und ausgerichtet hat. di:e Bremische Gleichstellungsstelle hat<br />
bereits mehrfach <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Frauengruppen und Institutionen frauenspezifische<br />
Ausstellungen konzipiert und angeregt Ich er<strong>in</strong>nere hier an die <strong>im</strong> Übersee-Museum gezeigte<br />
Ausstellung "DasKopftuch" und an die Ausstellung "Bremer<strong>in</strong>nen bewältigen die Nachkriegszeit".<br />
Aber solche punktuellen Aktivitäten reichen nicht aus, um die vergessen unterdrückte<br />
Lebensrealität von Frauen dauerhaft sichtbar zu machen, Frauen brauchen vielmehr Räume, sie<br />
brauchen e<strong>in</strong> "lebendiges Museum", um e<strong>in</strong> historisch authentisches Bild ihrer Vergangenheit und<br />
damit Handlungsperspektiven für die Zukunft erkennen zu können.<br />
Wir wollen mit dieser Tagung dazu beitragen, diese Forderung nach Museumsräumen für<br />
Frauenkultur als Gegenstand öffentlicher Diskussion zu etablierten Denn auch <strong>in</strong> den Museen<br />
<strong>Bremen</strong>s bleiben Frauengeschichte und Frauenkulturtrotz e<strong>in</strong>zelner Ansätze bislang weitgehend<br />
unsichtbar. Dabei kann es uns nicht darum gehen, unterschiedliche Positionen zu verfestigen; wir<br />
wollen die Aufhebung der festen Geschlechtsrollenidentifikation, wenn ich auch manchmal den E<strong>in</strong><br />
habe, sie löst bei uns e<strong>in</strong>e noch stärkere Bedrohung aus als die Vorstellung klassenlosen<br />
Gesellschaft. Wir wollen versuchen, neue Handlungsansätze entwickeln, damit wir die bisherige<br />
Museenlandschaft geme<strong><strong>in</strong>s</strong>am und <strong>im</strong> Interesse der der Frauen verändern können.<br />
Ich danke den Mitgliedern des Arbeitskreises "Frauen und Museum" für ihre unermüdliche Arbeit,<br />
die mit der Konzeption und Organisation e<strong>in</strong>er solchen Tagung verbunden ist Zu danken habe ich<br />
aber auch dem Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst und der Angestelltenkammer <strong>Bremen</strong><br />
sowie der Fa. Adler Bekleidungswerke; sie haben Räume, Geld oder Materialien bereitgestellt, um<br />
die Durchführung dieser Tagung zu ermöglichen.<br />
Und nun wünsche ich Ihnen und uns angeregte Diskussionen, <strong>in</strong>teressante Erkenntnisse und e<strong>in</strong><br />
Tagungsergebnis, das die E<strong>in</strong>richtung von Museumsräumen für Frauen <strong>in</strong> greifbarere Nähe rückt.