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Prüfung der Rutschhemmung von Bodenbelägen vor Ort

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Rutschunfälle<br />

Thomas Götte und<br />

André Heisig<br />

<strong>Prüfung</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Rutschhemmung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong><br />

<strong>vor</strong> <strong>Ort</strong><br />

Das Gleitmeßgerät GMG 100<br />

Jährlich werden den Berufsgenossenschaften<br />

ca. 250.000 Stolper-,<br />

Rutsch- und Sturzunfälle (SRS-<br />

Unfälle) gemeldet [1]. Das bedeutet,<br />

je<strong>der</strong> sechste Arbeitsunfall erfolgt<br />

durch Stolpern, Ausrutschen o<strong>der</strong><br />

Stürzen. Je nach Wirtschaftszweig<br />

beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> SRS-Unfälle,<br />

die durch Ausrutschen verursacht<br />

werden, bis zu 60 %. Neben den<br />

ernsten Folgen für die Betroffenen<br />

entstehen sowohl dem Betrieb als<br />

auch den Berufsgenossenschaften<br />

als Träger <strong>der</strong> gesetzlichen Unfallversicherung<br />

beträchtliche Kosten.<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Fleischerei-Berufsgenossenschaft<br />

sind dies jährlich<br />

bei ca. 3.000 Verletzten und 200<br />

neuen Renten Kosten in Höhe <strong>von</strong><br />

10 Mio. DM [2]. Eine Ursache für<br />

Unfälle durch Ausrutschen ist häufig<br />

die unzureichende, nicht an den<br />

Betriebsbedingungen orientierte<br />

<strong>Rutschhemmung</strong> <strong>der</strong> Bodenbeläge.<br />

Unser Beitrag beschreibt ein neues<br />

Meßgerät, mit dem die <strong>Rutschhemmung</strong><br />

<strong>von</strong> verlegten <strong>Bodenbelägen</strong><br />

<strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> unter den gegebenen<br />

Betriebsbedingungen geprüft<br />

werden kann.<br />

Bodenbeläge, die in Arbeitsräumen und<br />

Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr eingesetzt<br />

werden sollen, müssen nach<br />

DIN 51130 [3] und BGR 181 (früher:<br />

ZH1/571) [4] geprüft und bewertet<br />

werden. Als Prüfmethode dient das<br />

Begehungsverfahren auf <strong>der</strong> „Schiefen<br />

Ebene“ (Bild 1). Die Ebene mit dem Prüfbelag<br />

wird solange geneigt, bis <strong>der</strong><br />

Gang des Prüfers in Gleiten übergeht.<br />

Der Neigungswinkel wird gemessen.<br />

Entspricht das Prüfergebnis einer Bewertungsgruppe<br />

<strong>der</strong> BGR 181, so kann mit<br />

ihr die Zuordnung zu möglichen Einsatzgebieten<br />

bzw. Arbeitsplätzen erfolgen,<br />

die ebenfalls in <strong>der</strong> BGR 181 beschrieben<br />

werden.<br />

Das Begehungsverfahren ist eine reine<br />

Labor-Prüfmethode zur Bewertung <strong>von</strong><br />

Baumustern. Die Baumusterprüfung hat<br />

als präventive Maßnahme zur Reduzierung<br />

<strong>von</strong> Rutschunfällen einen hohen<br />

Stellenwert, da Planung und richtige<br />

Auswahl ohne sie nicht möglich wären,<br />

sie läßt aber keine Aussage über die<br />

Rutschsicherheit des verlegten und<br />

benutzten Bodens zu. Falscher Einbau,<br />

unsachgemäße Pflege o<strong>der</strong> die Alterung,<br />

Abnutzung und Verschmutzung<br />

sind oftmals die Auslöser <strong>von</strong> Rutschunfällen.<br />

Um hier geeignete Korrektur- und Präventionsmaßnahmen<br />

durchführen zu können,<br />

ist es erfor<strong>der</strong>lich, die rutschhemmenden<br />

Eigenschaften <strong>von</strong> verlegten<br />

<strong>Bodenbelägen</strong> <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> zu ermitteln.<br />

Ausgangslage<br />

Eine Literaturrecherche über die Meßtechnik<br />

<strong>der</strong> <strong>Rutschhemmung</strong> [5] ergab,<br />

daß weltweit ca. 70 Meßverfahren für<br />

Labor- und Vor-<strong>Ort</strong>-Messungen <strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong><br />

existieren. Die Meßgeräte,<br />

die zur instationären (In Situ) Vor-<strong>Ort</strong>-<br />

Messung <strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong> bestimmt<br />

sind, unterscheiden sich häufig im<br />

Meßprinzip o<strong>der</strong> in ihrem Aufbau und<br />

ihrer Funktionsweise. Einige In-Situ-Meß-<br />

Bild 1: <strong>Prüfung</strong> <strong>der</strong> <strong>Rutschhemmung</strong> auf <strong>der</strong><br />

„Schiefen Ebene“<br />

geräte, die die <strong>von</strong> <strong>der</strong> Oberfläche des<br />

Bodenbelags abhängige Gleitreibung<br />

als Maß für die <strong>Rutschhemmung</strong> messen,<br />

sind in Tabelle 1 aufgeführt.<br />

Untersuchungen <strong>der</strong> Bergischen Universität<br />

Wuppertal [6] und des Berufgenossenschaftlichen<br />

Institut für Arbeitssicherheit<br />

– BIA [7] zeigten, daß bei diesen<br />

Meßgeräten Vorteile wie auch Nachteile<br />

in <strong>der</strong> Validität und Reabilität <strong>der</strong><br />

Meßergebnisse o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Handhabung<br />

bestanden.<br />

Ein häufig eingesetztes Gerät ist das<br />

„Schuster-Zugtribometer“. Das Gerät bedient<br />

sich des Coulomb´schen Prinzips<br />

(Physik des gezogenen Körpers). Ein<br />

Gleitkörper wird mit Hilfe einer Fe<strong>der</strong>waage<br />

vom Prüfer über den Bodenbelag<br />

gezogen. Der Gleitreibungskoeffizient<br />

µ wird auf <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>waage angezeigt.<br />

Jedoch sind die Fehler, die durch<br />

die manuelle Handhabung (Schiefzug,<br />

ungleichförmiger Zug des Prüfers) auf-<br />

Bild 2: Prinzipskizze<br />

des Gleitmeßgerätes<br />

GMG 100<br />

666 NOVEMBER 1999


treten zu groß, um <strong>von</strong> einer ausreichenden<br />

Reproduzierbarkeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Vergleichbarkeit <strong>von</strong> Wie<strong>der</strong>holungsmessungen<br />

sprechen zu können.<br />

Das Prinzip des „Schuster-Zugtribometer“<br />

in eine automatisierte Meßtechnik<br />

umzusetzen, um so Fehlerquellen<br />

zu minimieren, bildete für das<br />

BIA die Ausgangslage bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

des Gleitmeßgerätes GMG 100<br />

(Bild 2).<br />

Meßprinzip<br />

Das GMG 100 bedient sich ebenfalls<br />

<strong>der</strong> Physik des gezogenen Körpers. Die<br />

<strong>von</strong> <strong>der</strong> Oberfläche des Bodens abhängige<br />

Gleitreibung wird in Form des<br />

Gleitreibungskoeffizienten µ als Maß für<br />

die <strong>Rutschhemmung</strong> gemessen:<br />

µ = FR / FG (FR = Zugkraft)<br />

(FG = Gewichtskraft des Gleitkörpers)<br />

Bei <strong>der</strong> Entwicklung des GMG 100 wurden<br />

die Erkenntnisse <strong>der</strong> Universität<br />

Wuppertal aus den Untersuchungen über<br />

instationäre Gleitmeßgeräte berücksichtigt<br />

(Tabelle 2).<br />

Gerätespezifikationen<br />

Der geschwindigkeitskonstante Zug<br />

(v = 0,22m/s � 0,01m/s) des Gleitkörpers<br />

– das A und O für die Genauigkeit<br />

und Validität <strong>der</strong> Messung – wird durch<br />

eine Mikroprozessor gesteuerte Schrittmotor-Getriebe-Kombination<br />

garantiert.<br />

Der Gleitkörper ist mit auswechselbaren<br />

Gleitkufen als Reibpartner zum Boden<br />

versehen (Bild 2). Je nach Anwendungsfall<br />

(häufig benutztes Sohlenmaterial am<br />

Arbeitsplatz) können die Kufen mit<br />

Gleitermaterialien aus Gummi, PVC<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Materialien wie Le<strong>der</strong><br />

o<strong>der</strong> PUR bestückt werden.<br />

NOVEMBER 1999<br />

Tabelle 1: In-Situ-Meßgeräte zur Bestimmung <strong>der</strong> Gleitreibung<br />

Rutschunfälle<br />

Meßgerät Gleit- Normalkraft Flächen- Gleiter- Kontaktgeschwindigkeit<br />

pressung material fläche<br />

[m/s] [N] [N/cm²] [cm²]<br />

British Portable<br />

Tester<br />

2,8 25 11 Gummi 2,25<br />

Schuster 0 – 0,5 40 1 – 4 Le<strong>der</strong> 10 – 40<br />

Zugtribometer Gummi<br />

Tortus Floor 0,017 2 3 Sohlen- 0,64<br />

Friction Tester material<br />

FSC 2000 0 – 0,08 24 6 Le<strong>der</strong><br />

Gummi<br />

PUR<br />

4<br />

Tabelle 2: Parameter eines instationären Gleitmeßgerätes<br />

Anfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> UNI Wuppertal Umsetzung im GMG 100<br />

möglichst große Flächenpressung bei Flächenpressung p = 9 ± 1 N/cm²<br />

möglichst großer Gleiterfläche Gleiterfläche A > 5 cm² bei mind. 2 Gleiterkufen<br />

möglichst hohe Gleitgeschwindigkeit Gleitgeschwindigkeit v = 0,22 m/s<br />

konstante Gleitgeschwindigkeit Geschwindigkeitskonstanz = ± 0,01 m/s<br />

unprofilierte Gleitermaterialien, die den genormtes Gummi und PVC Material<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an Referenzmaterialien<br />

gerecht werden<br />

standardisierte Meßbedingungen Meßbedingungen gemäß E DIN 51131<br />

automatischer Meßablauf computerunterstützte Messung<br />

Messung längerer Strecken Meßlänge auf dem Bodenbelag bis zu 2 m<br />

Tabelle 3: Meßfehler <strong>der</strong> Gerätespezifikation GMG 100 M<br />

Komponente Fehlerart ± % v. Meßwert ± % v. Endwert<br />

Kraftsensor Grundfehler 0,600<br />

Nullpunkt 0,300<br />

Kennwert 0,450<br />

DMS-Verstärker Brückenspeisung 0,100<br />

Linearität 0,005<br />

Verstärkung 0,001<br />

A/D-Wandler Grundfehler 0,030<br />

Linearität 0,025<br />

Verstärkung 0,030<br />

Gleitkörper Masse 0,100<br />

Erdbeschleunigung lokaler Wert 2,000<br />

Schiefzug vertikal 0,005 1,000<br />

horizontal 0,005<br />

Summe Gesamtfehler 2,695 1,956<br />

minus Schiefzug<br />

gerundet<br />

2,685 0,956<br />

2,7 1,0<br />

Meßfehler: < ± (2,7 % vom Mittelwert + 1 % vom Endwert ) [9]<br />

667


Bild 3: Meßkurve des GMG 100<br />

Ein Laserpointer kontrolliert den geradlinigen<br />

Zug des Gleitkörpers während<br />

des Meß<strong>vor</strong>ganges, um einen möglichen<br />

Schiefzug zu erkennen. Eine Kraftmeßzelle<br />

mißt die auftretende Zugkraft<br />

FR, die benötigt wird, um den Gleitkörper<br />

mit <strong>der</strong> Gewichtskraft FG zu ziehen.<br />

Die Zugkraft und die Gewichtskraft<br />

des Gleitkörpers werden über die Rechnereinheit<br />

ins Verhältnis gesetzt und als<br />

Gleitreibungskoeffizient µ angezeigt.<br />

Pro Zentimeter Meßstrecke werden 10<br />

Meßwerte aufgenommen. Ein Display<br />

ermöglicht die graphische Darstellung<br />

<strong>der</strong> Meßwerte als Meßkurve (Bild 3).<br />

Die Ausgrenzung <strong>von</strong> Fehlmeßdaten<br />

– verursacht z.B. durch Anzugsmomente –<br />

o<strong>der</strong> die genauere Betrachtung <strong>von</strong> Kurvenabschnitten<br />

kann über das Tastenfeld<br />

durch Verschieben <strong>von</strong> Cursorbalken<br />

<strong>vor</strong>genommen werden. Bei <strong>der</strong> Mobilausführung<br />

des GMG 100, dem GMG<br />

100 M (Bild 4) können die Daten <strong>der</strong><br />

Meßkurve gespeichert und via serielle<br />

Schnittstelle an ein Computersystem mit<br />

Standardsoftware zur Weiterverarbeitung<br />

übertragen werden.<br />

Fehlerbetrachtung<br />

In die Fehlerbetrachtung sind alle elektronischen<br />

und mechanischen Komponenten<br />

(Getriebeschlupf, Kraftsensor,<br />

DMS-Verstärker, A/D-Wandler etc.) <strong>der</strong><br />

Kraftmeßstrecke einzubeziehen. Durch<br />

Temperaturschwankungen, Än<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Luftfeuchtigkeit o<strong>der</strong> durch die<br />

Eigentoleranzen <strong>der</strong> Bauteile selbst<br />

kann <strong>der</strong> Meßwert variieren. Weiterhin<br />

müssen die Fehler eines möglichen<br />

Schiefzuges des Gleitkörpers im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Hochbautoleranzen DIN 18202 [8]<br />

berücksichtigt werden. Der Schiefzug<br />

kann eine Hubarbeit bzw. eine Hangabtriebskraft<br />

zur Folge haben und damit<br />

die Messung des Gleitreibungskoeffizi-<br />

Bild 4: Gleitmeßgerät GMG 100 M (M = mobil)<br />

enten in einem nicht spezifizierbaren<br />

Maße beeinflussen. Weiterhin muß die<br />

geographisch unterschiedliche Gravitationskraft<br />

<strong>der</strong> Erde in die Fehlerbetrachtung<br />

einbezogen werden.<br />

Der Meßfehler <strong>der</strong> Gerätespezifikation<br />

GMG 100 M bei <strong>der</strong> Messung des<br />

Gleitreibungskoeffizienten setzt sich aus<br />

den in Tabelle 3 zusammengestellten<br />

Werten zusammen.<br />

Vergleichsuntersuchungen<br />

Vergleich „Schiefe Ebene“ mit „GMG<br />

100 M“<br />

Um festzustellen, inwieweit die Bestimmung<br />

des Neigungswinkels nach DIN<br />

51130 mit <strong>der</strong> Bestimmung des Gleitreibungskoeffizienten<br />

vergleichbar ist,<br />

wurden verschiedene Bodenbeläge mit<br />

beiden Prüfmethoden gemessen. Der<br />

Neigungswinkel α wurde über die Beziehung<br />

µ = tan α in einen Gleitreibungskoeffizienten<br />

µ α umgerechnet und dem<br />

mit dem GMG 100 gemessenen Gleitreibungskoeffizienten<br />

µ GMG gegenübergestellt<br />

(Bild 5). Eine signifikante Korrelation<br />

(r = 0,766) zwischen den beiden<br />

Prüfverfahren ist nicht gegeben. Die<br />

geringe Korrelation ist auf die unterschiedliche<br />

Prüfmethode bei<strong>der</strong> Verfahren<br />

zurückzuführen.<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Prüfung</strong> nach DIN 51130 wird<br />

Öl als Zwischenmedium zwischen Prüfschuh<br />

und Bodenbelag benutzt, um die<br />

Auflösung bzw. die Genauigkeit des<br />

Verfahrens zu verbessern. Die Messung<br />

des Gleitreibungskoeffizienten kann jedoch<br />

nur mit entspanntem Wasser als<br />

668 NOVEMBER 1999


Zwischenmedium durchgeführt werden,<br />

um den Boden <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong> nicht mit Öl<br />

zu verschmutzen. Da Öl hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> Gleiteigenschaften das kritischere<br />

Zwischenmedium ist, liegen die Werte<br />

<strong>von</strong> µ α auch weitgehend unter denen<br />

<strong>von</strong> µ GMG. Weiterhin ist <strong>der</strong> Bewegungsablauf<br />

beim Begehen auf <strong>der</strong> „Schiefen<br />

Ebene“ nicht mit dem konstanten gleichförmigen<br />

Zug des Gleitkörpers bei <strong>der</strong><br />

Messung des Gleitreibungskoeffizienten<br />

zu vergleichen. Beim Begehungsverfahren<br />

überlagern sich oftmals Haft- und<br />

Gleitreibung. Fazit <strong>der</strong> Korrelationsanalyse<br />

ist, daß ein Vergleich <strong>von</strong> Neigungswinkeln<br />

mit Gleitreibungskoeffizienten<br />

und demzufolge auch die Zuordnung<br />

<strong>von</strong> Bewertungsgruppen <strong>der</strong> BGR<br />

181 zu Gleitreibungskoeffizienten nicht<br />

uneingeschränkt möglich ist.<br />

Plausibiltäts- und Vergleichsmessungen<br />

zweier instationärer Meßgeräte<br />

Untersuchungen zur Validität <strong>der</strong> Meßergebnisse<br />

des GMG 100 wurden im<br />

Rahmen des DIN-Normenausschusses<br />

„Materialprüfung“ (NMP 882), Berlin,<br />

durchgeführt. Hierzu dienten Vergleichsmessungen<br />

mit einem Meßgerät des<br />

Österreichischen Textilforschungs-Institutes<br />

(ÖTI) mit gleichem Meßprinzip. Im<br />

Unterschied zum GMG 100 wurde bei<br />

<strong>der</strong> Entwicklung des ÖTI-Meßgrätes <strong>vor</strong>rangig<br />

Wert auf eine möglichst kostengünstige<br />

Geräteausführung gelegt. So<br />

wurde beispielsweise anstelle eines<br />

Mikroprozessor gesteuerten Schrittmotors<br />

ein Bohrmaschinenmotor zum<br />

Ziehen des Gleitkörpers eingesetzt.<br />

Bild 6: Vergleich Gleitmeßgerät ÖTI mit GMG<br />

NOVEMBER 1999<br />

Für die Vergleichsuntersuchung wurden<br />

verschiedene Bodenbelagsarten mit<br />

ebener Oberfläche (Elastomer-Beläge,<br />

keramische Fliesen, Stahlböden, Parkett<br />

und Naturwerksteine) ausgewählt. Um<br />

aus den Vergleichsuntersuchungen auch<br />

Rückschlüsse über die Plausibilität des<br />

Meßverfahrens ziehen zu können, wurden<br />

die Bodenbeläge durch zehn<br />

Experten des NMP 882 subjektiv in ihrer<br />

<strong>Rutschhemmung</strong> beurteilt. Die Beurtei-<br />

Bild 5: Korrelation <strong>der</strong> Gleitreibungskoeffizienten<br />

Rutschunfälle<br />

lung diente dann zur Aufstellung einer<br />

Rangfolge <strong>von</strong> „glatt“ bis „gut rutschhemmend“.<br />

In Bild 6 sind die Meßergebnisse<br />

<strong>der</strong> Geräte <strong>der</strong> Rangfolge<br />

gegenübergestellt.<br />

Die Abweichungen in den Meßwerten<br />

sind <strong>vor</strong> dem Hintergrund <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />

technischen Qualität bei<strong>der</strong><br />

Geräte als relativ gering anzusehen;<br />

zumal das Gerät 1 tendenziell niedri-<br />

669


Rutschunfälle<br />

gere Werte mißt. Signifikant ist jedoch,<br />

daß beide Geräte <strong>der</strong> subjektiven Beurteilung<br />

durch die Experten folgen. Die<br />

Grenzbereiche „zu glatt“, „ausreichend<br />

rutschhemmend“ und „gute <strong>Rutschhemmung</strong>“<br />

werden bestätigt. Lediglich bei<br />

zwei Bodenbelagsarten (Polypropylen<br />

und Laminat) ist eine Übereinstimmung<br />

nicht gegeben.<br />

Praktische Erfahrungen<br />

Das Meßgerät GMG 100 M wurde im<br />

Rahmen des Kooperationsprojektes<br />

„Stolper-, Rutsch- und Sturzunfälle in Betrieben<br />

<strong>der</strong> Fleischerei-Berufsgenossenschaft“<br />

intensiv erprobt. Unter Betriebsbedingungen,<br />

d. h. Kontamination des<br />

Fußbodens <strong>von</strong> trocken/staubig bis<br />

fettig/naß, wurden Bodenbeläge aller<br />

Bewertungsgruppen mit den GMG<br />

100 M gemessen (Bild 7). Als Bewertungsgrundlage<br />

dienten die Wuppertaler<br />

Sicherheitsgrenzwerte (Tabelle 4).<br />

Parallel zu den Messungen erfolgte eine<br />

subjektive Beurteilung <strong>der</strong> Fußböden<br />

durch den Prüfer.<br />

Die Vor-<strong>Ort</strong>-Messungen zeigten, daß<br />

sich die nach den Wuppertaler Sicherheitsgrenzwerten<br />

differenzierten Bewer-<br />

tungen mit den subjektiven Beurteilungen<br />

deckten. Zudem spiegelten die<br />

Meßergebnisse das Unfallgeschehen in<br />

den Betrieben exakt wie<strong>der</strong>. Beson<strong>der</strong>s<br />

auffällig war, daß dort, wo Boden-<br />

Bild 7: Vor-<strong>Ort</strong>-Messung in einem fleischverarbeitenden<br />

Betrieb<br />

Tabelle 4: Wuppertaler Kennwerte für Gleitsicherheit<br />

(auch: Wuppertaler Sicherheitsgrenzwerte)<br />

µ Bewertung Zeichen<br />

< 0,21 sehr unsicher - -<br />

0,22 – 0,29 unsicher -<br />

0,30 – 0,42 bedingt sicher o<br />

0,43 – 0,63 sicher +<br />

> 0,64 sehr sicher ++<br />

beläge nach Maßgabe <strong>der</strong> BGR 181<br />

verlegt wurden, „Sicheres Gehen“ gewährleistet<br />

ist.<br />

Umsetzung und Ausblick<br />

Die Entwicklung des GMG 100 führte<br />

zu einer Neubelebung <strong>der</strong> Normung.<br />

So wurde das Meßverfahren in den<br />

deutschen Normentwurf E DIN 51131<br />

[10] sowie in ein Arbeitspapier des<br />

europäischen CEN/TC 134 [11] umgesetzt.<br />

Die Normung zielt dabei ausdrücklich<br />

nicht auf die Standardisierung<br />

des eigentlichen Meßgerätes ab, son<strong>der</strong>n<br />

auf das Meßverfahren mit den entsprechenden<br />

physikalischen Parametern.<br />

Wichtig ist, daß verschiedene Entwicklungen<br />

<strong>von</strong> Meßgeräten und Verbesserungen<br />

auch zukünftig möglich<br />

670 NOVEMBER 1999


Prävention<br />

Rehabilitation<br />

Entschädigung<br />

… die Richtung<br />

muss stimmen<br />

Berufsgenossenschaften beraten!<br />

sind, ohne daß Bewertungsgrößen<br />

geän<strong>der</strong>t werden müssen.<br />

Das Anwendungsgebiet <strong>der</strong> Messung<br />

des Gleitreibungskoeffizienten wird sich<br />

<strong>vor</strong>erst auf die <strong>Prüfung</strong> glatter und<br />

ebener bzw. gering profilierter Bodenbeläge<br />

mit einem Verdrängungsraum<br />

V < 4 cm³/dm² beschränken. Bei <strong>Bodenbelägen</strong><br />

mit symmetrischer und ausgeprägter<br />

Profilierung kann die ebene<br />

Reibfläche des Gleitkörpers häufig nur<br />

die Spitzen <strong>der</strong> Profilierung erfassen.<br />

Die Beurteilung <strong>der</strong> rutschhemmenden<br />

Wirkung eines profilierten Belags erfor<strong>der</strong>t<br />

aber auch die Messung <strong>der</strong> Griffestigkeit.<br />

Dazu wäre eine ebenfalls profilierte<br />

Reibfläche notwendig, <strong>der</strong>en<br />

Umsetzung, wenn überhaupt machbar,<br />

mit einem erheblichen Forschungs- und<br />

Standardisierungsaufwand verbunden<br />

sein dürfte.<br />

Für profilierte Bodenbeläge wird deshalb<br />

weiterhin die DIN 51130 Bestand<br />

haben, da bei vielen Belagsarten (z. B.<br />

Gitterroste) nur das Begehungsverfahren<br />

eine praxisgerechte Beurteilung<br />

ermöglicht.<br />

Die zukünftige Koexistenz bei<strong>der</strong> Prüfverfahren<br />

würde auch dem Unfallgeschehen<br />

Rechnung tragen. Die Mehrzahl<br />

<strong>der</strong> Unfälle durch Ausrutschen ereignet<br />

sich auf glatten Böden – häufig<br />

ohne o<strong>der</strong> mit vernachlässigbarem Verdrängungsraum<br />

– im Bereich <strong>der</strong> Bewertungsgruppen<br />

R9 und R10. Bei <strong>der</strong> <strong>Prüfung</strong><br />

dieser Böden, insbeson<strong>der</strong>e aus<br />

<strong>der</strong> Bewertungsgruppe R9, stößt das<br />

Begehungsverfahren an meßtechnische<br />

Grenzen hinsichtlich Reproduzierbarkeit<br />

und Auflösungsvermögen. Diese<br />

Nachteile kann das Verfahren zur Be-<br />

NOVEMBER 1999<br />

stimmung des Gleitreibungskoeffizienten<br />

ausgleichen. Das Meßverfahren eignet<br />

sich deshalb nicht nur für Vor-<strong>Ort</strong>-<br />

Messungen, son<strong>der</strong>n auch für Baumusterprüfungen<br />

im Labor.<br />

In beiden Fällen, bei <strong>der</strong> Baumusterprüfung<br />

unter definierten Bedingungen und<br />

bei <strong>der</strong> Vor-<strong>Ort</strong>-Messung unter den<br />

gegebenen Betriebsbedingungen, muß<br />

die <strong>Rutschhemmung</strong> des Bodenbelages<br />

den Grenzwert für „sicheres Gehen“<br />

erreichen.<br />

Literatur<br />

[1] Hauptverband <strong>der</strong> gewerblichen Berufsgenossenschaften,<br />

Berufsgenossenschaftliche Zentrale für<br />

Arbeitssicherheit – BGZ, Sankt Augustin<br />

[2] Kooperationsprojekt „Stolper-, Sturz- und<br />

Rutschunfälle in Betrieben <strong>der</strong> Fleischerei-BG“, Projekt<br />

Nr. 0056, Berufsgenossenschaftliches Institut<br />

für Arbeitssicherheit -BIA, Sankt Augustin, 1997<br />

[3] DIN 51130 „<strong>Prüfung</strong> <strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong>,<br />

Bestimmung <strong>der</strong> rutschhemmenden Eigenschaft,<br />

Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit erhöhter<br />

Rutschgefahr, Begehungsverfahren, Schiefe Ebene“<br />

Beuth Verlag, Berlin, November 1992<br />

[4] „Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen und<br />

Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr“ (BGR 181,<br />

früher ZH1/571), Fachausschuß „Bauliche Einrichtungen“<br />

<strong>der</strong> BGZ, Hauptverband <strong>der</strong> gewerblichen<br />

Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin, Carl Heymanns<br />

Verlag KG, Köln, aktualisierte Fassung<br />

1998<br />

[5] „Internationale Normen und Prüfeinrichtungen<br />

zur Bestimmung <strong>der</strong> <strong>Rutschhemmung</strong> <strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong><br />

und Sohlenwerkstoffen“, Berufsgenossenschaftliches<br />

Institut für Arbeitssicherheit – BIA, Sankt<br />

Augustin, 1995<br />

[6] Skiba et al. „Vergleichsuntersuchung zur instationären<br />

Reibzahlmessung auf Fußböden“ Schriftenreihe<br />

<strong>der</strong> Bundesanstalt für Arbeitsschutz, Forschungsbericht<br />

Fb 701, Dortmund, 1994<br />

[7] „Verfahren zur Bestimmung <strong>der</strong> <strong>Rutschhemmung</strong><br />

<strong>von</strong> verlegten <strong>Bodenbelägen</strong> <strong>vor</strong> <strong>Ort</strong>“, Projekt<br />

Nr. 1050, Berufsgenossenschaftliches Institut für<br />

Arbeitssicherheit – BIA, Sankt Augustin, 1995<br />

[8] DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau -Bauwerke-“<br />

Beuth Verlag, Berlin, April 1997<br />

[9] „Gleitmeßgerät GMG 100 M“, Kurzprojekt<br />

F1/96.002, Berufsgenossenschaftliches Institut für<br />

Arbeitssicherheit -BIA-, Sankt Augustin 1997<br />

[10] E DIN 51131 „<strong>Prüfung</strong> <strong>von</strong> <strong>Bodenbelägen</strong>,<br />

Bestimmung <strong>der</strong> rutschhemmenden Eigenschaft,<br />

Verfahren zur Messung des Gleitreibungskoeffizienten“,<br />

Beuth Verlag, Berlin, Juli 1999<br />

[11] CEN/ TC 134 N 842 „Resilient, laminate and<br />

textile floor coverings, Parameters for the measurement<br />

of dynamic coefficient of friction on floor<br />

surfaces“ 8th draft March 1999<br />

Dipl. -Phys. Ing. Thomas Götte<br />

Berufsgenossenschaft<br />

für den Einzelhandel<br />

Postfach 12 08<br />

53002 Bonn<br />

Dipl.-Ing. André Heisig<br />

Berufsgenossenschaftliches Institut<br />

für Arbeitssicherheit - BIA<br />

53754 Sankt Augustin<br />

Rutschunfälle<br />

671

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