Handout zum Vortrag Sinnglueck - Viktor Frankl Zentrum

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26.10.2013 Aufrufe

Sinnglück – das Glück der Schaffenden Liebe Freunde des Viktor Frankl Zentrums! Zunächst zum ’Glück’ allein: Brockhauslexikon: Mittelhochdeutsch ’gelücke’, Geschick, Zufall, Schicksal, Schicksalsmacht. Komplexe Erfahrung der Freude angesichts der Erfüllung von Hoffnungen, Wünschen, Erwartungen, des Eintretens positiver Ereignisse, Eins-Sein des Menschen mit sich und dem von ihm Erlebten. Abwesenheit von Glück ist Unglück. Glück ist Ziel jeden menschlichen Strebens und Handelns, darf es / muss es lt. Grundgesetz auch sein. … d. h. vom Glück sind alle Menschen angesprochen, insofern es eine jeden in irgendeiner Weise betreffende Sehnsucht zum Ausdruck bringt und mit Sinnerfüllung des Lebens assoziiert ist. Im Althochdeutschen findet sich der Bedeutungsinhalt von Glück erstens in »heil« (glücklicher Zufall, Gesundheit, günstiges Vorzeichen) und in »sälig« (wohlgeartet, gut, gesegnet, selig). Beides ist zusammengefasst in glückselig. Im klassischen Altertum gab es auch zwei verschiedene Begriffe für das dt. Wort Glück: Das Schicksal, die zufällige Gunst der Umstände wurde gr. Eutychia, lat. Fortuna genannt. Das Gefühl der Glückseligkeit, das Glücksempfinden gr. Eudaimonia, lat. Beatitudo oder Felicitas. Die Stoa betrachtete das Glück als ein nur für den Weisen realisierbares individuelles Gut, das ähnlich wie bei Platon vornehmlich durch philosophisch-wissenschaftliche Einsicht zu erlangen ist sowie durch die Apathie (gemeint ist hier natürlich n i c h t das neurologische Krankheitsbild Apathie, das wir bei Läsionen des Frontalhirns, des Stirnhirns, finden, sondern das Freisein von Affekten / Emotionen, also ähnlich wie im Buddhismus, in welchem metaphorisch die Emotionen von einem abperlen wie Wassertropfen von der Lotusblüte. Im Indischen ist dies Ananda, die höchste absolute Glückseligkeit. In der christlichen Religion ist das Glück eschatologisch definiert. Im Alten Testament ist der Bund, d.h. die Gemeinschaft zwischen Gott und V o l k der Inbegriff des Glücks. Das Neue Testament sieht im Bund, in der Gemeinschaft d e s e i n z e l n e n mit Gott das höchste Gut. Das Erreichen dieses höchsten eschatologischen Glücks schließt jedoch die Möglichkeit der Abwesenheit irdischen Glücks ein! Zum Beispiel Leid, Kreuz! Die gängige Verknüpfung von Schicksal mit Glück ist im Christentum aufgrund des Glaubens an einen göttlichen Heilsplan unmöglich. Die Erfüllung der Glückserwartung in der eschatologischen Gottesnähe (Gottesschau; in der Mystik »Unio mystica«) findet ihren bildhaften Ausdruck in der P a r a d i e s -Vorstellung. Man beachte auch die Seligsprechung der Kirche als zweithöchste Kategorie der Sanktifikationen, die Beatifikation. Wir wollen aber hier im Folgenden durchaus vom irdischen Glück sprechen: Der Brockhaus fährt fort mit Psychologischen und soziologischen Aspekten: Eine psychologische Definition von Glück bietet S. Freud, indem er von einer Befriedigung des Luststrebens spricht. Freud hatte ein eher negatives Menschenbild, für ihn war der Mensch nicht viel mehr als ein Triebwesen. Wir Menschen bestehen aber nicht nur aus Gefühlsgehirn, und auch: die Gefühle und Triebe des Menschen werden keineswegs allein vom limbischen System hervorgebracht. Vermutlich werden sogar die meisten Gefühle des Menschen beim Schaffen letztlich im Frontalhirn initiiert, wenn auch das limbische System im weiten Sinne dabei als Effektor oder Resonanzboden mitwirkt. Kinder spielen oft mit Lust und sind dann kaum z.B. zum Essen zu bewegen: wenn man sie ansieht – sind es glückliche Kinder, mit Freude völlig ins Spielen vertieft. Die Freude ist dabei Folge der eigenen Tätigkeit, es ist positive Rückkoppelung, im Gegensatz zur negativen Rückkoppelung, die in der Triebsättigung (z.B. beim Hunger) ist und die irrig von Freudianern als Prinzip aller Lust angesehen wird. Hölderlin z.B. bat in seinem Gedicht „An die Parzen“: „Nur einen Sommer gönnt ihr Gewaltgen und einen Herbst zu reifem Gesange mir, dass williger mein Herz, vom süßen Spiele gesättigt, dann mir sterbe. Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht nicht ward, sie ruht auch drunten im Orcus nicht; doch ist mir einst das Heilige, das am Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen, willkommen dann, oh Stille der Schattenwelt. Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel mich nicht hinabgeleitet; einmal lebt ich wie Götter und mehr bedarf es nicht“. Dieses Gefühl kommt primär nicht vom limbischen System (das Kunst nicht kennt), sondern ist vom Frontalhirn initiiert. Goethe schrieb in den „Lehrjahren“: „Was ist das höchste Glück des Menschen, als dass wir das ausführen, was wir als recht und gut einsehen? Dass wir wirklich Herren über die Mittel zu unseren Zwecken sind?“

Sinnglück – das Glück der Schaffenden<br />

Liebe Freunde des <strong>Viktor</strong> <strong>Frankl</strong> <strong>Zentrum</strong>s!<br />

Zunächst <strong>zum</strong> ’Glück’ allein: Brockhauslexikon: Mittelhochdeutsch ’gelücke’, Geschick, Zufall, Schicksal,<br />

Schicksalsmacht. Komplexe Erfahrung der Freude angesichts der Erfüllung von Hoffnungen, Wünschen, Erwartungen,<br />

des Eintretens positiver Ereignisse, Eins-Sein des Menschen mit sich und dem von ihm Erlebten. Abwesenheit<br />

von Glück ist Unglück. Glück ist Ziel jeden menschlichen Strebens und Handelns, darf es / muss es<br />

lt. Grundgesetz auch sein. … d. h. vom Glück sind alle Menschen angesprochen, insofern es eine jeden in irgendeiner<br />

Weise betreffende Sehnsucht <strong>zum</strong> Ausdruck bringt und mit Sinnerfüllung des Lebens assoziiert<br />

ist.<br />

Im Althochdeutschen findet sich der Bedeutungsinhalt von Glück erstens in »heil« (glücklicher Zufall, Gesundheit,<br />

günstiges Vorzeichen) und in »sälig« (wohlgeartet, gut, gesegnet, selig). Beides ist zusammengefasst<br />

in glückselig.<br />

Im klassischen Altertum gab es auch zwei verschiedene Begriffe für das dt. Wort Glück:<br />

Das Schicksal, die zufällige Gunst der Umstände wurde gr. Eutychia, lat. Fortuna genannt.<br />

Das Gefühl der Glückseligkeit, das Glücksempfinden gr. Eudaimonia, lat. Beatitudo oder Felicitas.<br />

Die Stoa betrachtete das Glück als ein nur für den Weisen realisierbares individuelles Gut, das ähnlich wie bei<br />

Platon vornehmlich durch philosophisch-wissenschaftliche Einsicht zu erlangen ist sowie durch die Apathie<br />

(gemeint ist hier natürlich n i c h t das neurologische Krankheitsbild Apathie, das wir bei Läsionen des Frontalhirns,<br />

des Stirnhirns, finden, sondern das Freisein von Affekten / Emotionen, also ähnlich wie im Buddhismus,<br />

in welchem metaphorisch die Emotionen von einem abperlen wie Wassertropfen von der Lotusblüte. Im<br />

Indischen ist dies Ananda, die höchste absolute Glückseligkeit.<br />

In der christlichen Religion ist das Glück eschatologisch definiert. Im Alten Testament ist der Bund, d.h. die<br />

Gemeinschaft zwischen Gott und V o l k der Inbegriff des Glücks. Das Neue Testament sieht im Bund, in der<br />

Gemeinschaft d e s e i n z e l n e n mit Gott das höchste Gut. Das Erreichen dieses höchsten eschatologischen<br />

Glücks schließt jedoch die Möglichkeit der Abwesenheit irdischen Glücks ein! Zum Beispiel Leid, Kreuz!<br />

Die gängige Verknüpfung von Schicksal mit Glück ist im Christentum aufgrund des Glaubens an einen göttlichen<br />

Heilsplan unmöglich. Die Erfüllung der Glückserwartung in der eschatologischen Gottesnähe (Gottesschau;<br />

in der Mystik »Unio mystica«) findet ihren bildhaften Ausdruck in der P a r a d i e s -Vorstellung. Man<br />

beachte auch die Seligsprechung der Kirche als zweithöchste Kategorie der Sanktifikationen, die Beatifikation.<br />

Wir wollen aber hier im Folgenden durchaus vom irdischen Glück sprechen:<br />

Der Brockhaus fährt fort mit Psychologischen und soziologischen Aspekten: Eine psychologische Definition von<br />

Glück bietet S. Freud, indem er von einer Befriedigung des Luststrebens spricht. Freud hatte ein eher negatives<br />

Menschenbild, für ihn war der Mensch nicht viel mehr als ein Triebwesen. Wir Menschen bestehen aber<br />

nicht nur aus Gefühlsgehirn, und auch: die Gefühle und Triebe des Menschen werden keineswegs allein vom<br />

limbischen System hervorgebracht. Vermutlich werden sogar die meisten Gefühle des Menschen beim Schaffen<br />

letztlich im Frontalhirn initiiert, wenn auch das limbische System im weiten Sinne dabei als Effektor oder<br />

Resonanzboden mitwirkt. Kinder spielen oft mit Lust und sind dann kaum z.B. <strong>zum</strong> Essen zu bewegen: wenn<br />

man sie ansieht – sind es glückliche Kinder, mit Freude völlig ins Spielen vertieft. Die Freude ist dabei Folge<br />

der eigenen Tätigkeit, es ist positive Rückkoppelung, im Gegensatz zur negativen Rückkoppelung, die in der<br />

Triebsättigung (z.B. beim Hunger) ist und die irrig von Freudianern als Prinzip aller Lust angesehen wird. Hölderlin<br />

z.B. bat in seinem Gedicht „An die Parzen“:<br />

„Nur einen Sommer gönnt ihr Gewaltgen und einen Herbst zu reifem Gesange mir, dass williger mein Herz,<br />

vom süßen Spiele gesättigt, dann mir sterbe. Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht nicht ward, sie ruht<br />

auch drunten im Orcus nicht; doch ist mir einst das Heilige, das am Herzen mir liegt, das Gedicht gelungen,<br />

willkommen dann, oh Stille der Schattenwelt. Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel mich nicht hinabgeleitet;<br />

einmal lebt ich wie Götter und mehr bedarf es nicht“.<br />

Dieses Gefühl kommt primär nicht vom limbischen System (das Kunst nicht kennt), sondern ist vom Frontalhirn<br />

initiiert.<br />

Goethe schrieb in den „Lehrjahren“: „Was ist das höchste Glück des Menschen, als dass wir das ausführen,<br />

was wir als recht und gut einsehen? Dass wir wirklich Herren über die Mittel zu unseren Zwecken sind?“


2<br />

Auch in diesem Satz geht es um Glück als Folge der rechten Tätigkeit. Gerade das hatten schon Sokrates,<br />

Platon und Aristoteles so gesehen und zwar sogar im Blick auf das menschliche Leben im Ganzen: das rechtschaffene<br />

Leben selbst ist das glückliche Leben. Auch nach Duns Scotus kommt Glück aus Willen.<br />

Dass Glücksgefühl meist Folge eigener willentlicher Tätigkeit ist, wurde durch empirische Untersuchung von<br />

Czikszentmihalyi (1992) nachgewiesen (sein Buch heißt: „Flow, das Geheimnis des Glücks“, Stuttgart: Klett-<br />

Cotta.<br />

Karl Bühler (1929) nannte die Tätigkeitsfreude der Kinder beim Spielen F u n k t i o n s l u s t .<br />

Nietzsche sprach vom Glück der Künstler und Philosophen und vom Glück Homers („Die fröhliche Wissenschaft“,<br />

viertes Buch)“<br />

„ Der Reiz alles Problematischen, die Freude am X (damit meint er das selbst Erarbeitete) ist aber bei solchen<br />

geistigeren, vergeistigteren Menschen zu gross, als dass diese Freude nicht immer wieder wie eine helle Gluth<br />

über alle Noth des Problematischen, über alle Gefahr der Unsicherheit, selbst über die Eifersucht des Liebenden<br />

zusammenschlüge. Wir kennen ein neues Glück. ...“<br />

„46. Unser Erstaunen. - Es liegt ein tiefes und gründliches Glück darin, dass die Wissenschaft Dinge ermittelt,<br />

die Standhalten und die immer wieder den Grund zu neuen Ermittelungen abgeben: - es könnte ja anders<br />

sein! …“<br />

„ … er (der Künstler) schöpft am glücklichsten von Allen aus dem unteren Grunde des menschlichen Glückes<br />

und gleichsam aus dessen ausgetrunkenem Becher, wo die herbsten und widrigsten Tropfen zu guter- und<br />

böserletzt mit den süssesten zusammengelaufen sind; … ja, als der Orpheus alles heimlichen Elendes ist er<br />

grösser, als irgend Einer, und Manches ist durch ihn überhaupt der Kunst hinzugefügt worden, was bisher<br />

unausdrückbar und selbst der Kunst unwürdig erschien, und mit Worten namentlich nur zu verscheuchen,<br />

nicht zu fassen war, … Aber er weiss es nicht! Er ist zu eitel dazu, es zu wissen.<br />

„302. Gefahr des Glücklichsten. - … Es war das Glück Homer's! Der Zustand Dessen, der den Griechen ihre<br />

Götter, - nein, sich selber seine Götter erfunden hat! Aber man verberge es sich nicht: mit diesem Glücke<br />

Homer's in der Seele ist man auch das leidensfähigste Geschöpf unter der Sonne! Und nur um diesen Preis<br />

kauft man die kostbarste Muschel, welche die Wellen des Daseins bisher an's Ufer gespült haben! … ja, die<br />

kleinen Räthsel sind die Gefahr der Glücklichsten! –„ (Soweit Nietzsche)<br />

Nun weiter aus Wille und Gehirn: Es ist aber auch ein Glück der einfachen rechtschaffenen Menschen; man<br />

könnte es Sinnglück der Schaffenden nennen. Es ist nicht nur Funktionslust, denn es ist nicht nur im guten<br />

Tun, sondern auch in unserer Erinnerung; ein großer Teil des Selbstwertgefühls verinnerlichter Menschen<br />

gründet sich darauf. Es ist ein Stück Unabhängigkeit vom Beifall der andern; es gehört zur inneren Freiheit,<br />

zur humanen Autonomie. <strong>Viktor</strong> E. <strong>Frankl</strong> weist mit Recht auf die große Bedeutung des Willens <strong>zum</strong> Sinn hin.<br />

Wille und Glück sind also verbunden!<br />

Dass ein Kind mit fünf oder sechs Jahren schulreif wird, hängt an der Selbstorganisation des Willens durch<br />

Spiel, Tun, Lernen, Probieren und Sich-Ziele-Setzen. Ein visueller Suchtest, bei dem das Ziel unter ablenkenden<br />

Reizen gefunden werden muss, ein Konzentrationstest also, erreicht bereits mit fünf Jahren die Leistung<br />

von Erwachsenen. Im Tower of Hanoi-Test (allerdings nur mit drei statt vier Scheiben) wird die Leistung von<br />

Erwachsenen bereits mit sechs Jahren erreicht, s. Abb. am Schluss), im Wisconsin Card Sorting-Test mit zehn<br />

Jahren, im Tower of Hanoi-Test mit vier Scheiben aber erst im Erwachsenenalter (Welsh et al. 1991). Bedeutende<br />

Fortschritte in den Leistungen bei Frontalhirnfunktionstests werden erst in der Pubertät gemacht (Levin<br />

et al. 1991). Der Wille braucht, wie die Fasern, Dendriten und Synapsen im Frontalhirn, viele Jahre zur<br />

vollen Selbstorganisation. Die Funktionen der hinteren Hirnlappen, Wahrnehmung und Sprache, reifen durch<br />

spielendes Lernen, ermutigt durch die Eltern, früher als der Wille, und die dadurch mögliche Kommunikation<br />

mit den Erwachsenen und ihrer Besonnenheit hilft dem Willen bei seiner Entwicklung. Die Kinder suchen ihrem<br />

Willen aber auch selbst durch Aktivität hinterer Hirnlappen zu helfen, unter anderem, indem sie mit sich<br />

sprechen. Dieses Lautwerden des inneren Dialogs gibt es wieder bei älteren Menschen mit beginnender Abnahme<br />

von Gedächtnis und Planung; und verbale Selbstermutigung ist auch ein Mittel der Psychotherapie.


3<br />

Bei Kleinkindern fällt ein Frontalhirnschaden, weil der Wille noch unentwickelt ist, zunächst manchmal nicht<br />

auf, macht sich dann aber zunehmend deutlich bemerkbar als Willensstörung (Eslinger et al. 1992, Anderson<br />

et al. 2000). Besonders wenn die Selbstkontrolle des Verhaltens, eine Schlüsselfunktion (für die besonders der<br />

rechte Frontallappen wichtig ist), gestört ist, kann es viele Folgeprobleme kognitiver und sozialer Art geben<br />

(Jacobs & Anderson 2002).<br />

Die weitere Willensbildung erfolgt vor allem durch Lernen von Vorbildern, denen sich Kinder und Jugendliche<br />

anschließen, aber auch durch freiwillige Zielsetzungen, durch Selbstherausforderung, eigene Anstrengung,<br />

Selbsterkundung und Selbstfindung durch Sinnglückserleben, durch Erfahrung und Kommunikation. Mit<br />

Drill ist da wenig auszurichten, denn er verhindert die Eigeninitiative. Dazu gehören vielmehr eigene Versuche,<br />

Lernen aus Irrtum und Erfolg, Zusammenarbeit, platonische Begeisterung wie aristotelische Übung. Konzertpianisten<br />

und Leistungssportler wissen, wie viel Übung nötig ist, Leistung mit scheinbarer Leichtigkeit zu<br />

erreichen. Aber der Funke zu jenem Ernst mit Begeisterung, der Menschen mit geistigem Willen eigen ist,<br />

springt oft erst über im vertrauten Gespräch, wie Platon im siebenten Brief schrieb. Was Sokratische Erziehung<br />

ist, wurde wiederentdeckt durch Kierkegaard, man findet es zusammengefasst bei Jaspers (1977). Den<br />

Imperativ der Selbstbildung des Willens prägte Pindar in dem berühmten Vers: Werde, der du bist. Worauf es<br />

ankommt ist: die Herausforderungen tätig anzunehmen, aber sich nicht korrumpieren zu lassen. Das Vorbild<br />

in der Antike war Herakles, das Idealbild in der Goethezeit Iphigenie.<br />

Wir haben einen Willen und wir haben bestimmte Grade von Freiheit, nur so können wir Wahrheit erkennen.<br />

Dass wir aber, wenn auch mit vielem Irren, dem Wahren allmählich näherkommen, ist – angesichts der wirksamen<br />

Arzneien, der funktionierenden Technik und des methodisch disziplinierten Fortschreitens der Forschung,<br />

deren Einsichten aus vielen Quellen sich widerspruchsfrei zusammenfügen – kaum zu bezweifeln. Wir<br />

haben selbst Einfluss auf das Suchen nach Wahrheit, überhaupt auf Informationsverarbeitung im Gehirn, auch<br />

auf Triebe und Gefühle, wenn auch begrenzt: Eine optische Täuschung (z.B. die Scheinspirale von Fraser,<br />

1908) bleibt in der Wahrnehmung bestehen, auch wenn wir die Täuschung durchschauen. Sie ist eine Folge<br />

der prinzipiell nicht kopierenden, sondern, wie schon Kant sah, aktiv konstruierenden Arbeitsweise des Gehirns,<br />

um mit Cézanne zu sprechen „parallel zur Natur“. Es gibt in Systemen neue Fähigkeiten, sogar in technischen,<br />

z.B. für Selbstkontrolle. Man kann technisch auch Kreativität simulieren, z.B. durch Kombination von<br />

Regeln mit einem Zufallsgenerator. Aber wie das Leben nicht ganz auf die Chemie reduzierbar ist, so ist auch<br />

der Menschengeist nicht ganz aus der Gehirntätigkeit vorauszusagen, trotz einer Fülle von psychophysischen<br />

Korrelationen.<br />

Wäre unser Leben total determiniert, wie manche Hirnforscher (z.B. Roth und Singer) glauben, wäre es<br />

nicht eine Aufgabe, sondern ein automatisches Geschehen, so wäre es einfacher, aber auch viel ärmer. Es<br />

gäbe weder Skrupel noch Scham, weder Sinnglück hohen Gelingens noch die vielen Verirrungen: Hedonismus,<br />

Selbstbetrug, Histrionik, Grausamkeit usw. Im Menschenleben kommt es auf Ethisches an, auf Wahrheit, Güte,<br />

Tapferkeit usw. Im Blick auf den Januskopf der Freiheit haben tiefe Denker (u.a. Sophokles) erwogen, ob es für<br />

den Menschen nicht besser wäre, nicht geboren zu sein. Da er aber <strong>zum</strong> beherrschenden Lebewesen der Erde<br />

geworden ist, kann er der Aufgabe, sich human zu führen, nicht ausweichen. Ohne Willen <strong>zum</strong> Besseren ist der<br />

Mensch jetzt in Gefahr, ein Übel der Erde zu werden. Eine Konsequenz, die aus dieser Situation zu ziehen ist,<br />

liegt in der Verbindung des sittlichen Willens mit dem Daseinssinn (Reiner 1964). Im guten Willen liegt<br />

Sinn, der standhält; so sah schon Kant die Situation des Menschen. Unsere oberflächliche, deprimierte Zeit<br />

braucht ethischen Impuls, der das redliche Tun mit dem Lebenssinn verbindet, um wieder auf die Füße zu<br />

kommen.<br />

Wir müssen unseren Willen aber nicht nur ethisch entwickeln, sondern auch seine vitale Basis erhalten. Zu<br />

den Kardinaltugenden von Platon und Aristoteles gehörte außer Gerechtigkeit, Besonnenheit und Tapferkeit<br />

auch die Weisheit. Natürlich ist unser Geist vom Gehirn abhängig wie unser Leben von vielem abhängig ist: von<br />

Sonne, Wasser, Pflanzen usw. – eine gänzlich unabhängige Freiheit gibt es nicht. Nicht über Determinismus<br />

sollten wir klügeln, sondern danach streben, besser zu werden und unsere Freiheit zu entwickeln und zu erhalten,<br />

denn vieles bedroht sie: Unwahrheit, Sucht, Depression, Hirntrauma, Schlaganfall usw.<br />

Also Freiheit brauchen wir. Sogar in der empirischen Sozialforschung, in der das Interesse an Freiheit verschwunden<br />

gewesen war, wurde Freiheit jetzt wieder entdeckt (Noelle-Neumann 1978): durch Faktorenanalyse<br />

fand man, dass die Freiheit zu Entscheidungen im Arbeitsleben mit dem Gefühl von Glück verbunden war,<br />

wogegen Freiheit im Sinne von Libertinage nicht mit Glück korrelierte, und dies bei Arbeitern wie Angestellten.<br />

Der Wille pflegt gewöhnlich einen kooperativen Führungsstil im Reich der Anmutungen, Triebe und Gefühle,<br />

und doch sind wichtige Aufgaben des Willens Konzentration auf das Wesentliche und Ausblendung von Ablenkungen.<br />

Aber der Wille ist nicht nur ein „Neinsager des Lebens“, sondern auch Anreger von Innovationen,<br />

Weitungen der Interessen, Änderungen der Prioritäten, Vertiefung der Persönlichkeit.


Geführt vom Willen erwirbt der Mensch Geist, der auch seine Gefühle humanisiert. Ein großer Teil der Gefühle<br />

des Menschen ist Folge von Willensanstrengung, z.B. das Sinnglück.<br />

Auch jene Glücksgefühle, die vom aufmerksamen Schauen und Hören des Schönen in der Natur und Kunst<br />

kommen, gehen nicht primär vom limbischen System, sondern vom Assoziationscortex aus. Auch sie sind etwas<br />

spezifisch Humanes, und sie wurden deshalb schon von dem großen stoischen Willensphilosophen Panaitios<br />

als Komponenten der Humanität gesehen; von ihm stammt die Idee der hohen Menschlichkeit (Pohlenz).<br />

Übrigens kommt auch das andere wichtige Glücksgefühl, dessen Mangel im Winter des hohen Nordens zu<br />

Selbstmorden führt, nicht primär vom limbischen System, sondern vom Sonnenlicht und seiner Wirkung auf<br />

den Hypothalamus, das endokrine System und die Hirnchemie. – Alle menschlichen Gefühle können wie von<br />

persönlichem Geiste, so auch von kulturellen Traditionen und Normen beeinflusst werden. Es ist weniger die<br />

Intensität gewisser Gefühle, die wir auch bei Tieren (wenigstens von den Vögeln an) annehmen, als vielmehr<br />

ihre Bedeutung und Tiefe, die aus seelischem Verstehen, aus höheren Werten, aus der Einsicht in große Zusammenhänge<br />

und aus Disziplin und Treue kommen, was cortikale Funktionen beitragen.<br />

Das limbische System im weiten Sinne, der Hypothalamus und gewisse Hirnstammkerne sind alte Teile des Motivationssystems,<br />

die anatomisch beim Menschen im Vergleich zu den höheren Tieren weitgehend unverändert<br />

sind; sie regeln Triebe und Emotionen für Tätigkeitsbereitschaft, Ernährung, Abwehr, Fortpflanzung usw., die<br />

noch immer für uns wichtig sind, aber vom besonnenen Willen überformt werden. So sind die menschlichen<br />

Gefühle und Antriebe erweitert und geprägt von Kultur und Lernen, wofür die Grundlage die enorm vergrößerten<br />

Assoziationsfelder der Großhirnrinde sind (wovon die Hälfte Willenscortex ist). Sinnglück des Schaffenden<br />

z.B. ist von willentlicher Tätigkeit frontocortical initiiert; es wird kortikal erlebt, beruht aber auf<br />

Mitwirkung subcorticaler Regelungen. Es ist eine innere Belohnung sinnvoller willentlicher Tätigkeit und stabilisiert<br />

die Autonomie der Persönlichkeit.<br />

I c h f a s s e z u s a m m e n :<br />

Auf dem Boden von Willensfreiheit sind wir Menschen, wenn wir etwas erreicht haben, erfolgreich waren und<br />

vielleicht etwas Gutes taten, glücklich. Wir haben gehört, dass der Wille beim Kind im Alter von 2 bis 3 Jahren<br />

reift, wenn das Kind von der Es-Form in die Ich-Form überwechselt. In der kindlichen Entwicklung zeigt<br />

sich dies als Trotzalter. Der Wille ist das komplizierteste am Menschen und kommt in dem Moment in die<br />

Welt, in dem ein Kind sagt „ Ich will noch nicht ins Bett!“ und nicht mehr: „Dominik will noch nicht ins Bett.“<br />

Im Trotzalter äußert sich der Wille durch Nein sagen! Dann muss das Kind noch Selbstkritik und Selbstdisziplin<br />

lernen, um schulpflichtig zu werden. Anschließend entwickelt sich der Wille weiter bis weit in das Erwachsenenalter<br />

hinein. Wahrscheinlich ist Willensbildung ein lebenslanger Prozess. Auch des aufstrebenden Geistes,<br />

des Adepten und An-sich-Arbeitenden vielleicht wichtigste Aufgabe ist es, den eigenen Willen zu bilden,<br />

ethisch zu formen, zu sublimieren und zu veredeln!<br />

Wann stellt Glück sich ein? Dann wenn uns etwas gelungen ist, eben z.B. wenn wir in dem oben Gesagten<br />

erfolgreich waren. Wenn wir ein Werk vollbracht haben – für die Hobby-Bastler wenn wir was Schönes gebastelt<br />

haben (mit unseren eigenen Händen), wenn wir beim Arbeiten an uns selbst Fortschritte gemacht haben.<br />

Diesem Glücksgefühl des Schaffenden – des Kreativen – liegt zugrunde, dass es uns zeigt, dass wir zu etwas<br />

nützlich waren, etwas beitragen konnten, etwas Sinnvolles taten, dass wir (noch) zu etwas nütze sind. Glück,<br />

das – wie wir eingangs sagten – mit Sinnerfüllung des Lebens assoziiert ist.<br />

Gut handeln muss es schon sein, ethisch handeln. Dieses ist im Gehirn lokalisiert und zwar ist es im Frontalhirn<br />

(Stirnhirn) derjenige Teil, der der Augenhöhle aufliegt, man nennt das Areal frontoorbital von Orbita,<br />

Augenhöhle. Patienten, die dort Hirnläsionen haben, begehen Eigentums- und Sexualdelikte. Also auch ethisches<br />

Handeln hat seinen Ort im Gehirn, und so auch all unser moralisches Tun und Lassen. Das Stirnhirn ist<br />

der Sitz des Willens. Moralisches, ethisches Tun und Handeln fährt unbedingt unter der Flagge des freien Willens.<br />

Im Grunde können wir ja nur auf Taten des freien Willens stolz sein und Sinnglück empfinden.<br />

Mutterglück ist Sinnglück. Elternglück. Und um mich selbst einzuschließen Großelternglück. Sinnglück, Daseinsglück.<br />

Familienglück – glückliche Familie. Heute kommt man in vermehrtem Maße zu der Auffassung,<br />

dass der Mensch auch zu einem großen Teil selbst formend an sich arbeiten kann, um mit <strong>Viktor</strong> <strong>Frankl</strong> zu<br />

sprechen mit dem Willen, seinem Leben einen Sinn zu geben. Das können wir nur mit freiem Willen, selbst<br />

Entscheidungen zu treffen. Somit ist der Mensch auch zu Selbststeuerung und eigener Lebensplanung in der<br />

Lage. So ausgestattet (Pico della Mirandola sah die Macht des Menschen wie die eines gestaltenden Künstlers:<br />

Durch deinen Willen, so lässt er Gott zu Adam sagen, wirst du deine Natur abgrenzen. … Wir haben dich gemacht,<br />

damit du dich nach deinem eigenen Urteil gestaltest …“) kann der Mensch sein Leben durchaus selbst<br />

in die Hand nehmen und ist auch – und das ist das Wichtige – durchaus fähig und bereit, selbstverantwortlich<br />

für sein Tun und Lassen (letzteres ist oft wichtiger als das Tun) gerade zu stehen.<br />

4


5<br />

Der geistig und seelisch gesunde Mensch ist eben nicht bloßer Spielball seiner Hormone und Instinkte und<br />

eben absolut kein "Triebtäter" sondern kann eigenen vernünftigen Willen dagegen setzen, ich meine gegen<br />

Anwandlungen von Schlechtem. Wir sind daher auch verantwortlich für unser Tun. Wenn wir Verantwortlichkeiten<br />

haben, so haben wir auch Rechte: Mit Fug und Recht dürfen wir dann auch auf unsere guten Taten<br />

stolz und glücklich sein. Sinnglück.<br />

Behinderte Menschen, z.B. infolge frühkindlicher Hirnschäden, haben oft noch mancherlei Chancen, sich zu<br />

entwickeln und Wertvolles beizutragen, wenn man ihnen hilft (Hellbrügge 1981) und wenn sie das mögliche<br />

Positive ergreifen und mit eigenem Willen etwas Gutes aus ihren Fähigkeiten machen. Man lese z.B. den bewegenden<br />

<strong>Vortrag</strong> des Psychiaters Peter Willers Jessen auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher<br />

und Ärzte 1846 in Kiel. Damals waren die psychisch Kranken noch von den Gesunden isoliert in<br />

Anstalten, und die Irrenärzte lebten dort mit ihnen. „Ich bekenne frei, dass ich Gemütskranke im allgemeinen<br />

höher achte als andere“ sagte er.<br />

Es gibt auf allen Ebenen der Gesellschaft einen humanen Adel, der aus langem guten Willen entsteht (Kornhuber<br />

1992). Kungtse hat dies gelehrt; der Edle war ein Hauptbegriff bei ihm: nicht Geburtsadel, sondern der<br />

Mensch, der sich selbst zur Güte erzogen hat. Bei den Stoikern war es der Weise. Die empirische Sozialforschung<br />

spricht von starken Persönlichkeiten, die in ihrem Kreis auch Meinungsführer sind, unabhängig von der<br />

sozialen Schicht (Noelle 1997). Die Jugendpsychologie hat gefunden, dass die Vorbildlichkeit der Anführer von<br />

Jugendgruppen in natürlicher Autorität, im Einsatz für die Sache und in Echtheit besteht.<br />

Und <strong>zum</strong> Schluss als Arzt die Frage: Warum dann nicht auch in der Therapie? <strong>Viktor</strong> <strong>Frankl</strong> hat es uns gelehrt<br />

und vorgelebt. Stärkung des eigenen Willens. Vielleicht sollte man sagen: des eigenen guten Willens! Denn es<br />

muss der 'reasonable will' , der vernünftige Wille sein, der von einer modernen Psychotherapie im Sinne<br />

<strong>Frankl</strong>s gefördert und gestützt gehört, ein Wille also, der von der Vernunft geleitet wird und sich an ethischen<br />

Grundsätzen orientiert. Also: Festigung/Stärkung des Willens als modernes psychotherapeutisches Behandlungselement,<br />

ja vielleicht neues Behandlungsprinzip. Systematische Schulung und Stützung des guten<br />

vernunftbezogenen Willens. Anregung und Stützung auch von Selbsterkenntnis – γνωτι σεαυτóν [(gnoti seautón)<br />

Erkenne dich selbst!] des Apollon-Tempels von Delphi – d.h. Stärken und Schwächen seiner selbst zu erkennen<br />

und daran zu arbeiten, die Kantigkeiten unseres Charakters zu glätten. Mit dem (Logo-) Therapeuten<br />

zusammen kann der gestärkte vernunftbezogene Wille dann die aus dem Selbsterkenntnisprozess sich ergebenden<br />

notwendigen therapeutischen Schritte in die Tat umsetzen. Schließlich findet der Patient wieder Vertrauen<br />

zu seiner eigenen Selbstführung und ist willensstark genug, sein Leben nach Entlassung aus der Therapie<br />

oder bereits begleitend zu dieser wieder selbst in die Hand zu nehmen. Das ist die Mobilisierung 'körpereigener<br />

Kräfte,' die hier angesprochen wird − die uns zur Verfügung stehenden geistigen wie seelischen<br />

Selbststeuerungsmechanismen, Entscheidungs- und Willensfreiheit des Menschen − in der Psychotherapie<br />

gezielt einzusetzen, die bei Freud noch fehlte, durch <strong>Viktor</strong> <strong>Frankl</strong> mit seiner Logotherapie aber gebührend<br />

zu Amt und Würden gekommen ist (Psychotherapie "beyond Freud").<br />

Zu guter Letzt noch zwei <strong>Viktor</strong>-<strong>Frankl</strong>-Aphorismen:<br />

Der Mensch handelt nicht nur gemäß dem, was er ist, sondern er wird auch wie er handelt<br />

und der daraus sich ergebende nächste Aphorismus:<br />

Aus dem immer wieder Gutes Tun wird schließlich das Gut-Sein<br />

Lüder Deecke<br />

Quellen:<br />

Hans Helmut Kornhuber / Lüder Deecke (2009) Wille und Gehirn. 2. überarb. Aufl. Edition Sirius, Bielefeld/Basel,<br />

Aisthesis-Verlag, 158 Ss. (2009) ISBN 978-3-89528-628-5<br />

Deecke L: Freies Wollen und Handeln aus neurophysiologischer Sicht. In: J Kriz, L Deecke: Sinnorientiertes<br />

Wollen und Handeln zwischen Hirnphysiologie und kultureller Gestaltungsleistung. Wiener Vorlesungen, HC<br />

Ehalt (Hrsg) Bd 127 Picus Verlag Wien ISBN 987-3-85452-527-1 pp 43-94 (2007)<br />

Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. völlig neu bearb. Auflage, 1986


Auszüge aus Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft<br />

„Scherz, List und Rache."<br />

Vorspiel in deutschen Reimen.<br />

2.<br />

Mein Glück.<br />

Seit ich des Suchens müde ward,<br />

Erlernte ich das Finden.<br />

Seit mir ein Wind hielt Widerpart,<br />

Segl' ich mit allen Winden.<br />

9.<br />

Meine Rosen.<br />

Ja! Mein Glück - es will beglücken -,<br />

Alles Glück will ja beglücken!<br />

Wollt ihr meine Rosen pflücken?<br />

Müsst euch bücken und verstecken<br />

Zwischen Fels und Dornenhecken,<br />

Oft die Fingerchen euch lecken!<br />

Denn mein Glück - es liebt das Necken!<br />

Denn mein Glück - es liebt die Tücken! -<br />

Wollt ihr meine Rosen pflücken?<br />

31.<br />

Der verkappte Heilige.<br />

Dass dein Glück uns nicht bedrücke,<br />

Legst du um dich Teufelstücke,<br />

Teufelswitz und Teufelskleid.<br />

Doch umsonst' Aus deinem Blicke<br />

Blickt hervor die Heiligkeit!<br />

41.<br />

Heraklitismus.<br />

Alles Glück auf Erden,<br />

Freunde, giebt der Kampf!<br />

Ja, um Freund zu werden,<br />

Braucht es Pulverdampf!<br />

Eins in Drei'n sind Freunde:<br />

Brüder vor der Noth,<br />

Gleiche vor dem Feinde,<br />

Freie - vor dem Tod!<br />

47.<br />

Niedergang.<br />

"Er sinkt, er fällt jetzt" - höhnt ihr hin und wieder;<br />

Die Wahrheit ist: er steigt zu euch hernieder!<br />

Sein Ueberglück ward ihm <strong>zum</strong> Ungemach,<br />

Sein Ueberlicht geht eurem Dunkel nach.<br />

165.<br />

Vom Glücke der Entsagenden. - Wer sich Etwas gründlich und auf lange Zeit hin versagt, wird, bei einem zufälligen<br />

Wiederantreffen desselben, fast vermeinen, es entdeckt zu haben, - und welches Glück hat jeder<br />

Entdecker! Seien wir klüger, als die Schlangen, welche zu lange in der selben Sonne liegen<br />

239.<br />

Der Freudlose. - Ein einziger freudloser Mensch genügt schon, um einem ganzen Hausstande dauernden Missmuth<br />

und trüben Himmel zu machen; und nur durch ein Wunder geschieht es, dass dieser Eine fehlt! - Das<br />

Glück ist lange nicht eine so ansteckende Krankheit, - woher kommt das?<br />

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