Mercator Magazin 02 / 12 - Stiftung Mercator Schweiz

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26.10.2013 Aufrufe

n o 02 12 Schulen gehen neue wege Um ihren Schülern optimale Lernmöglichkeiten zu bieten, entwickeln Schulen ihren Unterricht weiter und verwirklichen eigene Projekte KULtUr-diaLog Studierende sind im Museum der Kulturen Basel als Kulturvermittler im einsatz LerngeLegenheiten filme zeigen, wie eltern und Betreuungspersonen kleine Kinder im alltag fördern können weLternÄhrUng die ersten forschungsprojekte des world food System centers der eth zürich sind gestartet Mercator Magazin

n o <strong>02</strong><br />

<strong>12</strong><br />

Schulen<br />

gehen<br />

neue wege<br />

Um ihren Schülern optimale Lernmöglichkeiten<br />

zu bieten, entwickeln Schulen ihren Unterricht<br />

weiter und verwirklichen eigene Projekte<br />

KULtUr-diaLog<br />

Studierende sind im Museum der<br />

Kulturen Basel als Kulturvermittler<br />

im einsatz<br />

LerngeLegenheiten<br />

filme zeigen, wie eltern und<br />

Betreuungspersonen kleine<br />

Kinder im alltag fördern können<br />

weLternÄhrUng<br />

die ersten forschungsprojekte<br />

des world food System centers<br />

der eth zürich sind gestartet<br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong>


inhalt<br />

nachrichten<br />

S. 2 — 4<br />

aktuelle Meldungen aus <strong>Stiftung</strong><br />

und Projekten; Umwelttipp des<br />

wwf <strong>Schweiz</strong><br />

frage an die wiSSenSchaft<br />

S. 5<br />

warUM<br />

vertraUen wir?<br />

die theologin andrea Lassak<br />

gibt antworten.<br />

SchwerPUnKt<br />

SchULentwicKLUng<br />

S. 6 — 57<br />

Schulen gehen<br />

neue wege<br />

S. 6 — 25<br />

3-rÄUMe-tag<br />

freitags entscheiden die Kinder des<br />

Schülerclubs nordstrasse selbst,<br />

wo und woran sie arbeiten.<br />

S. 26 — 27<br />

aUf der SUche nach<br />

eigenen LöSUngen<br />

eine zentrale frage der Schulent-<br />

wicklung ist der Umgang mit der<br />

wachsenden vielfalt in den Klassen.<br />

S. 28 — 29<br />

SchULe iM wandeL<br />

wenn Schulen individuelles Lernen<br />

ins zentrum stellen, ändern<br />

sich die rollen aller Beteiligten.<br />

S. 30 — 39<br />

eine antwort aUf<br />

die vieLfaLt<br />

50 Schulen entwickeln zusammen<br />

mit hochschulen, Lehrmittelver-<br />

lagen und it-anbietern das perso-<br />

nalisierte Lernen weiter.<br />

S. 40 — 45<br />

forSchen, StaUnen,<br />

verStehen<br />

das Projekt SwiSe fördert das<br />

forschend-entdeckende Lernen im<br />

Unterricht.<br />

S. 46 — 53<br />

nicht jede SchULe<br />

MUSS Bei<br />

nULL anfangen<br />

die Pädagogische hochschule zürich<br />

fördert den erfahrungsaustausch<br />

zwischen Schulen.<br />

S. 54 — 55<br />

Lehrer haBen die<br />

zUKUnft iM BLicK<br />

Lehrer aus holland, Liechtenstein<br />

und der <strong>Schweiz</strong> bilden sich<br />

gemeinsam weiter.<br />

S. 56 — 57<br />

StÄrKen iM foKUS<br />

wie viele Möglichkeiten der<br />

Begabungsförderung es gibt, zeigt<br />

der LiSSa-Preis.<br />

tÄtigKeitSBereich<br />

wiSSenSchaft<br />

S. 58 — 61<br />

diaLog ohne<br />

drehBUch<br />

Studierende suchen als Kulturvermittler<br />

das gespräch mit<br />

den Besuchern des Museums der<br />

Kulturen Basel.<br />

S. 62 — 63<br />

geMeinSaMe<br />

veranStaLtUngen<br />

ohne grenzen<br />

der graduate campus der Universität<br />

zürich unterstützt nachwuchs-<br />

wissenschaftler bei der organisation<br />

eigener veranstaltungen.<br />

tÄtigKeitSBereich<br />

Kinder Und jUgendLiche<br />

S. 64 — 65<br />

der aLLtag iSt<br />

voLLer<br />

LerngeLegenheiten<br />

die Bildungsdirektion des Kantons<br />

zürich zeigt in filmen, wie eltern<br />

ihre kleinen Kinder im alltag fördern<br />

können.<br />

tÄtigKeitSBereich<br />

MenSch Und UMweLt<br />

S. 66 — 69<br />

geSUnde nahrUng<br />

für aLLe<br />

die welternährung steht im Mittelpunkt<br />

des Kompetenzzentrums<br />

‹world food System center› der<br />

eth zürich.<br />

S. 70 — 71<br />

geLernt, wie:<br />

KLiMaSchUtz<br />

iM arBeitSaLLtag<br />

auszubildende setzen sich<br />

im ‹bluecamp› mit aktuellen<br />

Klimafragen auseinander.<br />

engagiert<br />

S. 72<br />

ein gUteS gefühL!<br />

nicolas Krattiger und Simon hayoz<br />

setzen sich dafür ein, dass die<br />

forderungen der jugendsession den<br />

weg in die Politik finden.<br />

KaLender<br />

S. 73<br />

termine januar bis april 2013


vorwort<br />

Liebe Leserinnen und Leser<br />

Schulen gehen neue Wege – im Unterricht, in der Gestaltung<br />

ihres schulischen Zusammenlebens. Oft nehmen<br />

sie dabei unterschiedliche Abzweigungen, sie schreiten in<br />

verschiedenen Geschwindigkeiten voran, doch haben stets<br />

ein gemeinsames Ziel vor Augen: Sie möchten ihren<br />

Schülern optimale Lernmöglichkeiten bieten. Schulentwicklung<br />

ist immer eine Antwort auf gesellschaftliche<br />

Veränderungen. Eine zentrale Frage, die Schulen beschäftigt,<br />

ist der Umgang mit der wachsenden Vielfalt in ihren<br />

Klassen. Wie kann man den unterschiedlichen Lernbedürfnissen<br />

der Schüler gerecht werden, damit jeder sein<br />

Potenzial möglichst gut entfalten kann? Mit grossem Enga-<br />

gement suchen Schulen nach Antworten – und finden<br />

neue Formen des personalisierten Lernens.<br />

Der Weg der Schulentwicklung kann steinig sein.<br />

Manchmal brauchen Schulen Tipps, Unterstützung und Be-<br />

gleitung. Unsere <strong>Stiftung</strong> möchte es Schulen ermöglichen,<br />

einen Teil der Strecke gemeinsam zu gehen und sich<br />

auf die Erfahrung anderer stützen zu können: Mit Projekten<br />

wie ‹Schulen lernen von Schulen› (S. 46 – 53) oder dem<br />

LISSA-Preis (S. 56 – 57) machen wir Erfahrungen aus loka-<br />

len Schulentwicklungsprojekten bekannt. Wir fördern<br />

den Austausch und Vernetzungen von Schulen. Wir ermutigen<br />

sie mit Initiativen wie SWiSE (S. 40 – 45) und dem<br />

Projekt ‹Personalisiertes Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften›<br />

(S. 30 – 39) zusammen und mit profes-<br />

sioneller Begleitung ihren Unterricht ihren Bedürfnissen<br />

entsprechend weiterzuentwickeln.<br />

Nadine Felix<br />

Geschäftsführerin<br />

1 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

stiftung mercator schweiz<br />

Die stiftung mercator schweiz fördert und<br />

initiiert Projekte in den drei Bereichen<br />

‹wissenschaft›, ‹Kinder und Jugendliche› und<br />

‹mensch und umwelt›. Das engagement der<br />

stiftung gilt einer lernbereiten und welt-<br />

offenen gesellschaft, die verantwortungsvoll<br />

mit der umwelt umgeht. mit ihren Projekten<br />

an hochschulen möchte sie zur stärkung des<br />

wissens- und forschungsplatzes schweiz<br />

beitragen. Die stiftung unterstützt die wissen-<br />

schaft, antworten auf gesellschaftlich<br />

wichtige fragen wie den schutz der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen zu finden. Damit<br />

Kinder und Jugendliche ihre Persönlichkeit<br />

entfalten, engagement entwickeln und<br />

ihre chancen nutzen können, setzt sich die<br />

stiftung mercator schweiz für optimale<br />

Bildungsmöglichkeiten innerhalb und ausser-<br />

halb der schule ein.<br />

www.stiftung-mercator.ch<br />

≥ Schulen gehen neue wege S. 6 — 57


nachrichten<br />

wiSSenSchaft<br />

chinesische geistergeschichten<br />

mit sonnenuntergang, um Punkt 20 : 08 uhr<br />

begann die Vorstellung: inmitten von alten<br />

möbeln, gebrauchten fahrrädern, töpfen,<br />

Lampen und anderen schätzen zeigten 36 stu-<br />

dierende der zürcher hochschule der Künste<br />

(zhdK) und der nationalen akademie für<br />

chinesische theaterkunst am 31. august 20<strong>12</strong>,<br />

was sie vier wochen lang im rahmen des<br />

austauschprojekts ‹common stage› erarbeitet<br />

hatten. mit theater, tanz und musikalischen<br />

Darbietungen interpretierten sie geistergeschichten<br />

des chinesischen autors Pu songling.<br />

mit dem Brockenhaus an der Badenerstrasse<br />

415 in zürich hatten die Verantwortlichen der<br />

zhdK für die öffentliche abschlusspräsentation<br />

bewusst keine traditionelle Bühne gewählt.<br />

«wir wollten menschen erreichen, die sich<br />

sonst nicht intensiv mit den Künsten befassen»,<br />

erklärt Projektleiter Daniel späti. Die stiftung<br />

mercator schweiz fördert das austausch-<br />

projekt. www.commonstage.ch<br />

2 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

wiSSenSchaft<br />

ErstEr PrEis für ‹wEACt›<br />

im rahmen des wettbewerbs ‹idées<br />

Vertes› suchten Migros und wwf<br />

<strong>Schweiz</strong> nach innovativen geschäftsideen,<br />

die einen nachhaltigen Konsum<br />

fördern. gefragt waren Business-<br />

Konzepte, die sich einem schonenden<br />

umgang mit den begrenzten res-<br />

sourcen verpflichten. Mit ‹weact› hat<br />

das Projekt einer studentischen<br />

initiative gewonnen, das die <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> im rahmen ihres<br />

Programms ‹engagier dich!› gefördert<br />

hat: Majka Baur und Prisca Müller<br />

überzeugten die fachjury mit ihrer<br />

idee, gruppenwettbewerbe auf einer<br />

online-Plattform zu veranstalten.<br />

Diese wettbewerbe ermutigen<br />

dazu, aktiv für die umwelt zu handeln.<br />

auf spielerische weise werden die<br />

teilnehmer dazu aufgefordert, ökologischere<br />

Verhaltensweisen in ihren alltag<br />

einzuflechten; beispielsweise mit<br />

dem fahrrad anstelle des autos zur<br />

arbeit zu fahren. Mit einer teilnahme<br />

am wettbewerb kann man seine<br />

co 2-emissionen im Durchschnitt um<br />

10 Prozent verringern, erklären die<br />

initiantinnen. «Die Motivation durch<br />

das team und die spielerische<br />

umsetzung sind entscheidende fak-<br />

toren bei der Verhaltensänderung»,<br />

betont Prisca Müller. «wenn sich das<br />

soziale umfeld mitverändert, ge-<br />

schehen Verhaltensumstellungen<br />

einfacher und sind erfolgreicher.» Die<br />

gewinnerinnen freuen sich über eine<br />

Siegerprämie in höhe von 30 000<br />

franken und über die Möglichkeit, ein<br />

Jahr lang einen kostenlosen arbeits-<br />

platz im huB zürich nutzen zu können:<br />

«Jetzt können wir uns 100 Prozent<br />

dem aufbau unseres Startup-unternehmens<br />

widmen.»<br />

www.idees-vertes.ch, www.weact.ch<br />

engagier Dich!<br />

mit dem Programm ‹engagier dich!› fördert die<br />

stiftung mercator schweiz Projekte von<br />

studentischen initiativen in den themenbereichen<br />

‹mensch und umwelt›, ‹interkulturelle<br />

Verständigung und integration› sowie ‹internationale<br />

aufgaben›. Drei mal im Jahr können<br />

sich studierende bewerben, die eingabetermine<br />

2013 sind der 1. märz, 1. Juli und 1. november.<br />

www.engagier-dich.ch


nachrichten<br />

<strong>Stiftung</strong><br />

NAdiNE fElix ist NEuE<br />

GEsChäftsführEriN<br />

nadine felix ist seit dem 1. Juli 20<strong>12</strong> geschäftsführerin der <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong>. Die bisherige stellvertretende geschäftsfüh-<br />

rerin löst damit albert Kesseli ab, der die geschäftsstelle in zürich<br />

in den vergangenen sieben Jahren auf- und ausgebaut hat. albert<br />

Kesseli engagiert sich weiterhin als Vizepräsident des <strong>Stiftung</strong>srates<br />

für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong>. «nadine felix stellt die Konti-<br />

nuität der <strong>Stiftung</strong> sicher. Sie kann auf einem soliden Partner-<br />

netzwerk aufbauen, um die <strong>Stiftung</strong> in ihrem wirken profilgebend<br />

weiterzuentwickeln», sagt albert Kesseli. Seiner nachfolgerin<br />

wünscht er für ihre neuen aufgaben alles gute. er freut sich, zu-<br />

sammen mit ihr und ihrem team weiterhin spannende Projekte auf<br />

den weg bringen und begleiten zu dürfen.<br />

Die neue geschäftsführerin kennt die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> bestens: Seit 2008 ist nadine felix als Projektmanagerin<br />

bei der <strong>Stiftung</strong> tätig. Schon vor Übernahme der geschäftsführung<br />

hatte nadine felix wichtige weichen für die weiterentwicklung<br />

der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> gestellt. unter ihrer federführung<br />

hat die <strong>Stiftung</strong> zu Beginn des Jahres 20<strong>12</strong> ihr Profil inhaltlich<br />

geschärft und mit ‹Mensch und umwelt› einen neuen tätigkeitsbereich<br />

gebildet. Dieser ergänzt die beiden Bereiche ‹wissenschaft›<br />

und ‹Kinder und Jugendliche›. «wir machen mit dem neuen tätigkeitsbereich<br />

unser stetig gewachsenes engagement für den<br />

Schutz der natürlichen lebensgrundlagen sichtbar», erklärt nadine<br />

felix. Sie freut sich darauf, das neue Profil weiter mit Projekten zu<br />

füllen: «Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> gibt mit ihren Projekten<br />

impulse für gesellschaftliche entwicklung. zusammen mit meinem<br />

team möchte ich diese funktion weiter prägen und stärken.»<br />

wiSSenSchaft<br />

KinDer unD JugenDliche<br />

BilDungS-café fÜr<br />

KinDer unD eltern<br />

Der ehrenamtliche Verein Bildungs-<br />

motor engagiert sich seit dem<br />

Jahr 2005 für die ausserschulische<br />

Bildungsförderung in zürich-altstetten.<br />

Jetzt fasst er sein engagement in<br />

seinem neuen Bildungs-café zusammen<br />

– zugleich erweitert er das angebot<br />

um den frühbereich: in zusammenarbeit<br />

mit dem zentrum elch-altstetten<br />

bietet das Bildungs-café eine niederschwellige<br />

Kleinkinderhüte mit inte-<br />

grierter frühförderung durch eine quali-<br />

fizierte früherzieherin an. einmal im<br />

Monat organisiert das Bildungs-café<br />

zudem einen ‹elterntisch frühbereich›<br />

für familien aus dem Quartier, an<br />

dem die früherzieherin gemeinsam mit<br />

einer interkulturellen Vermittlerin<br />

frühfördersequenzen übt und erziehungsthemen<br />

bespricht. auch die<br />

bewährten angebote für Schulkinder<br />

führt das Bildungs-café weiter, dazu<br />

zählt unter anderem eine aufgabenbe-<br />

treuung. Der Vereinsvorsitzende<br />

oliver Dlabač freut sich, dass durch<br />

eine zusammenarbeit mit dem Sozialdepartement<br />

der Stadt zürich und<br />

durch die finanzielle unterstützung der<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> und der<br />

Jacobs foundation der ausbau des för-<br />

derangebots zum Bildungs-café und<br />

gleichzeitig eine Professionalisierung<br />

des Mitarbeiterteams möglich ist.<br />

www.bildungs-cafe.ch<br />

eine frage Der<br />

KoMMuniKation<br />

wie kann man wissenschaft erfolgreich<br />

kommunizieren? Das ist die zen-<br />

trale frage des Kongresses ‹Sciencecomm›,<br />

bei dem die teilnehmer<br />

einmal im Jahr über aktuelle trends<br />

der wissenschaftskommunikation<br />

diskutieren. Die Schwerpunktthemen<br />

wechseln jährlich – vom 27. bis 28.<br />

September 20<strong>12</strong> setzten sich 194<br />

teilnehmer im Schloss rapperswil mit<br />

Kommunikationsfragen in den Be-<br />

reichen ‹gesundheit und Medizin›,<br />

‹umwelt› und ‹Kinder und Jugendliche›<br />

auseinander. Mit unterstützung der<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> organi-<br />

sieren Science et cité, die akademien<br />

der wissenschaften <strong>Schweiz</strong> und der<br />

<strong>Schweiz</strong>erische nationalfonds<br />

den Kongress. www.sciencecomm.ch<br />

3


nachrichten<br />

aKtiV fÜr Die uMwelt<br />

≥ schweizer haushalte werfen<br />

jedes Jahr eine Million tonnen<br />

lebensmittel in den Müll.<br />

das sind 320 Gramm pro<br />

Person und tag — und damit<br />

fast eine ganze Mahlzeit.<br />

Der wwf <strong>Schweiz</strong> hat in einem Bericht zusammen<br />

mit dem Verein foodwaste.ch die lebensmittelverschwendung<br />

in der <strong>Schweiz</strong> unter die lupe ge-<br />

nommen: Jährlich werfen wir zwei Millionen tonnen<br />

lebensmittel weg, für fast die hälfte davon sind<br />

die haushalte verantwortlich. Die in den haushalten<br />

weggeworfenen lebensmittel verursachen 2 Mil-<br />

lionen tonnen co 2, damit können 500 000 autos<br />

ein Jahr lang fahren. Doch nicht jeder lebensmittelabfall<br />

ist gleich gravierend, betont der wwf: es ist<br />

ein unterschied, ob man Salat aus dem eigenen<br />

garten wegwirft oder Bohnen, die mit viel energieaufwand<br />

aus Kenia eingeflogen wurden. Das<br />

wegwerfen von fleisch belastet die umwelt am<br />

stärksten, weil die Produktion viele ressourcen<br />

braucht. in einem Kilo fleisch stecken sieben bis<br />

15 Kilo futtermittel.<br />

MenSch unD uMwelt<br />

4 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

umweLttiPP Des wwf schweiz<br />

Jeder kann durch einen bewussten Konsum<br />

Lebensmittelabfälle vermeiden:<br />

— Vor dem einkauf einen Blick in den Kühlschrank<br />

werfen, das menü planen und<br />

eine einkaufsliste erstellen.<br />

— aus speiseresten neue gerichte kreieren.<br />

— Lebensmittel luftdicht verschlossen oder<br />

kühl aufbewahren, damit sie länger halten.<br />

— frischprodukte lieber häufiger, dafür<br />

gezielter einkaufen statt grosse wochen-<br />

einkäufe zu tätigen, die nicht verwertet<br />

werden können.<br />

— zuerst testen, ob abgelaufene Produkte<br />

wirklich nicht mehr geniessbar sind.<br />

www.wwf.ch/foodwaste<br />

www.foodwaste.ch<br />

EiNkAufssPiEl iM<br />

NAChhAltiGEN suPErMArkt<br />

Die wanderausstellung ‹clever – Der<br />

nachhaltige Supermarkt› wird ihrem<br />

namen gerecht: Sie ist tatsächlich auf-<br />

gebaut wie ein Supermarkt. am ein-<br />

gang stehen einkaufskörbe bereit, am<br />

ende des rundgangs befindet sich<br />

die Kasse. ein gang führt durch die<br />

verschiedenen abteilungen und regale<br />

des ladens, wo Produkte, informatio-<br />

nen und animationselemente stehen. in<br />

der ausstellung der <strong>Stiftung</strong> Biovi-<br />

sion tätigen die ausstellungsbesucher<br />

einen fiktiven einkauf. an der Kasse<br />

erhalten sie einen persönlichen Kassen-<br />

zettel, der den gesamten einkauf<br />

bewertet. Die Produkte, die sie in dem<br />

Spiel ‹kaufen› werden hinsichtlich<br />

der Kriterien Klima, Verschmutzung,<br />

lebensgrundlage, soziale Verant-<br />

wortung, Biodiversität und ressourcenverbrauch<br />

beurteilt. Berücksichtigt<br />

werden dabei die informationen, die auf<br />

der Verpackung sichtbar sind. Damit<br />

lernen die Besucher in der ausstellung<br />

anhand konkreter Beispiele, wie sie<br />

durch ihren einkauf eine umwelt-<br />

und sozialverträgliche entwicklung in<br />

der welt unterstützen können.<br />

Die wanderausstellung war<br />

20<strong>12</strong> mit unterstützung der <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> auf tournee: Die<br />

ausstellung informierte im natur- und<br />

tierpark goldau, im Stadtgarten<br />

winterthur, im Park grün 80 Basel<br />

und auf der grossen Schanze in Bern<br />

über fairen und nachhaltigen Konsum.<br />

Von april bis oktober 2013 ist die<br />

ausstellung im Verkehrshaus in luzern<br />

zu sehen, anschliessend ist ein gast-<br />

spiel in liechtenstein geplant. Der<br />

eintritt ist für einzelbesucher kosten-<br />

los, Schulklassen (oberstufe, gym-<br />

nasium, Berufsschule) können für <strong>12</strong>0<br />

franken spezielle führungen durch<br />

die ausstellung buchen. zur inhaltlichen<br />

Vorbereitung werden den lehrern<br />

arbeitsmaterialien zur Verfügung<br />

gestellt. www.clever-konsumieren.ch<br />

<strong>Mercator</strong> Kolleg<br />

Vierter Jahrgang<br />

Der vierte Jahrgang des <strong>Mercator</strong><br />

Kollegs für internationale aufgaben<br />

startete im September 20<strong>12</strong> mit<br />

vier <strong>Schweiz</strong>er Stipendiaten. gabriela<br />

Blatter und Jakob Peter aus zürich,<br />

Miriam Minder aus langnau i.e. und<br />

Barbara Schuler aus Basel wurden<br />

beim auftaktseminar in essen und<br />

Berlin auf ihre arbeit in internationalen<br />

organisationen, nichtregierungs-<br />

organisationen und wirtschaftsunternehmen<br />

vorbereitet. inzwischen<br />

gehen die Kollegiaten in arbeitsstationen<br />

ihrer wahl im in- und ausland<br />

ihren eigenen fragestellungen nach.<br />

gabriela Blatter setzt sich während<br />

des <strong>Mercator</strong> Kollegs mit den anpassungen<br />

urbaner zonen an den<br />

Klimawandel auseinander. Mit Über-<br />

wachungsmechanismen im Bereich der<br />

Menschenrechte und des humani-<br />

tären Völkerrechts befasst sich Miriam<br />

Minder. Jakob Peter beschäftigt sich<br />

mit der förderung erneuerbarer ener-<br />

gien. Barbara Schuler untersucht fragen<br />

des internationalen Menschenhandels.<br />

www.mercator-kolleg.ch


frage an Die wissenschaft<br />

wAruM vErtrAuEN<br />

wir?<br />

anDrea laSSaK<br />

theologin<br />

Selten stellen wir uns die Frage, warum wir anderen<br />

Menschen vertrauen. Meistens vertrauen wir einfach<br />

– nebenbei und ohne es zu merken. Wir ver -<br />

trau en unseren Eltern, unseren Freunden und<br />

Part nern. Natürlich überprüfe ich meinen Kaffee am<br />

Frühstückstisch nicht jeden Morgen auf Fremdoder<br />

Giftstoffe, bevor ich ihn gierig hinunterschlürfe.<br />

Und das nicht, weil es mir etwa zu mühsam wäre;<br />

ich habe einfach keinen Grund, meinem kaffeebrühenden<br />

Partner zu misstrauen. Aber erlauben wir<br />

uns einmal, die Vertrauensfrage zu stellen: Wie<br />

kommen wir dazu, anderen Menschen zu ver trauen?<br />

Ist Vertrauen nicht ein sehr riskantes Unterfangen?<br />

Warum bringen wir immer wieder neu Vertrauen<br />

auf, obwohl wir in unserem Vertrauen bereits ent -<br />

täuscht wurden?<br />

urVertrauen in Der frühen KinDheit<br />

Häufig wird die Antwort in der frühen Kindheit<br />

gesucht: Als Säugling, so dieser Erklärungsversuch,<br />

erwirbt der Mensch ein Vertrauen, das ihm als<br />

Fun dament für alle weiteren Vertrauensformen<br />

dient. Dieses so genannte ‹Urvertrauen› liefert dem<br />

Kind nicht nur die Zuversicht, den Eltern vertrauen<br />

zu können; das Urvertrauen ermöglicht es<br />

ihm, die Welt überhaupt als verlässlich und sicher<br />

zu erfahren. Von einem Urvertrauen dieser Art<br />

sprach auch der Entwicklungspsychologe Erik<br />

Homburger Erikson Mitte des vergangenen<br />

Jahrhunderts. Er ging davon aus, dass Urvertrauen –<br />

im englischen Original ‹basic trust› genannt –<br />

eine wichtige Grundlage für die gesunde Per sönlich<br />

keitsentwicklung eines Menschen ist.<br />

Blickt man jedoch mit etwas Distanz auf das<br />

Thema, dann merkt man: Es ist alles andere als<br />

selbstverständlich, bei einem Säugling von ‹Vertrauen›<br />

zu sprechen. Denn die feinfühlige Interaktion<br />

zwischen Eltern und Kind kann man auch mit den<br />

Begriffen ‹sichere Bindung›, ‹Vertrautheit› oder<br />

‹Sich-Verlassen› umschreiben. Spricht man einem<br />

Säugling aber die Kompetenz des Vertrauens zu,<br />

so nimmt man ihn als einen Akteur in den Blick, der<br />

er in bestimmten Hinsichten noch gar nicht ist.<br />

Denn zu einem entschiedenen Vertrauen ist das<br />

Kleinkind, das sich doch auf andere Menschen ver -<br />

lassen muss, eigentlich noch nicht fähig.<br />

Dass man diese Situation dennoch mit Hilfe von<br />

Vertrauensbegriffen beschreiben will, hat gute<br />

Gründe: Die Vorstellung vom vertrauenden Säugling<br />

bietet die Möglichkeit, die besondere Bedeutung des<br />

Vertrauens mit dem Beginn des menschlichen<br />

Lebens fest zu verankern. Einmal mit ‹Urvertrauen›<br />

ausgestattet scheint es ein Leichtes zu sein, einem<br />

Kind auch ‹Selbstvertrauen› zuzusprechen und<br />

es als jemanden zu sehen, der Menschen mit Vertrauen<br />

begegnet. Aber auch andere, sehr spezifische<br />

Formen des Vertrauens lassen sich gut mit der Idee<br />

des Urvertrauens verknüpfen. Das ‹Grund- oder<br />

Seinsvertrauen› zum Beispiel, also das fundamentale<br />

Zutrauen in den guten Grund des Lebens, wird<br />

häufig unmittelbar mit dem frühkindlichen ‹Urvertrauen›<br />

verbunden. Und nicht zuletzt hat die christ-<br />

liche Theologie das Konzept des ‹Urvertrauens›<br />

in kreativer Weise aufgenommen, um damit den<br />

Glauben, beziehungsweise das religiöse Gottvertrau<br />

en zu erklären.<br />

Der mensch aLs soziaLes wesen<br />

Was also ist dran an der Erzählung eines ursprünglichen<br />

und so ausnahmslos positiven Vertrauens<br />

wie dem Urvertrauen? Ist Urvertrauen die einzige<br />

Antwort auf das ‹Warum› unseres Vertrauens? Sicher<br />

nicht. Denn obwohl unbestritten ist, dass erste<br />

Bindungserfahrungen unsere Beziehungen nachhaltig<br />

prägen, wird die Annahme von einem früh kindlichen<br />

Vertrauen, das einen so langfristigen Einfluss<br />

auf das Vertrauensverhalten haben soll, wissenschaftlich<br />

angezweifelt. Der Grund, warum wir ver -<br />

trauen, liegt vielmehr darin, dass wir soziale<br />

Wesen sind: Als Menschen leben wir in vielfältigen<br />

Beziehungen. Wir legen unsere Interessen in die<br />

Hände anderer und verlassen uns auf sie. Auf diese<br />

Weise gestalten wir unser Zusammenleben und<br />

übernehmen gegenseitig Verantwortung. Dass sich<br />

menschliche Gemeinschaft dadurch ganz wesen t-<br />

lich verändert, darin liegt die eigentliche Bedeutung<br />

des Vertrauens. Wir vertrauen, weil wir als Menschen<br />

nicht alleine leben und dieses Zusammenleben<br />

im Vertrauen gestalten wollen. Das zeigt sich<br />

– ganz alltäglich – am Frühstückstisch zu Hause.<br />

anDrea laSSaK ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im inter -<br />

disziplinären forschungsprojekt ‹Vertrauen verstehen› der<br />

universität zürich, das die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> und der<br />

<strong>Schweiz</strong>er ische nationalfonds fördern. wissenschaftler aus<br />

sieben Disziplinen (neuroökonomie, Sozial- und wirtschaftsgeschichte,<br />

Soziologie, Psychologie, religionsphilosophie, theologie,<br />

religionswissenschaft) arbeiten in diesem Projekt zusammen.<br />

andrea lassak promoviert zum thema ‹grundloses Vertrauen.<br />

eine theo lo gische Studie zum Verhältnis von grund- und gott-<br />

vertrauen›. in ihrer Dissertation analysiert sie verschiedene<br />

Modelle grundlegenden Vertrauens. andrea.lassak@theol.uzh.ch<br />

5


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

sChulEN<br />

GEhEN<br />

NEuE wEGE<br />

unsere gesellschaft verändert sich stetig und schnell – und mit ihr die<br />

Schule: um sich den wandelnden gesellschaftlichen Bedürfnissen<br />

anzupassen, verwirklichen Schulen mit grossem engagement<br />

eigene Projekte zur Schul- und unterrichtsentwicklung. Diese reichen von<br />

verschiedensten formen des individualisierten und forschend-<br />

entdeckenden lernens über ausserschulische lernorte hin zu Projekten<br />

der Schülerpartizipation. um in der Schulentwicklung neue wege<br />

zu gehen, tauschen sich Schulen über ihre erfahrungen aus und arbeiten<br />

gemeinsam an aktuellen themen.<br />

S. 26 — 27<br />

auf Der Suche nach<br />

eigenen löSungen<br />

S. 28 — 29<br />

Schule iM wanDel<br />

S. 30 — 39<br />

eine antwort auf Die<br />

Vielfalt<br />

S. 40 — 45<br />

forSchen, Staunen,<br />

VerStehen<br />

S. 46 — 53<br />

nicht JeDe Schule MuSS<br />

Bei null anfangen<br />

S. 54 — 55<br />

lehrer haBen Die<br />

zuKunft iM BlicK<br />

S. 56 — 57<br />

StärKen iM foKuS<br />

6 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

08 : 15 — <strong>12</strong> : 00<br />

ein freitagVormittag im schüLercLuB<br />

norDstrasse in zürich<br />

wie schulen mit der Vielfalt in den Klassen<br />

umgehen, ist eine zentrale frage der<br />

schulentwicklung. eine interessante antwort<br />

hat die Primarschule schülerclub<br />

nordstrasse mit ihrem Projekt ‹3 räume›<br />

gefunden: Jeden freitagvormittag arbeiten<br />

die Kinder nicht in ihren Klassenzimmern,<br />

sondern in einem von drei räumen, den sie<br />

sich selbst aussuchen. Jeder raum bietet<br />

andere Lernmöglichkeiten. Jedes Kind kann<br />

inhalt, rhythmus und tempo seines Lernens<br />

selbst bestimmen. Die Pädagogische<br />

hochschule zürich hat das Projekt im<br />

rahmen ihres Preisausschreibens ‹schulen<br />

lernen von schulen› (s. 46 — 53) mit dem<br />

ersten Preis ausgezeichnet.


08 : 15 es ist freitag. ‹3-räume-tag› in der Primarschule Schülerclub nordstrasse. heute können die<br />

Schüler selbst entscheiden: woran möchte ich arbeiten? welche lernumgebung ist dafür passend?<br />

Mit ihren Schulunterlagen machen sie sich auf den weg in einen von drei räumen.


1<br />

2


08 : 45<br />

KläMMerlirauM [1]<br />

wer zusammen mit seinen Mitschülern an<br />

einem thema arbeiten möchte oder<br />

wer die unterstützung der lehrer sucht,<br />

wählt den Klämmerliraum.<br />

ruhiger rauM [2]<br />

Kinder, die in den ruhigen raum gehen,<br />

möchten konzentriert an ihren wochenaufgaben<br />

arbeiten. Selbstständiges<br />

lernen steht hier im zentrum, es herrscht<br />

flüsterathmosphäre.<br />

allerleirauM [3]<br />

wer spielen, toben oder Musik hören möchte,<br />

ist im allerleiraum richtig. Manche<br />

Kinder gehen auch gezielt in diesen raum,<br />

um zu lernen — sie mögen den trubel um<br />

sich herum.<br />

3


1<br />

2


09 : 15<br />

KläMMerlirauM [1]<br />

Sinem und Moira haben eine frage – ihre lehrerin<br />

setzt sich zu ihnen und hilft weiter. olivia<br />

hänni wird heute noch viele fragen beantworten<br />

und mit den Schülerinnen und Schülern individuell<br />

verschiedene themen vertiefen.<br />

ruhiger rauM [2]<br />

Konzentriert löst ida ihre aufgaben. Sie hat sich<br />

an die fensterfront zurückgezogen, um ohne<br />

ablenkung zu arbeiten.<br />

allerleirauM [3]<br />

Konzentration ist auch hier gefragt – wenn auch<br />

etwas anderer art: carlos, nicola und tolga<br />

spielen begeistert Mikado.<br />

3


09 : 30 umzug: ida und alessia haben genug im ruhigen raum gearbeitet. Sie melden sich bei<br />

ihrem lehrer ab und gehen die treppe hoch zum Klämmerliraum. Dort möchten sie zusammen mit<br />

einer freundin noch einer wichtigen frage nachgehen…


09 : 45 Die Mädchen haben auf dem weg zur Schule einen Knochen gefunden. und sie wollen<br />

unbedingt wissen: zu welchem tier gehört er? ida, alessia und flavia suchen am laptop nach<br />

antworten. Schulleiter christian gerber schaut interessiert zu.


1<br />

2


10 : 30<br />

KläMMerlirauM [1]<br />

recherche zu zweit: Mina und abby arbeiten<br />

gemeinsam an einem thema, während Moira<br />

sich auf ihre eigenen aufgaben konzentriert.<br />

ruhiger rauM [2]<br />

nicolas ist in sein Buch vertieft. für eine<br />

konzentrierte lektüre ist der ruhige raum<br />

perfekt: es ist mucksmäuschenstill.<br />

allerleirauM [3]<br />

ganz unterschiedliche Spiele stehen den<br />

Kindern zur Verfügung. in manchen ist<br />

strategisches Denken gefragt, in anderen<br />

geschicklichkeit oder wissen. lavinija und<br />

ihre freundinnen spielen ein Kartenspiel,<br />

bei dem sie fragen beantworten müssen.<br />

3


1<br />

2


11 : 00<br />

KläMMerlirauM [1]<br />

wer eine frage hat, steckt eine Klammer mit<br />

seinem namen an den Klämmerlibaum. Das<br />

ist das zeichen für die beiden lehrer im raum:<br />

einer von ihnen wird zum entsprechenden<br />

Schüler gehen und weiterhelfen.<br />

ruhiger rauM [2]<br />

ondrej schafft heute einen grossen teil seiner<br />

wochenaufgaben. er arbeitet den ganzen<br />

Vormittag im ruhigen raum.<br />

allerleirauM [3]<br />

Die Schüler beschäftigen sich im laufe des Vor-<br />

mittags nicht nur mit unterschiedlichen<br />

Spielen, sie tun dies auch in wechselnden<br />

gruppen.<br />

3


11 : 30 abschlussrunde in der Schulbibliothek: einige Kinder stellen vor, was sie in den vergangenen<br />

tagen erarbeitet haben – dafür bekommen sie mindestens drei positive rückmeldungen.<br />

lise liest einen text über ihre Schule vor, anschliessend lauscht sie den Vorträgen ihrer Mitschüler.


1<br />

2


11 : 40<br />

KläMMerlirauM [1] / ruhiger rauM [2] /<br />

allerleirauM [3]<br />

gähnende leere in allen drei räumen.<br />

Schüler und lehrer haben sich zum<br />

abschluss in der Bibliothek versammelt.<br />

3


<strong>12</strong> : 00<br />

auf in Die MittagSPauSe!<br />

am nachmittag geht der unterricht im Klassenverband<br />

weiter. und der Klämmerliraum, der<br />

ruhige raum und der allerleiraum verwandeln<br />

sich wieder in ‹ganz normale› Klassenzimmer.


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

Auf dEr suChE NACh<br />

EiGENEN lösuNGEN<br />

es gibt kein Patentrezept für Schulentwicklung. Jede Schule ist<br />

geprägt durch ihr umfeld, durch ihre Schüler und lehrer. Damit<br />

hat jede Schule andere Bedürfnisse und setzt in der Schulent-<br />

wicklung eigene Schwerpunkte. gerade dadurch, dass Schulen<br />

unterschiedliche wege gehen, können sie voneinander lernen.<br />

text / naDine fieKe<br />

Was ist die grösste Herausforderung, der<br />

Schulen begegnen müssen? Ob Wissenschaft,<br />

Schulpraxis oder Schulverwaltung,<br />

wen man auch fragt, eine Antwort<br />

folgt schnell: die wachsende Vielfalt in<br />

den Schulklassen. «Gesellschaftliche<br />

Veränderungen und bildungspolitische<br />

Weichenstellungen wie die integra-<br />

tive Volksschule haben die bestehende<br />

Heterogenität von Lerngruppen<br />

nochmals erhöht», erklärt Professor<br />

Kurt Reusser von der Universität Zürich.<br />

Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen<br />

kulturellen und sozialen<br />

Hintergründen, mit verschiedensten<br />

Begabungen und Lernvoraussetzungen<br />

besuchen dieselbe Klasse. Das stellt die<br />

Schule vor eine entscheidende Frage:<br />

Wie kann sie den Unterricht so gestalten,<br />

dass alle Schülerinnen und Schüler<br />

profitieren und ihr persönliches Potenzial<br />

möglichst gut entfalten können?<br />

inDiViDueLLe förDerung<br />

Professor Reusser ist überzeugt: «Das<br />

Unterrichtskonzept der sieben G<br />

– der gleiche Lehrer unterrichtet alle<br />

gleichaltrigen Schüler im gleichen<br />

Tempo mit dem gleichen Material im<br />

gleichen Raum mit den gleichen Metho-<br />

den und dem gleichen Ziel – hat ausgedient.»<br />

Doch Lehrpersonen können<br />

nicht für jeden einzelnen Schüler<br />

massgeschneiderte Lernpakete schnüren<br />

und individuelle Förderpläne erstellen.<br />

«Das ist Utopie», betont der Bildungs-<br />

experte. «Zukunftsweisend sind dif-<br />

ferenzierende Unterrichtsangebote für<br />

vermehrt individualisiertes Lernen.»<br />

Das heisst: Nicht alle Schüler verfolgen<br />

dieselben Lernziele. Klassenunterricht<br />

und ausgedehnte individuelle und<br />

26 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

kooperative Arbeitsphasen der Schüler<br />

wechseln sich ab. Die Lernaufgaben sind<br />

auf unterschiedlichen Niveaus und<br />

über verschiedene Denkwege lösbar. Sie<br />

knüpfen an den Interessen der Schü-<br />

ler an und ermöglichen ihnen eine aktive<br />

Auseinandersetzung mit den Unterrichtsthemen.<br />

Die Lehrer begleiten ihre<br />

Schüler durch differenzierte Rückmeldungen<br />

und eine ressourcenorientierte<br />

Lernberatung auf den Lernwegen.<br />

Tatsächlich haben Schulen in den ver-<br />

gangenen Jahren entsprechende Schul-<br />

und Unterrichtsmodelle entwickelt.<br />

Einige dieser Schulen mit ‹personalisierten<br />

Lernkonzepten› gehen dabei so<br />

weit, dass sie Jahrgangsklassen auflösen,<br />

offene Raumkonzepte schaffen und<br />

spezielle Instrumente zur Dokumenta-<br />

tion und Unterstützung individueller<br />

Lernwege entwickeln.<br />

«Es gibt keinen Zielpunkt von<br />

Schulentwicklung. Die<br />

Gesellschaft verändert sich<br />

stetig – und mit ihr die Schule.»<br />

Prof. Kurt reuSSer, uniVerSität zÜrich<br />

zwei schuLen, zwei wege<br />

«Wir haben gemerkt, dass unser<br />

Unterricht nicht allen Kindern gerecht<br />

wurde», erinnert sich Schulleiter<br />

Christian Gerber. «Unsere Klassen waren<br />

einfach zu heterogen.» Für die Lehrer<br />

der Primarschule Schülerclub Nordstrasse<br />

in Zürich stand fest: Es musste sich<br />

etwas ändern. Sie suchten nach einer<br />

Lösung und entwickelten schliesslich ein<br />

altersgemischtes Schulmodell, das<br />

durch einen grossen Anteil eigenaktiven<br />

Lernens geprägt ist. «Wir haben jetzt<br />

mehr Zeit für die Schüler, die eine<br />

grössere Unterstützung brauchen. Und<br />

wir haben weniger Kinder, denen es<br />

langweilig ist», freut sich der Schul-<br />

leiter. Auch die Lern- und Sozialkompetenzen<br />

der Schüler haben sich positiv<br />

verändert. Damit die Individualisierung<br />

nicht nur mit Blick auf die Lernziele<br />

stattfindet, sondern auch auf die Lern-<br />

umgebung, hat die Primarschule zu-<br />

sätzlich das Projekt ‹3 Räume› eingeführt:<br />

Jeden Freitagvormittag arbeiten die<br />

Kinder nicht in ihren Klassenzimmern,<br />

sondern in einem von drei Räumen,<br />

den sie selbst wählen. In jedem Raum<br />

gelten andere Regeln, jeder Raum<br />

bietet andere Lernbedingungen. Der<br />

Weg, den die Schule eingeschla-<br />

gen hat, überzeugt die Pädagogische<br />

Hochschule Zürich: Sie zeichnete<br />

das Projekt ‹3 Räume› im Jahr 20<strong>12</strong> im<br />

Rahmen ihres Preisausschreibens<br />

‹Schulen lernen von Schulen› mit dem<br />

ersten Preis aus. Dass Individualisierung<br />

auch ganz anders aussehen kann,<br />

zeigt die Preisträgerschule 2011: In<br />

der Sekundarschule Petermoos in<br />

Buchs (ZH) arbeiten die Schüler neben<br />

dem traditionellen Klassenunterricht<br />

in Grossraum-Lernateliers – den<br />

‹Lernlandschaften› – eigenständig an<br />

ihren Aufgaben.


grössere gestaLtungsfreiheiten<br />

«Der Druck auf die Schulen, Konzepte<br />

der individuellen Förderung zu ent-<br />

wickeln und umzusetzen, ist gestiegen»,<br />

sagt Professor Reusser. «Gleichzeitig<br />

sind die Anreize grösser geworden.»<br />

Denn mit Einführung der geleiteten<br />

Schulen haben diese in den vergangenen<br />

Jahren mehr Gestaltungsfreiheiten<br />

bekommen. «Ein Trend zu mehr Auto-<br />

nomie der Schulen ist unverkennbar»,<br />

stellt Professor Reusser fest. Wie viele<br />

Freiheiten Schulen bei der Verwirk-<br />

lichung eigener Projekte haben, hängt<br />

von den gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />

der Kantone ab. Aber: «Schulen<br />

können und sollen unter Einhaltung<br />

des Gestaltungsspielraums kreativ<br />

sein und eigene Schwerpunkte setzen»,<br />

unterstreicht Martin Wendelspiess,<br />

Volksschulamtschef des Kantons Zürich.<br />

Die Kantone legen die flächen-<br />

deckenden Leitlinien der Schulentwicklung<br />

fest – wie die Einführung von<br />

Leistungstests oder Fremdsprachen in<br />

der Primarschule. Darüber hinaus<br />

nutzen die einzelnen Schulen ihre Ge-<br />

staltungsmöglichkeiten, um ihren<br />

Bedürfnissen entsprechende Projekte<br />

zu verwirklichen. Und dabei gehen<br />

manche weiter als andere: «Innovative<br />

Schulen stellen in Frage, was bisher<br />

nicht in Frage gestellt wurde», sagt<br />

Mirjam Obrist. «Sie zeigen neue Wege<br />

auf.» Doch die Leiterin der Sektion<br />

Schulentwicklung im Kanton Aargau<br />

weiss auch: Diese Schulen haben es nicht<br />

immer leicht. Denn jeder hat ein be-<br />

stimmtes Bild von Schule im Kopf. Und<br />

das ist die vielleicht grösste Heraus-<br />

forderung für innovative Schulentwicklungsprojekte.<br />

Denn die Schulen müssen<br />

viel Überzeugungsarbeit leisten. Umso<br />

mehr schätzt Mirjam Obrist die Anstrengungen<br />

dieser Schulen – denn damit<br />

stossen sie neue Entwicklungen an: «Der<br />

Trend geht zur Schulentwicklung von<br />

unten.»<br />

aKtueLLe themen<br />

Schulentwicklung ist immer eine Antwort<br />

auf gesellschaftliche Verände-<br />

rungen und Herausforderungen. Der<br />

Umgang mit Vielfalt ist aktuell ein<br />

zentrales Thema – doch längst nicht das<br />

einzige: Schulen suchen nach Ant-<br />

worten auf Fragen der Integration, sie<br />

setzen sich mit der Qualität von Unterricht<br />

auseinander und erkennen in<br />

diesem Zusammenhang das Potenzial<br />

forschend-entdeckenden Lernens oder<br />

die Möglichkeiten ausserschulischer<br />

Lernorte. Die Schüler- und Elternparti-<br />

zipation beschäftigt Schulen zurzeit<br />

ebenso wie die Integration moderner<br />

Kommunikationsmittel in den Unterricht.<br />

Zudem müssen die Schulen vorge-<br />

gebene Bildungsstandards erreichen.<br />

«Eigene Projekte gelingen, wenn<br />

der Wunsch nach Veränderung<br />

von innen kommt. Die Begeisterung,<br />

das Feuer muss vorhanden sein<br />

oder entfacht werden.»<br />

ralPh zollinger, Schulleiter SeKunDarSchule PeterMooS<br />

Es gibt kein Patentrezept für Schulentwicklung.<br />

Jede Schule ist durch ihr<br />

Umfeld geprägt, durch ihre Schüler und<br />

Lehrer. «Deshalb muss jede Schule<br />

den für ihre Verhältnisse passenden Weg<br />

finden», erklärt der Schulleiter der<br />

Sekundarschule Petermoos, Ralph<br />

Zollinger. Damit eigene Projekte gelingen,<br />

brauche es Begeisterung und<br />

treibende Kräfte mit Innovationsgeist,<br />

die alle Beteiligten – allen voran das<br />

Schulteam, die Eltern und die Schüler<br />

– ins Boot holen. Genauso wichtig<br />

sei der Erfahrungsaustausch: Gibt es<br />

Schulen, die an ähnlichen Themen<br />

arbeiten? Was ist auf die eigene Schule<br />

übertragbar? Welche Prozesse sind<br />

bei der Verwirklichung zu berücksichtigen?<br />

Welche Stolpersteine gibt es?<br />

«Man kann sehr von den Erfahrungen<br />

anderer Schulen profitieren», sagt Ralph<br />

Zollinger. Die Sekundarschule Petermoos<br />

empfängt wie der Schülerclub<br />

Nordstrasse regelmässig Interessierte zu<br />

Schulbesuchen. Beide Schulen enga-<br />

gieren sich aktiv im Netzwerk ‹Schulen<br />

lernen von Schulen› der Pädagogischen<br />

Hochschule Zürich.<br />

Um gemeinsame Themen voran-<br />

zubringen und um Synergien zu nutzen,<br />

schliessen sich Schulen auch eigen-<br />

ständig zu überregionalen Netzwerken<br />

zusammen. So engagieren sich im<br />

Verband der Mosaik-Sekundarschulen<br />

über 20 altersdurchmischt organisierte<br />

Schulen. Sie alle unterrichten einen<br />

grossen Teil ihrer Lektionen individua-<br />

lisiert und arbeiten mit kompetenz-<br />

basierten Lernaufträgen, die sie wie ihr<br />

IT-gestütztes Instrument zum Lernweg-<br />

management gemeinsam entwickeln.<br />

Auch Kantone gründen freiwillige<br />

Schulnetzwerke, mit denen sie Lehrern<br />

eine Plattform zum Austausch und zur<br />

Zusammenarbeit bieten. Seit über<br />

zehn Jahren ist das Netzwerk Luzerner<br />

Schulen erfolgreich aktiv: Über 400<br />

Lehrer sind zurzeit in 30 thematischen<br />

Teilnetzwerken tätig. «Unterrichtsentwicklung<br />

muss sich an der Praxis<br />

der Lehrpersonen orientieren», begründet<br />

Netzwerkleiterin Monika Pfister<br />

das Engagement des Kantons Luzern.<br />

Ein wichtiges Ziel des Netzwerks ist es,<br />

einzelne Schulentwicklungsmassnahmen<br />

zusammenzuführen und bewährte<br />

Konzepte zur Verfügung zu stellen.<br />

Bei diesem Bedürfnis von Schulen,<br />

voneinander zu lernen und sich auszu-<br />

tauschen, knüpft die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> mit ihrem Engagement an:<br />

«Wir machen Erfahrungen aus lokalen<br />

Initiativen bekannt», erklärt Geschäftsführerin<br />

Nadine Felix. «Wir ermög-<br />

lichen es Schulen, gemeinsam ihren<br />

Unterricht weiterzuentwickeln.» Zudem<br />

möchte die <strong>Stiftung</strong> mit Forschungs-<br />

projekten zu neuen Erkenntnissen bei-<br />

tragen, die Schulen unterstützen,<br />

sich zukunftsorientiert zu gestalten. Ein<br />

besonderes Interesse gilt in all diesen<br />

Aktivitäten dem personalisierten Lernen:<br />

«Eine individuelle Förderung ist der<br />

Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit»,<br />

betont Nadine Felix.<br />

naDine fieKe ist redakteurin des <strong>Mercator</strong><br />

<strong>Magazin</strong>s und zuständig für die<br />

Kommunikation der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong>.<br />

n.fieke@stiftung-mercator.ch<br />

27


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

sChulE<br />

iM wANdEl<br />

text / JÜrg BrÜhlMann<br />

28 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Die obligatorische Volksschule war seit<br />

ihrer Gründung zeitlich und räumlich<br />

straff durchorganisiert – erkennbar ist<br />

das Bild einer industriellen Organi-<br />

sation nach den Modellen des 19. und<br />

20. Jahrhunderts: Stundenpläne und<br />

Raumdispositionen sind zentral ge-<br />

steuerte Meisterleistungen. Alle Betei-<br />

ligten haben zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt für eine bestimmte Dauer<br />

an einem bestimmten Ort in einer be-<br />

stimmten Gruppe zu sein. Auf ein<br />

Gongzeichen endet und beginnt eine<br />

Zeiteinheit. Lehrpersonen werden nach<br />

Lektionen zugeteilt und entschädigt.<br />

Korridore sind so konzipiert, dass<br />

innerhalb von fünf Minuten hunderte<br />

von Personen vom Schulhof her die<br />

Schulzimmer erreichen, die Zimmer<br />

wechseln oder in die Pause rennen<br />

können. Diese Arbeitskultur an traditionellen<br />

Schulen ist für Besucher zu-<br />

nehmend ein anachronistisches Erleb-<br />

nis. Denn in der Arbeitswelt sind die<br />

Pendants mit Fabriksirenen oder<br />

Schichtwechsel zusammen mit tausenden<br />

von Arbeitern verschwunden.<br />

Brüche mit Der traDition<br />

Die ersten gut sichtbaren Brüche mit<br />

der über 100-jährigen industriellen<br />

Schultradition geschahen in den 1970er<br />

Jahren, als beim Gruppenunterricht<br />

die Tische umgestellt wurden. Heute<br />

wird Veränderung sichtbar, wenn Schu-<br />

len für individuelles Arbeiten Einzel-<br />

pulte mit Sichtschutz aufstellen und<br />

Schüler in Grossraum-Ateliers frei<br />

zirkulieren. Weniger auffällig ist, wenn<br />

Lehrpersonen und Schüler nach dem<br />

Unterricht nicht mehr sofort nach Hause<br />

gehen, zum Teil früher kommen oder<br />

über Mittag bleiben. Wenn Lehrpersonen<br />

in einem interdisziplinären Team arbei-<br />

ten und lernen, wenn sich die Schüler<br />

im Unterricht gegenseitig beraten und<br />

unterrichten oder wenn über Distanz auf<br />

vielfältigste Weise während 24 Stunden<br />

am Tag miteinander kommuniziert wird.<br />

neue roLLen unD arBeitsformen<br />

Kooperationsformen, Arbeits- und Zeit-<br />

organisation, Raumgestaltung und die<br />

Rollen aller Beteiligten verändern sich,<br />

wenn Schulen vermehrt individuelle<br />

Verantwortung, Selbststeuerung und<br />

Kooperation betonen, wenn sie persona-<br />

lisierte Lernkonzepte ausgestalten<br />

und ursprünglich nach Hause verlagerte<br />

Tätigkeiten (bei den Schülern Hausaufgaben,<br />

schriftliche Projektarbeiten,<br />

Prüfungsvorbereitungen; bei den<br />

Lehrern Korrekturen, Vorbereitungen,<br />

Planung und Fachlektüre) in das Haus<br />

des Lernens zurückholen.<br />

Solche Veränderungen führen zu<br />

paradoxen Entwicklungen, die ver-<br />

wirrend wirken können: mehr Freiheit<br />

für Lernende versus Autonomieverlust<br />

bei den Lehrpersonen; mehr Präsenzzeit<br />

in der Schule versus mehr Kommu-<br />

nikation über Distanz; mehr Individualisierung<br />

versus mehr Zwang zu Kooperation.<br />

In Gesprächen mit Schülern und<br />

Lehrpersonen tauchen immer wieder<br />

dieselben Erfahrungen auf: Viele Kinder<br />

geniessen die grössere Wahlfreiheit,<br />

einige Lehrpersonen erleben eine Art<br />

‹Neugeburt› im Beruf. Selbstverständlich<br />

gibt es auch Überforderungen: Jugend-<br />

liche, die zuerst einmal ‹abhängen› oder<br />

Lehrpersonen, die mit ihrer neuen<br />

Rolle nicht zurecht kommen. Das ist in<br />

einer Anfangsphase wohl kaum zu<br />

vermeiden.<br />

JÜrg BrÜhlMann ist leiter der Pädagogischen<br />

arbeitsstelle des Dachverbands<br />

<strong>Schweiz</strong>er lehrerinnen und lehrer (lch).<br />

j.bruehlmann@lch.ch


unterrichten in<br />

lernlanDSchaften<br />

erfahrungen Von fritz SchellenBauM,<br />

lehrer Der SeKunDarSchule<br />

PeterMooS in BuchS (zh)<br />

Jetzt ist das jahrelang Vermisste da: Im<br />

Team sprechen wir nicht mehr nur<br />

über Administratives, sondern über das<br />

Wesentliche. Das Lernen steht im Zen-<br />

trum: Was hilft uns Lehrpersonen<br />

und den Schülern für ein wirkungsvol-<br />

leres Lernen? Jede Massnahme wird<br />

daraufhin überprüft. Wir schieben einan-<br />

der nicht mehr nur Arbeitsblätter ins<br />

Ablagefach, die vielleicht von Kollegen<br />

umgebaut genutzt werden, sondern<br />

wir erarbeiten Themen und Aufträge,<br />

welche auch andere Teams 1:1 einsetzen.<br />

Diese Arbeitsteilung verlangt<br />

nach gewissen gemeinsamen Standards.<br />

Auf unserer selber gebauten und ge-<br />

meinsam genutzten Datenbank sind das<br />

ganze Lernmaterial und die indivi-<br />

duelle Lernplanung mit den genutzten<br />

Kooperationsmöglichkeiten hinterlegt.<br />

Dieses Tool ist Voraussetzung für diese<br />

Lernorganisation. So kommt es, dass wir<br />

Lehrpersonen zwar Freiheiten verlieren,<br />

die Schüler aber mehr Wahlmöglich-<br />

keiten bekommen für ihr Lernen. Alle<br />

zwei bis drei Wochen führen wir mit jedem<br />

Jugendlichen ein Coachinggespräch.<br />

Die Jugendlichen spüren, dass wir uns<br />

für ihr Lernen interessieren. Darauf<br />

reagieren sie sehr positiv. Die Situation<br />

im Schulhaus hat sich stark verändert.<br />

Das merke ich schon, wenn ich am<br />

Morgen über den Schulhof gehe: Ich<br />

werde anders begrüsst und sehe meine<br />

Schüler anders. Auch die Beziehung<br />

zu den Kollegen ist transparenter gewor-<br />

den: Wir sehen, was wir tun, wir geben<br />

und bekommen Feedback. Auch im<br />

Lernatelier sind wir zeitweise zu zweit<br />

unterwegs und können uns über<br />

Laufendes austauschen.<br />

Mein Arbeitstag findet nun fast aus-<br />

schliesslich in der Schule statt. Bis 17<br />

Uhr sind grundsätzlich alle Kollegen da,<br />

wir haben Zeit für informelle Gespräche,<br />

zum Vorbereiten und für Sitzungen.<br />

Ich arbeite eher am Wochenende und<br />

nicht bis spät in den Abend hinein.<br />

Spätestens am Sonntagabend habe ich<br />

die ganze Woche ‹im Sack› – alles ist<br />

geplant, ich erlebe mehr Übersicht und<br />

Ruhe. Die Kinder wissen auch schon,<br />

was sie zu tun haben.<br />

lernen in<br />

lernlanDSchaften<br />

erfahrungen Von fitiM aBDullahu,<br />

eheMaliger SchÜler<br />

Der SeKunDarSchule BÜrglen (tg),<br />

auSzuBilDenDer zuM MechatroniKer<br />

Früher in der 6. Klasse begrüsste ich am<br />

Morgen einen Lehrer. In der Lernlandschaft<br />

der Sekundarschule waren es<br />

dann vier. Wir sind jeweils am Morgen in<br />

der Lernlandschaft angekommen und<br />

haben uns für den Tag organisiert. Dort<br />

holte ich die Bücher, von dort aus gingen<br />

wir in die Niveaukurse. Täglich waren<br />

wir etwa eine bis vier Stunden in der Lern-<br />

landschaft. Neu war in der Sek, dass<br />

auch die Hausaufgaben in der Lernlandschaft<br />

gemacht wurden. Zu Hause hatte<br />

ich dann nicht mehr viel zu tun.<br />

In der Sek haben wir Lerntechni-<br />

ken gelernt: zum Beispiel Mindmap,<br />

Lernkartei oder Cluster. Die Schüler der<br />

Sek Bürglen wissen, wie man lernen<br />

muss, wie man selber lernt. Ich weiss, wie<br />

ich mich auf eine Prüfung vorbereite.<br />

In der Berufsschule werden die Lerntech-<br />

niken nochmals erklärt, denn viele Kol-<br />

legen müssen das erst lernen. In der<br />

Sekundarschule konnten wir uns selber<br />

organisieren zum Lernen. Oft haben<br />

wir an den Besprechungsorten vor dem<br />

Lernraum geübt oder uns gegenseitig<br />

Wörter abgefragt. Oder wir holten uns<br />

jemanden mit einem besseren Niveau für<br />

eine Partnerarbeit. Die Lehrpersonen in<br />

der Lernlandschaft haben gut geholfen.<br />

Aber es war besser, wenn ich die Kollegen<br />

fragen konnte. Und ich wurde von<br />

anderen gefragt, um etwas zu erklären.<br />

im lernatelier hat jeder Schüler seinen persön-<br />

lichen arbeitsplatz. Die Schüler arbeiten<br />

alleine oder zusammen, sie suchen gezielt die<br />

unterstützung der lehrpersonen. Durch<br />

die ‹lernlandschaften› hat sich der Schulalltag<br />

in der Sekundarschule Petermoos sehr verändert.<br />

29


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

30 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

EiNE ANtwort<br />

Auf diE viElfAlt<br />

Jeder hat andere lernbedürfnisse, interessen und<br />

fähigkeiten. um ihre Schüler bedarfsgerecht<br />

zu fördern, haben einige Schulen individualisierende<br />

und kooperative lernformen eingeführt. in einem<br />

Projekt der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> entwickeln<br />

Schulpraxis und wissenschaft dieses ‹personalisierte<br />

lernen in heterogenen lerngemeinschaften› weiter.


Jugendliche experimentieren mit robotern:<br />

Dieses forschungsprojekt in Physik / Mathematik<br />

ist eines von zahlreichen unterrichtsmodulen, die<br />

lehrpersonen im teilprojekt ‹Personalisiertes,<br />

kompetenzbasiertes lernen auf Sekundarstufe II›<br />

entwickelt haben.<br />

text / Bruno hofer<br />

Traditionell hat sich schulische Bildung<br />

immer am Prinzip des Jahrgangs<br />

orientiert. Entsprechend bildete sich die<br />

Beschulung Gleichaltriger in einer<br />

Klasse als Standardform des Unterrichts<br />

heraus. Aus vielen Studien und Erfah-<br />

rungen weiss man jedoch, dass der Ent-<br />

wicklungsstand von Kindern und Jugend-<br />

lichen gleichen Alters stark variieren<br />

kann: Soziale Herkunft, die Kompetenz<br />

in der Landessprache, Lebensumstände<br />

und vieles mehr führen zu Schulklassen<br />

mit mehr oder weniger ausgeprägter<br />

Heterogenität. Wie kann man mit dieser<br />

Vielfalt professionell umgehen, damit<br />

jeder Schüler und jede Schülerin<br />

optimale, den individuellen Bedürf-<br />

nissen entsprechende Bildungsmöglichkeiten<br />

erhält?<br />

Praxisnahe Lösungen<br />

Einige Schulen haben in den vergangenen<br />

Jahren neue Formen des Lernens<br />

entwickelt, um dieser Herausforderung<br />

besser zu begegnen. Diese Schulen er-<br />

möglichen ein individualisiertes Lernen,<br />

fördern aber auch die Kooperation mit<br />

Lernpartnern und die Zusammenarbeit<br />

in Lerngruppen. Dieses pädagogische<br />

Handeln im Spannungsfeld zwischen<br />

Individualität und sozialer Integration<br />

wird im Projekt ‹Personalisiertes Lernen<br />

in heterogenen Lerngemeinschaften›<br />

der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> praxisnah<br />

erprobt und weiterentwickelt. Die<br />

<strong>Stiftung</strong> hat 50 Schulen aus der Deutschschweiz<br />

mit Hochschulen, Schulnetzwerken,<br />

Lehrmittelverlagen und IT-<br />

Anbietern zusammengebracht und sie<br />

eingeladen, eigene, ihren Bedürfnissen<br />

entsprechende Projekte zur Förde-<br />

rung und Weiterentwicklung des perso-<br />

nalisierten Lernens zu erarbeiten.<br />

Entstanden sind zehn Teilprojekte (siehe<br />

Infokasten auf S. 32) mit gemeinsamen<br />

Leitgedanken und Zielsetzungen.<br />

In all diesen Projekten steht die<br />

Frage im Zentrum, wie die persona-<br />

lisierten Lernprozesse der Schüler am<br />

besten gestaltet und begleitet werden<br />

können. So erarbeiten die Projektpartner<br />

neben konkreten Unterrichtskonzepten<br />

unter anderem neue Formen und<br />

Einsatzmöglichkeiten von Lehrmitteln<br />

oder entwickeln Qualitätsraster für<br />

Lernaufgaben. Die Universität Zürich<br />

erforscht den Lernerfolg an Schulen, die<br />

mit personalisierten Lernkonzepten<br />

arbeiten. Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

stellt in den Jahren 2011 bis 2015 für<br />

das grosse Kooperationsprojekt 2 745 000<br />

Franken zur Verfügung. Die Laufzeiten<br />

der einzelnen Projekte sind sehr un-<br />

terschiedlich. Bis zum Abschluss des<br />

Gesamtprojekts erwarten die Projektpartner<br />

Grundlagen und fundierte<br />

Praktiken für die Schulentwicklung und<br />

Weiterbildung von Lehrpersonen.<br />

Vernetzung Der ProJeKtPartner<br />

Die Vernetzung von Schulpraxis und<br />

Wissenschaft ist ein wichtiges Ziel des<br />

Projekts: In regelmässigen Koordi-<br />

nationstreffen kommen die Beteiligten<br />

der zehn Teilprojekte – Schulleitun-<br />

gen und Lehrpersonen der Volksschulstufe<br />

und der Sekundarstufe II, Dozenten<br />

und Forscher von Universitäten,<br />

Fachhochschulen und Weiterbildungs-<br />

einrichtungen, Leitungspersonen und<br />

Mitarbeitende von Schulverlagen –<br />

zusammen, um über den jeweiligen Projektverlauf<br />

zu informieren. Sie tauschen<br />

sich über Erfahrungen aus und reflek-<br />

tieren aktuelle Entwicklungen. Ein sechs-<br />

köpfiger Lenkungsausschuss bestehend<br />

aus Bildungsexperten und einer Ver-<br />

tretung der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

begleitet und unterstützt die Teilprojekte<br />

und den Projektkoordinator, der ebenfalls<br />

in diesem Ausschuss vertreten ist.<br />

soziaL eingeBettet<br />

Der Begriff ‹personalisiertes Lernen› ver-<br />

steht sich als eine Weiterentwicklung<br />

von ‹Differenzierung› und ‹Individualisierung›<br />

im Unterricht. Eigene Erfahrungen<br />

und weite Teile der pädagogischen<br />

Literatur zeigen, dass Lernen – soweit es<br />

nicht um blosse Reproduktion geht –<br />

ein persönlicher, eigenständiger Prozess<br />

ist. Neugier, Motivation, Selbstwirk-<br />

samkeit, Nachhaltigkeit und ähnliche<br />

Begriffe verbinden sich mit solchen<br />

Vorstellungen. Die Schule bietet mit<br />

ihren sozialen Gruppen, den unterschied-<br />

lichen Rollen der Menschen und den<br />

täglichen Begegnungen aber auch ein<br />

ideales Feld, das Gelernte in sozialen<br />

Situationen anzuwenden und weiterzuentwickeln:<br />

Wissen wird dargestellt,<br />

Lernprozesse werden sichtbar gemacht,<br />

Standpunkte erklärt und diskutiert,<br />

Feedback und Reflexion schliessen einen<br />

Lernprozess ab. Dies fördert und<br />

festigt das Verständnis der Unterrichtsthemen.<br />

Diese Idee des personalisierten<br />

Lernens, das zugleich eingebettet<br />

in einen sozialen Kontext stattfindet,<br />

31


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

betont das Projekt der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>: Die Heterogenität der Lernenden<br />

kann positive Funktionen im Lern-<br />

prozess erfüllen. Differenz wird zum<br />

Milieu einer anregenden und angeregten<br />

Lernkultur.<br />

erwartungen unD erKenntnisse<br />

Die Besonderheit des Projekts ‹Personalisiertes<br />

Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften›<br />

liegt in seinen vielfältigen<br />

Zugangsweisen zum Thema – und in<br />

seiner Erfahrungsorientierung. Nach<br />

Projektabschluss wird es keine pfannenfertigen<br />

Rezepte geben. Denn persona-<br />

lisiertes Lernen ist immer abhängig von<br />

den beteiligten Personen und wird<br />

sich entsprechend nicht standardisieren<br />

lassen. Aber es werden sich Modelle<br />

und Erfahrungen herausbilden, die auf<br />

andere Schulen und Schulstufen über-<br />

tragbar sind und die Mut machen, gleiche<br />

oder ähnliche Wege in der Unterrichtsentwicklung<br />

zu gehen. Die Ergebnisse<br />

werden nach Projektabschluss dokumentiert,<br />

um sie in weiteren Schulen<br />

und der bildungsorientierten Öffent-<br />

lichkeit bekannt zu machen.<br />

Ein grosses Erkenntnispotenzial<br />

des Projekts liegt in den Lernerfahrungen<br />

der Schüler: Wie erleben sie das<br />

personalisierte Lernen? Woran sind sie<br />

interessiert? Wie entwickeln sie Neugier<br />

und Leistungsbereitschaft? Wie sehen<br />

ihre Lernstrategien und Lernwege aus?<br />

Die Projektpartner gehen davon aus,<br />

dass ein Erfolgsschlüssel des personalisierten<br />

Lernens in der Orientierung am<br />

Erwerb von Kompetenzen liegt. Diese<br />

Herangehensweise zielt auf die Anwendung<br />

von Wissen und Können und räumt<br />

den Lernenden genügend Zeit für selbst-<br />

ständiges Arbeiten und für die Koope-<br />

ration untereinander ein. Dafür wird die<br />

Steuerung von Unterricht mehr durch<br />

Arrangements und Rahmenbedingungen<br />

erfolgen als durch eine permanente<br />

Führungspräsenz der Lehrperson. Die<br />

Lehrperson behält im personalisierten<br />

Lernen eine hohe Bedeutung. Sie<br />

hat jedoch ein breiteres und anspruchs-<br />

volleres Rollenrepertoire, beispielsweise<br />

als Coach und Lernbegleiter.<br />

Bruno hofer koordiniert das Projekt<br />

‹Personalisiertes lernen in heterogenen lern-<br />

gemeinschaften›. er arbeitet seit vielen<br />

Jahren als coach und organisationsberater<br />

in Schulen und Bildungseinrichtungen.<br />

b.hofer@stiftung-mercator.ch<br />

32 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

zehn teiLProJeKte<br />

1 PersonaLisiertes, KomPetenzBasiertes<br />

Lernen / Die Kantonsschule romanshorn<br />

entwickelt zusammen mit weiteren gymnasien<br />

und Berufsschulen personalisierte unterrichtsmodule<br />

für die sekundarstufe II.<br />

2 Vom LehrmitteL zum LernmitteL /<br />

Lehrpersonen erarbeiten zusammen mit den<br />

Pädagogischen hochschulen nordwestschweiz<br />

und Bern und dem schulverlag plus Vorschläge,<br />

wie obligatorische Lehrmittel fürs<br />

personalisierte Lernen genutzt werden können.<br />

3 PerLen — PersonaLisierte Lern-<br />

KonzePte in heterogenen LerngruPPen /<br />

Die universität zürich untersucht in einer<br />

studie unterrichtsformen, Lernarrangements,<br />

Prozessqualitäten und wirkungen des personalisierten,<br />

kooperativen Lernens in heterogenen<br />

Lerngruppen.<br />

4 roLLenrePertoire unD coaching-<br />

KomPetenzen / Das zürcher gymnasium<br />

unterstrass klärt und erprobt zusammen mit<br />

weiteren Partnern die rollen und handlungskompetenzen<br />

von Lehrpersonen im personalisierten<br />

Lernen.<br />

5 KomPetenzcenter / Der Verband der<br />

mosaik-sekundarschulen erarbeitet grundlagen<br />

für die integration von Kompetenzrastern<br />

in it-Plattformen fürs Lernwegmanagement.<br />

6 QuaLitätsraster / Die Pädagogische<br />

hochschule st. gallen entwickelt zusammen mit<br />

schulen ein wissenschaftlich fundiertes<br />

Qualitätsraster für die Bewertung von Lernarrangements<br />

und Lernaufgaben.<br />

7 nachhaLtige schuL- unD unterrichtsentwicKLung<br />

Durch networKing /<br />

in einer Publikation (schulverlag plus, isBn:<br />

978-3-292-00748-3) zeigt das netzwerk<br />

Luzerner schulen auf, wie Kantone erfolgreich<br />

und nachhaltig thematische netzwerke aufbauen,<br />

betreuen und weiterentwickeln können.<br />

8 mint-aLP / Die Pädagogischen hochschulen<br />

graubünden und wallis entwickeln zusammen<br />

mit Partnerschulen it-gestützte Lernmaterialien<br />

in den Bereichen mathematik, informatik,<br />

naturwissenschaften und technik (mint) für das<br />

selbstständig-kooperative Lernen in jahrgangsgemischten<br />

Lerngruppen.<br />

9 DigitaLe LehrmitteL / zusammen mit<br />

den sekundarschulen ruggenacher in regensdorf<br />

und Petermoos in Buchs (zh) entwickelt<br />

der schulverlag plus zu einem Kapitel des Lehrwerks<br />

‹sprachwelt Deutsch› digitalisierte<br />

Lernmaterialien für das personalisierte Lernen.<br />

10 zaungäste / Der Verein Quiss (Qualitätsentwicklung<br />

in innovativen schweizer schulen)<br />

baut eine nachhaltige und selbsttragende<br />

struktur für regionenübergreifende schulbesuche<br />

als ‹Peer review› auf.<br />

www.lernkonzepte.ch<br />

→ Die Leiter der ersten vier teilprojekte<br />

geben auf den folgenden seiten einblicke in<br />

ihre Vorhaben.


Die Schüler der Kantonsschule<br />

romanshorn haben die roboter selbst<br />

gebaut. anschliessend ging es<br />

darum, ihre fahrtwege zu berechnen,<br />

Diagramme zu erstellen und<br />

einen forschungsbericht zu schreiben.<br />

33


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

PErsoNAlisiErtE<br />

uNtErriChtsModulE<br />

Lehrpersonen stehen immer wieder vor einem<br />

Di lemma: Klassenunterricht ist kaum individualisiert<br />

möglich, auch Lehrmittel und die Lehr pläne sind<br />

nicht auf personalisiertes Lernen ausgerichtet. Und<br />

gleichzeitig sind sie sich bewusst, dass der klassische,<br />

homogenisierende Unterricht weder die indi vi-<br />

duellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler<br />

gewinnbringend einsetzt, noch ihre ganz per sönlichen<br />

Schwierigkeiten ernsthaft angehen kann.<br />

Im Teilprojekt ‹Personalisiertes, kompetenzbasiertes<br />

Lernen auf Sekundarstufe II› des Projekts<br />

‹Personalisiertes Lernen in heterogenen Lerngemein -<br />

schaften› suchten Lehrpersonen von drei Gym-<br />

nasien und fünf Berufsschulen unter der Leitung der<br />

Kantonsschule Romanshorn in ihrem Alltag nach<br />

pragmatischen Lösungen. Sie entwickelten eigene<br />

Module, die den Unterricht auf dreifache Weise<br />

öffnen: organisatorisch, methodisch oder inhaltlich.<br />

Die Jugendlichen, die mit den erarbeiteten Modulen<br />

unterrichtet werden, erleben die Auflösung des<br />

homogenisierenden Unterrichts in sechs ganz unterschiedlichen<br />

Bereichen – den sechs Ebenen der<br />

Personalisierung:<br />

— Sinn und Ziele: Die Schüler können eigene<br />

Motive, Ziele und Interessen in die Aufgaben<br />

einbringen.<br />

— Lernwege: Übungen oder Aufträge erfüllen sie<br />

auf unterschiedlichen Wegen.<br />

— Themen: Inhalte und Ziele zu einzelnen Themen<br />

wählen die Jugendlichen selbst. Die<br />

Lernherausforderung soll für jeden Einzelnen<br />

relevant sein.<br />

— Zeit: Das Tempo, die Dauer und unter Umständen<br />

sogar die Termine wählen sie selbst.<br />

— Personen: Wer mit wem arbeitet, ob einzeln oder<br />

in Lern- oder Arbeitsgruppen, ob mit oder<br />

ohne Lehrperson, bestimmen die Schüler mit.<br />

— Metakognition: Nicht nur das Ergebnis oder<br />

der gelernte Inhalt sind wichtig, sondern auch<br />

die individuelle Reflexion über das Vorgehen<br />

und die Erkenntnisse.<br />

Die Projektanlage ist bewusst sehr einfach gehalten:<br />

Die beteiligten Lehrpersonen konnten in ihrem<br />

eigenen Alltag eine Idee für ein Unterrichtsmodul entwickeln<br />

und ausprobieren. Entstanden sind zum<br />

Beispiel ein gemeinsames Forschungsprojekt mit<br />

34 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Robotern in Physik /Mathematik, ein personalisiertes<br />

und kompetenzorientiertes Semesterprojekt zum<br />

Thema ‹Ernährung und Verdauung› oder Lernaufgaben,<br />

die von konkreten Problemstellungen aus gehen<br />

und sich über mehrere Schulfächer erstrecken.<br />

Dies war Phase 1 des Projekts, die von August 2011<br />

bis Januar 20<strong>12</strong> dauerte. In Phase 2 verbreiteten<br />

die Lehrpersonen ihre Ideen schulintern an mehr e re<br />

Lehrpersonen und testeten die Akzeptanz und<br />

Machbarkeit ihrer Unterrichtsmodule. Denn nur<br />

wenn diese ebenfalls für andere Lehrpersonen<br />

funk tionieren, sind sie didaktisch interessant und<br />

werden weiterentwickelt.<br />

Im August 20<strong>12</strong> startete Phase 3 des Projekts.<br />

Bis August 2013 werden die für gut befundenen<br />

Unterrichtsmodule allen beteiligten und weiteren<br />

interessierten Schulen vorgestellt und – wo möglich<br />

– weiterverbreitet. Module, die andere Schulen<br />

als machbar und nützlich beurteilen und mit Erfolg<br />

übernehmen, werden nach Abschluss des Projekts<br />

ins Programm der <strong>Schweiz</strong>erischen Zentralstelle für<br />

die Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen<br />

(WBZ) und des Eidgenössischen Hochschulinstituts<br />

für Berufsbildung (EHB) übernommen.<br />

Die einfache Projektanlage stellt sich bereits<br />

jetzt als sehr wirksam heraus: Die Lehrpersonen<br />

deckten mit ihren Projekten sofort alle sechs<br />

Ebenen der Personalisierung ab. Sie hatten den für<br />

Entwicklungsarbeiten so wichtigen zeitlichen<br />

Freiraum, und es sind neue Kooperationen entstanden.<br />

Die beteiligten Schulen erleben Unterrichts-<br />

entwicklung im positivsten Sinn: Module von<br />

Praktikern für Praktiker – und diese werden breit<br />

getestet.<br />

text / aloiS KrähenMann Der rektor der Kantonsschule<br />

romanshorn leitet das teilprojekt ‹Personalisiertes, kompetenzbasiertes<br />

lernen auf Sekundarstufe II›. alois.kraehenmann@tg.ch


«Wenn ich mitbestimmen kann, was<br />

ich lerne, bin ich motivierter. Mir<br />

gefällt die Arbeit im Team – so kann<br />

man die Stärken von jedem nutzen.»<br />

ania BÜhler, SchÜlerin KantonSSchule roManShorn<br />

«Wenn wir Projekte bearbeiten,<br />

verarbeite ich den Stoff besser.<br />

Häufig muss ich dann kaum<br />

mehr für die Prüfungen lernen.»<br />

MatthiaS BranDeS, SchÜler KantonSSchule roManShorn<br />

35


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

voM lEhrMittEl zuM<br />

lErNMittEl<br />

Immer mehr öffentliche und private Schulen führen<br />

altersdurchmischtes Lernen (AdL) ein. Dafür<br />

gibt es insbesondere zwei Gründe: Die demografische<br />

Entwicklung, die vor allem in ländlichen Regionen<br />

zu Klassenzusammenlegungen führt. Und pädagogische<br />

Erkenntnisse, die betonen, dass die Vielfalt<br />

altersdurchmischter Lerngruppen einen grossen<br />

Nutzen für das Lernen und für das soziale Zusammenleben<br />

hat. Schulen, die altersgemischt arbeiten,<br />

stehen jedoch vor verschiedenen Heraus forde<br />

run gen – eine davon betrifft die obligatorischen<br />

Lehr mittel. Diese müssen Lehrpersonen oft<br />

mit gros sem Aufwand an die Anforderungen von<br />

Mehr klassenschulen anpassen.<br />

sammLung Bewährter KonzePte<br />

Das Projekt ‹Vom Lehrmittel zum Lernmittel›<br />

möchte die Arbeit mit kantonal verbindlichen Lehr-<br />

mitteln in Mehrklassenschulen erleichtern und<br />

verbessern. Es untersucht deren Eignung für per-<br />

son alisierte und altersdurchmischte Lehr- und<br />

Lernformen. Am Projekt beteiligen sich Schulen,<br />

Unterrichtsteams und Lehrpersonen, die mit<br />

offiziellen Lehrmitteln in den Fachbereichen Mathe -<br />

matik, Deutsch, Fremdsprachen und Natur-<br />

Mensch-Gesellschaft in altersdurchmischten<br />

Klassen oder Lerngruppen arbeiten.<br />

Wie organisieren die Schulen ihren Unterricht<br />

mit den verbindlichen Lehrmitteln? Welche Kon-<br />

zepte, Massnahmen und Materialien bewähren sich?<br />

Welche Hürden müssen die Schulen nehmen? Wie<br />

und wodurch könnten Lehrmittel die Arbeit im<br />

altersdurchmischten Lernen erleichtern? Über diese<br />

Fragen tauschen sich im Rahmen des Projekts<br />

Schulen aus einem grösseren geografischen Raum<br />

aus, sie gewähren sich gegenseitig Einblick in ihre<br />

Praxis. Das Projektteam sammelt bewährte Kon-<br />

zepte und Lernmaterialien, um diese am Ende neu<br />

zu strukturieren und im Schulverlag plus zu<br />

publizieren. Diese Publikation zu bewährten AdL-<br />

Materialien wird die Erkenntnisse einem breiten<br />

Kreis von interessierten Lehrpersonen, Institutio-<br />

nen und Lehrmittelproduzenten zugänglich machen.<br />

Ein weiteres Ziel des Projekts besteht darin,<br />

Hinweise, Kriterien und Tipps für die Entwicklung<br />

künftiger AdL-Lehrmittel zusammenzufassen.<br />

36 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Diese sollen von Lehrmittelentwicklern und -verlagen<br />

aufgenommen werden, um die altersdurch misch-<br />

ten Schulen in der <strong>Schweiz</strong> besser mit spezifischen<br />

Lehr mitteln und didaktischen Materialien zu<br />

unterstützen.<br />

grosses BeDürfnis<br />

Im Jahr 2011 ist das Projekt gestartet, die Publika-<br />

tion ist für 2014 geplant. Die in der Zwischenzeit<br />

gesammelten Materialien und Konzepte werden den<br />

beteiligten Schulen und Lehrpersonen an Vernetzungstagungen<br />

vorgestellt. Eine erste Tagung fand<br />

im Juni 20<strong>12</strong> mit Vertretern von sieben Grund-,<br />

Basis- und Primarstufen in Bern statt. Wichtige<br />

Impulse setzte an dieser Veranstaltung das Referat<br />

‹AdL und Lehrmittel› von Heidi Gehrig vom<br />

In stitut für Schulentwicklung der Pädagogischen<br />

Hochschule St.Gallen. Die rege Beteiligung der<br />

Schulvertreter zeigt, dass das Projekt einem grossen<br />

Bedürfnis entspricht. Weitere Schulen sind im<br />

Projekt und an der nächsten Tagung willkommen.<br />

text / eSther gerMann Sie ist zuständig für das<br />

Projekt ‹Vom lehrmittel zum lernmittel›, bis ende 20<strong>12</strong><br />

war sie Programmverantwortliche beim Schulverlag plus.<br />

esther.germann@bluewin.ch


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

uMfAssENdE studiE<br />

iN 50 sChulEN<br />

In vielen Schulen ist der Unterricht in Bewegung.<br />

Gesellschaftliche Veränderungen und bildungspolitische<br />

Vorgaben führen zu sehr heterogenen Jahrgangsklassen.<br />

Will man Kinder und Jugendliche unter<br />

diesen Voraussetzungen optimal fördern, müssen<br />

die Lernangebote differenziert, die Lernunterstützun-<br />

gen variabel gestaltet und die Rahmenbedingungen<br />

gelockert werden. In den vergangenen Jahren<br />

haben zahlreiche Schulen ihren Unterricht da hingehend<br />

weiterentwickelt. Es ist eine reichhaltige<br />

Palette innovativer Lehr-Lernkulturen entstanden.<br />

Man spricht von Schulen mit personalisierten<br />

Lernkonzepten.<br />

aufBereitung für LehrerBiLDung<br />

Das Projekt ‹perLen› (personalisierte Lernkonzepte<br />

in heterogenen Lerngruppen), das vom Institut<br />

für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich<br />

in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medien<br />

und Schule der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz,<br />

Schwyz, durchgeführt wird, untersucht<br />

Schulen mit personalisierten Lernkonzepten. Es will<br />

die in der Praxis entwickelten Lösungen, wie man<br />

mit den vielfältigen Herausforderungen der heterogenen<br />

Schülergruppen produktiv umgehen kann,<br />

dokumentieren, anderen Schulen zugänglich<br />

machen und für die Lehrerbildung aufbereiten. Im<br />

Zentrum des Projekts stehen folgende Fragen:<br />

— Lehr-Lernkultur: Wie präsentieren sich die<br />

didaktischen Konzepte, die Unterrichtspraxis<br />

und die Lernbegleitung sowie die Lernakti-<br />

vitäten der Schüler?<br />

— Entwicklung der schulischen Lehr-Lernkonzepte:<br />

Wie entwickeln sich Unterrichtspraxis, Lernaktivitäten<br />

und Lernbegleitung im Projektzeitraum<br />

weiter?<br />

— Rolle, Berufsauftrag und Anforderungen an die<br />

Lehrkräfte: Welche Konsequenzen hat die<br />

Orientierung an personalisierten Lernkonzepten<br />

für die Rolle der Lehrkräfte, für ihr Berufs-<br />

und Selbstverständnis sowie für die Zusam-<br />

menarbeit im Kollegium und mit den Eltern?<br />

— Unterrichtswirkungen: Wie entwickeln sich die<br />

fachlichen und insbesondere auch die überfachlichen<br />

(personalen, methodischen, sozialen)<br />

Kompetenzen der Schüler?<br />

DatenerheBung üBer Drei Jahre<br />

Geplant ist eine Längsschnittstudie über drei Jahre<br />

mit 50 Schulen. Die Datenerhebung umfasst pro<br />

Jahr je eine Online-Befragung. Dazu kommen über<br />

den Projektzeitraum verteilt zwei (gegebenen falls<br />

drei) Erhebungen, die sich auf fachliche und<br />

überfachliche Kompetenzen der Schüler beziehen.<br />

Pro Schule nehmen in der Regel je eine Primar-<br />

(4.– 6. Schuljahr) und/oder eine Sekundarklasse<br />

(7.– 9. Schuljahr) an diesen Erhebungen teil. In zehn<br />

der 50 Schulen werden auch Fallstudien durchgeführt:<br />

Das Projektteam analysiert Schuldokumente,<br />

führt Interviews mit der Schulleitung, mit Lehrpersonengruppen<br />

und mit den ICT-Verantwortlichen,<br />

beobachtet den Unterricht und filmt aus gewählte<br />

Lernarrangements. Die teilnehmenden Schulen<br />

werden durch schulspezifische Rückmeldungen, zwei<br />

Weiterbildungen und eine Schluss tagung bei der<br />

Unterrichtsentwicklung unterstützt. Zudem besteht<br />

für die Schulen die Möglichkeit, sich mit den anderen<br />

neun Projekten im Konsortium ‹Personalisiertes<br />

Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften› zu<br />

vernetzen.<br />

Das Projekt ‹perLen› ist am 1. März 20<strong>12</strong><br />

gestartet. Bis zum Sommer wurden das Forschungsdesign<br />

bereinigt, Unterlagen für die Schulen er -<br />

stellt und eine Projekt-Homepage gestaltet. Ende<br />

August 20<strong>12</strong> begann die Rekrutierung der Schu len.<br />

Das Projekt stösst bei den Schulen auf reges<br />

In te resse, die Bereitschaft zur Mitarbeit ist gross.<br />

text / Prof. Kurt reuSSer, Dr. chriStine Pauli,<br />

PD Dr. rita SteBler Die wissenschaftler des<br />

instituts für erziehungswissenschaft an der universität<br />

zürich sind verantwortlich für das Projekt ‹perlen›.<br />

reusser@ife.uzh.ch, cpauli@ife.uzh.hc, stebler@ife.uzh.ch,<br />

www.perlen.uzh.ch<br />

37


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

rollEN uNd<br />

koMPEtENzEN voN<br />

lEhrPErsoNEN<br />

Eine interne Umfrage im Gymnasium Unterstrass<br />

zeigt: Mehr als 90 Prozent aller Befragten verstehen<br />

sich vor allem in der Rolle der Fachlehrperson.<br />

Doch Prozesse des selbstorganisierten Lernens (SOL)<br />

im Unterricht verlangen von den Lehrpersonen<br />

ein neues Rollenverständnis und entsprechend er -<br />

wei terte Kompetenzen. Neben ihrer traditionellen<br />

Rolle als Wissensvermittler sollten sie die Rolle<br />

des Lern begleiters, Lernplaners oder Lernorganisators<br />

wahrnehmen können. Lehren und Lernen im<br />

Unterricht haben sich von einem Konzept mit<br />

klar aufgeteilten Aufgaben zu einem dialogischen<br />

Prozess gewandelt, in dem Kommunikation<br />

und Interaktion eine zentrale Rolle spielen. Im von<br />

Schülern mitverantworteten Unterricht werden<br />

diese beispielsweise auch in die Planungsphase und<br />

in die Beurteilung miteinbezogen, womit diese<br />

Aufgaben nicht mehr allein in der Kompetenz der<br />

Lehrpersonen liegen.<br />

Vier ProDuKte<br />

Im Rahmen des Projekts ‹Rollen und Kompetenzen<br />

in Prozessen des selbstorganisierten Lernens›<br />

(RoKoSOL) entstehen unter der Leitung des Gymnasiums<br />

Unterstrass vier Produkte: ein Grundlagenskript<br />

und ein Manual zuhanden der Lehrpersonen,<br />

interne Weiterbildungsveranstaltungen und ausformulierte<br />

Weiterbildungsmodule für den ex ternen<br />

Gebrauch.<br />

Das Grundlagenskript versteht sich als klärenden<br />

Beitrag zum Thema basierend auf erzie-<br />

hungswis senschaftlichen Erkenntnissen. Anhand<br />

eines Modells auf Grundlage des <strong>Schweiz</strong>er<br />

Wirtschaftspädago gen Rolf Dubs und des nieder-<br />

ländischen Professors für pädagogische Psycho-<br />

logie Robert-Jan Simons erklärt das Skript die fünf<br />

SOL-Phasen ‹Planung, Information, Durchfüh-<br />

rung, Bewertung und Evaluation›. Für jede einzelne<br />

Phase werden die Rolle und die entsprechenden<br />

Kompetenzen der Lehrpersonen hervorgehoben und<br />

erläutert. Für die Phase der Durchführung bedeu-<br />

tet dies beispielsweise: Die Lehrperson stellt eine<br />

möglichst professionelle Lernbegleitung und einen<br />

störungsfreien Betrieb der Lernumgebung sicher.<br />

Dazu braucht sie Kompetenzen wie Beobachten,<br />

Unterstützen, Beraten, Motivieren und Rückmelden.<br />

38 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Das Manual gibt konkrete Handlungsanweisungen<br />

zu den im Skript formulierten Kompetenzen.<br />

Dazu zählen zum Beispiel die Vermittlung von Lern-<br />

strategien oder Tipps zur Gesprächsführung. Das<br />

Manual zeigt Lehrpersonen, wie sie SOL-Prozesse<br />

besser strukturieren und ihre Kompetenzen bei<br />

Lernbegleitungen schnell abrufen können.<br />

Mit Hilfe der internen Weiterbildung sollen sich<br />

die Lehrpersonen der eigenen Rollen im Lehr beruf<br />

bewusst werden und diese in Bezug auf die Anforderungen<br />

in den SOL-Prozessen erweitern können.<br />

Die Lehrpersonen schulen ihre Kompetenzen, in dem<br />

sie ausgewählte Sequenzen aus Beratungssitua-<br />

tionen spielen und dabei gefilmt werden. In Intervisionsgruppen<br />

werden die Situationen besprochen<br />

und für den eigenen Unterricht nutzbar gemacht.<br />

Die Weiterbildung besteht aus den drei Elementen<br />

Inputveranstaltungen, Videobased Learning und<br />

Intervision. Die Weiterbildungsmodule werden<br />

schliess lich evaluiert und gegebenenfalls angepasst.<br />

Ziel ist es, diese so aufzubereiten, dass weitere<br />

interessierte Schulen sie als Grundlage für schul-<br />

interne Fortbildungen gebrauchen können.<br />

schuLPraxis unD wissenschaft<br />

Die Steuergruppe RoKoSOL besteht aus Mittelschullehrpersonen,<br />

die Fremdsprachen, Naturwissenschaften,<br />

Musik und Pädagogik unterrichten. Als<br />

ex terne Beraterinnen sind Cornelia Maccabiani<br />

vom Institut Unterstrass der Pädagogischen Hochschule<br />

Zürich und Heike Spurek vom Zentrum<br />

für Aus bildung im Gesundheitswesen (ZAG) Winterthur<br />

involviert.<br />

text / Kurt MÜller KluSMan Der lehrer für Musik, Sologesang<br />

und chorleitung am zürcher gymnasium unterstrass<br />

leitet das Projekt roKoSol. kurt.mueller@unterstrass.edu


«Wenn Schülerinnen und Schüler<br />

ihre Ziele wirklich selbst be-<br />

stimmen könnten, wäre der Lernerfolg<br />

am grössten. Die Frage<br />

muss deshalb immer wieder sein:<br />

Was wollen sie lernen?»<br />

Kurt MÜller KluSMan, lehrer gyMnaSiuM unterStraSS<br />

«Es ist inspirierend zu sehen, wie<br />

die Jugendlichen eigene Ideen<br />

entwickeln. Dies sind meist ganz<br />

andere als wenn ich sie auf ein<br />

Ziel hingelenkt hätte.»<br />

iMKe weBer, lehrerin gyMnaSiuM unterStraSS<br />

39


schwerpunkt SchulentwicKlung


forsChEN,<br />

stAuNEN,<br />

vErstEhEN<br />

Kinder sind neugierig. Sie wollen ihre umwelt erforschen<br />

und verstehen. Bei dieser natürlichen Begeisterung für<br />

neues holt andrea lüscher ihre Schüler ab: forschend-<br />

entdeckendes lernen prägt ihren naturwissenschaft-<br />

lichen unterricht. zuletzt hat die Primarschullehrerin mit<br />

ihrer Klasse zum thema luft experimentiert. Dabei<br />

kam auch die technik nicht zu kurz. Die Schüler haben<br />

windmessgeräte gebaut. texte / naDine fieKe<br />

41


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

Plötzlich wird der Ballon in die flasche gesaugt:<br />

Selina und Seraina zeigen mit einem experi-<br />

ment, dass sich luft zusammenzieht, wenn sie<br />

abkühlt. raùl demonstriert, dass luft ein<br />

gewicht hat.<br />

42 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Sie haben erlebt, wie sich Luft bei Kälte<br />

zusammenzieht. Sie haben herausge-<br />

funden, dass sie sich bei Wärme ausdehnt.<br />

Ja, sogar dass Luft ein Gewicht hat,<br />

konnten die Kinder mit eigenen Augen<br />

sehen. Andrea Lüscher schmunzelt, als<br />

sie an dieses Experiment denkt: Die<br />

Lehrerin und Heilpädagogin der Schule<br />

Rottenschwil (AG) hatte eine einfache<br />

Balkenwaage gebaut. An der einen Seite<br />

befestigte sie einen schlaffen Luftballon,<br />

an der anderen einen mit Luft gefüll-<br />

ten. Bevor sie die Waage frei pendeln liess,<br />

stellte sie die entscheidende Frage: «Was<br />

wird passieren?» Für die meisten Schüler<br />

war klar: Die Seite mit dem aufgeblasenen<br />

Ballon würde nach oben steigen.<br />

Luft ist ja leicht, und Ballons schweben.<br />

Entsprechend gross war das Staunen,<br />

als ausgerechnet diese Seite nach unten<br />

sank: «Sie, Frau Lüscher. Warum?»<br />

Ja, warum? Das möchte die Leh-<br />

rerin von den Kindern wissen. Statt<br />

ihnen die Antwort direkt zu verraten, for-<br />

dert sie die Schüler regelmässig auf,<br />

eigene Erklärungen zu suchen. Andrea<br />

Lüscher freut sich, wenn sie mit ihren<br />

Experimenten die Neugier der Kinder<br />

an naturwissenschaftlichen Fragen weckt<br />

– denn Interesse ist der erste Schritt<br />

auf dem Weg zur Antwort. Sie hat es<br />

schon oft erlebt: Wenn sich die Schüler<br />

aktiv mit den Themen auseinander-<br />

setzen, kommt es schnell zum berühmten<br />

‹Aha-Effekt›. Die Kinder können<br />

Zusammenhänge nachvollziehen. Sie<br />

verstehen die Themen wirklich.<br />

VieLe mögLichKeiten<br />

Um das forschend-entdeckende Lernen<br />

zu fördern, haben zehn <strong>Schweiz</strong>er<br />

Bildungsinstitutionen unter Federführung<br />

der Pädagogischen Hochschule<br />

Nordwestschweiz das Projekt ‹Innovation<br />

SWiSE› (Swiss Science Education)<br />

ins Leben gerufen: Darin entwickeln<br />

über 60 Schulen und Kindergärten ihren<br />

naturwissenschaftlich-technischen<br />

Unterricht weiter. Unter ihnen ist auch<br />

die Schule Rottenschwil. Aus jeder<br />

Schule nehmen regelmässig zwei Lehrer<br />

an Weiterbildungen und Praxistreffen<br />

teil. Andrea Lüscher ist begeistert von<br />

den vielen Anregungen, die sie für ihren<br />

Unterricht bekommt. Und genauso<br />

hilfreich sei der Austausch mit den<br />

anderen Lehrern: Wie gestalten sie ihre<br />

Lektionen? Welche Erfahrungen<br />

haben sie mit Experimenten gemacht?<br />

«Wir können viel voneinander lernen.»<br />

eigene winDmessgeräte<br />

Ein Freitagmorgen in der Schule Rotten-<br />

schwil. Das Thema ‹Luft und ihre<br />

Energie› beschäftigt die Schüler der<br />

altersgemischten Mittelstufenklasse B<br />

schon seit einigen Wochen. Sie haben<br />

sich nicht nur mit den physikalischen<br />

Eigenschaften von Luft auseinander-<br />

gesetzt. Der thematische Bogen spannte<br />

sich über die Erdatmosphäre und<br />

Ozonschicht hin zu Klima, Klimawandel<br />

und Energiegewinnung. «Luft ist ein<br />

schwieriges Thema», sagt Andrea<br />

Lüscher. Sie umgibt uns ständig, doch<br />

man sieht sie nicht. Man spürt sie nur<br />

manchmal – in Form von Wind. Und<br />

genau der steht heute im Zentrum des<br />

Unterrichts. Denn Wind, so haben die<br />

Kinder gelernt, kann man auch messen.<br />

Wie muss ein Windmessgerät<br />

aussehen, um Windstärke und Windrichtung<br />

ermitteln zu können? Die Kinder<br />

haben ihre Vorstellungen skizziert.<br />

Grosse Rotorblätter sind in den Zeichnungen<br />

zu sehen – wie bei einer Wind-<br />

kraftanlage. Wetterhähne – wie auf<br />

einer Kirche. Manche Kinder beschränken<br />

sich auf einfache Windfahnen.<br />

Andere haben sich überlegt, dass auch<br />

eine Schnur die Windrichtung anzeigen<br />

kann, wenn man sie frei wehen lässt.<br />

Die Kinder wissen, dass jeweils ein Rotor-<br />

blatt eine andere Farbe haben muss,<br />

um die Windgeschwindigkeit bestimmen<br />

zu können. Und auch an die Markierung<br />

der Himmelsrichtungen haben sie ge-<br />

dacht. Mit Hilfe ihrer Baupläne machen<br />

sich die Schüler begeistert ans Werk: Aus<br />

Styropor, Papptellern, Bechern, Zahn-


stochern, Strohhalmen, Papier, Wäscheklammern<br />

und allerlei anderen Alltagsmaterialien<br />

basteln sie ihre eigenen<br />

Windmessgeräte. Die Handgriffe sitzen.<br />

Die Kinder haben sich im Unterricht<br />

schon so manches Mal mit technischen<br />

Fragen auseinandergesetzt.<br />

einträge im forscherheft<br />

In den vergangenen Wochen, erzählt<br />

Seraina, habe die Klasse «ganz viele<br />

Experimente gemacht». Stolz zeigt sie<br />

ihr Forscherheft und blättert durch<br />

die Seiten. Alle Versuche hat sie dort<br />

genauestens beschrieben: Sie erklärt,<br />

warum sich eine PET-Flasche im Kühl-<br />

schrank zusammenzieht. Sie stellt<br />

dar, wie man mit einer Flasche und<br />

heissem Wasser einen Ballon aufblasen<br />

kann. Auch den Versuch mit der Waage<br />

und dem Luftballon schildert sie im<br />

Detail. «Die Experimente machen<br />

Spass», meint Seraina. Ihre Mitschüler<br />

Raùl, Sean und Selina können das nur<br />

bestätigen: «Wir können Sachen aus-<br />

probieren, die wir vorher nicht wussten.»<br />

Die Einträge in den Forscher-<br />

heften der Kinder folgen immer dem-<br />

selben Schema: Was vermuten sie?<br />

Was beobachten sie? Und wie erklären<br />

sie die Zusammenhänge? «Das entspricht<br />

wichtigen Kompetenzen, die auch<br />

im Lehrplan verlangt werden», erklärt<br />

Andrea Lüscher. Oft werde sie gefragt,<br />

wie man forschendes Lernen überhaupt<br />

benoten könne. «Das ist ganz einfach»,<br />

entgegnet die Lehrerin dann. Mit Hilfe<br />

eines Kompetenzrasters bewertet sie<br />

laufend das strategische Vorgehen der<br />

Kinder, zum Beispiel wie sie proto-<br />

kollieren. Auch inhaltliches Wissen kann<br />

sie gut beurteilen – durch Tests und<br />

indem sie die Einträge in den Forscherheften<br />

analysiert.<br />

Die Lehrerin ist überzeugt von den<br />

Vorteilen des eigenaktiven, forschend-<br />

entdeckenden Lernens. Zwar brauche die<br />

Vorbereitung der Unterrichtseinheiten<br />

mehr Zeit, da sie erst einmal Ideen<br />

und Material sammeln müsse. Doch die<br />

Durchführung selbst sei nicht aufwän-<br />

diger als ‹traditioneller› Unterricht,<br />

betont Andrea Lüscher. Was sich jedoch<br />

durch diese Form des Unterrichtens<br />

grundlegend ändert, sei ihre Rolle als<br />

Lehrerin: «Man muss das Lernen an die<br />

Schüler übergeben.» Es sei ihre Auf-<br />

gabe, immer wieder gezielt neue Impulse<br />

zu geben und die Kinder in ihrem<br />

Lernen zu begleiten.<br />

«Mir ist es wichtig, dass die Kinder<br />

selbst Wissen aufbauen. So<br />

ist der Lerneffekt am grössten.»<br />

anDrea lÜScher, PriMarSchullehrerin<br />

swise<br />

Das Projekt ‹innovation swise› (swiss science<br />

education) unterstützt die teilnehmenden<br />

schulen mit einem umfangreichen Paket an<br />

massnahmen: Von jeder swise-schule<br />

besuchen in den Jahren 20<strong>12</strong> bis 2015 je zwei<br />

Lehrpersonen weiterbildungsmodule zu<br />

den themen ‹forschen und experimentieren›,<br />

‹aufgabenkultur / Lernumgebungen› und<br />

‹ausserschulische Lernorte›. swise fördert<br />

Vernetzungen zwischen schulen und er-<br />

möglicht es ihnen, gemeinsam unterrichts-<br />

und schulentwicklungsprojekte zu erarbeiten.<br />

fachpersonen aus der naturwissenschafts-<br />

didaktik und schulentwicklung unterstützen<br />

sie dabei. ihr wissen und ihre erfahrungen<br />

geben die swise-Lehrer in schulinternen und<br />

regionalen netzwerktreffen weiter. swise ist<br />

eine initiative der Pädagogischen hochschulen<br />

Bern, nordwestschweiz, st. gallen, thurgau,<br />

zentralschweiz und zürich sowie des zürcher<br />

instituts unterstrass, des technoramas in<br />

winterthur, der fachstelle erwachsenenbildung<br />

Baselland und des Pädagogischen zentrums<br />

Basel-stadt. Die stiftung mercator schweiz<br />

unterstützt swise mit 1 050 000 franken.<br />

auch die avina stiftung und die ernst göhner<br />

stiftung fördern das Projekt. www.swise.ch<br />

43


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

«diE sChulEN<br />

koMMEN iN<br />

BEwEGuNG»<br />

44 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Professor Peter Labudde von der Pädago-<br />

gischen Hochschule Nordwestschweiz<br />

ist überzeugt: Das Projekt ‹Innovation<br />

SWiSE› (Swiss Science Education) zeigt,<br />

wie kooperative Unterrichtsentwicklung<br />

über Kantons- und Institutionsgrenzen<br />

hinweg gelingen kann. Über 60 Deutschschweizer<br />

Kindergärten, Primarschu-<br />

len und Schulen aus der Sekundarstufe I<br />

nehmen an SWiSE teil, um das forschend-<br />

entdeckende Lernen im naturwissenschaftlich-technischen<br />

Unterricht zu<br />

fördern. Die Pädagogische Hochschule<br />

Nordwestschweiz hat das Projekt unter<br />

der Leitung von Professor Labudde<br />

zusammen mit neun weiteren <strong>Schweiz</strong>er<br />

Bildungsinstitutionen initiiert.<br />

Herr Labudde, warum setzen Sie sich für<br />

das forschende Lernen in der Schule ein?<br />

Weil Kinder und Jugendliche<br />

gerne forschen. Forschendes Lernen<br />

fördert ihre Motivation und steigert<br />

damit auch das Interesse am jeweiligen<br />

Fach. Wenn Kinder und Jugendliche<br />

selbst forschen, können sie ihre Fra-<br />

gen und ihre Vorkenntnisse besser ein-<br />

bringen. Dadurch behalten sie den<br />

Lernstoff besser. Zudem entspricht das<br />

forschende Lernen dem wissenschaft-<br />

lichen Vorgehen. Zum Unterricht<br />

gehört auch, dass man etwas über ein<br />

Fach und seine Methoden lernt.<br />

Ist das Interesse am forschenden Lernen<br />

auf Seiten der Schulen gross?<br />

Das Interesse an sich ist sehr gross.<br />

Das spüren wir auch in unserem Pro-<br />

jekt SWiSE. Aber trotzdem wird forschendes<br />

Lernen heute noch nicht konse-<br />

quent im Unterricht umgesetzt. Viele<br />

Lehrkräfte wissen, dass Schüler gerne<br />

forschen. Sie sehen die Vorteile des<br />

forschend-entdeckenden Lernens und<br />

möchten ihren Schülerinnen und<br />

Schülern diese Möglichkeiten bieten.<br />

Doch im Schulalltag spüren sie oft einen<br />

grossen Stoffdruck. Sie bedauern, dass<br />

sie nicht die Zeit haben, um forschendes<br />

Lernen im Unterricht umzusetzen. Oft<br />

fehlen ihnen auch entsprechende didakti-<br />

sche Ideen und Unterrichtsmaterialien.<br />

Wie profitieren Schulen von der Teil-<br />

nahme an SWiSE?<br />

Die Schulen kommen in Bewegung,<br />

sie entwickeln sich weiter in<br />

Bezug auf forschendes Lernen, in Bezug<br />

auf naturwissenschaftlich-technische<br />

Bildung. Die Schulen können sich ihrer<br />

Stärken, aber auch ihrer Schwächen<br />

bewusst werden. Sie bekommen konkrete<br />

Ideen für die Unterrichtsentwicklung,<br />

sie lernen von den Erfahrungen anderer<br />

Schulen. Innerhalb der Schulen und<br />

zwischen den teilnehmenden Schulen<br />

finden Vernetzungen statt, die es in<br />

dieser Form und Intensität bisher noch<br />

nicht gegeben hat. Die SWiSE-Lehr-<br />

personen haben die Chance, zusammen<br />

mit Berufskollegen und mit Unterstützung<br />

von Fachpersonen aus Naturwissenschaftsdidaktik<br />

und Schulentwicklung<br />

ihren Unterricht weiter-<br />

zuentwickeln. Für ihr Engagement im<br />

Rahmen von SWiSE erhalten sie aus<br />

kantonalen, beziehungsweise <strong>Stiftung</strong>smitteln<br />

eine Unterrichtsentlastung<br />

von einer Lektion.<br />

SWiSE wird umfassend evaluiert. Welche<br />

Ergebnisse erwarten Sie?<br />

Wir erwarten Antworten auf drei<br />

wesentliche Fragen: Was sind nütz-<br />

liche Rahmenbedingungen für die Schul-<br />

entwicklung? Welche Kompetenzen<br />

entwickeln Lehrkräfte durch SWiSE und<br />

was trägt zu ihrer Kompetenzentwicklung<br />

bei? Was zeichnet gelungene Unter-<br />

richtseinheiten aus? Im Rahmen von<br />

SWiSE werden viele Beispiele von guten<br />

Unterrichtseinheiten entstehen, die wir<br />

breit streuen möchten – über Tagungen,<br />

Weiterbildungen, Publikationen und<br />

ganz stark auch im Internet.<br />

Wird man die Erfahrungen von SWiSE<br />

auf andere Schulentwicklungsprojekte<br />

übertragen können?<br />

Das ist ein erklärtes Ziel des<br />

Projekts. SWiSE ist ein überregionales<br />

Grossprojekt, in dem viele sehr un-<br />

terschiedliche Institutionen zusammenarbeiten.<br />

Wir werden am Ende sagen<br />

können, was für ähnliche Kooperationen


förderlich ist – und was nicht. Wir<br />

werden wissen, welche Strukturen man<br />

schaffen muss, welche Faktoren Ver-<br />

netzungen begünstigen, welche Schwierigkeiten<br />

auftauchen können und<br />

wie finanzielle Flüsse geregelt werden<br />

sollten. Zwei Kantone verknüpfen die<br />

SWiSE-Schulen mit der Einführung des<br />

Lehrplans 21. Wir können hier Erfahrungen<br />

sammeln, die für die weitere<br />

Einführung hilfreich sein werden.<br />

Wie sind Sie mit dem bisherigen<br />

Projektverlauf zufrieden?<br />

Wir sind sehr zufrieden! Unsere<br />

Hoffnungen wurden bisher erfüllt –<br />

und sogar übertroffen. Im Januar 2008<br />

fand ein erstes Treffen von knapp 20<br />

Bildungsinstitutionen statt, in dem wir<br />

uns gefragt haben, was wir überhaupt<br />

zur Förderung des forschend-entdeckenden<br />

Lernens in den Naturwissenschaf-<br />

ten machen möchten. Inzwischen haben<br />

wir viel erreicht: Wir haben zehn sehr<br />

unterschiedliche Bildungsinstitutionen<br />

vernetzt und mit SWiSE ein gemein-<br />

sames Dach geschaffen. In den ersten<br />

zwei Jahren war SWiSE eine koordinierte<br />

Weiterbildungsinitiative dieser Insti-<br />

tutionen. Mittlerweile befinden wir uns<br />

in der zweiten, in der zentralen Phase<br />

des Projekts. Wir arbeiten mit über 60<br />

SWiSE-Schulen zusammen, das sind viel<br />

mehr Schulen als wir erwartet hatten.<br />

Die Lehrpersonen sind hochmotiviert.<br />

Ich bin optimistisch, dass gute Dinge<br />

passieren werden.<br />

Was sind die Herausforderungen einer<br />

solch grossen überregionalen<br />

Kooperation?<br />

Ich kann nur sagen: Föderalismus.<br />

Föderalismus. Föderalismus. Die<br />

Rahmenbedingungen in den beteiligten<br />

Kantonen und damit auch bei den Schulen,<br />

Lehrkräften und Pädagogischen<br />

Hochschulen sind sehr unterschiedlich.<br />

In den letzten Jahren haben wir uns<br />

intensiv bemüht, dass es trotz der sehr<br />

unterschiedlichen Rahmenbedingungen<br />

möglich ist, an einem gemeinsamen<br />

Projekt zu arbeiten. Die andere Herausforderung<br />

liegt darin, zu schauen: Wo<br />

sind die Stärken der einzelnen Akteure?<br />

Wie kann man die jeweiligen Stärken<br />

für das Gesamtprojekt nutzen?<br />

Kontakt: Pädagogische hochschule<br />

nordwestschweiz, Prof. Peter labudde,<br />

peter.labudde@fhnw.ch<br />

«experimente machen Spass», finden Sean,<br />

Philippe und raùl (v.l.). Konzentriert<br />

bauen sie ihre eigenen windmessgeräte.<br />

45


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

NiCht JEdE sChulE<br />

Muss BEi<br />

Null ANfANGEN<br />

Jedes Projekt hat seinen eigenen charakter. Jede initiative<br />

entspricht einem anderen Bedürfnis. Doch eins haben<br />

alle 23 Schulentwicklungsmassnahmen, die die Pädago-<br />

gische hochschule zürich in den vergangenen fünf<br />

Jahren im rahmen ihres Projekts ‹Schulen lernen von<br />

Schulen› (sls) ausgezeichnet hat, gemeinsam: Sie<br />

begegnen aktuellen gesellschaftlichen herausforderungen.<br />

ein gespräch mit Projektleiterin Dr. enikö zala-Mezö.<br />

interView / naDine fieKe<br />

46 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Frau Zala-Mezö, wie sieht die Schule<br />

von morgen aus?<br />

Die Schule von morgen ist eine<br />

Schule, die auf aktuelle gesellschaftliche<br />

Veränderungen und Herausforderun-<br />

gen reagieren kann. Gleichzeitig geht sie<br />

auf die Bedürfnisse der Kinder ein und<br />

ermöglicht es ihnen, ihren Schulalltag<br />

mitzugestalten. Die Schule von morgen<br />

weckt Neugier und macht Spass. Sie<br />

ist offen, flexibel und anpassungsfähig.<br />

Woran müssen sich Schulen denn<br />

anpassen?<br />

Eine Frage, die im Moment viele<br />

Schulen beschäftigt, ist der Umgang<br />

mit Vielfalt. Auch die Integration von<br />

neuen Medien in den Unterricht oder<br />

die Schüler- und Elternpartizipation sind<br />

wichtige Themen, das zeigen die Pro-<br />

jekte im Rahmen von ‹Schulen lernen<br />

von Schulen›. Doch gesellschaftliche<br />

Herausforderungen ändern sich heute<br />

sehr schnell, zudem sind sie lokal<br />

sehr unterschiedlich. Man reist nur<br />

wenige Kilometer, dann sind die Bedürf-<br />

nisse der Schülerinnen und Schüler<br />

auf einmal ganz andere.<br />

Was kennzeichnet ein gutes Schulentwicklungsprojekt?<br />

Schulentwicklung ist im Grunde<br />

immer ein Problemlöseprozess.<br />

Dieser Prozess kann reaktiv sein: Wenn<br />

ein Problem bereits besteht, versucht<br />

man, Notlösungen zu erarbeiten. Der<br />

Prozess kann aber auch proaktiv<br />

sein: Eine Schule macht sich Gedanken<br />

darüber, was sie in fünf oder zehn<br />

Jahren in ihrem gegebenen Umfeld er-<br />

reichen muss. Eine wirklich gute und<br />

sehr effiziente Schulentwicklung<br />

ist eine proaktive Problemlösestrategie.<br />

Welche Trends erkennen Sie in der<br />

Schulentwicklung?<br />

Wenn ich die sls-Projekte an-<br />

schaue, sehe ich zwei grosse Gruppen<br />

von Schulen: Ein Teil der Schulen<br />

setzt sich mit Fragen der Individuali-<br />

sierung auseinander. Diese Schulen<br />

kommen weg vom lehrerzentrierten<br />

Unterricht. Sie verstehen den Lernprozess<br />

als einen von Lehrpersonen und<br />

Schülerinnen und Schülern gemein-<br />

sam gestalteten Prozess. Diese Schulen<br />

geben im positiven Sinne Verantwor-<br />

tung ab. Sie wissen: Wer für sein eigenes<br />

Lernen verantwortlich ist, lernt moti-<br />

vierter. Die zweite Gruppe besteht aus<br />

Schulen, die sich mit ihren Projekten<br />

sehr gut in ihrer lokalen Umgebung<br />

verankern. Diese Schulen beschäftigen<br />

sich mit den Fragen: Wo befinden wir<br />

uns? Was sind unsere lokalen Gegebenheiten?<br />

Wie können wir mit diesen<br />

arbeiten? Sie versuchen aus dem, was<br />

ihr Umfeld prägt, eine besondere Stärke<br />

zu machen. Dadurch können diese<br />

Schulen ein spezielles Profil entwickeln.


Welchen Herausforderungen stehen<br />

Schulen gegenüber, die eigene Schulentwicklungsprojekte<br />

umsetzen möchten?<br />

Die grösste Herausforderung<br />

ist, das eigene Kollegium für das An-<br />

liegen zu gewinnen: Ein Thema, ein Ziel,<br />

eine Vision muss wirklich vom Kollegium<br />

getragen werden. Es braucht Zeit,<br />

bis ein ganzes Lehrerteam aus 40 bis<br />

50 Personen hinter einem Thema steht.<br />

Die Lehrpersonen müssen über ihre<br />

eigenen Werte diskutieren, das ist immer<br />

sehr emotional und kein einfacher<br />

Prozess. Auch das Umfeld der Schule<br />

muss hinter der Entwicklung stehen,<br />

allen voran die Eltern. Der Einbezug der<br />

Eltern und Kinder ist im Schulentwicklungsprozess<br />

die zweite grosse Herausforderung.<br />

Wenn Schulen etwas<br />

Neues einführen wollen, brauchen sie<br />

eine gewisse Akzeptanz und müssen<br />

Vertrauen gewinnen. Und das bedeutet<br />

auch Beziehungsarbeit – in Richtung<br />

Politik, Elternschaft und Schulgemeinde.<br />

Wo brauchen Schulen Unterstützung in<br />

der Schulentwicklung?<br />

Jedes Schulentwicklungsprojekt<br />

braucht Zeit und Ressourcen. Hier<br />

kann man Schulen unterstützen – zum<br />

Beispiel mit Entlastungsstunden. Manch-<br />

mal brauchen Schulentwicklungspro-<br />

jekte auch eine externe Beratung, eine<br />

Begleitung durch Aussenstehende.<br />

Das machen wir auch im Projekt sls: Um<br />

die Gelingensfaktoren in Schulentwicklungsprozessen<br />

besser zu verstehen,<br />

führen wir mit den Lehrpersonen aus<br />

den Schulen Interviews und werten diese<br />

mit Methoden der qualitativen Sozial-<br />

forschung aus. Die Resultate tragen wir<br />

jeweils in die Schulen zurück. Damit<br />

halten wir den Schulen einen Spiegel<br />

vor: Sie können sich aus einer ge-<br />

wissen Distanz betrachten. Das hilft<br />

ihnen oft, weiterzukommen.<br />

Ihr Projekt heisst ‹Schulen lernen von<br />

Schulen›. Was können Schulen<br />

voneinander lernen?<br />

Wenn eine Schule sich mit einer<br />

anderen Schule austauscht, dann<br />

lernt sie am meisten über sich selbst.<br />

Wenn zwei Schulen zusammenkommen,<br />

sind sie gezwungen, zu erklären,<br />

warum sie so arbeiten, wie sie es tun.<br />

Durch diesen Austausch beginnt<br />

eine gemeinsame Reflexion im Schul-<br />

team. Es starten Diskussionen über<br />

Ziele, darüber, was eine gute Schule ist.<br />

Der Schulalltag ist zeitlich sehr eng, da<br />

ist es oft schwierig, Momente zu fin-<br />

den, um die eigenen Prozesse mit etwas<br />

Distanz anzuschauen. Der gezielte<br />

Austausch mit anderen Schulen macht<br />

dies möglich. Durch den Austausch<br />

bekommen die Schulen ausserdem kon-<br />

krete Anregungen und Ideen. Sie<br />

lernen von den Erfahrungen, die andere<br />

Schulen bereits in ihren Schulentwicklungsprojekten<br />

gemacht haben.<br />

Wie fördert das Projekt sls das gegen-<br />

seitige Lernen?<br />

Dass Schulen von Schulen lernen,<br />

ist in der <strong>Schweiz</strong> nicht sehr verbreitet.<br />

Um Vernetzungen und den Austausch<br />

zwischen Schulen zu stärken, organisieren<br />

wir Vernetzungstagungen und<br />

Austauschtreffen. An unseren Vernetzungstagungen<br />

geht es vor allem darum,<br />

dass sich die Leute kennenlernen.<br />

Wir geben den Teilnehmern konkrete<br />

Anregungen und zeigen ihnen, welche<br />

Projekte es bereits gibt. Ausserdem<br />

möchten wir Schulen ermutigen: Sie<br />

sollen sehen, dass andere Schulen es<br />

schaffen, grössere Projekte aufzugleisen<br />

– und dass sie es auch schaffen können.<br />

Unsere Austauschtreffen sind the-<br />

matische Nachmittage mit Experten zu<br />

wechselnden Themen, zum Beispiel<br />

zur Frage ‹Was ist eine gute Aufgabe?›.<br />

Die Austauschtreffen ermöglichen part-<br />

nerschaftliche Begegnungen zwischen<br />

Experten aus der Schulpraxis und Dozierenden<br />

der PH Zürich. So erfahren<br />

die Teilnehmer, welche Themen Schulen<br />

und Wissenschaft aktuell beschäftigen.<br />

Auf diese Weise lernen durch das Projekt<br />

sls nicht nur die Schulen voneinander,<br />

auch die Pädagogische Hochschule lernt<br />

von den Schulen.<br />

Absolut. Wir müssen als Pädagogische<br />

Hochschule verstehen, was die<br />

Probleme und Herausforderungen für<br />

Schulen sind. Wir haben einen Leistungsauftrag<br />

im Bereich der Weiterbildung,<br />

Forschung und Ausbildung<br />

von Lehrpersonen. Damit wir wirklich<br />

‹up to date› sind und die Weiterbil-<br />

dungen anbieten können, die die Schu-<br />

len und Lehrpersonen wirklich wollen<br />

und brauchen, sind wir auf diesen<br />

regelmässigen Austausch mit Schulen<br />

angewiesen.<br />

Kontakt: Pädagogische hochschule zürich,<br />

Dr. enikö zala-Mezö, enikoe.zala@phzh.ch<br />

schuLen Lernen Von schuLen<br />

mit dem Projekt ‹schulen lernen von schulen›<br />

(sls) macht die Pädagogische hochschule zürich<br />

in Kooperation mit dem Volksschulamt des<br />

Kantons zürich erfahrungen und Produkte aus<br />

innovativen lokalen unterrichts- und schulentwicklungsprojekten<br />

für andere schulen zugänglich.<br />

Dafür fand in den Jahren 2008 bis 20<strong>12</strong><br />

ein Preisausschreiben statt, in dem vorbildliche<br />

und nachahmenswerte massnahmen im<br />

Kanton zürich jährlich mit geldpreisen zwischen<br />

10 000 und 40 000 franken ausgezeichnet<br />

wurden. ein wichtiges anliegen des Projekts ist<br />

es, schulen untereinander und mit der hochschule<br />

zu vernetzen. Dieses netzwerk garantiert<br />

einen systematischen erfahrungsaustausch und<br />

wissenstransfer zwischen schulen, Lehrer-<br />

bildung, Bildungspolitik und -verwaltung. auch<br />

wenn das Preisausschreiben nach 20<strong>12</strong> nicht<br />

mehr stattfindet, sollen das sls-netzwerk und<br />

der darin entstandene austausch weitergepflegt<br />

und ausgebaut werden. Die stiftung mercator<br />

schweiz hat das Projekt sls in den Jahren 2008<br />

bis 20<strong>12</strong> mit 1 735 000 franken gefördert.<br />

www.projekt-sls.ch<br />

47


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

füNf BEdürfNissE,<br />

füNf ProJEktE<br />

im rahmen von ‹Schulen lernen von Schulen›<br />

hat die Pädagogische hochschule zürich<br />

im Jahr 20<strong>12</strong> fünf Schulen ausgezeichnet.<br />

2<br />

48 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

1<br />

1 Primarschule nordstrasse, zürich<br />

2 Primarschule Dachsen<br />

3 Sekundarschule ruggenacher, regensdorf<br />

4 Primarschule Schlatt bei winterthur<br />

5 Quartierschule riedtli / Schulkreis waidberg, zürich<br />

3<br />

4<br />

5<br />

texte / naDine fieKe


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

‹3 räuMe›<br />

PriMarSchule SchÜlercluB<br />

norDStraSSe, zÜrich<br />

Jeden Freitag ist ‹3-Räume-Tag› in der Primar schule<br />

Schülerclub Nordstrasse. Dann arbeiten die Kin der<br />

am Vormittag nicht in ihren Klassenzimmern,<br />

sondern in einem von drei Räumen, den sie sich<br />

selbst aussuchen: Zwei Räume sind ausschliess-<br />

lich für schulische Arbeit vorgesehen. Im dritten<br />

Raum stehen Bücher, Spiele, Baumaterial,<br />

Papier, Stifte und Farbe zur Verfügung. «In jedem<br />

Raum gelten andere Regeln», erklärt Schulleiter<br />

Christian Gerber. Je nach Raum arbeiten die<br />

Kinder allein oder gemeinsam, mit mehr oder mit<br />

weniger Unterstützung. Sie dürfen den Raum<br />

jederzeit wechseln. Damit bestimmen sie selbst<br />

Inhalt, Rhythmus und Tempo ihres Lernens.<br />

wichtiger schritt<br />

Der Umgang mit Vielfalt ist eine zentrale Frage<br />

für die Schule: Wie kann der Unterricht so geöffnet<br />

werden, dass alle Kinder sich wohl fühlen und<br />

Erfolg haben? Mit dem Projekt ‹3 Räume› hat die<br />

Primarschule, die seit dem Schuljahr 2005 / 2006<br />

in altersgemischten Klassen organisiert ist, eine<br />

Antwort gefunden: «Die drei Räume sind ein weiterer<br />

Schritt auf unserem integrativen Weg», betont<br />

der Schulleiter. «Durch das Projekt findet die Indi-<br />

vi dualisierung nicht nur in Bezug auf die Lernziele,<br />

sondern auch auf die Lernumgebung statt.»<br />

zentraLe PäDagogische fragen<br />

Im Jahr 2008 wurde das Projekt in den 4. bis 6. Klas-<br />

sen eingeführt, seit 2010 läuft es im ganzen<br />

Schul haus – mit Erfolg: Am 3-Räume-Tag herrscht<br />

eine arbeitsame und entspannte Stimmung, die<br />

sich auf das Arbeitsklima an den anderen Wochentagen<br />

auswirkt. Die Schüler planen einige Arbeiten<br />

und Aufgaben in ihrem Wochenplan bewusst auf den<br />

Freitag – weil sie in den drei Räumen die richtige<br />

Umgebung dafür vorfinden, weil klassenübergreifende<br />

Projekte möglich sind und weil sie sich auch<br />

mit ihren persönlichen Zielen und Aufgaben beschäf -<br />

tigen können. Die drei Räume ermöglichen es den<br />

Kindern, ihr Lernen selbst in die Hand zu neh-<br />

men. Zu dem erlaubt das Projekt den Lehrpersonen<br />

einen neuen Blick auf die Kinder – und diese Be-<br />

obachtungen regen den Austausch über zentrale<br />

pädagogische Fragen an: Warum hält sich ein<br />

Kind so oft im dritten Raum auf? Welche Angebote<br />

fehlen Kindern, die in keiner der drei Lernumgebungen<br />

ihren Ort finden?<br />

Drei räume, drei lernumgebungen: Die Kinder können mit unter-<br />

stützung an ihren themen arbeiten, allein ihre aufgaben erledigen –<br />

und spielen. in jedem der drei räume gelten andere regeln.<br />

Kontakt: Primarschule Schülerclub nordstrasse,<br />

christian gerber, christian.gerber@schulen.zuerich.ch<br />

www.schuelerclubnordstrasse.ch<br />

49


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

MenSchennahe natur erleBen<br />

aM BeiSPiel roSalie<br />

PriMarSchule DachSen<br />

zu erleben, wie rosalie aufwuchs, war ein besonderes erlebnis<br />

für die Kinder. ganze unterrichtseinheiten fanden auf dem<br />

Bauernhof statt.<br />

Als das Schulteam der Primarschule Dachsen das<br />

Schulprogramm 2009 – 20<strong>12</strong> erarbeitete, stand<br />

schnell fest: Naturnaher Unterricht sollte die nächs-<br />

ten drei Schuljahre prägen. «Uns war es wichtig,<br />

dass die Kinder natürliche Kreisläufe ganzheitlich<br />

erfahren», erklärt Schulleiterin Käthi Furrer.<br />

Da der vom Menschen gestalteten und genutzten<br />

(der menschennahen) Natur ein besonderes Interesse<br />

galt, fand der Unterricht in Dachsen regelmäs -<br />

sig auf einem Bauernhof statt. Das Vorhaben startete<br />

mit der Geburt eines Kalbs, das die Schule ‹adoptierte›<br />

und das die Kinder Rosalie tauften. Rosalie<br />

stand im Mittelpunkt des Projekts. Drumherum<br />

fanden auf dem Bauernhof, im Garten, im Reb-<br />

berg und auf dem Feld viele klassenübergreifende,<br />

altersdurchmischte Lektionen und naturnahe<br />

Aktivitäten statt. Die Kinder fütterten Kälber, melkten<br />

Kühe, ernteten Kartoffeln, sammelten Eier,<br />

lasen Trauben… Sie konnten auf diese Weise die<br />

Nahrungsmittelkette besser verstehen und lernten<br />

die Maschinen auf dem Bauernhof kennen.<br />

50 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

iDentifiKation unD ProfiLierung<br />

Der Bauernhof wurde zu einer Aussenstelle der<br />

Schule. Viele Kinder zeigten ihren Eltern am<br />

Wo chenende Rosalie, die zur schnellen Erkennung<br />

als einziges Tier eine Glocke um den Hals trug.<br />

Das Projekt stärkte durch seinen starken Bezug zur<br />

lokalen Lebens- und Erfahrungswelt die Ident i fikation<br />

mit der Schule, trug zu ihrer Profilierung im<br />

Schwerpunkt des naturnahen Unterrichts bei und<br />

sorgte auf allen Ebenen – in der Schülerschaft,<br />

im Elternrat, in der Schulpflege, im Lehrerkollegium<br />

und in der Gemeinde – für Begeisterung:<br />

«Die Kinder liebten Rosalie und die Arbeit auf dem<br />

Bauernhof», freut sich die Schulleiterin. «Sie<br />

kamen mit Tieren, Pflanzen und vielen praktischen<br />

Dingen in Berührung – und dies körperlich, emotional<br />

und geistig.» Alle Kinder, doch vor allem auch<br />

grobmotorisch veranlagte und solche mit sonder<br />

pädagogischen Bedürfnissen, konnten sich in<br />

diesem Projekt entfalten.<br />

weitere zusammenarBeit<br />

«Naturgemäss hätte Rosalie im dritten Schuljahr<br />

selber trächtig werden und ein Kalb gebären sollen»,<br />

sagt Käthi Furrer. «Leider wurde sie krank und<br />

musste geschlachtet werden.» Viele Klassen nahmen<br />

Abschied von Rosalie. Die Zusammenarbeit mit<br />

dem Bauernhof führt die Primarschule Dachsen fort.<br />

Rosalie wird vorläufig nicht ersetzt, doch in ein<br />

paar Jahren lässt sich das Projekt mit einem neuen<br />

Kalb neu starten.<br />

Kontakt: Primarschule Dachsen, Käthi furrer,<br />

schulleitung@primarschuledachsen.ch,<br />

www.primarschuledachsen.ch


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

Variante<br />

SchulKreiS waiDBerg, zÜrich<br />

Manche Schüler brauchen eine Auszeit – ein ‹Timeout›:<br />

weil sie die Arbeit im Unterricht verweigern,<br />

weil sie den Unterricht stark stören, in Schlägereien<br />

verwickelt sind oder sich in einer schwierigen<br />

Lebenssituation befinden. Der Zürcher Schulkreis<br />

Waidberg hat mit dem Projekt ‹Variante› ein niederschwelliges<br />

Unterstützungsangebot entwickelt,<br />

das kurzfristig und unkompliziert bis zu acht Schüler<br />

der Oberstufenschulhäuser Milchbuck, Waidhalde,<br />

Lachenzelg und Riedtli für zwölf Wochen auf nim mt,<br />

betreut und während dieser Zeit ihrem Leistungs-<br />

niveau entsprechend fördert.<br />

intensiVe auseinanDersetzung<br />

Die ‹Time-out-Klasse› der ‹Variante› ist geprägt<br />

durch individuelle Schulungen, erlebnispädagogische<br />

Unternehmungen, Arbeits- und Gemeinschaftsprojekte.<br />

«Es geht nicht darum, mit dem<br />

Angebot schulische Lücken zu stopfen», betont der<br />

Projektleiter Reto Pfirter. «Die Persönlichkeitsentwicklung<br />

steht im Zentrum der ‹Variante›. In<br />

diesem Bereich kann man viel erreichen.» Interdisziplinäre<br />

Arbeitsmethoden, eine enge Zusammenarbeit<br />

mit den Erziehungsberechtigten und der<br />

Einbezug der Lehrpersonen und der Stammklasse<br />

er möglichen eine ganzheitliche Auseinandersetzung<br />

mit den Schülern. Wenn die Probleme geklärt,<br />

die Schwierigkeiten abgeklungen und Lösungen ge -<br />

funden sind, gehen die Schüler zurück in ihre<br />

Stammklassen. Diese Reintegration ist ein erklärtes<br />

Ziel des Projekts. «Wichtig ist, dass die Schüler<br />

freiwillig am Programm teilnehmen und dass sie die<br />

Auszeit rechtzeitig nehmen», sagt Reto Pfirter. Denn<br />

die ‹Variante› sei vor allem ein präventives Angebot.<br />

rücKKehr in Die KLasse<br />

Seit dem Schuljahr 2009 /2010 läuft das Projekt –<br />

mit guten Erfahrungen: 70 Prozent der Variante-<br />

Teilnehmer gehen in ihre Stammklassen zurück. Die<br />

Auszeit bringt Ruhe in die Klassen und entlastet<br />

die Lehrer. Mittlerweile ist das Angebot bei den<br />

Schülern und Eltern des Schulkreises gut bekannt<br />

und wird rege genutzt. «Die ‹Variante› bietet einen<br />

direkten Zugang zu Lösungen, wovon Schüler,<br />

Lehrer, Klassen, Eltern und das Umfeld profitieren»,<br />

erklärt der Projektleiter. Es zeige sich, dass durch<br />

das Angebot weniger Einzelunterricht nötig ist,<br />

es gibt weniger Heimeinweisungen und Zuweisungen<br />

in externe Privatschulen.<br />

zwei tage in der woche verbringen die Variante-Schüler ausserhalb des<br />

Klassenzimmers. Die aktivitäten – wie diese Kooperationsübungen im<br />

wald – fördern die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen.<br />

Kontakt: Quartierschule riedtli, reto Pfirter,<br />

reto.pfirter@schulen.zuerich.ch<br />

51


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

KinDer BeStiMMen Mit!<br />

PriMarSchule Schlatt<br />

«Unsere Schülerpartizipation sollte praktisch, sinn -<br />

voll und nachhaltig in den Schulalltag eingefügt<br />

werden», erinnert sich Schulleiterin Esther Kihm<br />

an die Gründung des Schülerrates der Primar -<br />

schule Schlatt bei Winterthur. Wichtig war dem<br />

Schul team, dass der Schülerrat keine Klagemauer<br />

ist, sondern ein wirksames Gefäss für die aktive<br />

Mitgestaltung des schulischen Zusammenlebens.<br />

Die Schüler sollen ihre Ideen und Anliegen, die den<br />

Schulalltag und die Schulgemeinschaft betreffen,<br />

über den Schülerrat einbringen können. Sie sollen<br />

Verantwortung übernehmen für die Ausgestal -<br />

tung der Schulhauskultur.<br />

gestaLtung Der ‹wochenmitten›<br />

Seit dem Schuljahr 2009 /2010 trifft sich der sechsköpfige<br />

Schülerrat alle zwei Wochen, um die An-<br />

liegen der einzelnen Klassenräte zu diskutieren. Als<br />

Bindeglied zwischen Klassenräten und Schulteam<br />

trägt der Schülerrat die Bedürfnisse der Mitschüler<br />

ins Lehrerkollegium, um gemeinsam nach Lösun-<br />

gen zu suchen. Ein wichtiger Teil der Arbeit des<br />

Schü ler rates besteht in der Vorbereitung der so ge-<br />

nannten ‹Wochenmitten›. Diese finden alle zwei<br />

Wochen im Schulfoyer statt. Dann arbeitet die ganze<br />

Schule während einer Lektion in altersgemischten<br />

Gruppen – den so genannten ‹Schulfamilien› –<br />

zu den vom Schülerrat entwickelten Inhalten, die<br />

jeweils zum Jahresthema der Schule passen. So<br />

haben die Kinder beispielsweise zum Thema ‹Forschungsreise<br />

zu den Gegenständen des Alltags›<br />

Gesellschaftsspiele vorgestellt und in den Schulfa-<br />

mi lien gespielt. Eine wichtige Leistung war auch<br />

die Überarbeitung der Schulhausregeln.<br />

PositiVe auswirKungen<br />

Die Schulleiterin beobachtet positive Auswirkungen<br />

der Schülerpartizipation auf das Schulleben:<br />

Die Kinder lernen früh, sich in unterschiedlichen<br />

Gruppen zu bewegen und mit unterschiedlichen<br />

Meinungen umzugehen. Sie erfahren, dass sie mit<br />

jedem zusammenarbeiten können – und vor allem<br />

lernen sie viel voneinander. «Unser Schülerrat<br />

ist ein wichtiges Übungsfeld fürs ganze Leben», ist<br />

Esther Kihm überzeugt. Die Kinder aus Schlatt<br />

schätzen ihren Schülerrat, den sie jeweils für ein<br />

Jahr wählen. Die Schülerräte haben eine Vorbild-<br />

funk tion in der Schule und üben sich erfolgreich<br />

als Streit schlichter.<br />

52 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Die Meinung der Kinder ist gefragt: Der Schülerrat gestaltet das<br />

Schulleben aktiv mit – dazu zählen auch regelmässige Veranstaltungen<br />

im Schulhausfoyer.<br />

Kontakt: Primarschule Schlatt, esther Kihm,<br />

schulleitung@schule-schlatt.ch, www.schule-schlatt.ch


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

SeK-MoDell<br />

SeKunDarSchule<br />

ruggenacher, regenSDorf<br />

Die Sekundarschule Ruggenacher in Regensdorf<br />

be findet sich in der Umstellung von einer geglieder -<br />

ten Sekundarschule in ein Modell mit Lernlandschaften:<br />

Ab dem Schuljahr 2013 /2014 findet das<br />

Lernen zum Teil in Inputräumen statt, wo traditionell<br />

unterrichtet wird. Zudem haben die Schüler einen<br />

persönlichen Arbeitsplatz in einem Lernatelier, wo sie<br />

an ihren individuellen Aufträgen arbeiten. «Mit<br />

unserem neuen Schulmodell möchten wir die Schülerinnen<br />

und Schüler individuell fördern und in<br />

ihrem eigenverantwortlichen Handeln stärken»,<br />

erklärt Schulleiter Vittorio Zappia.<br />

schrittweise umsetzung<br />

Die Umsetzung des neuen Schulmodells erfolgt<br />

schritt weise – und sie wurde mit der vom Kanton<br />

Zü rich geforderten Neugestaltung der 3. Sek verknüpft:<br />

In Deutsch, Mathematik, Französisch und<br />

Na Tech können die Jugendlichen entsprechend ihrer<br />

Stellwerk-Ergebnisse Wahlfächer und Lernatelier-<br />

Lektionen besuchen, um ihre Stärken aus zubauen<br />

oder ihre Lücken zu schliessen. Die Präsenzzeit<br />

beträgt für alle Drittklässler 36 Lektionen (zuvor<br />

waren es je nach Wahlfächern 30 bis 34), einen<br />

gro ssen Teil davon arbeiten sie individuell im Lern -<br />

atelier. Für den Projektunterricht zur Stärkung<br />

überfachlicher Kompetenzen sind drei Lektionen vor -<br />

gesehen, die sich auf drei Wochen konzentrieren.<br />

Der Pflicht- und Wahlfachunterricht wird durch Freifachkurse<br />

im sportlichen und musischen Bereich ergänzt,<br />

die jahrgangsübergreifend angeboten werden.<br />

Zudem findet für die Drittklässler einmal pro<br />

Woche ein Coaching zur Berufsvorbereitung statt.<br />

wertVoLLe erfahrungen<br />

«Den Auftrag der Bildungsdirektion, die 3. Sek neu zu<br />

gestalten, haben wir ausgeweitet», erklärt Vittorio<br />

Zappia. Die Sekundarschule Ruggenacher hatte einen<br />

Weg gesucht, der nicht nur zu ihrer aktuellen<br />

Schul entwicklung passt und das eigenverantwortliche<br />

Lernen der Schüler ins Zentrum stellt; die Lösung<br />

sollte das künftige Schulmodell möglichst auch<br />

vorbereiten. Mit ihrem neuen Sek-Modell kann die<br />

Schule bereits vor der Einführung der Lernlandschaften<br />

wertvolle Erfahrungen im personalisierten<br />

Lernen in heterogenen Gruppen sammeln.<br />

Kontakt: Sekundarschule ruggenacher, Vittorio zappia,<br />

schulleitung@ruggenacher.ch, www.ruggenacher.ch<br />

im lernatelier beschäftigen sich die Sekundarschüler individuell<br />

mit ihren aufgaben. Bei der einteilung ihrer arbeiten hilft ihnen ihr<br />

persönliches Planungsbuch.<br />

neugestaLtung 3. seK<br />

mit der neugestaltung der 3. sek möchte der<br />

Kanton zürich Jugendliche noch gezielter<br />

auf einen erfolgreichen übertritt in die Berufslehre<br />

oder in eine weiterführende schule vor -<br />

bereiten. ziel der neugestaltung ist eine engere<br />

und frühzeitigere zusammenarbeit von schule,<br />

Berufsberatung und eltern im Berufswahlprozess.<br />

auf grundlage des standardisierten<br />

Leistungstests ‹stellwerk 8› findet mitte der<br />

2. sek eine individuelle standortbestimmung<br />

der schüler statt. Durch ein individuelles<br />

förderangebot im wahlfachbereich sollen die<br />

Jugendlichen entsprechend ihres Potenzials<br />

optimal gefördert werden. zur förderung von<br />

selbst-, sozial- und methodenkompetenzen<br />

sind Projektunterricht und eine abschlussarbeit<br />

in der 3. sek vorgesehen. www.vsa.zh.ch<br />

53


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

lEhrEr<br />

hABEN<br />

diE zukuNft<br />

iM BliCk<br />

54 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

text / Prof. franK BrÜcKel<br />

Wie können Schulen rechtzeitig auf ge-<br />

sellschaftliche Veränderungen und<br />

Herausforderungen reagieren? Das ist die<br />

zentrale Frage des Weiterbildungslehrgangs<br />

‹CAS Schulentwicklung International›,<br />

den die Pädagogische Hochschule<br />

Zürich seit Februar 20<strong>12</strong> zusammen<br />

mit der Hochschule Amsterdam und dem<br />

Schulamt des Fürstentums Liechtenstein<br />

anbietet. Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

unterstützt das Programm in den<br />

Jahren 20<strong>12</strong> bis 2015 mit 164 400 Franken.<br />

fragen Der schuLentwicKLung<br />

Schulleitungen und Lehrpersonen der<br />

drei beteiligten Länder diskutieren in<br />

diesem Lehrgang schulrelevante gesell-<br />

schaftliche Zukunftstrends wie Migration<br />

oder Veränderungen in der Informa-<br />

tions- und Kommunikationstechnologie.<br />

Sie reflektieren damit verbundene<br />

Fragen der Schulentwicklung und erarbeiten<br />

Strategien, um die im Lehrgang<br />

entstandenen Entwicklungsideen an den<br />

eigenen Schulen umsetzen zu können.<br />

Zentral sind gegenseitige Schulbesuche,<br />

bei denen die Kursteilnehmer vertiefte<br />

Einblicke in den Schulalltag anderer<br />

Länder erhalten. Anschliessend verknüpfen<br />

Dozierende der beteiligten Länder<br />

die Eindrücke mit aktuellen Theorien<br />

der Schulentwicklung. Jeder Teilnehmer<br />

entwickelt zum Abschluss ein aus den<br />

Bedürfnissen seiner Schule erwachsenes<br />

Projekt. Die Inhalte dieser Projekte<br />

sind sehr breit: Sie reichen von Fragen<br />

der Kooperation unter Lehrpersonen<br />

in jahrgangsgemischten Klassen<br />

über Elternpartizipation hin zu einer<br />

optimierten Hausaufgabenförderung.<br />

thomas röthlisberger (Bild oben), fedor de groot<br />

und Martina Baur schätzen den austausch<br />

mit den internationalen Berufskollegen sehr.<br />

BegLeitenDe forschung<br />

Eine Forschungsgruppe der Pädagogischen<br />

Hochschule Zürich begleitet<br />

den Lehrgang. Sie untersucht die Erwar-<br />

tungen der Teilnehmer, die konkreten<br />

Lernergebnisse und den Erfolg der in der<br />

Weiterbildung entwickelten Schul-<br />

projekte. Erste Ergebnisse zeigen eine<br />

grosse Zufriedenheit. So schreibt ein<br />

Teilnehmer nach einer gemeinsamen<br />

Studienwoche in Zürich im Evaluationsbogen:<br />

«Es ist mir bewusst(er) geworden,<br />

wie eng Schul- und Gesellschaftsentwicklung<br />

miteinander verbunden<br />

sind. Ich erhielt einen übergeordneten<br />

Blick auf die Entwicklungen in der<br />

Schule der vergangenen Jahre und kann<br />

nun besser verstehen und Kritikern<br />

gegenüber argumentieren, aus welchem<br />

(europäischen) Zusammenhang heraus<br />

gewisse Reformen entstanden sind,<br />

die heute unseren lokalen Schulalltag<br />

prägen (Schulleitung, PISA, Eltern-<br />

mitsprache, Integration...).»<br />

Die Diskussionen unter den<br />

internationalen Teilnehmern und die<br />

Auseinandersetzung mit den persön-<br />

lichen Eindrücken der Schulbesuche<br />

sind zentrale Bestandteile der Weiterbildung.<br />

Drei Lehrpersonen aus Holland<br />

und der <strong>Schweiz</strong> erzählen, wie sie diesen<br />

Austausch erleben und was ihnen in<br />

den Schulen im Ausland aufgefallen ist.<br />

Prof. franK BrÜcKel ist Dozent an der Pädagogischen<br />

hochschule zürich und leiter des<br />

lehrgangs ‹caS Schulentwicklung international:<br />

holland / <strong>Schweiz</strong> / fürstentum liechtenstein›.<br />

frank.brueckel@phzh.ch


thoMaS<br />

röthliSBerger,<br />

VolKetSwil<br />

Am Anfang ist man meist sehr begeistert<br />

von dem, was man sieht. Doch dann<br />

folgt häufig eine zweite Phase, in der<br />

man Distanz nimmt und die Eindrücke<br />

kritischer betrachtet: Was ist gut? Was<br />

ist problematisch? Was würde auch bei<br />

uns funktionieren? Was ist überhaupt<br />

erstrebenswert? Genau dann entstehen<br />

im Gespräch mit anderen Lehrpersonen<br />

neue Ideen. Mir ist aufgefallen, dass die<br />

holländischen Schulen sich vorbildlich<br />

zu verkaufen wissen und viel in ihren<br />

Aussenauftritt investieren. Dadurch, dass<br />

es in Holland eine freie Schulwahl gibt,<br />

müssen sich die Schulen ein ganz klares<br />

Profil schaffen, um von sich zu überzeugen.<br />

Damit sind sie uns in der Öffent-<br />

lichkeitsarbeit in vielen Belangen voraus<br />

– sei es der Webauftritt oder der Einbezug<br />

der Eltern ins tägliche Schulleben.<br />

Moderne Kommunikationsmittel spielen<br />

in den zwei von uns besuchten Schulen,<br />

dem Jan van Egmond Lyceum und der<br />

Ijburg School, eine wichtige Rolle. In<br />

der Ijburg School (Sekundarstufe und<br />

Gymnasium) hatte jeder Schüler ein Mac<br />

Book Air auf dem Pult. Es gab keine<br />

Bücher mehr, auch ihre Notizen haben<br />

die Schüler auf dem Laptop mitgeschrieben,<br />

sie haben sich Termine digital<br />

vermerkt, Präsentationen vorbereitet<br />

und den Mentoren Aufgaben per<br />

DropBox eingereicht. Im ganzen Schul-<br />

haus waren viele Arbeitsnischen ver-<br />

teilt – mit Computerstationen, die die<br />

Schüler nutzen können. Tatsächlich<br />

hat man viele kleine Gruppen gesehen,<br />

die selbstständig gearbeitet haben.<br />

feDor De groot,<br />

aMSterDaM<br />

Es ist spannend, in einer internationalen<br />

Gruppe zu arbeiten – auch wenn es<br />

manchmal eine Herausforderung ist, kul-<br />

turelle und sprachliche Unterschiede<br />

zu überwinden. Eine besondere Erfahrung<br />

war es, Schulen in der <strong>Schweiz</strong><br />

und in Liechtenstein zu besuchen: Die<br />

Schulklassen sind viel kleiner als bei<br />

uns, es gibt viel mehr Platz. Der Unter-<br />

richt ist strukturierter und die Kinder<br />

sind disziplinierter. Überrascht hat<br />

mich, dass ich in der Unterstufe keine<br />

Computer gesehen habe. In der <strong>Schweiz</strong><br />

sind die öffentlichen Schulen mehr oder<br />

weniger gleich – im Gegensatz zu den<br />

Niederlanden. Bei uns gibt es zwischen<br />

den Schulen grosse Unterschiede, da sie<br />

sehr grosse Freiheiten in der Gestal-<br />

tung ihres Lehrplans haben. So gibt es in<br />

den Niederlanden zum Beispiel öffent-<br />

liche Montessori Schulen, während diese<br />

in der <strong>Schweiz</strong> privat sind. Diese ein-<br />

fache Tatsache macht einen grossen Un-<br />

terschied im Bildungswesen. Es ist toll,<br />

diese Themen mit Lehrpersonen aus der<br />

<strong>Schweiz</strong> und aus Liechtenstein zu disku-<br />

tieren. Dadurch denkt man darüber nach,<br />

warum wir Dinge tun, wie wir sie tun<br />

– und wir können voneinander lernen.<br />

Martina Baur,<br />

fällanDen<br />

Ich profitiere sehr von den Inputs der<br />

Dozenten, vom Gespräch mit den<br />

anderen Teilnehmern – und ganz be-<br />

sonders vom Nachfragen: Warum machst<br />

du das so? Dadurch kann ich vergleichen,<br />

meine eigenen Ansichten hinterfragen.<br />

Der Austausch ermöglicht mir<br />

zusammen mit den Schulbesuchen ganz<br />

neue Sichtweisen auf den Schulalltag.<br />

Schulen in Holland müssen aufgrund der<br />

freien Schulwahl ein klares Profil<br />

haben. Und das hat Auswirkungen auf<br />

das ganze Schulhaus: Im Kollegium<br />

besteht ein einheitliches Denken zur<br />

Lehr- und Lernkultur. Das führt zu einer<br />

engeren Zusammenarbeit im Team und<br />

mit den Eltern. Grosse Themen werden<br />

oft fächerübergreifend behandelt. Bei<br />

den Aufgaben geht es darum, die Welt ins<br />

Schulzimmer zu holen und dadurch<br />

die Themen für die Kinder interessant zu<br />

machen. Viele Schulzimmer haben<br />

offene Türen oder Glaswände. Dadurch<br />

gibt es eine sehr grosse Transparenz<br />

und Offenheit in der Schule, alles wirkt<br />

sehr lebendig. Aber es arbeiten viel<br />

mehr Schüler in einem kleineren Raum<br />

als bei uns. Interessant finde ich, wie<br />

die Schulen immer wieder durch Um-<br />

fragen die Zufriedenheit der Eltern<br />

erfassen, um daraus Verbesserungen zu<br />

erarbeiten.<br />

55


schwerpunkt SchulentwicKlung<br />

stärkEN iM<br />

fokus<br />

alle Kinder haben Begabungen, betont die <strong>Stiftung</strong><br />

für hochbegabte Kinder. Schulen, die individuelle<br />

Begabungen fördern, stärken Kinder in ihrer Persön-<br />

lichkeitsentwicklung. auf welch vielfältige weise<br />

Begabungsförderung im unterricht möglich ist, zeigen<br />

die 43 Schulen, die seit 2004 mit dem liSSa-Preis<br />

ausgezeichnet wurden.<br />

56 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

text / regula haag<br />

Wofür braucht es Begabungsförderung<br />

in der Volksschule, wenn diese schon vor<br />

vielen anderen Herausforderungen<br />

steht, wie zum Beispiel der gestiegenen<br />

Heterogenität in den Klassen? Wem nützt<br />

eine Begabungsförderung? Und was<br />

genau bedeutet Begabungsförderung? Im<br />

Zusammenhang mit dem LISSA-Preis<br />

tauchen diese Fragen immer wieder auf.<br />

Es sind spannende Fragen, vor allem mit<br />

Blick auf die aktuelle Schulentwicklung.<br />

inDiViDuaLisierter unterricht<br />

Die Volksschule hat den Anspruch, jedem<br />

Kind die bestmöglichen Entwicklungs-<br />

bedingungen und adäquate Bildung zu<br />

bieten. Die heterogene Zusammen-<br />

setzung der Schulklassen erschwert dies.<br />

Doch die Schulentwicklung, die sich<br />

einen individualisierten Unterricht zum<br />

Ziel setzt, begegnet dieser Heraus-<br />

forderung: Die Schulklasse wird zu einer<br />

Lerngemeinschaft mit verschiedenen<br />

Lernaktivitäten, Lerninhalten und Lern-<br />

schwierigkeiten. Solcherart indivi-<br />

dualisierter Unterricht kann die Stärken<br />

der einzelnen Kinder fördern, denn<br />

Begabungen werden erkannt und gewinnen<br />

an Bedeutung.<br />

Mit dieser Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

einher geht ein Paradig-<br />

menwechsel, der wegkommt von der Defi-<br />

zitorientierung und sich auf die Stärken<br />

der Kinder konzentriert. Die <strong>Stiftung</strong><br />

für hochbegabte Kinder ist überzeugt: Alle<br />

Kinder haben Begabungen, seien sie


intellektueller, musischer oder sozialer<br />

Ausprägung. Wer diese unterschied-<br />

lichen Begabungen stärkt, stärkt die ge-<br />

samte Persönlichkeit eines Kindes.<br />

In einem stärkenorientierten, individu-<br />

alisierten Unterricht erfahren Schüler<br />

mit höheren Begabungen genauso<br />

wie schwächere Schüler eine ange-<br />

messene Wertschätzung und Förderung.<br />

Eine Begabungs- und Begabtenförde-<br />

rung im Unterricht holt das individuelle<br />

Potenzial jedes Kindes hervor.<br />

VieLe förDermögLichKeiten<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, Begabungsförderung<br />

in den Regelunterricht zu<br />

integrieren: Durch ‹Compacting›, also<br />

eine Straffung und Intensivierung<br />

der Übungsphasen im Unterricht, ge-<br />

winnt man Zeit, damit Schüler eigenen<br />

Themen nachgehen können. Werden<br />

eigene Projekte im Unterricht umgesetzt,<br />

dann spricht man von ‹Enrichment›<br />

in Anlehnung an das Schulische Enrichment<br />

Modell (SEM) von Renzulli / Reis<br />

(siehe Infokasten). Für manche Kinder<br />

ist es auch wichtig, in klassenübergreifenden<br />

Kleingruppen Themen und<br />

Projekten nachgehen zu können;<br />

sei es in Ressourcenräumen, in denen<br />

ihnen Medien zur Informationsbe-<br />

schaffung und spezielle Lernmaterialien<br />

zu Verfügung stehen, oder in Fördergruppen<br />

unter der Anleitung eines<br />

Mentors, einer Fachperson ausserhalb<br />

des Lehrkörpers.<br />

üBerzeugenDes ProJeKt<br />

Wie Begabungsförderung erfolgreich<br />

in den Schulalltag integriert sein kann,<br />

zeigt das Projekt ‹Fit und stark fürs<br />

Leben 20<strong>12</strong>› der Primarschule Mythen<br />

und Haggen in Rickenbach (SZ), das bei<br />

der LISSA-Preisverleihung am 14. Juni<br />

20<strong>12</strong> im Kantonsratssaal Luzern mit dem<br />

ersten Preis im Wert von 10 000 Franken<br />

ausgezeichnet wurde. Die Schule schafft<br />

mit ihrem Projekt ein begabungsförderndes<br />

Umfeld für alle Schüler, das ihre<br />

kreative Produktivität anregt. Durch<br />

gezielte Anreize und die Möglichkeit zu<br />

eigenmotivierter Projektarbeit möchte<br />

die Schule den Kindern helfen, ihr<br />

Potenzial auszuschöpfen.<br />

Ein besonderes Anliegen ist es der<br />

Schule, ihre vielfältigen Begabungs-<br />

förderungsprojekte – darunter sind auch<br />

drei Ressourcenräume (Forscherraum,<br />

Bewegungsraum und Kreativraum) –<br />

nachhaltig in der Schulentwicklung zu<br />

verankern und zu vernetzen. Gemäss<br />

dem SEM-Konzept bietet sie regelmässig<br />

unterschiedliche Aktivitäten für die<br />

ganze Schule oder für einzelne Schulklassen<br />

an, die bei den Kindern indi-<br />

viduelle Interessen wecken sollen. Alle<br />

zwei Monate finden klassenübergrei-<br />

fende Lernateliers statt, in denen die<br />

Schüler aus zehn unterschiedlichen An-<br />

geboten wählen können. Es wird Wert<br />

darauf gelegt, dass die Kinder verschie-<br />

dene Grundfertigkeiten der Projektarbeit<br />

erlernen und auch Lernstrategien<br />

und Methodenkompetenzen entwickeln.<br />

Ein weiteres Element der Begabungs-<br />

förderung an der Primarschule Mythen<br />

und Haggen war das ‹Student Teacher<br />

Outreach Mentorship Program› STOMP:<br />

Studierende der ETH Zürich brach-<br />

ten ihr Fachwissen in die Schule ein und<br />

führten zusammen mit den Lehrper-<br />

sonen in drei Gruppen an acht Nachmittagen<br />

Projekte durch. Es ist geplant,<br />

STOMP auch in den nächsten Schuljahren<br />

weiterzuführen.<br />

auszeichnung Von schuLen<br />

43 Schulen aus 14 Kantonen der<br />

Deutschschweiz wurden seit 2004 mit<br />

dem LISSA-Preis ausgezeichnet. Seit<br />

2008 vergibt die <strong>Stiftung</strong> für hoch-<br />

begabte Kinder diesen Preis zusammen<br />

mit der <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong>,<br />

die dafür bis 2014 insgesamt 187 000<br />

Franken zur Verfügung stellt. Beide<br />

<strong>Stiftung</strong>en möchten mit der Auszeichnung<br />

einen Anreiz für Schulen schaffen,<br />

Begabungsförderungsprojekte auszu-<br />

arbeiten, durchzuführen und Interessierten<br />

zugänglich zu machen. Spannende<br />

Einblicke in verschiedene Begabungs-<br />

förderungsprojekte von Preisträgern<br />

vergangener Jahre geben die <strong>Stiftung</strong>en<br />

mit dem LISSA-Film ‹Begabungsför-<br />

derung konkret gemacht› und mit dem<br />

LISSA-Buch ‹Begabungsförderung<br />

leicht gemacht. Unterlagen und Konzepte<br />

von LISSA-Preisträgern› (hep-Verlag,<br />

ISBN: 978-3-03905-574-6, 39 Franken).<br />

regula haag von der <strong>Stiftung</strong> für hoch-<br />

begabte Kinder ist Projektleiterin des<br />

liSSa-Preises. stiftung@hochbegabt.ch<br />

es gibt viele Möglichkeiten, Begabungen zu<br />

fördern: Der liSSa-film stellt die Projekte<br />

der Primarschulen oberägeri (zg), rothenburg<br />

(lu) und untereggen (Sg) vor. Die DVD ist<br />

im internet unter www.lissa-preis.ch erhältlich.<br />

Lissa-Preisträger 20<strong>12</strong><br />

1. rang (10 000 franken):<br />

— Primarschule mythen und haggen rickenbach<br />

(sz): fit und stark fürs Leben 20<strong>12</strong><br />

2. rang (je 5 000 franken):<br />

— Primarschule ebnet (Lu): Begabungs-<br />

förderung als schulhauskultur<br />

— Primarschule sarnen (ow): faszination<br />

talent – Begabungsförderung<br />

— stadtschule winterthur (zh): exploratio –<br />

Begabungs- und Begabtenförderung<br />

3. rang (2 500 franken):<br />

— Primarschule geuensee (Lu): Personali-<br />

siertes Lernen – B&B-förderung in<br />

altersgemischten Klassen<br />

anerkennungspreis (1000 franken):<br />

— Primarschule Büren (nw): stärken<br />

im zentrum<br />

— schweizerische alpine mittelschule<br />

Davos (gr): samDplus<br />

schuLisches enrichment moDeLL (sem)<br />

Das schulische enrichment modell (sem)<br />

stellt eine gezielte auswahl von strategien zur<br />

Verfügung, um bei schülern motivation,<br />

Kreativität und engagement zu fördern. sem<br />

besteht aus drei aufeinander aufbauenden<br />

elementen:<br />

— talent-Portfolio: Darin werden die stärken<br />

der schüler zusammengestellt. es bildet<br />

die grundlage für die entscheidung über die<br />

passenden fördermassnahmen.<br />

— compacting: schüler mit besonderen Begabungen<br />

können den regulären schulstoff<br />

beschleunigt durcharbeiten.<br />

— enrichment: Durch das compacting<br />

gewinnen die schüler zeit, im unterricht<br />

eigenen Projekten nachzugehen.<br />

ziel des enrichments ist es, dass die schüler<br />

ihr formell erworbenes wissen auf inhalte<br />

anwenden, die sie persönlich interessieren. Das<br />

enrichment besteht aus drei stufen:<br />

— typ-I-aktivitäten: schnupperangebote<br />

wecken neue interessen der Kinder<br />

und zeigen ihre stärken.<br />

— typ-II-aktivitäten: indem sich die Kinder<br />

aktiv mit Lerntechniken, methoden und<br />

materialien auseinandersetzen, entwickeln<br />

sie ein kritisches und kreatives Denken<br />

und Problemlösungsfähigkeiten.<br />

— typ-III-aktivitäten: Die schüler erarbeiten<br />

eigene Projekte und führen diese selbst-<br />

ständig durch.<br />

57


58 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

diAloG ohNE<br />

diAloG drEhBuCh ohNE<br />

drEhBuCh<br />

Mit seinem umbau hat sich das Museum der Kulturen<br />

Basel nicht nur äusserlich verändert. Das grösste<br />

ethnologische Museum der <strong>Schweiz</strong> hat seine ausstel-<br />

lungen rundum neu konzipiert und ein neues Ver-<br />

mittlungsformat eingeführt: Studierende treten als Kulturvermittler<br />

in einen ‹Kultur-Dialog› mit den Besuchern.<br />

Doch wie kommt man mit einer fremden Person ins<br />

gespräch? was zeichnet einen gelungenen Dialog aus?<br />

text / henrietta DuerSchlag


tätigkeitsbereich wiSSenSchaft<br />

«Sind Sie zum ersten<br />

Mal hier?»<br />

Viele Gespräche, an die wir uns noch<br />

lange erinnern können, beginnen<br />

mit Trivialitäten. Man fängt bei alltäglichen,<br />

unverbindlichen Themen wie<br />

dem Wetter an und endet so manches<br />

Mal bei dem, was wir unter einem<br />

‹tiefgründigen Gespräch› verstehen. Doch<br />

damit es zu so einem Gespräch kommen<br />

kann, braucht es den kurzen, manch-<br />

mal aber auch quälend ewig scheinenden<br />

Moment der Unsicherheit: Geht das<br />

fremde Gegenüber auf meinen Kommunikationsvorschlag<br />

ein, oder nicht?<br />

Man rümpft die Nase über den andau-<br />

ernden Regen, kommentiert die Ver-<br />

spätung des Zuges oder fragt nach einer<br />

Zigarette. In den meisten Fällen bleibt<br />

es bei einem verständnisvollen, emphatischen<br />

Augenverdrehen, Kopfschütteln<br />

plus abschliessendem Lächeln,<br />

einem «Immer das Gleiche mit der Bahn»<br />

und Anbieten der Zigarette.<br />

«Nein, ich kenne<br />

das Museum noch von<br />

früher.»<br />

Und plötzlich kommt – wie aus dem<br />

Nichts – die Reaktion. Der abgeschlagene<br />

Ball wird nicht nur aufgenommen,<br />

sondern auch gekonnt zurückgepasst.<br />

Der erste Schritt ist getan. Jetzt liegt es<br />

an uns, den Ball wieder so zu schlagen,<br />

dass er vom Gegenüber auch ganz sicher<br />

getroffen wird. Was sich in der Theorie<br />

nahezu lachhaft anhört, kann sich in der<br />

Praxis als eine ernsthafte Herausfor-<br />

derung gestalten. Das Einmaleins der gut<br />

geführten Kommunikationsweise, vielen<br />

vielleicht noch aus der Schulzeit be-<br />

kannt, predigt in ähnlichen Momenten<br />

eine ‹W-Frage›.<br />

«Wie war es denn früher<br />

im Vergleich zu heute?<br />

Woran können Sie sich noch<br />

erinnern?»<br />

Alfred Hitchcock soll mal gesagt haben,<br />

dass der einzige Unterschied zwischen<br />

einem Spielfilm und Dokumentar-<br />

film darin bestehe, dass im ersten der<br />

Regisseur der Gott und im zweiten<br />

der Gott der Regisseur sei. Genau wie der<br />

Dokumentarfilmemacher verfügen wir<br />

‹Kulturdialögler›, wie wir intern im<br />

Museum der Kulturen liebevoll genannt<br />

werden, nicht über ein Drehbuch, das<br />

uns den genauen Verlauf eines Dialogs<br />

vorhersagen könnte. Somit reicht es<br />

oft nicht aus, auf gut Glück eine ‹W-Frage›<br />

zu stellen. Man muss seinen Gesprächspartner<br />

einschätzen können, man muss<br />

vorfühlen können, mit welcher Inten-<br />

sität und in welchem Winkel man den Ball<br />

wieder spielen muss, damit ein schöner,<br />

interessanter Dialog entsteht. Diese Kunst<br />

haben wir in einem Einführungswork-<br />

shop von unserem Coach, dem Kommunikationsexperten<br />

Dan Wiener, gelernt.<br />

Mit sehr viel Engagement und Hingabe<br />

hat er uns vermittelt, wie man zu<br />

einem Roger Federer der Kommunika-<br />

tion werden kann.<br />

«Es war schon anders, es war<br />

viel voller und es gab mehr<br />

zu sehen. Aber manchmal ist<br />

es schöner, sich in Ruhe<br />

mit einzelnen Objekten aus-<br />

einandersetzen zu können,<br />

sich auch inspirieren zu<br />

lassen und nicht so von Inputs<br />

überladen zu werden.»<br />

Jeder Besucher betritt das Museum der<br />

Kulturen mit einem ‹Rucksack›. Er be-<br />

inhaltet meistens einen gleichen Grund-<br />

stock an Gegenständen: Taschentücher,<br />

Portemonnaie, Hausschlüssel und<br />

Mobiltelefon. Wie diese Gegenstände tei-<br />

len wir mit jedem Besucher einen<br />

gewissen Erfahrungshorizont. Sei es die<br />

Tatsache, dass jeder von uns mal eine<br />

Schule besucht hat oder weiss, was am<br />

11. September 2001 passiert ist. Dieses<br />

kollektive Wissen und die kollekti-<br />

ven Erfahrungen führen dazu, dass man<br />

wirklich mit jedem Besucher viele<br />

gemeinsame Nenner hat. Während des<br />

Gesprächs öffnen wir sozusagen unsere<br />

Rucksäcke und stellen fest, dass neben<br />

den Telefonen und Geldbeuteln ein<br />

kleiner Glücksbringer, geschenkt vom<br />

besten Freund, oder ein Kinoticket<br />

für den nächsten Abend unseren per-<br />

sönlichen Rucksack einzigartig macht.<br />

Wir bewegen uns in derselben Stadt,<br />

in derselben ‹Kultur› und haben doch<br />

immer eine einzigartige, individuelle<br />

Sicht auf sie. Diese zwei Perspektiven<br />

aufzuzeigen, sie zu formulieren<br />

und sie miteinander zu vergleichen,<br />

macht aus einem Dialog einen<br />

Kultur-Dialog.<br />

«Ah, interessant, hier im<br />

Museum gibt es für Sie<br />

sozusagen mehr Impuls<br />

statt Input.»<br />

Das Ziel des gegenseitigen Herausnehmens<br />

und Austauschens der Gepäck-<br />

inhalte besteht darin, dass jeder Besucher<br />

das Museum um ein Stück reicher<br />

verlässt. Und das Schöne an meiner<br />

Arbeit ist, dass sich auch mein Rucksack<br />

nach jeder Begegnung mit einigen<br />

neuen interessanten Stücken füllt.<br />

«Ja! Genau das meine ich.<br />

Vielen Dank, ich<br />

gehe mir mal den Rest<br />

anschauen!»<br />

henrietta DuerSchlag studiert Kulturanthropologie<br />

und geschlechterforschung an der<br />

universität Basel. Seit sie von Mai bis Juni 20<strong>12</strong><br />

an der Schulung zur Kulturvermittlerin teilge-<br />

nommen hat, ist sie als solche im Museum<br />

der Kulturen Basel tätig. Das obige gespräch hat<br />

tatsächlich so stattgefunden – es war eines<br />

der ersten, das die Studentin als Kulturvermitt-<br />

lerin geführt hat. Die Dialoge mit den Besuchern<br />

haben immer sehr unterschiedliche inhalte: es<br />

kann ein gespräch über das Museum sein, aber<br />

auch über konkrete ausstellungsinhalte, aus<br />

dem sich ein austausch über aktuelle gesellschaftliche<br />

fragen entwickelt.<br />

59


tätigkeitsbereich wiSSenSchaft<br />

60 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

kultur-diAloG<br />

iM MusEuM<br />

dEr kulturEN<br />

text / Pierre-alain JeKer<br />

In seinem Bestreben, Raum für Kultur-<br />

Begegnungen zu bieten, geht das<br />

Museum der Kulturen Basel neue Wege.<br />

Es hat unter dem Titel ‹Kultur-Dialog /<br />

Dialog-Kultur› ein innovatives Format<br />

der Gesprächskultur eingeführt: Ge-<br />

schulte Kulturvermittler gehen in den<br />

Ausstellungen aktiv auf die Besucher zu.<br />

Sie stellen Fragen, stehen für Antwor-<br />

ten bereit und treten mit den Gästen in<br />

einen Kultur-Dialog. Museumsdirektorin<br />

Dr. Anna Schmid ist überzeugt, dass<br />

sich der Austausch mit den Besuchern in<br />

hohem Masse eignet, um nachhaltige<br />

Erkenntnisse über die tiefgreifenden<br />

kulturellen Veränderungen unserer Welt<br />

und über die Darstellung dieser Welt<br />

in einem Museum zu fördern. Die Stif-<br />

tung <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> ermöglicht mit<br />

ihrer Förderung in Höhe von 220 000<br />

Franken in den Jahren 2011 bis 2013<br />

die Erprobung dieser neuartigen Form<br />

des Wissensaustauschs.<br />

gehaLtVoLLer geDanKenaustausch<br />

Die Gespräche über ethnologisch und<br />

gesellschaftlich relevante Fragen<br />

eröffnen den Besuchern neue Sichtweisen<br />

auf das Museum wie auch auf<br />

die Ausstellungsinhalte. Sie werden angeregt,<br />

ihre Vorstellungen von Kultur<br />

zu reflektieren und zu diskutieren.<br />

Dadurch erweitern sie ihr Wissen und<br />

vertiefen ihr Verständnis für ihre<br />

eigene Kultur und für andere kulturelle<br />

Hintergründe. Das Museum und die<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> versprechen<br />

sich von dieser neuen Dialog-Kultur<br />

einen gehaltvollen Gedankenaustausch<br />

zwischen den Besuchern und dem<br />

Museum als Ort der Reflexion und Wis-<br />

sensvermittlung. Die Kulturvermittler<br />

wollen durch ihre unkomplizierte, ein-<br />

ladende Form des Gesprächs ein neues<br />

und junges Publikum fürs Museum<br />

begeistern. Zugleich erhält das Museum<br />

der Kulturen durch das Engagement<br />

der Kulturvermittler die Chance,<br />

die Sichtweisen der Besucher kennen-<br />

zulernen. «Solch ein gegenseitiger<br />

Austausch ist wichtig, um das<br />

Museum als Diskussionsplattform für<br />

eine breite Bevölkerungsschicht<br />

zu etablieren», sagt Anna Schmid.<br />

ProfessioneLLe schuLung<br />

Das Projekt ist gleichzeitig ein wertvolles<br />

Instrument zur Förderung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses: Zehn ausge-<br />

wählte Studierende der Ethnologie<br />

und Kulturwissenschaft wurden in einem<br />

zwölftägigen Workshop zu Kulturvermittlern<br />

ausgebildet. Der Kommunika-<br />

tionsspezialist Dan Wiener aus Basel<br />

hat dafür ein spezielles Trainingskonzept<br />

entwickelt. Dieses befähigt die Kulturver-<br />

mittler, die Besucher, die zu einem<br />

Gespräch bereit sind, zu interessanten<br />

Dialogen einzuladen und gemeinsam<br />

mit ihnen eine gedankliche ‹Kulturexpedition›<br />

zu unternehmen. Ergänzend<br />

profitierten die Workshopteilnehmer in<br />

ihrer Ausbildung von vielfältigen<br />

kultur- und museumsspezifischen Inputs<br />

durch Professor Walter Leimgruber<br />

von der Universität Basel und Museums-<br />

direktorin Anna Schmid. Nach der<br />

Teilnahme an diesem Workshop, der<br />

eine anerkannte Veranstaltung in den<br />

Studienfächern Kulturwissenschaft und<br />

Ethnologie ist, erhielten die Studierenden<br />

eine Teilzeitanstellung im Museum<br />

der Kulturen. Dies ermöglicht ihnen<br />

viele praktische und studienrelevante<br />

Erfahrungen in innovativer Wissensvermittlung<br />

und stärkt sie in ihren Fach-<br />

und Sozialkompetenzen.<br />

Pierre-alain JeKer ist für die Pr-arbeit des<br />

Museums der Kulturen Basel zuständig.<br />

pierre-alain.jeker@bs.ch<br />

Die Kulturvermittler stehen den Besuchern<br />

donnerstags, samstags und sonntags von<br />

10 bis 17 uhr zur Verfügung.<br />

www.mkb.ch<br />

Sie suchen das gespräch mit den Besuchern:<br />

henrietta Duerschlag (links), Stephan graf<br />

und livia wermuth sind drei von zehn Studierenden,<br />

die als Kulturvermittler im Museum der<br />

Kulturen arbeiten.


tätigkeitsbereich wiSSenSchaft<br />

GEMEiNsAME<br />

vErANstAltuNGEN<br />

ohNE GrENzEN text / Dr. ViVien KaPPel unD Dr. luiSe Menzi<br />

graDuate camPus<br />

mit dem graduate campus bietet die universi-<br />

tät zürich ihrem wissenschaftlichen nachwuchs<br />

nicht nur eine zentrale anlaufstelle für alle<br />

überfachlichen informationen und Dienstleistungen,<br />

sondern auch ein inspirierendes<br />

forschungsumfeld: Doktorierende und Post-<br />

doktorierende haben vielfältige möglichkeiten<br />

des austauschs, der Vernetzung und der<br />

zusammenarbeit – und dies über Disziplinen,<br />

fakultätsgrenzen und generationen hinweg.<br />

sie können mittel für selbstorganisierte,<br />

fächerübergreifende aktivitäten beantragen<br />

und an überfachlichen weiterbildungskursen<br />

teilnehmen. Der graduate campus setzt<br />

auf die eigeninitiative des wissenschaftlichen<br />

nachwuchses und der Verantwortlichen der<br />

Doktoratsprogramme der universität zürich.<br />

Damit fördert er eine nachhaltige, koope-<br />

rative Qualitätsentwicklung der Doktorats-<br />

stufe. Die stiftung mercator schweiz fördert<br />

den aufbau des graduate campus in den<br />

Jahren 2011 bis 2015 mit 3 615 000 franken.<br />

www.grc.uzh.ch<br />

62 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Worüber diskutieren Juristen, Veterinärmediziner<br />

und Ethiker fachlich mit-<br />

einander? Wo finden Parasitologen,<br />

Anglisten, Romanisten, Veterinärbiochemiker<br />

und Molekularbiologen Anknüpfungspunkte?<br />

Tatsächlich gibt es sehr<br />

viele Möglichkeiten des Austauschs und<br />

der Zusammenarbeit – junge Forschende<br />

der Universität Zürich machen es vor:<br />

Wo Fächergrenzen überschritten werden,<br />

sind der Ideenvielfalt und Kreativität<br />

keine Grenzen gesetzt. Mit Unterstützung<br />

der Graduate Campus (GRC) Grants<br />

organisieren sie eigene Aktivitäten zu<br />

gemeinsamen Themen. So fand von<br />

Oktober bis Dezember 20<strong>12</strong> die Vortragsreihe<br />

‹Würde der Kreatur. Ethische und<br />

rechtliche Perspektiven› statt, in der<br />

Wissenschaftler aus unterschiedlichen<br />

Fachbereichen dieses in der <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Bundesverfassung verankerte<br />

Konzept aus unterschiedlichen Perspektiven<br />

beleuchteten. Und von Februar bis<br />

Mai 2013 organisieren Postdoktorierende<br />

der Natur- und Geisteswissenschaften<br />

eine Ringvorlesung zum Thema ‹Wissen,<br />

Kommunikation, Kooperation›.<br />

wichtige KomPetenzen<br />

Mit den GRC Grants unterstützt der<br />

Graduate Campus der Universität Zürich<br />

Aktivitäten, die von Doktorierenden<br />

und Postdoktorierenden selbst initiiert<br />

und in eigener Regie durchgeführt<br />

werden. Damit wird nicht nur die Eigen-<br />

initiative der Forschenden unterstützt,<br />

es werden auch gezielt Kompetenzen wie<br />

Projektführung und -management auf-<br />

und ausgebaut, die für die eigene Karriere<br />

relevant sind. Das Format der förderfä-<br />

higen Aktivitäten ist bewusst offen<br />

gehalten, um die Kreativität der Antragstellenden<br />

nicht einzuschränken. So<br />

werden eintägige Workshops ebenso ge-<br />

fördert wie Vortragsreihen, Arbeits-<br />

gruppen oder Ausstellungen. GRC Grants<br />

können nur von einer Gruppe von<br />

mindestens drei Doktorierenden und /<br />

oder Postdoktorierenden beantragt wer-<br />

den und bedürfen der Zustimmung eines<br />

professoralen Mitglieds der Fakultät.<br />

An einer Veranstaltung sollen möglichst<br />

viele junge Wissenschaftler teilnehmen<br />

können. Damit wird gezielt der Austausch<br />

zwischen Nachwuchsforschenden<br />

und somit deren wissenschaftliche<br />

Sozialisation gefördert. Mit den GRC<br />

Grants werden Aktivitäten unterstützt,<br />

deren thematische Ausrichtung über<br />

einen einzelnen Fachbereich oder eine<br />

Disziplin hinausgeht. Die Themenbereiche<br />

sollen dabei aber möglichst eng<br />

an die Forschungsbereiche der jeweiligen<br />

Antragsteller geknüpft sein, um<br />

einen grösstmöglichen Mehrwert<br />

für ihre wissenschaftliche Karriere zu<br />

ermöglichen.<br />

VieLVersPrechenDer anfang<br />

Am 1. Dezember 20<strong>12</strong> lief die vierte Be-<br />

werbungsfrist ab. Ein Rückblick auf<br />

die ersten drei Ausschreibungsrunden<br />

zeigt eine erfreuliche Resonanz und<br />

Qualität. Es wurden 25 Anträge eingereicht,<br />

19 Projekte bewilligt. Bei<br />

rund drei Viertel der Anträge erhielten<br />

die Gesuchsteller vor der endgül-<br />

tigen Bewilligung wertvolle Empfehlungen<br />

durch den Vergabeausschuss, um<br />

den wissenschaftlichen Output und den<br />

Mehrwert für die teilnehmenden<br />

Nachwuchsforschenden zu optimieren.<br />

Die Themenvielfalt ist beeindruckend:<br />

Sie reicht von Laut- und Gebärden-<br />

sprache über den Umgang mit Wissen in<br />

Spätantike und Frühmittelalter bis zu<br />

Demokratie und Bürgerschaft in Europa.<br />

ViVien KaPPel ist stellvertretende geschäftsführerin<br />

des graduate campus der uni-<br />

versität zürich. vivien.kappel@grc.uzh.ch<br />

luiSe Menzi ist wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin und zuständig für den Bereich<br />

Kommunikation und Veranstaltungen.<br />

luise.menzi@grc.uzh.ch


tätigkeitsbereich wiSSenSchaft<br />

EiNE GrossE<br />

BErEiChEruNG<br />

Den gemeinsamen roten Faden darf<br />

man nie aus dem Auge verlieren,<br />

sagt Dr. Margot Michel. Wenn man dann<br />

noch Freude am Thema hat, wenn die<br />

Projektgruppe gut zusammenarbeitet<br />

und man sich auf die Besonderheiten der<br />

anderen beteiligten Disziplinen ein-<br />

lässt, gelingen gemeinsame Veranstal-<br />

tungen über Fächergrenzen hinweg.<br />

Die Postdoktorandin an der Rechtswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Universität<br />

Zürich hat in einem interdisziplinären<br />

Team die Veranstaltungsreihe ‹Würde der<br />

Kreatur. Ethische und rechtliche Per-<br />

spektiven› organisiert. Die GRC Grants<br />

halfen ihr dabei.<br />

Warum war es Ihnen wichtig, eine eigene<br />

Veranstaltung zu organisieren?<br />

Neben der eigentlichen wissenschaftlichen<br />

Arbeit ist der Austausch mit<br />

Kolleginnen und Kollegen ein sehr<br />

wichtiger Teil der akademischen Tätig-<br />

keit – insbesondere auch über die<br />

Fachgrenzen hinweg. Dafür braucht es<br />

allerdings besondere Plattformen.<br />

Eine Veranstaltungsreihe, wie wir sie<br />

organisiert haben, ist dafür ideal.<br />

Wie haben Ihnen die GRC Grants bei<br />

der Organisation Ihrer Vortragsreihe<br />

geholfen?<br />

Ohne die GRC Grants hätten wir<br />

nicht über die finanziellen Ressour-<br />

cen verfügt, eine solche Veranstaltung<br />

zu organisieren.<br />

Was schätzen Sie an diesem Förder-<br />

instrument?<br />

Dieses Förderinstrument ist im<br />

Vergleich zu vielen anderen sehr unkompliziert.<br />

Dadurch muss man weniger<br />

Zeit in Antragstellung und spätere<br />

Administration investieren. Und diese<br />

Zeit bleibt einem für die wissenschaft-<br />

liche Tätigkeit. Das macht dieses Ins-<br />

trument für Nachwuchswissenschaftler<br />

so attraktiv.<br />

Warum haben Sie das Thema ‹Würde der<br />

Kreatur› gewählt?<br />

In diesem Bereich wird an der Universität<br />

Zürich noch verhältnismässig<br />

wenig angeboten. Deshalb erschien es uns<br />

wichtig, den 20-jährigen ‹Geburtstag› des<br />

Schutzes der Würde der Kreatur in der<br />

<strong>Schweiz</strong>erischen Bundesverfassung zum<br />

Anlass zu nehmen, über dieses Konzept<br />

zu reflektieren. Es ging uns nicht nur<br />

um eine Bestandsaufnahme des Themas,<br />

wir wollten auch Zukunftsperspek-<br />

tiven und Weiterentwicklungsmöglichkeiten<br />

aufzeigen.<br />

Wie erleben Sie die interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit in Ihrem Projekt?<br />

Die Zusammenarbeit ist sehr<br />

bereichernd und effizient. Der Austausch<br />

über die eigenen Fachgrenzen hinweg<br />

eröffnet neue Blickwinkel auf die eigene<br />

Fragestellung. So werden die facheige-<br />

nen Zugänge zur Problematik deutlicher,<br />

die Chancen und Grenzen der eigenen<br />

Disziplin treten hervor. Unsere Leitungsgruppe<br />

hatte allerdings bereits vor<br />

Einreichung des Projekts über längere<br />

Zeit eine informelle interdisziplinäre<br />

Forschungsgruppe gebildet. So konnten<br />

wir auf eine gemeinsame Sprache<br />

und ein Vorwissen in der jeweils anderen<br />

Fachdisziplin zurückgreifen.<br />

Warum finden Sie die interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit wichtig?<br />

Die heutige Welt ist stark vernetzt,<br />

und Probleme lassen sich meist nicht<br />

unter Beschränkung auf nur eine Diszi-<br />

plin lösen. Das erlebe ich nicht nur in<br />

meinem Forschungsschwerpunkt ‹Animal<br />

Law›, sondern auch im Medizinrecht,<br />

wo der Austausch über die Fachgrenzen<br />

hinweg überhaupt erst ermöglicht,<br />

tragfähige Lösungen zu entwickeln.<br />

Vortragsreihe<br />

Vor 20 Jahren fand der Begriff der ‹würde der<br />

Kreatur› eingang in die schweizerische Bundesverfassung.<br />

an sieben abenden zwischen<br />

dem 10. oktober und 19. Dezember 20<strong>12</strong> trugen<br />

referierende aus unterschiedlichen fachbe-<br />

reichen zur weiteren Klärung des Konzepts bei.<br />

Die Veranstaltungsreihe wurde organisiert<br />

von Dr. margot michel, oberassistentin am Lehr-<br />

stuhl für Privatrecht und rechtsvergleichung<br />

der rechtswissenschaftlichen fakultät der<br />

universität zürich, Dr. christoph ammann, ober-<br />

assistent am institut für sozialethik des ethik-<br />

zentrums der universität zürich und Dr. Lorenz<br />

engi, stipendiat des forschungskredits der<br />

universität zürich.<br />

63


tätigkeitsbereich KinDer unD JugenDliche<br />

Der AlltA Allt g ist voller<br />

lerngelegenheiten<br />

Spielerisch entdecken Kleinkinder die Welt um sich herum, neugierig<br />

probieren sie neue Dinge aus. Wie Eltern und Betreuungspersonen<br />

alltägliche Situationen als Lerngelegenheiten für Kinder erkennen und<br />

fördern können, zeigt die Bildungsdirektion des Kantons Zürich mit<br />

ihrem Filmprojekt ‹Lerngelegenheiten›.<br />

text / Muriel Degen<br />

64 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Emma sitzt in der Badewanne. Vorsichtig<br />

beginnt sie, verschiedene Gefässe mit<br />

Wasser zu füllen und umzuschütten. Sie<br />

hält ein leeres Shampoofläschchen<br />

unter Wasser und ist überrascht, was<br />

passiert: Oberhalb des Wassers war die<br />

Flasche still, unter Wasser beginnt es,<br />

aus ihr zu blubbern – erst langsam, dann<br />

schneller. Auch die Wasseroberfläche ist<br />

plötzlich unruhig. Wasser spritzt ein<br />

wenig nach oben, und dann ist es wieder<br />

still. Aber die Flasche ist schwer geworden,<br />

voll Wasser und jetzt blubbert<br />

sie beim Ausschütten auch oberhalb des<br />

Wassers. Emma ist begeistert über<br />

diese neue Entdeckung. Sie wiederholt<br />

das Experiment mit anderen Gefässen.<br />

Papi ist vielleicht wenig glücklich, als<br />

er nach zehn Minuten den Badezimmerboden<br />

aufwischt. Aber eigentlich<br />

sollte er sich freuen: Emma hat soeben<br />

eine überaus reichhaltige alltägliche<br />

Lerngelegenheit so richtig ausgekostet.<br />

famiLie aLs Lernort<br />

Die ersten Lebensjahre stellen wichtige<br />

Weichen für die Entwicklung von<br />

Kindern. Sie lernen in dieser Zeit so<br />

viel wie in keiner späteren Lebensphase.<br />

Sie erlernen die Sprache, entwickeln<br />

Problemlösungsfähigkeiten, bauen Be-<br />

ziehungen zu Gleichaltrigen und<br />

Erwachsenen auf. Sie eignen sich Fähigkeiten<br />

an, die für das ganze Leben<br />

wichtig sind. Der stärkste Einfluss auf<br />

die gesamte Entwicklung der Kinder<br />

geht dabei von den Familien aus.<br />

Es kommt darauf an, wie Eltern und<br />

weitere Bezugspersonen den Alltag<br />

von Kleinkindern begleiten und ihre<br />

Neugier aufgreifen, wie sie mit<br />

ihnen kommunizieren und ihre Entwick-<br />

lungs- und Lernschritte unterstützen.<br />

Die Bildungsdirektion des Kantons<br />

Zürich setzt sich für die frühe Förde-<br />

rung von Kindern ein. Mit ihrer Strategie<br />

zur frühen Förderung, die sie im Mai<br />

20<strong>12</strong> veröffentlicht hat, will die Bildungsdirektion<br />

ihre bisherigen Aktivitäten<br />

im Frühbereich verstärken, ausbauen<br />

und noch besser aufeinander abstimmen.<br />

Dieses Engagement hat gute Gründe:<br />

Lernstandserhebungen zeigen, dass Kin-<br />

der aus sozial benachteiligten Familien<br />

ihre vergleichsweise ungünstigen Start-<br />

bedingungen vielfach während der<br />

ganzen Schulzeit nicht aufholen können.<br />

Die Unterschiede zwischen den Schülern<br />

verstärken sich hinsichtlich kogniti-<br />

ver, sprachlicher und sozialer Fähigkeiten<br />

oftmals sogar noch deutlich. Eine frühe<br />

Förderung kann die Startchancengleichheit<br />

beim Schuleintritt erhöhen.<br />

anschauLiche fiLme<br />

Mit ihrem Projekt ‹Lerngelegenheiten›<br />

möchte die Zürcher Bildungsdirektion<br />

einen Beitrag zu mehr Chancengerechtig-<br />

keit leisten. Eltern und Betreuungs-<br />

personen von Kindertagesstätten, Tages-<br />

familien und Spielgruppen möchte sie<br />

anregen, alltägliche Situationen als Lern-<br />

gelegenheiten für Kinder zu erkennen<br />

und zu nutzen. Dafür stellt das Marie<br />

Meierhofer Institut für das Kind (MMI) in<br />

Zusammenarbeit mit einem professio-<br />

nellen Filmteam Filmsequenzen her, die<br />

verschiedene Lerngelegenheiten in den


unterschiedlichen Lebenswelten von<br />

Kleinkindern zeigen. Diese Filmsequenzen<br />

sollen im Sommer 2013 kostenlos<br />

auf einer Website zur Verfügung stehen.<br />

Die Bildungsdirektion hat sich<br />

für die Produktion von Filmen entschieden,<br />

da diese als Anschauungsmaterial<br />

einen wesentlichen Vorteil bieten: Sie<br />

überwinden die Schriftlichkeitsgrenze<br />

und schaffen leichter Zugänge zu Eltern<br />

und Bezugspersonen mit ganz unterschiedlichen<br />

sozialen und kulturellen<br />

Hintergründen. Inhaltlich beziehen sich<br />

die Filme auf den ‹Orientierungsrahmen<br />

für frühkindliche Bildung, Betreuung<br />

und Erziehung in der <strong>Schweiz</strong>›, den das<br />

MMI im Auftrag der <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

UNESCO-Kommission und des Netzwerks<br />

Kinderbetreuung erarbeitet hat.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> hat<br />

nicht nur die Erarbeitung des Orientierungsrahmens<br />

gefördert, sie unter-<br />

stützt zusammen mit dem Lotteriefonds<br />

Zürich, der Jacobs Foundation und<br />

weiteren Förderern auch das Projekt<br />

‹Lerngelegenheiten› mit 250 000 Franken.<br />

entDecKungsreisen Von KinDern<br />

Ein Teil der Filmsequenzen richtet sich<br />

konkret an Familien. Mit ausdrucks-<br />

starken Bildern erhalten Eltern und<br />

weitere Bezugspersonen gute Beispiele,<br />

wie aus dem Alltag heraus wertvolle<br />

Lerngelegenheiten für Kinder entstehen<br />

können. Kurze, etwa zweiminütige<br />

Filmsequenzen fangen Lernsituationen<br />

und ‹Entdeckungsreisen› von Kindern<br />

im Alter zwischen wenigen Monaten<br />

und vier Jahren ein. Die Kleinkindberatung<br />

und Elternbildung in den Ge-<br />

meinden machen den Familien diese<br />

Filme bekannt.<br />

Zudem macht die Filmreihe<br />

konkrete Lerngelegenheiten in Betreu-<br />

ungseinrichtungen deutlich: Kitas,<br />

Tagesfamilien und Spielgruppen bieten<br />

für Kleinkinder gute Möglichkeiten,<br />

Spiel- und Lernerfahrungen zu machen.<br />

Mit den Filmsequenzen für Betreuungseinrichtungen<br />

möchte die Bildungs-<br />

direktion dem Fachpersonal im Frühbereich<br />

anschauliches Lernmaterial zur<br />

Verfügung stellen, das sie für früh-<br />

kindliche Lernsituationen sensibilisiert.<br />

Durch die Beispiele in den Filmen er-<br />

fahren die Betreuungspersonen, wie sie<br />

die Lernfreude der Kinder unterstützen<br />

und ihnen entsprechende pädagogische<br />

Anreize bieten können, damit diese<br />

individuell herausgefordert und in ihrer<br />

Eigenaktivität gestärkt werden. Die<br />

Filme sollen dazu beitragen, die pädagogische<br />

Betreuungsqualität in Kinder-<br />

tageseinrichtungen zu thematisieren<br />

und entsprechende Entwicklungsarbeit<br />

auszulösen. Über die Aus- und Weiter-<br />

bildung und einschlägige Netzwerke und<br />

Verbände werden den Fachkräften die<br />

Filme vermittelt.<br />

GruNdlAGE für diE<br />

frühkiNdliChE BilduNG<br />

Seit Mai 20<strong>12</strong> liegt in der <strong>Schweiz</strong> erst-<br />

mals ein pädagogisches Referenzdokument<br />

für die frühkindliche Bildung,<br />

Betreuung und Erziehung vor. Das<br />

Marie Meierhofer Institut für das Kind<br />

hat diesen Orientierungsrahmen im<br />

Auftrag der <strong>Schweiz</strong>erischen UNESCO-<br />

Kommission und des Netzwerks Kinder-<br />

betreuung erarbeitet. Das Dokument<br />

beschreibt auf Grundlage neuester fach-<br />

licher und wissenschaftlicher Erkenntnisse,<br />

wie kleine Kinder die Welt<br />

entdecken und wie Erwachsene sie dabei<br />

begleiten können. Der Orientierungs-<br />

rahmen richtet sich an alle Erwachsenen,<br />

die für kleine Kinder Verantwortung<br />

tragen. Besonders angesprochen sind<br />

Fachpersonen in der Kinderbetreuung,<br />

Trägerschaften und kommunale wie<br />

kantonale Behörden. Mit dem Orientierungsrahmen<br />

möchten die Herausgeber<br />

dazu beitragen, das Wissen über die<br />

Entwicklung kleiner Kinder zu vertie-<br />

fen, Qualitätsentwicklungen anzuregen<br />

und zu stärken. Das Dokument soll<br />

eine pädagogische Grundlage für die<br />

frühkindliche Bildung, Betreuung<br />

und Erziehung in der <strong>Schweiz</strong> bieten.<br />

umfassenDer Praxistest<br />

Der ‹Orientierungsrahmen für die früh-<br />

kindliche Bildung, Betreuung und<br />

Erziehung in der <strong>Schweiz</strong>› wurde am<br />

24. Mai 20<strong>12</strong> im Beisein der Zürcher<br />

Regierungsrätin Regine Aeppli, des<br />

Bildungsforschers Stefan Wolter, der<br />

Unternehmerin Carolina Müller-Möhl,<br />

des Stadtpräsidenten von Vernier<br />

(GE) Thierry Apothéloz, der Nationalrätin<br />

Jacqueline Fehr sowie zahlreichen<br />

weiteren Vertretern aus Wissenschaft<br />

und Praxis öffentlich in Bern präsentiert.<br />

Muriel Degen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<br />

in der abteilung Bildungsplanung der<br />

Bildungsdirektion des Kantons zürich.<br />

Sie leitet das Projekt ‹lerngelegenheiten›.<br />

muriel.degen@bi.zh.ch<br />

informationen zur Strategie zur frühen förderung<br />

der Bildungsdirektion des Kantons zürich:<br />

www.bi.zh.ch<br />

Nun startet das Vorhaben in seine zweite<br />

Phase: Die <strong>Schweiz</strong>erische UNESCO-<br />

Kommission und das Netzwerk Kinderbetreuung<br />

unterziehen den Orientierungsrahmen<br />

einem umfassenden Praxis-<br />

test. Verschiedene Partner wie Städte,<br />

Kantone, Trägerschaften und Ausbildungsinstitute<br />

werden bei der Anwendung<br />

und Erprobung des Orientierungsrahmens<br />

unterstützt, die Resultate der<br />

Projekte werden ausgewertet. Die Pro-<br />

jektpartner befinden sich in der ganzen<br />

<strong>Schweiz</strong>. Begleitend wird mit öffentlichen<br />

Veranstaltungen und einer Vernetzungs-<br />

und Austauschplattform der<br />

fachlich-wissenschaftliche Diskurs über<br />

pädagogische Qualität weitergeführt.<br />

KinD im zentrum<br />

Der Orientierungsrahmen macht klar:<br />

Das Kind steht im Zentrum. Die Be-<br />

treuungsangebote erreichen dann eine<br />

hohe Qualität, wenn sie gezielt auf<br />

die Bedürfnisse und Rechte der Kinder<br />

eingehen. Dies im Alltag umzusetzen,<br />

ist anspruchsvoll. Die Erfahrungen,<br />

Anpassungen und Ergänzungen der<br />

Praxispartner werden ebenso wie die po-<br />

litische Diskussion dazu beitragen,<br />

diese Arbeit weiter zu konkretisieren.<br />

Mit den Beispielen der Projekte, mit<br />

den Resultaten der Diskussionen werden<br />

in den nächsten zwei Jahren weitere<br />

Materialien entstehen, welche die Praxisanwendung<br />

des Orientierungsrahmens<br />

unterstützen.<br />

text / MiriaM wetter unD DoMiniK BÜchel<br />

Beide leiten das Projekt im auftrag der<br />

<strong>Schweiz</strong>erischen uneSco-Kommission und<br />

des netzwerks Kinderbetreuung.<br />

m.wetter@netzwerk-kinderbetreuung.ch,<br />

buechel@advocacy.ch<br />

65


tätigkeitsbereich MenSch unD uMwelt<br />

Gesunde<br />

nahrunG für<br />

alle<br />

Wie kann in Zukunft die wachsende Weltbevölkerung<br />

gesund, umweltschonend und gerecht ernährt<br />

werden? Welche Rolle spielt dabei die nachhaltige<br />

Landwirtschaft? Die ETH Zürich sucht mit ihrem<br />

neuen Kompetenzzentrum ‹World Food System Center›<br />

nach Antworten auf diese Fragen. TExTE / nADinE FiEKE<br />

67


tätigkeitsbereich MenSch unD uMwelt<br />

Die Fakten, die Professor Roland Siegwart<br />

bei der ETH-internen Eröffnungsveranstaltung<br />

des ‹World Food System Centers›<br />

am 14. September 20<strong>12</strong> präsentierte,<br />

sind alarmierend:<br />

— Die Weltbevölkerung wird voraussichtlich<br />

bis zum Jahr 2050<br />

von 7 Milliarden auf 9 Milliarden<br />

Menschen ansteigen.<br />

— 925 Millionen Menschen leiden<br />

bereits heute unter Hunger<br />

und extremer Armut.<br />

— 98 Prozent dieser Menschen leben<br />

in Asien und Afrika.<br />

— 75 Prozent der hungernden Menschen<br />

wohnen in landwirt-<br />

schaftlich geprägten Regionen.<br />

— Jedes vierte Kind ist chronisch<br />

unterernährt.<br />

— 6 Millionen Kinder sterben<br />

jedes Jahr an Hunger.<br />

— 35 Prozent der weltweiten Getrei-<br />

deernte wird an Vieh verfüttert.<br />

— 33 Prozent aller erzeugten<br />

Nahrungsmittel gehen nach der<br />

Ernte verloren oder werden<br />

weggeworfen.<br />

— Unterernährung hält Menschen in<br />

der Armutsfalle gefangen.<br />

«Die Ernährungssicherung ist die grösste<br />

Herausforderung für unsere Gesellschaft»,<br />

sagte der Vizepräsident der ETH<br />

Zürich. Um einen Beitrag zu ihrer Be-<br />

wältigung zu leisten, hat die Hochschule<br />

Ende 2011 das ‹World Food System<br />

Center› gegründet. 31 Professoren aus<br />

fünf Departementen der ETH Zürich und<br />

dem Wasserforschungsinstitut eawag<br />

arbeiten in diesem Kompetenzzentrum<br />

zusammen. Mit inter- und transdis-<br />

ziplinären Forschungsansätzen möchten<br />

sie nachhaltige und praxisnahe Lö-<br />

sungsstrategien für die globale Ernäh-<br />

rungssituation entwickeln.<br />

schwierige rahmenBeDingungen<br />

Das Interesse an der «ersten Geburtstagsparty»,<br />

wie Professorin Nina Buchmann<br />

die Eröffnungsfeier zufrieden nannte, war<br />

gross: 160 Gäste verfolgten die Feier-<br />

lichkeiten – «mehr als wir je erwartet<br />

hätten». Dass unter ihnen viele Stu-<br />

dierende waren, freute die Leiterin des<br />

Kompetenzzentrums, denn «das Thema<br />

wird sie noch lange beschäftigen». In<br />

Fragen der Ernährungssicherheit gehe<br />

es nicht nur um «Nahrung für alle»,<br />

betonte Professorin Buchmann, als sie<br />

das ‹World Food System Center›<br />

vorstellte. Das Ziel sei «die nachhaltige<br />

68 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

Produktion gesunder Nahrung für alle».<br />

Doch die Umweltbedingungen, geprägt<br />

durch Bodenerosion, Wasserknapp-<br />

heit, neue Pflanzenkrankheiten und<br />

Klimawandel, erschweren die Nahrungsmittelproduktion.<br />

Gleichzeitig beein-<br />

flussen vielfältige soziale, politische und<br />

ökonomische Rahmenbedingungen<br />

die Welternährung. Um die Herausforde-<br />

rung der Ernährungssicherung erfolg-<br />

reich anzugehen, nimmt das Kompetenz-<br />

zentrum das gesamte Welternährungs-<br />

system (also Anbau, Ernte, Verarbeitung,<br />

Transport, Handel, Verteilung und Ver-<br />

zehr von Nahrungsmitteln) mit all seinen<br />

Strukturen, Prozessen und vielschichtigen<br />

Wechselwirkungen in den Blick.<br />

gezieLte KooPerationen<br />

Die ETH Zürich möchte in der Forschung<br />

im Bereich der Ernährungssicherung<br />

eine internationale Führungsrolle über-<br />

nehmen. «Doch Forschung alleine<br />

reicht nicht aus», appellierte Professorin<br />

Buchmann. Die Forschungsergebnisse<br />

müssen gesellschaftlich relevant sein<br />

und an die entsprechenden Akteure ver-<br />

breitet werden. Deshalb sucht die<br />

Hochschule gezielt die Kooperation mit<br />

Industrie, Politik und Gesellschaft.<br />

«Wir möchten mit Partnern zusammenar-<br />

beiten, um die Lösungen umzusetzen<br />

und wirklich zu einer nachhaltigen Er-<br />

nährungssicherheit beizutragen.»<br />

Einer dieser Partner ist die <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong>. Mit dem ‹<strong>Mercator</strong><br />

Research Program› fördert die <strong>Stiftung</strong><br />

inter- und transdisziplinäre PhD-Pro-<br />

jekte, die praxisnah untersuchen, was die<br />

ökologische Landwirtschaft zur Ernährungssicherung<br />

beitragen kann. Neben<br />

der Forschung stehen in der Programmpartnerschaft<br />

die Aus- und Weiter-<br />

bildung sowie Aktivitäten zum Dialog<br />

mit der Öffentlichkeit im Zentrum<br />

– drei Schwerpunkte, die das gesamte<br />

Kompetenzzentrum kennzeichnen.<br />

Während der zehnjährigen Pro-<br />

grammpartnerschaft, für die die <strong>Stiftung</strong><br />

5 Millionen Franken zur Verfügung<br />

stellt, sollen 15 Dissertationen mit Bezug<br />

zu den Themen ‹Nachhaltige Land-<br />

nutzung›, ‹Natürliche Ressourcen› und<br />

‹Klimawandel und Agrarökosysteme›<br />

gefördert werden. Einmal im Jahr wählt<br />

die ETH Zürich die Projekte aus; die<br />

ersten zwei Forschungsvorhaben sind im<br />

Herbst 20<strong>12</strong> gestartet. Sie beschäf-<br />

tigen sich mit Fragen der ökologischen<br />

Kaffee- und Milchproduktion.<br />

Die ökologische Milch- und Kaffeeproduktion<br />

steht im fokus der ersten zwei forschungs-<br />

projekte, die im herbst 20<strong>12</strong> im rahmen des<br />

<strong>Mercator</strong>-Programms gestartet sind.<br />

Kontakt: eth zürich, world food System center,<br />

Michelle grant, mgrant@ethz.ch


oPtiMierung Von<br />

Vielfältigen öKoSySteM-<br />

DienStleiStungen in<br />

Der Kaffee-ProDuKtion<br />

ProJeKtVerantwortlicher:<br />

Prof. JaBoury ghazoul<br />

DoKtoranDin: MaiKe neSPer<br />

Die Kaffeeproduktion ist Lebensgrund-<br />

lage für 26 Millionen Kleinbauern in<br />

über 70 tropischen Ländern. Mit einem<br />

jährlichen Umsatz von 70 Milliarden<br />

US-Dollar ist Kaffee eines der wichtigsten<br />

landwirtschaftlichen Produkte weltweit<br />

– und die Nachfrage steigt weiter.<br />

Um ihre Erträge zu steigern, geben<br />

immer mehr Kleinbauern die traditio-<br />

nelle Agroforstwirtschaft auf. Statt die<br />

Kaffeebüsche im Schatten einheimi-<br />

scher Bäume anzupflanzen, reduzieren<br />

sie deren Dichte oder ersetzen sie<br />

durch Monokulturen nichteinheimischer<br />

Bäume. «Kurzfristig steigen dadurch<br />

die Erträge», erklärt Professor Jaboury<br />

Ghazoul. Doch langfristig sind die<br />

Kaffeepflanzen anfälliger für Krankheiten<br />

und gegenüber Klimaextremen.<br />

Zudem verliert der Boden an Frucht-<br />

barkeit, womit die Bauern abhängig<br />

werden von Kunstdünger und Pestiziden<br />

– und damit von Weltmarktpreisen.<br />

Das Projekt ‹Optimierung von<br />

vielfältigen Ökosystemdienstleistungen<br />

in der Kaffee-Produktion› (Managing<br />

Trade-Offs in Coffee Agroforests) er-<br />

forscht, wie Baumbestände eine ökologisch<br />

und ökonomisch nachhaltigere<br />

Kaffeeproduktion ermöglichen können.<br />

Die Wissenschaftler untersuchen,<br />

wie die Bäume mit den Kaffeebüschen<br />

interagieren – wie sie den Nährstoff-<br />

kreislauf im Boden regulieren, wie sie<br />

die Bestäubung der Kaffeepflanzen be-<br />

einflussen und die Ernte vor Klima-<br />

extremen schützen. «Denn auf all diese<br />

Aspekte können die Bäume je nach Art<br />

positive und negative Auswirkungen<br />

haben», betont Professor Ghazoul. Ziel<br />

müsse es sein, die negativen Wirkungen<br />

der Bäume zu verringern und ihre<br />

‹Dienstleistungen› zu nutzen. Die For-<br />

scher möchten herausfinden, wie eine<br />

optimale Anpflanzung der Bäume für<br />

eine möglichst produktive und umweltgerechte<br />

Agroforstwirtschaft aussieht.<br />

Antworten sucht das internationale<br />

Wissenschaftsteam (beteiligt sind<br />

Forscher der ETH Zürich, der University<br />

of Agricultural Sciences in Bangalore,<br />

des CIRAD in Frankreich und des World<br />

Agroforestry Centre) zusammen<br />

mit 60 Kaffeebauern in Südindien. Sie<br />

sammeln Daten auf Plantagen mit<br />

unterschiedlichen Baumarten, Bepflanzungsdichten<br />

und Bewirtschaftungs-<br />

systemen. Die Doktorandin Maike Nesper<br />

schätzt den direkten Kontakt mit den<br />

Kleinbauern: «Dadurch kann ich soziale<br />

und ökonomische Schwierigkeiten in<br />

die Lösungsfindung einbeziehen.» Dass<br />

sie mit ihrer Forschungsarbeit nicht<br />

nur zu einem nachhaltigeren Kaffeeanbau<br />

beitragen kann, sondern durch<br />

Workshops für die Kleinbauern auch am<br />

Wissenstransfer in die Praxis beteiligt<br />

ist, motiviert die 30-Jährige aus Kilchberg<br />

(ZH) zusätzlich. Sie ist überzeugt vom<br />

Nutzen der Agroforstwirtschaft für<br />

Kleinbauern: «Bäume können nicht nur<br />

den Nährstoffkreislauf positiv beeinflussen<br />

und Temperatur- und Niederschlagsschwankungen<br />

ausgleichen, mit denen<br />

Kaffeeanbauregionen in Folge des<br />

Klimawandels konfrontiert sein werden»,<br />

betont Maike Nesper. «Sie sind auch<br />

eine zusätzliche Einnahmequelle.» Die<br />

Bauern können Früchte und Holz<br />

nutzen – und das macht sie unabhängiger<br />

vom stark schwankenden Kaffeepreis.<br />

erhöhung Der nutzungS-<br />

Dauer Von Milch-<br />

KÜhen alS Strategie<br />

zur reDuKtion Von<br />

treiBhauSgaSeMiSSionen<br />

ProJeKtVerantwortlicher:<br />

Prof. Michael Kreuzer<br />

DoKtoranD: florian granDl<br />

Milch ist ein wichtiges Nahrungsmittel.<br />

Doch die Milchproduktion ist auch<br />

verantwortlich für einen erheblichen<br />

Anteil klimaschädlicher Treibhaus-<br />

gasemissionen aus der Landwirtschaft.<br />

«Eine besorgniserregende Entwick-<br />

lung ist die laufende Verringerung der<br />

Nutzungsdauer der Kühe», erklärt<br />

Professor Michael Kreuzer. «Damit wird<br />

die produktive Phase ihres Lebens immer<br />

kürzer.» Gleichzeitig verschärfen die<br />

Veränderungen in der Milchproduktion<br />

die Situation der Welternährung:<br />

«Kühe in intensiven Produktionssystemen<br />

werden zu Nahrungsmittelkonkurrenten<br />

für den Menschen», betont<br />

Professor Kreuzer. Denn um möglichst<br />

viel Milch zu gewinnen, besteht das<br />

Futter der Kühe zunehmend aus Kraft-<br />

futter – und dessen Bestandteile könnten<br />

grösstenteils auch als Lebensmittel<br />

für Menschen eingesetzt werden. Einige<br />

Biolandwirte setzen im Gegensatz zu<br />

dieser an Höchstleistungen orientierten<br />

Milchproduktionsstrategie nur wenig<br />

Kraftfutter ein. Zudem versuchen sie, die<br />

produktive Lebensspanne der Kühe zu<br />

verlängern und damit die ökologischen<br />

und ökonomischen Kosten ihres Ersatzes<br />

gering zu halten. Unzureichende wis-<br />

senschaftliche Erkenntnisse zur Wirkung<br />

dieses Ansatzes in der Milchproduktion<br />

verhindern bislang jedoch seine weitere<br />

Verbreitung.<br />

Das Forschungsprojekt ‹Erhöhung<br />

der Nutzungsdauer von Milchkühen<br />

als Strategie zur Reduktion von Treibhausgasemissionen›<br />

(kurz: Projekt Lang-<br />

lebige Kuh) vergleicht beide Milchproduktionsstrategien.<br />

«Wir erforschen, wie<br />

sich eine Verlängerung der Nutzungsdauer<br />

der Milchkühe ökologisch und<br />

ökonomisch auswirkt», erklärt Professor<br />

Kreuzer. So untersuchen die Wissenschaftler,<br />

wie sich die Effizienz der Futter-<br />

verwertung und die Treibhausgasemissionen<br />

der Kühe mit ihrem Alter ver-<br />

ändern. Mit Hilfe umweltökonomischer<br />

Analysen bewerten sie schliesslich das<br />

Potenzial der Milchproduktionsstrategie<br />

mit langlebigen, kraftfutterarm ge-<br />

fütterten Kühen zur Vermeidung von<br />

Treibhausgasemissionen sowie ihre öko-<br />

nomische Realisierbarkeit. Die Forschungsergebnisse<br />

sollen Landwirte und<br />

politische Entscheidungsträger bei<br />

der Entwicklung von Strategien für die<br />

Milchproduktion unterstützen.<br />

Forscher der Gruppe Tierernährung<br />

und der Gruppe für Agrar-, Lebens-<br />

mittel- und Umweltökonomie der ETH<br />

Zürich arbeiten in dem Projekt zusammen.<br />

Zudem wirken Wissenschaftler<br />

des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des<br />

Landbaus der Technischen Universität<br />

München und des Forschungsinstituts<br />

für biologischen Landbau (FiBL) in Frick<br />

mit. Der Doktorand Florian Grandl<br />

freut sich auf die Forschungsarbeit: «Das<br />

Projekt wird wichtige Hinweise liefern,<br />

wie sich Milchproduktionssysteme<br />

zukunftsfähig gestalten lassen können»,<br />

erklärt der 29-Jährige aus Maitenbeth<br />

(D). «Wir möchten mit den Forschungsergebnissen<br />

sachliche Argumente für<br />

ein gesellschaftlich relevantes Problem<br />

liefern und dadurch zu Verbesse-<br />

rungen in der Landwirtschaft beitragen.»<br />

69


tätigkeitsbereich MenSch unD uMwelt<br />

Gelernt, wie:<br />

Klimaschutz im<br />

arbeitsalltaG<br />

zwei tage setzten sich 23 auszubildende intensiv mit<br />

fragen rund um energie, Klimawandel und Klimaschutz<br />

auseinander. Sie erfuhren im ‹bluecamp›, wie sie<br />

in ihrem arbeitsalltag das Klima schützen können. im<br />

anschluss an den workshop entwickeln sie eigene<br />

Klimaschutzprojekte.<br />

Die auszubildenden lernen viel über energie, Klimawandel und Klimaschutz.<br />

70 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

text / cornelia DiethelM<br />

Eine Nacht verbrachten die Teilnehmer<br />

des ‹bluecamps› in Gefängniszellen. Doch<br />

das Lachen verging niemandem, im<br />

Gegenteil: Gelacht wurde an den beiden<br />

Workshoptagen gern und häufig, um<br />

anschliessend wieder ernsthaft übers<br />

Klima nachzudenken und Ideen gegen<br />

die fortlaufende Klimaerwärmung zu<br />

entwickeln. Vom 17. bis 18. September<br />

20<strong>12</strong> nahmen 23 Auszubildende aus neun<br />

Deutschschweizer Unternehmen unter-<br />

schiedlichster Branchen am bluecamp in<br />

Luzern teil. Sie übernachteten im Jail-<br />

hotel in der Altstadt und diskutierten im<br />

Berufsbildungszentrum über aktuelle<br />

Klimafragen. Zwei Mal im Jahr orga-<br />

nisiert die <strong>Schweiz</strong>er Klimaschutzorganisation<br />

myblueplanet die Workshops<br />

für Auszubildende – und eine ungewöhn-<br />

liche Unterkunft gehört jedes Mal dazu.<br />

tiPPs für Den aLLtag<br />

Zwei Tage lang nutzten die jungen<br />

Teilnehmer die Möglichkeit, sich auszu-<br />

tauschen und mehr zum Thema<br />

Klimaschutz zu erfahren. Präsentatio-<br />

nen, Diskussionen, Messübungen zum<br />

Energieverbrauch und gemeinsame<br />

Aktivitäten prägten das bluecamp. Im<br />

Zentrum stand dabei die Vermittlung<br />

von Tipps, wie jeder im beruflichen und<br />

privaten Alltag wirksam CO2 sparen<br />

kann: Das reichte von der Wasserreduk-<br />

tion beim WC-Spülgang hin zum Aufbau<br />

einer Mitfahrplattform im Firmen-<br />

Intranet. «Dass es so viele kostengünstige<br />

Möglichkeiten gibt, CO2 zu sparen hat<br />

mich überrascht», sagt die Teilnehmerin<br />

Leandra zufrieden.


Zu Besuch im bluecamp in Luzern war<br />

auch die amtierende Miss Earth <strong>Schweiz</strong><br />

Lea Sara Wittwer. Sie erzählte den<br />

Auszubildenden von ihrem Engagement<br />

für den Klimaschutz, zudem gab die<br />

Vegetarierin beim gemeinsamen klima-<br />

freundlichen Kochen praktische Ernäh-<br />

rungstipps. Dank der Zutaten von<br />

Luzerner Biohöfen und des Verzichts<br />

auf Fleisch verursachte das Essen 90<br />

Prozent weniger CO2 als ein durchschnittliches<br />

Abendessen – und die Zu-<br />

bereitung machte den jungen Köchen<br />

viel Spass!<br />

entwicKLung eigener ProJeKte<br />

Projektleiter Moritz Kulawik blickt zufrieden<br />

auf die zwei Tage in Luzern<br />

zurück: «Das grosse Engagement und die<br />

Motivation der Lernenden haben mich<br />

begeistert. Nun freue ich mich auf den<br />

Start vieler spannender Klimaschutz-<br />

Projekte in den einzelnen Unternehmen.»<br />

Die Klimaschutzprojekte sind ein wich-<br />

tiger Bestandteil des bluecamp-Konzepts:<br />

Die Teilnehmer sollen nicht nur eine<br />

schöne Zeit mit Gleichgesinnten im blue-<br />

camp verbringen und dann in ihren<br />

gewohnten Berufsalltag zurückkehren;<br />

mit ihrem neu erworbenen Wissen<br />

zu den Themen Energie, Klimawandel<br />

und Klimaschutz erarbeiten sie nach<br />

den Workshops in ihren Firmen eigene<br />

Klimaschutzprojekte und setzen<br />

diese mit Unterstützung ihrer Arbeit-<br />

geber um.<br />

Die zentrale Frage des bluecamps<br />

lautet: «Wie mache ich mein Unter-<br />

nehmen klimafreundlicher?» Experten<br />

der Klimaschutzorganisationen my-<br />

blueplanet und myclimate geben den<br />

Jugendlichen Tipps zum Projektma-<br />

nagement und helfen ihnen, ein für sie<br />

passendes Projekt zu finden. Ihre<br />

eigenen Klimaschutzprojekte können<br />

die Auszubildenden anschliessend<br />

bei der ‹Klimawerkstatt›, dem schweiz-<br />

weiten Klimaschutz-Wettbewerb der<br />

<strong>Stiftung</strong> myclimate, einreichen.<br />

KLimaBotschafter im unternehmen<br />

«Der Klimawandel wird vorwiegend die<br />

Kinder und Jugendlichen von heute<br />

und die kommenden Generationen hart<br />

treffen», erklärt Moritz Kulawik. Es<br />

sei deshalb wichtig, dass sie erfahren,<br />

wie sie mit ihrem Verhalten Einfluss<br />

nehmen können. «Jugendliche haben ein<br />

gutes Gespür für klimafreundliches<br />

Handeln. Sie können ihre Mitmenschen<br />

mit Energie und Leidenschaft be-<br />

geistern und von der Notwendigkeit<br />

des Klimaschutzes überzeugen.» Deshalb<br />

richten sich die bluecamps konkret<br />

an Auszubildende: Als ‹Klimabotschafter›<br />

setzen sie sich für ein Thema ein, das<br />

ihnen wichtig ist. Sie tragen praktisches<br />

Wissen zum Klimaschutz weiter ins<br />

Unternehmen und erhalten die Möglichkeit,<br />

Verantwortung zu übernehmen.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> fördert die<br />

bluecamps in den Jahren 20<strong>12</strong> bis 2015<br />

mit 50 000 Franken.<br />

cornelia DiethelM engagiert sich für die<br />

Klimaschutzorganisation myblueplanet.<br />

Kontakt: myblueplanet, Moritz Kulawik,<br />

moritz.kulawik@myblueplanet.ch<br />

myBLuePLanet<br />

ziel der Bürgerinitiative und non-Profit-organisation<br />

‹myblueplanet› ist es, konkret und<br />

messbar zum Klimaschutz beizutragen und den<br />

co 2-ausstoss unserer gesellschaft zu re-<br />

duzieren. Die Projekte von myblueplanet sind<br />

auf Verbrauchsreduktion und effizienzstei-<br />

gerung sowie auf die förderung erneuerbarer<br />

energien ausgerichtet. Dazu zählen auch die<br />

bluecamps. im Jahr 2013 finden die workshops<br />

am 22. und 23. april in Basel sowie am 19. und<br />

20. september in flaach im zürcher wein-<br />

land statt. Die teilnahme ist für die auszubil-<br />

denden kostenlos, die unternehmen stellen die<br />

teilnehmer im rahmen eines corporate Volunteerings<br />

für zwei arbeitstage frei und über-<br />

nehmen die spesen für die hin- und rückreise.<br />

auch einzelpersonen, gruppen, firmen oder<br />

organisationen können sich von myblueplanet<br />

ein bluecamp zusammenstellen lassen.<br />

www.myblueplanet.ch / www.bluecamp.ch<br />

71


engagiert<br />

ein gutes gefühl!<br />

nicolaS Krattiger, SiMon hayoz<br />

foruM JugenDSeSSion<br />

Die Anliegen der Jugendlichen gehen viel zu oft<br />

vergessen. Deshalb ist die Jugendsession so<br />

wichtig: Sie verschafft der Jugend Gehör! 2011<br />

haben wir an der viertägigen Veranstaltung<br />

teilgenommen – es war eine tolle Erfahrung.<br />

Dieses Gefühl, mit 200 Jugendlichen im Natio-<br />

nalratssaal zu sitzen und richtig Politik zu<br />

machen, war einmalig. Doch schon damals haben<br />

wir uns gefragt, welchen Einfluss unsere For-<br />

derungen tatsächlich auf die <strong>Schweiz</strong>er Politik-<br />

agenda haben. Als wir erfuhren, dass es ein<br />

Forum gibt, das die Petitionen nach der Jugendsession<br />

weiterverfolgt, um sie – immer wieder<br />

mit Erfolg – ins Parlament zu bringen, waren wir<br />

begeistert: Dafür wollten wir uns engagieren!<br />

zentraLe fragen<br />

Die Forderungen der Jugendsession werden<br />

jeweils der Bundeskanzlei übergeben, die diese<br />

dann an die entsprechenden Kommissionen<br />

weiterleitet. Unsere Aufgabe ist es, die politischen<br />

Erfolgsaussichten dieser Anliegen durch Lobby-<br />

72 <strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

arbeit zu erhöhen. Dafür verteilen wir die Petitionen<br />

nach der Jugendsession unter den Forumsmitgliedern<br />

und bilden Arbeitsgruppen. Zunächst<br />

beginnt man, sich zum Thema zu informieren:<br />

Was ist auf politischer Ebene geplant? Wie ist das<br />

aktuelle Gesetz? Welche Parteien und Politiker<br />

engagieren sich für das Anliegen? Danach überlegen<br />

wir, wie man die Petition am besten weiterbringen<br />

kann: Wen schreiben wir an? Wollen wir uns mit<br />

bestimmten Politikern oder Organisationen treffen?<br />

So hatten wir zwei schon mit einigen Politikern<br />

Kontakt, leider ist es noch nicht zu einem<br />

Treffen gekommen. Ein Nationalrat hatte in letzter<br />

Minute abgesagt. Und bevor wir eine Nationalrätin<br />

treffen konnten, hatte sich das Thema bereits er-<br />

ledigt. Aber wir sind auch erst seit einem Jahr im Fo-<br />

rum dabei. Wir freuen uns darauf, in Zukunft<br />

die Themen der Jugendsession politisch weiterzubringen!<br />

In der Vergangenheit konnte das Fo -<br />

rum schon wichtige Erfolge feiern: Dass heute die<br />

Verwendung von rassistischen und extremis tischen<br />

Symbolen eine Straftat ist, geht zum Beispiel<br />

auf eine Petition der Jugendsession zurück. Uns hat<br />

zuletzt die Harmonisierung der Kinderzulagen in-<br />

tensiv beschäftigt. Doch vor allem bestand unsere<br />

Arbeit aus der Organisation des ‹Prix Jeunesse<br />

20<strong>12</strong>›. Dieser Preis wird jedes Jahr von den Teilnehmern<br />

der Jugendsession an einen Bundesparlamentarier<br />

verliehen, der sich besonders für die An -<br />

liegen der Jugendlichen einsetzt. 20<strong>12</strong> war dies der<br />

Walliser Nationalrat Mathias Reynard (SP).<br />

arBeit, Die sich Lohnt<br />

Das Engagement für die Jugendsession macht uns<br />

nicht nur viel Spass, wir lernen auch viel: Neben<br />

politischem Wissen, Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten<br />

sind dies vor allem Durchhaltevermögen<br />

und Geduld. Man muss damit umgehen<br />

können, dass Politiker einem nicht antworten<br />

oder Treffen kurzfristig absagen. Wir merken, dass<br />

Engagement nicht immer von Erfolg gekrönt<br />

ist – es ist harte Arbeit. Aber diese Arbeit lohnt sich:<br />

Es ist ein gutes Gefühl, Verantwortung gegen -<br />

über den Teilnehmern der Jugendsession zu haben!<br />

nicolaS Krattiger (16) unD SiMon hayoz (18) aus fribourg<br />

setzen sich für das forum der Jugendsession ein – und damit<br />

dafür, dass die forderungen von 200 Jugendlichen, die jedes Jahr<br />

an der Jugendsession teilnehmen, politisch wahrgenommen werden.<br />

nicolas Krattiger besucht das Kollegium St. Michael in fribourg,<br />

Simon hayoz macht eine ausbildung bei der eidgenössischen<br />

zollverwaltung in Bern. Die <strong>Schweiz</strong>erische arbeitsgemeinschaft<br />

der Jugendverbände (SaJV) organisiert die Jugendsession. Die<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> hat das Projekt in den Jahren 2010 bis<br />

20<strong>12</strong> mit 90 000 franken gefördert. www.jugendsession.ch


iMPreSSuM<br />

<strong>Mercator</strong> <strong>Magazin</strong>, ausgabe <strong>02</strong> / <strong>12</strong><br />

herauSGeBer /<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

redaKtion / nadine Fieke<br />

BildnaChWeiS / jonas jäggy (Cover,<br />

S. 1, 28 — 29, 39, 40 — 45, 54 — 55,<br />

58 — 61, 72) / ZhdK (S. 2) /<br />

Brigit rufer, dominique Fischer<br />

(S. 3, 7 — 25, 30 — 35, 49, 66) /<br />

Mike Krishnatreya (S. 48, 50 — 53) /<br />

andreas Baumberger (S. 56) /<br />

Smitha Krishan (S. 68) / thomas alföldi<br />

(S. 68) / Karin Witschi (S. 70 — 71)<br />

GeStaltunG / rob & rose Zürich<br />

lithoGraFie / andreas Muster, Basel<br />

druCK / odermatt aG, dallenwil<br />

PaPier / PlanoPlus 90 g/m 2<br />

auFlaGe / 1 500 exemplare<br />

© 20<strong>12</strong>, <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

SC20<strong>12</strong>1<strong>12</strong>2<strong>02</strong> - swissclimate.ch<br />

KontaKt<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Gartenstrasse 33<br />

Postfach 2148,<br />

Ch – 8<strong>02</strong>2 Zürich<br />

tel. + 41 ( 0 ) 44 206 55 80<br />

info@stiftung - mercator.ch<br />

www.stiftung - mercator.ch<br />

anSPreChPartner ProjeKte<br />

nadine Felix<br />

n.felix@stiftung - mercator.ch<br />

— Personalisiertes lernen<br />

in heterogenen<br />

lerngemeinschaften<br />

— SWiSe<br />

— Schulen lernen von Schulen<br />

— liSSa-Preis<br />

Beno BauMBerGer<br />

b.baumberger@stiftung - mercator.ch<br />

— Graduate Campus<br />

olivia SChauB<br />

o.schaub@stiftung-mercator.ch<br />

— Kultur-dialog / dialog - Kultur<br />

Sara FinK<br />

s.fink@stiftung - mercator.ch<br />

— lerngelegenheiten<br />

— orientierungsrahmen für die<br />

frühkindliche Bildung, Betreuung<br />

und erziehung in der <strong>Schweiz</strong><br />

reGula von Büren<br />

r.vonbueren@stiftung - mercator.ch<br />

— World Food System Center<br />

— bluecamp<br />

PatriC SChatZMann<br />

p.schatzmann@stiftung - mercator.ch<br />

— jugendsession<br />

Kalender<br />

janUar<br />

17. — 18. 01. 2013<br />

weLcheS vertraUen<br />

BraUchen wir?<br />

im interdisziplinären forschungsprojekt<br />

‹vertrauen verstehen› gehen<br />

wissenschaftler der Universität<br />

zürich zentralen vertrauensfragen<br />

auf den grund. die tagung ‹zwischen<br />

risiko und Sicherheit – welches<br />

vertrauen brauchen wir?› vermittelt<br />

einen einblick in verschiedene<br />

forschungszweige und macht erste<br />

ergebnisse bekannt. die tagungsschwerpunkte<br />

sind: vertrauen in der<br />

ökonomie, vertrauen in profes-<br />

sionellen feldern, vertrauen in Politik<br />

und religion, grundvertrauen<br />

als grenzphänomen.<br />

www.vertrauen-verstehen.uzh.ch<br />

feBrUar<br />

01.— 03. <strong>02</strong>. 2013<br />

viSionÄre<br />

BiLdUngSKonzePte<br />

iM tanz<br />

wie lassen sich künstlerischer tanz,<br />

tanzwissenschaft und tanzbil-<br />

dung zukunftsweisend verbinden?<br />

diese fragen stehen im zentrum der<br />

internationalen tagung ‹visionäre<br />

Bildungskonzepte im tanz› der<br />

Universität Bern und der Pädagogischen<br />

hochschule Bern. Mit hilfe von<br />

vorträgen, Podiumsdiskussionen,<br />

ateliers, Postersessionen und tanz-<br />

aufführungen erarbeiten die tagungs-<br />

teilnehmer grundlagen für zukunftsweisende<br />

Bildungskonzepte.<br />

www.tanztagung.ch<br />

MÄrz<br />

14. 03. 2013<br />

SchULen Lernen<br />

von SchULen:<br />

aBSchLUSStagUng<br />

die Pädagogische hochschule zürich<br />

blickt zusammen mit Schulvertretern<br />

und der Bildungsdirektion des<br />

Kantons zürich auf fünf spannende<br />

jahre ‹Schulen lernen von Schulen›<br />

(sls) zurück. die abschlussveranstaltung<br />

auf dem neuen campus der<br />

Pädagogischen hochschule zeigt ab<br />

18 Uhr kleine und grosse veränderungen<br />

und entwicklungen auf,<br />

die das Projekt sls in Schulen<br />

bewirkt hat. www.projekt-sls.ch<br />

aPriL<br />

10.—14. 04. 2013<br />

37. <strong>Schweiz</strong>er<br />

jUgendfiLMtage<br />

die <strong>Schweiz</strong>er jugendfilmtage sind<br />

das grösste nationale filmfestival,<br />

an dem hauptsächlich filme von<br />

jungfilmern gezeigt werden. ein ab-<br />

wechslungsreiches Programm be-<br />

gleitet das festival in zürich. in fünf<br />

Kategorien messen sich Schul-<br />

und jugendtrefffilme, freie Produk-<br />

tionen und filme von filmstudenten.<br />

eine eigene wettbewerbskate-<br />

gorie bilden filme, die in kosten-<br />

losen thematischen filmworkshops<br />

für jugendgruppen entstehen.<br />

die <strong>Stiftung</strong> <strong>Mercator</strong> <strong>Schweiz</strong> un-<br />

terstützt dieses angebot. das<br />

workshopthema für das festival 2013<br />

lautet ‹1 | 4 | 24 – ein Land,<br />

vier Sprachregionen, dein film›.<br />

www.jugendfilmtage.ch<br />

04. — 21. 04. 2013<br />

BLicKfeLder<br />

das festival ‹Blickfelder› erobert<br />

Kulturhäuser und freie räume<br />

der Stadt zürich. Unter dem Motto<br />

‹Blickfelder erklärt die welt› werden<br />

Kinder und jugendliche kreativ<br />

tätig: Sie treten in filmen und auf<br />

Bühnen auf, sie schreiben, dichten,<br />

musizieren, malen, bauen, kritisieren<br />

– und zeigen auf diese weise, wie<br />

die welt ist oder sein soll. neben<br />

spannenden Mitmach-angeboten<br />

bietet das volksschulamt des<br />

Kantons zürich den jungen Besuchern<br />

ein abwechslungsreiches<br />

theater-, tanz- und Musikprogramm.<br />

www.blickfelder.ch<br />

17.— 20. 04. 2013<br />

nachwUchStagUng<br />

der aSienwiSSenSchaften<br />

die <strong>Schweiz</strong>erische asiengesellschaft,<br />

die <strong>Schweiz</strong>erische gesellschaft<br />

Mittlerer osten und islamische Kul-<br />

turen und der Universitäre forschungsschwerpunkt<br />

‹asien und<br />

europa› der Universität zürich<br />

organisieren gemeinsam die Schwei-<br />

zerische nachwuchstagung der<br />

asienwissenschaften. die veran-<br />

staltung findet in zäziwil (Be) zum<br />

thema ‹asienwissenschaften:<br />

debatten und Perspektiven› statt.<br />

nachwuchsforscher stellen bei der<br />

tagung ihre dissertationen, Post-<br />

doc-arbeiten und habilitationen vor.<br />

www.sagw.ch/asiengesellschaft

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