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Ausgabe - Aufgehorcht

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Jubiläum<br />

10.<br />

<strong>Ausgabe</strong>


Editorial<br />

Warum wir im Juli 2009 in Zwickau 100 Jahre Audi feiern<br />

AufgeHorcht<br />

Am 19. Juni 1909 fasste August Horch den Entschluss, die von ihm 1904 gegründete<br />

Firma „A. Horch & Cie. Motorwagenwerke AG“ infolge von Vorwürfen des<br />

Unternehmensvorstandes zu verlassen. Er hatte den festen Vorsatz, unverzüglich<br />

eine Konkurrenzfirma zu gründen. Mit einem Startkapital von 200.000 Mark<br />

wurde in der Nähe der Horch Werke ein Gelände für die neue Firma erworben.<br />

Am 16. Juli 1909 kam es zur Eintragung der „August Horch Automobilwerke<br />

GmbH“ ins Handelsregister Zwickau. Es war die Geburtsurkunde von Audi,<br />

obwohl die Firma zu diesem Zeitpunkt noch nicht diesen Namen trug. Der Vorstand<br />

der Horch Werke (alt) leitete einen Rechtsstreit gegen den Namen der Horch<br />

Werke (neu) ein. Zwei Unternehmen mit gleichem Namen an einem Ort,das verbot<br />

das Handelsrecht. Der neue Vorstand musste sich etwas einfallen lassen.<br />

August Horch beschreibt selbst sehr anschaulich in seinem Buch „Ich baute<br />

Autos“, wie es zum neuen Firmennamen kam: „Wir beriefen sofort eine Sitzung ein, die in der<br />

Wohnung von Franz Fikentscher stattfand und brüteten lange über einen anderen Namen […]<br />

Was da alles an möglichen und unmöglichen Bezeichnungen auftauchte, lässt sich nicht beschreiben.<br />

In einer Zimmerecke saß bescheiden ein Sohn von Franz Fikentscher und büffelte an seinen<br />

Schulaufgaben […] und […] hörte […] der hitzigen Unterhaltung zu […] Plötzlich brach (es) aus<br />

ihm heraus und er schrie begeistert herüber: ‚Vater – audi et altera […] wäre es nicht richtig<br />

anstatt Horch Audi zu sagen?‘ Es war heraus und wir saßen schlankweg begeistert da.“<br />

So firmierte das neue Unternehmen seit dem 25. April 1910 als „Audi Automobil-Werke m.b.H.“<br />

in Zwickau.<br />

Die 100-jährige Geschichte von Audi mit ihren sächsischen Wurzeln umfasst zu einem beträchtlichen<br />

Teil die Tradition des Automobilbaues in Sachsen. Heute steht Audi unter der Werbebotschaft<br />

„Vorsprung durch Technik“ als Premium-Marke in einer Spitzenposition am Weltmarkt.<br />

Unser Förderverein widmet dem 100-jährigen Bestehen von Audi viel Raum in der 10. <strong>Ausgabe</strong><br />

von „AufgeHorcht“. Mit diesem Jubiläumsheft offerieren wir den Abonnenten zugleich ein<br />

Angebot für bereits fünfjährige Treue – eine attraktive Sammelmappe für die Typenblätter des<br />

Journals bzw. für das Journal insgesamt. Damit soll ein lang gehegter Wunsch vieler Leser erfüllt<br />

werden. Dass dies möglich wurde, haben Sie, liebe Mitglieder des Fördervereins“, zu einem großen<br />

Teil selbst möglich gemacht. Mit Ihren Spenden tragen Sie dazu bei, dass wir in wirtschaftlich<br />

äußerst angespannten Zeiten die Jubiläumsausgabe nebst Sammelmappe herausgeben konnten.<br />

Dafür möchten wir uns recht herzlich bedanken. In diesen Dank schließen wir ausdrücklich die<br />

Inserenten der „AufgeHorcht“ein. Viele von ihnen halten dem Journal ebenfalls bereits seit vielen<br />

<strong>Ausgabe</strong>n die Treue. Wir hoffen, dass wir weiterhin mit Ihnen rechnen können und bemühen<br />

uns im Gegenzug um noch viele unterhaltsame <strong>Ausgabe</strong>n mit Wissenswertem rund um den sächsischen<br />

Automobilbau.<br />

Dr. Rainer Albrecht<br />

Präsident des Gemeinnützigen Fördervereins Automobilmuseum August Horch Zwickau e. V.<br />

01/2009<br />

3


AufgeHorcht<br />

Aus dem Inhalt<br />

Super-Sportwagen zum Bestaunen 6<br />

Horch Museum zeigt bis 19. Juli Sonderausstellung „Traumautos“<br />

Herzlichen Dank für eine großartige Unterstützung 7<br />

Mitglieder des Fördervereins Automobilmuseum<br />

August Horch Zwickau e.V. sicherten mit ihren Spenden<br />

die Herausgabe der „AufgeHorcht“-Jubiläumsausgabe<br />

und Sammelmappe<br />

Ehrung mit dem „Goldenen Kolben 2009“<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg erhielt Auszeichnung für seine Verdienste<br />

um die Automobilgeschichte<br />

Die Eins auf der Weltkugel kündete vom Eliteanspruch 8–13<br />

Die ersten Jahrzehnte im Audi-Jahrhundert – Vom Typ A zum<br />

Audi 920 – Horch prägte Hinwendung zur sportlichen Eleganz<br />

Zwickau feiert ein Jahrhundert Audi 14<br />

Festwochenende am 25. und 26. Juli<br />

in der Geburtsstadt der Weltmarke<br />

Nachbau des Auto Union Rennwagens Typ C 15<br />

für das Horch Museum Zwickau<br />

Aktuelles Ziel: Fertigstellung der zweiten Baustufe bis Ende 2009<br />

„Die Kühlermaske für den Horch 830 16–17<br />

– worum handelt es sich da eigentlich?“<br />

Die Kunst automobiler Formgestaltung wurde bei<br />

Designer Günther Mickwausch aus einer Not heraus geboren<br />

– Gedenken zum 100. Geburtstag des Chefgestalters<br />

der Auto Union<br />

Aus der Not eine Tugend gemacht 18–22<br />

Kunststoffentwicklung für Karosserieverkleidungen – Teil 2<br />

Das Sammlerstück Audi 920 Kabriolett<br />

4 01/2009


AufgeHorcht<br />

Ohrfeigen für Caracciola 27–30<br />

Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union – Teil 7<br />

Von der Lochkarte zum durchgängigen EDV-System 31–32<br />

Der Einsatz der Rechentechnik bei Horch, Audi und Sachsenring<br />

Produkte virtuell entwickeln und berechnen 33–34<br />

Numerische Simulation mittels FEM in der Automobilentwicklung<br />

Awtowelo-Chassis entsteht wieder 35<br />

Kooperationsprojekt von vier sächsischen Partnern<br />

Ein Leben für zwei Räder 36<br />

Die „Rennamazone aus dem Vogtland“ feierte ihren 70. Geburtstag<br />

Rennwagenoptik mit markantem Design 37<br />

Vorgestellt: Der neue Melkus RS 2000<br />

Sonderteil zur 3. Chemnitzer Oldtimermesse 38–39<br />

Dritte Auflage mit deutlich gewachsenem Angebot<br />

Umfangreiches Rahmenprogramm<br />

Neues Domizil und noch mehr Inhalt 40–41<br />

Museum für sächsische Fahrzeuge<br />

jetzt an Chemnitzer Museumsmeile<br />

Zukunftsweisende Zusammenarbeit<br />

zur Bewertung historischer Dokumente 42–43<br />

Erfolgreiches Projekt zwischen dem Förderverein<br />

des Horch Museums und dem Staatsarchiv Chemnitz<br />

Veranstaltungskalender 44<br />

01/2009<br />

5


AufgeHorcht<br />

Super-Sportwagen zum Bestaunen<br />

Horch Museum zeigt bis 19. Juli Sonderausstellung „Traumautos“<br />

Ehre, wem Ehre gebührt – der Melkus RS 1000 auf dem Podest. Ein Kraftpaket, der Bugatti Veyron 16.4 mit 1001 PS.<br />

Fotos: Horch Museum<br />

6 01/2009<br />

Super-Sportwagen von McLaren Mercedes, Porsche, Aston<br />

Martin, Lamborghini, Audi und Bugatti sowie der „DDR-Porsche“<br />

Melkus RS 1000 sind noch bis zum 19. Juli im Horch<br />

Museum Zwickau zu bewundern. In der Sonderausstellung<br />

„Traumautos“ werden diese Kraftpakete gezeigt. Schon in den<br />

frühen Jahren des Automobilbaus nutzten einige Marken den<br />

Rennsport, um die hohe Schule ihrer Ingenieurskunst unter<br />

Beweis zu stellen und bekannt zu werden. Geschwindigkeitsrekorde<br />

und ganze Siegesserien gehören heute wie damals<br />

mehrheitlich zu ihrer Entwicklung. Um teure Projekte des<br />

Rennsports für den normalen Straßenverkehr zu nutzen, entstand<br />

die Idee des Gran Turismo – sportlicher Geist mit exklusivem<br />

Reisegenuss zu verbinden.<br />

Heute knüpfen die Supersportwagen-Marken an diese Mythen<br />

an. Ihre Geschichte trägt ihr Image und wird durch eine<br />

Verbindung von Extremen geprägt. Hochleistungstechnik,<br />

meist aus dem Formel 1– oder Langstreckenrennsport, Komfort<br />

und Luxus sowie extravagantes Design gehen eine Symbiose<br />

ein, welche die Spitze des Automobilbaus aufzeigt.<br />

Dabei geht es nicht um Vernunft, sondern um Begeisterung an<br />

der Leistung im Überfluss, um Faszination an Superlativen und<br />

Auffälligkeit außerhalb der Großserie. Unter einem großen<br />

Anteil an Handarbeit hergestellt, verlassen nur geringe Stückzahlen<br />

die Stätten ihrer Geburt. Auch im Karosseriestyling<br />

bieten sie unverwechselbare Identitätsmerkmale, zumeist Erfolge<br />

der Vergangenheit neu interpretierend. Mit einer anspruchsvollen<br />

Dynamik im Design erlangen sie eine unverkennbare,<br />

visuelle Präsenz. Supersportwagen elektrisieren<br />

Automobilfans, sie erzeugen eine vehemente Anziehungskraft<br />

und sinnliche Emotionen auf der ganzen Welt. PM<br />

www.horch-museum.de


Herzlichen Dank für eine<br />

großartige Unterstützung<br />

Mitglieder des Fördervereins Automobilmuseum August Horch<br />

Zwickau e.V. sicherten mit ihren Spenden die Herausgabe der<br />

„AufgeHorcht“-Jubiläumsausgabe und der Sammelmappe<br />

In kritischen Zeiten zeigt sich wahre<br />

Freundschaft. Demnach hat „AufgeHorcht“<br />

viele Freunde, denn zahlreiche Mitglieder<br />

des Gemeinnützigen Fördervereins Automobilmuseum<br />

August Horch Zwickau e.V.<br />

erhörten den Hilferuf von Herausgeber<br />

und Macher des Journals zur finanziellen<br />

Sicherung des nun vorliegenden zehnten<br />

Heftes und der schon lange gewünschten<br />

Sammelmappe. Für die eingegangene<br />

Spendensumme von insgesamt 3630 Euro<br />

(Stand: 6. Juni 2009) sagen das Vereinspräsidium<br />

und das Produktionsteam des<br />

Journals allen Beteiligten den allerherzlichsten<br />

Dank.<br />

Gespendet haben: Dr. Rainer Albrecht,<br />

Rolf Alscher, Dr. Gunter Böhm, Dr.<br />

Joachim Böhme, Henrik Bonesky, Rico<br />

Bretschneider, Karl-Heinz Brückner, Dr.<br />

Bernd Czekalla, Christoph von Eberan,<br />

Stefan Ebert, FES GmbH Fahrzeug-<br />

Entwicklung Sachsen, Thomas Gerisch,<br />

Ehrung mit dem<br />

„Goldenen Kolben 2009“<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg erhielt Auszeichnung<br />

für seine Verdienste um die Automobilgeschichte<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg, Historiker der<br />

Audi AG und Beiratsvorsitzender des<br />

Horch Museums, wurde auf der Bremen<br />

Classic Motorshow Anfang März dieses Jahres<br />

mit dem „Goldenen Kolben 2009“ geehrt.<br />

Diese jährlich vergebene Auszeichnung<br />

erhielt er „…für sein beispielhaftes<br />

Engagement in der Vermittlung der Fahrzeug-,<br />

Motorsport- und Verkehrsgeschichte<br />

sowie für seine sorgfältige Recherche<br />

und Dokumentierung historischer<br />

Sachverhalte. Zu seinen besonderen<br />

Verdiensten zählen seine Arbeiten<br />

zur Geschichte der sächsischen Automobilindustrie“,<br />

so das Forum für Fahrzeugtechnik.<br />

Prof. Kirchberg wurde bekannt durch zahlreiche<br />

Publikationen, besonders durch die<br />

Bücher „Grand Prix Report Auto Union<br />

1934–1939“, „Plaste, Blech und Planwirtschaft.<br />

Die Geschichte des Automobilbaus<br />

in der DDR“ sowie „Horch. Typen,<br />

Mike Geyer, Frank Glöckner, Dr. Hermann<br />

Golle, Michael Heeger, Dr. Wolf<br />

Dieter Hirsch, Lutz Hoppe, Prof. Dr. med.<br />

Helmut Jung, Gerd Kießling, Kurt Kießling,<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg, Bernhard Klose,<br />

Dr. Joachim Körner, Winfried Krämer,<br />

Karl Krist, Helmut Küsgen, Dr. Werner<br />

Lang, Wolfgang Lenk, Prof. Dr. Franz<br />

Meißner, Dr. Wolfram Melzer, Wolfgang<br />

Neef, Brigitte Policke, Thomas Puttkammer,<br />

Robert Rademacher, Manfred Range,<br />

Frank und Ina Reichel, Dr. Werner<br />

Reichelt, Frank Reinke, Lothar Rothe,<br />

Heinz Schäfer, Friedrich Schildknecht,<br />

Kurt Schmidt, Gerhard Schubert, Roland<br />

Schulze, Werner Seidel, Horst Sieber,<br />

Roland Sieber, Steven Simmon, Wilfried<br />

Stoye, Prof. Dr. Matthias Thein, Carl<br />

Weber, Volkmar Weigelt, Roland<br />

Wienhold, Reiner und Annerose Wolf,<br />

Hans-Dietmar Wolff, Michael Graf Wolff-<br />

Metternich, Dr. Jens Wutzler<br />

Technik, Modelle“.<br />

Sein jüngstes Werk<br />

„Audi Automobile<br />

1909 bis 1940“,<br />

das er zusammen<br />

mit Ralf Hornung<br />

verfasst hat, ist<br />

kürzlich erschienen.<br />

Seit 1992 arbeitet<br />

Prof. Kirchberg<br />

für die Audi<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg.<br />

Foto: Audi<br />

AG als Berater in der Traditionspflege und<br />

Unternehmensgeschichte.<br />

Das 2001 von Automobil- und Motorradhistorikern<br />

gegründete Forum für Fahrzeuggeschichte<br />

verleiht den „Goldenen Kolben“<br />

seit 2006 im Rahmen der Bremen Classic<br />

Motorshow. Die Ehrung gilt Persönlichkeiten,<br />

die sich in besonderer Weise um<br />

die Automobilgeschichte verdient gemacht<br />

haben und ist die einzige dieser Art<br />

in Deutschland. PM<br />

AufgeHorcht<br />

01/2009<br />

7


8<br />

AufgeHorcht<br />

Die Eins auf der Weltkugel<br />

Die ersten Jahrzehnte im Audi-Jahrhundert – Vom Typ A zum<br />

Über die Patriarchenrolle, die August Horch (1868 bis 1951) für Audi am Anfang gespielt hat, gibt es keinen<br />

Zweifel. Sie galt in dreifacher Hinsicht: 1. Es gelang ihm, das Kapital zu mobilisieren und er gründete<br />

das Unternehmen. Das waren seine persönlichen Leistungen und Verdienste. 2. Er war es, der die technischkonstruktiven<br />

Grundlinien des Unternehmens auf Jahre hinaus festlegte. 3. Er setzte starkes sportliches<br />

Engagement durch und gestaltete es zum wesentlichen Bestandteil der Marke.<br />

August Horch gelang es, nach dem Bruch mit dem bisherigen<br />

Unternehmen seines Namens binnen 24 Stunden eine viertel<br />

Million Mark aufzutreiben, um damit ein weiteres Unternehmen<br />

zu gründen, das ja wiederum seinen Namen tragen sollte.<br />

Diese Kapitalmobilisierung in so kurzer Zeit kann man in<br />

ihrer Bedeutung wohl dann erst richtig bewerten, wenn man<br />

damit die jahrelangen, mühseligen und weithin ergebnislosen<br />

Versuche Horchs auf der Kapitalsuche in den Jahren vorher<br />

vergleicht.<br />

Der Audi Typ A, von dem der erste fertige Wagen im Juni<br />

1910 das Zwickauer Werk verließ, war in Größe und Leistung<br />

an der bis dahin erfolgreichsten Horch-Konstruktion orientiert,<br />

dem Siegerwagen der Herkomerfahrt 1906. Das zeigte<br />

sich an manchem Detail, wie z. B. übereinander angeordneten<br />

hängenden Auslass- und stehenden Einlassventilen, am Stirnraddifferenzial<br />

u.a.m. Horch blieb auch seinem Brauch treu, die<br />

01/2009<br />

Typenfolge durch die Großbuchstaben des Alphabets zu kennzeichnen.<br />

Horchs Partner in diesen Jahren waren Hermann Lange, mit<br />

ihm seit Jahren freundschaftlich verbunden, und seit August<br />

1910 Erich Horn. Von Horch stammte das Konzept der Konstruktionen<br />

und alle drei bemühten sich um die Umsetzung.<br />

Legendäre sportliche Erfolge<br />

Horch selbst ließ keine Gelegenheit aus, sich an sportlichen<br />

Wettbewerben zu beteiligen, von denen er besonders die Langstreckenfahrten<br />

schätzte. Der Gewinn des Ersten Preises in<br />

der Einzelwertung der österreichischen Alpenfahrt 1911 war<br />

der Anfang einer ruhmreichen Siegesserie. Bekanntlich hat sich<br />

in den Jahren 1912 bis 1914 in ungebrochener Folge der Audi-


AufgeHorcht<br />

kündete vom Eliteanspruch<br />

Audi 920 – Horch prägte Hinwendung zur sportlichen Eleganz<br />

Sieg als Mannschaftstriumph wiederholt. Er ist heute Legende.<br />

Dies ist umso erinnerungswürdiger, als solche mit sportlicher<br />

Härte errungenen Erfolge recht wenig zu Horchs äußerem Erscheinungsbild<br />

passten. Er bot so gar nicht den Typ des kernigen,<br />

harten Draufgängers und man registriert auch im Nachhinein<br />

diese Siege mit Erstaunen. Den Höhepunkt in der konstruktiven<br />

Arbeit von August Horch hat zweifellos der Audi Typ C<br />

markiert, der den ruhmreichen Namen „Alpensieger“ trug.<br />

Das Triumvirat Horch-Lange-Horn schuf in den fünf Jahren bis<br />

zum Kriegsausbruch fünf neue Pkw- und zwei neue Lastwagentypen.<br />

Es zeigte damit eine beachtliche Kreativität und<br />

Expansionskraft. Solche für ein kleines Unternehmen fast zu<br />

große Vielfalt beherrschte gerade August Horch recht gut. Er<br />

und seine Techniker haben hier sehr rationelle Fertigungsweisen<br />

demonstriert, die bereits in dieser Anfangszeit des Automobilbaus<br />

mit beträchtlicher Standardisierung verbunden<br />

waren.<br />

Horch verstand sich selbst vor allem als Betriebsingenieur und<br />

hat das auch oft betont. Der Ablauf der Fertigung, die Bereitstellung<br />

des Materials, die Übergabe der fertigen Automobile<br />

bis hin zum Vertriebsnetz – das war sein Feld.<br />

Mit Wirkung vom 1. Januar 1915 wurden die Audiwerke zur<br />

Aktiengesellschaft, die von einem Vorstandskollegium geleitet<br />

Links: Der erste Audi Typ A verließ im Juni 1910 das Zwickauer Werk.<br />

Rechts: Audi-Werk Zwickau 1913.<br />

wurde, in welchem Horch für Absatz und Verkauf zuständig<br />

war. Damit wandte sich Horch – nachdem der Krieg beendet<br />

war – nach seinem 50. Lebensjahr neuen Aufgaben zu. Außerdem<br />

bereitete er den Wiederbeginn der Kraftwagenproduktion<br />

in Friedenszeiten vor. In diesem Zusammenhang entschied er<br />

sich auch dafür, als Vorstand bei Audi auszuscheiden und seinen<br />

Arbeits- und Lebensmittelpunkt nach dem 4. März 1920<br />

nach Berlin zu verlagern. Er meinte, in der Hauptstadt des<br />

Deutschen Reiches mehr für Audi tun zu können als im stillen<br />

Zwickau.<br />

August Horch zählte unter den Kraftfahrzeugtechnikern dieser<br />

Anfangsjahrzehnte zu den Unternehmeringenieuren, die<br />

nicht nur die Fahrzeugtechnik beeinflussten, sondern auch die<br />

Anfänge der Industriezweigstruktur schufen. In ihm und seinem<br />

Wirken verkörperten sich daher deutlich diese Komplexität<br />

von Techniker und Unternehmer.<br />

Schneise in technische Entwicklungen geschlagen<br />

Nach Kriegsende begannen auch bei Audi Überlegungen und<br />

Maßnahmen zum künftigen Profil der Audiwagen. Die alten<br />

Typen, die alle noch aus der Vorkriegszeit stammten, sollten<br />

01/2009 9


AufgeHorcht<br />

auslaufen. Künftig sollte die Marke Audi ihr Erscheinungsbild<br />

auf einen Vier- und einen Sechszylindertyp abstellen und um<br />

dies möglichst schnell zu verwirklichen, entstand im Zwickauer<br />

Werk eine Versuchsabteilung.<br />

Der für die Technik zuständige Vorstand Hermann Lange<br />

schaffte es, bereits zur Automobilausstellung im Herbst 1921<br />

den ersten der neuen Typen zu präsentieren.<br />

Besonders bemerkenswert daran der Leichtmetallmotor und<br />

die serienmäßig links angeordnete Lenkung. Damit hat Audi<br />

eine Schneise in der technischen Entwicklung geschlagen, in<br />

deren Richtung alle anderen Hersteller gefolgt sind – teilweise<br />

allerdings mit großer Verspätung. 1923 wurde schon der nächste<br />

neue Typ vorgestellt, der erste Audi Sechszylinder stand<br />

auf der Automobilausstellung in Berlin.<br />

Audi war ein Unternehmen des Mittelstands und die Zielgruppe<br />

der Marke waren durchaus elitebewusste, auf Exklusivität<br />

bedachte und unauffällig agierende Käuferschichten.<br />

Audi Typ B von 1916, heute zu sehen im August Horch Museum Zwickau.<br />

Der Audi Typ C wurde als „Alpensieger“ zur Legende.<br />

Ein Audi Typ E, Baujahr 1922.<br />

10 01/2009<br />

„Ein solches Edelfahrzeug sein eigen zu nennen, ist für den Besitzer<br />

eine Art von Legitimation seines guten Geschmacks und seiner<br />

Kultur – ähnlich wie etwa für den Engländer der Oberschichten<br />

die Zugehörigkeit zu einem allerersten Club zugleich der<br />

Ausweis für seine Vollendung als Gentleman in jedem Sinne ist.<br />

Der Besitz eines Audi-Wagens legt also auch Gebote des<br />

Noblesse Oblige auf…“ Solche Passagen las man bei Audi in der<br />

Betriebsanleitung!<br />

Zwickauer Mittelständler boten wirtschaftliche Basis<br />

Die wirtschaftliche Basis für die Audiwerke boten vor allem<br />

Zwickauer Unternehmen des Mittelstandes, besonders die Familien<br />

Leonhardt und Fikentscher. Erstere besaßen die Papierund<br />

Kartonagenfabrik in Crossen bei Zwickau, die größte Spezialfabrik<br />

für Kartonpapier in Europa. Gottlieb Paul Leonhardt<br />

(1869 bis 1945) war darüber hinaus an mehreren anderen<br />

Unternehmen der Papier- und Textilindustrie sowie an Zeitungsverlagen<br />

beteiligt. Er und sein Bruder Karl (1866 bis 1938)<br />

besaßen noch 1925 rund 75 Prozent der Audi-Aktien.<br />

Die Fikentschers waren Inhaber des Zwickauer Steinzeugwerkes<br />

„Fikentscher Keramische Werke AG“. Franz Fikentscher<br />

(1866 bis 1942) besaß die Musterschutzrechte an der Konstruktion<br />

des Isolierkörpers der Zündkerze, die Horch 1905<br />

erworben hatte. Paul Fikentscher (1861 bis 1924) war eng mit<br />

August Horch befreundet und der Automobilpionier war gern<br />

und oft Gast vor allem bei den Salonrunden im Hause Fikentscher.<br />

Einer der Söhne von Franz Fikentscher hatte 1910 bei<br />

jener legendären Vorstandssitzung ebendort die Blitz-Idee mit<br />

der Übersetzung des Namens von Horch ins Lateinische. Hier<br />

entstand die Wortmarke Audi. Paul Fikentschers Sohn Fritz<br />

(1888 bis 1938) wurde nach dem Tod seines Vaters für kurze<br />

Zeit Audivorstand.<br />

Der Audivorstand hielt über alle wirtschaftlichen Wechsellagen<br />

hinweg unbeirrt am Eliteanspruch fest. Als Platz unter den<br />

Konkurrenten hatte man jenen im Blick, den die neue Kühlerfigur<br />

seit 1923 zum Ausdruck brachte: im Ergebnis eines Wettbewerbs<br />

mit über 300 Einsendungen entschied sich der Vorstand<br />

für die 1 als Wappenzeichen, die auf einer Weltkugel<br />

stand. Dieses Warenzeichen ist am 5. Juni 1923 angemeldet<br />

und jeweils zehn Jahre später 1933 und 1943 um weitere Jahrzehnte<br />

verlängert worden. Der erste Audi mit der 1 auf dem<br />

Kühler war der 1923 vorgestellte Sechszylinder.<br />

Am 1. April 1926 war Heinrich Schuh zum Technischen Direktor<br />

und Chefkonstrukteur berufen worden. Auch in ihm personifizierte<br />

sich vorrangig der Betriebsingenieur, der sowohl<br />

Ein Audi Typ G, das erfolgreichste Modell vor 1932.


Audi Typ M Limousine von 1926. Das Modell hatte einen Sechszylindermotor mit Leichtmetallkurbelgehäuse, die Ventilsteuerung geschah<br />

durch eine obenliegende Nockenwelle und der Wagen war mit einer Vierradbremse ausgestattet.<br />

konstruktive Aufgaben lösen konnte als auch den Werkzeugund<br />

Vorrichtungsbau vollkommen beherrschte. Er war der<br />

Vater des ersten Audi-Achtzylinders, der 1927 unter dem<br />

Namen „Imperator“ auf den Markt kam.<br />

Audi veredelte das DKW-Angebot<br />

Mit dem Wachstum vor allem im Anspruch an die Produkte<br />

stieß das Unternehmen an die Grenzen der mittelständischen<br />

Möglichkeiten. Bei schmaleren Gewinnen brauchte man<br />

finanzstarke Partner, die sich eben nicht so leicht finden ließen.<br />

In dieser Zeit – 1927 – empfahl die Sächsische Staatsbank einem<br />

ihrer Hauptschuldner, dem DKW-Chef J. S. Rasmussen, die<br />

Übernahme von Audi als Schlüssel zum Tor der Oberklasse.<br />

1928 vollzog sich dieser Übergang und Audi veredelte von<br />

nun an das bisher durch Motorräder und Kleinwagen geprägte<br />

DKW-Angebot. Außerdem aber brachte das Zwickauer<br />

Unternehmen konstruktives Wissen und langjährige Entwicklungserfahrungen<br />

ein, die von Rasmussen sofort in Anspruch genommen<br />

wurden.<br />

Der Audi Typ K war der erste Linkslenker.<br />

Er beauftragte die Audikonstrukteure mit der Entwicklung<br />

eines Kleinwagens und gab dazu die wichtigsten Parameter<br />

vor: Zweizylinder-DKW-Motorradmotor (Zweitakter), Frontantrieb,<br />

achslose Radaufhängung, Holzkarosserie. Daraus<br />

formten die Audikonstrukteure Oskar Arlt und Walter Haustein<br />

den DKW Frontwagen, der danach zu einem der beliebtesten<br />

und meistgekauften Kleinautos in Deutschland wurde.<br />

Der Einfluss der Gründerfamilien schwand jedoch 1928 nach<br />

dem Übergang der Aktienmajorität an Rasmussen schlagartig<br />

dahin. Mit der Gründung der Auto Union 1932 schieden sie aus<br />

dem Unternehmensgeschehen aus.<br />

Rasmussen begann als erster Hersteller mit der Großserie von<br />

Kleinwagen mit Frontantrieb und schlug damit eine Schneise<br />

des technischen Fortschritts, in der später ein Großteil der<br />

Automobilhersteller weltweit folgen sollte. Für Audi in Zwickau<br />

bedeutete dies, von nun an statt wie bisher 200 nun einige<br />

Tausend Wagen jährlich zu produzieren. Und diese bereits im<br />

ersten Jahr 1931 dreieinhalbtausend Kleinwagen sicherten in<br />

härtester Zeit Unternehmen und Arbeitsplätze. Unternehmerisch<br />

zeichneten sich zu diesem Zeitpunkt schon neue Dimensionen<br />

ab: Der wichtigste Schritt dazu war die rückwirkend<br />

Audi Imperator von 1929.<br />

AufgeHorcht<br />

01/2009<br />

11


AufgeHorcht<br />

Nach der Übernahme von Audi durch DKW entstand der Audi Zwickau.<br />

per 1. Oktober 1931 in Kraft getretene Gründung der Auto<br />

Union AG am 29. Juni 1932.<br />

Sie war auf der Grundlage der Sächsischen Staatsbank entstanden,<br />

die die Zschopauer Motorenwerke von Rasmussen<br />

zur Grundlage des neuen Konzerns bestimmt hatten. Die<br />

Audiwerke AG und die Horchwerke AG sowie die käuflich<br />

übernommene Wanderer Automobilabteilung komplettierten<br />

das Spektrum, das auch sinnfällig durch ein Markenzeichen<br />

repräsentiert wurde, in welchem sich vier Ringe untrennbar<br />

ineinander verschlungen zeigten.<br />

Nach DKW Front folgte der Audi Front<br />

Rasmussens Entscheidung, im Zwickauer Audiwerk künftig den<br />

DKW Frontwagen bauen zu lassen, war für den Standort eine<br />

gewisse Vorausbestimmung. Dennoch sollte das keineswegs<br />

Der Typ P wurde nur 1931 gebaut.<br />

12 01/2009<br />

Es folgte der Audi Dresden, hier ein Modell von 1931.<br />

die Preisgabe der Marke Audi und auch nicht einer ihr zugeordneten<br />

Pkw-Fertigung bedeuten. Die gleichen Konstrukteure<br />

machten sich nach Fertigstellung des DKW Front an den Audi<br />

Front, der zur Berliner Automobilausstellung 1933 der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt worden ist. Er überraschte vor allem durch<br />

die Kombination von drei Neuerungen: den Frontantrieb, den<br />

Zentralkastenrahmen und die sogenannte Vollschwingachse.<br />

Noch im Januar 1933 hatten der sehr erfolgreiche Sportfahrer<br />

Carl Kappler und der Chefredakteur der Fachzeitschrift<br />

„Motor“, Reinhold Otte, den Wagen seiner Feuertaufe unterzogen:<br />

Sie fuhren mit dem Audi Front in diesem Wintermonat<br />

von Berlin nach Monte Carlo und legten dabei die 1680 Kilometer<br />

in 28 Stunden zurück, was dem höchstbeachtlichen<br />

Durchschnitt von 60 km/h entsprach.<br />

Mit dem Audi Front erfüllte auch die Auto Union dieses traditionsreiche<br />

Markenzeichen wieder mit konstruktiven Leben<br />

und Marktpräsenz. Der Wagen zeigte im Lauf der Jahre Proble-


Der Audi Front war das erste europäische Fahrzeug der gehobenen<br />

Mittelklasse mit Frontantrieb.<br />

me vor allem im Hinblick auf die Antriebsgelenke, deren<br />

ungenügende Lebensdauer von ca. 30.000 Kilometern mit den<br />

damals zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zu verlängern<br />

war. Der Nachfolgetyp Audi 920 kam im Herbst 1938 nach<br />

18 Monaten Entwicklungszeit auf den Markt. Auch das neue<br />

Sechszylindertriebwerk war ein Zwickauer Kind: Entwickelt für<br />

Horchwagen, blieb er den hohen Ansprüchen der Motoren dieser<br />

Marke gerecht. Der Sechszylindermotor leistete bei 3,2 l<br />

Hubraum 75 PS. Die obenliegende Nockenwelle wurde über<br />

die Königswelle gesteuert. Unter Verwendung von Karosserie-<br />

Baugruppen der Wandererwagen, der gleichen Hinterachse und<br />

identischer Karosserieteile ergab sich dennoch durch einen völlig<br />

anders gestalteten Vorderwagen für den Audi ein eigenständiger<br />

Auftritt. Die stromlinienförmige Kühlerattrappe verriet amerikanische<br />

Stileinflüsse und sie war wie die elegante Motorhaube<br />

reich mit Chromleisten verziert. Diesem dynamischen Aussehen<br />

entsprach auch die Kühlerfigur – auch die Audi 1 war strömungs-<br />

Der Audi 920, die letzte Vorkriegsentwicklung von Audi, setzte wieder auf den Heckantrieb.<br />

AufgeHorcht<br />

förmig nach hinten gestellt. Der Audi 920 verfügte wieder über<br />

den Antrieb über die Hinterachse. Er hatte einen glänzenden Start.<br />

Der Wagen vereinte ausgezeichnete Fahrleistungen mit einer<br />

hervorragend gestalteten Karosserie und brachte den alten Eliteanspruch<br />

von Audi auf völlig neue und in dieser Form im Rahmen<br />

der deutschen Automobilindustrie sehr seltene Weise zum Ausdruck.<br />

So hätte ein erneuter Aufschwung der traditionsreichen<br />

Marke mit diesem neuen Image beginnen können – wenn nicht<br />

der Ausbruch des 2. Weltkrieges dem einen dauerhaften Riegel<br />

vorgeschoben hätte.<br />

Vorwegnahme des modernen Audi-Selbstverständnisses<br />

So endeten die ersten drei Jahrzehnte im Audi-Leben, die aber<br />

schon die wichtigsten Überlebenseigenschaften dieser Marke<br />

offenbart hatten. Die Markenphilosophie mit ihrem klaren Bekenntnis<br />

zum Premiumsegment war durch August Horch geprägt<br />

worden und von Anfang an maßgebend. Das Markenleitbild<br />

ist durch gezielte Hinwendung zur sportlichen Eleganz am<br />

Ende dieser Jahre durchaus als Vorwegnahme des modernen<br />

Audi-Selbstverständnisses zu bewerten. Stärke und Durchsetzungsvermögen<br />

im sportlichen Wettbewerb prägten den Markenauftritt<br />

in entscheidenden Phasen. Maßgeblich für die Überlebenskraft<br />

waren Ausdauer, Widerstandsfähigkeit und hohes<br />

Stabilisierungspotenzial zur Überbrückung schwieriger wirtschaftlicher<br />

Wechsellagen. In allen Phasen seiner Veränderung<br />

symbolisierte die Marke Audi die Fähigkeit zum Schulterschluss<br />

mit wirtschaftlich stärkeren Partnern, ohne dabei die eigene<br />

Identität einzubüßen. Gerade für diese erwies sich immer wieder<br />

das Audi-Innovationspotenzial als unverzichtbar und ertragreich.<br />

Prof. Dr. Peter Kirchberg<br />

Fotos: Audi, Archiv August Horch Museum (Werksansicht S.11)<br />

01/2009<br />

13


AufgeHorcht<br />

Zwickau feiert ein Jahrhundert Audi<br />

Festwochenende am 25. und 26. Juli in der Geburtsstadt der Weltmarke<br />

Mit einer Sonderausstellung im August Horch Museum, Schaufahrten historischer Rennfahrzeuge auf dem Platz<br />

der Völkerfreundschaft, einem abendlichen Geburtstagskonzert und einer Oldtimerausfahrt feiert Zwickau am<br />

25. und 26. Juli ein Jahrhundert Audi.<br />

Bereits vor fünf Jahren – zur Neueröffnung des Horch Museums – erlebte Zwickau eine legendäre Rennsport-Demonstration. Damals brachte Audi<br />

drei Auto Union Silberpfeile mit nach Zwickau. Der Typ A von 1934, der Typ C von 1936 und der Typ D von 1938 zogen tausende Zuschauer auf den<br />

Brückenberg. Foto: Frank Reichel<br />

Der „Startschuss“ fällt im Horch<br />

Museum. Die Sonderschau „Horch, ein<br />

Audi“ öffnet am Sonnabend, den 25.<br />

Juli, um 9.30 Uhr ihre Pforten. Sie zeigt<br />

einige der ältesten noch erhaltenen<br />

Audi-Fahrzeuge der Welt. Dazu gehören<br />

der älteste Wagen der Marke, ein<br />

Audi Typ A von 1911, und der erst kürzlich<br />

wieder aufgebaute Audi 225 Front<br />

Spezialroadster von 1935. Beide gibt es,<br />

wie manch anderes Exponat dieser Ausstellung,<br />

weltweit nur ein einziges Mal.<br />

Während das Museum an diesem Festwochenende<br />

den Eintritt auf symbolische<br />

100 Cent reduziert, steigt die Geburtstagsparty<br />

auf dem Platz der<br />

Völkerfreundschaft bei freiem Eintritt.<br />

Ein Überschlagssimulator, der Audi-<br />

Heißluftballon und viel, viel PS sind hier<br />

ab 10.00 Uhr zu erleben. Auf einem<br />

500-Meter-Kurs drehen historische<br />

Rennfahrzeuge ihre Runden, allen voran<br />

ein Silberpfeil aus den 1930 Jahren. Ob<br />

Typ C oder D, stand zum Zeitpunkt der<br />

14<br />

01/2009<br />

Bekanntgabe der Feierlichkeiten noch<br />

nicht fest. Ebenso bringt Audi Rallyeund<br />

Tourenwagen der 1980er und<br />

1990er Jahre mit nach Zwickau. Kinder<br />

bis zwölf Jahre können auf einem<br />

eigenen Parcour Silberpfeile vom Typ C<br />

im Maßstab 1:2 als Tretauto bewegen.<br />

Eine spezielle Ausstellung zeigt die Entwicklung<br />

der Fahrsicherheit von den<br />

1930er Jahren bis heute auf. Dabei gibt<br />

auch eine Audi-Sonderabteilung Einblicke<br />

in ihre Arbeit: Nach Unfällen mit<br />

neuen Fahrzeugen begutachten Experten<br />

die Pkw, um daraus Erkenntnisse<br />

zur Weiterentwicklung der Fahrzeugsicherheit<br />

zu gewinnen. Natürlich fehlt<br />

auch nicht eine Präsentation der aktuellen<br />

Audi-Fahrzeugpalette.<br />

Am Abend wird der Platz zur Freilicht-<br />

Konzertbühne. Mit der Zwickauer Band<br />

SK 5, den österreichischen Chartstürmern<br />

My Excellence, der schwedischen<br />

Popgruppe Alcazar sowie den Altrockern<br />

von der bayerischen Spider<br />

Murphy Gang ist für nahezu jeden<br />

Musikgeschmack zwischen 7 und 70<br />

etwas dabei.<br />

Am folgenden Sonntagmorgen werden<br />

100 Oldtimer den Platz der Völkerfreundschaft<br />

bevölkern. So viele Fahrzeuge,<br />

nicht älter als Baujahr 1909 und<br />

nicht jünger als Baujahr 1979, sind<br />

für die 100-Kilometer-Jubiläumsausfahrt<br />

zugelassen, an der sich Fahrzeuge<br />

aller Marken beteiligen können. Die<br />

Tour führt auf Nebenstrecken bis zur<br />

Talsperre Pöhl und über Netzschkau,<br />

Mylau und Reichenbach zurück nach<br />

Zwickau. Ziel ist gegen 13.00 Uhr das<br />

Horch Museum.<br />

Das Festwochenende wird gemeinsam<br />

vorbereitet von der Audi AG, dem<br />

August Horch Museum und der Stadt<br />

Zwickau. Maßgeblich unterstützt werden<br />

die drei Partner vom Motorsportclub<br />

Zwickau e.V. und von Radio Zwickau.<br />

IR


Nachbau des Auto Union<br />

Rennwagens Typ C<br />

für das Horch Museum Zwickau<br />

Aktuelles Ziel: Fertigstellung der zweiten Baustufe bis Ende 2009<br />

Die jetzige zweite Baustufe umfasst Bau<br />

und Nachrüstung des Fahrwerks mit<br />

Vorder- und Hinterachse, Lenk- und Bremssystem,<br />

äußerer Getriebeschaltung sowie<br />

Wasser- und Ölkühlsystem. Ziel ist, diese<br />

Arbeiten bis Ende 2009 abzuschließen.<br />

Bisher wurden dafür 3550 Stunden ehrenamtliche<br />

Arbeit geleistet. Ein geschätzter<br />

Aufwand von ca. 2000 Stunden liegt noch<br />

vor den Akteuren.<br />

Von den bisher gespendeten 43.000 Euro<br />

wurden 13.740 Euro durch Aufträge verbraucht<br />

und weitere Aufträge im Umfang<br />

von 13.100 Euro für Fertigungen erteilt.<br />

Schwerpunkte waren bzw. sind hierbei die<br />

Anfertigung von Gussteilen und die Durchführung<br />

komplizierter mechanischer Bearbeitungen,<br />

die von den Sponsorenfirmen<br />

nicht kostenlos realisiert werden können.<br />

Ohne die Geldspenden, allen voran die<br />

des ADAC Sachsen und der Sparkasse<br />

Zwickau bis hin zu den kleinen Spenden<br />

der Museumsbesucher, wären diese Aufgaben<br />

nicht realisierbar. Dafür danken wir<br />

allen Spendern sehr herzlich.<br />

Folgende Unternehmen haben bisher das<br />

Projekt in der zweiten Baustufe unterstützt:<br />

16 Unternehmen mit<br />

kostenlosen Leistungen:<br />

– FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung-<br />

Sachsen, Zwickau<br />

– Auto-Entwicklungsring Sachsen GmbH,<br />

Zwickau<br />

– AMR–Hydraulik Zwickau GmbH<br />

– Siemens AG, Competence Center,<br />

Chemnitz<br />

– STZ Sächsische Technologie Zentrum<br />

gGmbH, Zwickau<br />

– IAV GmbH, Chemnitz<br />

– Koki-Technik GmbH, Stollberg<br />

– VW-Bildungsinstitut, Zwickau<br />

– Indikar Individual Karosseriebau<br />

GmbH, Wilkau-Haßlau<br />

– Borsig ZM Compression GmbH,<br />

Meerane<br />

– ATC, Glauchau<br />

– Technologiezentrum Westsächsische<br />

Hochschule Zwickau<br />

– tmV Tröger Metallveredlung, Bernsdorf<br />

– H & T ProduktionsTechnologie GmbH,<br />

Crimmitschau<br />

5 Unternehmen mit<br />

reduzierten günstigen Preisen:<br />

– Eurocomp Systems KG, Gottmadingen<br />

– S & F Maschinen- und Werkzeugbau<br />

GmbH, Chemnitz<br />

– Maschinenbau Thomas Hofmann,<br />

Drebach<br />

– probeam Anlagen GmbH, Neukirchen<br />

– Chemnitzer Zahnradfabrik GmbH,<br />

Grüna<br />

Die Realisierung der zweiten Baustufe erfordert<br />

noch einen hohen Arbeitsaufwand.<br />

Die Fertigung bei Sponsorenfirmen wird,<br />

in ihrer Auswirkung noch nicht einschätzbar,<br />

durch die Wirtschaftskrise beeinträchtigt.<br />

Benötigt werden folgende Leistungen:<br />

– Mechanische Fertigungen<br />

– Herstellung spezielle Flächenfedern<br />

– Beschaffung Teile Öl- und<br />

Wasserkreislauf<br />

– Beschaffung Restumfang Normteile<br />

– Verzahnungsfertigungen an den Teilen<br />

– Örtliche und personelle Sicherung der<br />

Durchführung der Montage am Fahrzeug<br />

Wir sind auch weiterhin auf kostenlose<br />

Leistungen von Sponsorenfirmen, Spenden<br />

von Firmen, Institutionen und Personen<br />

und die umfangreiche ehrenamtliche Arbeit<br />

von Mitgliedern des Fördervereins<br />

und anderer Personen angewiesen.<br />

Rainer Mosig<br />

Projektleiter<br />

Die zweite Baustufe in Zahlen Teile<br />

gesamt<br />

fertiggestellt<br />

vorhanden<br />

in<br />

Bearbeitung<br />

noch nicht in<br />

Bearbeitung<br />

Mechanische Teile<br />

Anzahl<br />

in Prozent<br />

465<br />

100<br />

250<br />

53,7<br />

156<br />

33,5<br />

59<br />

12,8<br />

Gussteile<br />

Anzahl<br />

in Prozent<br />

38<br />

100<br />

38<br />

100<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

Norm- und Kaufteile<br />

Anzahl<br />

in Prozent<br />

1507<br />

100<br />

1334<br />

88,5<br />

95<br />

6,3<br />

78<br />

5,2<br />

AufgeHorcht<br />

Weitere Unterstützung für<br />

das Projekt Nachbau<br />

Rennwagen Typ C nimmt<br />

der Förderverein gern<br />

entgegen:<br />

Gemeinnütziger<br />

Förderverein<br />

Automobilmuseum<br />

August Horch Zwickau e.V.<br />

Audistraße 7<br />

08058 Zwickau<br />

Tel. 0375-2706587<br />

(dienstags und donnerstags<br />

jeweils 9.00 bis 11.00 Uhr)<br />

Fax 0375-2706587<br />

E-Mail:<br />

foerderverein<br />

@horch-museum.de<br />

Internet:<br />

http://foerderverein.<br />

horch-museum.de<br />

Spendenkonto:<br />

Sparkasse Zwickau<br />

BLZ 870 550 00<br />

Konto-Nr. 22 12 00 03 51<br />

Kennwort: RWC<br />

01/2009 15


AufgeHorcht<br />

„Die Kühlermaske für den Horch 830<br />

– worum handelt es sich da eigentlich?“<br />

Drei Meisterwerke aus dem Zeichenstift von Günther Mickwausch –<br />

der Horch 855 Roadster (oben), der stromlinienförmige Horch 930 S<br />

(Mitte) und der Wanderer W 25 K Roadster (unten).<br />

Fotos: Archiv Audi<br />

16<br />

01/2009<br />

Die Kunst automobiler Formgestaltung wurde<br />

bei Designer Günther Mickwausch aus einer<br />

Not heraus geboren – Gedenken zum 100.<br />

Geburtstag des Chefgestalters der Auto Union<br />

Den 16. Oktober 2008 nahm die 99-jährige Käthe<br />

Mickwausch zum Anlass, dem August Horch Museum<br />

in Zwickau einen Besuch abzustatten. An der Würdigungstafel<br />

für den Auto Union-Chefgestalter Günther<br />

Mickwausch legte sie einen Rosenstrauß nieder und<br />

gedachte so des 100. Geburtstages ihres bereits 1990<br />

verstorbenen Mannes.<br />

Aus seinem Zeichenstift flossen jene elegante Linienführung<br />

und fein abgestimmte Formensprache, mit denen sich die<br />

Wagen der Auto Union und ihrer Marken Audi, Horch, DKW<br />

und Wanderer als unvergleichliche Meilensteine der Gestaltung<br />

in den Entwicklungsweg des Automobils gesetzt haben –<br />

Günther Mickwausch.<br />

Der gebürtige Dresdner war unbestritten der fähigste Gestalter,<br />

den der Zwickauer und westsächsische Automobilbau in<br />

seiner langen Geschichte aufweisen konnte. Und dabei kam<br />

seine Liebe für automobile Formgestaltung aus der Not heraus<br />

zustande – nahm er doch die Tätigkeit bei Horch mangels<br />

anderer Angebote an. Als Technischer Zeichner kam der Student<br />

der Staatlichen Akademie für Kunstgewerbe 1932 nach<br />

Zwickau. Als er seinen ersten Auftrag – die Kühlermaske für<br />

den Horch 830 – bearbeiten sollte, musste er seinen Nachbarn<br />

erst einmal fragen, um was es sich eigentlich handele …<br />

Später entstanden an seinem Reißbrett die Karosserien solch<br />

beeindruckender Modelle wie des meisterlichen Horch 855<br />

Roadster, des Wanderer W 25 K Roadster, des stromlinienförmigen<br />

Horch 930 S, des DKW F 9 oder auch des Horch 853,<br />

der noch heute als schönstes Sportkabriolett Deutschlands<br />

gilt. Noch nach dem Krieg, er hatte sich zusammen mit seiner<br />

Frau Käthe als Gebrauchsgrafiker in Heidenau etabliert, wurde<br />

er mit ihr zusammen noch einmal für Zwickau tätig: Beide gestalteten<br />

das Interieur des P 240 „Sachsenring“. PM<br />

Seite 17 links: Die Würdigungstafel für Günther Mickwausch im Horch<br />

Museum Zwickau. Die 99-Jährige Ehefrau Käthe Mickwausch legte am<br />

16. Oktober 2008 zu Ehren des 100. Geburtstages ihres Mannes dort<br />

einen Rosenstrauß nieder. Foto: Horch Museum


AufgeHorcht<br />

Oben: Der Auto Union-Designer Günther Mickwausch – Porträt von 1933.<br />

Unten: Günther Mickwausch‘ Ehefrau Käthe an einem Horch 853, aufgenommen während<br />

eines Besuchs im Horch Museum im Jahr 2003. Das von ihrem Mann designte Sportkabriolett<br />

gilt noch heute als eines der schönsten in Deutschland.<br />

Fotos: Horch Museum<br />

01/2009 17


AufgeHorcht<br />

Aus der Not eine Tugend gemacht<br />

Kunststoffentwicklung für Karosserieverkleidungen<br />

Trabant-Gerippe und<br />

zu montierende Pressteile.<br />

Kunststoff gewinnt ob seiner Gewichtsvorteile gegenüber Stahl wieder an Bedeutung für den Karosseriebau. In<br />

Sachsen stand dieses Thema bereits sei den 1930er Jahren auf der Agenda der Automobilbauer. Aus der Not eine<br />

Tugend machen mussten beispielsweise ab den 1950er Jahren die Trabant-Bauer in Zwickau. Über die damaligen<br />

Hintergründe und Vorgehensweisen bei der Entwicklung eines geeigneten Kunststoffes für Karosserieteile<br />

informieren die Autoren des nachfolgenden Beitrages, der u. a. Beachtung auf dem Internationalen Symposium<br />

für nachwachsende Rohstoffe 2002 in Kassel fand. Dr. Winfried Sonntag hat u. a. als Technischer Direktor des<br />

VEB Sachsenring Automobilbau Zwickau sowie als Direktor des Wissenschaftlich-Technischen Zentrums<br />

Automobilbau die Geschicke des DDR-Fahrzeugbaus mit gelenkt. Wolfgang Barthel war federführend bei der<br />

Entwicklung des Kunststoffs für die Trabant-Karosserie.<br />

Es war eine ständige Anpassung an die wechselnde Marktsituation<br />

bei laufender Berücksichtigung der Preisentwicklung<br />

notwendig. In den letzten Jahren der Fertigung kam vorwiegend<br />

sowjetische Baumwolle, Sorte 6, zum Einsatz. Hinsichtlich<br />

Festigkeit unterschied sie sich kaum von den Sorten 4 und<br />

5. Da sie aber für den Textilbereich nur eingeschränkt zum<br />

Färben geeignet war, war sie preisgünstiger. Für die unteren<br />

Pressstoffschichten wurde die in 200-Kilogramm-Ballen angelieferte<br />

Wolle aufgelockert und auf in der Textilindustrie üblichen<br />

Reinigungsmaschinen weitestgehend von Samenkapseln<br />

befreit. Pneumatisch gelangte das Material zu den einzelnen<br />

Verarbeitungsstellen.<br />

Für die obere Pressschicht galten besondere Anforderungen,<br />

da sie keine Reste quellfähiger Bestandteile enthalten durfte.<br />

Zum Einsatz kamen daher sogenannte Baumwollstrips, die<br />

bei den Spinnereien anfielen und chemisch durch ein spezielles<br />

Verfahren zu behandeln waren. Dieser Beuchvorgang er-<br />

18<br />

Aufbereitung der Baumwolle<br />

01/2009<br />

folgte in dreiprozentiger Ätznatronlauge bei 120 Grad Celsius<br />

über zwei Stunden. Vor der Weiterverarbeitung musste das<br />

Material noch maschinell aufgelockert werden und gelangte<br />

dann ebenfalls pneumatisch zu den Verarbeitungsstellen.<br />

Durch wechselnde Verfügbarkeit und Preisfestlegungen für<br />

Baumwolle und Harze war eine ständige Anpassung an die<br />

jeweilige Situation notwendig, da unterschiedliche Faser- und<br />

Kunstharzarten zu verschiedener Schwindung führten. Einige<br />

Jahre kam anteilig Flachsfaser zum Einsatz mit recht günstiger<br />

geringer Schwindung. Nach einer enormen Preissteigerung<br />

wurde sie wieder durch Baumwolle ersetzt.<br />

Die Kunstharzsteuereinrichtung<br />

Teil 2 und<br />

Schluss<br />

Den kontinuierlich aus den Krempelmaschinen austretenden<br />

Faserfloren musste das etwas sandförmig aufbereitete Kunstharz<br />

aufgerieselt werden, so dass der Harzanteil im Mittel bei<br />

52 Prozent lag. Bis zu einer zufriedenstellenden Arbeitsweise<br />

gab es mehrere Entwicklungsstufen. Dosiert wurde nach Vo-


lumen. Das Schüttgewicht war in Abhängigkeit von Sinterneigung<br />

und Körnchengröße mit 0,5 bis 0,9 g/cm³ Dichte schwierig<br />

zu dosieren. In der entsprechenden Einrichtung wurde es<br />

durch einen Auflockerungsvorgang zu einer Schüttdichte von<br />

0,62 bis 0,64 g/cm³ vergleichmäßigt und auf eine bestimmte<br />

Höhe abgestrichen. Über ein langsam laufendes Transportband<br />

kam es zu einer Abstreifwalze, die es gleichmäßig verteilt nach<br />

unten auf das Baumwollflor warf. Das abgestrichene Material<br />

wurde mittels Schneckenförderung zurück in den Harzaufnahmebehälter<br />

transportiert.<br />

Verpressung und Presswerkzeuge<br />

Im Gegensatz zu fließenden Pressmassen musste hier berücksichtig<br />

werden, dass das Verhältnis des von der Natur aus sehr<br />

spröden Bindemittels zum Verstärkungsmaterial bzw. der<br />

Baumwolle bei Einsetzen des Pressdrucks erhalten blieb. Es<br />

durften also keine Entmischungen durch das bei Wärme flüssige<br />

Harz und dem nicht fließenden watteartigen mit dem Harz<br />

durchsetzten Fasermaterial zustande kommen. Bei der Verformung<br />

ergeben sich unterschiedliche Materialdicken, die bei<br />

Anwendung starrer Werkzeugmatrizen und Stempel sehr unterschiedliche<br />

Drücke zur Folge haben. Das würde zu Entmischungen<br />

bzw. zu harzarmen und harzreichen Stellen im<br />

Formteil führen. Die Lösung des Problems fanden wir in der<br />

elastischen Verpressung mittels ausreichend wärmebeständiger<br />

formvulkanisierter Gummidruckstempel. Die mittlere Dicke<br />

der Trabant-Teile lag bei 3 Millimeter und für Dach sowie Motorhaube<br />

bei 3,75 Millimeter. Bei starken Verformungen, z. B. im<br />

Scheinwerferbereich der Motorhauben, gab es formbedingte<br />

Dickenveränderungen, wobei durch die elastische Verdichtung<br />

auch bei unterschiedlichen Materialdicken eine annähernd<br />

gleichmäßige Druckverteilung zustande kam und hierdurch<br />

eine Entmischung von Harz und Verstärkungsfaser vermieden<br />

wurde.<br />

Ein weiterer Vorteil war die Anwendung sehr robuster einfacher<br />

und damit preisgünstiger Pressen, da Differenzen in der<br />

Parallelität von Pressunter- und -oberteil beim Vulkanisieren<br />

der Gummidruckstempel ausgeglichen wurden. Beim Polyesterpressen<br />

werden Genauigkeiten von einigen hundertstel<br />

AufgeHorcht<br />

Millimeter verlangt, wogegen das eigene Verfahren noch Ungenauigkeiten<br />

bis zu etwa 12 Millimeter verkraftete. Mit der<br />

hohen Forderung an die Parallelität des oberen und unteren<br />

Pressenteils steigen die Kosten für die Polyesterpressen ganz<br />

erheblich, etwa um das Zehnfache.<br />

Die Aushärtezeit für ein Pressteil betrug 6 Minuten bei 175 bis<br />

180 Grad Celsius. Hinzu kam eine kurze Rückkühlzeit vor der<br />

Entformung, auf die man bei Verwendung durchgehend chemisch<br />

behandelter Baumwolle hätte verzichten können.<br />

Hierzu reichte aber die Kapazität in der Baumwollindustrie<br />

nicht aus.<br />

Da eine Person fünf Maschinen bediente, teilte sich die Lohnzeit.<br />

Die Arbeitskraft musste also nur das Material einlegen<br />

und nach Abschluss des automatisch ablaufenden Vorganges<br />

Prinzip eines Presswerkzeugs.<br />

Dosiereinrichtung zur Kunstharz-Aufrieselung.<br />

01/2009 19


AufgeHorcht<br />

Einlegen des Vormaterials für die Abpressung eines Trabant-Daches. Entnahme eines Daches aus dem Presswerkzeug.<br />

wieder entnehmen. Das erforderliche Trennmittel hätte im<br />

Vormaterial eingearbeitet werden können. Für die geeignete<br />

Aufbereitungsmaschine aus dem westlichen Ausland fehlte<br />

aber das Geld. Die Pressschalen wurden daher von Zeit zu<br />

Zeit mit Montanwachs ausgewischt. Die Lohnzeit für die Verpressung<br />

eines Teils lag bei etwa 1,5 Minuten. Hier ist zu<br />

berücksichtigen, dass für ein kompliziertes Formteil wie den<br />

Vorderkotflügel in Blechausführung neun Arbeitsgänge mit<br />

verschiedenen Werkzeugen und Verarbeitungsmaschinen notwendig<br />

gewesen wären, weshalb die Fertigteilkosten durch<br />

den Kunststoffeinsatz selbst bei Einbeziehung der Montage<br />

unterboten werden konnten.<br />

Komplizierte Teile hätten in Blechausführung erhebliche<br />

Schwierigkeiten gebracht durch Einrisse im Bereich der<br />

Scheinwerferaussparungen bei den Vorderkotflügeln und der<br />

Motorhaube. Aus Kapazitätsgründen bzw. nicht mehr ausreichendem<br />

Platz zur Erweiterung musste für den Trabant mit<br />

Blick in eine Pressenhalle.<br />

20<br />

01/2009<br />

Viertaktmotor die Motorhaube aus Blech gefertigt werden.<br />

Das brachte außerordentliche Schwierigkeiten mit sich und<br />

wurde erheblich teurer als die Kunststoffausführung, deren<br />

Endgestalt sich in einem Arbeitsgang erreichen ließ.<br />

Weiterverarbeitung und Montage<br />

Die aus der Presse entnommenen Teile hatten noch einen<br />

umlaufenden unverpressten Rand aus Vormaterial, den man<br />

nicht beim Pressvorgang abtrennte, sondern nachträglich auf<br />

unterschiedliche Weise entfernte. Er wurde teilweise abgestanzt<br />

und in speziellen Vorrichtungen abgefräst. Für die Besäumung<br />

war in einigen Fällen sogar der Einsatz der Bandsäge<br />

die wirtschaftlichste Art, bei der man erstaunliche Schnittgeschwindigkeiten<br />

erzielte. Der Vorgang für ein Dach dauerte<br />

nur wenige Sekunden.


Für die Montage musste natürlich werkstoffgerecht gestaltet<br />

werden. Es waren also entsprechende Entformungsschrägen<br />

zu berücksichtigen. Für die Konstrukteure gab es Richtlinien,<br />

da sie vorwiegend im Umgang mit Karosserieblech vertraut<br />

waren. Es ließen sich aber Karosserien so gestalten, dass<br />

selbst Fachleute glaubten, es handele sich um blechverkleidete<br />

Objekte. Nach der Wende lobte eine um rasche<br />

Anpassung bemühte ostdeutsche Fachzeitung die Karosserie<br />

des leider nie realisierten Pkw P 603 mit Kunststoffkarosserie<br />

in der Annahme, er habe eine Blechverkleidung, mit der<br />

Bemerkung, dass man die Gestalt nie mit Pressstoff realisieren<br />

könnte.<br />

Die Befestigung der Kunststoffteile am Blechgerippe erfolgte<br />

durch einen beim Einbrennen des Kunstharzlackes aushärtenden<br />

Klebstoff und mittels Schrauben, Nieten sowie<br />

Falzen. Bei Reparaturen ließen sich angeklebte Teile ohne<br />

Beschädigung des Blechgerippes abtrennen.<br />

Klebverbindungen werden auch im modernen Automobilbau<br />

häufig angewendet, vorwiegend bei Einsatz von PVC-Plastisolen.<br />

Bei Unfällen beschädigte Teile sind wesentlich günstiger<br />

austauschbar als angeschweißte. Die Kosten für den<br />

Wechsel eines angeschweißten Lada-Kotflügels lagen in der<br />

DDR z. B. neun Mal höher als für den Trabant- oder den<br />

angeschraubten Wartburgkotflügel (nach vom zuständigen<br />

Ministerium bestätigter Regelleistung).<br />

Materialeigenschaften und Prüfling<br />

Laufend untersucht wurden die Biegebruchfestigkeit, die<br />

Schlag- und Kerbschlagzähigkeit, die Wärmeformbeständigkeit<br />

und die Feuchtigkeitsaufnahme. Die festgelegten<br />

Mindestwerte waren mit dem Amt für Material- und<br />

Warenprüfung in Halle abgestimmt und wurden dort<br />

zusätzlich mit überwacht. Es gab sogar zeitweise eine<br />

zusätzliche Zusammenarbeit mit dem Amt für<br />

Warenprüfung in Darmstadt in der BRD, dem in den ersten<br />

Pkw P 603 mit Kunststoffverkleidung.<br />

AufgeHorcht<br />

Jahren zusätzlich laufend Proben zur Überwachung der<br />

Festigkeit zugingen.<br />

Weitere Prüfungen erstreckten sich auf Dauerwechselfestigkeit<br />

und Ermittlung von E-Modul aus Biegung und Zug.<br />

Die Entzündungstemperatur des Pressstoffs lag höher als<br />

der Schmelzpunkt von Aluminium. Witterungsproben wurden<br />

außer im eigenen Klima in verschiedenen Ländern ausgelegt,<br />

so u. a. in China auf der Insel Hainan mit tropischem<br />

Klima. Dort hat man sie laufend ausgewertet und sie standen<br />

nach ca. zwei Jahren zur eigenen Nachprüfung wieder<br />

zur Verfügung. Der Pressstoff erwies sich praktisch über<br />

Jahrzehnte auch unlackiert als unverwüstlich, weshalb man<br />

noch heute zahlreiche Trabant-Fahrzeuge sieht. Pkw mit<br />

blechverkleideter Karosserie setzten die teilweise durchgerosteten<br />

Bleche ein früheres Ende. Fahrerprobungen wurden<br />

außerdem im afrikanischen Wüstenklima und am nördlichen<br />

Polarkreis durchgeführt.<br />

Härtetest für den P70. Das hält eine<br />

blechverkleidete Karosserie nicht aus.<br />

01/2009 21


22<br />

AufgeHorcht<br />

Kostenaufwand und Wirtschaftlichkeitsgrenze<br />

Für den Automobilbau war die Eigenfertigung des Pressstoffes<br />

artfremd und der Umgang mit Blech vertrauter. Es wurden<br />

daher oft Vergleiche angestellt, ob man ökonomisch nicht mit<br />

blechverkleideten Karosserien günstiger fährt. Gefertigt wurden<br />

ca. 150.000 Pkw pro Jahr und zusätzlich Ersatzteile für alle<br />

laufenden Fahrzeuge. An eine Wirtschaftlichkeitsgrenze stieß<br />

man bei etwa 200.000 Fahrzeugen pro Jahr. Hier waren die<br />

Kosten für Blech- und Plastausführung etwa gleich, darüber<br />

hinaus für Blechkarosserien günstiger.<br />

Später standen auch glasfaserverstärkte Polyesterpressmatten<br />

(Prepregs) zur Verfügung, die ein Betrieb in Staaken verarbeitete.<br />

Zur Kapazitätsentlastung wurde versucht, einige Verkleidungsteile<br />

des Trabant dort herzustellen. Wegen dreifach höherer<br />

Kosten und Formgebungsschwierigkeiten kam es nicht<br />

zur Realisierung. Im eigenen Bereich wurden mit diesem Material<br />

Untersuchungen durchgeführt ohne im Ergebnis vom<br />

phenolharzgebundenen Pressstoff abzugehen.<br />

Crash-Verhalten<br />

Nach der Wende gab es erhebliche Bemühungen, den Trabant<br />

aus dem Straßenbild zu entfernen. Es wurden Crash-Vergleiche<br />

unter genormten Bedingungen durchgeführt – bei Aufprallgeschwindigkeit<br />

gegen starre Wand mit 50 km/h bei 40<br />

Prozent Überdeckung (Aufprallfläche). Die Ergebnisse von<br />

Crashs Anfang der 1990er Jahre mit Bildern, Verzögerungswerten,<br />

Fahrzeugverkürzungen, Lenkradverlagerungen usw.<br />

wurden in Fachzeitschriften veröffentlicht und das Verhalten<br />

des Trabant mit 26 PS demjenigen von 15 Pkw mit Blechkarosserien<br />

bis zu 160 PS gegenübergestellt. Bei einem direkten<br />

Vergleich zwischen Trabant, Ford Escort und Opel Vectra<br />

hatte man für den Trabant statt 50 km/h eine Aufprallgeschwindigkeit<br />

von 52,8 km/h gewählt. Da die Geschwindigkeit<br />

im Quadrat und nicht nur linear wirksam wird, war die Aufprallenergie<br />

gegenüber den Vergleichsfahrzeugen um 11,4 Prozent<br />

höher. Die Experten waren überrascht, was die Trabant-<br />

Fahrgastzelle ausgehalten hat.<br />

Weitere Anwendungen für den Trabant-Pressstoff<br />

Das Dach des Traktors ZT 300 wurde aus glasfaserverstärktem<br />

Polyester hergestellt und brauchte Metallversteifungen,<br />

da es auch mit Personen belastbar sein musste. Die Umstellung<br />

auf Duroplast führte zu einer Verbilligung von 190 auf 70<br />

DM bei einer Festigkeit, die keine Stahlversteifung mehr erforderte.<br />

Für das Wartburg 312 Coupé wurde die Motorhaube<br />

serienmäßig aus dem Trabant-Pressstoff gefertigt. Ein<br />

Privatbetrieb übernahm das Verfahren zur Herstellung von<br />

Sesselschalen. Weitere Einsatzwünsche konnten aus Kapazitätsgründen<br />

nicht realisiert werden.<br />

Schutzrechte, Lizenzinteressen, Auslandsmeinungen<br />

Im Zusammenhang mit der Entwicklung wurden 22 geprüfte<br />

und genutzte Patente erteilt. 12 davon waren zum Ende der<br />

Fertigung noch in Gebrauch. Außerhalb der DDR gab es 74<br />

01/2009<br />

Bei einem Crash-Test mit 11,4 Prozent höherer Aufschlagenergie als<br />

die Vergleichsfahrzeuge Opel Vectra und Ford Escort machte der<br />

Trabant eine gute Figur.<br />

Erteilungen in 13 Ländern. Mit der international agierenden<br />

englischen Firma Formica wurde ein Lizenzvertrag abgeschlossen.<br />

Interesse daran bekundete auch Japan, doch kam es<br />

hier nicht zum Abschluss. Nach der Wende erschienen zwei<br />

Herren aus Südamerika von Venezuela Industries mit der Absicht,<br />

das Verfahren zu übernehmen. Es wurde ihnen abgeraten,<br />

da sie die Schwierigkeiten in ihrem Land mit tropischem<br />

Klima unterschätzten.<br />

Während sich in den Anfangsjahren der serienmäßig hergestellten<br />

kunststoffverkleideten Karosserie die Fachpresse sehr<br />

anerkennend äußerte, gab es nach der Wende recht unsachliche<br />

Darstellungen. Doch schon mit dem Erscheinen der ersten<br />

Fahrzeuge erschienen lächerliche Artikel in der Befürchtung,<br />

dass der Kunststoffeinsatz zur Gefahr für die Stahlindustrie<br />

werden könnte. In den 1950er Jahren befassten sich prominente<br />

Automobilhersteller, darunter General Motors in den<br />

USA, mit der Erprobung von Kunststoffen für Karosserien. In<br />

dieser Zeit schieden nach amerikanischen Quellen noch 70<br />

Prozent aller Fahrzeuge infolge durchgerosteter Karosserien<br />

aus. Inzwischen ist dieses Problem weitestgehend gelöst.<br />

Verbreitet wurden mitunter sehr irrige Meinungen, z. B. dass<br />

der Trabant bei Gewitter eine Gefahr bilde. Ein skandinavischer<br />

Professor empfahl in einem Artikel, die Insassen eines<br />

Trabants sollten sich bei Gewitter in angemessener Entfernung<br />

von ihrem Fahrzeug flach auf den Boden legen, um nicht<br />

vom Blitz erschlagen zu werden. Es gab Versuche, bei denen<br />

man zur Probe einen Blitz in die Karosserie leiten wollte, was<br />

aber infolge des wie ein Faradayscher Käfig wirkenden Stahlgerippes<br />

nicht gelang.<br />

Nach einer Information aus Polen war der Trabant angeblich<br />

gefährdet, weil die Kunststoffteile durch Mäuse angefressen<br />

würden. Auch diese Aussage führte zu Versuchen mit negativem<br />

Ausgang. Die Mäuse verschmähten trotz einer vorausgegangenen<br />

Hungerperiode sogar Späne.<br />

Dr. Winfried Sonntag/Wolfgang Barthel<br />

Fotos: Archiv der Autoren


AufgeHorcht<br />

01/2009


AufgeHorcht<br />

01/2009


Technische Beschreibung<br />

Personenwagen Audi 920 Kabriolett<br />

Hersteller Audiwerke AG Zwickau<br />

Produktion 1270 PKW und 11 Chassis, davon 452 Limousinen und 818 Kabrioletts<br />

Bauzeit 12/1938 bis 04/1940<br />

Gesamtfahrzeug<br />

Bauart: 2-türiges, 4-sitziges Kabriolett in Rahmenbauweise mit<br />

Gläser-Karosserie<br />

Antrieb: Hinterradantrieb durch 6-Zylinder-4-Takt-Reihenmotor längs<br />

im Fahrzeugbug angeordnet mit dahinter liegendem<br />

4-Gang-Schaltgetriebe<br />

Hauptabmessungen:<br />

Radstand: 3100 mm<br />

Spurweite vorn: 1435 mm<br />

Spurweite hinten: 1465 mm<br />

Gesamtlänge: 4900 mm<br />

Gesamtbreite: 1720 mm<br />

Gesamthöhe: 1610 mm<br />

Wendekreis: 11,5 m Durchmesser<br />

Bodenfreiheit: 200 mm<br />

Gewichte:<br />

Fahrgestellgewicht: 1150 kg<br />

Fahrzeuggewicht: Limousine 1640 kg<br />

Kabriolett 1665 kg<br />

zulässige Belastung: 365 kg<br />

Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h<br />

Kraftstoffverbrauch: 16 l/100 km<br />

Ölverbrauch: 0,2 l/100 km<br />

Preise:<br />

Limousine (Horch) 7600 Reichsmark<br />

Kabriolett (Gläser) 8750 Reichsmark<br />

Triebwerk:<br />

AufgeHorcht<br />

Motor:<br />

Bauart: 6-Zylinder-Reihenmotor<br />

Arbeitsverfahren: 4-Takt-Ottomotor<br />

Bohrung/Hub: 87 mm/92 mm<br />

Hubraum: 3281 cm3<br />

Verdichtungsverhältnis: 6,0 : 1<br />

Höchstleistung: 75 PS bei 3000 U/min<br />

Werkstoff von Kurbelgehäuse<br />

und Zylinderkopf: Grauguss<br />

Kurbelwelle: 8-fach in Gleitlagern gelagert<br />

Nockenwelle: oben liegend, 4-fach gelagert mit Antrieb durch Königswelle<br />

Anordnung der Ventile: 2 Ventile pro Zylinder, hängend im Zylinderkopf angeordnet<br />

Schmiersystem: Druckumlaufschmierung durch Zahnradölpumpe<br />

mit Ölfilter im Hauptstrom<br />

Motorölmenge: 8 l<br />

Vergaser: Steigstromregistervergaser Solex 35<br />

01/2009


AufgeHorcht<br />

01/2009<br />

Lufttrichter: 1. Stufe Ø 26 mm<br />

2. Stufe Ø 24 mm<br />

Hauptdüse: 1. Stufe 130<br />

2. Stufe 125<br />

Kühlung:<br />

Art: Wasserkühlung mit Flügelradpumpe, Lamellenkühler,<br />

Thermostat und Kühlerjalousie<br />

Kühlwassermenge: 18 l<br />

Kraftstoffanlage:<br />

Anordnung des Kraftstoffbehälters: hinter der Hinterachse unter dem Karosserieboden<br />

Inhalt: 70 l<br />

Kraftstoffförderung: mechanisch angetriebene Membranpumpe<br />

Kupplung:<br />

Bauart: Einscheibentrockenkupplung<br />

Getriebe:<br />

Bauart: 4-Gang-Allsynchrongetriebe AK 4 S20<br />

Übersetzungen: 1. Gang: 3,89 : 1<br />

2. Gang: 2,165 : 1<br />

3. Gang: 1,49 : 1<br />

4. Gang: 1,0 : 1<br />

Rückwärtsgang: 3,89 : 1<br />

Schaltung: Kugelschaltung mit Schalthebel in Wagenmitte<br />

Hinterachsübersetzung: 3,8 : 1<br />

Ölfüllmengen: Schaltgetriebe 1,75 l<br />

Ausgleichgetriebe 1,75 l<br />

Elektrische Anlage<br />

Bordspannung: 12 V<br />

Batterie: 12 V/62 Ah<br />

Zündfolge: 1 – 5 – 3 – 6 – 2 – 4<br />

Zündkerzen: Bosch W 145 T1<br />

Lichtmaschine: Bosch RJC 90/1100<br />

Anlasser: Bosch EJD 1,8/12 R 3<br />

Fahrwerk:<br />

Rahmen: Niederflurrahmen mit kastenförmigen Längs- und Querträgern<br />

Vorderachse:<br />

Bauart: Einzelradaufhängung mit oberen Querlenkern und<br />

unten liegender Blattfeder<br />

Federung: durch Halbelliptikquerblattfeder und zwei hydraulischen Stoßdämpfern<br />

Hinterachse:<br />

Bauart: Schwebeachse mit hoch liegender Blattfeder<br />

Federung: durch Halbelliptikquerblattfeder und zwei hydraulischen Stoßdämpfern<br />

Fahrgestellschmierung: durch Eindruckzentralschmierung<br />

Bremsen:<br />

Fußbremse: hydraulisch auf vier Rädern wirkende Innenbacken-Trommelbremse<br />

Handbremse: mechanisch durch Seilzug betätigt auf die Hinterräder wirkend<br />

Lenkung:<br />

Bauart: Schneckenlenkgetriebe mit rollengelagertem Lenkfinger, starre Lenksäule<br />

Räder/Reifen:<br />

Felgenart und -größe: Tiefbettfelgen 4,0 E x 16<br />

Reifengröße: 6,0 – 16<br />

Reifeninnendruck: 1,75 at vorn<br />

2,25 at hinten<br />

Quellen: Technische Daten und Beschreibungen aus Unterlagen des Automobilmuseums A. Horch e. V. Zwickau<br />

Fotos: FES GmbH vom Ausstellungsfahrzeug des Automobilmuseums A. Horch Zwickau<br />

Zusammenstellung Dipl. Ing. K.-H. Brückner, Förderverein Automobilmuseum A. Horch e. V. Zwickau


Ohrfeigen für Caracciola<br />

Aus dem Tagebuch eines<br />

Rennmechanikers der Auto Union<br />

AufgeHorcht<br />

Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker bei der Auto Union die großen Erfolge der Silberpfeile in den 1930er<br />

Jahren miterlebt und genauso die Schattenseiten des Rennsports kennengelernt. In der Betriebszeitung des ehemaligen<br />

VEB Sachsenring Zwickau berichtete er Ende der 1950er Jahre über seine Zeit an der Seite von Stuck,<br />

Rosemeyer & Co. „AufgeHorcht“ veröffentlicht Auszüge aus diesem hochinteressanten Tatsachenbericht in der<br />

Serie „Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union“. In Teil 7 steht das Geschehen zum „Goßen<br />

Preis der Schweiz“ 1936 im Mittelpunkt.<br />

Während auf dem Nürburgring vier Rennwagen starteten,<br />

wurden in der Werkstatt schon wieder vier andere Rennwagen<br />

montiert, dann auf dem Bahnhof verladen und nach<br />

Italien transportiert.<br />

Tausend Fäden aus Ländern von drei Erdteilen liefen in der<br />

Rennabteilung zusammen. Bald kam ein Ferngespräch von der<br />

Zollabfertigung Chiasso an der italienischen Grenze. Dann rief<br />

die Devisenstelle Berlin an. 100.000 Lire und 50.000 Frs.<br />

mussten für die nächsten Rennen freigemacht werden. Hotelzimmer<br />

in Nordafrika wurden bestellt. Rennmechaniker<br />

Teil 7<br />

mussten für die Amerikafahrt geimpft werden. Pässe mit neuen<br />

Visa kamen vom Generalkonsulat aus Dresden zurück. Aus<br />

Neapel kam ein Telegramm, dass die Flugkarten der Rennmannschaft<br />

über das Mittelmeer nach Tripolis hinterlegt sind.<br />

Flugpost mit den Bedingungen des Vanderbilt-Pokal-Rennens<br />

kam aus Amerika. So ging es immer sechs Monate lang in<br />

einem Jahr.<br />

Fern der Heimat, an der südlichsten Spitze Afrikas, feierten<br />

wir nach vierwöchiger Dampferfahrt statt in einer kalten Winternacht<br />

an einem heißen Sommertag Weihnachten im Hafen<br />

von Kapstadt. Nachdem uns das<br />

heiße Tropenklima wochenlang<br />

zu Negern gebrannt hatte, kehrten<br />

wir bei Kälte und Treibeis im<br />

Hamburger Hafen zurück. Weiter<br />

ging es. Quer durch Europa; ohne<br />

Ruhepause neuen Motorschlachten<br />

entgegen.<br />

An einem heißen Maitag schwankten<br />

wir mit unseren Lastwagen,<br />

die Augen und Ohren voll Sandstaub,<br />

am Rande der Sahara<br />

durch den Wüstensand Nordafrikas.<br />

Vierzig Tage danach<br />

tauchten die Steinblöcke der<br />

Wolkenkratzer New Yorks und<br />

die Freiheitsstatue Amerikas vor<br />

unseren Augen auf. Im steten<br />

Wechsel der Landschaften und<br />

Städte mit fremden Menschen<br />

waren wir im Strom der aufgeregten<br />

Zeit auch manchen Gefahren<br />

ausgesetzt.<br />

Jahr für Jahr und Tag und Nacht<br />

arbeiteten wir zur Rennsaison oft<br />

Ferdinand Porsche, Ludwig Sebastian, Bernd Rosemeyer<br />

und Walter Meyer (v. l.) gegenüber der Tribüne in Bern<br />

vor dem Start zum Großen Preis.<br />

bis zu 100 Stunden in der Woche.<br />

Wenn an sonnigen Oster- und<br />

Pfingstsonntagen die werktätigen<br />

Menschen hinausströmten<br />

01/2009<br />

27


AufgeHorcht<br />

nach Weißenborn, da zogen wir erst in der Werkstatt unsere<br />

Schlosseranzüge aus und verließen den Rennstall. Da erst<br />

merkten wir an den gut gekleideten Menschen, dass es auch<br />

Feiertage für uns gab, dass wir es nur nicht verstanden hatten,<br />

sie für uns zu nutzen. Und erst auf dem Heimweg merkte ich,<br />

dass die Natur ringsum ihr Frühlingskleid angezogen hatte. Als<br />

hätte ich sie zum ersten Mal gesehen, so herrlich standen<br />

plötzlich die weißen Blütenkerzen zwischen den grünen Sternblättern<br />

der Kastanienbäume vor meinen Augen.<br />

Wieder war Kurt T. tagelang damit beschäftigt, für drei große<br />

Rennen Ersatzmaterial und Werkzeuge zusammenzustellen<br />

und zu verladen. Am 10. August 1936 starteten wir zu einer<br />

fünfwöchigen Tournee nach dem Süden. Zu den Rennen um<br />

den „Coppa Acerbo“ am 15. August, zum „Großen Preis der<br />

Schweiz“ am 23. August und zum „Großen Preis von Italien“<br />

am 14. September hatte unsere Rennleitung den Start gemeldet.<br />

Ich will nun den unfairen, dramatischen Kampf zwischen<br />

Rosemeyer und Caracciola und den unverantwortlichen Einsatz<br />

von Hans Stuck im Rennen von Bern schildern.<br />

Konkurrenz geht mit stärkstem Aufgebot an den Start<br />

Der „Große Preis der Schweiz“ wurde auf einer 7,2 Kilometer<br />

Rundstrecke in 70 Runden = 509 Kilometer im Bremgartenwald<br />

zu Bern ausgefahren. Wir trainierten an drei Tagen nachmittags.<br />

Die Fahrer waren mit ihren Rennwagen sehr zufrieden.<br />

Bei der Abnahme brachten unsere Rennwagen 748 Kilogramm<br />

auf die Waage. Die Konkurrenz war mit ihrem stärksten<br />

Aufgebot nach Bern gekommen. Mercedes-Benz hatte<br />

eine große Pechsträhne wettzumachen und stieg mit einer<br />

neuen Hinterachsenkonstruktion ins Rennen. Die frühere Pendelachse<br />

wurde durch eine neue Doppelgelenkachse ausgewechselt.<br />

Die Schub- und Bremskräfte verlagerten sich nun<br />

vom Differential nach außen auf die Halbachsen. Dadurch blieb<br />

die Spurveränderung der auf- und abschwingenden Hinterräder<br />

gleich null, hatte aber den Nachteil, dass sie sich nicht<br />

wie die Pendelachse durch Kreiselwirkung der schwingenden<br />

Räder selbst dämpfte, sondern die Dämpfung der Achse künstlich<br />

durch übergroße Stoßdämpfer ausgeglichen wurde. Und<br />

mit dieser Neukonstruktion ging Mercedes-Benz einer neuen<br />

Rennkatastrophe entgegen.<br />

Stuck und Rosemeyer mit ihren Frauen sowie Porsche, Hasse und<br />

Feuereisen an den Auto Union Boxen in Bern.<br />

28 01/2009<br />

Die Mitarbeiter der Rennabteilung. V. l.: Max Reiher, Mitarbeiter von<br />

Continental; Walter Kratel; Alfred Neef; Otto Pfeifer; Fritz Mathay;<br />

Fritz Vogt; German Kraus; Karl Zinnert; Max Luber; Ernst Kolibal;<br />

Wilhelm Sebastian; Arthur Frenzel; Kurt Teichert, Mitarbeiter von<br />

Continental; Max Tomulka. Sitzend v. l.: Ludwig Sebastian; Walter<br />

Meyer und der Verfasser des Tagesbuchs, Rudolf Friedrich.<br />

Am 23. August, 13 Uhr, schoben wir unsere Rennwagen an den<br />

Start. Vor zwei und drei Jahren hatte es während des Rennens<br />

stark geregnet, diesmal war die Rennstrecke trocken.<br />

Auf dieser Rennstrecke war es auch, als sich 1934 der Rennfahrer<br />

Geyer auf einem Mercedes-Rennwagen kurz hinter der<br />

Zuschauertribüne überschlug. Der Rennwagen wurde mitten<br />

auseinandergerissen, der Motor flog aus dem Fahrgestell und<br />

der Rennfahrer selbst wurde minutenlang überall gesucht. Dann<br />

erst meldete sich ein Junge, der gesehen haben wollte, wie<br />

Geyer unter die abseitsstehenden Personenwagen eines Parkplatzes<br />

geflogen sei. Und dort wurde er auch mit Schädel-,<br />

Unterkiefer- und anderen Knochenbrüchen hervorgezogen.<br />

Zwei Jahre später haben wir ihn, wieder zusammengeflickt,<br />

erneut auf dem Nürburgring gesehen.<br />

Im Kampf um den Sieg hört die Freundschaft auf<br />

Dass die Raserei der Rennfahrer auf den Super-Rennboliden<br />

nichts mehr mit einem edlen Wettstreit des Sports zu tun<br />

hatte, zeigte ganz deutlich der „Große Preis der Schweiz“ 1936.<br />

Boxenbetrieb vor dem<br />

Rennen im Bremgartenwald.


Der Motorsport auf den Rennbahnen für Rennwagen war nur<br />

noch eine Angelegenheit der drei Automobilunternehmen Auto<br />

Union, Mercedes-Benz und Alfa Romeo. Die Stärksten hatten<br />

Aussicht auf einen Sieg.<br />

Acht deutsche, acht italienische und zwei französische Rennwagen<br />

standen am 23. August 1936, 13.30 Uhr, bei 25 Grad<br />

Lufttemperatur vor den weißen Startnummern auf der Rennstrecke.<br />

Die deutschen Rennfahrer und Mechaniker in weißen<br />

und hellblauen Rennkombinationen machten sich startfertig.<br />

Da Hans Stuck vom Trainingsunfall in Pescara noch verletzt<br />

war, sollte er nicht starten. Sein rechter Arm lag noch im Verband.<br />

Er setzte aber seinen Start trotzdem durch. Damit er<br />

sich den Verband während des Rennes nicht durchscheuerte,<br />

polsterten wir die rechte Ecke seines Sitzes mit Schwammgummi.<br />

Gegenüber anderen Ländern verhielt sich das Schweizer Publikum<br />

am Start sehr unruhig. Kaum war die Startflagge gefallen,<br />

schoss Caracciola auf Mercedes-Benz sprungartig vor und<br />

übernahm vor Rosemeyer die Spitze. Nach 150 Sekunden<br />

kamen sie wieder bei uns vorbei. Caracciola 400 Meter vor<br />

Rosemeyer. Dahinter wie die Glieder einer Kette Lang,<br />

Boxenstopp in Bern.<br />

Die Rennwagen von Hasse, Rosemeyer, Stuck<br />

und Varzi werden an den Start geschoben.<br />

Nuvolari, Varzi, Brauchitsch usw. Drei Runden hing<br />

Rosemeyer gefährlich dicht an Caracciolas Hinterrad.<br />

Caracciola sperrte Rosemeyer offensichtlich die Rennstrecke<br />

und ließ ihn nicht vorbei. Nach fünf Runden begannen die<br />

Zuschauer ein Pfeifkonzert und fingen an zu toben. Bananen<br />

und Äpfel wurden mit Johlen und Pfeifen nach der Mercedes-<br />

Boxe geschmissen. Die Zuschauer auf der Tribüne wurden<br />

unruhig. Rosemeyer drohte im Vorbeifahren vor den Zuschauern<br />

mit der Faust auf Caracciolas Mercedes-Wagen.<br />

Trotzdem die Streckenposten Caracciola laufend die blaue<br />

Flagge (rechts heranfahren) zeigten, sperrte er weiter. Er<br />

wollte dem übermütigen, himmelstürmenden Rosemeyer zeigen,<br />

wer Caracciola war, und da wurde der berühmte alte<br />

Rennfahrer R. Caracciola unsportlich und gemein. Da plötzlich<br />

hörte die Kameradschaft auf.<br />

Tobende Materialschlacht auf der Rennstrecke<br />

AufgeHorcht<br />

Erst in der achten Runde fand Rosemeyer ein Loch und schoss<br />

überraschend schnell an Caracciola vorbei. Bei dieser Jagd flog<br />

einem Mercedes-Wagen ein Kolben vom Pleuel und der<br />

Fahrer gab auf. Da kam auch ein Alfa-Romeo-Rennwagen mit<br />

gerissenem Zylinderkopf an die Boxe gefahren und gab auf.<br />

Nun drehte Rosemeyer unglaubliche Runden und räumte unter<br />

den Rennwagen auf. In zehn Runden blieben vier Rennwagen<br />

liegen. Caracciola sah den vor sich fahrenden Rosemeyer<br />

schon längst nicht mehr. Während dieser tobenden Materialschlacht<br />

überhitzte Nuvolari seinen neuen 12-Zylinder. Alfa<br />

Romeo gab wegen starken Leistungsabfalls seines Motors auf.<br />

Rosemeyer zog während des Rennens einen Wildlederhandschuh<br />

von seiner Hand und winkte uns beim Vorbeifahren an<br />

der Boxe zu. In jeder Runde machte er andere Faxen zu uns<br />

herüber. Unglaublich, wie spielend er die 500 PS beherrschte.<br />

Jetzt waren auch die Zuschauer auf der Tribüne zufrieden<br />

gestellt und zeigten lachende Gesichter.<br />

Schon nach 20 Runden überholte Rosemeyer den ersten<br />

Mercedes-Wagen mit Manfred v. Brauchitsch. Nun wurde auch<br />

schon der fünfte und letzte Alfa-Romeo-Rennwagen sauer und<br />

gab auf. Da ereilte auch Caracciola das Missgeschick. In der<br />

29. Runde blieb er mit gebrochener Gelenkstütze der neuen<br />

01/2009<br />

29


AufgeHorcht<br />

Rosemeyer fährt in voller Aktion seinem Sieg entgegen.<br />

Hinterachsenkonstruktion auf der Strecke liegen. Kaum war die<br />

Hälfte des Rennens vorbei, waren schon neun Rennwagen auf<br />

der Strecke sauer geworden.<br />

Zwei Runden hinter Rosemeyer kämpfte Hans Stuck mit seinem<br />

verletzten Arm, verbissen auf dem fünften Platz. Wie<br />

eine weiße Fahne hing ihm der Verband in Fetzen vom Arm.<br />

Er steuerte nur mit der linken Hand. Beim Reifenwechsel<br />

lehnte er eine Ablösung durch den Fahrer Ernst Delius ab.<br />

Da hielt der zweitletzte Mercedes-Wagen an der Boxe. Lang<br />

stieg aus. Die rechte Hinterradfelge war gebrochen, dabei<br />

hatten sich Speichen in die Rudge-Verzahnung geklemmt, und<br />

der Reifenwechsel dauerte über fünf Minuten. An der<br />

Mercedes-Boxe herrschte nun größte Nervosität. Unsere<br />

gleichlaufendenden störungsfreien Rennwagen brachte die<br />

Mercedes-Rennmannschaft in Unruhe. Und mitten in die Gewitterstimmung<br />

der Mercedes-Leute fauchte nun dampfend<br />

und zischend wie eine Lokomotive, mit kochendem Kühler<br />

der Rennwagen von Brauchtisch an die Boxe. Jetzt war das<br />

Maß bei Mercedes voll, und langsam kochte es auch bei<br />

Rennleiter Neubauer. Nur vier Rennwagen von uns und ein<br />

Mercedes-Rennwagen fuhren noch im Rennen, die anderen<br />

13 waren ausgefallen.<br />

Rosemeyer ging vor Varzi als erster durchs Ziel. Da hielt auch<br />

Hans Stuck, im Glauben, das Rennen sei zu Ende. Er zog das<br />

Steuerrad ab und wollte aussteigen, sank aber bewusstlos im<br />

Sitz zusammen. Wir Monteure sprangen hinzu und schrien ihn<br />

30 01/2009<br />

Nach der Siegerehrung zum<br />

Großen Preis der Schweiz.<br />

an: „Schnell noch zwei Runden“. Rosemeyers Monteur Ludwig<br />

S. klatschte ihm rücksichtslos mit beiden Händen ins Gesicht<br />

und rüttelte ihn wach. Abgekämpft, mit schmerzverzogenem<br />

Gesicht drehte nun Hans Stuck die letzten Runden und wurde<br />

Dritter. Danach hoben wir ihn völlig erschöpft unter dem tobenden<br />

Beifall der Zuschauer – Hans Stuck war bei dem Schweizer<br />

Publikum als Bergfahrer sehr bekannt und beliebt – aus<br />

dem Rennwagen und legten ihn auf die Holzbretter der Boxe.<br />

Als wir ihm einen Schwamm mit eiskaltem Wasser auf die<br />

Brust legten, kam er langsam zum Bewusstsein.<br />

So war das Leben der Rennfahrer vertraglich an ihre Geldgeber,<br />

den Rennstallbesitzern der Auto Union und Mercedes-<br />

Benz, gebunden. Ein ungleicher Kampf der Motorsportler untereinander,<br />

da ihr menschliches Können, die meisterliche Fahrkunst<br />

– bei einigen der besten Rennfahrer in diesem Rennen –<br />

am Versagen der Mechanik ihrer Rennwagen scheiterte und<br />

die fünf Fahrer der übriggebliebenen Rennwagen sich in die<br />

Preise von insgesamt 30 000 DM teilten.<br />

Am Abend, zur Siegerfeier, gab es im Hotel „Bellevue“ bald noch<br />

eine kleine Sensation. Vor den geladenen Gästen und Pressevertretern<br />

geriet Rosemeyer mit Caracciola in einen heftigen<br />

Wortwechsel wegen des unfairen Verhaltens Caracciolas im<br />

Rennen. Dabei bot Rosemeyer Caracciola öffentlich Ohrfeigen<br />

an, und es hätte nicht viel gefehlt und die Sensation wäre<br />

geschehen. Fotos: Archiv Jürgen Pönisch<br />

Fortsetzung folgt<br />

Hans Stuck belegte in Bern einen dritten Platz. Erstmals wurden<br />

bei diesem Rennen die Wagen mit zusätzlichen Kühlluftschlitzen<br />

versehen. Diese Maßnahme bewährte sich und wurde in der<br />

Saison 1937 beibehalten.


Von der Lochkarte zum<br />

durchgängigen EDV-System<br />

Der Einsatz der Rechentechnik bei Horch, Audi und Sachsenring<br />

1928 war der Beginn der Anwendung von<br />

Rechentechnik in den Horch-Werken. Mit<br />

dem 7. März 1928 wurde der Einsatz der<br />

Lochkarten-Technik (LK) vollzogen.<br />

Ebenfalls 1928 wurde erstmalig in einer<br />

Veröffentlichung über das, was wir heute<br />

als „just in time“ (JIT) bezeichnen, geschrieben.<br />

Bereits zu diesem Zeitpunkt<br />

erfolgte die Fertigung nach einem „Fabrikations-Fahrplan“.<br />

„Ausgehend vom Kundentermin<br />

wurde jede einzelne Operation<br />

genau mit der Zeit die diese benötigt, berechnet<br />

und zwar vom Zeitpunkt, an dem<br />

das Rohmaterial angeliefert werden musste<br />

bis z. B. zum Verbaupunkt. Motor und Hinterachse<br />

laufen auf ihren Montagebändern<br />

genau zu der Minute aus den Abhörräumen<br />

(das ist die letzte Operation) auf das<br />

Montageband des Fahrgestells, wenn sie<br />

zum Einbau benötigt werden. Ebenso wird<br />

jeder Motor und jeder Hinterachsteil erst<br />

in dem Augenblick fertig, wenn er an seine<br />

Stelle kommen muss. Die Karosserie ist gerade<br />

fertig lackiert, wenn sie auf das fertige<br />

Fahrgestell aufgebaut wird und so fort,<br />

bis der Wagen nach der letzten gründlichen<br />

Ableuchtung, unter hellen Scheinwerfern,<br />

das Werk verlässt.“ So hieß es in der<br />

Deutschen Motor-Zeitschrift* von<br />

1928, Heft 6.<br />

Doch zurück zum erfolgten Einsatz der<br />

LK-Technik (Hollerithtechnik). Erste nachweisbare<br />

Anwendungen waren Lohn/<br />

Gehalt, Buchführung und Materialrechnung.<br />

Die LK war, man kann sagen, ein<br />

universeller Datenträger. Sie war visuell<br />

*aus: Deutsche Motor - Zeitschrift 1928, Heft 6 P. Friedmann in: Das Rad der Zeit, Audi AG S,: 60/96<br />

lesbar, maschinell verarbeitbar, ja<br />

sogar als Notizblatt rückseitig verwendbar.<br />

Das Ormigumdruckverfahren<br />

diente der Herstellung von<br />

Auftragspapieren und gleichzeitig<br />

der Ausfertigung von Lochkarten.<br />

Damit waren die Stammdaten wie<br />

Kostenstelle, Material- und Auftrags-<br />

Nummer, Stückzeit, Menge, Maßeinheit<br />

vorgegeben. Die variablen<br />

Daten wie entnommene Materialmenge,<br />

gefertigte Stück, benötigte<br />

Zeit wurden manuell eingetragen und<br />

somit die LK für die Verarbeitung bereitgestellt.<br />

Dieses Verfahren überdauerte<br />

die Zeit weitestgehend unverändert bis<br />

1982.<br />

Eine Weiterentwicklung war der Einsatz<br />

der Lochbandtechnik (LB). Der Vorteil<br />

bestand darin, dass parallel zur Erstschrift<br />

Textkonserven maschinell lesbarer<br />

Lochbänder entstanden, die wiederum<br />

als Datenträger zur maschinellen Erstellung<br />

von Arbeitspapieren wie Aufträge,<br />

Wareneingangsscheine, Personaldaten<br />

sowie in der Technologie (Fertigungspläne),<br />

der Materialwirtschaft (Wareneingang)<br />

Vertrieb, im Werkzeug- und<br />

Maschinenbau Verwendung fanden. Mit<br />

dem Einsatz der LB-Technik wurde<br />

gleichzeitig der Schritt von der zentralen<br />

Datenerfassung hin zur dezentralen Erstellung<br />

von DT als LB vollzogen.<br />

Eine Modernisierung der LK-Verarbeitung<br />

war die Lochschriftübersetzung, mit<br />

der die LK visuell leichter lesbar wurde<br />

AufgeHorcht<br />

Abnahmebestätigung vom 7. März 1928.<br />

sowie der Einsatz alfanumerischer Locher.<br />

Mit dem Einsatz eines modernen<br />

Datensammelsystems von ROBOTRON<br />

DSS 4230 wurde u. a. die körperlich<br />

schwere Arbeit der Datenerfasserinnen<br />

erheblich erleichtert. Der kapazitive Gewinn<br />

der Verarbeitung hielt sich jedoch<br />

in Grenzen.<br />

1964 begann in Zusammenarbeit mit dem<br />

damaligen „Zentralinstitut für Automatisierungstechnik“<br />

(ZIA) in Dresden die<br />

Entwicklung und der Einsatz von produktionsnahen<br />

Einrichtungen auf elektromechanischer<br />

Basis in der Fertigung Blechpresserei<br />

und 1966 im Karosseriebau sowie<br />

der Lackiererei. Ziel war die Erfassung<br />

der Stückzahlen, der Ausfall- und<br />

Wartezeiten mit dem Anliegen, letztere<br />

durch rechtzeitige Information zu senken.<br />

Weitere Anwendungen waren die recht-<br />

Teilansicht der Lochkarten-Station, IBM Tabelliermaschinen Typ D11. Zentrale Datenerfassung mit dem Datensammelsystem DSS 4230.<br />

01/2009<br />

31


AufgeHorcht<br />

zeitige Kenntnis zur Beendigung eines<br />

Auftrags, um die Zeiten für Wartung und<br />

Werkzeugwechsel zu optimieren. Am<br />

System waren alle Pressen angeschlossen.<br />

Die Auswertungen fanden schichtgenau<br />

statt.<br />

Eine völlig neue Herausforderung war es,<br />

den Einsatz einer mittleren EDV-Anlage<br />

vom Typ ROBOTRON R 300 vorzubereiten.<br />

In Erwartung einer hohen Leistungsfähigkeit<br />

der elektronischen Datenverarbeitung<br />

wurden Projektteams gebildet<br />

und Projekte für den gesamten<br />

Reproduktionsprozess erarbeitet. Der<br />

Rückschlag im Vorfeld des Einsatzes war<br />

ernüchternd. Die real vorhandenen Möglichkeiten<br />

waren sehr schnell erschöpft,<br />

da die Leistungsfähigkeit weit hinter den<br />

Erwartungen zurückblieb. Trotzdem konnten<br />

einige die Produktion unterstützende<br />

Projekte realisiert werden, z. B. „Automatisierte<br />

Fertigungssteuerung“ (AFS) für<br />

die Blechpresserei, eine tägliche Wettbewerbsauswertung<br />

im Fertigungsbereich<br />

Duroplastfertigung sowie erste<br />

Anwendungen in der Materialwirtschaft<br />

und dem Ersatzteilevertrieb.<br />

Ab 1974/75 begann die Vorbereitung zum<br />

Einsatz eines Großrechners EC 1040,<br />

später 1054/57. Mit den damit gegebenen<br />

Möglichkeiten entstanden leistungsfähige<br />

Datenbanken z. B. Technische Vorbereitung<br />

(TEVO) mit konstruktiven und<br />

technologischen Daten, die Materialdatenbank<br />

(MAWI) mit 63000 Materialnummern.<br />

Die gespeicherte Datenmenge<br />

stieg von 1975 bis 1985 auf über<br />

200 Milliarden Byte.<br />

Eine für alle Anwendungen unabdingbare<br />

Forderung war die absolute Fehlerfreiheit<br />

der Stammdaten. Allein die Erreichung<br />

dieses Ziels für die TEVO beanspruchte<br />

zwei Jahre. Nach insgesamt<br />

zehn Jahren Entwicklungsarbeit war ein<br />

Produktionskontroll-<br />

und Lenkungsanlage in der Presserei.<br />

32<br />

01/2009<br />

alle Phasen des Produktionsprozesses<br />

um-fassendes Anwendersystem von der<br />

Konstruktion, Technologie, Produktionsplanung<br />

und -vorgabe über Materialplanung,<br />

Materialbestandsrechnung für<br />

Serien- und Hilfsmaterial, Personalwirtschaft,<br />

Grundfondswirtschaft, Vertrieb,<br />

Ersazteilevertrieb und die Möglichkeit<br />

permanenter Inventuren realisiert. Viele<br />

Projekte wurden mit täglicher Priorität<br />

abgearbeitet. So der Ersatzteilevertrieb.<br />

Dieses Projekt umfasste den gesamten<br />

Planungsprozess, die Disposition, die Bestellbearbeitung<br />

bis zur Rechnungslegung<br />

sowie die Ermittlung der Volumina je<br />

Bestellung für Waggon und Lkw. Jeweils<br />

täglich 6.00 Uhr standen die Unterlagen<br />

den Fachabteilungen zur Verfügung. Ein<br />

weiteres Projekt mit täglicher Periodizität<br />

war das für den Rationalisierungsmittelbau.<br />

Der wesentliche Nachteil dieses<br />

Systems bestand in seiner Papiergebundenheit,<br />

nur Änderungsdienste erfolgten<br />

online – es fehlten die dafür erforderlichen<br />

Datenleitungen. Mit dieser<br />

leistungsfähigeren Technik war es möglich<br />

die noch vorhandenen LK-Projekte<br />

auf die EDV überzuleiten und 1982 die<br />

LK-Technik auszusondern.<br />

Eine nächste Herausforderung war der<br />

Einsatz von Büro – und Personalcomputern<br />

in den Fachabteilungen. Neben der<br />

konzeptionellen Vorbereitung mussten<br />

Fachkräfte in den Strukturen qualifiziert,<br />

räumliche Voraussetzungen geschaffen<br />

und Sicherheitsfragen geklärt werden.<br />

Es entstanden Softwareentwickler in den<br />

Fachabteilungen. Die Schwerpunktaufgabe<br />

war, zu gewährleisten, dass die<br />

Funktion des Gesamtsystems nicht durch<br />

unabgestimmte Lösungen beeinträchtigt<br />

wird. In der Erzeugniskonstruktion wurde<br />

ein erstes Rechenzentrum zur Beschleunigung<br />

der Konstruktionsarbeit einge-<br />

Durchgängige Anwendung der EDV bis CAD/<br />

CAM mit Direktzugriff auf zentrale Datenbanken<br />

beim VEB Sachsenring Automobilwerke<br />

Zwickau.<br />

richtet. Basis war ein ROBOTRON K<br />

1630, ein Flachbettplotter Format A0<br />

aus der CSSR sowie ein Walzenplotter<br />

von Hewlett Packard. In Umsetzung einer<br />

Richtlinie des Kombinats Pkw wurde ein<br />

weiteres Rechenzentrum mit gleicher<br />

Technik eingerichtet als CAD Zentrum<br />

mit der im Kombinat entwickelten Software<br />

„AUTENT“.<br />

Aufbauend auf den Möglichkeiten der in<br />

verstärktem Maße zur Verfügung stehenden<br />

PC-Technik wurde mit dem<br />

schrittweisen Aufbau eines „Leitungsinformationssystems“<br />

(LIS) begonnen. Ziel<br />

dabei war, kurzfristig Informationen für<br />

die Arbeit in den Fachabteilungen zur<br />

Verfügung zu stellen und damit u. a. die<br />

Aktualität von Entscheidungen bedeutend<br />

zu erhöhen.<br />

Mit der Realisierung des Gelenkwellenwerkes<br />

in Mosel 1981 stand für diese<br />

Fertigung ein leistungsfähiges Prozessrechnersystem,<br />

bestehend aus zwei R 30<br />

sowie zwei R10 als Datenkonzentratoren<br />

von Siemens mit 3500 Prozessanschlüssen<br />

zur Verfügung. Alle technischen<br />

und produktionsrelevanten Daten<br />

wurden online erfasst und in Soll und Ist<br />

dargestellt, schicht- und arbeitstäglich<br />

verdichtet und als Arbeitsgrundlagen für<br />

die Verantwortlichen bereitgestellt. Zum<br />

zentralen Rechenzentrum bestand eine<br />

Online-Verbindung.<br />

Im Zusammenhang mit der Neuausrichtung<br />

des Werkes Sachsenring wurde beginnend<br />

ab 1990 die Entscheidung getroffen,<br />

die vorhandenen EDV-Kapazitäten<br />

durch eine IBM 4381 mit neuen<br />

Softwareprodukten zu ersetzen.<br />

Dr. Günter Hetmank<br />

Abbildungen: Archiv Horch AG,<br />

Archiv des Autors<br />

Mit AUTENT konstruierte<br />

Radschale für Trabant 1.1.


AufgeHorcht<br />

Produkte virtuell entwickeln und berechnen<br />

Numerische Simulation mittels FEM in der Automobilentwicklung<br />

FEM-Berechnungen werden bereits seit den sechziger<br />

Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Bereichen, in welchen<br />

hohe Sicherheitsanforderungen bestanden, eingesetzt.<br />

Dazu gehören Luft- und Raumfahrt, Anlagenbau (Kernkraftwerke)<br />

und Bauwesen. Später folgte die Anwendung unter<br />

anderen im Automobil- und Schiffbau, der Konsumgüterindustrie,<br />

im Maschinenbau, der Chemischen Industrie, der<br />

Elektronik, Medizintechnik, Geophysik und seit einigen Jahren<br />

auch in der Prozesssimulation wie Gießen, Tiefziehen<br />

und Innenhochdruckumformung.<br />

Die numerische Simulation in der Vorentwicklung ermöglicht<br />

es, die Entwicklungszeiten erheblich zu verkürzen und<br />

die Entwicklungskosten zu senken. Produkte werden virtuell,<br />

das heißt, ohne dass sie real bestehen, entwickelt und<br />

berechnet. Dies führt unter anderem auch zu einer Senkung<br />

des Versuchsaufwandes und der Versuchskosten, da sich die<br />

Zahl der Entwicklungsschleifen und der erforderlichen Prototypen<br />

gegenüber dem herkömmlichen Entwicklungsweg<br />

verringert.<br />

Was verbirgt sich hinter der FEM? Die zugrunde liegenden<br />

Theorien füllen eine Vielzahl von Fachbüchern. Ein Berechnungsingenieur<br />

muss nicht jede Theorie kennen, sondern<br />

mit der jeweiligen Software umgehen, aber wichtiger noch,<br />

die Ergebnisse der Berechnung interpretieren können. Da es<br />

viele Anwendungsgebiete gibt, beschränken sich die nachfolgenden<br />

Ausführungen beispielhaft auf die Strukturmechanik.<br />

Offset-Crash eines virtuellen PKW.<br />

Bei der FEM wird von Differentialgleichungen ausgegangen.<br />

Diese beschreiben an einem differentiell kleinen Teil das Verhalten<br />

einer Struktur, das heißt, ein Bauteil wird in endlich<br />

viele Teilbereiche, sogenannte Finite Elemente aufgeteilt.<br />

Die Verbindung eines Elementes mit dem Nachbarelement<br />

erfolgt durch sogenannte Knoten. Jeder Knoten kann bis zu<br />

sechs Freiheitsgrade übertragen: drei Verschiebungen in den<br />

drei Koordinatenrichtungen (translatorische Freiheitsgrade)<br />

und drei Verdrehungen um die drei Koordinatenachsen<br />

(rotatorische Freiheitsgrade).<br />

Die Auswahl der Elementtypen erfolgt nach dem Fachgebiet<br />

– Statik, Dynamik, Fachwerk-, Balken- und Plattentheorie,<br />

zwei- oder dreidimensional sowie nach den Genauigkeitsanforderungen.<br />

Elemente mit höheren Ansatzfunktionen<br />

(quadratisch, kubisch) und viereck- bzw. quaderförmige Elemente<br />

liefern genauere Ergebnisse. Bei den Elementtypen<br />

wird nach Punktelementen, Stabelementen, Flächenelementen<br />

(SHELL-Elemente) und Volumenelementen (SOLID-<br />

Elemente) aber auch GAP-Elementen, Federn, Dämpfer und<br />

Verbindungselementen (CONNECTOR-Elemente) unterschieden.<br />

SHELL-Elemente werden eingesetzt, wenn die<br />

Bauteildicke verhältnismäßig gering zu Länge und Breite ist,<br />

z. B. Blechstrukturen. Für voluminöse Bauteile wie Gussund<br />

Schmiedestücke nutzt man SOLID-Elemente. Den<br />

Elementen werden entsprechende Materialkennwerte<br />

zugeordnet.<br />

01/2009 33


Die Differentialgleichungen der Elastizitätstheorie nach<br />

HOOKE zeigen das Verhalten eines Bauteils bei einer Beanspruchung<br />

(Kräfte, Momente, Drücke, Beschleunigungen<br />

usw.). Für Festigkeitsprobleme ist die Funktion, für welche die<br />

Differentialgleichungen aufgestellt werden, die Verschiebung.<br />

Durch Ableitung dieser Funktion nach den Koordinaten werden<br />

weitere Größen (Spannungen, Dehnungen) ermittelt.<br />

In der Strukturmechanik wird zwischen Statik und Dynamik<br />

unterschieden. Wenn Massenträgheits- und Dämpfungseffekte<br />

das Verhalten des Bauteils nur unwesentlich beeinflussen<br />

und deshalb vernachlässigt werden können, wird von<br />

einer statischen Berechnung gesprochen. Ist diese Vernachlässigung<br />

nicht möglich, wird eine dynamische Analyse erforderlich.<br />

Dazu zählen z. B. Crashberechnungen und die Ermittlung<br />

der Eigenfrequenzen sowie -formen. Weitere Unterscheidungen<br />

erfolgen in lineares und nichtlineares Verhalten.<br />

Sind die Verformungen und die daraus abgeleiteten Spannungen<br />

proportional zu den Belastungen, so wird von linearem<br />

Verhalten gesprochen. Dies ist für viele Werkstoffe gültig,<br />

wenn durch die Belastung die Dehnungen die 0,2-Prozent-Grenze<br />

nicht übersteigen. Bei nichtlinearem Verhalten<br />

wird zwischen Geometrie-, Material- und Strukturnichtlinearitäten<br />

unterschieden.<br />

Geometrie: Das Verhalten der Struktur ändert sich durch<br />

große Verformungen. Material: Wenn die Spannungen nichtproportional<br />

von den Verformungen abhängen. Bei linearem<br />

Materialverhalten sinken die Spannungen bei Entlastung wieder<br />

auf Null, bei nichtlinearem Verhalten (elasto-plastisch)<br />

bleibt bei Entlastung eine plastische Verformung zurück.<br />

Struktur: veränderliche Randbedingungen (Lagerbedingungen)<br />

und Kontaktprobleme.<br />

34<br />

AufgeHorcht<br />

01/2009<br />

Die FEM-Berechnung ist sehr eng mit der Leistungssteigerung<br />

in der Computertechnik verknüpft. Waren 1995 die<br />

FE-Modelle auf Grund der Computerleistungsfähigkeit auf<br />

etwa 10.000 Elemente beschränkt, so sind heute Modelle<br />

mit 1.000.000 Elementen keine Seltenheit, in der Strömungssimulation<br />

sogar mehrere Millionen.<br />

Zu den sächsischen Automobilentwicklungsunternehmen,<br />

die bereits Anfang der 1990er Jahre eine numerische<br />

Simulation in den Konstruktionsprozess integrierten, gehörte<br />

die FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung Sachsen. Der erste<br />

Berechnungscomputer in der 1992 gegründeten FES GmbH<br />

war 1993 eine Workstation vom Typ INDIGO² von der Firma<br />

SGI mit einem R4000-Prozessor, einer 1 GB Festplatte<br />

und einem 20“-Bildschirm. Nach Installation des Betriebssystems<br />

und der Berechnungssoftware waren 80 Prozent<br />

der Festplatte belegt, so dass noch zusätzlich eine externe<br />

Festplatte installiert werden musste. Weiterhin gehörte zu<br />

der Erstausstattung ein postscript-fähiger A4-Tintenstrahldrucker<br />

mit 10 MB RAM von der Firma HP. Kostenpunkt der<br />

gesamten Erstausrüstung: 100.000 DM. Für 50.000 Euro<br />

erhält man heute einen 64 Core Server mit 292 GB Festplatte<br />

und 256 GB RAM. Dies ist schon ein ganz beträchtlicher<br />

Unterschied.<br />

Zurzeit sind nachfolgende Berechnungssoftware sowie<br />

Pre- und Post-Prozessoren in der FES GmbH im Einsatz:<br />

Abaqus, Nastran, Pro/Mechanika, Pamcrash, Hyperworks,<br />

CFX für Strömungssimulationen, Ansa/Metapost, Medina,<br />

Patran, Animator.<br />

Dr. Klaus Rasch<br />

Torsionsbelastung einer Rahmenstruktur.


Awtowelo-Chassis entsteht wieder<br />

Der Awtowelo 650 gehört zu den Rennwagen,<br />

um deren Geschichte sich manche<br />

Mythen ranken. Auf Geheiß der<br />

sowjetischen Militäradministration von<br />

1948 wurden im Automobiltechnischen<br />

Büro an der Chemnitzer Kauffahrtei<br />

zwei Rennwagen und drei Motoren gebaut.<br />

Der Awtowelo ähnelte in vielem<br />

dem Auto Union Typ D. Nach nur wenigen<br />

Probefahrten wurden die Fahrzeuge<br />

im April 1952 überhastet in die Sowjetunion<br />

abtransportiert und dienten unter<br />

dem Namen Sokol (Falke) einem Stalin-<br />

Sohn als „Spielzeug“. Die Wagen kamen<br />

aber nicht recht zum Laufen, u. a. wegen<br />

der nicht bekannten Treibstoffzusammensetzung,<br />

und landeten wieder in der<br />

DDR. Nach einem Einsatz im Film<br />

„Rivalen am Steuer“ kam ein Fahrzeug an<br />

die heutige TU Dresden. Der zweite Wagen<br />

soll ohne Karosserie an der heutigen<br />

Westsächsischen Hochschule Zwickau<br />

gestanden haben, dann aber zwecks<br />

Warenaustausch zu Orwo Wolfen gelangt<br />

sein. Dann verlieren sich die Spuren, bis<br />

der Wagen einem Insider in Donington<br />

auffällt, dort irrtümlich als Auto Union-<br />

Fahrzeug gekennzeichnet.<br />

Den Awtowelo 650 wieder auferstehen<br />

zu lassen, dieser Aufgabe haben sich vier<br />

Partner verschrieben. Als Kooperationsprojekt<br />

des Industriemuseums Chemnitz<br />

mit der TU Dresden, der Fakultät Kfz-<br />

Technik an der Westsächsischen Hochschule<br />

Zwickau und der Arbeitsgruppe<br />

Kfz‐Technik im Förderverein des Industriemuseums<br />

sowie mit Unterstützung<br />

der IAV GmbH Chemnitz begann im Juni<br />

2008 die Restaurierung von Fragmenten<br />

des in der Öffentlichkeit nahezu unbekannten<br />

Rennwagens. Dazu gehörten die<br />

virtuelle Rekonstruktion („reverse engineering“)<br />

und die ersten Schritte zu einem<br />

„rolling chassis“. Das Vorhaben vereint die<br />

Expertise von Zeitzeugen und Experten<br />

mit modernsten Verfahren im Rahmen<br />

der studentischen Ausbildung.<br />

An der digitalen Rekonstruktion arbeiteten<br />

im Rahmen von Studienarbeiten insgesamt<br />

vier Studenten, wobei sich zwei<br />

mit der Karosserie und zwei mit dem<br />

Chassis beschäftigten. Ein weiterer Stu-<br />

AufgeHorcht<br />

Kooperationsprojekt von Industriemuseum Chemnitz, Westsächsischer Hochschule, TU Dresden und IAV<br />

Der teilrekonstruierte Awtowelo. Der leitende<br />

Laboringenieur Roland Reißig (r.) präsentierte<br />

mit Studenten der Westsächsischen Hochschule<br />

Zwickau im Industriemuseum Chemnitz<br />

die zusammengefügten, rekonstruierten<br />

Awtowelo-Teile als ‚rolling chassis‘. Direktor<br />

Dr. Jörg Feldkamp (l.) war begeistert.<br />

Foto: Frank Reichel<br />

dent erstellte nach Hauptmaßen und<br />

Fotos ein Modell im Maßstab 1:24.<br />

Dieses wurde mit dem 3D‐Drucker,<br />

einem Rapid Prototyping – Verfahren,<br />

hergestellt.<br />

Generell wurden bei der digitalen Rekonstruktion<br />

modernste Techniken angewendet,<br />

um die z. T. vorhandenen<br />

Teile zu erfassen und im virtuellen Raum<br />

zusammen zu fügen. Zum technischen<br />

Verständnis notwendige, aber nicht mehr<br />

vorhandene Teile wurden mit CNC‐<br />

und Rapid Prototyping‐Verfahren nachgefertigt<br />

und runden so das Erscheinungsbild<br />

des Chassis ab.<br />

Die Ergebnisse der bisherigen Arbeit<br />

konnten die Teilnehmer einer Veranstaltung<br />

Mitte Februar im Industriemuseum<br />

Chemnitz begutachten. Diesen Termin<br />

nutzte auch das Präsidium des Fördervereins<br />

vom Horch Museum Zwickau,<br />

das über umfangreiche Erfahrungen im<br />

Rennwagen-Nachbau verfügt, um mit<br />

ihren Kollegen vom Förderverein des<br />

Industriemuseums in den Erfahrungsaustausch<br />

zu treten. Neben den unterschiedlichen<br />

Ausstellungsspektren, denen<br />

sich die Vereine widmen, gibt es zahlreiche<br />

Gemeinsamkeiten. Dazu gehören<br />

die Vortragstätigkeit, Museumsführungen,<br />

Zeitzeugenbefragung und die Herausgabe<br />

einer eigenen Zeitschrift. Beide<br />

Vereine wollen ihre Zusammenarbeit<br />

schrittweise ausbauen.<br />

IR<br />

01/2009 35


AufgeHorcht<br />

„Mädel, geh‘ Du mal lieber an den Kochtopf!“<br />

Solche Sprüche musste sich Helga<br />

Steudel anhören, als sie 1959 mit 20<br />

Jahren und gerade erworbenem Führerschein<br />

ihr erstes Rennen bestritt. Mit<br />

einer 350er Jawa trat sie auf dem Pflaster<br />

des Bautzener Autobahnrings an.<br />

Der ausschließlich männlichen Konkurrenz<br />

zeigte sie, was sie von dieser antiquierten<br />

Einstellung hielt. Sie fuhr Trainingsbestzeit.<br />

Da wurden die Männer<br />

trotzig. Keiner habe sie danach mehr gegrüßt,<br />

berichtete sie Anfang Februar<br />

einer zahlreichen Zuhörerschaft im<br />

August Horch Museum Zwickau. Gemeinsam<br />

mit dem ehemaligen Sprecher<br />

Hinter dem Steuer des TR Spider, den sie auch eine Saison fuhr,<br />

fühlt sich Helga Heinrich-Steudel auch mit 70 Jahren noch<br />

pudelwohl.<br />

Foto: Horch Museum<br />

36<br />

01/2009<br />

an DDR-Rennstrecken, Lutz Weidlich,<br />

ließ Helga Steudel wenige Wochen vor<br />

ihrem 70. Geburtstag ihre fast 25-jährige<br />

Rennfahrerzeit Revue passieren, die sie<br />

auch in dem kürzlich erschienenen Buch<br />

„Die Rennamazone aus dem Vogtland“<br />

verewigt hat.<br />

Helga Steudel hat noch ganz andere<br />

Unannehmlichkeiten als dumme Sprüche<br />

gemeistert. Nach einem Sturz beim<br />

„Staakener Kleeblatt“ 1960 verletzte sie<br />

sich so schwer, dass sie ein Jahr aussetzen<br />

musste. Danach stieg sie wieder aufs<br />

Motorrad, ab 1962 auf eine 6-Gang-MZ,<br />

und zeigte den Männern öfters das<br />

Hinterrad. Ihre Erfolge hätten noch größer<br />

ausfallen können,<br />

wenn es ihr<br />

gestattet worden<br />

wäre, in der Lizenzklasseanzutreten.<br />

Doch für<br />

Frauen war in den<br />

1960er Jahren nur<br />

der Start in der<br />

Ausweisklasse erlaubt.<br />

Einen ihrer wohl<br />

größten Triumpfe<br />

feierte sie 1965<br />

auf dem Sachsen-<br />

Viele Fans folgten Anfang Februar der Einladung ins Horch Museum,<br />

um Helga Heinrich-Steudel live zu erleben und sich ihr Buch signieren<br />

zu lassen.<br />

Foto: Ina Reichel<br />

Ein Leben<br />

für zwei Räder<br />

Die „Rennamazone<br />

aus dem Vogtland“<br />

Helga Heinrich-Steudel feierte<br />

in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag<br />

ring. Im Rahmen<br />

der Weltmeisterschaftsläufekonnte<br />

auch die 125er<br />

Ausweisklasse vor dieser einmaligen<br />

Kulisse starten. Bereits im Training war<br />

sie 6,5 Sekunden schneller als die<br />

Konkurrenz und die einzige im Fahrerfeld,<br />

welche die Runde unter vier Minuten<br />

bewältigte. Dem setzte sie noch<br />

eine Krone auf, in dem sie nach schlechtem<br />

Start in einer Regen- und Nebelfahrt<br />

eine furiose Aufholjagd startete<br />

und einen von den Zuschauern vielumjubelten<br />

Sieg einfuhr.<br />

1970 wechselte sie als verheiratete<br />

Helga Heinrich von zwei auf vier Rädern.<br />

Heinz Melkus habe sie überredet,<br />

in den RS 1000 zu steigen. Ab 1974 folgte<br />

ein Spider-Sportrennwagen, der wie der<br />

RS 1000 auch aus der Automobilschmiede<br />

Melkus kam. Auch in diesen Wagen<br />

konnte sie der wiederum ausschließlich<br />

männlichen Konkurrenz oft die Rücklichter<br />

zeigen. Mit dem Automobil gelang<br />

ihr auch, was ihr mit dem Motorrad<br />

verwehrt blieb – der Aufstieg in die<br />

Leistungsklasse I und der Erwerb der<br />

Internationalen Lizenz.<br />

1983 beendete sie nach mehr als 100<br />

Motorrad- und rund 150 Autorennen<br />

ihre aktive Karriere. Doch bei verschiedenen<br />

Schaurennen trifft man die 70-<br />

Jährige auch heute noch an. Auf vier,<br />

aber noch lieber auf zwei Rädern, denn<br />

Helga Heinrich-Steudel bezeichnet sich<br />

selbst als „die geborene Motorradfahrerin“.<br />

IR


Die Melkus Sportwagen-Manufaktur veröffentlichte Mitte März<br />

die ersten Design-Grafiken des neuen Sportwagens RS 2000.<br />

Spektakulärstes Merkmal sind die am Dach angeschlagenen<br />

Flügeltüren. Diese wurden vom legendären Vorgängermodell<br />

übernommen, dem einzigen Straßensportwagen der DDR,<br />

dem Melkus RS 1000. Die Flügeltüren bieten gegenüber einer<br />

normalen Coupétür einen deutlich besseren Einstiegskomfort<br />

und schwenken nur wenige Zentimeter nach außen auf; ein<br />

Plus in engen Parklücken und Garagen. Auf Kundenwunsch<br />

können die Türen im Dachbereich mit eingefärbten<br />

Glassegmenten geliefert werden, die sich leicht demontieren<br />

lassen. Dieses Türkonzept ist weltweit einmalig.<br />

„Die geschwungene Seitenlinie des RS 2000 erinnert an klassische<br />

GT-Fahrzeuge aus LeMans, ohne dabei altmodisch zu<br />

wirken“, beschreibt Sepp Melkus, Enkel der Rennfahrerlegende<br />

Heinz Melkus und Geschäftsführer der Sportwagen-<br />

Manufaktur. Mit Blick auf die Aerodynamik wird der Unterboden<br />

des RS 2000 komplett geschlossen ausgeführt. Die ausgeprägte<br />

Frontlippe und der Heckdiffusor sorgen zusätzlich<br />

für einen optimalen aerodynamischen Abtrieb und unterstreichen<br />

den Rennsportcharakter des Fahrzeugs. Weitere markante<br />

Designmerkmale sind die Heckpartie mit eingesetztem<br />

Mittelteil und die seitlich kombinierte Luftführung für<br />

Bremsentlüftung und Motorbelüftung. „In enger Zusammenarbeit<br />

mit Familie Melkus haben wir die Formensprache des<br />

RS 1000 neu interpretiert“, erläutert der Designer und Professor<br />

für Transportation Design, Lutz Fügener vom studioFT.<br />

Ab Frühjahr 2008 übernahmen er und sein Partner, der<br />

Diplomdesigner Jens Timmich, die Arbeiten für das endgültige<br />

Design des RS 2000. Sie erarbeiteten dabei einen völlig neuen<br />

Entwurf. „Es entstand eine zeitlos schöne und eigenständige<br />

Form, die sich deutlich und wohltuend von den aktuellen Trends<br />

der Automobilindustrie abhebt“, so Fügener.<br />

AufgeHorcht<br />

Rennwagenoptik mit markantem Design<br />

Der neue Melkus RS 2000 mit einmaligem Türkonzept – Erste Sportwagen<br />

ab November verfügbar – 25 Fahrzeuge sollen jährlich in der Manufaktur entstehen<br />

Echt Melkus – hinter den markanten Flügeltüren des neuen RS 2000<br />

steckt ein einmaliges Konzept. Foto: Melkus<br />

Auch das Konstruktionsprinzip des RS 2000 hat seine Wurzeln<br />

in der Familientradition: der Leichtbauphilosophie des Firmengründers<br />

Heinz Melkus. So besteht die Karosserie aus Glasund<br />

Kohlefaserwerkstoffen und das Chassis aus Aluminium.<br />

Damit soll ein Leergewicht von weniger als 1000 Kilogramm<br />

erreicht werden. Beim Chassis griff das Dresdner Familienunternehmen<br />

auf bewährte Technik zurück. „Uns war es<br />

wichtig“, so Sepp Melkus, „alle sicherheitsrelevanten Komponenten<br />

aus einer erprobten Serienproduktion zu übernehmen.“<br />

Das Chassis ist ein hochfestes Monocoque, das samt Carbon-<br />

Crashbox, Seitenaufprallschutz und Überrollbügel alle Tests<br />

erfolgreich absolvierte. Vater Peter Melkus ergänzt: „So ist es uns<br />

möglich, nach nur drei Jahren Entwicklungszeit im Sommer<br />

dieses Jahres einen neuen Sportwagen zu präsentieren.“<br />

25 Fahrzeuge wollen die Dresdner pro Jahr in Handarbeit fertigen<br />

– die ersten acht bereits 2009. IR/PM<br />

www.melkus-sportwagenbau.de<br />

01/2009 37


38<br />

AufgeHorcht<br />

3. Chemnitzer Oldtimermesse<br />

Dritte Auflage mit deutlich gewachsenem Angebot<br />

Umfangreiches Rahmenprogramm vom Jugend-Kart-Wettbewerb bis<br />

zur Sonderschau der technikhistorischen Museen zur Chemnitzer Fahrzeuggeschichte<br />

Zum dritten Mal öffnen sich am 19. und<br />

20. September 2009 die Tore der Messe<br />

Chemnitz für die Fans von Old- und<br />

Youngtimern. Die Oldtimermesse präsentiert<br />

in diesem Jahr die glänzenden<br />

Zeugen der automobilen Geschichte auf<br />

einer Ausstellungsfläche von 11.000 Quadratmetern.<br />

Dazu gehören die beiden<br />

Messehallen und das Freigelände. Gezeigt<br />

wird eine abwechslungsreiche Produktpalette<br />

historischer Fahrzeuge sowie<br />

Ersatzteile und Zubehör, Literatur,<br />

historisches Werbematerial und Modellfahrzeuge.<br />

Messechef Michael Kynast freut sich<br />

schon jetzt auf die dritte Auflage der<br />

01/2009<br />

Messe. „Die vergangenen beiden Oldtimermessen<br />

sind auf ein sehr breites<br />

Publikumsinteresse gestoßen. Nicht zuletzt<br />

deshalb haben wir uns in diesem<br />

Jahr neben der Präsentation von Youngund<br />

Oldtimern wieder eine Menge einfallen<br />

lassen. Mit einem umfangreichen<br />

Rahmenprogramm wollen wir an beiden<br />

Messetagen Highlights für die ganze Familie<br />

anbieten. Ich denke, dass wir damit<br />

den Nerv unserer Messebesucher treffen.“<br />

Zu diesem Rahmenprogramm gehören<br />

neben dem Bühnenprogramm<br />

auch spezielle Angebote für Kinder und<br />

Jugendliche. Auf dem Freigelände organisiert<br />

der ADMV zum Beispiel einen<br />

Am 19. und 20. September verwandelt sich die Messe Chemnitz wieder in ein Mekka für Fans historischer Fahrzeuge.<br />

Jugend-Kart-Wettbewerb. Bereits der<br />

Platz vor der Messe lädt zum Verweilen<br />

und Staunen ein, denn dort wird eine<br />

Flotte von Lkw-Oldtimern das Interesse<br />

der Besucher auf sich ziehen.<br />

Unter dem Titel „Chemnitzer Fahrzeuggeschichte<br />

erleben“ präsentiert sich<br />

erstmals auf der Messe der Interessenverband<br />

der sieben Chemnitzer technikhistorischen<br />

Museen mit einer Sonderausstellung.<br />

Beteiligt sind daran das<br />

Industriemuseum, das Sächsische Fahrzeugmuseum,<br />

das Nutzfahrzeugmuseum,<br />

das Sächsische Eisenbahnmuseum, das<br />

Straßenbahnmuseum sowie das Schulund<br />

das Spielemuseum.


Auch die verschiedenen Oldtimerclubs<br />

werden wieder mit eigenen Präsentationen<br />

vor Ort sein und sich in einem<br />

Clubwettbewerb um den schönsten<br />

Clubstand den Juroren stellen. Besucher,<br />

die sich auf der Messe mit dem<br />

Oldtimervirus infiziert haben, können<br />

sich in diesem Jahr gleich nach dem<br />

Fahrzeug ihrer Wahl umschauen. Denn<br />

erstmals haben Privatbesitzer von Oldtimern<br />

die Möglichkeit, ihre Schätze auf<br />

der Messe zum Verkauf anzubieten.<br />

PM<br />

Fotos: Frank Reichel<br />

www.oldtimermesse-chemnitz.de<br />

AufgeHorcht<br />

am 19. und 20. September 2009<br />

Jede Menge Old- und Youngtimer werden<br />

zur 3. Chemnitzer Oldtimermesse wieder<br />

zu sehen sein.<br />

Mitte: Suchen nach Schnäppchen auf dem<br />

Teilemarkt.<br />

Unten links: Lkw-Oldtimer werden in diesem<br />

Jahr bereits auf dem Platz vor der<br />

Messe die Aufmerksamkeit der Besucher<br />

auf sich ziehen.<br />

Das Horch Museum Zwickau<br />

wird auch in diesen Jahr wieder<br />

mit einem Stand zur<br />

Oldtimermesse Chemnitz vertreten<br />

sein.<br />

Unten rechts:Sehen,<br />

staunen, fachsimpeln<br />

– wesentliche Tätigkeiten beim<br />

Besuch der Oldtimermesse.<br />

01/2009 39


AufgeHorcht<br />

Neues Domizil und noch mehr Inhalt<br />

Museum für sächsische Fahrzeuge jetzt an Chemnitzer Museumsmeile zu Hause<br />

– Neben DKW und Wanderer werden viele Fabrikate wenig bekannter Hersteller gezeigt<br />

DKW, Wanderer & Co. haben wieder eine vertraute Umgebung<br />

erhalten: Die ehemaligen Stern-Garagen in der Zwickauer<br />

Straße 77 in Chemnitz sind seit Dezember 2008 das neue Domizil<br />

des Museums für Sächsische Fahrzeuge. Die historische<br />

Hochgarage von 1928 beherbergt nunmehr die Sammlung von<br />

Zwei-, Drei- und Vierrädern, die alle eines gemeinsam haben:<br />

Sie sind sächsischen Ursprungs bzw. weisen wesentliche Komponenten<br />

aus dem hiesigen Autoland auf.<br />

Der Umzug vom bisherigen Standort im Wasserschloss Klaffenbach<br />

war notwendig geworden, weil Umbaumaßnahmen<br />

Mit DKW, Wanderer und einem Framo-Dreirad empfängt das Museum<br />

seine Besucher.<br />

Raritäten auf zwei Rädern – Motorräder heute relativ unbekannter Marken.<br />

Rechts vorn ein Wanderer „Puppchen“, links hinten ein Oldsmobil, das<br />

bei den Polyphon-Werken Leipzig in Lizenz als Polymobil gebaut wurde.<br />

40<br />

01/2009<br />

aus brandschutztechnischen Gründen die ohnehin knappe Ausstellungsfläche<br />

noch weiter verkleinert hätten, erklärt Museumsdirektor<br />

Dirk Schmerschneider. Jetzt stehen in dem Garagenkomplex<br />

rund 1000 Quadratmeter zur Verfügung, etwa 250<br />

Quadratmeter mehr als in Klaffenbach.<br />

Entlang der ehemaligen Stellboxen, die größer bemessen waren<br />

als heutige Parkhausplätze, kann man eine Zeitreise vom Beginn<br />

der Motorisierung um 1900 bis zur Kfz-Geschichte in Zwickau,<br />

Zschopau, Karl-Marx-Stadt und Frankenberg zur Zeit der DDR<br />

unternehmen. Traditionell dominieren Fahr- und Motorräder<br />

sowie Automobile von DKW und Wanderer. Jeweils über 30<br />

Exemplare der beiden Marken sind zu sehen. Darüber hinaus<br />

kann das Museum aber auch eine ganze Menge „Exoten“ präsentieren,<br />

denen man mitunter nicht gleich den sächsischen<br />

Bezug anmerkt. Gleich zu Beginn fällt ein Oldsmobil auf. Kenner<br />

wissen, dass es sich dabei um ein US-amerikanisches Modell<br />

handelt. Es wurde von den Polyphon-Werken Leipzig von 1904<br />

bis 1908 in Lizenz als Polymobil produziert. Einige Schritte weiter<br />

trifft man auf zweirädrige Raritäten wie Elfa, Elster oder<br />

Hiekel, alles Motorräder aus den 1920er Jahren, gebaut von<br />

Herstellern, die nur relativ kurze Zeit unter den genannten<br />

Marken fertigten.<br />

Bei den vierrädrigen Exoten ist der Hataz-Rennwagen hervorzuheben.<br />

Das Fahrzeug entstand 1922 bei Hans Tautenhahn<br />

Zwickau und kam u. a. zum Zwickauer Flugplatzrennen 1925<br />

zum Einsatz. Das Moll-Mobil fällt ebenfalls in diese Zeit. Es wurde<br />

von 1922 bis 1926 in Chemnitz gebaut. Auch ein Wartburg<br />

ist unter den rund 200 mobilen Museumsexponaten zu finden.<br />

Das der Thüringer in der Chemnitzer Garage steht, hat schon<br />

seine Berechtigung, denn dieses Fahrzeug besitzt einen schadstofffreien<br />

Turbinenantrieb, den ein Ingenieur aus Torgau entwickelte,<br />

sozusagen eine Vorwegnahme der heute umweltfreundlichen<br />

Antriebstechnologien. Als Kraftstoff diente Wasserstoffperoxid,<br />

das katalytisch zerlegt wurde. Der frei werdende<br />

Druck trieb die Turbine an und an Abgasen fielen lediglich<br />

Wasserdampf und Sauerstoff an.<br />

Es macht Spaß, die Ausstellung zu durchwandern, denn neben<br />

den eigentlichen mobilen Museumsstars gibt es viele weitere<br />

Ein Hataz-Rennwagen von 1922, gebaut bei Hans Tautenhahn Zwickau.


Die Geschichte der DKW- und MZ-Motorräder kann nahezu lückenlos<br />

verfolgt werden. Darüber hinaus zeigt das Museum eine ganze Reihe<br />

Exoten auf zwei Rädern.<br />

Details aus der Zeit ihrer Produktion zu entdecken wie die Ausstattung<br />

einer Kfz-Werkstatt in den 1920er und 1930er Jahren<br />

oder interessante Fakten rund um den Führerscheinerwerb.<br />

Man merkt der Schau an, dass sie von Dirk Schmerschneider<br />

und seinen nur zwei Mitarbeitern sowie unterstützt von dem<br />

rund 30-köpfigen ehrenamtlich agierenden Team des Museumsvereins<br />

mit viel Liebe gestaltet wurde. Hinzu kommen private<br />

Sponsoren, „ohne die es nicht ginge“, wie der Museumsdirektor<br />

betont. Denn die Bewahrer sächsischer Fahrzeugbautradition<br />

haben noch viel vor. Das Naheliegendste ist, den neuen<br />

AufgeHorcht<br />

Moll-Mobile wurden von 1922 bis 1926 in Chemnitz gebaut.<br />

Standort weiter bekannt zu machen. Oft wird er gegenüber<br />

dem Industriemuseum Chemnitz gesucht, doch er befindet sich<br />

so ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Industriemuseum<br />

und dem Kunstmuseum Gunzenhauser, also direkt an der<br />

Chemnitzer Museumsmeile. Ebenso soll die Forschung mehr<br />

Raum bekommen und es sollen Sonderausstellungen veranstaltet<br />

werden. Eine Sonderschau wird sich 2010 dem 125-jährigen<br />

Wanderer-Jubiläum widmen.<br />

Text und Fotos: Ina Reichel<br />

www.fahrzeugmuseum-chemnitz.de<br />

01/2009 41


AufgeHorcht<br />

Zukunftsweisende Zusammenarbeit<br />

zur Bewertung historischer Dokumente<br />

Erfolgreiches Projekt zwischen dem Förderverein des Horch Museums und dem Staatsarchiv<br />

Chemnitz zur Begutachtung technischer Zeichnungen aus dem Bestand des VEB Sachsenring<br />

Automobilwerk Zwickau<br />

Das Staatsarchiv Chemnitz verwahrt<br />

umfangreiche und wertvolle Dokumente<br />

zum Automobilbau aus der Region<br />

Chemnitz/Zwickau. Dazu gehört der<br />

Bestand Auto Union AG Chemnitz, der<br />

sich aus den Teilbeständen Horch, Audi,<br />

DKW und Wanderer zusammensetzt.<br />

Diese Materialien mit einem Umfang<br />

von etwa 200 Laufmetern waren anfangs<br />

nur sehr bedingt erschlossen und<br />

dadurch auch nur mühevoll benutzbar.<br />

1998/99 erschloss ein wissenschaftlicher<br />

Archivar den Bestand archivfachlich.<br />

Nunmehr sind die Dokumente elektronisch<br />

recherchierbar und somit wesentlich<br />

komfortabler nutzbar. Dieses<br />

Projekt hat die AUDI AG Ingolstadt<br />

durch einen bedeutenden finanziellen<br />

Betrag unterstützt. Erstmals gelang es,<br />

ein solches Übereinkommen zwischen<br />

dem Staatsarchiv Chemnitz und einem<br />

Unternehmen zu erzielen. Insofern trug<br />

das Vorhaben den Charakter eines Pilotprojektes.<br />

Die AUDI AG bekannte sich<br />

mit ihrer Unterstützung ausdrücklich zu<br />

ihren historischen Wurzeln in Sachsen.<br />

Als Gegenleistung erhielt sie den Bestand<br />

in verfilmter Form. Der Archivar,<br />

der den Bestand erschlossen hat, wurde<br />

in das Unternehmensarchiv der AUDI<br />

AG übernommen.<br />

Ein weiterer bedeutender Bestand, über<br />

den das Staatsarchiv Chemnitz verfügt,<br />

ist der des VEB Sachsenring Automobilwerke<br />

Zwickau. Er umfasst die Unterlagen<br />

sowohl der nach 1945 zunächst<br />

selbstständigen Werke Horch und Audi<br />

als auch die Unterlagen des 1958 zusammengelegten<br />

Werkes. Der Bestand<br />

hat eine Laufzeit von 1945 bis 1995. Sein<br />

Umfang beträgt insgesamt etwa 400<br />

Laufmeter. Der Teil, vor allem Unterlagen<br />

aus der Zeit von 1945 bis in die 70er<br />

Jahre des 20. Jahrhunderts, der Anfang<br />

der 90er Jahre über das Hauptstaatsarchiv<br />

Dresden in das Staatsarchiv<br />

Chemnitz gelangte, ist in Gestalt einer<br />

Findkartei erschlossen und somit be-<br />

42<br />

01/2009<br />

nutzbar. Der übrige Teil des Unternehmensarchivs<br />

wurde in den Jahren<br />

1996/97 direkt in das Staatsarchiv Chemnitz<br />

übernommen. Die hierzu existierenden<br />

Findmittel, lediglich einfache<br />

Verzeichnisse, die den realen Inhalt der<br />

Akten nur sehr unzureichend widerspiegeln,<br />

erschweren eine Benutzung der<br />

Unterlagen wesentlich.<br />

Ein Projekt zur Erschließung dieses Bestandes<br />

ähnlich dem der Auto Union AG<br />

wäre sehr wünschenswert.<br />

Zusammen mit den Akten wurde 1997<br />

auch eine große Anzahl technischer<br />

Zeichnungen in das Staatsarchiv Chemnitz<br />

übernommen. Nach damals vorgenommenen<br />

Schätzungen betrug deren<br />

Anzahl etwa 56.300 Stück in verschiedenen<br />

Formaten. In einem ersten Arbeitsschritt<br />

wurden in den Jahren 2003/2004<br />

die Zeichnungen zum Endprodukt Tra-<br />

bant von den Betriebsmittelzeichnungen<br />

getrennt. Im Verlauf dieser Arbeit konnten<br />

8.337 technische Zeichnungen zum<br />

Endprodukt ermittelt werden, davon<br />

die übergroße Mehrheit zum Trabant<br />

Magazin im Staatsarchiv Chemnitz.<br />

(Typ 500 bis 601) und wenige zum<br />

Sachsenring P 240.<br />

Diese Zeichnungen wurden anschließend<br />

komplett, ohne jegliche Kassationen, im<br />

Archivprogramm Augias-Archiv 7.4 elektronisch<br />

verzeichnet. Nunmehr können<br />

sie sehr komfortabel nach Schlagworten<br />

und Zeichnungsnummern recherchiert<br />

werden.<br />

Vor allem zu folgenden Baugruppen und<br />

Einzelteilen sind Zeichnungen überliefert:<br />

Karosserie (Kotflügel, Rahmen, Querträger,<br />

Türen), Kühler, Abgasanlage,<br />

Bremsanlage, Stoßdämpfer, Schaltung,<br />

Lenkung, Fußhebelwerk, Sitze, Heizung<br />

und Belüftung, Beleuchtung, Federung,


Getriebe, Achsen und Kraftstoffanlage.<br />

Die verbliebenen Betriebsmittelzeichnungen<br />

hatten nach einer nunmehr vorgenommenen<br />

Zählung einen Umfang<br />

von 43.675 Stück. Es handelt sich dabei<br />

um Anlagen und Werkzeuge. Im Zuge<br />

ihrer Begutachtung wurde schnell deutlich,<br />

dass sie nicht komplett archivwürdig<br />

sind. Gleichzeitig wurde uns als Archivare<br />

jedoch bewusst, dass uns entsprechende<br />

tiefgründige Fachkenntnisse fehlen, um<br />

eine verantwortungsbewusste Entscheidung<br />

darüber treffen zu können, welche<br />

Zeichnungen dauerhaft aufbewahrungswürdig<br />

sind und welche kassiert werden<br />

können. In dieser Situation wandten wir<br />

uns mit der Bitte um Unterstützung<br />

über den Förderverein des Industriemuseums<br />

Chemnitz an den Förderverein<br />

des Automobilmuseums August Horch<br />

in Zwickau. Beide Fördervereine standen<br />

dieser Bitte sehr aufgeschlossen gegenüber.<br />

Die erbetene Hilfe wurde uns<br />

zugesichert. In verschiedenen Beratungsrunden<br />

Ende 2007 und Anfang 2008<br />

zwischen Vertretern des Staatsarchivs<br />

Chemnitz sowie ehemaligen Mitarbeitern<br />

von Barkas und Sachsenring wurde<br />

zunächst über Kriterien zur Bewertung<br />

der technologischen Zeichnungen beraten.<br />

Zusammengefasst wurde Übereinstimmung<br />

darüber erzielt, dass Zeichnungen<br />

aufzubewahren sind, welche die<br />

Gesamtheit eines Produktes widerspiegeln.<br />

Demgegenüber können Zeichnungen<br />

zu Einzelteilen kassiert werden. Des<br />

Weiteren sollten Zeichnungen aufbewahrt<br />

werden, die spezifische technologische<br />

Neu- bzw. Weiterentwicklungen<br />

in ihrer jeweiligen Zeit abbilden.<br />

Nach der Klärung dieser archivfachlichen<br />

Grundsatzfragen haben zwei<br />

Spezialisten aus dem ehemaligen VEB<br />

Sachsenring Automobilwerke Zwickau<br />

von Mai bis September 2008 die Betriebsmittelzeichnungen<br />

nach den vorgegebenen<br />

Kriterien bewertet. Dieser<br />

Tatbestand ist deshalb so erwähnenswert,<br />

weil zumindest im Staatsarchiv<br />

Chemnitz erstmals der Versuch unter-<br />

Wolfgang Neef (r.) und Benno Stengel vom Förderverein bei der Arbeit im Staatsarchiv.<br />

nommen wurde, sehr spezifische Dokumente<br />

im konkreten von Spezialisten<br />

und nicht von Archivaren bewerten zu<br />

lassen.<br />

Realisiert wurde das Projekt mittels<br />

Werkvertrag. Auch das war Neuland.<br />

Erstmalig schloss der Freistaat Sachsen,<br />

vertreten durch das Staatsarchiv Chemnitz,<br />

einen Werkvertrag mit einer juristischen<br />

Person ab, in diesem Fall mit dem<br />

Förderverein des Automobilmuseums<br />

August Horch Zwickau. Im Regelfall<br />

werden Werkverträge mit natürlichen<br />

Personen abgeschlossen. Das Bewertungsprojekt<br />

konnte im Jahr 2008 erfolgreich<br />

beendet werden. Von den<br />

AufgeHorcht<br />

43.675 technologischen Zeichnungen<br />

wurden 548 als archivwürdig bewertet.<br />

43.127 Zeichnungen entsprachen nicht<br />

den oben angeführten Kriterien. Sie wurden<br />

kassiert.<br />

Folgende Anlagen werden u. a. in den<br />

aufbewahrten Zeichnungen abgebildet:<br />

Pressteil für die Motorhaube, verschiedene<br />

Schweißvorrichtungen, Schweißroboter,<br />

Montageautomat, Radnabe,<br />

Harzbeschickungssystem, Vliesstraße,<br />

Fräsvorrichtung, Zahnstange, Bohrwerkzeuge<br />

für Zahnstangengehäuse und Getriebegehäuse,<br />

Bremsprüfstand, Karosserietransportband,<br />

Prüfstand für Getriebe,<br />

Spritz- und Trockenanlage, ECM-Entgrateanlage,<br />

Bandantrieb für Karosserie-<br />

Montage, Rollprüfstand für P 50 Backenbremse,<br />

Luftfüllvorrichtung für schlauchlose<br />

Reifen, Glättvorrichtung für Karosserie-Blechteile,<br />

Schleifvorrichtung für<br />

Hinterkotflügel, Montagevorrichtung<br />

Türen, Scheinwerfereinstellvorrichtung,<br />

Presswerkzeuge für Kotflügel, automatische<br />

Farbspritzanlage, Karosserieaufhängevorrichtung,<br />

Aufziehvorrichtung<br />

für Sitzlehnenbezug, Taktstraße Getriebegehäuse<br />

P 50.<br />

In einem Anschlussprojekt werden die als<br />

archivwürdig bewerteten Zeichnungen<br />

in diesem Jahr im Archivprogramm<br />

Augias-Archiv 7.4 verzeichnet. Damit<br />

wird der bereits vorhandene Teil von<br />

Zeichnungen zum Endprodukt komplettiert.<br />

Es werden dann insgesamt 8.885<br />

technische Zeichnungen aus dem Bestand<br />

VEB Sachsenring Automobilwerke<br />

Zwickau in der Datenbank erschlossen<br />

sein, die sehr komfortabel zu recherchieren<br />

sind.<br />

Das Staatsarchiv Chemnitz bewertet die<br />

Zusammenarbeit mit den Mitgliedern<br />

des Fördervereins als sehr konstruktiv<br />

und möchte sich hiermit für die<br />

erbrachte Leistung bedanken. Das Projekt<br />

erwies sich als ein gutes Beispiel<br />

dafür, wie zwei Institutionen, die beide<br />

ein großes Interesse an der Erhaltung<br />

historisch wertvoller Unterlagen haben,<br />

zu beiderseitigem Nutzen kooperieren<br />

können. Dieses Pilotprojekt ist aus Sicht<br />

des Staatsarchivs Chemnitz richtungweisend<br />

für die Zukunft. Vorstellbar ist<br />

bereits heute ein neues Projekt für die<br />

Bewertung von technischen Zeichnungen<br />

der Barkas-Werke Karl-Marx-Stadt, die<br />

ebenfalls in großer Zahl im Staatsarchiv<br />

Chemnitz verwahrt werden.<br />

Dr. Klaus Müller<br />

01/2009 43


AufgeHorcht<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

Veranstaltungen 2. Halbjahr 2009<br />

44<br />

Freitag, 25. September 2009<br />

Besuch der 62. Internationalen Automobilausstellung (IAA)<br />

in Frankfurt/Main<br />

Abfahrt in Zwickau gg. 6.00 Uhr<br />

Ankunft in Zwickau gg. 22.00 Uhr<br />

Kosten: ca. 35,00 Euro/Person (Bustransfer, Messe-Tagesticket)<br />

Nähere Auskünfte zum zeitlichen Ablauf und Teilnahmeregistrierung<br />

in der Geschäftsstelle des Fördervereins:<br />

dienstags und donnerstags, jeweils 9.00 bis 11.00 Uhr,<br />

Tel./Fax: 0375-2706587<br />

Donnerstag, 8. Oktober 2009, 16.30 Uhr<br />

Vortrag: Der Gegenkolbenmotor (GKM) – Historie der<br />

Entwicklung des GKM-Junkers 1890 – Das neue Konzept:<br />

Ölfrei laufende Kolben/Zylinder-Gruppe<br />

Vortragender: Dr. Hermann Golle, Dresden<br />

Ort: August-Horch-Museum Zwickau, Audistr. 7, Vortragssaal<br />

Donnerstag, 05. November 2009, 16.30 Uhr<br />

Vortrag: Regelkreis Fahrer Fahrzeug Straße – Trends und<br />

Entwicklungen<br />

Vortragender: Prof. Dr. Wolfgang Kühn, Westsächsische<br />

Hochschule Zwickau<br />

Ort: August-Horch-Museum Zwickau, Audistr. 7, Vortragssaal<br />

Donnerstag, 03. Dezember 2009, 16.30 Uhr<br />

Besichtigung und Erläuterung moderner Lehreinrichtungen<br />

und Forschungslabore der Fakultät Kraftfahrzeugtechnik<br />

und der Fakultät Automobil- und Maschinenbau/Fachgruppe<br />

Versorgungs- und Umwelttechnik an der Westsächsischen<br />

Hochschule Zwickau<br />

Erläuterungen: Dipl.-Ing. Roland Reißig und<br />

Dipl.-Ing. Gerd Epperlein<br />

Ort: Westsächsische Hochschule Zwickau, Campus<br />

Scheffelberg , August Horch Bau<br />

01/2009<br />

Änderungen vorbehalten!<br />

Zeitenwende für die<br />

Automobilindustrie<br />

Forum Mobile der Westsächsischen<br />

Hochschule lädt ein<br />

Seit Oktober 2008 bereichert der Neubau Forum Mobile<br />

Ausbildung und Campus der Westsächsischen Hochschule<br />

Zwickau. Er beherbergt in einer Art „Schmuckkästchen“<br />

zwölf historische Kraftfahrzeuge der Hochschule, die einerseits<br />

für die Grundlagenausbildung der Kraftfahrzeugingenieure<br />

genutzt werden, andererseits auch der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der Zwickauer Hochschule „rund um das Automobil“<br />

dienen. Die Mehrzahl der Fahrzeuge wurde von Studenten<br />

der Interessengemeinschaft Oldtimer, der auch Mitarbeiter<br />

angehören, restauriert. Stolz der Kollektion ist je ein<br />

Typenvertreter der Auto Union-Marken Horch, Audi,<br />

Wanderer und DKW. Zudem sind Rennwagen zu sehen, die<br />

von studentischen Teams im Rahmen des internationalen<br />

Konstruktionswettbewerbes „formula student“ konstruiert<br />

und gebaut worden sind.<br />

Eine neue wissenschaftliche kraftfahrzeugtechnische Vortragsreihe<br />

mit dem Titel „forum mobile“ begleitet die Schau.<br />

Nach dem Start am 13. November 2008 durch den Sprecher<br />

der Geschäftsführung der Volkswagen Sachsen GmbH,<br />

Dr. Frank Löschmann, folgt am 18. Juni die zweite Veranstaltung.<br />

Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr.<br />

Carl H. Hahn spricht zum Thema „Zeitenwende für die<br />

Automobilindustrie“. Heinrich Timm, Leiter des Aluminiumund<br />

Leichtbauzentrums der Audi AG stellt die „Faszination<br />

Karosserieleichtbau“ vor.<br />

Blick in das Forum Mobile. Foto: Detlef Neumann


AufgeHorcht<br />

46 01/2009<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Gemeinnütziger Förderverein<br />

Automobilmuseum<br />

August Horch Zwickau e.V.<br />

Audistraße 7<br />

08058 Zwickau<br />

foerderverein@horch-museum.de<br />

http://foerderverein.horch-museum.de<br />

Redaktion<br />

Ina Reichel, Freie Journalistin,<br />

Chemnitz<br />

Anzeigenakquise, Layout, Satz<br />

Marketingagentur Reichel<br />

Kleinolbersdorfer Str. 6<br />

09127 Chemnitz<br />

Tel. 0371-7743510<br />

Fax 0371-7743511<br />

mareichel@ma-reichel.de<br />

Druck<br />

Druckerei Willy Gröer GmbH & Co.<br />

KG Chemnitz<br />

Redaktionsschluss<br />

dieser <strong>Ausgabe</strong>: 20. Mai 2008

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