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Wendelstadt Baron Jan von - Gästebücher von Schloss Neubeuern

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<strong>Jan</strong> Freiherr <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

*11. Februar 1856 Darmstadt 2 †7. Juli 1909 <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong><br />

<strong>Baron</strong> <strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

Privatier,<br />

Sohn des Darmstädter Bankiers Victor <strong>Wendelstadt</strong>; seit 1882 Besitzer v. <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> am Inn; seit 15.<br />

Oktober 1896 verh. Mit Julie Gräfin Degenfeld-Schonburg; Mgl. der Genossenschaft PAN; Kunstsammler;<br />

Mgl. des Liebenberg-Kreises u. als enger Freund v. Philipp Fürst zu Eulenburg u. Hertefeld in den Skandal<br />

v. 1907/08 verwickelt<br />

Quelle:<br />

Harry Graf Kessler: Das Tagebuch Dritter Band 1897 – 1905 Klett-Cotta Stuttgart 2000, S. 1172<br />

<strong>Jan</strong> und Julie <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong>


Ex Libris <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> <strong>von</strong> Joseph Sattler<br />

Kindheit und Jugend<br />

Am 11. Februar 1856, morgens halb zwölf, wurde Johann Georg Viktor <strong>Wendelstadt</strong> in Darmstadt als Sohn<br />

des Bankdirektors Theodor Friedrich <strong>Wendelstadt</strong> (*12. Juni 1820 Hannover †27. Mai 1881) und seiner<br />

Frau Albirta Johanna (†11. August 1901 Edinburgh) geboren. Theodor <strong>Wendelstadt</strong> war seit 1854 in<br />

Darmstadt beheimatet und gehörte als Direktor der „Bank für Handel und Industrie" zu den führenden Köpfen<br />

der Stadt. So wohnte die Familie im besten Viertel <strong>von</strong> Darmstadt, der Promenadenstraße 11. (später<br />

Wendelstadstr. 1) Albirta Johanna <strong>Wendelstadt</strong> stammte aus einer holländischen Adelsfamilie und hatte auch<br />

die entsprechenden Ansprüche an ihre Lebensumstände. <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> wurde am 15. Mai 1856 in<br />

Darmstadt getauft.<br />

Theodor <strong>Wendelstadt</strong> mit seinem Sohn <strong>Jan</strong> (v..l.) ca. 178 in Darmstadt


<strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> mit seiner Mutter am <strong>Schloss</strong>brunnen<br />

Der Erfolg der „Bank für Handel und Industrie" sowie der „Bank für Süddeutschland" und zahlreicher weiterer<br />

Unternehmen, in welchen sich Theodor <strong>Wendelstadt</strong> engagierte, verlieh der Familie die finanziellen Mittel zur<br />

Führung eines großbürgerlichen Haushalts. <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> wurde <strong>von</strong> Privatlehrern erzogen und besuchte<br />

zeitweise das Internat in Schnepfenthal, eine allgemein anerkannte großbürgerlich-adlige Erziehungsanstalt.<br />

Über eine Berufsausbildung ist nichts bekannt. Vielmehr unternahm er größere Reisen, um sein Weltbild zu<br />

erweitern und fremde Kulturen kennenzulernen. Die nur im geringen Maße bekannten Lebensumstände deuten<br />

auf eine eher adlige Lebenskultur hin. <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> hat offensichtlich zu keinem Zeitpunkt Interesse an<br />

einer dauerhaften Berufstätigkeit gehabt. Insbesondere scheint hier der Einfluss seiner Mutter spürbar zu sein,<br />

die bei ihren Besuchen im Rheinland, gegenüber der großbürgerlichen Familie ihres Mannes als Adlige auftrat.<br />

Bis zum Tode des Vaters am 1. Mai 1881 sind nahezu keine Angaben über das Leben <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

erhalten. Bei seinem Tode soll Theodor <strong>Wendelstadt</strong> „kein namhaftes Vermögen" hinterlassen haben. Der<br />

Erfolg der „Bank für Handel und Industrie" und der „Bank für Süddeutschland" sowie weiterer Investitionen der<br />

Familie, der sich sicherlich auch im Vermögen der Familie niederschlug, wurde offensichtlich zur Deckung der<br />

Ausgaben des großbürgerlichen Haushaltes benötigt. Kurz nach dem Tod <strong>von</strong> Theodor <strong>Wendelstadt</strong> starb die<br />

Mutter <strong>von</strong> Albirta Johanna <strong>Wendelstadt</strong> und hinterließ ihrer Tochter ein Vermögen <strong>von</strong> zwei Millionen<br />

Gulden. Mit diesem Geld sollte sich <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> in die adlige Elite des bayerischen Königreichs<br />

einkaufen können. Schon seit 1880 orientierte sich der Sohn der großbürgerlichen Darmstädter Bankiersfamilie<br />

zur bayerischen Künstlerszene.


Die Verleihung der Freiherren Würde<br />

1880 hatte <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> das sog. Heibler-Anwesen in Altenmarkt in der Nähe <strong>von</strong> <strong>Neubeuern</strong> am Inn zum<br />

Preis <strong>von</strong> 17.000 Mark erworben. Nach dem Tod des Vaters und mit den ererbten Mitteln der Mutter kaufte <strong>Jan</strong><br />

<strong>Wendelstadt</strong> 1882 das <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> am Inn. Das Landgut <strong>Neubeuern</strong> umfasste zu diesem Zeitpunkt eine<br />

Fläche <strong>von</strong> 256 Hektar. Der Kaufpreis betrug 665.000 Mark. Nachdem <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> nun das Königreich<br />

Bayern zu seiner Heimat gemacht hatte, erhielt er 1884 die bayerische Staatsangehörigkeit. Das hoch


herrschaftliche Landgut und seine Kontakte zu bayerischen Adelskreisen ließen in <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> den<br />

Wunsch heranreifen, auch dem bayerischen Adelsstand anzugehören. Hierbei mögen insbesondere die adlige<br />

Herkunft seiner Mutter und die allgemeine Tendenz des Großbürgertums, sich in jenen Jahren den adligen<br />

Lebensweisen anzupassen, die bestimmende Rolle gespielt haben.<br />

Am 31. März 1886 beantragte <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> die Erhebung in den Freiherrenstand beim bayrischen<br />

Innenminister. Dabei sollte gleichermaßen seine Mutter Albirta Johanna, aufgrund ihrer adligen Herkunft, in<br />

den Freiherrenstand erhoben werden. Mit dem Erhebungsantrag stiftete <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> 50.000 Mark für den<br />

Ankauf <strong>von</strong> Kunstwerken und 30.000 Mark für einen Brückenbaufond in <strong>Neubeuern</strong>. Gleichzeitig stellte <strong>Jan</strong><br />

<strong>Wendelstadt</strong> für den Fall einer "eventuellen Verheiratung" die Errichtung eines Fideikommiss in Aussicht. In<br />

der Familienüberlieferung wurde unterstellt, <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> habe schon zu jenem Zeitpunkt eine<br />

Verheiratung mit einer bayerischen Adeligen beabsichtigt, sei jedoch noch nicht standesgemäß gewesen. Dies<br />

muss jedoch in den Bereich der Spekulation verwiesen werden.<br />

Die Erkundigungen, die das Bayerische Staatsministerium nachfolgend einholte, zeigten <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> als<br />

unbescholtene Persönlichkeit. Allein ein direkter Verdienst für den bayerischen Staat konnte nicht gefunden<br />

werden. So wurde das beabsichtigte Engagement für die Innbrücke bei <strong>Neubeuern</strong> als Beweis seiner staatstreuen<br />

Intention angeführt."<br />

Die bayerische Staatsregierung zögerte jedoch mit einem positiven Bescheid, da die beabsichtigte Erhebung <strong>von</strong><br />

Alberta <strong>Wendelstadt</strong> eine "dem Begriff des Adels widersprechende Anomalie"... sei. <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

entgegnete jedoch, dass er im Sinne „der meiner Mutter schuldigen Pietät [es] für unvereinbar halte, einen<br />

höheren Rang einzunehmen als sie«." Nach den Erkundigungen, die das bayrische Innenministeriumeinzog,<br />

wollte <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> den erheblichen Adelstitel für seine Mutter erreichen, da sie ihm die finanziellen Mittel<br />

zum Kauf <strong>von</strong> <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> zur Verfügung gestellt hatte. Am 01. November 1886 wurde sein Gesuch um<br />

Erhebung in den erblichen bayerischen Adel "aus prinzipiellen Gründen“ abgelehnt. So zog <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

sein Gesuch am 8. Dezember 1886 zurück.<br />

Da <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> in München enge Freundschaft mit dem Prinzen Ernst <strong>von</strong> Sachsen-Meiningen<br />

geschlossen hatte, richtete <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> ein gleichgelagertes Gesuch an den Prinzen. Gegenüber der<br />

bayerischen Regierung hat er späterhin versucht, deutlich zu machen, dass es sich bei der Erhebung in den<br />

Freiherrenstand um einen Wink des Schicksals gehandelt habe:<br />

„Als ich mich zu meinem tiefen Bedauern auf diese Auszeichnung [die Freiherren Würde], für meine Person<br />

allein, in Bayern zu verzichten gezwungen sah, als mit der meiner Mutter schuldigen Pietät unvereinbar und ich<br />

mich gerade in der unangenehmen Lage sah, meiner Mutter den <strong>von</strong> ihr nicht erwarteten Ausgang der<br />

Angelegenheit mitzuteilen, empfing ich <strong>von</strong> Seiner Hoheit dem Prinzen Ernst <strong>von</strong> Sachsen-Meiningen einen<br />

sehr freundschaftlichen Brief, worin Seine Hoheit mir die Erfüllung unseres Wunsches in Meiningen in


Aussicht stellte. Ich habe den Vorschlag dankbarst angenommen, als den Ausweg aus einer für mich sehr<br />

peinlichen Situation.<br />

Am 19. Februar 1887 wurden <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> und seine Mutter durch Sachsen Meining'sche Verleihung in<br />

den erblichen Freiherrenstand erhoben. Auch hier hatte er durch großzügige Spenden nachhelfen müssen. Am<br />

14. Februar 1887 hatte er seinem Bankier in Amsterdam den Auftrag erteilt, insgesamt 80.000 Mark an die<br />

Hauptstaatskasse der herzoglichen Regierung in Meiningen zu überweisen, die der Großherzog Georg in<br />

seinem Sinne zu "gemeinnützigen Zwecken" verwenden sollte. Gleichzeitig legte er jedoch großen Wert darauf,<br />

bezüglich seiner Spende ungenannt zu bleiben. Am 27. Februar 1887 dankte <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> dem Großherzog<br />

im "Gefühl der tiefsten Dankbarkeit für die mir bewiesene Gnade".<br />

Noch zu klären blieb die Frage des Wappens. Mit einigen Modifikationen wurde das <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

eingereichte Wappen vom Herzog <strong>von</strong> Sachsen-Meiningen anerkannt.<br />

Nun glaubte der neue Freiherr, seine Würde auch in Bayern anerkennen lassen zu können. Am 6. März 1887<br />

stellte er den formellen Antrag auf Anerkennung des Adelsstandes durch das Königreich Bayern. Das<br />

Außenministerium verweigerte die Zustimmung und drohte <strong>Wendelstadt</strong> eine Strafe für das Führen des<br />

Adelstitels an. Daraufhin folgte eine langanhaltende Auseinandersetzung zwischen der bayerischen und<br />

sachsen- meiningenschen Regierung.<br />

<strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> mit Dorf um 1900<br />

Die bayrische Regierung bemühte sich den ablehnenden Bescheid über die Anerkennung der sachsenmeiningenschen<br />

Erhebung durch eine Note an den Herzog zu rechtfertigen, um das Gesicht zu wahren. So fand<br />

der bayerische Staatsminister Crailsheim am 12. März 1887 gegenüber dem Herzog <strong>von</strong> Sachsen Meiningen<br />

deutliche Worte:<br />

<strong>Jan</strong> (ganz links) mit seiner Mutter (ganz rechts) mit Gästen im <strong>Schloss</strong>park um 1895<br />

"Der Gutsbesitzer Johann Georg Viktor <strong>Wendelstadt</strong> in <strong>Neubeuern</strong>, Kgl. Bezirksamt Rosenheim, hat im<br />

Laufe des vorigen Jahres die Bitte um allergnädigste Erhebung in den erblichen Freiherrnstand des Königreichs<br />

[Bayern] für sich und seine Mutter gestellt. <strong>Wendelstadt</strong> und seine Mutter sind bayerische Staatsangehörige.<br />

Dafür, dass dieselben noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzen, gaben die diesseitigen Akten keine<br />

Anhaltspunkte. Nachdem das Nobilitierungsgesuch in Instruktion genommen und dem Gutsbesitzer<br />

<strong>Wendelstadt</strong> bekannt geworden war, dass der Nobilitierung seiner Mutter Schwierigkeiten entgegen stünden,


hat <strong>Wendelstadt</strong> das Gesuch um Nobilitierung in seiner und seiner Mutter Namen unter der Motivierung<br />

zurückgezogen, dass er aus Pietätsrücksichten für seine Mutter nicht wünschen könne, einen höheren Rang als<br />

diese einzunehmen. Im Hinblick auf eine in den diesseitigen Akten enthaltene Note des herzoglich sächsischen<br />

Staatsministers d.d. Meiningen den 5. Mai 1854 inhaltlich deren die herzogliche Regierung sich vollkommen<br />

damit einverstanden erklärt hat, dass selbst gewöhnliche Titelverleihungen an die beiderseitigen<br />

Staatsangehörigen nicht ohne vorher erholte Zustimmung des Landesherrn des Beteiligten erfolgen sollen, hat<br />

die in Rede stehende Mitteilung an einer an einen bayerischen Staatsangehörigen vollzogene Verleihung des<br />

Freiherrentitels hier dieselbe berühren müssen und darf somit das unterfertigte Staatsministerium eine nähere<br />

Erklärung des Sachverhaltes ganz ergeben entgegensehen."<br />

Das bayrische Außenministerium fühlte sich offensichtlich durch das Verhalten <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

vorgeführt und wünschte eine Rechtfertigung. Das herzogliche Staatsministerium gab in seinem Schreiben vom<br />

17. März 1887 an, dass <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> und seine Mutter seit dem 25. <strong>Jan</strong>uar des Jahres sachsen-meinigensche<br />

Staatsbürger seien und im Adelsdiplom die Verleihung der Freiherrnwürde an den eigenen<br />

Staatsbürger durchaus deutlich gemacht worden sei. Herzog Georg v. Sachsen-Meiningen fühlte sich jedoch<br />

durch den scharfen Ton des bayerischen Außenministeriums besonders betroffen und telegrafierte seinem<br />

Außenminister Freiherr v. Giseke am 21. März:<br />

"Ich bitte eine gepfefferte Antwort auf die grobe Note <strong>von</strong> [Außenminister v.) Crailsheim betreffs <strong>Wendelstadt</strong><br />

aufzusetzen. Crailsheim hat erzählt, dass die Note ausgesucht grob sein werde. Übrigens hatte er nicht gewusst,<br />

dass W.[endelstadtl Meininger sei, wie mein Sohn constatiert hat u.[ndl war er darüber hintendrein betroffen."<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> hatte die sachsen-meiningensche Staatsangehörigkeit am 25. <strong>Jan</strong>uar 1887 erhalten, so dass<br />

sich ein direkter Zusammenhang mit der Nobilitierung erahnen ließ. Trotz der scharten Reaktion der Sachsen-<br />

Meininger blieb das bayerische Außenministerium hart. Indirekt warf man der herzoglichen Regierung<br />

Leichtsinnigkeit bei der Verleihung <strong>von</strong> Adelstiteln vor. Man betrachtete die Verleihung als Verstoß gegen das<br />

Reichsgesetz und wählte auch weiterhin einen sehr scharfen Ton.<br />

<strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> durfte den Adelstitel nicht in Bayern führen, da das Außenministerium die Rechtswirksamkeit<br />

des Erhebungsdiploms in Bayern bestritt. Sämtliche Behörden wurden daraufhin informiert, dass jegliche<br />

Nennung des Freiherrntitel im Umgang mit <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> zu vermeiden sei.<br />

„Sollte <strong>Wendelstadt</strong> oder dessen Mutter den Versuch machen, sich in Bayern des freiherrlichen Titels zu<br />

bedienen, so ist gegen dieselben gemäß § 360 Z. 8 des Strafgesetzbuches strafrechtlich vorzugehen.“<br />

Georg Herzog v. Sachsen-Meiningen versuchte in einem Antwortschreiben an den bayrischen Prinzregenten<br />

einen versöhnlichen Ton anzuschlagen:<br />

"Ob die Frau Mama <strong>Wendelstadt</strong> nobilitiert wurde, ob nicht, konnte für das monarchische Prinzip wohl<br />

gleichgültig sein. (...1 Die ganze Angelegenheit eignet sich besser zur Schlichtung auf mündlichem Wege als<br />

auf dem der Noten, da man mündlich mehr sagen kann als schriftlich.“<br />

Hinter den Kulissen wurde jedoch dem neuen Freiherrn empfohlen, sich sehr kurzfristig eine Wohnung in<br />

Meiningen zu mieten, damit die Argumentation gegenüber Bayern aufrechterhalten werden konnte. Nur wenige<br />

Tage später drohte das bayerische Außenministerium dem Herzog Georg v. Sachsen-Meiningen die<br />

Stellvertretung des Herzogtums beim Bundesrat aufzukündigen. Aus bayerischer Sicht hatte die sachsenmeiningensche<br />

Regierung mit der Erhebung <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> in den Freiherrnstand Staatsrecht gebrochen<br />

und konnte daher nicht mehr <strong>von</strong> der bayerischen Staatsregierung im Bundesrat vertreten werden.<br />

Die diplomatische Verstimmung zwischen den beiden Staaten blieb auch weiterhin erhalten. Beide Seiten<br />

bemühten sich zwar das Verhältnis beider Staaten wieder "wie früher" zu gestalten, jedoch wollte keine einen<br />

Schritt in der Argumentation zurücktreten. Zuerst gingen beide Regierungen noch auf Konfrontationskurs. So<br />

verweigerte der bayrische Prinzregent dem sachsen-meiningenschen Prinzregenten Ernst noch im Mai 1887 in<br />

München eine Audienz zur Erhebungsfrage v. <strong>Wendelstadt</strong>s. Das Königreich Bayern wollte sich nicht durch<br />

das kleine mitteldeutsche Herzogtum unter Druck setzen lassen.<br />

Da keine Klärung herbeigeführt werden konnte, versuchte <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> wieder das Heft des Handelns in<br />

die Hände zu bekommen. Am 24. Mai 1888 beantragte er beim Oberbayerischen Regierungspräsidium die<br />

"Entlassung aus dem bayerischen Staatsverbande". Sofort reagierten die Behörden des Landes und sahen <strong>von</strong><br />

einer weiteren Strafverfolgung für das Führen eines falschen Titels ab, nachdem <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> kein bayerischer<br />

Staatsbürger mehr war.<br />

Die ernsthaften diplomatischen Verwicklungen, die sich aus der Erhebung <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong>s in den<br />

Freiherrenstand ergaben, endeten mit der Erklärung des Königlichen bayerischen Staatsministeriums vom 18.<br />

Juni 1887. Der Herzog v. Sachsen-Meiningen hatte zwar einlenken müssen, jedoch seine Entscheidung nicht<br />

revidiert.<br />

Das Verfahren ruhte bis in das Jahr 1891. Am 30. Juli 1891 wurde <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> wieder bayerischer Staatsbürger.<br />

Daraufhin reichte er am 26. August 1891 das sachsen-meiningensche Freiherren-Diplom erneut beim<br />

Prinzregenten Luitpold <strong>von</strong> Bayern mit der Bitte um Anerkennung ein."' In seiner Stellungnahme zu den


Anliegen <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong>s äußert sich Außenminister v. Crailsheim, entgegen seiner Haltung wenige Jahre<br />

zuvor, sehr positiv über den Antragssteller:<br />

„Der Gutsbesitzer <strong>Wendelstadt</strong> hat währenddessen [der letzten vier Jahre] nicht aufgehört, öffentlichen und<br />

staatlichen Zwecken erhebliche Zuwendungen zu machen und dadurch den Beweis geführt, dass ihm das<br />

Inkorrekte seines seinerzeitigen Vorgehens nicht vollständig bewusst gewesen ist und dass er in der Tat <strong>von</strong><br />

aufrichtigem Hinneigung für Bayern, dessen Staatsangehörigkeit er neuerdings wieder erworben hat, beseelt<br />

ist.“<br />

Die bekannteste Schenkung ist das Bild <strong>von</strong> Arnold Böcklin „Im Spiel der Wellen“<br />

Arnold Böcklin (1827 - 1901)<br />

Im Spiel der Wellen 1883<br />

Öl auf Leinwand, 180,0 x 238,0 cm<br />

1888 als Schenkung aus Privatbesitz (<strong>Baron</strong> <strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong>) erworben<br />

Quelle:<br />

http://www.pinakothek.de/neue-pinakothek/sammlung/kuenstler/kuenstler_inc.php?inc=bild&which=8658<br />

Mit dem 03. September 1891 wurde <strong>Jan</strong> Freiherr <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> in die bayerische Adelsmatrikel<br />

aufgenommen. Damit war auch ein jahrelang schwelender staatsrechtlicher Konflikt beigelegt worden.


<strong>Jan</strong> und Julie beim Empfang im Dorf<br />

<strong>Gästebücher</strong> <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> Bd. II<br />

Mit der Anerkennung der Freiherrenwürde durch das Königreich Bayern stieg <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> nun<br />

endgültig in die Kreise des bayerischen und deutschen Adels auf. Damit war auch der Weg geebnet für eine<br />

standesgemäße Verheiratung.<br />

<strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> verlobte sich im August 1895 mit Julie Gräfin <strong>von</strong> Degenfeld-Schonburg. Die Grafen<br />

<strong>von</strong> Degenfeld-Schonburg entstammten einem alten schweizerischen Adelsgeschlecht, das bis in das 9. und 10.<br />

Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Im 14. Jahrhundert siedelten Mitglieder der Familie nach Schwaben


und Franken über. Am 27. <strong>Jan</strong>uar 1625 wurde der Reichsfreiherrenstand für Christoph Martin I. v. Degenfeld<br />

auf <strong>Schloss</strong> Eybach erneuert. Graf Christoph Martin II. v. Degenfeld beerbte 1733 die jüngste Tochter <strong>von</strong><br />

Herzog Meinhard v. Schomburg und brachte deren Namen und Wappen in die Familie ein. Graf Christoph<br />

v. Degenfeld-Schomburg (* 1797) heiratete in erster Ehe Charlotte Gräfin v. Dürckheim-Montmartin, mit<br />

welcher er zwei Söhne hatte. Während der Erstgeborene Graf Christoph nach Amerika auswanderte, übernahm<br />

Graf Alfred das gräfliche Anwesen <strong>Schloss</strong> Eybach. Er war Kämmerer des Königreichs Württemberg und<br />

Major der königlichen Armee. Er heiratete Anna Freiin <strong>von</strong> Hügel (1833-1915) mit welcher er zusammen die<br />

Töchter Julie (1871-1942) und Dora (1877-1969) hatte.<br />

Seit 1891 zählte <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> zu den ersten Kreisen des bayerischen Adels. Nicht nur der Freiherrentitel,<br />

sondern auch <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> zeugten <strong>von</strong> seinem Anspruch als Adliger. Zu seinem Freundeskreis gehörte<br />

Philipp Graf zu Eulenburg, der seit 1891 als preußischer Gesandter in München residierte. Graf Eulenburg,<br />

der über hervorragende Kontakte zur kaiserlichen Administration in Berlin verfügte, wird in diesem Sinne zusätzlich<br />

noch die Ambitionen <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> verstärkt haben. In diesem Kreis wird <strong>Jan</strong> v.<br />

<strong>Wendelstadt</strong> seine spätere Frau, Julie v. Degenfeld-Schonburg, kennengelernt haben. Standesgemäß gab <strong>Jan</strong><br />

v. <strong>Wendelstadt</strong> im August 1895 seine Verlobung bekannt:<br />

„<strong>Jan</strong> Freiherr <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> auf <strong>Neubeuern</strong> gibt sich die Ehre seine Verlobung mit Julie Gräfin<br />

Degengeld Schonburg, Hofdame Ihrer Majestät der Königin <strong>von</strong> Württemberg, Tochter des Grafen Alfred<br />

Degenfeld Schonburg, k. u. k. Kämmerer und Major i.d.A. und der Gräfin Anna Degenfeld Schonburg, geb.<br />

Freiin <strong>von</strong> Hügel ergebenst anzuzeigen.<br />

Im Oktober 1895 fand die Hochzeit auf <strong>Schloss</strong> Eybach statt. Das Leben der Eheleute war durch die<br />

Bewirtschaftung des <strong>Schloss</strong>es und der Besitzungen sowie der Pflege der gesellschaftlichen Kontakte ausgefüllt.<br />

Neubeurer Künstlerkreis<br />

Die wirtschaftliche Basis seines Einkommens zog <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> aus der Bewirtschaftung des Landgutes<br />

und aus dem Vermögen seiner Mutter, die ebenfalls auf <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> lebte. Gleichzeitig hatte <strong>Jan</strong> v.<br />

<strong>Wendelstadt</strong> schon seit Beginn der 1880er Jahre einen Künstlerkreis um sich versammelt, der sich in erster<br />

Linie aus Mitgliedern der Familie seiner Frau zusammensetzte.<br />

<strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> rechts mit Dora Bodenhausen<br />

darunter Eberhard <strong>von</strong> Bodenhausen, links da<strong>von</strong> Julie <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong><br />

Haupteingang <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong><br />

Zentrale Figur des Künstlerkreises war Eberhard <strong>von</strong> Bodenhausen-Degener (1868-1918). Der Jurist und<br />

Diplomat war seit 1895 einer der geistigen Väter der Kunstzeitschrift „Pan", die bis 1900 die künstlerischen<br />

Tendenzen der Zeit aufnahm und formulierte. Bodenhausen, der schon seit Beginn der 1890er Jahre mit <strong>Jan</strong> v.<br />

<strong>Wendelstadt</strong> befreundet ist, lernte bei einem Besuch auf <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> seine spätere Frau Dora, die<br />

Schwester <strong>von</strong> Julie v. <strong>Wendelstadt</strong> kennen. Eberhard <strong>von</strong> Bodenhausen wird nach seiner Hochzeit im Jahre<br />

1897 mit seiner Frau zum immer wiederkehrenden Gast auf <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong>. Er entsagt der<br />

Diplomatenlaufbahn und übernimmt eine unternehmerische Funktion bei den Tropon-Werken in Mülheim/Ruhr.


Später nahm er ein philosophisches Studium in Heidelberg auf und trat 1906 bei Krupp in Essen als<br />

kaufmännischer Leiter ein. Seine Tätigkeit für Krupp führte ihn bis in den Aufsichtsrat des Unternehmens.<br />

1916 schied v. Bodenhausen aus dem Direktorium <strong>von</strong> Krupp aus und übernahm das Präsidium des<br />

Aufsichtsrates der Diskonto-Bank. 1916 und 1917 wurde ihm zudem der Posten des Reichskanzlers in der<br />

schwierigen Zeit angeboten, den er jedoch aus gesundheitlichen Gründen ablehnen musste. Eberhard v.<br />

Bodenhausen zählte zu den beständigen Mitgliedern des „<strong>Neubeuern</strong>er Kreises" um <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong>.<br />

Wahrscheinlich war er sogar die treibende Kraft, die den Kreis dauerhaft stabilisierte.<br />

Eberhard <strong>von</strong> Bodenhausen führte auch Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) in <strong>Neubeuern</strong> ein. Der bekannte<br />

Schriftsteller war erstmalig am 01. Dezember 1906 auf <strong>Neubeuern</strong>. Immer wieder verbrachte er Monate auf dem<br />

<strong>Schloss</strong> oder auf dem Hof Hinterhör, der zu den Besitzungen zählte.<br />

Gut Hinterhör bei Altenbeuern<br />

Im Umfeld <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> übernahmen die Frauen eine sehr zentrale Rolle. Nachdem seine Mutter<br />

Alberta v. <strong>Wendelstadt</strong> am 11. August 1901 auf <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> starb, nahm seine Frau die erste Stelle ein.<br />

Kontakte zu den Verwandten seiner eigenen Familie haben offensichtlich nur in sehr geringem Maße bestanden.<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> pflegte enge Kontakte zu führenden Diplomaten und Politiker des deutschen Kaiserreichs,<br />

wie noch darzustellen sein wird, und trat als Mäzen und Schöngeist in der bayerischen Gesellschaft hervor.<br />

Julie v. <strong>Wendelstadt</strong> pflegte einen engen Kontakt zu ihrer Schwägerin Ottonie Gräfin <strong>von</strong> Degenfeld-<br />

Schonburg (18821970), geb. <strong>von</strong> Schwartz, die am 06. Mai 1906 Christoph Martin Graf v. Degenfeld<br />

Schonburg, persönlicher Adjutant des kommandierenden Generals, Herzog Albrecht <strong>von</strong> Württemberg in<br />

Kassel, geheiratet hatte. Schon am 30. März 1908 starb Graf Christoph Martin nach langer Krankheit. Kurz<br />

zuvor war dem Ehepaar am 14. <strong>Jan</strong>uar 1908 eine Tochter Marie Therese geboren worden. Ottonie v. Degenfeld-Schonburg<br />

wohnte seit diesem Zeitpunkt auf dem Hof Hinterhör bei <strong>Neubeuern</strong>, der zu den<br />

Besitzungen des <strong>Schloss</strong>es zählte und wurde zusammen mit Julie v. <strong>Wendelstadt</strong> zu den zentralen Personen<br />

des <strong>Neubeuern</strong>er Künstlerkreises auch nach dem Tod <strong>von</strong> <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> 1908.<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> und das „persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms Il.<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> hatte schon vor seiner Erhebung in den Freiherrenstand enge Kontakte zu den adligen<br />

Kreisen in Deutschland gepflegt. Auch durch Eberhard v. Bodenhausen gelangte er in Kontakt zu den<br />

zentralen Personen der kaiserlichen Politik und Diplomatie in Deutschland. Spätestens seit 1891 zählte <strong>Jan</strong> v.<br />

<strong>Wendelstadt</strong> zum Freundeskreis <strong>von</strong> Philipp Fürst zu Eulenburg-Hertefeld (1847-1921), einem der


Philipp Fürst zu Eulenburg-Hertefeld<br />

führenden Diplomaten des Deutschen Reiches und seit 1886 engem persönlichen Freund <strong>von</strong> Kaiser Wilhelm<br />

II. Schon vorher bestand ein freundschaftlicher Kontakt zwischen Graf Philipp v. Eulenburg und Graf Kuno<br />

<strong>von</strong> Moltke. Spätestens um das Jahr 1880 ist Eulenburg ein zentraler Bestandteil der deutschen Diplomatie und<br />

Politik. Mit seinem Einfluss werden Fürst Clodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst und Bernhard <strong>von</strong> Bülow<br />

als Reichskanzler zu den Exponenten des „persönlichen Regiments" Wilhelms II. 1881 lässt sich Eulenburg<br />

<strong>von</strong> der Botschaft in Paris nach München versetzen und nimmt Kontakt zur künstlerischen Szene in Starnberg<br />

und München auf. Im Umfeld <strong>von</strong> Cosima Wagner und dem <strong>Neubeuern</strong>er Kreis schreibt Eulenburg nordischmystische<br />

Dramen, die im Münchener Residenztheater und später in Berlin zur Aufführung kommen. Wie<br />

Eberhard v. Bodenhausen spürt Fürst Eulenburg einen inneren Konflikt zwischen seiner künstlerischen und<br />

politisch-unternehmerischen Betätigung.<br />

Graf Kuno <strong>von</strong> Moltke<br />

Schon in diesen Jahren übernimmt <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> die Funktion eines Mäzens für Philipp zu Eulenburg.<br />

Nach seinem Zusammentreffen 1886 mit Kronprinz Wilhelm, dem späteren Kaiser Wilhelm II., entschied<br />

sich Eulenburg allerdings endgültig für die Diplomatie und Politik. Neben Philipp traten auch seine Vettern,<br />

August und Botho, in die ersten Ränge der preußischen Politik. Letztgenannter im Frühjahr als preußischer<br />

Ministerpräsident und im Sommer als Innenminister des Deutschen Reiches. Im Mai 1894 wurde Eulenburg<br />

deutscher Botschafter in Wien. Zusammen mit seinem Freund Bernhard <strong>von</strong> Bülow prägte Eulenburg das<br />

"persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms II. in den Jahren vor 1900. Die Kritiker Kaiser Wilhelms II. sahen<br />

in Philipp zu Eulenburg eine der zentralen Figuren der preußischen Regierung, ohne das Eulenburg jemals im


engen Kreis der Regierungsmitglieder gewesen war. Nach 1902 kehrte v. Eulenburg wieder in die<br />

künstlerischen Kreise, die ihn geprägt hatten, zurück. Der Kontakt zu <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> wurde erneut<br />

intensiver. Zusammen mit seinem Freundeskreis, zu welchem sein langjähriger enger Freund, der Reichskanzler<br />

Bernhard v. Bülow, und Kaiser Wilhelm II. zählte, veranstaltete er auf seinem Familiensitz<br />

Liebenberg Jagden. <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> war auch unter den Gästen.<br />

Die Harden-Affäre und der Tod <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong>s<br />

Maximilian Harden<br />

Die "Liebenberger Tafelrunde" wurde 1906 <strong>von</strong> einem schweren Schlag heimgesucht. Der Journalist<br />

Maximilian Harden veröffentlichte in der Zeitschrift „Zukunft" eine Analyse der persönlichen Verflechtungen<br />

um die Person des Kaisers und unterstellte dem kaiserlichen Umfeld homoerotische Neigungen. Dies traf die<br />

gesamte politische Elite des Deutschen Kaiserreiches. Es setzte eine intensive Suche nach Zeugnissen der<br />

homosexuellen Neigungen sämtlicher zur "Liebenberger Tafelrunde" zählenden Personen ein. Obwohl im<br />

Zentrum der Untersuchungen Philipp v. Eulenburg und Graf Kuno v. Moltke standen, wurde auch <strong>Jan</strong> v.<br />

<strong>Wendelstadt</strong> in die Untersuchungen einbezogen. Als Philipp v. Eulenburg am 08. Mai 1908 in Liebenberg<br />

unter Anklage der Homosexualität, eines zu dieser Zeit strafrechtlich zu verfolgenden Tatbestandes, verhaftet<br />

wurde, war <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> tief getroffen. Wochen, in denen in aller Öffentlichkeit sämtliche Kontakte mit<br />

Philipp v. Eulenburg analysiert wurden, folgten. Der Prozess gegen v. Eulenburg, der die Prozess tage<br />

„verhandlungsunfähig" in der Berliner Charite zubrachte, wurde zu einem „Spießrutenlaufen" für das<br />

persönliche und politische Umfeld des Kaisers. Der Prozess gegen Philipp v. Eulenburg wurde am 17. Juli<br />

1908 abgebrochen. Es folgten jedoch weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und<br />

dem Journalisten Maximilian Harden. Die „Kronzeugen" <strong>von</strong> Harden waren zwei Starnberger Fischer, die<br />

bezeugten, mit v. Eulenburg intim gewesen zu sein. Sämtliche Nachforschungen konzentrierten sich auf die in<br />

dieser Region beheimateten Freunde v. Eulenburgs und den Münchner Künstlerkreis. Zu den Vorwürfen der<br />

Homosexualität traten Hinweise auf eine spiritistische Neigung v. Eulenburgs.


Die Eulenburg Affäre in: Jugend 1907 Nr. 45 li Kuno <strong>von</strong> Moltke, re Philipp zu Eulenburg<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> trafen die unterschiedlichen Vorwürfe nur indirekt. Trotzdem war er Ziel der<br />

Untersuchungen der Journalisten und der Staatsanwaltschaft. Insbesondere die im Nachlass <strong>von</strong> Philipp v.<br />

Eulenburg vorhandene Schrift „Mein Freund <strong>Jan</strong>" gab Anlass zu vielerlei Spekulationen. Es ist aufgrund der<br />

vorliegenden Quellen nicht festzustellen, ob bei <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> ähnliche homoerotische Neigungen wie<br />

bei Philipp v. Eulenburg vorgelegen haben. Auch die Kinderlosigkeit ist kein eindeutiges Zeichen - Philipp v.<br />

Eulenburg hatte acht Kinder. <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> hat den Schock des Verdachts und der Untersuchungen nicht<br />

verwinden können. Die Öffentlichkeit drang in die, seiner Meinung nach, gesellschaftlich geschlossenen Kreise<br />

des Adels ein. <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong>, der alles eingesetzt hatte, um in die adligen Kreise Bayerns aufsteigen zu<br />

können, sah seine Welt zusammenbrechen. Die „Harden-Affäre" zerrte die verschlossenen Strukturen des<br />

„persönlichen Regiments" Kaiser Wilhelms II., aber auch die „Doppelmoral" der adligen Kreise, an die<br />

Öffentlichkeit. Große Teile der Bevölkerung erlangten Einblick in politische Entscheidungsprozesse und die<br />

persönlichen Verflechtungen der politischen Elite. Es fiel ein demokratischer Schatten auf den autoritären<br />

Führungsstil des Kaiserreichs.<br />

Gegenüber Harry Graf Kessler äußerte sich <strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> zu der Affäre<br />

München. 13 November 1907.<br />

Früh <strong>Jan</strong> <strong>Wendelstadt</strong> bei mir. Wie immer jetzt, kam die Rede auf den Moltkeprozess. <strong>Wendelstadt</strong>. „Ich habe<br />

Eulenburg seitdem erst einmal gesehen. Aber das Gerede über eine sentimentale Camarilla in Liebenberg ist<br />

Unsinn. Man stellt sich das jetzt thatsächlich so vor, als hätten wir alle um den runden Tisch womöglich nackt<br />

mit Harfen in den Händen dagesessen. In Wirklichkeit hat es nie eine lustigere, ausgelassenere Jagdgesellschaft<br />

gegeben. Von Sentimentalität keine Rede. Und um Politik hat sich Eulenburg, seitdem er <strong>von</strong> Wien fort ist, gar<br />

nicht mehr gekümmert. Um nur ein Beispiel zu nennen, als Schoen nach Petersburg kam, fragte ich ihn: „Na,<br />

was sagst du dazu, dass Schoen nach Petersburg gekommen ist?“ Da war er ganz verwundert und sagte: „So,


Schoen ist nach Petersburg gekommen? Da<strong>von</strong> weiss ich Nichts.“ Allerdings, es mag ja so sein, dass die Katze<br />

doch das Mausen nicht lassen kann. Aber es haben wohl auch andre Gründe mitgespielt. Es bestand ein<br />

wahnsinniger Hass gegen Eulenburg. Warum, habe ich nie recht begreifen können. Wie weit das da mit<br />

hineingespielt hat, kann ich nicht beurteilen. Dass mit Eulenburg in der andren Beziehung (Paederastie) etwas<br />

los war, da<strong>von</strong> hat man ja schon lange gesprochen.“ Auf den Kaiser ist <strong>Wendelstadt</strong> ebenso böse wie Richters.<br />

Er meinte: „Mit dem Mann bin ich jetzt auch fertig.“ Eulenburg habe ihm gesagt, dass er, was auch immer<br />

kommen möge, dem Kaiser nie mehr dienen werde.<br />

Quelle:<br />

Harry Graf Kessler: Das Tagebuch Vierter Band 1906 – 1914 Klett-Cotta Stuttgart 2004, s. 361<br />

Von dem schweren Schlag, den die Verhaftung und der nachfolgende Prozess gegen Philipp v. Eulenburg <strong>Jan</strong><br />

v. <strong>Wendelstadt</strong> versetzte, hat er sich nicht wieder erholt. <strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> starb am 27. Juli 1909 auf <strong>Schloss</strong><br />

<strong>Neubeuern</strong> im Alter <strong>von</strong> nur 53 Jahren.<br />

Leichenzug <strong>Jan</strong> <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong> Juli 1909<br />

<strong>Jan</strong> v. <strong>Wendelstadt</strong> und seine Frau Julie blieben in <strong>Neubeuern</strong> unvergessen. Schon kurz nach seinem Tod<br />

stiftete Julie v. <strong>Wendelstadt</strong> einen Brunnen auf dem Markt <strong>von</strong> <strong>Neubeuern</strong> mit der Inschrift:<br />

„Ihrem steten Wohltäter <strong>Jan</strong> Freiherr <strong>von</strong> <strong>Wendelstadt</strong>, <strong>Schloss</strong>herr auf <strong>Neubeuern</strong>, bezeugt für alle Zeiten an<br />

dieser, seinem Gedächtnis gewidmeten Stelle liebevolle und dankbare Verehrung die Neubeurer<br />

Marktgemeinde."<br />

Text aus:<br />

Georg Berghausen M.A.: Die Geschichte der Familie <strong>Wendelstadt</strong>, Privatdruck Köln 2000, S. 105-113<br />

Hrsg. Dieter <strong>Wendelstadt</strong>


<strong>Baron</strong> <strong>Jan</strong> <strong>von</strong> Wendelststadt nach einem Gemälde <strong>von</strong> Franz <strong>von</strong> Lenbach<br />

Speisesaal <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong><br />

Brunnenweihe Juli 1912 <strong>Gästebücher</strong> <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> Band V<br />

<strong>Jan</strong> mit seinem Hund vor dem Tiefbrunnen


Südterrasse <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> um 1900<br />

Ostbau <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> mit Kapelle um 1900<br />

Erinnerungen Marie Therese Miller-Degenfeld<br />

Meine Mutter hat mir oft erzählt, was für ein freundlicher Mann Onkel <strong>Jan</strong> war und wie sehr er ihr nach dem<br />

Tod meines Vaters geholfen hat.<br />

<strong>Jan</strong>s Mutter hat einige ihrer seltsamen Gene an <strong>Jan</strong> weitergegeben. Sie war eine holländische Adelige. <strong>Jan</strong><br />

hatte ihr ein schönes Zimmer im <strong>Schloss</strong> einrichten lassen. Sie war aber nicht oft im <strong>Schloss</strong>, da sie ständig auf<br />

Reisen war. Eins ihrer seltsamen Steckenpferde war die Unterschrift berühmter Kriminalisten zu sammeln.<br />

Da <strong>Jan</strong> viel reiste, hatte Freunde in der ganzen Welt, die ihn auch in <strong>Neubeuern</strong> besuchten. Um 1885 besuchten<br />

ihn englische Freunde, die auf dem Weg nach Neapel waren, um dort für eine Weltreise an Bord zu gehen. <strong>Jan</strong><br />

brachte sie <strong>von</strong> <strong>Neubeuern</strong> mit der Kutsche nach Kufstein, wo sie den Zug nach Rom erreichen wollten. Auf<br />

dem Weg dahin kam ihnen die Idee die Kutsche nach Hause zu schicken und mit ihnen in den Zug zu steigen.<br />

Er willigte ein sie bis Innsbruck zu begleiten. In Innsbruck baten ihn seine Freunde erneut sie weiter zu<br />

begleiten. Daraufhin buchte <strong>Jan</strong> auch den Nachtzug nach Rom. Nach einer Woche in Rom reisten sie weiter<br />

nach Neapel um das Kreuzfahrtschiff zu erreichen. Für <strong>Jan</strong> war das Schiff so verlockend, das er eine freie<br />

Kabine buchte und seine Freunde auf der Weltreise begleitete. Damals konnte man noch ohne Pass reisen und<br />

man konnte mit einer Art Kreditkarte weltweit Geld abheben. Ich hoffe er hatte wenigstens seinen Majordomus<br />

in <strong>Neubeuern</strong> informiert, dass er längere Zeit abwesend sein würde.<br />

Als sie Siam erreichten, wurde mir erzählt, ging <strong>Jan</strong> zu einer englischen Bank um Geld zu holen. Zu seinem<br />

Erstaunen kannte der Bankier seinen Namen und wusste das er ein <strong>Schloss</strong> in Bayern besaß. So klein ist die


Welt.<br />

Die orientalische Kunst in China und Japan begeisterte ihn so sehr, dass er eine regelrechte Einkaufstour<br />

machte: Chinesische Bronzen und Japanische Schirme wurden nach Europa verschifft. Durch Onkel <strong>Jan</strong>s Reise<br />

bin ich nun glückliche Besitzerin <strong>von</strong> einigen orientalischen Wertgegenständen, die sich nun auf der Yule Farm<br />

in Virginia befinden.<br />

Quelle:<br />

Marie Therese Miller-Degenfeld: Memoirs of Marie Therese Miller-Degenfeld, An international Life in the<br />

Twentith Century, Trafford, Victoria 2005 ISBN 1-4120-9569-7, S. 64-65<br />

Frei übersetzt und ergänzt: Reinhard Käsinger, <strong>Schloss</strong> <strong>Neubeuern</strong> Oktober 2007<br />

Die <strong>Wendelstadt</strong> Eiche mit Gedenkstein am Weg zum Hochstrasser See


<strong>Wendelstadt</strong> Gestühl mit Wappen in der evangelischen Erlöserkirche in Rosenheim

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