Wir entscheiden was, und wie und wann - Freinet-Kooperative eV
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taz Nord vom 9.9.2006<br />
"Ich wollte keinen Reparaturbetrieb führen"<br />
Der langjährige Leiter der freien Schule, Lutz Wendeler, unterrichtet seit diesem Jahr<br />
<strong>wie</strong>der an einer staatlichen Gesamtschule - nach Prinzhöfte-Prinzipien. Im Interview<br />
erzählt er, <strong>was</strong> er falsch gemacht hat. Und <strong>was</strong> richtig<br />
taz: Herr Wendeler, die Kinder, die Sie neuerdings unterrichten, haben vier Jahre getan, <strong>was</strong><br />
die Lehrerin ihnen sagt. Jetzt sollen sie plötzlich selbst über ihren Unterricht <strong>entscheiden</strong>.<br />
Geht das gut?<br />
Lutz Wendeler: Die ersten zwei, drei Jahre werden harte Arbeit. Man darf Kinder auch nicht<br />
ins kalte Wasser werfen <strong>und</strong> sie alleine lassen nach dem Motto "jetzt macht mal". Das haben<br />
wir in Prinzhöfte auch nicht getan. Am Anfang ist man erst einmal der Chef <strong>und</strong> dann lässt<br />
man die Zügel langsam locker - wobei man als Lehrer immer die Autorität in der Gruppe<br />
bleiben muss, sonst geht es drunter <strong>und</strong> drüber. Aber die Kinder sollen selbst <strong>entscheiden</strong>, <strong>wie</strong><br />
sie lernen wollen.<br />
Und das klappt immer?<br />
Nein. Es gibt Kinder, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Erziehung oder <strong>was</strong> auch immer einfach wissen<br />
wollen, <strong>was</strong> sie tun sollen. Die haben nicht zu uns gepasst.<br />
Haben Sie Fehler gemacht?<br />
Ich würde sagen, dass wir die großen Dinge richtig gemacht haben, also <strong>was</strong> Selbständigkeit<br />
angeht, Teamarbeit, Selbstorganisation. Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen sind inhaltlich <strong>und</strong><br />
methodisch fit.<br />
Keine Selbstkritik?<br />
Doch. Ich habe anfangs gedacht, eine Schule <strong>wie</strong> Prinzhöfte kann beliebig viele sch<strong>wie</strong>rige<br />
Kinder integrieren, nach dem Motto "schickt die mal alle zu uns, wir kriegen die schon <strong>wie</strong>der<br />
hin". Das war überheblich. Jetzt weiß ich, dass eine Gruppe von 20 Kindern drei oder vier<br />
solcher Schüler verträgt, die sich nicht an Regeln halten. Wenn es mehr sind, dann fliegt<br />
Ihnen die Gruppe auseinander.<br />
Außerdem habe ich unterschätzt, dass sich manche Defizite im Lernen später nicht mehr von<br />
selbst geben, sondern dass man wirklich in der sensiblen Phase, also bei Gr<strong>und</strong>schulkindern,<br />
darauf achten muss, ob sie etwa gravierende Rechtschreibsch<strong>wie</strong>rigkeiten haben.<br />
Es gibt Prinzhöfte zugetane Menschen, die sagen, die Kinder können nicht rechnen <strong>und</strong><br />
schreiben <strong>und</strong> niemand bringt es ihnen bei.<br />
Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, vor allem, dass die Lehrkräfte nicht in der Lage<br />
wären, ihnen zu helfen.