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Meilensteine – Preußischer Straßenbau im heutigen Stadtgebiet von ...

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Walter Keil:<br />

4<br />

<strong>Meilensteine</strong> <strong>–</strong> <strong>Preußischer</strong> <strong>Straßenbau</strong> <strong>im</strong> <strong>heutigen</strong> <strong>Stadtgebiet</strong> <strong>von</strong> Erftstadt<br />

Vorwort<br />

Die Stadt Erftstadt ist eine junge Stadtgemeinde. Südwestlich <strong>von</strong> Köln gelegen, ca. 15 km <strong>von</strong> der<br />

Stadtgrenze Kölns entfernt, umschließt ihr Gebiet auf 120 Quadratkilometern 14 Ortschaften. Nur<br />

20 % des <strong>Stadtgebiet</strong>es sind bebaut, 80 % sind Seen, Wälder und Ackerflächen. Als Namensgeberin<br />

der Stadt, die 1969 <strong>im</strong> Rahmen der kommunalen Neugliederung entstanden ist, diente das Flüsschen<br />

Erft, welches die Stadt <strong>von</strong> Süd nach Nord durchfließt und die meisten Ortschaften wie eine<br />

Perlenkette miteinander verbindet. Parallel dazu wird Erftstadt <strong>von</strong> der Autobahn A 61 und A 1<br />

durchzogen. Verlässt man in Erftstadt die Autobahn an einer ihrer drei Ausfahrten, so hört Erftstadt<br />

scheinbar auf zu existieren. Die Dominanz der einzelnen Ortschaften ist selbst nach 40 Jahren<br />

Stadtgeschichte noch sehr groß. Die Mehrheit der ca. 50.000 Erftstädter identifiziert sich in erster<br />

Linie mit ihrem Ort, anstatt mit der Gesamtgemeinde. Den ortsunkundigen Leser bitte ich um<br />

Verständnis, das Angaben zu Orten, Straßen und Streckenführungen nicht näher beschrieben wurden,<br />

da der Beitrag für das regionale Jahrbuch der Stadt Erftstadt verfasst wurde und Ortskenntnis somit<br />

voraussetzt. Alle <strong>im</strong> Text erwähnten Seen sind Reste ehemaliger Braunkohlegruben.<br />

Wer in der <strong>heutigen</strong> Zeit durchs Rheinland fährt, genauer gesagt linksrheinisch der Eifel zu, n<strong>im</strong>mt sie kaum<br />

wahr. Mannshoch und ziemlich dicht am Straßenrand stehend hält der flüchtige Betrachter sie eher für<br />

Wegekreuze, als für das, was sie sind: preußische <strong>Meilensteine</strong>, stumme, grau-braune Zeugen der längst<br />

untergegangenen Postkutschenzeit. Verwitterter Sandstein, einige stark beschädigt, haben sie jedoch alle eins<br />

gemeinsam: sie sind kaum noch lesbar. Daher sei ihre Geschichte hier etwas aufgehellt. Auf Erftstädter<br />

<strong>Stadtgebiet</strong> stehen noch zwei <strong>von</strong> ehemals vier dieser preußischen „Rundkopfmeilensteine“ <strong>–</strong> eine Bauform<br />

wie sie nur <strong>im</strong> Linksrheinischen vorzufinden ist. Einer befindet sich zwischen Gymnich und Dirmerzhe<strong>im</strong><br />

und einer zwischen Lechenich und Erp, am Ortsausgang Lechenich. Beide stehen für unterschiedliche<br />

Strecken mit einer eigenen <strong>Straßenbau</strong>geschichte. Alles beginnt mit der Vertreibung der Franzosen und der<br />

Schaffung der preußischen Rheinprovinz <strong>im</strong> Jahre 1815. Aufgeteilt wurde die Rheinprovinz in sechs<br />

Regierungsbezirke: Koblenz, Köln, Trier, Aachen, Düsseldorf und Kleve. Am 18. April 1816 wurde Köln<br />

zum Sitz der Bezirksregierung des Regierungsbezirks Köln der preußischen Rheinprovinz ernannt. Nach<br />

französischem Vorbild unterteilte sich der Bezirk (Departement) in einzelne Landkreise (Kantone): vom<br />

ehemaligen Rhein-Mosel Departement die Kantone Bonn und Rheinbach; vom Rur Departement die<br />

Kantone Köln, Brühl, Zülpich, Lechenich, Berghe<strong>im</strong>, Weiden und Kerpen (mit Ausnahme der Gemeinden<br />

Oberbohlhe<strong>im</strong> und Rath); vom Kanton Dormagen die Bürgermeistereien Stommeln und Worringen und auf<br />

dem rechten Rheinufer der Bezirk Mülhe<strong>im</strong> und die Kantone Waldbröl, Wipperfürth, Eitorf, Homburg und<br />

Gummersbach. So entstand ein recht großer Regierungsbezirk.<br />

Der junge preußische Staat gab sich fortschrittlich. Die bereits in den vergangenen 19 Jahren französischer<br />

Herrschaft eingeführten Neuerungen in der Verwaltung und des Steuerrechts wurden ebenso übernommen<br />

wie das Katasterwesen und die Landvermessung. Es fehlte nur noch eine bessere Infrastruktur <strong>–</strong> mehr gute<br />

Straßen und Wege mussten gebaut werden, um die Verwaltungsarbeit zu verbessern und das Transportwesen<br />

den preußischen Verhältnissen anzupassen. In der Zeit vor der französischen Besetzung war das Gebiet der<br />

späteren Rheinprovinz ein Flickenteppich kleinerer Fürstentümer und der Kurfürsten <strong>von</strong> Pfalz, Trier und<br />

Köln. Im 18. Jahrhundert existierten lediglich zwei Fernverbindungen, Trier <strong>–</strong> Koblenz und Koblenz <strong>–</strong> Köln.<br />

Die Wege waren schlecht. So verwundert es nicht, wenn <strong>im</strong> Gegensatz zum übrigen Preußen zuerst einmal<br />

das königlich-preußische Generalpostamt Berlin die Federführung in der Schaffung eines bedarfsgerechten<br />

Systems aus Wegestrecken und Straßen übernahm. Zunächst führte man das <strong>von</strong> den Franzosen eingesetzte<br />

System der Fuhrunternehmen fort, doch bereits am 23. November 1816 erfolgten Ausschreibungen in den<br />

Amtsblättern der Regierungsbezirke zur Schaffung neuer privater Posthaltereien <strong>im</strong> öffentlichen Dienst. Die<br />

Erfahrungen aus den napoleonischen Kriegen führten in Preußen zu einem Umdenken in Bezug auf die<br />

Schaffung einer guten Infrastruktur. In Preußen ab 1814 und in der Rheinprovinz ab 1816 wurde eine neue<br />

Verwaltung installiert, die Chausseebauverwaltung, in Form der Oberwegebauinspektion. Straßenwärter<br />

wurden eingestellt und eine neue Abteilung <strong>–</strong> die Chaussee-Polizei eingeführt. Vandalismus an öffentlichen<br />

Einrichtungen war auch zur damaligen Zeit kein Fremdwort. So finden sich <strong>im</strong>mer wieder Berichte <strong>von</strong><br />

Verunreinigungen auf den Straßen und in den Entwässerungsgräben oder Abholzungen <strong>von</strong> angepflanzten<br />

Alleebäumen.<br />

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1817/1818 beginnt die Provinzregierung mit dem Bau <strong>von</strong> Verbindungsstraßen zwischen den Regierungsbezirken.<br />

Dabei ging es nicht um Warenhandel und Verkehr, sondern in erster Linie darum, Post- und<br />

Verwaltungswesen zu verbessern. So sind auch die ersten Nutznießer der neuen Kunststraßen<br />

Verwaltungsbeamte und Postillione. Für sie ist das neue Straßennetz kostenlos. Alle anderen Nutzer haben<br />

Wegegeld <strong>–</strong> Chausseegeld genannt <strong>–</strong> zu entrichten. Hierfür sind eigens Barrieren und Hebestellen errichtet<br />

worden. Am 20. Mai 1817 fordert der Oberwegebauinspektor Eberhard Freymann aus Siegburg sämtliche<br />

Bürgermeistereien <strong>im</strong> Kreise auf, Arbeiter für den Bau der Chaussee-Straßen nach Koblenz und Aachen<br />

anzuwerben, da aus den näheren Ortschaften zu wenig Arbeiter nach der noch <strong>im</strong>mer nicht ganz beendeten<br />

Feldbestellung zu bekommen waren. Ab 1820/21 beginnt man mit dem Bau und Ausbau so genannter<br />

Schnellwagenstrecken. Verbesserungen <strong>im</strong> Kutschen- und Wagenbau erlaubten fortan schnellere Transportzeiten<br />

<strong>–</strong> vorausgesetzt die Wege ließen es zu. Der Oberboden der Wege wurde eingeebnet, eine Tragschicht<br />

aus Basaltschotter aufgebaut, ein Oberbelag aus Kalksplitt aufgetragen und abgewalzt. Links und rechts der<br />

Straße wurden Entwässerungsgräben angelegt und auf freien Strecken Alleebäume beidseitig gepflanzt. In<br />

den Ortschaften hat man an Stelle der Gräben Entwässerungsrinnen gepflastert. Nur auf besonderen Wunsch<br />

und unter erheblicher Kostenbeteiligung der Gemeinde ist der Straßenabschnitt durch eine Ortschaft ganz<br />

gepflastert worden. Zur Finanzierung des gewaltigen Chausseebaunetzes <strong>im</strong> Regierungsbezirk Köln ist auf<br />

Beschluss der Bezirksregierung am 17. September 1822 ein <strong>Straßenbau</strong>fonds eingerichtet worden, der durch<br />

verschiedene Steuerzuschläge und diverse Einnahmen finanziert wurde. Die für den Bau <strong>von</strong> Bezirksstraßen<br />

bestehenden Vorschriften sahen eine Regelbreite für den Unterbau <strong>von</strong> 24 Fuß (7,53 m) und für den Oberbau<br />

eine Breite <strong>von</strong> 16 Fuß (5,02 m) vor. Diese Ausführungsweise wurde Standard für alle nachfolgenden<br />

Bezirksstraßen. Abgewalzt wurde mit <strong>von</strong> Pferden gezogenen Steinwalzen. 1862 kaufte das rheinische<br />

<strong>Straßenbau</strong>amt drei gusseiserne Walzen, ab 1885 kamen die ersten Dampfwalzen zum Einsatz. Die neuen<br />

Straßen wurden, wie zu dieser Zeit üblich, in ihrer Länge in preußischen Meilen gemessen.<br />

Die in Preußen gängige Form des Meilenobelisken mit Steinbank, der Halbmeilenstein und der kleinere<br />

Viertelmeilenstein wurden in der Rheinprovinz noch bei den ersten Kunststraßen, den Fernverbindungen<br />

Köln <strong>–</strong> Koblenz, Köln <strong>–</strong> Frankfurt, Köln <strong>–</strong> Aachen (über Berghe<strong>im</strong>) und Köln <strong>–</strong> Venlo, aufgestellt und sind<br />

an diesen Routen heute noch teilweise vorhanden. Hergestellt wurden die Rohlinge aus grauem Latit <strong>von</strong> den<br />

Steinmetzen des Wolkenburgsteinbruchs bei Königswinter. Fertig behauen wurden die <strong>Meilensteine</strong>, belegt<br />

durch noch existierende Abrechnungen, <strong>von</strong> dem Steinmetzmeister Müller in Köln.<br />

Zwischen 1820 und 1825/26 muss es in der für die Beauftragung und Errichtung der <strong>Meilensteine</strong><br />

zuständigen Behörde, der Oberwegebauinspektion Köln, zu einem Umdenken gekommen sein. In Betracht<br />

der zahlreichen neu zu bauenden Straßen hätte eine große Anzahl an <strong>Meilensteine</strong>n hergestellt werden<br />

müssen. So entschied man sich, auch aus Kostengründen, auf Halb- und Viertelmeilensteine zu verzichten,<br />

den Ganzmeilenstein zu vereinfachen und neu zu gestalten. Er sollte kostengünstiger und trotzdem<br />

repräsentativ sein. Die Vorschläge hierzu kamen meist <strong>von</strong> den Wegeinspektoren. Sie wurden <strong>von</strong> der<br />

Oberwegeinspektion ausgearbeitet und mit dem Berliner Ministerium für Gewerbe und Bauwesen<br />

abgest<strong>im</strong>mt und abgesegnet. So entstand für die Rheinprovinz der regionale Meilensteintyp, der sogenannte<br />

„Rundkopfmeilenstein“. Nachweislich wurde er nur <strong>im</strong> Regierungsbezirk Köln und Aachen verwendet. Die<br />

ersten Straßen, wo nach dieser neuen Regelung verfahren wurde, waren die Strecken Köln <strong>–</strong> Trier und Köln<br />

<strong>–</strong> Düren, erbaut zwischen 1822 und 1826. Bei der Angabe des Erbauungsjahres der Straßen am Meilenstein<br />

unterscheiden sich die Steine in Angabe eines „<strong>von</strong> … bis …“ Datums oder Angabe der mittleren Jahreszahl<br />

der Straßenherstellung, wenn an mehreren Teilabschnitten gleichzeitig begonnen wurde, aber diese<br />

Abschnitte zu unterschiedlichen Daten fertig gestellt waren.<br />

Der neue Meilensteintyp übern<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Schaft noch die zulaufende Form des alten Obelisken in der Ansicht,<br />

endet jedoch in einem runden stempelförmigen Kopf. Es könnte sein, dass sich der Entwurfsverfasser vom<br />

neuen runden preußischen Stempel inspiriert sah, denn die Stempelpflicht wurde am 7. März 1822 in<br />

Preußen eingeführt. Der Adler war auch auf dem alten Obelisk eingemeißelt. Da Unterlagen über die Zeit ab<br />

1820 noch nicht ausgewertet werden konnten, ist dies eine mögliche Hypothese. Der Anstoß zur<br />

Sparsamkeit, das Entfallenlassen der Halb- und Viertelmeilensteine und eine einfachere Ausführung des<br />

Ganzmeilensteins, kam aus Berlin und wurde in ganz Preußen umgesetzt.<br />

In den jährlichen Abrechnungen des Bezirksstraßenfonds ist alles aufgeführt, Häuser, Brücken, Baumaterialien,<br />

hölzerne Barrieren und sogar Kleidung für die Straßenwärter, aber keine <strong>Meilensteine</strong>. Die <strong>Meilensteine</strong><br />

wurden „hoheitlich“ betrachtet und <strong>von</strong> der Oberwegebauinspektion zur Errichtung beauftragt. Für die<br />

Fundamente der <strong>Meilensteine</strong> und deren Aufstellung gab es Werkverträge mit örtlichen Bauunternehmern.<br />

Der Oberwegebauinspektor Freymann war ein sehr einflussreicher preußischer Beamter der Oberwegebaudirektion<br />

Köln, zuständig für den linksrheinischen <strong>Straßenbau</strong>. Es fällt auf, dass nur in seinem Zuständigkeitsbereich<br />

der neue „Rundkopfmeilenstein“ errichtet wurde. Hergestellt aus Sandstein <strong>von</strong> unterschied-<br />

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lichen Steinbrüchen wurde dieser <strong>von</strong> regionalen Steinmetzmeistern gefertigt und <strong>von</strong> deren Werkstätten<br />

zum Best<strong>im</strong>mungsort transportiert, denn be<strong>im</strong> Transport mit Fuhrwerken wollte man möglichst wenig<br />

Ballast mitschleppen. Eingelassen in den runden Kopf war der preußische Adler mit geöffneten Flügeln,<br />

Zepter und Reichsapfel in den Klauen. Eingemeißelt in Frakturschrift ist <strong>im</strong> oberen Rand des Rundkopfes<br />

das Wort Regierungsbezirk mit dem Namen des zuständigen Bezirks. Im unteren Rand und Übergang zum<br />

Schaft steht das Wort Kreis mit dem Namen des jeweiligen Kreises, in dem der Stein aufgestellt wurde.<br />

Aufgeteilt in der Mitte des Schaftes steht <strong>von</strong> oben nach unten der Name der Straße, bestehend aus den Na-<br />

men der Start- und Zielorte, dann das Wort<br />

Bezirksstraße, das Wort erbaut und darunter das<br />

mittlere Datum der Straßenstreckenerstellung.<br />

Dabei ist die Inschrift mittig angeordnet. Mittig <strong>im</strong><br />

unteren Teil des Schaftes ein wenig über dem<br />

Sockel befindet sich ein Medaillon <strong>von</strong> ca. 20-<br />

25 cm Durchmesser. In der Mitte ist das Wort<br />

Meilen eingemeißelt. Über dem Wort Meilen<br />

befindet sich die Entfernungsangabe in römischer<br />

Zahl, unter dem Wort Meilen in arabischer Zahl.<br />

Die doch recht aufwändig hergestellten<br />

<strong>Meilensteine</strong> dokumentieren auch den durch<br />

Beginn der Industrialisierung entstehenden<br />

Wohlstand der Rheinprovinz.<br />

Abb. 1: Anspruchsvolle Steinmetzarbeit. Gut erhaltener<br />

Kopf des Meilensteins in Weilerswist<br />

(Foto: Harald Reichel, 04.10.2010).<br />

So erscheint 1831 <strong>von</strong> der Provinzialregierung veranlasst eine Polizeiverordnung, welche das Aufstellen und<br />

Betreiben <strong>von</strong> Dampfkesselanlagen regelte. Es verging kaum noch ein Monat ohne Anfrage an die<br />

Bezirksregierung zur Eröffnung einer Fabrikanlage mit Betreiben <strong>von</strong> Dampfmaschinen. Das schaffte<br />

Arbeitsplätze, lockte Arbeiter und erhöhte den Frachtverkehr. Für den <strong>im</strong>mer stärker werdenden Fuhrverkehr<br />

und Warenhandel brauchte man mehr Straßen. Wurden 1828 in den Orten Brühl, Euskirchen, Münstereifel,<br />

Blankenhe<strong>im</strong>, Kuchenhe<strong>im</strong>, Flammershe<strong>im</strong>, Rheinbach, Kommern, Zülpich, Lechenich und Blumenthal<br />

noch Poststationen <strong>im</strong> alten Sinne errichtet, um überwiegend staatlichen Post und Frachtverkehr zu<br />

ermöglichen, n<strong>im</strong>mt bereits fünf Jahre später der private Frachtverkehr zu. Wirtschaftliches Wachstum<br />

bedeutet mehr Einnahmen. Das belegen auch die <strong>im</strong>mer höher werdenden Chausseegeldbeträge in den<br />

Jahresabrechnungen des Bezirksstraßenfonds. Lechenich war zu dieser Zeit ein verschlafenes Städtchen.<br />

Zählte man doch <strong>im</strong> Jahre 1835 ganze 2515 Einwohner. Am 2. August 1827 verlor Lechenich den Titel als<br />

Kreisstadt. Den an kurkölnische Gemächlichkeit gewohnten Lechenichern waren die bis dahin eingesetzten<br />

preußisch-westfälischen Landräte „ein Dorn <strong>im</strong> Auge“. Der ständigen Querelen überdrüssig, beantragte der<br />

damalige Landrat Bielefeld bei der Provinzialregierung die Verlegung der Kreisverwaltung <strong>von</strong> Lechenich<br />

nach Euskirchen. Der Kreistag st<strong>im</strong>mte zu. Das Interesse an Lechenich nahm ab und so kam Lechenich in<br />

seiner verkehrstechnischen Bedeutung nie über einen untergeordneten Knotenpunkt hinaus. 1838 beantragten<br />

die Lechenicher erfolglos die Rückverlegung der Kreisverwaltung.<br />

Die Brühl-Lechenicher Bezirksstraße<br />

Zwischen 1831 und 1832/33 wurde die Bezirksstraße Brühl <strong>–</strong> Lechenich gebaut, die erste Bezirksstraße, die<br />

Lechenich mit der Region verband. Mit der Planung der Straße <strong>von</strong> Brühl nach Liblar begann die<br />

Oberwegebaudirektion Köln bereits 1824, wie alte noch vorhandene Schreiben der Bürgermeister <strong>von</strong> Brühl<br />

und Liblar belegen. In Ihren Briefen ging es hauptsächlich um Grundstücksaufkäufe und Trassenführung der<br />

neuen geplanten Kunststraße. Sie begann an der Köln-Trierer Bezirksstraße hinter Brühl (heute in Brühl<br />

Ecke Pingsdorfer Straße/Liblarer Straße), folgte dem Verlauf der <strong>heutigen</strong> Liblarer Straße bis zum<br />

Wasserturm, verlief erst gerade in die Ville, beschrieb einen leichten Rechtsbogen auf den <strong>heutigen</strong><br />

Oberersee zu, bog etwas links ab, verlief schnurgerade auf den <strong>heutigen</strong> Liblarer See zu, bog erneut leicht<br />

links ab und endete <strong>im</strong> Verlauf der Brühler Straße in Liblar. Von dort ging es über die heutige Carl Schurz<br />

Straße bis nach Lechenich, durch das Bonner Tor mit Ziel Marktplatz Lechenich. 1832 endete dieser<br />

Streckenausbau noch an der alten hölzernen Erftbrücke zwischen Liblar und Lechenich. Die gesamte Strecke<br />

betrug ca. 1,5 Meilen (11 bis 11,5 km). Nach einer Meile <strong>von</strong> Brühl aus gerechnet wurde ein Meilenstein<br />

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errichtet. Er stand zwischen Frauenthal und der Erftbrücke. Preußische <strong>Meilensteine</strong> wurden bei ihrer<br />

Errichtung <strong>im</strong>mer links vom Ausgangsort (in diesem Fall Brühl) aufgestellt. Im Zuge <strong>von</strong><br />

Straßenverbreiterungen in den 50-er und 60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts sind viele preußische<br />

<strong>Meilensteine</strong> abgebaut und in den Straßenbetriebshöfen eingelagert worden, so auch die beiden folgend<br />

aufgeführten, heute nicht mehr <strong>im</strong> <strong>Stadtgebiet</strong> <strong>von</strong> Erftstadt stehenden <strong>Meilensteine</strong>. Sie schlummerten in<br />

den Betriebhöfen, bis sie als Schmucksteine wiederentdeckt wurden. Da auf dem Frauenthaler Stein die<br />

Inschrift „Brühl Lechenicher Bezirksstraße“ noch gut lesbar war, wurde der Stein wieder aufgestellt und<br />

schmückt heute eine kleine Grünanlage an der Liblarer Straße in Brühl. Der zweite „verlorene“ Stein gehört<br />

zur Köln-Luxemburger Bezirksstraße. Er repräsentierte die zweite Meile und stand ungefähr auf Höhe der<br />

<strong>heutigen</strong> Zufahrt Vereinigte Ville Deponie/Liblarer See. Heute ziert er als Denkmal preußischen <strong>Straßenbau</strong>s<br />

eine Grünanlage des Landschaftsverbandes Rheinland in Köln<strong>–</strong>Poll, Am Grauen Stein.<br />

Die Köln-Luxemburger Bezirksstraße<br />

Im Jahre 1852 begann man mit dem Bau der Köln-Luxemburger Straße. Im Gegensatz zu allen anderen<br />

Bezirksstraßen, die an ihrem Best<strong>im</strong>mungsort endeten, endete die Köln-Luxemburger Bezirksstraße in<br />

Kommern. Sie wurde nie darüber hinaus weitergebaut. Anlass zum Bau der Straße war der Vertrag zur<br />

Zollunion zwischen dem Königreich Preußen und dem Großherzogtum Luxemburg 1851. Luxemburgische<br />

Grenzstadt wurde die Ortschaft Vianden mit reibungslosem Grenzverkehr ohne Zollabfertigung und<br />

Passvorschriften. Man baute die Kölner Ausfallstraße über Hermülhe<strong>im</strong> aus und nutzte den Verlauf der alten<br />

Römerstraße. Zwischen Hermülhe<strong>im</strong> und Liblar kam es zu unerwarteten Verzögerungen. Das Forstamt Ville<br />

verweigerte zunächst die Beteiligung am Ausbau mit der Begründung, kein Interesse zu haben. Ein am<br />

9. Oktober 1852 <strong>von</strong> der Kölner <strong>Straßenbau</strong>verwaltung beantragter Zuschuss <strong>von</strong> 9000 Talern aus der<br />

Staatskasse wurde 1854 ablehnend beschieden. Im Frühjahr 1855 erhielt die <strong>Straßenbau</strong>verwaltung ein<br />

Darlehen <strong>von</strong> der Provinzial Hilfskasse zum schnelleren Ausbau der Köln-Luxemburger Straße <strong>von</strong> 16000<br />

Talern, so dass es zügig voran ging. Bereits am 12. Juli 1855 konnte das neue Teilstück <strong>von</strong> Hermülhe<strong>im</strong> bis<br />

Liblar dem Verkehr übergeben werden. Hier existierte bereits die Trasse der Brühl-Lechenicher<br />

Bezirksstraße, so dass die Köln-Luxemburger Straße 1855 bis Lechenich reichte. Ebenfalls konnte der<br />

Abschnitt zwischen Lechenich und Erp fertig gestellt werden. Zügiger ging es am anderen Ende zu. So<br />

wurde das Teilstück <strong>von</strong> Zülpich bis Kommern bereits am 1. April 1854 dem Verkehr übergeben. Das letzte<br />

Teilstück <strong>von</strong> Erp nach Zülpich sorgte wieder für Ärgernisse. Ob die Erper Bauern oder die Einwohner <strong>von</strong><br />

Weiler in der Ebene hierfür verantwortlich waren, ist <strong>im</strong> Nachhinein nicht mehr zu klären. Jedenfalls sah<br />

sich die Polizeiverwaltung gezwungen, erneut auf den Schutz der in Bau befindlichen Strecke hinzuweisen<br />

und bei Zuwiderhandlungen mit empfindlicher Geldstrafe sowie mit Gefängnisstrafe bei<br />

Zahlungsunvermögen zu drohen. Am 30. Mai 1856 war es dann endlich so weit. Die gesamte Strecke <strong>von</strong><br />

Köln bis Kommern war fertig gestellt und betrug 6,5 Meilen, ca. 49 km. An ihr wurden sechs <strong>Meilensteine</strong><br />

errichtet. Alle Steine erhielten <strong>im</strong> Kopf die Inschrift „Regierungsbezirk Cöln“ <strong>–</strong> der erste Stein erhielt den<br />

Zusatz „Kreis Cöln“, die anderen „Kreis Euskirchen“. Es ist anzunehmen, dass die doch sehr aufwändigen<br />

gearbeiteten Steine zusammen für die gesamte Strecke in Auftrag gegeben wurden, da mit der Strecke Köln<br />

<strong>–</strong> Kommern gleichzeitig an mehreren Abschnitten begonnen wurde und man als Erbauungsdatum das<br />

mittlere Datum 1855 einmeißelte. Der erste Stein befand sich zwischen Hürth-Efferen und Hermülhe<strong>im</strong>. Auf<br />

seinem Schaft wurde der Schriftzug „Cöln Luxemburger Bezirksstraße erbaut 1855 <strong>–</strong> I Meile 1“<br />

eingemeißelt. Dieser Stein existiert leider nicht mehr. Der zweite Stein stand zwischen Villehaus (heute ist<br />

hier der Bleibtreu See) und Liblar. Die Inschrift seines Schaftes lautet: „Cöln Luxemburger Bezirksstraße<br />

erbaut 1855 <strong>–</strong> II Meilen 2,00“. Er steht, wie vorweg erwähnt, heute in Köln-Poll als Denkmal, allerdings mit<br />

einer fälschlich angenommenen Jahreszahl. Der dritte Stein befindet sich zwischen Lechenich und Erp kurz<br />

hinter dem Ortsausgang Lechenich. Da er rechts steht, ist anzunehmen, dass er in den 1950-iger/60-iger<br />

Jahren bei der Straßenverbreiterung <strong>von</strong> links nach rechts umgesetzt wurde. Die stark verwitterte Vorderseite<br />

ist nun der Hauptwetterrichtung abgewandt. Es ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass auf seinem Schaft außer der<br />

Bezirksstraße „erbaut 1855 <strong>–</strong> III Meilen 3,00“ gestanden hat. Der vierte Stein befindet sich ca. 300 m hinter<br />

dem Ortsausgang Weiler in der Ebene „IV Meilen 4,00“. Er steht noch an seinem Originalstandort. Der<br />

fünfte Stein, zwischen Zülpich und Hoven, mit der Entfernungsangabe „V Meilen 5,00“ existiert heute,<br />

ebenso wie der erste Stein, nicht mehr. Der sechste und letzte Stein, zwischen Gehn und Kommern, ca.<br />

300 m hinter dem Ortsausgang Gehn, steht ebenfalls wie der dritte Stein auf der falschen Seite, was Grund<br />

zur Annahme gibt, dass er bei dem Radwegebau die Seite wechselte. Hier ist der Stein vermutlich erst zwei<br />

Jahre nach der Fertigstellung des Straßenabschnitts errichtet worden. Es fragt sich, warum man solch große<br />

<strong>Meilensteine</strong> überhaupt aufgestellt hat. Neben ihrer hoheitlichen und repräsentativen Funktion dienten diese<br />

Steine in erster Linie als Anzeiger der Mautkostenabrechnung, also für das Chausseegeld, welches jeder<br />

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Reisende bezahlen musste. Hierfür wurden Mauthäuser, früher Hebestellen genannt, eingerichtet. Diese hat<br />

man zusätzlich mit Barrieren, hölzernen Schranken, ausgestattet, um die Straße zu sperren. Auf der Köln-<br />

Luxemburger Straße wurden auf der gesamten Länge bis nach Kommern sechs Hebestellen eingerichtet,<br />

<strong>im</strong>mer mit der Befugnis für eine bis eineinhalb Meilen. Die sechs Häuser standen in Köln-Klettenberg<br />

(dieses Haus wurde extra hierfür errichtet), in Kranzmaar (eine Hofanlage, die dem Tagebau weichen<br />

musste; sie befand sich auf dem <strong>heutigen</strong> Höchstgelände an der Luxemburger Straße in Höhe des Abzweiges<br />

nach Hürth- Fischenich), in Liblar (dieses Haus wurde ebenfalls extra hierfür gebaut), in Lechenich, in<br />

Siechhaus (zwischen Weiler in der Ebene und Zülpich) und in Sinzenich (zwischen Zülpich und Kommern).<br />

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Abb. 2:<br />

Preußische Darstellung<br />

„gespielte Geschicht“ <strong>im</strong><br />

Freilichtmuseum Kommern,<br />

„An der Barriere“. Der<br />

Kutscher ist der Autor dieses<br />

Beitrages, Herr Walter Keil<br />

(Foto: Archiv <strong>von</strong> Frau Kersten<br />

Kircher, 20.05.2007).<br />

Auch wenn die Strecke 1856<br />

dem Verkehr übergeben wurde,<br />

konnten einige Arbeiten erst<br />

1857 fertig gestellt werden. So<br />

hat man die alte hölzerne<br />

Brücke über die Erft bei Liblar<br />

abgebrochen und durch eine Ziegelsteinbrücke ersetzt. Ca. 50000 Ziegelsteine wurden hierfür verbaut. Die<br />

Gesamtkosten betrugen 9500 Taler. Die Reste der Stadtmauer neben dem Bonner Tor in Lechenich sind<br />

abgerissen worden und das <strong>Straßenbau</strong>amt legte die Straßenführung am Tor vorbei.<br />

Die Neuss-Lechenicher Bezirksstraße<br />

„Der Petition unserer getreuen Stände vom 7. Oktober 1852 wegen Übernahme der Straße <strong>von</strong><br />

Lechenich über Berghe<strong>im</strong> nach Neuß unter die Bezirksstraßen ist insoweit die gewünschte Folge<br />

gegeben, als durch unsern Erlaß vom 5. Januar d. J. genehmigt worden ist, dass der Straßenteil <strong>von</strong><br />

der Köln-Venloer Bezirksstraße bei Rommerskirchen über Berghe<strong>im</strong> und Kerpen bis zur Köln-<br />

Luxemburger Bezirksstraße in Lechenich in die Reihe der Bezirksstraßen aufgenommen werde,<br />

nachdem der selbe <strong>von</strong> den betreffenden Gemeinden den für die Bezirksstraßen bestehenden<br />

Vorschriften gemäß vollständig ausgebaut worden. Die Ausdehnung der Anordnung auf die<br />

Straßenstrecke <strong>von</strong> der Köln Venloer Bezirksstraße bei Rommerskirchen bis Neuss ist nach Lage der<br />

in Betracht kommenden Verhältnisse zur Zeit nicht angemessen erschienen.“<br />

So lautet der Beschluss des Landtages vom<br />

02. Oktober 1854 zum Bau der Neuss-Lechenicher<br />

Bezirksstraße. Die „getreuen Stände“<br />

waren die Abgeordneten der Stadt Lechenich<br />

und mehrerer Gemeinden an der geplanten<br />

Trasse nach Neuss. Der Anreiz der neuen<br />

Verbindung waren die Knotenpunkte Kerpen<br />

(Köln <strong>–</strong> Düren), Berghe<strong>im</strong> (Köln <strong>–</strong> Lüttich)<br />

und Rommerskirchen (Köln <strong>–</strong> Venlo). Die<br />

Weiterführung nach Neuss wurde als interessant<br />

erachtet, aber nicht vehement genug<br />

verfolgt. Einer Weiterführung <strong>von</strong> Rommerskirchen<br />

nach Neuss stand der Landtag ablehnend<br />

gegenüber. Vielleicht war der Regierungsbezirk<br />

Düsseldorf an einer Fortführung<br />

nicht interessiert. Der Name Neuss sollte aber<br />

beibehalten werden. So wie die Köln-<br />

Luxemburger Straße in Kommern endet,<br />

Abb. 3: Meilenstein bei Weiler in der Ebene<br />

(Foto: Allgayer/Köln, 29.03.2004).


9<br />

beginnt die Neuss-Lechenicher Straße in Rommerskirchen, eine wichtige Tatsache bei der späteren<br />

Berechnung der Meilensteinstandorte. Bemerkenswert ist auch, dass es sich hier um eine bereits existierende<br />

Strecke handelte, die zwar mancherorts Schwachpunkte besaß, aber durchaus ausbaufähig war. Die<br />

Übernahme als Bezirksstraße ermöglichte es, für den weiteren Ausbau an Zuschüsse zu gelangen und die<br />

Unterhaltung der Strecke auf die Bezirksregierung übertragen zu können. Nach dem positiven Bescheid der<br />

Landesregierung wurde zügig mit dem Streckenausbau begonnen. Da aus dem Bezirksstraßenfonds keine<br />

Mittel in den <strong>Straßenbau</strong> flossen, ist anzunehmen, dass der gesamte Restausbau <strong>von</strong> den Kommunen<br />

übernommen wurde. Die Neuss-Lechenicher Bezirksstraße taucht erst nach ihrer Fertigstellung in der Rubrik<br />

Unterhaltung in der Kostenaufstellung der Bezirksstraßenverwaltung auf. In den folgenden drei Jahren<br />

erfolgten Bau und Ausbau der Strecke. Der bis zum Bau der neuen Straße gebräuchliche Weg <strong>von</strong> Lechenich<br />

nach Gymnich führte durchs Herriger Tor, an der Weltersmühle vorbei, dem Lechenicher Pfad durch die<br />

Felder folgend bis in die Straße „Ausleger“ in Gymnich. Es ist die alte Straße nach Süden (Lechenich),<br />

dessen Name sich vom mittelalterlichen Wort „Austerland“ ableitet, dass Süden heißt also in diesem Fall<br />

Südstraße. Um den lästigen Bogen durchs Herriger Tor zu umgehen, folgte man statt dessen der Frenz Gasse,<br />

riss das Haus am Ende der Gasse ab, planierte den alten Wassergraben ein und führte die neue Trasse in fast<br />

schnurgerader Linie durch Konradshe<strong>im</strong> an der alten Wasserburg der Domherren vorbei bis nach<br />

Dirmerzhe<strong>im</strong>. Die alte <strong>im</strong> Dreißigjährigen Krieg stark zerstörte Lechenicher Stadtmauer war in diesem<br />

Abschnitt schon nicht mehr vorhanden.<br />

Abb. 4 und 5: Meilenstein der Neuss-Lechenicher Bezirksstraße zwischen Gymnich und Dirmerzhe<strong>im</strong>. Links<br />

ein Bild vom jetzigen verwitterten Zustand (Foto: Harald Reichel, 04.10.2010) und rechts eine<br />

Zeichnung mit der Darstellung des ursprünglichen Aussehens (Zeichnung: Keil/Erftstadt).<br />

In Dirmerzhe<strong>im</strong> folgte die Trasse einem oberen Weg am Dorfrand bis zur Kirche, bog dort links ab und<br />

führte wieder fast schnurgerade auf Gymnich zu. Hier nutzte man den alten Weg zur Hühnergasse, um an die<br />

Hauptstraße anzubinden, die zu dieser Zeit noch in einer Kurve in die Kohlstraße mündete. Im weiteren<br />

Verlauf bog die Hauptstraße links ab in die Straße Vorpforte. In der Vorpforte gab es eine kleine Gasse,<br />

welche über den Burgweg Richtung Norden führte, in die dortigen Felder. Um die Gasse für die neue Trasse<br />

zu nutzen, musste eine Hofanlage abgerissen werden. Nun war der Weg frei, um hinter dem Burgweg den<br />

Verlauf der neuen Kunststraße in schnurgerader Linie nach Kerpen zu führen. Da <strong>von</strong> Kerpen aus der<br />

weitere Verlauf der neuen Bezirksstraße durch Autobahnbau und Braunkohletagebau unterbrochen wurde, ist<br />

hier ihr Verlauf bis Rommerskirchen kurz aufgezeigt: Von Kerpen aus führte die Straße am Forsthaus<br />

Kerpen (heute altes Forsthaus) vorbei nach Schloss Lörsfeld, <strong>von</strong> dort über Sehnrath (heute der vordere Teil<br />

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10<br />

<strong>von</strong> Sindorf) nach Sindorf. Von Sindorf ging es zunächst über Heppendorf, Widdendorf, Thorr, Zivernich<br />

nach Berghe<strong>im</strong>. Von Berghe<strong>im</strong> aus verlief die Trasse durch den Bethlehemer Wald (benannt nach dem in<br />

diesem Wald gelegenen Kloster Bethlehem, heute Tagebau Fortuna) nach Niederaußem und weiter <strong>von</strong><br />

Niederaußem über Rheidt bis nach Rommerskirchen.<br />

Bis Neuss wurde die Strecke erst 30 Jahre später ausgebaut. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine <strong>Meilensteine</strong><br />

mehr. Am 16. März 1857 verkündete die königliche Regierung <strong>im</strong> Kölner Stadtanzeiger die Fertigstellung<br />

und Übernahme der Strecke <strong>von</strong> Rommerskirchen nach Lechenich in die Reihe der Bezirksstraßen zum<br />

1. April 1857 mit der Benennung Neuss-Lechenicher Bezirksstraße. Hebestellen mit Barrieren wurden in<br />

Dirmerzhe<strong>im</strong>, Kerpen, Heppendorf, Berghe<strong>im</strong> und Rheidt eingerichtet. Für die Strecke <strong>von</strong> ca. 34,5 km<br />

wurden vier <strong>Meilensteine</strong> hergestellt. Beginn der neuen Bezirksstraße war die Köln-Venloer Bezirksstraße in<br />

Rommerskirchen. Von hieraus gerechnet wurde der Stein der 1. Meile zwischen Berghe<strong>im</strong> und Niederaußem,<br />

<strong>im</strong> Bethlehemer Wald errichtet. Durch die Ausdehnung des Tagebaues Fortuna in den 1950-iger und<br />

1960-iger Jahren wurde er demontiert und am Ortsausgang Niederaußem Richtung Rheidt wieder aufgestellt.<br />

Seine Inschrift ist noch gut lesbar, da er <strong>im</strong> Wald weniger der Witterung ausgesetzt war:<br />

„Regierungsbezirk Köln <strong>–</strong> Kreis Berghe<strong>im</strong> <strong>–</strong> Neuss Lechenicher Bezirksstraße erbaut 1855 <strong>–</strong> I Meile 1,00“.<br />

Viele Zeitgenossen haben über seine Aufstellung gerätselt, steht er doch weder <strong>von</strong> Neuss noch <strong>von</strong> Lechenich<br />

eine Meile entfernt. Der Stein der zweiten Meile steht zwischen Widdendorf und Heppendorf, ca. 300 m<br />

hinter dem Ortsausgang Widdendorf. Er befindet sich noch fast an seinem originalen Standort. In den 1980-<br />

iger Jahren hat man ihn mehrfach angefahren, weil<br />

er sehr dicht am Straßenrand stand. Er wurde<br />

demontiert, überarbeitet und an der gleichen Stelle<br />

um 1,5 m zurückversetzt wieder aufgestellt. Da er<br />

sehr stark verwittert ist, soll auch seine<br />

ursprüngliche Inschrift hier festgehalten werden:<br />

„Regierungsbezirk Cöln <strong>–</strong> Kreis Berghe<strong>im</strong> <strong>–</strong> Neuss<br />

Lechenicher Bezirksstraße erbaut 1855 <strong>–</strong> II Meilen<br />

2,00“. Der dritte Stein stand am Forsthaus Kerpen.<br />

Ab hier ist die Straße abgegraben und umgepflügt.<br />

An seinem Standort kreuzt heute eine<br />

Umgehungsstraße die alte Straßentrasse. Sein<br />

Verbleib liegt <strong>im</strong> Dunkeln. Der vierte und letzte<br />

Stein steht zwischen Erftstadt-Gymnich und<br />

Dirmerzhe<strong>im</strong> <strong>im</strong> Feld an der <strong>heutigen</strong> L 162. Es ist<br />

nicht ganz sein Originalstandort. Durch Straßenverbreiterung<br />

wurde er zu mindestens um einige<br />

Meter zurückgesetzt. Er ist ebenfalls sehr stark<br />

verwittert. Mehrfach umgefahren und <strong>im</strong>mer wieder<br />

aufgestellt, fehlen ihm bereits 30 cm seines Schaftes.<br />

Eine Zeitlang war er sogar schon verschwunden.<br />

Seine Beschriftung wird gelautet haben:<br />

„Regierungsbezirk Cöln <strong>–</strong> Kreis Euskirchen <strong>–</strong> Neuss<br />

Lechenicher Bezirksstraße erbaut 1855 <strong>–</strong> IV Meilen<br />

4,00“.<br />

Die Düren-Erper- und Düren-Lechenicher Bezirksstraße<br />

Außer den drei vorgestellten Bezirksstraßen wurden nach 1857 noch zwei weitere Bezirksstraßen <strong>im</strong><br />

<strong>heutigen</strong> <strong>Stadtgebiet</strong> Erftstadt gebaut. Die Düren-Lechenicher Bezirksstraße über Herrig und Nörvenich <strong>von</strong><br />

1857 bis 1861 und die Düren-Erper Bezirksstraße über Kelz und Gladbach kommend <strong>von</strong> 1858 bis 1862.<br />

Beide Strecken sind zunächst als Gemeindestraßen gebaut worden. Da es sich um bezirksübergreifende<br />

Straßen handelt (Regierungsbezirk Köln und Regierungsbezirk Aachen), sind sie <strong>von</strong> der Provinzialregierung<br />

nur für den Bereich des Regierungsbezirks Köln zur Bezirksstraße erhoben worden, die Düren-<br />

Lechenicher Bezirksstraße zum 1. Juni 1862 und die Düren-Erper Bezirksstraße zum 1. August 1862. Sie<br />

unterlagen damit dem Chausseeregulativ und der Chausseegeldverordnung. Wegen ihrer kurzen Distanz zur<br />

Bezirksgrenze wurden an ihnen keine zusätzlichen Hebestellen eingerichtet und keine <strong>Meilensteine</strong> aufgestellt.<br />

Durch den Bau der Umgehungsstraße und der Flurbereinigung in den 1970-er Jahren existiert die<br />

Trasse der Düren-Erper Bezirksstraße heute bis auf einen kleinen Rest als Verlängerung der Hochstraße in<br />

Erp nicht mehr.<br />

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Abb. 6: Meilenstein bei Widdendorf<br />

(Foto: Keil/Erftstadt, 27.09.2010)


Abb. 7:<br />

Noch erhalten gebliebener<br />

Abschnitt der Düren-Erper<br />

Bezirksstraße bei Erp. Bis<br />

auf die Asphaltdecke ist das<br />

preußische Straßenprofil<br />

vollständig erhalten<br />

geblieben (Foto: Harald<br />

Reichel, 04.10.2010).<br />

11<br />

Der Bau <strong>von</strong> Bezirksstraßen fand in den 1850-er Jahren ihren Höhepunkt. Danach wurden nur noch wenige<br />

und kürzere Strecken als Bezirksstraßen ausgebaut und erhoben. Ab 1862 tauchen in den Abrechnungen<br />

Kosten für die ersten Straßenverbreiterungen auf. <strong>Meilensteine</strong> wurden nicht mehr aufgestellt, die Zeit der<br />

großen Postkutschenlinien war vorbei. Sie währte gerade einmal 30 Jahre. Die Eisenbahn eroberte als<br />

modernes Verkehrsmittel die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bereits am 18. Mai 1853 unterzeichnete die<br />

Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft den Vertrag zum Bau der Eifeleisenbahn mit der Preußischen<br />

Regierung. Im Juni 1861 begannen die Vermessungsarbeiten und die Trassenfestlegung <strong>von</strong> Köln über<br />

Liblar nach Euskirchen.<br />

Zehn Jahre später war die Zeit der großen preußischen Reformen, eingeläutet mit dem Gesetz zur<br />

Neuordnung <strong>von</strong> Maß und Gewichtseinheiten vom 17. August 1868 und der Einführung <strong>von</strong> Meter und<br />

Zent<strong>im</strong>eter, Liter und Gramm zum 1. Januar 1871 und 1874. Auch die Preußische Meile verlor zunehmend<br />

an Bedeutung. Die Bezeichnung der Meile behält noch bis 1875 ihre Gültigkeit neben dem Kilometer. Die<br />

Neuordnungen des Bezirksstraßenfonds führten zu einer neuen Umlegung der <strong>Straßenbau</strong>- und Unterhaltungskosten,<br />

damit verbunden die Aufhebung der Chausseegeld-Best<strong>im</strong>mungen vom 1. April 1814 und<br />

vom 17. September 1855. Gemäß „Allerhöchsten Erlasses“ vom 27. Dezember 1875 wurden alle Bezirksstraßen<br />

zu Provinzialstraßen erhoben. Die Erhebung <strong>von</strong> Chausseegeld und Brückengeld fand ungeachtet der<br />

Rechte Dritter nicht mehr statt. Die Barrieren verschwanden aus dem Straßenbild. Zwar verlor der<br />

Meilenstein seine Bedeutung, doch steht er bis heute für preußischen Pioniergeist.<br />

Quellenverzeichnis<br />

Landesarchiv Düsseldorf Landesarchiv Rheinisches <strong>Straßenbau</strong>amt<br />

Universitäts-und Landesbibliothek Bonn Preußische Amtsblätter 1815-1858, 1862, 1876<br />

Archiv der Stadt Erftstadt Preußische Amtsblätter 1859, 1861, 1871, 1874<br />

Archiv der Gemeinde Elsdorf Bodendenkmalakte<br />

Forschungsgruppe <strong>Meilensteine</strong> e.V. Archivmaterial<br />

Erich Gerten Postkutschen und Postillione in der Eifel<br />

Matthias Weber Erftstadt-Gymnich He<strong>im</strong>atbuch S. 37<br />

Harald Reichel diverse Fotos<br />

Kersten Kircher history-live-foto<br />

Zur Person des Autors<br />

Walter Keil wurde am 18. September 1953 in Köln geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist verheiratet und<br />

hat zwei Kinder. Seit 2003 ist der gelernte Maschinenbaumeister als technischer Angestellter in der<br />

Stadtverwaltung Erftstadt, Eigenbetrieb Straßen, tätig. Die <strong>im</strong>mer mal wieder an ihn herangetragenen Fragen<br />

zur Historie inspirierten ihn zum Forschen und Verfassen historischer Berichte.<br />

Unser Titelbild:<br />

Rundkopfmeilenstein <strong>von</strong> der Bonn-Trierer Bezirksstraße auf dem Gelände des Landesbetriebes<br />

<strong>Straßenbau</strong> NRW in Bonn-Hardtberg, Villemombler Straße 159 (Foto: Grell/Bernau, 03.08.2007).<br />

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