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Habakuk 3/2012 - Franziskanergymnasium Bozen

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HABAKUK<br />

Das gibt Ärger!<br />

Oberschulzeitung am <strong>Franziskanergymnasium</strong><br />

Die 5-Tage-Woche - ihre sozialen und juridischen Folgen<br />

Es wird ja häufig kritisiert, dass wichtige Entscheidungen<br />

von den Politikern über die Köpfe der Bevölkerung<br />

hinweg getroffen werden. Beschlüsse werden<br />

uns mitgeteilt und wir sollen sehen, wie wir damit<br />

zurecht kommen, so heißt es oft. Welche schwerwiegenden<br />

Folgen diese für die Leute, deren Privat- und<br />

Zusammenleben haben, sei den Gesetzgebenden<br />

egal.<br />

Dieses Thema ist in letzter Zeit in Südtirol natürlich<br />

im Bezug auf die 5-Tage-Woche aktuell. Proteste<br />

und Polemiken von allen Seiten: Mehrere Gemeinden<br />

und einzelne Schulen, allen voran<br />

solche in Meran, haben Rekurs eingereicht.<br />

So weit, so gut. Ob sie im Recht sind<br />

oder nicht, soll hier nicht erörtert werden,<br />

allerdings stellen sich zwei andere<br />

interessante Fragen: Welche konkreten<br />

sozialen Folgen hätten die möglichen<br />

Beschlüsse der Richter?<br />

Eingereicht wurden 2 Rekurse: einer<br />

von den Gewerkschaften und einer von<br />

den deutschsprachigen Schulen Merans. Das Problem<br />

des Beschlusses besteht in deren Augen darin,<br />

dass mit selbigem die Autonomie der Schulen angegriffen<br />

wird.<br />

Die Schulen selbst, Lehrkörper und Direktoren sind<br />

nicht berechtigt, einen Rekurs gegen die Reform<br />

einzureichen, weil sie dem Land untergeordnet sind<br />

und so sind es großteils Eltern, die den Rekurs in<br />

Meran eingereicht haben.<br />

Angeklagt sind deshalb (so paradox es klingt) primär<br />

die Schulen selbst und dann natürlich auch die<br />

Seite 1<br />

Autonome Provinz <strong>Bozen</strong>.<br />

Der Rekurs der Meraner ist bereits angenommen<br />

worden und hat eine einstweilige Verfügung erwirkt.<br />

Dies bedeutet nicht, dass die 6-Tage-Woche endgültig<br />

beibehalten wird, sondern nur, dass die betroffenen<br />

Schulen bis zum Prozess noch selbst wählen<br />

dürfen, welches System sie bevorzugen. Am 23. Oktober<br />

<strong>2012</strong> findet dann der schon mehrmals vertagte<br />

Prozess statt, beim dem das Verfassungsgericht endgültig<br />

entscheiden soll, ob die 5-Tage-Woche eingeführt<br />

werden darf. Das könnte unter Umständen<br />

auch bewirken,<br />

dass der<br />

Schulkalender<br />

ab dem 2. Semester<br />

wieder<br />

geändert wird,<br />

was natürlichorganisatorisch<br />

das<br />

größtmöglicheChaos<br />

und noch<br />

mehr unzufriedene<br />

Bürger und verwirrte Schüler, Lehrer und<br />

Eltern zur Folge hätte.<br />

Dies alles nehmen die Eltern, die diesen Rekurs unterzeichnet<br />

haben, in Kauf, aus Angst vor den Auswirkungen,<br />

welche eine 5-Tage-Woche mit sich bringen<br />

könnte. Wie oben bereits erwähnt, hätte eine<br />

solche Veränderung zweifelsohne Auswirkungen auf<br />

das soziale Leben der Schüler. Und diese sind vielfältig<br />

in Quantität und Qualität. Durch das gemeinsame<br />

Mittagessen etwa, das durch den Nachmittags-


unterricht erforderlich sein wird (für das allerdings<br />

noch landauf, landab die Mensen größtenteils fehlen)<br />

haben die Schüler zwar einerseits mehr Kontakt zu ihren<br />

Mitschülern, andererseits werden jedoch Freundschaften<br />

im außerschulischen Bereich vernachlässigt,<br />

weil dafür schlichtweg zu wenig Zeit bleibt.<br />

Besonders die Musikschulen und Musikkapellen des<br />

Landes haben nach dem Beschluss der Landesregierung<br />

aufgeschrieen: Wenn nachmittags Schule ist,<br />

wann sollen die Schüler dann üben oder zu Proben<br />

oder Unterricht kommen? Es sieht also ganz danach<br />

aus, als müsste der Musikunterricht auf Samstagvormittag<br />

verlegt werden. Dasselbe gilt für Sportvereine.<br />

Es gäbe kaum mehr genug Nachwuchs für die Mannschaften,<br />

so einige Trainer des SSV <strong>Bozen</strong>. So entstanden<br />

eine ganze Reihe von Unterschriftenaktionen und<br />

anderen Gegenbewegungen, als deren Speerspitze<br />

wohl die MS Tramin gelten kann, bei der 100% der<br />

Eltern die 5-Tage-Woche ablehnen. Also erklärte der<br />

Direktor dieser Schule, man werde die 6-Tage-Woche<br />

beibehalten, auch gegen den Beschluss der Landesregierung.<br />

Ein kindischer Protest? Kritiker meinen, bei Initiativen<br />

wie dieser und bei Gegnern der 5-Tage-Woche im<br />

Allgemeinen handle es sich nur um zu viel Konser-<br />

Grün-Rot-Weiß-Rot?<br />

fehlt<br />

Wir befinden uns im Jahre <strong>2012</strong> n. Chr. Ganz Norditalien<br />

ist von den Italienern besetzt... Ganz Norditalien?<br />

Nein! Eine von unbeugsamen Südtirolern<br />

bewohnte Provinz hört nicht auf, dem Eindringling<br />

Widerstand zu leisten.<br />

Zumindest seit einiger Zeit hat sich der Widerstand<br />

auf verbale Auseinandersetzungen beschränkt. Aber<br />

dies war einmal anders, wie in den 60er Jahren, als<br />

die Südtirol-Aktivisten mit Bomben Strommasten<br />

sprengten, um auf sich aufmerksam zu machen.<br />

Damals vielleicht ein legitimer Schritt – aber was<br />

bringt einige denn heute noch dazu, sich gegen Italien<br />

zu wehren? Wieso wollen einige Südtiroler die<br />

Selbstbestimmung oder sogar zurück zu Österreich?<br />

„Südtirol ist nicht Italien!“ Wer hat ein solches<br />

Plakat, oder einen Aufkleber mit dieser Aufschrift,<br />

Seite 2<br />

vativismus und zu wenig Mut, Neues und im Großteil<br />

des restlichen Europa Bewährtes zu übernehmen.<br />

Dafür spricht ein wenig die Frage, warum der Protest<br />

gegen den Beschluss, die 5-Tage-Woche landesweit<br />

einzuführen, erst in den letzten paar Wochen so laut<br />

wurde. Dieser wurde nämlich schon am 23. Januar<br />

dieses Jahres verabschiedet, und da hörte man zwar<br />

vereinzelt Gegenargumente, aber keinesfalls so hartnäckige<br />

Proteste, wie sie in letzter Zeit aufkamen.<br />

Aus psychologischer Sicht könnte man die Tatsache,<br />

dass die Proteste erst nach Beschluss der 5-Tage-Woche<br />

laut wurden, mit dem Phänomen, dass Menschen<br />

Veränderungen langsam erst akzeptieren und zunächst<br />

überhaupt verdrängen, erklären. Sobald dann<br />

klar wird, dass sich tatsächlich etwas unwiderruflich<br />

geändert hat, wehren sich die Leute automatisch dagegen,<br />

weil es in ihnen ein Gefühl der Hilflosigkeit<br />

auslöst. „Wir sollen jetzt plötzlich nur mehr fünf Tage<br />

in die Schule- ...Wer sagt das? ...Das kennen wir nicht!<br />

...Das gefällt uns nicht!“ Vollendete Tatsachen, die wir<br />

nicht ändern können, regen uns nun mal auf, das ist<br />

durchaus menschlich.<br />

Und wenn es keine größeren Probleme gibt, ist die<br />

5-Tage-Woche, die ja „hinter unserem Rücken“ beschlossen<br />

wurde, ein guter Grund um sich zu ärgern…<br />

Verena v. Walther & Hannah Lezuo<br />

nicht schon einmal gesehen? Jeder, oder zumindest<br />

die meisten in unserem Land. Einige sehen diese<br />

Aufkleber mit Freude und verbreiten sie, so wie die<br />

Mitglieder der Südtiroler Freiheit. Andere, vor allem<br />

die Italiener, werden von diesen Aufschriften gestört<br />

und fühlen sich angegriffen. Aber wieso? Denn immerhin<br />

sind es nur Aufkleber, die zwar eine Aussage<br />

haben, jedoch nichts ändern werden. Natürlich<br />

fühlt man sich als Italiener gestört, wenn „italienische<br />

Staatsbürger“ diese Parole verbreiten. Aber<br />

eigentlich schadet es nicht, wenn man diese sieht.<br />

Man muss sich ja nicht gleich angegriffen fühlen –<br />

so könnte man denken. Trotzdem sollte man diese<br />

Parolen für sich behalten - so wie auch die anderen<br />

Gedanken zu diesem Thema. Jeder soll denken, was<br />

er will, ob er zurück zum Heimatland will oder gar


die Selbstbestimmung – aber sagen muss er es nicht.<br />

Pläne für die Zukunft unseres Landes gibt es viele –<br />

dass dabei Bomben keine Rolle mehr spielen, ist logisch<br />

und natürlich begrüßenswert. Zum einen wäre<br />

da die Idee der Vollautonomie der Südtiroler Volkspartei,<br />

kurz SVP, ganz nach ihrem Motto „Das ganze<br />

Land in einer Hand“. Man würde also bei Italien bleiben,<br />

hätte aber zum Beispiel die volle Finanzhoheit<br />

oder könnte eine eigene Landespolizei ins Leben rufen.<br />

Über andere Bereiche, wie die Außenpolitik oder<br />

die Währung, würde weiterhin Italien entscheiden,<br />

was jedoch nicht weiter stören würde, da Südtirol in<br />

diesem Fall kein neuer Staat wäre.<br />

Andere Parteien wie die Freiheitlichen beispielsweise<br />

haben da ganz andere Pläne, welche sie umsetzen wollen.<br />

Sie wollen einen „Freistaat Südtirol“, den man mit<br />

Montenegro an Größe und Völkerzahl vergleichen<br />

könnte. Dafür haben die Freiheitlichen in Zusammenarbeit<br />

mit O. Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler bereits<br />

eine Verfassung schreiben lassen. Nach dieser Idee<br />

wäre Südtirol ein souveräner Staat und unser Herr<br />

Landeshauptmann ein Staatspräsident. Die Damen<br />

und Herren von der „Süd-Tiroler Freiheit“ haben da<br />

noch eine dritte Idee, die gar nicht so weit von jener<br />

der Freiheitlichen entfernt ist: die Selbstbestimmung.<br />

Viele Ideen, vielfältige Lösungen - aber doch irgendwie<br />

keine Lösungen.<br />

Stellen wir uns doch einmal die Frage, was denn das<br />

Volk überhaupt will.<br />

Nehmen wir einen Bauer xy vom Hof z her. Ihm ist<br />

es wahrscheinlich doch egal, ob er Italiener ist oder<br />

Österreicher. Für ihn und seine fünf Kühe ändert sich<br />

nichts. Er wird die Milch immer noch der Mila, der<br />

Brimi oder sonstwem liefern und immer noch dasselbe<br />

Geld dafür bekommen. Der einzige Unterschied<br />

ist würde in seinem Pass ersichtlich sein. Aber ändern<br />

wird sich für ihn nichts. Es zählt nur, als was er sich<br />

fühlt. Auch wenn er sich im Moment als Österreicher<br />

fühlt, stört das keinen und er wird jeden Tag dasselbe<br />

machen. Jeder sollte sich zu einem Land bekennen,<br />

aber für sich, und damit nicht an die Öffentlichkeit<br />

gehen.<br />

Was wäre denn, wenn wir Südtiroler zurück zu Österreich<br />

kommen oder eine souveränen Staat ins Leben<br />

rufen würden? Was wäre dann mit den Italienern, die<br />

dann eine Minderheit wären? Müssten sie dann auch<br />

Strommasten sprengen, um eine Autonomie zu bekommen,<br />

würden wir sie vertreiben, gar unterdrücken<br />

oder doch vielleicht gut behandeln? Würden wir<br />

Seite 3<br />

uns dann auch angegriffen fühlen, wenn sie Plakate<br />

veröffentlichten mit der Aufschrift „L´Alto Adige<br />

non è l´Austria“? Es würden wahrscheinlich dieselben<br />

Probleme auftreten, wie sie im Moment im Raum<br />

stehen – nur verkehrt herum. Die Italiener würden<br />

dann, so wie manche Südtiroler jetzt, zurück wollen<br />

in ihr Heimatland. Wir würden dann sagen, dass sie<br />

ja gehen bzw. auswandern könnten. Aber wir könnten<br />

das im Moment auch. Wer zurück will, könnte ja ganz<br />

einfach seine sieben Sachen packen und auswandern.<br />

Grundsätzlich, glaube ich, tendieren immer mehr<br />

Leute in Südtirol eher in Richtung „Los von Rom“.<br />

Aber warum? Ganz einfach. Wer würde im Moment<br />

gerne im italienischen Staat leben? Es geht den Leuten<br />

gar nicht darum, ob Wegschilder zweisprachig sein<br />

müssen oder nicht, sondern um die Kasse, die jetzt<br />

nicht mehr stimmt, da Südtirol einen größeren Teil<br />

der Steuern abgeben muss. Und zudem will man nicht<br />

bei Italien bleiben aufgrund der Politiker, die diesen<br />

Staat leiten, beziehungsweise geleitet haben. Aber<br />

wenn Mario Monti Italien rettet und es auf Augenhöhe<br />

mit anderen Staaten bringt, würden wir dann wieder<br />

anders denken und mit der Situation zufrieden<br />

sein? Wahrscheinlich schon.<br />

Trotzdem können wir im Moment glücklich darüber<br />

sein, dass es so ist, wie es ist.<br />

Denn zurzeit gibt es Wichtigeres, worüber man sich<br />

den Kopf zerbrechen sollte, zum Beispiel die Wirtschaftskrise<br />

oder das Einwanderungsproblem. Denn<br />

unserem kleinen heiligen Land Südtirol geht es doch<br />

gut. Wir können vieles immer noch selber entscheiden.<br />

Wir sind ein Vorbild einer modernen Autonomie<br />

und sollten stolz drauf sein und zugleich auch glücklich<br />

darüber, weil es viele Minderheiten gibt, welchen<br />

es nicht so gut geht.<br />

Sicher ist, dass der Kampf zwischen Häuptling Durnwalder<br />

und seinen Bergbewohnern und dem großen<br />

Cäsar Monti (bzw. seinen Nachfolgern)noch länger<br />

weiter gehen wird. Im Gegensatz zu den Galliern haben<br />

wir aber keinen Zaubertrank – also müssen wir<br />

zwangsläufig statt unserer Hände das Hirn einsetzen,<br />

um das Beste aus unserer Situation zu machen..


„Wohl ist die Welt so klein und eng…“<br />

Fehlt<br />

Warum kommen Franziskanerschüler aus <strong>Bozen</strong><br />

nach Bosnien? Wie kommen sie überhaupt auf<br />

die Idee ein solches zugegebenermaßen recht ungewöhnliches<br />

Ziel zu wählen? Alles fing vor zwei<br />

Jahren an, als unser Schuldirektor und P. Willibald<br />

anlässlich eines europäischen Treffens der von<br />

Franziskanern geleiteten Schulen auf P. Ivan aus<br />

Visoko stießen. Der sehr aktive und offene bosnische<br />

Geistliche lud unsere Schulleitung gleich ein,<br />

das Gymnasium in Visoko, einer Kleinstadt nahe<br />

Sarajevo, zu besuchen. Die Organisation sollte unser<br />

abenteuerlustiger Professor Niederseer übernehmen,<br />

da er ja schon wertvolle Erfahrung mit<br />

dem Thailandprojekt gesammelt hatte.<br />

Wie das Schulleben der Schüler in Bosnien ist?<br />

Gleich wie das unsere, oder fast. Die härtesten Fächer<br />

sind auch bei ihnen Griechisch und Latein.<br />

Auch die Deutschlehrerin Frau Prof. Rina ist nicht<br />

gerade das, was sich chillig nennt, und dementsprechend<br />

ist auch die Beliebtheit des Faches unter<br />

den Schülern. Doch - das muss man ihr lassen- die<br />

Schüler sprechen, gemessen an der Schwierigkeit<br />

unserer Muttersprache, wirklich überraschend gut<br />

Deutsch. Der Englischunterricht wird übrigens<br />

von einer Amerikanerin gehalten. In den übrigen<br />

Fächern wird Kroatisch gesprochen.<br />

Zu den Unterrichtsmethoden ist nicht viel zu sagen:<br />

Identisch den unseren, mit vielen Prüfungen.<br />

Die Schüler, die sich beschweren, dass bei uns so<br />

manches zu streng bewertet wird, seien getröstet:<br />

Bei ihnen kommen 40% nicht zur Matura!<br />

Der große Unterschied ist das Heim, in dem ca. 80<br />

der 130 Schüler untergebracht sind, da sie aus ganz<br />

Bosnien in dieses einzige klassische Gymnasium<br />

kommen. Am Wochenende ist es im Heim fast unheimlich,<br />

denn viele fahren zu ihren Familien nach<br />

Hause. Teils, weil sie die „Freiheit“ in der Familie<br />

vermissen, teils, weil sie so der sechsstündigen (!)<br />

Studierzeit am Sonntag (!) entkommen. „Lernen,<br />

das machen wir schon genug: mehrmals die Woche<br />

zwei Stunden Silentium!“, erzählte mir ein Schüler.<br />

Das Heimleben ist recht abwechslungsreich und<br />

für das Lernen sicher von Vorteil, aber ob Schule<br />

und Schlafzimmer im gleichen Gebäude wirklich<br />

immer so gut sind, ist zumindest fraglich. Die Anlage<br />

hat auch Informatikraum, Sportplätze, Mensa<br />

und weitere Aufenthaltsräume - alles 2007 erbaut<br />

oder renoviert. Nebenan das Klosterseminar mir<br />

40 (!) angehenden Franziskanern, einem Kabinett,<br />

einer ethnografischen Sammlung und einem kleinen,<br />

winzigen, aber deshalb nicht unbedeutenden<br />

Museum mit archäologischen Fundstücken und<br />

natürlich der Klosterbibliothek. Aber genug mit<br />

den Gebäuden, interessanter sind doch wohl die<br />

Schüler.<br />

Wir Jugendliche sind überall gleich: Fröhlich,<br />

Seite 4


mehr oder weniger partyliebend, technisch begabt<br />

und facebookphil, studierallergisch, neugierig<br />

(hauptsächlich, was verbotene Dinge anbelangt)<br />

etc. So waren auch unsere bosnischen<br />

Kollegen. Das einzige wirklich Auffällige war,<br />

dass der größte Teil von ihnen gar nicht in Bosnien<br />

geboren ist: Deutschland, Schweden, Italien<br />

und andere sind deren Geburtsländer - eben wegen<br />

des Krieges.<br />

An einem Abend, nachdem wir vor den ganzen<br />

Die Mensa der Schule<br />

Heimschülern Südtirol und unsere Schule vorgestellt<br />

hatten, mussten wir alle Stühle und Bänke in<br />

Ordnung bringen. Ein Dutzend Leute haben ca.<br />

80 Stühle in zwei Minuten durch Herumschieben<br />

in Ordnung gebracht. „Franziskanerschüler!“, hat<br />

mir einer zugelächelt.<br />

Übrigens: Eine Schülerzeitung haben sie auch!<br />

Fest im Würgegriff des Winters<br />

Seite 5


Versuch eines Reisetagebuchs<br />

von Martina Gianola<br />

„Bosnienreise 24.03.-04.04.<strong>2012</strong>“ lautet die Überschrift.<br />

Zugegeben - nicht besonders einfallsreich. Ich<br />

hab halt noch nie ein Tagebuch geschrieben; keine<br />

Ahnung, was man sonst schreiben sollte.<br />

Teilnehmer: Stephanie Nardone, Linda Schwarz, Gunda<br />

Fragner, Sophia Giovanett, Felix Mair, Valentin<br />

Harich, Matteo Carmignola, Francesco Gianola, Alexander<br />

Corradini, Marco Foresti, Prof. Niederseer,<br />

Max Kollmann und ich.<br />

24.03.<br />

Start: 12.10 Uhr im Schulhof. Die zwei Neunsitzer<br />

sind schon startbereit. Schnell Schwester und Freundinnen<br />

umarmen, und dann: Los geht’s!<br />

Abends Ankunft in Jugendherberge in Zagreb. Wir<br />

Mädchen in einem größeren Zimmer als die Jungs,<br />

obwohl in Unterzahl (der Vorteil, eine Frau zu sein).<br />

Es hat giftgrüne Wände!<br />

Abendessen um 22 Uhr, Cevapi (typisches Gericht für<br />

den Balkan).<br />

25.03.<br />

Weiterfahrt nach Srebrenica. Boxenstop beim Vernichtungslager<br />

Jasenovac. Übrig ist von diesem nur<br />

noch eine große, steinerne Blume als Denkmal. Alexander<br />

hält einen Vortrag. Da einige die Heimat schon<br />

vermissen, wird „Wohl ist die Welt so groß und weit“,<br />

mit Matteos Begleitung auf der Gitarre, gesungen.<br />

„Wohl ist die Welt so groß und weit“<br />

Seite 6<br />

Nach einer langen Autofahrt durch Kroatien und Bosnien<br />

(meine ersten Stempel im Reisepass!) Ankunft<br />

um 20 vor 8 in Srebrenica. Es erwarten uns unsere<br />

Gastmütter bzw. -omas. Gunda, Sophia und ich sind<br />

für die nächsten zwei Nächte bei Zora untergebracht.<br />

Oder besser gesagt in Zoras zweiter, unbenützer Wohnung.<br />

Nur für uns allein. Glücklich und zufrieden<br />

lassen wir uns nieder. Nicht einmal das Fehlen eines<br />

Waschbeckens im Bad kann uns die Vorfreude auf den<br />

nächsten Tag und die bevorstehende Reise verderben.<br />

26.03.<br />

Um 6.00 Uhr morgens: origineller Wecker. Gebetsaufruf<br />

des Lautsprechers der naheliegenden Moschee.<br />

Andere Länder, andere Sitten, da kann man nichts<br />

machen.<br />

Mit Weiterschlafen wird leider nichts, denn in der<br />

Wohnung ist es eiskalt! Anscheinend gibt es hier keine<br />

Heizungen. Ich denke ernsthaft darüber nach, die<br />

nächste Nacht im Badezimmer zu verbringen, da dies<br />

der einzig halbwegs warme Raum ist. Ein Eisen, das,<br />

wenn man es einschaltet, glüht, beheizt ihn.<br />

Um acht Uhr gibt es Frühstück bei Zora und damit<br />

auch die ersten Kommunikationsprobleme, da sie weder<br />

Deutsch (manche Leute sprechen es hier) noch<br />

Englisch spricht. Naja, einmal mit Händen und Füßen<br />

kommuniziert zu haben gehört auch zur lebensnotwendigen<br />

Lebenserfahrung. Unsere Sprachkenntnis<br />

ist nicht viel besser, reicht gerade für ein „hvala“<br />

(danke), das nach einem Frühstück, bestehend<br />

aus Strudel mit in Honig getauchten Nüssen,<br />

Eier, Quark, Marmelade und Brot wirklich angebracht<br />

bzw. nötig ist.<br />

Um neun Uhr Treffen bei den Kleinbussen, Fahrt<br />

zum „Srebrenica-Potočari memorial and cemetery<br />

for the victims of the 1995 genocide“, wo,<br />

wie der Name schon sagt, die Opfer des brutalen<br />

Völkermords von den Serben an den Moslems<br />

begraben sind. De facto ist es eine Wiese<br />

voller weißer Grabsteine, alle mit der gleichen<br />

Inschrift. Hinterher ein recht beeindruckender<br />

Film in einer (eiskalten) Batteriefabrik.<br />

13 Uhr: leckerer Döner bei Deutsch sprechenden<br />

Serben, Wanderung zu so genannten „Heilquellen“<br />

– meiner Meinung nach nur ein eisen-und schwe-


felhaltiges, stinkendes Bächlein - und langes Gespräch<br />

mit den Mitgliedern „Adopt-Srebrenicas“. In diesem<br />

klären sie uns über<br />

die Lage zwischen<br />

Muslimen und Serben<br />

in Srebrenica<br />

auf.<br />

Hinterher Abendessen,<br />

meinen ersten<br />

türkischen Kaffee<br />

getrunken, und<br />

ab ins eiskalte Bett!<br />

27.03.<br />

Trotz nicht nur<br />

eines, sondern<br />

gleich 3 läutender<br />

Wecker um sieben<br />

wird bis halb acht Mein erster bosnischer Kaffee<br />

weitergeschlafen. Dann<br />

Frühstück, Abschied von Zora (bei dem sie uns Netzsocken<br />

– wie zieht man so was an? - schenkt) und<br />

Treffen mit dem Imam, dem Leiter der örtlichen Muslimengemeinschaft.<br />

Wirklich interessante Sachen über den muslimischen<br />

Glauben erfahren, alle sind -wir Mädchen wahrscheinlich<br />

mehr vom Imam selbst als von dem Erfahrenen<br />

- begeistert.<br />

Am Nachmittag Weiterfahrt nach Visoko (Dörfchen,<br />

20 km von Sarajevo entfernt). Der erste Eindruck des<br />

Gymnasiums/Schülerheims (nachdem wir zuerst in<br />

dem alten, verlassenen Hinterhof des Klosters gelandet<br />

sind): Diese heruntergekommene Fassade prophezeiht<br />

nichts Gutes. Pater Iwan und Bruder Stipo<br />

und führen uns in unsere Zimmer. Wie so oft hat der<br />

erste Eindruck auch hier getäuscht: Das Gymnasium<br />

und Schülerheim (alles in einem Gebäude) sind super<br />

eingerichtet und<br />

die Patres - zumindest<br />

bis jetzt - recht<br />

freundlich.<br />

Nach dem Abendessen<br />

in der Mensa<br />

Erkundungsrunde<br />

durch die Schule<br />

und noch etwas<br />

distanzierte Konversation<br />

mit den<br />

Schülern, die – zu<br />

meinem Erstaunen<br />

- sehr gut Deutsch<br />

Seite 7<br />

sprechen.<br />

Nach einigem Herumirren durch die Gänge lerne ich<br />

Matea kennen.<br />

Mit ihr ratsche<br />

ich dann auch<br />

bis halb 11. Dann<br />

heißt es ab in<br />

die Zimmer. Das<br />

Licht wird um<br />

11 ausgeschaltet,<br />

Bruder Stipo ist<br />

da angeblich sehr<br />

streng. Dass es bei<br />

uns mit einer halben<br />

Stunde Verspätung<br />

erlischt,<br />

scheint er –Gott<br />

ben.<br />

sei Dank - nicht<br />

bemerkt zu ha-<br />

28.03-30.03.<br />

Die folgenden Tage verlaufen alle im selben Rhythmus:<br />

Um 6.50 Uhr Läuten des ersten Weckers, dann immer<br />

im Drei-Minuten-Takt der zweite und der dritte (zuerst<br />

meiner, darauf Gundas, und Sophias Wecker zum<br />

Schluss). Jeden Morgen wird bis sieben Uhr weitergedöst.<br />

Es ist zu kalt, um aus dem Bett zu steigen.Wieso,<br />

wieso, wieso werden die Heizkörper in diesem Land<br />

nicht benutzt? In Windeseile wird angezogen und –<br />

fast immer - pünktlich um halb acht in der Mensa gestanden,<br />

das Morgengebet aufgesagt und gefrühstückt.<br />

Anschließend wird Unterricht besucht – Deutsch,<br />

Griechisch, Latein oder Englisch. Dazu ist nicht viel zu<br />

sagen: Prüfungen, Tests, strenge und weniger strenge<br />

Professoren...alles, was es bei uns gibt, haben sie auch.<br />

Nach dem Mittagessen (N.B.: durchschnittliche<br />

Dauer eines Mittagessens:<br />

20<br />

Min – Gebet am<br />

Anfang + Ende<br />

und Abräumen<br />

inklusive!) wird<br />

mit den Schülern<br />

im Hof fuß- und<br />

volleyballspielend<br />

oder einfach<br />

nur ratschend<br />

verdaut. Nachmittags,während<br />

des Silen-


tiums, also der Studierzeit unserer Leidensgenossen,<br />

Besuch sämtlicher Klöster, eines pyramidenförmigen<br />

Berges (normaler Berg – sieht laut der Bewohner von<br />

Visoko aus wie eine Pyramide. Ich nenne ihn „gescheiterter<br />

Versuch der Visokoer, Touristen in die Stadt<br />

zu locken“) und einer Metresa- Schule (muslimische<br />

Schule/Wohnheim). Diese ist unbedingt erwähnenswert:<br />

Enormes Gebäude, mein erster Moscheebesuch<br />

und – wie kann man ihn<br />

vergessen? - der exzellente,<br />

mit Honig, Nüssen<br />

und Sahne gefüllte<br />

gekochten Apfel.<br />

Am Donnerstagabend<br />

Abschied von den<br />

Schülern. Nicht wir<br />

fahren, sondern sie:<br />

Ab morgen nach der<br />

Schule heißt es für<br />

sie Wochenend und<br />

Heimfahrt. Tschüss, bis<br />

Sonntagabend!<br />

...auch Bruder Stipo<br />

findet Gefallen an dem<br />

Spiel...<br />

31.03<br />

Start um acht Uhr, endlich gehts in das lang erwartete<br />

Sarajevo. Einmal dort angekommen, bremst uns<br />

nichts mehr: Gespräch mit dem österreichischen Botschafter,<br />

österreichisches Viertel, türkisches Viertel<br />

(Sarajevo stand lange unter der Herrschaft der Ottomanen),<br />

orthodoxe Kirche, Cevapcici mit Joghurt<br />

als Mittagessen, Franz-Ferdinand-Attenat-Museum,<br />

Bosnaquellen (Bosna ist der Fluss, der in der Nähe<br />

Sarajevos entspringt) bis hin abends zu einem Theater<br />

von Theologiestudenten. Von diesem verstehen<br />

wir allerdings nicht viel. Eindeutiger Beweis meiner<br />

Theorie, dass all das fleißige Fremdvokabelstudieren,<br />

z.B. jener, welche wir uns während der Hinreise mit<br />

Matteos „Miniwörterbuch Bosnisch-Deutsch“ anzueignen<br />

versucht haben, nichts nützt (Griechisch und<br />

Latein ausgenommen, natürlich).<br />

1.04.<br />

Schlechtes Wetter: Es schneit (kein Aprilscherz)!<br />

Frühstück mit den Seminaristen und Neun-Uhr-<br />

Messe auf Bosnisch. Es hat aufgehört zu schneien und<br />

wir fahren, mit einigen übers Wochenende im Heim<br />

gebliebenen Heimschülern, wieder nach Sarajevo.<br />

Seite 8<br />

Dort verbringen wir, zwischen Cevapci, Verkostung<br />

der typischen Süßigkeiten in einer Konditerei (Felix<br />

is(s)t im Paradies) und einem Bummler im türkischen<br />

Viertel der Stadt, einen tollen Nachmittag.<br />

Abends endgültiger Abschied der Heimschüler in<br />

Form einer, um Prof. Niederseer zu zitieren, „ganz<br />

tollen Party-Party“. Und was für einer Party: bosnische<br />

Lieder, international bekannte, bis hin zum „Fliagerliad“.<br />

Alles wird<br />

mit beiderseitigen<br />

Begeisterung getanzt.<br />

Sogar eine Rock’n’roll<br />

Einlage von Sophia<br />

und Felix findet statt!<br />

2.04.-04.04.<br />

Weiterfahrt nach<br />

Mostar, berühmte<br />

Brücke angeschaut,<br />

Kärtchen geschrieben<br />

und abgeschickt.<br />

Wunderschönes, fast<br />

schon idyllisches<br />

kleines Städtchen.<br />

Abends Ankunft in<br />

Mejugorie. „Ich organisiere euch dort eine Übernachtung<br />

in einem Schloss!“, hat Pater Iwan uns beim<br />

Abschied noch versichert. Gesagt, getan! Unsere Unterkunft<br />

ist ein 2007 erbautes, absolut traumhaftes<br />

Schloss. Besitzerin ist - wie kann man so eine Frau beschreiben?<br />

- eine exzentrische, religiös-fanatische, fast<br />

schon sektenhaft wirkende Kanadierin. Was man ihr<br />

lassen muss: Unfreundlich ist sie nicht und ein Zimmer<br />

mit Himmelbett hatte ich auch noch nie. Die<br />

informations(über)reiche Reise macht sich spürbar<br />

und Mejugorie kann mich gar nicht entzücken: Der Regen,<br />

der beim Aufstieg auf den Erscheinungsberg ununterbrochen<br />

auf uns niederprasselt, die touristischen<br />

Souvenierläden, in denen sogar Aschenbecher mit der<br />

Mutter Gottes verkauft werden – was soll denn das?<br />

Doch es kann einem ja nicht alles gefallen, oder? Mich<br />

machen schon das Himmelbett, der Anblick des Meeres<br />

bei der Heimfahrt in Kroatien und die Erinnerung<br />

an diese ganz besondere, sehr interessante, ereignisreiche<br />

und kalte Reise überglücklich. Und ich würde<br />

sagen, das reicht.


Rocken bis der Sandmann kommt<br />

von Valentin Harich<br />

Alles ist dunkel, die Ohren dröhnen. Das Stadio<br />

Friuli bebt. Soeben haben sich Metallica mit<br />

„For Whom The Bell Tolls“ von der Bühne verabschiedet,<br />

jetzt flimmern Bilder von den Aufnahmen<br />

ihres legendären „Black Albums“ über eine<br />

gigantische Leinwand an der Stadionkurve. Eine<br />

Schrift ist zu lesen, sonst ist alles schwarz: August<br />

12, 1991. Metallica presents: Metallica.<br />

12 Stunden zuvor sind Moritz Plattner und ich<br />

noch zusammen mit einem Bus voller Metalfans.<br />

Auf den ersten Blick übt der durchschnittliche<br />

Schwermetaller einen eher abschreckenden<br />

Eindruck aus. Seine Lieblingsfarbe ist schwarz,<br />

er hört gerne laute Musik und trinkt Bier – viel<br />

Bier. In seiner Mediathek finden wir Bands mit<br />

ansprechenden Namen wie „Anthrax“, „Megadeath“,<br />

„Slayer“ oder eben „Metallica“. Doch der<br />

Eindruck trügt. Hinter langen Haaren, Lederjacken<br />

und Partonengürteln verbergen sich Ärzte,<br />

Psychologen, ja sogar Lehrer findet man unter all<br />

den skurrilen Gestalten. Ich hatte ja vorhin kurz<br />

die langen Haare erwähnt. Die braucht ein Metaller<br />

fast noch mehr als Bier und Powerchords,<br />

und das führt mich wieder zurück nach Udine.<br />

Die lange Mähne eines Thrash Metallers sind für<br />

die genretypische „Tanzform“ unerlässlich. Wird<br />

man von der rhythmisch dreschenden (engl.: to<br />

thrash) Musik mitgerissen, bewegt man seinen<br />

Kopf kreisförmig zur Musik: Man nennt dies<br />

„headbangen“.<br />

Unterdessen spielt die Band rund um Sänger<br />

James Hetfield und Schlagzeuger Lars Ulrich<br />

zusätzlich zu ihren größten Hits wie „Master Of<br />

Puppets“ und „One“ zum zwanzigjährigen Jubiläum<br />

seines Erscheinens das komplette Album<br />

„Metallica“, das wegen seines schwarzen Covers<br />

auch „Black Album“ genannt wird, darunter auch<br />

Titel wie die berühmte Metalballade „Nothing<br />

Else Matters“, „Wherever I May Roam“, „The<br />

Unforgiven“ und, als letztes Lied des „Schwarzen<br />

Albums“, „Enter Sandman“. Dieses Lied - für<br />

mich persönlich ist es ihr bester Titel - handelt<br />

von einem Kind, das Angst vorm Einschlafen<br />

hat.<br />

Nach zweieinhalb Stunden furiosen Spiels verabschieden<br />

sich die vier Musiker aus Udine und<br />

entlassen die Fans schon um halb zwölf aus dem<br />

Stadion von Udinese Calcio. Ich bin taub und<br />

am Ende, außerdem hoffe ich, zuhause noch ein<br />

paar Stunden Schlaf zu ergattern. Jedoch bleibt<br />

mir dieser Luxus nicht vergönnt . Erst um 6:45<br />

erreichen wir <strong>Bozen</strong>. Es ist Montag, erste Stunde:<br />

Turnen. Da kann es ja noch dauern, bis der Sandmann<br />

auch zu mir kommt.<br />

Seite 9


Nachruf<br />

von Teseo La Marca<br />

Er bracht´ uns nah den Schiller und den Goethe<br />

und all die andern deutschen Dichtergrößen,<br />

vor allem aber deren frommes Wesen –<br />

ein Hauch von Religion, der immer wehte.<br />

Das Lehnen und das falsch betonte Lesen<br />

ward hart verdammt, ob auch der Schüler flehte:<br />

Da tobte Willibald in Zornesröte,<br />

sein Kampf galt stets der Macht des Bösen.<br />

Jedoch muss heut sein spärlich Haar ergrauen<br />

nicht länger zwischen Anstaltswänden;<br />

er zieht in Graz jetzt auf die Glaubensküken.<br />

Und Schüler, die er schalt ob Nägelkauens,<br />

sie missen jetzt alle mit kahlen Händen<br />

des alten Meisters einstige Kritiken.<br />

Chronologie<br />

von Teseo La Marca<br />

Sie läuft und schafft dies gänzlich ohne Beine,<br />

geht sie verloren, hat man keine.<br />

Will hinter Taten schwinden,<br />

ist schwer zu finden<br />

und dann<br />

und wann<br />

sagt man zu ihr:<br />

„So zeig dich endlich mir,<br />

komm her und ticke auch für mich!“<br />

Und wenn sie dann nicht will, nimmt man sie sich.<br />

Seite 10


The Hunger Games<br />

von Hannah Lezuo & Verena Walther<br />

Nordamerika in der Zukunft. Durch eine Naturkatastrophe<br />

wurde es zerstört und aus seiner<br />

Asche hat sich Panem erhoben. Ein Land, das<br />

vom Kapitol regiert wird. Ihm unterstehen zwölf<br />

Distrikte, dort leben die Menschen in Armut.<br />

Um seine Vormachtstellung zu unterstreichen,<br />

veranstaltet das Kapitol jedes Jahr die sogenannten<br />

Hungerspiele. Aus jedem Distrikt werden<br />

ein Junge und ein Mädchen ausgelost, und diese<br />

insgesamt 24 “Tribute” müssen sich bis zum Tod<br />

bekämpfen. Wer am Ende übrig bleibt, ist Sieger<br />

und lebt nicht mehr weiter in Armut.<br />

Als Katniss’ kleine Schwester Primrose ausgelost<br />

wird, meldet Katniss sich freiwillig an ihrer Stelle,<br />

um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren.<br />

Zusammen mit Peeta, dem anderen Tribut aus<br />

ihrem Distrikt, wird sie ins Kapitol gebracht und<br />

nach einer kurzen Vorbereitungszeit beginnen<br />

die Hungerspiele. Als Katniss schon überlegt, wie<br />

sie Peeta umbringen soll, rettet er ihr Leben.<br />

Mit dem Hype, der um diesen Film enstanden<br />

ist, fühlen sich viele in ihrer eigenen Meinung<br />

bestätigt. Da ich aber die Bücher von Suzanne<br />

Collins gelesen habe, welche als Vorlage für den<br />

Film dienten, hatte ich eine bestimmte Vorstellung<br />

von den Charakteren. Leider entsprechen<br />

die Schauspieler dieser nicht ganz. Natürlich<br />

konnte ich mir nicht erwarten, dass die Realität<br />

der Phantasie das Wasser reichen kann, aber ich<br />

benötigte eine gewisse Zeit, um mich an die Darsteller<br />

zu gewöhnen.<br />

Ich fand den Film nicht schlecht oder gar eine<br />

Zeitverschwendung, aber ein wenig enttäuscht<br />

war dennoch. In ihm gehen bestimmte Dinge<br />

verloren, die den Zauber der Bücher ausmachen.<br />

Die Autorin hat die Bücher in der ersten Person,<br />

aus der Sicht Katniss’, verfasst. So wird man umso<br />

stärker in das Geschehnis hineingezogen. Diese<br />

Möglichkeit der Sichtweise bleibt den Filmemachern<br />

verwehrt. Deshalb bleibt die Geschichte<br />

einem nicht so sehr in Erinnerung, als wenn man<br />

das Buch lesen würde.<br />

Diejenigen, die die Bücher nicht gelesen haben,<br />

wissen nichts von dem, was die Verfilmung nicht<br />

zeigen kann und werden es folglich auch nicht<br />

vermissen. Für sie kann der Film also durchaus<br />

als gelungen angesehen werden.<br />

Seite 11


Fett, kursiv und unterstrichen<br />

Eine kleine Satire.<br />

Bedeutung beimessen. Eine komische Wortverbindung.<br />

Ein abstrakter Begriff wie „Bedeutung“ wird<br />

mit einem technischen und äußerst konkreten Begriff<br />

wie „messen“ verbunden – und dennoch verstehen<br />

wir den Sinn hinter diesen Wörtern. Und genau so ein<br />

Hintersinn scheint in unserer Zeit immer häufiger zu<br />

fehlen, aber trotzdem – oder vielleicht sogar deshalb<br />

– wird allem viel Bedeutung beigemessen. Es wird in<br />

inhaltsarmen Texten, Stücken, Reden, Filmen etc. fett<br />

geschrieben, kursiv betont und bedeutungsvoll unterstrichen.<br />

Eine kleine Satire.<br />

Es ist Sonntag. Ein vernieselter, trüber Sonntag, dessen<br />

Sonne am 12. Februar schon um vier Uhr nachmittags<br />

nicht mehr zu sehen war. Eigentlich ein perfekter Tag<br />

für einen Theaterbesuch, dachte ich mir; und so ging<br />

ich in die Nachmittagsvorstellung des „Kirschgartens“<br />

von Anton Tschechow. Inszeniert wurde das Stück,<br />

das u.a. die politischen, wirtschaftlichen und damit<br />

auch sozialen Umwälzungen in Russland am Beginn<br />

des 20. Jh. thematisiert, von Paolo Magelli. Das Gesehene<br />

war Gott sei Dank kein abstraktes Autorentheater,<br />

wie es zurzeit fast überall grassiert. Aber dennoch<br />

konnte diese sonst sehr originalgetreue Darstellung<br />

etwas nicht außen vor lassen, was heute angeblich<br />

„gutes“ Theater ausmacht: Nacktszenen.<br />

Ja, Nacktszenen. Sie werden immer häufiger eingebaut,<br />

um die Gesellschaft zu schockieren und um sie<br />

aus ihrem Konsumrausch wachzurütteln!<br />

Dabei stellt sich die Frage, woher dieser Irrglaube<br />

kommt. Meines Erachtens sind diese „extremen“ Darstellungsweisen<br />

nämlich heute eben schon zur Normalität<br />

geworden. Dabei ist vor allem zu erwähnen,<br />

dass sie nicht die notwendige Folge des Epischen<br />

Theaters nach Brecht und auch nicht eine gesteigerte<br />

Form des Absurden Theaters wie bei Samuel Beckett<br />

sind. Sie sind vielmehr eine reine Adaption der übertriebenen<br />

Sexualität und Provokation in der Popkultur.<br />

Denn die Zeiten, in denen Nacktszenen oder Provokationen<br />

wie die Besudelung einer Leinwand, auf<br />

der Christus abgebildet ist, dem Publikum wirklich<br />

die vielgeschändeten Augen öffnen, sind längst vorbei.<br />

Durch die medienbedingte Verrohung betrachtet<br />

unsere Gesellschaft genau das als normal, was Großmüttern<br />

früherer Generationen noch einen ordentli-<br />

Seite 12<br />

chen Herzinfarkt bereitet hätte.<br />

Die Kunst ordnet sich also – wie es scheint – gerade<br />

in ihrem angeblichen Non-Konformismus der öffentlichen<br />

Meinung und den öffentlichen Gelüsten unter,<br />

anstatt diese zu hinterfragen und dem Publikum bewusst<br />

zu machen.<br />

Aber schließlich sind selbst Kritiker wie ich nur Sklaven<br />

der Hypokrisie. Wie jeder gute Theatergänger<br />

stand ich nämlich während der Pause gut eine Viertelstunde<br />

bei Bekannten, die ich dort zufällig getroffen<br />

habe. Ich palaverte bei einem leckeren Fruchtsäftchen<br />

darüber, wie gut die Räumlichkeit in der Inszenierung<br />

ausgenutzt werde, über den Hustenreiz einer Frau,<br />

die zwei Sitze neben mir ein wahres Fellknäuel auszuspeien<br />

schien und, schließlich, auch über die erste<br />

Nacktszene des Dramas. Und ich bin meinen dortigen<br />

Gesprächspartnern unendlich dankbar, dass sie diese<br />

Szene, noch vor mir, als unnötig bezeichneten. Ich atmete<br />

daraufhin erleichtert auf und genoss den Fruchtsaft,<br />

den sie mir spendiert hatten, gleich ein bisschen<br />

mehr. Ich spürte die Fruchtstückchen der Orange und<br />

ging zufrieden in den zweiten Teil der Vorstellung,<br />

die sich leider niveautechnisch nicht wirklich steigern<br />

konnte. Als die Lichter aber schließlich angingen und<br />

ich das Gebäude verlassen hatte, blickte ich in die am<br />

Anfang erwähnte, verfrühte Dunkelheit. „Hoffentlich“,<br />

dachte ich, „regnet‘ s nicht.“


Was wurde eigentlich aus<br />

von Bastian Riccardi<br />

Was wurde aus Elden Spencer?<br />

Wer kennt diesen Namen? Wahrscheinlich nicht viele.<br />

Aber ein Bild von ihm haben schon fast alle einmal in<br />

ihrem Leben gesehen. Eines der bekanntesten Cover-<br />

Bilder weltweit. Besser gesagt handelt es sich um das<br />

Nirvana-Cover des Albums „Nevermind“, wo er als<br />

vier monate altes Baby abgebildet ist - unter Wasser<br />

und er schwimmt einer ein Dollar Note hinterher,<br />

die an einem Angelhaken hängt. Seine Eltern bekamen<br />

dafür 200 Dollar und Courtney Love und Kurt<br />

Spencer als Baby und als Zehnjähriger<br />

Seite 13<br />

Cobain versprachen, mit ihm Abendessen zu gehen,<br />

wenn er alt genug sei. Dazu kam es aber aufgrund des<br />

Selbstmordes von Cobain nicht.<br />

Geboren wurde Elden am 7. Februar 1991. Und 2001,<br />

also mit 10 Jahren, ließ er sich noch einmal abbilden,<br />

für das zehnjährige Cover- Jubiläum. 2003 ließ er sich<br />

auch für das Cevin-Key-Album „The Dragon Experience“<br />

fotografieren. Danach machte er nichts Aufregendes<br />

mehr. Er besuchte ein College und ist mittlerweile<br />

nur mehr echten Nirvana Fans bekannt.<br />

Spencer auf dem Dragon<br />

Experience Album


Was wurde aus Materazzi und Zidane?<br />

Diese zwei Namen wird wahrscheinlich jeder kennen,<br />

vor allem nach der Fußball-WM 2006 in Deutschland.<br />

Damals, am 9. Juli 2006, beendete Zidane mit einem<br />

Kopfstoß Frankreichs WM-Träume – und verpasste<br />

seiner Karriere gleichzeitigen einen dauerhaften<br />

Knacks. Getroffen hatte er den italienischen Innenverteidiger<br />

Marco Materazzi. Dieser hatte ihn<br />

zuvor provoziert und bekam dann per Kopf die<br />

Quittung. Kurz darauf kursierte im Internet bereits<br />

ein Lied über diese Tätlichkeit. Zudem hatte dieser<br />

Ausraster Zidanes für beide noch Folgen, denn beide<br />

mussten eine Strafe zahlen und Materazzi wurde<br />

für zwei Qualifikationsspiele für die EM 2008<br />

Seite 14<br />

gesperrt. Mittlerweile ist auch bekannt, was Materazzi<br />

Zidane sagte, um ihn so ausrasten zu lassen.<br />

2007 gab er darüber ein Buch heraus,<br />

jedoch ohne großen Erfolg.<br />

Der heute 39-jährige Verteidiger ist momentan<br />

vereinslos und man hört nicht mehr viel von ihm.<br />

Zidane hingegen gilt in Frankreich immer noch<br />

als Ikone. Er betätigt sich mittlerweile bei diversen<br />

Hilfsorganisationen, dazu kommen Werbespots<br />

für namhafte Firmen und ein Engagement<br />

als Co-Kommentator bei Canal plus.


Was wurde aus Margaret Thatcher?<br />

Wer kennt diese Frau noch? Jeder, der sich mit<br />

Politik beschäftigt, sollte aber einmal von ihr gehört<br />

haben: Margaret Hilda Thatcher, Baroness<br />

Thatcher of Kesteven heißt sie mit vollem Namen.<br />

Sie war eine britische Politikerin und von 1975-<br />

1990 Premierministerin des Vereinigten Königreichs<br />

von Großbritannien. Sie hatte damit nicht<br />

nur die längste Amtszeit seit 150 Jahren, sondern<br />

war auch noch die erste Frau in diesem Amt.<br />

1995 erhielt sie den höchsten Orden Englands,<br />

den Hosenbandorden. Zudem ist sie Ehren- und<br />

einziges weibliches Vollmitglied des renommierten<br />

Carlton Clubs. Seit Februar 2007 befindet sich<br />

im Foyer des britischen Parlaments, dem Palace of<br />

Westminster, eine vom Bildhauer Antony Dufort<br />

geschaffene überlebensgroße Bronzestatue von ihr.<br />

Was wurde aus Guantanamo?<br />

Guantanamo ist wohl das bekannteste Gefängnis<br />

der Welt. Die Bilder von den Gefangenen<br />

mit den orangefarbenen Overalls sind weltbekannt.<br />

Doch mittlerweile ist das Gefängnis<br />

in Vergessenheit geraten - oder doch nicht?<br />

Guantanamo ist ein Stützpunkt der US Navy, der<br />

sich im Süden der Insel Kuba befindet. 2002 wurde<br />

dieser Stützpunkt um ein Internierungslager,<br />

sprich Gefängnis, erweitert. Kurz nach der Eröffnung<br />

wurden Menschenrechtsorganisationen<br />

laut, die eine sofortige Schließung forderten, da<br />

Verhörmethoden, Rechtslagen der Gefangenen<br />

und die Haftbedingungen gegen die Menschenrechte<br />

verstoßen. Auch europäische Politiker<br />

fordern eine Schließung, sind aber nicht dazu<br />

bereit, Häftlinge aufzunehmen.<br />

Seite 15<br />

Sie hatte große Kritiker, jedoch auch große Fans.<br />

Dies zeigte sich in zwei Umfragen, welche 2002<br />

und 2003 durchgeführt wurden. Demnach ist<br />

sie auf Platz 16 der 100 berühmtesten Briten aller<br />

Zeiten und auf Platz 3 der 100 unpopulärsten.<br />

Mitte 2008 wurde bekannt, dass sie inzwischen unter<br />

fortgeschrittener Demenz leidet. Ihre Tochter Carol<br />

Thatcher thematisierte Thatchers Erkrankung 2008<br />

in einem Buch. 2011 erschien eine Filmbiografie mit<br />

dem Namen „The Iron Lady“ („Die eiserne Lady“).<br />

Gespielt wird Thatcher darin von Maryl Streep.<br />

Den Namen „Iron Lady“ bekam sie übrigens<br />

1976 von einem Moskauer Radiosender, nachdem<br />

sie in einer Ansprache die „bolschewistische<br />

Sowjetunion“ scharf attackiert hatte.


Es gibt drei Camps: Camp X-Ray, welches bereits<br />

geschlossen wurde, Camp Delta und<br />

Camp Iguana, welche noch in Betrieb sind.<br />

2009, als Obama ein Dekret zur Schließung unterschrieb,<br />

befanden sich noch 245 Gefangene in Guantanamo.<br />

Mittlerweile sitzen dort noch 171 Häftlinge und<br />

die endgültige Schließung erweist sich als schwerer als<br />

gedacht. Obama hat es trotz seines Versprechens noch<br />

nicht geschafft, Guantanamo zu schließen. Doch auch<br />

wenn dieses Thema momentan in den Medien nicht mehr<br />

so präsent ist, wird es wahrscheinlich rechtzeitig zu den<br />

Wahlen wieder aufkommen, um Wähler zu gewinnen.<br />

Seite 16


Bosnienreflexionen<br />

Im Augenblick würde ich mich einem Chimäre, halb<br />

Schwamm, halb Kuh, vergleichen: Während unserer<br />

Bosnienreise habe ich so viel aufgesaugt, wie ich nur<br />

konnte, und nun gilt es, all diese Erlebnisse, Informationen<br />

und Gedanken wiederzukauen.<br />

Wiederkäuer sind nicht die dümmsten Lebewesen;<br />

aber gerade Leuchten im Tierreich sind sie auch nicht.<br />

Also, die Gedanken einer Kuh sind nicht zu ernst zu<br />

nehmen.<br />

Wenn ich an den 24. April zurückdenke, an den Vortrag<br />

Doktor Schneebachers über Weltwirtschaftskrise,<br />

Banken und Euro, scheint mir eine Ewigkeit<br />

vergangen zu sein. Am selben Samstagabend waren<br />

wir schon in Zagreb und siehe da, genau das, wovon<br />

wir am Vormittag gehört hatten: Überall österreichische<br />

Konzerne: Kika, Spar…Globalisierung! “Muh,<br />

das werden schon noch die Überbleibsel der K.u.K-<br />

Zeit sein!“, schoss es mir durch den Kopf. In Sarajevo<br />

konnte man auch noch zwischen Gebäuden aus der<br />

Donaumonarchie im Jugendstil und gleich darauf<br />

zwischen niederen Häusern, Bazaren und Minaretten<br />

herumspazieren. Ein Konglomerat nicht nur verschiedener<br />

Stile, sondern auch verschiedener Religionen.<br />

Wir haben Menschen verschiedener Religionen und<br />

Konfessionen getroffen: Muslime, Juden, Katholiken,<br />

Serbisch- Orthodoxe: All diese Menschen leben im<br />

selben Staat…das richtige Wort wäre jetzt „zusammen“.<br />

Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob man das<br />

wirklich Zusammenleben nennen kann. Ja, die Menschen<br />

leben schon in den gleichen Städten, kaufen oft<br />

in den gleichen Geschäften ein, aber zusammen leben<br />

ist das (noch) nicht. Man merkt es nicht gleich, aber<br />

die Wunden des Krieges sind noch spürbar. Serbisches<br />

Bier in serbischen Lokalen, bosnisches in bosnischen<br />

Bars. Aber niemand hat mit uns offen über<br />

den Hass gesprochen, denn wir kamen hauptsächlich<br />

mit Menschen in Kontakt, die eine gemeinsame<br />

Zukunft sehen. Diese Begegnungen mit Menschen<br />

sind das Tiefste und Schönste, was ich wiederzukauen<br />

habe. Lessings Ringparabel ist mir eingefallen, als<br />

wir bei einem muslimischen Imam, einer Art Pfarrer,<br />

zu Besuch waren. Er hat uns alle Fragen über Frauenrechte<br />

im Islam, Terror, Zusammenleben und noch<br />

vieles mehr kompetent und überzeugend beantwortet.<br />

Hauptsächlich sind mir jedoch zwei Sachen klar<br />

Seite 17<br />

geworden: Bosnien ist ein Land, in dem Orient und<br />

Okzident sich getroffen haben und treffen. Der Islam<br />

hier ist europäisch das heißt, man merkt oft keinen<br />

Unterschied zwischen muslimischen Familien und<br />

christlichen; kein Burka oder ähnliches!<br />

Ins Bewusstsein eingedrungen ist mir auch die Situation<br />

hierzulande. Um unsere Welt zu überblicken,<br />

muss man weit weg, auf den Mond, gehen. Von dort<br />

erscheint sie schimmernd schön, aber klein, sehr klein<br />

und unbedeutend im Vergleich zum Rest des Alls.<br />

Hauptsächlich aber nicht zu perfekt und fortgeschritten,<br />

wie wir sie zu sein glauben. „Leben wir hier in<br />

Südtirol, der Schnittstelle zwischen Norden und Süden,<br />

bereichert? Leben wir wirklich miteinander und<br />

nicht nebeneinander? Ist es überhaupt möglich?“ Das<br />

sind Fragen, auf die mir Antworten fehlen.<br />

Das Zäheste, was ich wiederzukauen habe, ist jedoch<br />

der Krieg: Für mich ist er Geschichte. Ich war gerade<br />

dabei, sprechen zu lernen, als er aufhörte. Für mich<br />

waren die Gräber und die Massaker der Armee der<br />

„Republika Srpska“ gleich schrecklich, aber auch<br />

gleich weit entfernt wie die Gräueltaten Hitlers und<br />

seiner Schergen. Ich habe nur noch einige Einschusslöcher<br />

in den Häusern gesehen; nichts im Vergleich<br />

-glaube ich - zum Leid, das die Menschen ertragen<br />

mussten. Doch was mir zu schaffen machte und zu<br />

schaffen macht, sind die Verantwortlichen für die<br />

Massaker. Und verantwortlich sind sie alle: Serben,<br />

Bosniaken und Kroaten. Wie kann ein Mensch, ein<br />

Mann, jetzt im Alter meines Vaters, hunderte Leute<br />

erschießen, foltern, schlagen, vergewaltigen und nun<br />

normal weiterleben, eine Familie haben, Kinder haben?<br />

Wie kann er mit sich selbst zurechtkommen?<br />

Vielleicht hat der Dorfpolizist hunderte Leute erschossen?<br />

Vielleicht der Bäcker? Vielleicht der Nachbar?<br />

Nicht alles war jedoch so trübe. Ich bin lachend hingefahren<br />

und komme auch so zurück. Die Wiesen<br />

und Weiden - eine Kuh schaut auf solche Dinge - waren<br />

noch nicht grün, die Landschaft noch grau und<br />

ermüdet vom harten Winter, doch der Frühling war<br />

schon spürbar; wir waren nur zu früh dort!

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