N r. 1 2010 N r. 1 2010 - Galerie Laterne
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Nr.<br />
LaTerne LaTerne<br />
Ausstellung MARKUS GRUNER - <strong>Galerie</strong> LATERNE Chemnitz vom 12.04. bis 09.06. <strong>2010</strong> Nr. 1 1 <strong>2010</strong> <strong>2010</strong><br />
K u n ss t t z z e e i i t t u u n n g g
A u s s t e l l u n g v o n<br />
M A R K U S G R U N E R<br />
in der <strong>Galerie</strong> LATERNE<br />
A u s s t e l l u n g s g e s p r ä c h<br />
F o t o s : M a r k o N e u m a n n
F r a g e n a n M a r k u s G r u n e r<br />
Red.: Du bist nun schon einige Zeit <strong>Laterne</strong>-Mitglied, aber so<br />
genau kennen wir deine Arbeit und deine Tätigkeit noch nicht<br />
– da ist es ganz gut, wenn wir eine Ausstellung in der <strong>Laterne</strong><br />
machen und dazu einen ausführlichen Artikel über dich in<br />
der gleichnamigen Zeitung abdrucken. Auf deiner Internetseite<br />
stellst du verschiedene Bereiche deiner Arbeit vor: Bronze,<br />
Grafik, Literatur und Reisen. Wir fangen mal mit der Bronze an.<br />
Diese Gießtechnik - soweit ich weiß, gießt du selbst - ist ja für<br />
den Hausgebrauch nicht ganz einfach. Wie kann man sich das<br />
vorstellen?<br />
Markus Gruner: Der Bronzeguß ist eine sehr alte<br />
Technik. Schon in der Antike wurde diese Technik<br />
mit einfachen Mitteln realisiert. Ich habe mir den<br />
Prozess vor einigen Jahren bei jemand anders angeschaut<br />
und habe gedacht, das kann ich auch, das<br />
kann ich vielleicht besser. Dann habe ich angefangen<br />
selber etwas zu improvisieren, da habe ich mir<br />
eine Esse gebaut, ein Gebläse gebaut…<br />
Dann gibt es noch diverse Zutaten wie den Formsand<br />
etc. .. Im Prinzip ist es ein relativ einfacher Prozess,<br />
den man immer wieder umsetzen und wiederholen<br />
kann. Das mache ich seit einigen Jahren und<br />
ich denke die Ergebnisse werden immer besser.<br />
Red.: Die Exponate, die ich kenne, sind ja eher kleine Teile. Ist<br />
das bedingt durch die Schwierigkeiten beim Guss großer Plastiken,<br />
oder ist für dich diese Kleinkunst das Gebiet, auf dem du<br />
dich bewegen möchtest?<br />
Markus Gruner: Ich möchte schon in diesem<br />
Bereich bleiben. Selbst größere Sachen, die man<br />
von anderen Künstlern kennt, sind nicht in einem<br />
Stück gegossen, sondern sind später zusammengeschweißt.<br />
In dem, was ich als Ein-Mann-Armee leisten<br />
kann, bewegen sich die Arbeiten in der Größe,<br />
wie ich sie auch zur Ausstellung in der <strong>Laterne</strong><br />
zeigen werde.<br />
Red.: Man stellt sich das doch etwas kompliziert vor. Die hohen<br />
Temperaturen bedingen einen gewissen Arbeitsschutz und<br />
wenn man das im Hof eines bürgerlichen Hauses betreibt, so<br />
gibt es da bestimmt einige unliebe Anfragen.<br />
Markus Gruner: Ich mache das nicht im Hof eines<br />
bürgerlichen Hauses. Ich habe da eine gewerbliche<br />
Fläche zu Verfügung, wo ich das machen kann. Der<br />
Vorgang erscheint auf den ersten Blick komplex,<br />
aber wenn man dann in diese verschiedenen Prozesse<br />
untergliedert, so sind die für sich genommen<br />
relativ einfach. Man muss eine gewisse Reihenfolge<br />
einhalten. Wenn man dieser logischen Abfolge treu<br />
bleibt, wird man hinterher auch ein akzeptables Ergebnis<br />
erzielen.<br />
Red.: Es wäre verständlicher, wenn du mal in groben Zügen<br />
die Arbeitsgänge beschreibst.
Abb.: Zwei Seiten aus dem Kinderbuch „Meine erste Hochzeit“ von Sylvia Graupner; Abb. unten: Porträt Sylvia Graupner - Foto: Marko Neumann
Markus Gruner: Ich beschränke mich mal auf den<br />
Sandguss. Das heißt nicht mit Sand gießen. Er ist<br />
beim Bronzeguss das wesentlichste Material. Es beginnt<br />
damit ein Modell zu bauen, das genauso aussieht<br />
wie das spätere Produkt. Dieses Modell wird<br />
im Formsand eingebettet. Dieser wird verdichtet.<br />
Der Sand nimmt dann die Kontur des Modelles an.<br />
Das Modell wird entnommen und der Formsand ist<br />
dann so steif, dass er eine feste Oberfläche bildet.<br />
Die Kontur bleibt somit erhalten, auch wenn ich das<br />
Modell entnommen habe.<br />
In den Formsand werden dann Gusskanäle, Luftkanäle<br />
- und alles was ich sonst noch gegossen haben<br />
möchte - geschnitten. Das können z.B. Nietvortsätze<br />
sein oder andere Sachen, die ich später<br />
noch brauche. Wir haben dann einen Luftraum im<br />
eingebetteten Formsand.<br />
Jetzt kommen wir zur Bronze. Sie ist eine Legierung,<br />
eine Mischung aus unterschiedlichen Metallen.<br />
Es ist meistens ein hoher Anteil Kupfer und ein<br />
geringerer Anteil Zinn. Es gibt noch Bleibronzen<br />
und die Geschichte kennt die Arsenbronzen – damit<br />
begann eigentlich alles. Heute nimmt man das<br />
kaum noch, weil man ja doch irgendwie am Leben<br />
hängt. Heute sind Zinnbeimischungen das Übliche,<br />
aber auch Blei und Zinklegierungen, dann nennt<br />
man das Messing. Dieses Stoffgemisch muss ich<br />
herstellen. Wenn ich das selber mache, schmelze<br />
ich mir ein Kupfer auf, bei 1100 Grad und dann<br />
gebe ich den entsprechenden Zuschlagstoff hinzu<br />
Zinn, Blei etc. jenachdem, was ich haben will. Mit<br />
dem, was ich dazugebe, ändern sich natürlich auch<br />
die Eigenschaften der Bronze. Im flüssigen Zustand<br />
wird dann der Zuschlagsstoff hinzugegeben und<br />
gemischt und dann muss alles überhitzt werden.<br />
Das heißt, es reicht nicht, wenn es gerade so flüssig<br />
ist, sondern ich muss noch zusätzlich Temperatur<br />
hinzugeben, damit es nicht sofort erstarrt,<br />
wenn ich es eingieße. Man muss noch beim Gießen<br />
darauf achten gewisse Schlacken zurückzuhalten<br />
und mit Flussmitteln die Schmelze geschmeidiger<br />
zu machen. Dann wird gegossen, soviel, dass die<br />
Schmelze mindestens in den Gusstrichter steigt. Der<br />
gefüllte Gusstrichter erzeugt zusätzlich noch einen<br />
gewissen Druck, so dass die Form sich vollständig<br />
füllt. Die Temperatur erzeuge ich mit Steinkohlekoks<br />
und einem Gebläse. Nach einer gewissen Abkühlung<br />
kann ich die Form aus den zweischaligen<br />
Formkästen entnehmen. Der Formsand muss entfernt<br />
werden. Wenn das Teil geworden ist, beginnt<br />
die Nachbearbeitung. Die ist mindestens noch einmal<br />
so aufwendig wie das Gießen selbst. Wenn es<br />
nichts geworden ist, was hin und wieder auch mal<br />
vorkommt – allerdings mit fallender Tendenz – wan-
dert es wieder in den Tiegel und wird aufgeschmolzen.<br />
In diesem Kreislauf bewegen wir uns schon<br />
seit vielen tausend Jahren.<br />
Red.: Warum hast du dich entschlossen so ein kompliziertes<br />
Handwerk selbst auszuführen und nicht einfach mit einem<br />
Modell einer Plastik in eine Werkstatt zu gehen und dort deine<br />
Ideen umsetzen lassen?<br />
Markus Gruner: Das ist für mich keine Option,<br />
weil ich ein recht intensives Verhältnis zum Feuer<br />
habe. Das begann schon mit 4 Jahren, als eine<br />
Streichholzschachtel in der Hand explodierte. Da<br />
wurden tiefergehende Interessen geweckt. Das hat<br />
sich wie ein roter Faden durchgezogen bis jetzt.<br />
Jetzt bei der Bronze habe ich diesen Faible für das<br />
Feuer in etwas Konstruktiveres umgesetzt.<br />
Red.: Beim Bronzeguss hat man wahrscheinlich auch ein Materialproblem,<br />
woher bekommt man das Zeug? Sicher ist es<br />
möglich auch andere Materialien zu verwenden – gibt es da<br />
geheime Rezepte?<br />
Markus Gruner: Im Prinzip kann man ja fast alles<br />
gießen, was man bei 1100 Grad aufschmelzen kann.<br />
Aluminium, Silber, Kupfer, Messing das ist alles<br />
möglich. Kupfer kann man über jeden Schrotthan-<br />
del bekommen, Zinn, Blei oder anderes natürlich<br />
auch. Die Materialkosten sind in den letzten Jahren<br />
enorm angestiegen. Aber wer in Bronze arbeiten<br />
will, muss das aufbringen.<br />
Red.: Das ist eine ganze Menge Wissen, das du dir angeeignet<br />
hast. Bist du Autodidakt?<br />
Markus Gruner: „Ich bin mein eigener Meister<br />
– wenn auch ein schlechter.“ so sagt man. 80 bis<br />
90% habe ich mir selber angeeignet – einfach durch<br />
„learnig by doing“. Ich habe viele Sachen ausprobiert<br />
nach intensivem Bücherstudium. Vor allem<br />
handwerkliche Sachen wie das Emaillieren oder<br />
Pressblecharbeiten, die historische Bezüge haben.<br />
Hier steht die Frage, wie man die historischen Techniken<br />
heute künstlerisch umzusetzen kann.<br />
Red.: Wenn ich an Bronzeguss denke, kommt gleichzeitig bei<br />
mir die Vorstellung vom Glockenguss im späten Mittelalter.<br />
Wandernde Handwerker, die nach jeweiligem Bedarf vor Ort<br />
gießen und das Nötigste mitbringen. Wäre es dir möglich in<br />
solchen Dimensionen und mit solchen Anliegen zu arbeiten?<br />
Anders gefragt kannst du dir vorstellen als Wanderarbeiter nach<br />
Aufträgen zu arbeiten?<br />
Abb. oben: Markus Gruner im Gespräch; Foto: Marko Neumann;<br />
Abb.: „Müllfahrer“ von Sylvia Graupner; Abb. rechts und links: Porträt Sylvia Graupner - Foto: Marko Neumann
Markus Gruner: Glockenguss reizt mich in dem<br />
Sinne nicht. Ich könnte da zwar stundenlang zuschauen,<br />
aber selbst möchte ich es nicht machen.<br />
Meine Arbeitsutensilien könnte ich eigentlich<br />
überall aufbauen, aber wenn ich rumziehen würde,<br />
würde ich mich gewissen Unwägbarkeiten<br />
aussetzen, die ich im Vorfeld nicht alle kalkulieren<br />
kann. Darauf bin ich nicht ausgelegt. Außerdem<br />
hat der Glockenguss einen stark religiösen Aspekt,<br />
dem ich stark distanziert gegenüber stehe.<br />
Red.: Wie sieht dein Blasebalg aus und wer bedient den<br />
während des Gusses?<br />
Markus Gruner: Der ersten Schritte wurden sicherlich<br />
mit einem Blasebalg getan. Oder man hat<br />
verschiedene Schmelzöfen so an den Hang gebaut,<br />
dass sie im Zusammenhang mit einer hohen<br />
Esse von selber ziehen und kein Blasebalg nötig<br />
ist. Wenn ich jetzt gieße, habe ich ein Gebläse.<br />
Zum Vorführen verwende ich eine dreiviertel Ziege<br />
mit einem Snüffelstück.<br />
Red.: Der Guss selbst hat sicher etwas Faszinierendes – nicht<br />
umsonst nennst du deine Internetseite Metamorphosen. Es ist<br />
sicher auch ein alchemistischer Prozess. Was wandelt sich zusätzlich<br />
zur Form des Metalls noch um?<br />
Markus Gruner: Sachen, die früher mal eine andere<br />
Bestimmung hatten, werden durch Veränderung<br />
- wie verformen, treiben, hinzufügen oder<br />
wegnehmen etc. schon vor dem Gießen von ihrer<br />
ehemaligen Zweckbestimmung entfernt. Dann<br />
beim Gießen holt man aus dem Material eine andere<br />
Bestimmung heraus, die im Material steckt<br />
und nicht sichtbar ist, aber schon immer da war. Das<br />
Feuer ist der große Reiniger, der große Verformer.<br />
Das Feuer ist das Mittel zum Zweck.<br />
Red.: Wie kann man sich die Nachbereitung vorstellen und in<br />
welchen Auflagen produzierst du? Wie unterscheidet sich das<br />
Ergebnis von der verlorenen Form?<br />
Markus Gruner: Im Prinzip ist es möglich, wenn<br />
ich ein Modell habe unbegrenzt davon Abgüsse zu<br />
produzieren. Ich arbeite im Bereich von Kleinserien<br />
ca. 10 – 20 Stück. Das liegt in meinem Willen, wieviel<br />
ich mach. Verglichen mit dem Wachsausschmelzverfahren<br />
geht das, was ich mache, schneller.<br />
Es hat Vor- und Nachteile. Ich habe beim Sandguss<br />
da eher großen Aufwand bei Hinterschneidungen,<br />
die ohne komplexe Sandkeile nicht so<br />
leicht zu realisieren sind.<br />
Red.: Hat nicht schon das Material so einen starken ästhetischen<br />
Reiz, dass schon ein herumliegendes Stück Bronze anregend<br />
auf den Geschmack wirkt. Wo ist bei dir der Übergang<br />
zum Schmuck?<br />
Markus Gruner: Ich trenne Sachen, die künstlerischen<br />
Anspruch haben schon sehr deutlich von<br />
dem, was ich als Schmuck bezeichnen würde. Der<br />
normale Umgang mit einer künstlerischen Bronze<br />
ist so, dass man das Metall nicht zeigt. Man versteckt<br />
es unter einer Patina. Dieser Umgang ist<br />
schon sehr alt und geht bis auf die Römer zurück.<br />
Obwohl die Bronze nun schon selber einen wunderbaren<br />
goldenen Farbton hat abhängig davon, wie<br />
ich sie legiere. Ich werde in der Ausstellung künstlerische<br />
Plastik zeigen, die an manchen Stellen Bronze<br />
durchschimmern lassen. Schmuck und Plastik sind<br />
für mich zwei Paar Schuhe, die man getrennt betrachten<br />
sollte.<br />
Red.: Zu einem weiteren Arbeitsbereich gehören die Wandbilder.<br />
Welche Größe erreichen sie? Gibt es da andere technische Anforderungen<br />
und motivisch gesehen andere Themen?
Abb. links: Hand mit Kugel - Bronze - von Markus Gruner; Abb. oben: Detail (Ausgangsmaterial) aus dem Atelier von M. G. Foto: Marko Neumann<br />
Markus Gruner: Die reinen Plaketten bewegen<br />
sich in der Größe einer Seitenlänge von ca. 20-30<br />
Zentimetern. Meine größten Formen haben einen<br />
halben Meter Länge. Man kann noch auf den offenen<br />
Herdguss zurückgreifen, da wird nur einseitig<br />
abgeformt. Die andere Seite liegt offen, die kann<br />
frei verzundern. Hat den Vorteil, dass man keine<br />
zwei Seiten einbetten muss und die Bronze kann<br />
mit dem Tiegel frei aufgetragen werden. Die Arbeiten<br />
sind im größeren Umfange zufallsgesteuert.<br />
Red.: Die plastischen Arbeiten, die ich gesehen habe, wirken<br />
auf mich paläontologisch. Mich erinnert das an vorsteinzeitliche<br />
Wälder mit riesigen Insekten, mächtigen Farnen, verschlungenen<br />
Lianen und tropischen heißen Temperaturen. Wie siehst<br />
du selbst deine Motive?<br />
Markus Gruner: Aus meiner Sicht sind das Strukturen,<br />
besser gesagt Oberflächen, die das widerspiegeln,<br />
was du sagst. Ich habe das das erste Mal<br />
in Südschweden gesehen. Dort gibt es Felszeichnungen,<br />
die neolithisch sind, 7000-9000 Jahre vor<br />
Abb.: „Abwarten und Teetrinken“ von Sylvia Graupner; Abb. links: Porträt Sylvia Graupner - Foto: Marko Neumann
Christus. Diese relativ einfachen Felszeichnungen<br />
haben mich animiert Abreibungen vorzunehmen.<br />
Diese Abreibungen, später auch von Holz, haben<br />
dann in Xerographien in diese Trockendrucktechnik<br />
gemündet. Ein Prozess, der sich primär mit den<br />
Strukturen der Oberfläche beschäftigt. Diese zum<br />
Teil amorphen Flächen üben auf mich einen großen<br />
Reiz aus. Beim Gießen spielt auch der Zufall eine<br />
große Rolle und somit sind das, was dort entsteht<br />
Unikate.<br />
Red.: Nun zur Literatur, du hast zwei Bücher auf deiner Internetseite<br />
vorgestellt. Ein Lyrik- und Aphorismenband sowie eine Reiseschilderung.<br />
Sie sind wohl Produkte im Eigenverlag - kannst<br />
du kurz beschreiben, wie das geht?<br />
Markus Gruner: Diese Dinge sind kein Dauerzustand,<br />
das waren Sachen, wo es gut war sie mal gemacht<br />
zu haben. Das erste Buch beschäftigt sich mit<br />
einer Schottlandreise, die ich 1994 unternommen<br />
habe. Ich war dort einen Monat unterwegs von<br />
den Shettlandinseln bis nach Centire . Ich bin dort<br />
mit dem Bus gefahren und habe viele Reiseskizzen<br />
hergestellt. Es war mir hinterher ein Bedürfnis diese<br />
Erlebnisse auch mitzuteilen. Unterwegs ist diese<br />
Möglichkeit nur eingeschränkt da. Durch dieses<br />
Buch konnte ich das für mich selbst noch einmal rekapitulieren.<br />
Am Ende habe ich es auch für mich gemacht,<br />
um die Reise noch einmal vor Augen zu haben.<br />
Ich habe dort versucht verschiedene Elemente<br />
zu integrieren Tagebuch, Reiseskizzen etc.<br />
Damals hatte ich noch engere Beziehungen zu<br />
einem kleinen Verlag und habe gute Konditionen<br />
bekommen für einen Vertrag und es sind 500 Exemplare<br />
gedruckt worden. Später dann 2004 habe ich<br />
versucht viele Gedichte in ein Buch unterzubringen,<br />
die mit meinen persönlichen Umständen was zu tun<br />
haben.<br />
Red.: Wie heißen die Dämonen bei dir? Weil es heißt, dass du sie<br />
namentlich kennst. Zumindest behauptet das der Titel deines<br />
Gedichtbandes.<br />
Markus Gruner: Ich kenne sie auch, aber sie sind<br />
persönlicher Natur. Es heißt ja auch, wenn man den<br />
Namen einer Sache kennt, dann hat man Macht darüber.<br />
So ist es auch mit den eigenen Dämonen. Die<br />
Frage ist natürlich, wie man sich dem stellt – ob man<br />
akzeptiert, dass sie existent sind, mit ihnen umgehen<br />
und leben lernt oder sie verdrängt und sie unterschwellig<br />
ihr Eigenleben weiterführen bis sie an<br />
einer Stelle nach außen brechen in einer Art und<br />
Weise, die man schwer kanalisieren kann.<br />
Die Namen meiner Dämonen sind meine Namen,<br />
jeder hat seine eigenen.<br />
Red.: Du hast dort eigene Illustrationen mit aufgenommen,<br />
wie hast du versucht Text und Bild zu verbinden? Die paläontologische<br />
Struktur und deine jetzigen Dämonen?<br />
Abb. links: Arbeiten von Markus Gruner; Abb. rechts: Markus Gruner und Andreas Schüller im Gespräch Foto: Marko Neumann<br />
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Abb.: „Loreley“ von Sylvia Graupner; Abb. links: Sylvia Graupner im Gespräch mit Andreas Schüller - Foto: Marko Neumann
Markus Gruner: Die Strukturen finde ich ja nicht<br />
nur vor, sondern ich greife ja aktiv ein. Es gibt gewisse<br />
Vorlagen und die inspirieren mich. Die zeigen<br />
mir vor dem inneren Auge ein Bild. Die Dämonen<br />
ruhen ja , da die Bilder auch von mir kommen, mit<br />
in diesen drin. Bilder und Texte sind zwei Seiten der<br />
gleichen Münze.<br />
Red.: Woher kommt deine Neigung zu Reisen nach Nordwesteuropa?<br />
Sagen wir mal besser in Gegenden, die den Ruf<br />
voraus haben gewaltige Einöden zu sein.<br />
Markus Gruner: Was liest denn du für Bücher?<br />
Gewaltige Einöden habe ich noch nie vorgefunden.<br />
Ob Wales, Irland, Schottland, Färöer Inseln und<br />
Grönland - Einöden habe ich noch nie vorgefunden.<br />
Es mögen auf den ersten Blick kahle Landschaften<br />
sein. Eine Einöde ist was ganz anderes, das ist etwas<br />
Hoffnungsloses, dem bin ich noch nie begegnet. Es<br />
wird gesagt, dass die Halbinsel Skandia Gebärer<br />
großer Völkerschaften war. Der Norden ist die Wurzel<br />
vieler Geschichten und Sagen. Viele Sachen haben<br />
für mich ihre Wurzeln im Norden. So ist bei mir<br />
der innere Drang da die Sachen anzuschauen. Wie<br />
es manche nach dem Süden zieht, so zieht es mich<br />
nach dem Norden. Ich war dort nicht auf der Suche<br />
nach Einöde sondern nach Begegnungen, nach<br />
Relikten, nach Sachen, die mich mental befruchten<br />
konnten.<br />
Red.: Reisen ist eigentlich immer ein Thema, was die Leute interessiert,<br />
du hast viele Fotos gemacht und bietest jetzt Lichtbildvorträge<br />
an. Wird das angenommen, oder ist das eher selten,<br />
dass dich jemand anfordert?<br />
Markus Gruner: Ich habe eine Zeit lang relativ<br />
häufig Vorträge gehalten. Das ergab sich eher aus<br />
persönlichen Kontakten über den Verein Art Glouchowe<br />
mit der Frau Geithner z.B. wo ich eine Reihe<br />
von Vorträgen gemacht habe über Island, Schottland<br />
usw.. Es gab dafür eine Zeit, wo ich das recht<br />
ausgiebig betrieben habe. Nun ist der Abstand zu<br />
meinen Reisetätigkeiten größer geworden, auch<br />
durch persönliche Veränderungen, wie die Geburt<br />
meiner Tochter, sind das nun Sachen, die man nicht<br />
mehr so umsetzen kann. Für mich spielt das als Hintergrund<br />
immer noch eine Rolle, weil ich aber in<br />
den letzten Jahren nichts groß hinzufügen konnte,<br />
betreibe ich das jetzt nicht mehr so intensiv.<br />
Red.: Bringst du von deinen Reisen außer Bildern und Geschichten<br />
auch noch Artefakte wie Erde, Steine, Tierreste etc.<br />
mit und verwendest du diese Formen als Anregung für deine<br />
Arbeit?<br />
Markus Gruner: Ganze Tierreste – halbe Hammel<br />
habe ich nicht mitgebracht. Man findet natürlich<br />
immer wieder Sachen wie damals in Schweden diese<br />
Abreibungen. Da sich ein Monolith von 4 bis 5<br />
Tonnen schwer bewegen lässt, habe ich mich darauf
eschränkt diese Abreibungen zu machen. Für die<br />
Umwelt ist es auch besser die Steine dort hinzustellen,<br />
wo sie hingehören. Natürlich habe ich einige<br />
Kalksteine exportiert – mehrere Zentner. Diese haben<br />
dann auch Eingang gefunden in meine Arbeit.<br />
Sei es von der Struktur her, sei es als Sockel oder Basis<br />
für eine andere Arbeit. Ich habe natürlich auch<br />
Formen mitgenommen, die das Meer gebiert, das<br />
man auch einstecken kann. Sei es nur als Erinnerung,<br />
sei es als Anregung.<br />
Red. Du hast eine Technik entwickelt, die sich Xerographien<br />
nennt. Mir scheint aber es ist eine Mischtechnik aus verschiedenen<br />
Verfahren – Kannst du uns das mal näher beschreiben?<br />
Markus Gruner: Xerografie beschreibt eine Art<br />
Trockendrucktechnik. Meines Wissens gibt es niemanden<br />
anders, der die Sachen so herstellt, wie ich<br />
es gemacht habe. Die Basis ist immer eine Struktur,<br />
die ich abgenommen habe, auf die ich gestoßen bin,<br />
die mich angeregt hat, ein Motiv, das ich schon vor<br />
meinem inneren Auge habe, herauszuholen. Dazu<br />
habe ich mich eines kreativen Kopierers bedient.<br />
Kreativ nicht, dass er die Arbeit für mich erledigt,<br />
sondern dass er verschiedene Möglichkeiten der<br />
Anwendung hat. Ich habe dort kleinteilige, mikroskopische<br />
Strukturen genommen und in den Makrobereich<br />
transportiert auf Folien und gehe dann<br />
in diese Folien arbeitstechnisch hinein. Nehme Bereiche<br />
heraus, die ich nicht möchte oder bringe andere<br />
Bereiche hinein. Diese Sachen werden großformatig<br />
ausgedruckt. Meistens hinterlege ich das<br />
nicht ganz weiße Blatt mit Farbstrukturen. Hinterher<br />
arbeite ich dann mit Schablonen und weiterer<br />
Farbe um bestimmte Bereiche hervorzuheben. So<br />
hole ich eine kleinteilige Struktur in den Makrobereich<br />
und bringe die Geschichten, die dort versteckt<br />
sind ans Tageslicht.<br />
Red.: Woher kommt bei der Komposition das Gefühl der Klarheit?<br />
Markus Gruner: Die Klarheit liegt im Auge des<br />
Betrachters. Ich sehe sie sofort. Was die anderen<br />
dann drin sehen, das ist eben die Freiheit, die wir<br />
haben. Auch Dinge zu sehen, die der Titel nicht<br />
gleich offenbart.<br />
Red.: Was wirst du in der <strong>Laterne</strong> ausstellen?<br />
Markus Gruner: Bronze auf Schieferplatten,<br />
Skulpturen, Xerographien...<br />
Red. Wir danken für das Gespräch.<br />
Abb.: A r b e i t e n v o n M a r k u s G r u n e r
Strandgut<br />
Wir sind<br />
wie Treibholz<br />
mal hier, mal da<br />
zertrieben vom Wind<br />
schlagen aneinander<br />
reiben uns schartige Kanten<br />
doch gehen niemals<br />
unter<br />
Abb. links: M. Gruner; Abb. rechts: Grafik von M. Gruner Foto: Marko Neumann