Spracherwerbstheorien Behaviorismus Kritik am ... - UK-Online

Spracherwerbstheorien Behaviorismus Kritik am ... - UK-Online Spracherwerbstheorien Behaviorismus Kritik am ... - UK-Online

uk.online.uni.koeln.de
von uk.online.uni.koeln.de Mehr von diesem Publisher
25.10.2012 Aufrufe

SpracherwerbstheorienBehaviorismus • Nativismus • Kognitivismus • Interaktionismus • Konnektionismus Die extremste behavioristische Position behauptet, dass das Kind irgendwie registriert, wie häufig in der Erwachsenensprache, die es zu hören bekommt, einzelne Wörter neben einzelnen anderen erscheinen. So erwerbe es ein Sprachmodell, das alles über die relativen Häufigkeiten der einzelnen Wörter weiß. Bringt das Kind selber Sprache hervor, verknüpfe es die Wörter nach diesen ihren relativen Häufigkeiten zu Ketten, und das seien dann seine Sätze. Kritik am Behaviorismus • Der Behaviorismus wird vor allem einem der Design-Features der menschlichen Sprache in keiner Weise gerecht: der Offenheit bzw. Kreativität der Sprache. Wer den Behaviorismus ganz ernst nehmen wollte, müsste der Meinung sein, dass niemand jemals etwas wirklich Neues sagen könnte. Dass Kinder auf sprachliche Belehrungen nicht oder sogar negativ reagieren, spricht auch nicht gerade für den behavioristischen Ansatz. 1 3 5 Behaviorismus • Führt alle Leistungen auf Lernvorgänge zurück • Nichts ist ererbt außer einem universalen Lernmechanismus • Sprache lernen Kinder, weil sie die Sprache der Erwachsenen imitieren • Richtige Imitationen werden (direkt oder indirekt, z.B. durch Erfolg) belohnt und dadurch verstärkt. → Sprachverständnis des amerikanischen Strukturalismus (ca. 1930-1960) - semantikfeindlich - formorientiert - mechanistisch - alle Sprache wird als Anordnung (Distribution) von Formelementen angesehen Demontage des Behaviorismus • Chomsky, Noam (1959). Review of Skinner's Verbal Behavior. Language 35 (1): 26-58. 2 4 6 1

<strong>Spracherwerbstheorien</strong><br />

• <strong>Behaviorismus</strong><br />

• Nativismus<br />

• Kognitivismus<br />

• Interaktionismus<br />

• Konnektionismus<br />

Die extremste behavioristische Position<br />

behauptet, dass das Kind irgendwie registriert,<br />

wie häufig in der Erwachsenensprache, die es<br />

zu hören bekommt, einzelne Wörter neben<br />

einzelnen anderen erscheinen.<br />

So erwerbe es ein Sprachmodell, das alles<br />

über die relativen Häufigkeiten der einzelnen<br />

Wörter weiß.<br />

Bringt das Kind selber Sprache hervor,<br />

verknüpfe es die Wörter nach diesen ihren<br />

relativen Häufigkeiten zu Ketten, und das<br />

seien dann seine Sätze.<br />

<strong>Kritik</strong> <strong>am</strong> <strong>Behaviorismus</strong><br />

• Der <strong>Behaviorismus</strong> wird vor allem einem der<br />

Design-Features der menschlichen Sprache in<br />

keiner Weise gerecht: der Offenheit bzw.<br />

Kreativität der Sprache. Wer den <strong>Behaviorismus</strong><br />

ganz ernst nehmen wollte, müsste der Meinung<br />

sein, dass niemand jemals etwas wirklich Neues<br />

sagen könnte. Dass Kinder auf sprachliche<br />

Belehrungen nicht oder sogar negativ reagieren,<br />

spricht auch nicht gerade für den behavioristischen<br />

Ansatz.<br />

1<br />

3<br />

5<br />

<strong>Behaviorismus</strong><br />

• Führt alle Leistungen auf Lernvorgänge zurück<br />

• Nichts ist ererbt außer einem universalen<br />

Lernmechanismus<br />

• Sprache lernen Kinder, weil sie die Sprache der<br />

Erwachsenen imitieren<br />

• Richtige Imitationen werden (direkt oder indirekt,<br />

z.B. durch Erfolg) belohnt und dadurch<br />

verstärkt.<br />

→ Sprachverständnis des <strong>am</strong>erikanischen<br />

Strukturalismus (ca. 1930-1960)<br />

- semantikfeindlich<br />

- formorientiert<br />

- mechanistisch<br />

- alle Sprache wird als Anordnung<br />

(Distribution) von Formelementen<br />

angesehen<br />

Demontage des <strong>Behaviorismus</strong><br />

• Chomsky, No<strong>am</strong> (1959). Review of<br />

Skinner's Verbal Behavior. Language 35<br />

(1): 26-58.<br />

2<br />

4<br />

6<br />

1


Nativismus<br />

• Der Nativismus, auch Innatismus genannt,<br />

ist das Gegenteil zum Empirismus in allen<br />

seinen Spielarten (z.B. auch <strong>Behaviorismus</strong>)<br />

• Empiristische Sprachtheorien gehen davon<br />

aus, dass jeder einzelne seine Sprache ganz<br />

und gar aus der Außenwelt gewinnt; er<br />

nimmt sie mit seiner Erfahrung auf.<br />

• Aber nach Ansicht der Nativisten ist der<br />

Output regelmäßig größer als der Input, und<br />

daraus wird der Schluss gezogen:<br />

• so schnell und mühelos und sicher, wie das<br />

Kind seine Muttersprache lernt, könnte es<br />

sie nie und nimmer lernen, wenn es nicht<br />

angeleitet wäre von einem erheblichen<br />

Vorwissen, das in ihm nicht anders als<br />

genetisch angelegt sein kann<br />

Radikale Variante des modernen<br />

Nativismus: No<strong>am</strong> Chomsky<br />

• "Universalgr<strong>am</strong>matik" (UG)<br />

• ein angeborenes "Sprachorgan", das im Gehirn<br />

lokalisiert ist<br />

• Language Acquisition Device (LAD)<br />

• Der (lückenhafte) Input der Sprache, in deren<br />

Umgebung das Kind aufwächst, trifft auf die im<br />

Gehirn genetisch verankerte UG<br />

• Als Ergebnis wird die Kerngr<strong>am</strong>matik der<br />

betreffenden Sprache produziert<br />

7<br />

9<br />

11<br />

Nativismus = Angeborenheit<br />

• Gewisse Sprachkenntnisse kommen von<br />

innen, sind angeboren<br />

• Kein Nativist ist der Auffassung, Sprache<br />

stellte sich auch dann ein, wenn der Input<br />

gänzlich fehlt<br />

• Es wird nicht angenommen, Sprache sei<br />

generell angeboren<br />

• Der Input, dem es normalerweise ausgesetzt<br />

ist, sei viel zu verwirrend, zu dürftig und zu<br />

unzuverlässig, als dass ein kleines Kind ihm<br />

ein so hochkomplexes Regelwerk<br />

entnehmen könnte, wie es die Gr<strong>am</strong>matik<br />

einer natürlichen Sprache darstellt.<br />

• Die Grundregeln müssten ihm also<br />

angeboren sein.<br />

Language Acquisition Device<br />

(LAD)<br />

Kern-<br />

Input Sprache L Universal- gr<strong>am</strong>ma-<br />

(z.B. Deutsch) → gr<strong>am</strong>matik → tik Sprache<br />

L<br />

8<br />

10<br />

12<br />

2


<strong>Kritik</strong> <strong>am</strong> Nativismus<br />

Chomskyscher Prägung<br />

• Das unfehlbare Gr<strong>am</strong>matikwissen gibt es<br />

nicht<br />

• Gr<strong>am</strong>matikalitätsurteile betreffen meist<br />

Schulwissen und sagen daher nichts über<br />

ungesteuerten Spracherwerb<br />

• Gesprochene Alltagssprache hat ihre<br />

Eigengesetzlichkeit, die durch das<br />

Chomskysche Modell nicht erfasst wird.<br />

Kognitivismus<br />

(auch Konstruktivismus genannt)<br />

• Klassische Ansätze: Jean Piaget, "Genfer<br />

Schule" (seit ca. 1920)<br />

• Heute: Kognitive Linguistik (George<br />

Lakoff, Ronald Langacker u.a.)<br />

Sprache ist im Verständnis der Kognitivisten<br />

nichts "für sich". Es gibt für sie kein besonderes<br />

"Sprachorgan" (wie etwa "UG"), sondern<br />

nur einen Allzweckgeist, ein Bündel<br />

allgemeiner kognitiver Fähigkeiten, aufgrund<br />

derer u.a. auch Sprache erworben wird.<br />

Ihrerseits sind die allgemeinen Prinzipien<br />

menschlicher Kognition und ihre allmähliche<br />

Reifung genetisch vorgegeben.<br />

13<br />

15<br />

17<br />

<strong>Kritik</strong> <strong>am</strong> Nativismus<br />

Chomskyscher Prägung<br />

• Reduktion der Sprachkompetenz auf Syntax ist<br />

absurd<br />

• Das Kind erwirbt eine kommunikative<br />

Kompetenz, die weit über Gr<strong>am</strong>matikwissen<br />

hinausgeht<br />

• Es ist eine Kompetenz des Sprachgebrauchs, die<br />

ganz eng mit anderen Kompetenzen der sozialen<br />

Interaktion verbunden ist.<br />

Kognitivisten versuchen zu beschreiben, in<br />

welchen auf einander aufbauenden Stufen sich<br />

die geistige Reifung, die Entfaltung der<br />

Intelligenz vollzieht, von den ersten<br />

Wahrnehmungen und Bewegungen bis hin<br />

zum abstrakten Denken.<br />

Den Spracherwerb sieht der Konstruktivismus<br />

nur als eine besondere Anwendung des<br />

allgemeinen geistigen Zugewinns.<br />

• Auch nach diesem Modell unterliegt der<br />

Spracherwerb also indirekt genetischer<br />

Kontrolle<br />

• Aber es kommt ohne spezielle Sprachgene<br />

aus<br />

• Sprache ist für den Kognitivisten nicht<br />

autonom,<br />

• sondern eine spezifische Anwendung<br />

allgemeiner kognitiver Fähigkeiten<br />

14<br />

16<br />

18<br />

3


Interaktionismus<br />

• Beobachtung, dass die Sprache, in der<br />

Erwachsene mit Kindern sprechen, sich<br />

konsequent und systematisch von der<br />

Erwachsenensprache unterscheidet.<br />

• Komplexitätsgrad auf das Kind abgestimmt.<br />

• Vereinfachung, der das Lernvermögen des<br />

Kindes gewachsen ist.<br />

Motherese ("Mutterisch")<br />

• Nicht nur Mütter, alle Erwachsenen<br />

sprechen mit Kindern anders als<br />

untereinander.<br />

• Lautliche Merkmale: stark übertriebene<br />

Intonation; überdeutliche Betonungen der<br />

markanten Redeteile; höhere Stimmlage (ca.<br />

1 Oktave)<br />

Motherese ("Mutterisch")<br />

• Struktur einfach (nach Catherine Snow)<br />

• in semantischer Hinsicht: hic et nunc (Jetzt<br />

und hier): wie die Dinge heißen, welche<br />

Geräusche sie machen, welche Farbe sie<br />

haben, was sie tun, wem sie gehören, wo sie<br />

sind.<br />

19<br />

21<br />

23<br />

Zentrale These des<br />

Interaktionismus<br />

• Der Spracherwerb vollzieht sich in der<br />

Interaktion von Mutter und Kind (daher der<br />

N<strong>am</strong>e)<br />

• In dieser Interaktion wird dem Kind<br />

Sprache in einer Weise angeboten und<br />

abgefordert, die auf die jeweilige<br />

Verarbeitungskapazität seines Gehirns<br />

abgestimmt ist.<br />

Motherese ("Mutterisch")<br />

• Lexikalische Merkmale: "Ammenwörter"<br />

Hottehü<br />

A-a<br />

Piepmätzchen<br />

Heia<br />

Bäuerchen<br />

Motherese ("Mutterisch")<br />

• in syntaktischer Hinsicht: kurze Aussageund<br />

Fragesätze, aber gr<strong>am</strong>matisch korrekt<br />

strukturiert (keine Pidginisierung). Beispiel<br />

(nach Dieter E. Zimmer):<br />

*Wenn du, wie ich hoffe, ohne zu protestieren deinen Mittagsschlaf<br />

absolviert hast, könnten wir zus<strong>am</strong>men Eis essen<br />

gehen.<br />

*Gut Kind dann geh ess Eis.<br />

→ Komm. Sei lieb. Du schläfst jetzt. Dann gehen wir Eis<br />

essen.<br />

20<br />

22<br />

24<br />

4


Motherese ("Mutterisch")<br />

• Redundanz, Wiederholungen, Variationen<br />

Du schläfst jetzt. Du legst dich hin. M<strong>am</strong>i<br />

bringt dich ins Bett. Du musst jetzt schön<br />

schlafen.<br />

<strong>Kritik</strong> <strong>am</strong> Interaktionismus<br />

• Keine Erklärung des Spracherwerbs, sondern nur<br />

eine Beschreibung der Bedingungen, unter denen<br />

dieser normalerweise vor sich geht.<br />

• Aber: Wenn das Kind regelmäßig einer<br />

vereinfachten Sprache ausgesetzt ist, braucht auch<br />

kein so detailliertes genetisch verankertes<br />

Vorwissen angenommen zu werden, wie dies die<br />

Nativisten tun,<br />

Konnektionismus<br />

• Die verschiedenen Bereiche der Sprache<br />

(Gr<strong>am</strong>matik, Lexikon usw.) bilden keine<br />

separaten Module, die unabhängig von<br />

einander erworben werden, sondern<br />

beeinflussen sich gegenseitig<br />

25<br />

27<br />

29<br />

Motherese ("Mutterisch")<br />

• Motivation für das Mutterische:<br />

Kinder blenden Äußerungen, die sie nicht<br />

verstehen, einfach aus.<br />

Konnektionismus<br />

• Strukturerwerb ist Ergebnis aktiver<br />

Informationsverarbeitung (Aufbau immer<br />

komplexerer neuronaler Netzwerke)<br />

• Es gibt keine angeborene UG und keinen<br />

LAD, sondern nur eine allgemeine Sensibilität<br />

gegenüber Sprache<br />

Konnektionismus<br />

• Strukturerwerb wird in Eigenaktivität geleistet,<br />

• setzt eine Mindestanzahl analysierbarer Einheiten<br />

voraus (weil sonst kein Vergleich stattfinden kann,<br />

der Analogieprozesse auslöst),<br />

• arbeitet anfänglich mit einem sehr einfachen Input<br />

(kurze Sätze),<br />

• bei zunächst niedriger Aufmerks<strong>am</strong>keits- und<br />

Verarbeitungsspanne,<br />

• und etabliert zunächst grundlegende Kategorien<br />

(z.B. Nomen, Verb, Singular, Präsens).<br />

26<br />

28<br />

30<br />

5


Fazit?<br />

• Die meisten <strong>Spracherwerbstheorien</strong><br />

ergänzen sich gegenseitig<br />

• Konnektionismus und Kognitivismus liefern<br />

Erklärungen für innere intellektuelle<br />

Vorgänge, für die der Interaktionismus ein<br />

plausibles äußeres Szenario bereitstellt.<br />

31<br />

• <strong>Behaviorismus</strong> und Nativismus in der<br />

jeweils radikalen Form liefern keine<br />

plausiblen Erklärungsansätze.<br />

32<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!